S T S - M E R K B L AT T TIERGERECHTE UND KOSTENGÜNSTIGE STÄLLE TKS 1.5 Kälber dürfen auf die Weide Das Weiden fördert nicht nur die Gesundheit von Kälbern, sondern bietet dem Landwirt auch Gelegenheit, sich mit den Tieren abzugeben. Denn eine gute Mensch-Tier-Beziehung dient beiden Seiten. Ruedi Häusler nimmt Kontakt mit dem Kalb auf. Es ist noch kühl, morgens um halb neun Uhr, doch es sieht nach einem warmen Sommertag aus. Auf dem Hof Schneit in Altikon liegen zwei Kälber im Gras und geniessen die Sonne. Sie sind erst wenige Wochen alt. Der Landwirt Ruedi Häusler spricht mit ihnen: «Hallo Nelly, wie geht es? Steh einmal auf.» Dann führt er Nelly, das schwarz-weisse und grössere der beiden, am Halsband. Ein Stück weit macht es mit, doch dann bleibt es stehen. Noch macht es offensichtlich nicht alles, was sein Chef möchte. Sich mit den Tieren abgeben Das Weiden der Tiere ist zwar mit zusätzlicher Arbeit verbunden; doch Ruedi Häusler nimmt diese gerne in Kauf. «Auf diese Weise gebe ich mich mit den Tieren ab», sagt er. «Sie werden zutraulich und folgen mir.» Als erfolgreicher Züchter von Red-Holstein Milchkühen ist es für ihn wichtig, dass er die ausgewachsenen Tieren später an Ausstellungen gut präsentieren kann. Um sie an sich und an das gemeinsame Gehen zu gewöhnen, führt er die jungen Kälber öfters am Halfter, bis sie gelernt haben, willig zu gehen. «Am Schluss laufen sie wie ein Hund hintennach. Es ist eine sinnvoll investierte Zeit», sagt Ruedi Häusler. Denn wenn die Kälber erst einmal ausgewachsen seien, dann sei es viel schwieriger, sie zu schulen. 1 SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS TKS 1.5 Die Kälber dürfen meistens bei schönem Wetter auf die Hofweide; sie wechseln sich mit den Galtkühen ab. Die Hochstammbäume spenden den Kälbern Schatten. Doch, wenn es wärmer wird und Mücken die Tiere plagen, nimmt der Landwirt seine Tiere in den Stall. Da sich die Weide in der Nähe des Stalles befindet, muss er dafür nur zwei Elektrobänder spannen, die an einer Rolle aufgewickelt sind. Die Kälber lernen den Ablauf schnell kennen und wissen, dass es dann Zeit ist, in den Stall zu gehen. Die Kalberweide befindet sich direkt vor dem Hof. Die Kälber kommen zurück in den Stall. Die Elektrobänder zum Auslassen der Kälber lassen sich leicht aufund abrollen. Im Stall ist es trotz hochsommerlicher Temperaturen angenehm kühl. Schon nach kurzer Zeit liegen die Kälber im sauberen Stroh. Zuvor kontrolliert der Landwirt noch, ob sich keine Mücken in den Ohren der Tiere eingenistet haben. Indem er die Tiere streichelt, nimmt er zugleich wieder einen positiven Kontakt mit den Tieren auf. Ruedi Häusler kontrolliert, ob es Mücken in den Ohren der Kälber hat. 2 SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS TKS 1.5 Gutes Stallklima in Kälberstall Die Milchviehherde besteht aus 35 Red-Holstein Kühen mit einem Stalldurchschnitt von 10 500 kg Milch. Während die Kühe in einem Offenfrontstall untergebracht sind und täglichen Weidegang resp. im Winter Auslauf haben, befinden sich die Kälber unweit davon im alten Stallgebäude, wo sich früher das Tenn befand. Das hohe Tenn verfügt über ein grosses Luftvolumen, was ein gutes Stallklima begünstigt. Im gleichen Raum kommen die Kälber in separaten Abkalbebuchten zur Welt. Dort erhalten sie die Kolostralmilch und bleiben bis etwa 24 Stunden nach der Geburt bei der Mutter. Über eine Öffnung zum Kuhstall schauen später die Mütter noch nach