Inhaltsverzeichnis - Kapitel 1. Einleitung: Die Chemie des Lebens 2. Kohlenhydrate 3. Lipide und Membranen 4. Nukleinsäuren 5. Aminosäuren und Proteine 6. Enzyme und Katalyse 7. Vitamine & Kofaktoren 8. Stoffwechsel I: Kohlenhydratstoffwechsel 9. Stoffwechsel II: Citratcyclus & oxidative Phosphorylierung 10.Stoffwechsel III: β-Oxidation & Aminosäureabbau 11.Stoffwechselphysiologie & Ernährungsbiochemie 1 2 Überblick Glucosestoffwechsel Stoffwechsel II Glykogenspeicher: ca. 1 kg (Leber/Muskel), ca. 1 Tag 5 mM Blutglucose! Blutzuckerwert: • Konz. an gelöster Glukose im Blut • durch Insulin gelangt Glukose aus dem Blut in die Zelle -> Glykolyse Nüchtern-Blutzuckerwert im Blutplasma: < 100 mg/dl (5,6 mmol/l) Nach dem Essen (postprandial): max.140 mg/dl (7,7 mmol/l) 3 Der Citratzyklus Stoffwechsel II Der Citratzyklus (Krebs-Zyklus) ist ein zentraler Kreislauf biochemischer Reaktionen im Stoffwechsel aerober Zellen. Er dient dem oxidativen Abbau organischer Stoffe zum Zweck der Energiegewinnung und der Bereitstellung von Zwischenprodukten für Biosynthesen. -> Der Citratzyklus vollendet damit die Oxidation des glykolytischen Endprodukts Pyruvat zu Kohlendioxid. 4 Rolle des Citratzyklus im Stoffwechsel Stoffwechsel II Das beim Abbau von Fetten, Zuckern und Aminosäuren als Zwischenprodukt entstehende Acetyl-CoA wird im Citratzyklus zu CO2 und H2O abgebaut, wobei für den Anabolismus des Organismus nutzbare Zwischenprodukte gebildet werden und direkt (als ATP) und indirekt (als Reduktionsäquivalente NADH & FADH2) Energie gebildet wird. 5 Citratzyklus = Krebszyklus Stoffwechsel II Nobelpreis für Medizin/Physiologie 1953 Die zyklische Natur des Citratzyklus wurde in den 1930iger Jahren von Sir Hans Krebs entdeckt (daher oft auch als „Krebszyklus“ bezeichnet!) Sir Hans Krebs (1900-1981) „For his discovery of the citric acid cycle“ 6 Lokalisation des Citratzyklus Stoffwechsel II In Eukaryonten findet der Citratzyklus in der sog. Matrix der Mitochondrien statt: 7 Überblick Citratzyklus Stoffwechsel II Die 8 Reaktionen überführen Acetyl-CoA in Kohlendioxid (CO2) + Wasser (H2O). Die freiwerdende Energie wird in Form von NADH, FADH2 und GTP gespeichert: 3 NAD+ + FAD + GDP + Pi + Acetyl-CoA + 2 H2O 3 NADH + FADH2 + GTP + CoA + 2 CO2 + 3 H+ Die im Citratzyklus gewonnenen, an NADH und FADH2 gebundenen Elektronen werden der Atmungskette zugeführt und auf den Elektronenakzeptor Sauerstoff (O2) übertragen -> Oxidative Phosphorylierung. Die dabei frei werdende Energie wird genutzt, um ATP zu bilden -> dabei entstehen aus NADH ca. 3 ATP und aus FADH2 ca. 2 ATP. 8 Der Citratzyklus Stoffwechsel II Cytoplasma Mitochondriale Matrix Das erste Intermediat im Citratzyklus ist Citrat (Name!) 9 Teilschritte des Citratzyklus Stoffwechsel II 10 Synthese von Acetyl-CoA Stoffwechsel II Der Treibstoff für den Citratzyklus ist Acetyl-CoA, ein „energiereicher“ Thioester. Das Endprodukt der Glykolyse Pyruvat kann zu Acetyl-CoA umgewandelt werden. Diese Umwandlung erfolgt über den Pyruvatdehydrogenase-Komplex in fünf aufeinanderfolgenden Reaktionsschritten, die wie folgt zusammengefasst werden können: PDH Komplex Pyruvat + NAD+ + CoA Acetyl-CoA + CO2 + NADH 11 Der Pyruvatdehydrogenase Multienzymkomplex Stoffwechsel II Drei Enzyme sind an der irreversiblen oxidative Decarboxylierung von Pyruvat zu Acetyl-CoA beteiligt: • Pyruvatdehydrogenase (E1) • Dihydrolipoyltransacetylase (E2) • Dihydrolipoyldehydrogenase (E3) Diese drei Enzyme bilden einen gemeinsamen Multienzymkomplex. Durch die Generierung von Acetyl-CoA aus Pyruvat wird eine Verbindung zwischen der Glykolyse und Citratzyklus hergestellt. 12 Struktur des Multienzymkomplexes Stoffwechsel II Der PDH-Multienzymkomplex ist einer der größten Enzymkomplexe mit einer Masse von 4,6 - 9,5 MDa und einem Durchmesser von 300 - 500 Å (30 - 50 nm). Der Kern des Komplexes besteht aus 24-60 Molekülen E2 (Dodekaeder-Struktur). Der Kern ist von 24-30 Molekülen E1 (orange) und 12 Molekülen E3 (pink) umgeben. 13 Vorteile von Multienzymkomplexen Stoffwechsel II Der Vorteil von Multienzymkomplexen im Vergleich zu einzelnen Enzymaktivitäten besteht vor allem in Folgendem: • Kurze Distanz ermöglicht eine Beschleunigung der Reaktionsraten • Produkt einer Reaktion kann direkt als Substrat für die nächste Enzymreaktion dienen („substrate channeling“); dadurch wird ein Verlust vermieden! • Koordinierte Kontrolle der Gesamtreaktion 14 Coenzyme in der Pyruvatdehydrogenase Stoffwechsel II An den enzymatischen Reaktionen sind zahlreiche Cofaktoren beteiligt: Coenzym Schritt Funktion Thiaminpyrophosphat (Vitamin B1, TPP) gebunden an E1 Decarboxyliert Pyruvat unter Ausbildung eines TPP-Carbanions (Hydroxyethyl-TPP) Liponsäure kovalent gebunden an E2 übernimmt Hydroxyethyl-Gruppe nach Oxidation zu Acetylgruppe von TPP (es entsteht die E-reiche Thioesterverb. S-Acetylliponamid) Coenzym A (CoA) Substrat für E2 übernimmt die Acetylgruppe vom Liponsäureamid und wird zu Acetyl-CoA Flavinadenindinucleotid (FAD) gebunden an E3 reoxidiert das Dihydroliponamid zu Liponsäureamid Nicotinamidadenindinucleotide (NAD+) Substrat für E3 wird von FADH2 reduziert, wodurch dieses wieder regeneriert wird 15 Die 5 Reaktionen des PDH-Komplexes Stoffwechsel II FAD OH H 3C CO2 1 C TPP pyruvate dehydrogenase (E1) S SH S dihydrolipoyl dehydrogenase (E3) lipoamide H3 C C O C H NA DH + 5 R FAD S 4 2 O + NA D SH S S dihydrolipoyl transacetylase (E2) TPP O H S R O H3C C O 3 S H 3C C S Co A acety l-CoA H S R Co A 16 Kovalente Verknüpfung der Liponsäure mit E2 Stoffwechsel II Die Liponsäure ist über eine Lysinseitenkette kovalent mit E2 verbunden. Dadurch kann die Liponsäure die aktiven Zentren von E2 und E3 erreichen. 17 Regulation und Hemmung der PDH Stoffwechsel II Regulation Hemmung / Inaktivierung: • Hemmung durch die Endprodukte Acetyl-CoA und NADH (Produkthemmung) • Inaktivierung durch Phosphorylierung von 3 Serinresten der E1-Untereinheit durch eine Pyruvatdehydrogenase-Kinase (PDK) Aktivierung / Stimulierung: • Stimulierung durch Calcium- sowie Magnesiumionen • Aktivierung durch Aufhebnung der Serin-Phosphorylierung über die Phosphopyruvatdehydrogenase-Phosphatase (PDP) Hemmstoffe Toxisch: Arsen(III)-Verbindungen wie Arsenit (AsO33−), organische Arsenverbindungen 18 Zur Toxizität von Arsen Stoffwechsel II Die Toxizität von Arsen beruht auf der Reaktivität von Arsenit und organischen Arsenverbindungen mit Thiolgruppen, wie z. B. mit Dihydroliponamid: -> kovalente Verbindungen mit Thiolgruppen -> inaktivieren Dihydroliponamid Inhibition der Pyruvat-Dehydrogenase (und der α-Ketoglutaratdehydrogenase) blockiert die Atmung! Bakterielle Enzyme sind empfindlicher für Arsen-Verbingungen (siehe Entwicklung von „Salvarsan“) 19 Liponsäurederivate in Pflanzen Stoffwechsel II Hauptbestandteile: 1.2-Dithiolan-4-carbonsäure (Spargelsäure) und Methylester O 1.2-Dithiol S S S C O CH3 S O S C OH S Asparagus officinalis ENZYMATISCHER ABBAU S S C CH3 O S-Methylthioacrylat H3C (Liliaceae) S C CH3 O S-Methyl-3-(methylthio) thiopropionat • Übelriechende