ihren Jungen. Die Kälber ruhen in einem Tiefstreustall mit gutem Stallklima. Die Aufnahme von frischem Stroh fördert das Wiederkäuen und die Entwicklung des Pansens. Die Kälber erhalten in den ersten drei Lebensmonaten zwei Mal pro Tag ca. drei Liter Milch pro Mahlzeit. An der Futterkrippe können sie jederzeit Heu sowie Mais- und Getreideflocken aufnehmen. Wenn frisch eingestreut wird, fressen sie gerne auch etwas Stroh. So können sich der Pansen und das Wiederkauen früh entwickeln. «Sie haben keinen Stress», sagt der Landwirt. Das Wichtigste für ihre Entwicklung ist, dass sie ruhig liegen und wiederkäuen. Die Kälber kommen im Alter von etwa drei Monaten in einen Aufzuchtbetrieb im Berggebiet, bis sie als hochträchtige Kalbinnen wieder zurückkommen. Wenn alles optimal geht, dann kalben diese schon im Alter von 24 Monaten. Weide fördert Gesundheit und Wohlbefinden Auch wenn Ruedi Häusler mit den Tieren später nicht zu Ausstellungen ginge, sieht er in der Weide und im Auslauf Vorteile. Die Tiere können ihren Bewegungsdrang ausleben. Sichtbar wird dies an ihren Rennspielen, wenn sie aus dem Stall kommen. Die Weide fördert die Gesundheit der Tiere, denn frische Luft und Sonne tun ihnen gut. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Weide nicht vernässt und frei von Leberegeln und Lungenwürmern ist. Nicht zuletzt fördert die Weide das Sozialverhalten der Kälber. «Sie brauchen einander», sagt Ruedi Häusler. Die jüngeren Tiere lernen von den älteren. Vieles lernen sie im Spiel miteinander, auch die Regeln des Zusammenlebens. Auf der Weide können sich die Kälber «austoben». 3 SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS TKS 1.5 Weide muss sicher sein Kälber sollen sich auf der Weide nicht nur wohlfühlen, sondern sie sollen auch sicher sein. Dafür ist ein guter Zaun notwendig. Vier straff gespannte Elektrobänder verhindern, dass die Kälber auf die Strasse gelangen. Der Landwirt gewöhnt die Tiere an den elektrischen Zaun, indem er das Elektrogerät auf die niedrigste Stufe stellt. So geraten die Tiere bei den ersten Berührungen nicht in Panik. Ein robuster Zaun bietet den Tieren Sicherheit. Viele Velofahrer bleiben an der Strasse stehen und schauen den Kälbern zu, erzählt Franziska Häusler, die Bäuerin. Die Tiere tun dem Menschen gut, aber auch umgekehrt: die jungen Tiere erfahren, dass man sie gerne hat. Das erleichtert die Mensch-Tier-Beziehung. Für die Bauernfamilie und viele Spaziergänger in der Umgebung gehört das Bild der Kälber auf der Weide einfach zum Hof der Familie Häusler dazu. Betriebsspiegel: Familienbetrieb, IP, Lage: Thurtal auf 390 m ü.M. Arbeitskräfte: Betriebsleiter und Frau, Hilfe von Eltern des Betriebsleiters Tierbestand: 35 Red-Holstein Kühe mit Kälbern bis drei Monate Fläche: 30 ha LN, davon 10 ha Grünland und Weide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Maissilage und Getreide. Adresse Beispielbetrieb: Franziska und Ruedi Häusler, Schneit, 8479 Altikon, Tel. 052 336 10 53 Autor und Fotos: Michael Götz, Dr. Ing. Agr., Landwirtschaftliche Bauberatung-GmbH, Säntisstrasse 2a, 9034 Eggersriet SG, Tel./Fax 071 877 22 29, [email protected], www.goetz-beratungen.ch Herausgeber: Schweizer Tierschutz STS, Dornacherstrasse 101, 4008 Basel, Tel. 061 365 99 99, Fax 061 365 99 90, www.tierschutz.com, [email protected] 9/2010 Dieses und weitere Merkblätter stehen unter www.tierschutz.com>publikationen>Nutztiere/Konsum>Infothek zum Download bereit. 4