Substanzen, mit Urin ausgeschieden • ca. 40% der Menschen besitzen erforderliche Enzyme 20 1. Schritt: Citratsynthase Stoffwechsel II Die Citratsynthase katalysiert die KONDENSATION von Acetyl-CoA und Oxalacetat zu Citrat: (Säure-Base-Katalyse: Asparaginsäurerest 375 als katalysierende Base, His320 als Säure): 21 2. Schritt: Aconitase Stoffwechsel II Die Aconitase katalysiert die ISOMERISIERUNG von Citrat zu Isocitrat: COO CH 2 HO C H 2O O H2 C COO citrate C O COO CH C H 2O O H2 C C O COO HO H CH C O H2 C COO COO cis-aconitate isocitrate C O Die Anwesenheit eines Eisen-SchwefelClusters als Cofaktor entscheidet über die Funktion der Aconitase. Die spezifische Konformation des Enzyms mit dem [4Fe-4S]Cluster lässt die Reaktion stereospezifisch vom achiralen Citrat ausschließlich zum (1S,2R)-Isocitrat ablaufen. 22 Fluoressigsäure hemmt die Aconitase Stoffwechsel II Fluoressigsäure wird als Natriumfluoroacetat (Natriumsalz der Fluoressigsäure) zur Bekämpfung von Nagetieren in Giftködern verwendet. Natürlicherweise ist das Salz in über 40 Pflanzen Australiens, Brasiliens und Südafrikas enthalten („Fraßgift“): • Zum Beispiel findet es sich als giftiger Inhaltsstoff in den Blättern des südafrikanischen Strauches „Gifblaar“ (Dichapetalum cymosum). Bereits ein Blatt kann ein Schaf töten. • Pflanzen wie Gastrolobium & Oxylobium enthalten bis zu 2.65 g Fluoressigsäure pro kg Blattfrischgewicht. • In kleinen Mengen kommt die Verbindung auch in Teeblättern vor. Gastrolobium bilobum (Leguminaceae) -> „Heart leaved poison“ 23 Fluoressigsäure: Letale Biosynthese Stoffwechsel II Fluoressigsäure ist an sich nicht toxisch, wird aber über die Citratsynthase in einen toxischen Metaboliten umgewandelt. Dieser bindet als „Pseudosubstrat“ an die Aconitase. Die Aconitase kann jedoch Fluorocitrat nicht in Aconitat umwandeln, und dadurch wird der Citratzyklus gehemmt und die Zellen von der E-Zufuhr abgeschnitten! O fluoroacetic acid H2 C C OH F HSCoA O fluoroacetyl-CoA H2 C C SCoA F O OOC C CH 2 H2 C COO oxaloacetate COO HO citrate synthase C metabolic block! F C H COO O CH 2 C O C COO fluorocitrate aconitase O H C C O COO aconitate 24 Toxizität der Fluoressigsäure Stoffwechsel II Die meisten Warmblüter werden durch Fluoressigsäure vergiftet. Durchschnittlich sind bei Warmblütlern 1mg/kg Körpergewicht tödlich: Die letale Dosis beträgt für Menschen etwa 5 mg/kg. Bei Maus oder Ratte liegt die Dosis bei 0,1 mg/kg. Ausnahme Kängurus: Kängurus haben eine Toleranz für Fluoressigsäure entwickelt, die auf eine Entgiftung durch Glutathion beruht! Kangaroo (Bettongia spp.) 25 3. Schritt: Isocitratdehydrogenase Stoffwechsel II Isocitratdehydrogenase katalysiert die OXIDATIVE DECARBOXYLIERUNG von Isocitrat zu α-Ketoglutarat: Mn2+-katalysiert Diese Reaktion setzt das erste von zwei CO2 Molekülen im Citratzyklus frei. Die Isocitratdehydrogenase-Reaktion ist ähnlich der Phosphogluconat-DehydrogenaseReaktion im Pentosephosphatweg (siehe Kapitel 8). Wie jede Dehydrogenase ist auch die Isocitrat-Dehydrogenase durch ATP bzw. ADP regulierbar: ATP bewirkt indirekte Hemmung, ADP indirekte Aktivierung. 26 4. Schritt: α-Ketoglutaratdehydrogenase Stoffwechsel II α-Ketoglutaratdehydrogenase (Komplex!) katalysiert die OXIDATIVE DECARBOXYLIERUNG von α-Ketoglutarat zu Succinyl-CoA: COO CH2 H C NAD+ COO NADH + H H CH2 H O C H C C O C CoA-SH O CO2 S-CoA succinyl-CoA α-ketoglutarate Die α-Ketoglutaratdehydrogenase-Reaktion ist quasi identisch mit der Pyruvat-DehydrogenaseReaktion -> ähnliche Multienzym-Komplexe: 2-Ketoglutarat-Dehydrogenase Dihydrolipoamid-Succinyltransferase Dihydrolipoamid-Dehydrogenase O Diese Reaktion setzt das zweite CO2 Molekül frei! E1 E2 E3 27 5. Schritt: Succinyl-CoA Synthetase Stoffwechsel II Succinyl-CoA Synthetase koppelt die HYDROLYSE eines „energiereichen“ Thioesters an die HERSTELLUNG einer „energiereichen“ Anhydridverbidnung (GTP): Succinyl-CoA + GDP + Phosphat = Succinat + GTP + CoA 28 6. Schritt: Succinatdehydrogenase Stoffwechsel II Bis zu diesem Schritt wurden 2 CO2, 2 NADH und ein GTP gebildet. Die letzten Schritte beinhalten die Rückbildung von Oxalacetat aus Succinat. Zunächst wird über die Succinatdehydrogenase Succinat zu Fumarat DEHYDROGENIERT. E-FAD E-FADH2 COO H C H H COO C H C C H H OOC COO succinate fumarate 29 Besonderheiten der Succinatdehydrogenase Stoffwechsel II Im Gegensatz zu den meisten anderen Flavoproteinen (Vitamin B2) enthält das Enzym ein kovalent verknüpftes FAD: enzyme CH2 N R N 9 H2 C 8 7 H3 C 6 N 10 5 N 1 N O 2 4 NH 3 O Citratzyklus Die Succinatdehydrogenase, genauer Succinat: Ubichinon-Oxidoreduktase (= Komplex II der Atmungskette), ist als einziges Enzym des Citratzyklus in der inneren Mitochondrienmembran eingebettet und speist die Elektronen direkt in die Atmungskette ein. 30 Besonderheiten der Succinatdehydrogenase Stoffwechsel II Das Enzym katalysiert also nicht nur die Oxidation von Succinat zu Fumarat im Citratzyklus, sondern auch die Reduktion von Ubichinon (Coenzym Q) zu Ubichinol in der Atmungskette. Die REDOX-Kette der Succinatdehydrogenase: Reoxidation von FADH2 erfolgt über eine Kette von Elektronenübertragungen über 3 Fe/S-Cluster zum Cytochrom b556. Letzteres reduziert Ubiquinon (Coenzym Q) zu Ubiquinol. 31 7. Schritt: Fumarase Stoffwechsel II Fumarase katalysiert die HYDRATATION (Addition von Wasser) von Fumarat zu Malat: OH H COO C H H H H H fumarate C OOC C OH H COO C C C OOC COO OOC OH H malate carbanion transition state 32 8. Schritt: Malatdehydrogenase Stoffwechsel II Im letzten Schritt des Citratzyklus wird Malat zu Oxalacetat DEHYDROGENIERT (oxidiert): H H NAD+ NADH + H+ COO H H C OOC COO C C C OH OOC H O oxaloacetate malate 33 Zusammenfassung Stoffwechsel II Die Oxidation einer Acetylgruppe setzt 1 GTP frei. Weiters entstehen 8 Elektronen, die zur Reduktion von 3 NAD+ und 1 FAD benutzt werden: Diese 3 NADH und 1 FADH2 werden in der Atmungskette zur Erzeugung von 3 Molekülen ATP pro NADH und 2 pro FADH2 genutzt. Damit werden 12 Moleküle ATP pro Durchgang im Citratzyklus gewonnen (24 pro Molekül Glucose). Es entstehen also 38 Moleküle ATP beim aeroben Abbau der Glucose (nur 2 unter anaeroben Bedingungen!). 34 Regulation des Citratzyklus Stoffwechsel II Citratsynthase, Isocitratdehydrogenase und α-Ketoglutarat-dehydrogenase werden durch folgende Faktoren reguliert: 1. Verfügbarkeit von Substrat 2. Produktinhibition 3. Kompetitive Rückkopplung Acetyl-CoA, Citrat und Succinyl-CoA wirken als Produktinhibitoren. ATP und Succinyl-CoA kompetitive Rückkoppler. wirken NADH spielt eine Produktinhibitor als (siehe Schema). sowohl als Rückkoppler Rolle auch als 35 Wechselwirkungen mit anderen Stoffwechselwegen Stoffwechsel II Metaboliten des Citratzyklus spielen auch eine Rolle für andere Stoffwechselwege, wie z. B. Oxalacetat für die Gluconeogenese (amphiboler Charakter). Andere Reaktionen liefern Metabolite des Citratzyklus an. Diese werden als anaplerotische Reaktionen bezeichnet. Beispiele sind der Abbau von bestimmten Aminosäuren und die PyruvatcarboxylaseReaktion). 36