Marketing Zusammenfassung (deutsch) - AG-BWZ

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präsentiert
Verfasser: Christina Stahl
Zusammenfassung
aus
Kotler / Bliemel
Marketing
Management
10. Auflage, 2001
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Kotler / Bliemel
Marketing Management
10. Auflage, 2001
INHALT
1. Grundlagen des Marketing und Marketing-Management .....................................................3
2. Schaffung von Kundennutzen und Kundenzufriedenheit durch Wertangebote....................8
3. Marktorientierte strategische Planung als Vorbereitung zum Erfolg ..................................10
4. Marketinginformation und Nachfrageermittlung .................................................................18
5. Analyse des Marketingumfeldes ........................................................................................26
6. Analyse des Käuferverhaltens in Konsumgütermärkten ....................................................31
7. Analyse des Kaufverhaltens von Organisationen...............................................................37
8. Analyse von Branchen und Konkurrenten..........................................................................41
9. Ermittlung von Marktsegmenten und Auswahl von Zielmärkten ........................................44
10. Differenzierung und Positionierung ..................................................................................52
11. Entwicklung und Einführung neuer Produkte ...................................................................57
12. Marketingstrategien für die Phasen im Produkt-Lebenszyklus ........................................64
13. Strategien für Marktführer, Herausforderer, Mitläufer und Nischenbesetzer....................68
14. Marketingstrategien für globale Märkte ............................................................................72
15. Management von Produkten und Marken ........................................................................75
16. Management von Dienstleistungen ..................................................................................81
17. Preismanagement ............................................................................................................85
18. Planung und Management des Distributionssystems ......................................................93
19. Management von Einzelhandel, Großhandel und Warenlogistik .....................................99
20. Planung des Kommunikations- und Absatzförderungsmix.............................................107
21. Planung effektiver Werbeprogramme.............................................................................113
22. Verkaufsförderungs- und Public Relations-Programme .................................................116
23. Verkaufsmanagement ....................................................................................................119
24. Direkt- und Online-Marketing .........................................................................................127
25. Organisation und Umsetzung von Marketingprogrammen.............................................132
26. Marketingsteuerung durch Controlling und Audit ...........................................................137
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1. Grundlagen des Marketing und Marketing-Management
Große Veränderungen mit enormen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen prägen die
neunziger Jahre. Daraus ergaben sich große Marktchancen. Mit der Beendigung des Kalten Krieges
können Kapitalströme vom militärischen Bereich auf die Verbesserung der Infrastruktur und produktive
Investitionen umgelenkt werden. Die Europäische Union schickt sich an, mit 370 Mio. Verbrauchern
und unter Erweiterung durch neue Mitgliedstaaten als Europäischer Wirtschaftsraum der kaufkräftigste
Markt der Welt zu werden. Sie steht als Wirtschaftsblock im Wettbewerb mit dem nordamerikanischen
Handelsblock NAFTA und dem asiatischen Handelsblock ASEAN.
1.1. Herausforderungen im Marketing-Umfeld
1.1.1. Globalisierung von Wettbewerb und Märkten
In der Weltwirtschaft vollzogen sich in den letzten Jahrzehnten grundlegende Umstrukturierungen.
Bedingt durch das Flugzeug, das Telefaxgerät, globale Computer- und Telefonnetzwerke sowie Satellitenfernsehen, sind die Länder und Regionen der Erde verkehrsmäßig und kulturell erheblich näher
zusammengerückt. Mit dieser umwälzenden Überwindung von Zeit- und Raumproblemen konnten
Unternehmen ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte geographisch erheblich erweitern. Heimische
Unternehmen können und müssen nicht nur die benötigten Grundstoffe, Komponenten und auch Fertigwaren international beziehen, sondern auch ihre Waren und Dienstleistungen über den heimischen
Markt hinaus anbieten. In vielen Fällen wissen sie, dass sie dies erfolgreich nicht alleine vollbringen
können.
1.1.2. Technologischer Fortschritt
Der Boom in den Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere die Verknüpfung von
Computer-, Telefon- und TV-Technologien, beeinflusst, wie Produkte erstellt und vermarktet werden.
Anstatt Einkaufsstätten persönlich aufzusuchen, können Verbraucher zu Hause interaktiv am Bildschirm ihren Einkaufsbummel machen und erhalten Bestelltes in kurzer Zeit. Videokonferenzen machen es möglich, dass Geschäftsleute in Sydney, Tokio, Berlin und New York ohne Reiseaufwand
gemeinsam konferieren. Direktvermarkter können Kundenprofile aufbauen, um per Mausklick zu wissen, welche Autormarke oder Eiscremesorte einzelne Konsumenten bevorzugen. Selbst das kleinste
Unternehmen in Sachsen kann Produktinformationen weltweit bei Millionen von Internetnutzern und
rund um die Uhr auf elektronischem Wege anbieten und dafür weniger ausgeben als für Anzeigen in
einer Regionalzeitung.
1.1.3. Veränderung der Einkommenskluft
Viele Menschen und Länder dieser Erde wurden in den letzten Jahrzehnten ärmer, andere wurden
reicher. Ein großer Teil der Weltbevölkerung ist durch Hunger, Krankheit und ungenügende Ausbildung benachteiligt. Viele Länder sind durch innere Unruhen und korrupte Regierungen ihrer Handlungsfreiheit beraubt und leiden unter einer enormen internen und externen Verschuldung. Die Kluft
zwischen armen und reichen Ländern ist gewachsen.
1.1.4. Dringliche Umweltproblematik
Ein wesentlicher Faktor im heutigen und zukünftigen Wirtschaftsklima besteht in der immer dringlicher
Werdenden Umweltproblematik und im verstärkten Bewusstsein von Umweltproblemen. Unternehmen
müssen in verstärktem Maße Verantwortung für die Umwelteinflüsse übernehmen, die von ihnen ausgehen. In der Vergangenheit wurden Umweltschäden, die durch Produktionsverfahren und durch Produkte entstehen, oft vernachlässigt. Dies geschah meist aus dem streben nach niedrigen Kosten.
Verstärkte Umweltauflagen haben allerdings dazu geführt, dass die Produktionskosten der Unternehmen erhöht wurden.
1.2. Grundkonzepte für das Marketing
Marketing kann vielfältig definiert werden. Uns dient folgende Definition am besten: Marketing ist ein
Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse
und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und
miteinander austauschen. Diese Betrachtungsweise des Marketing baut auf folgenden Grundkonzepten auf: Bedürfnisse, Wünsche und Nachfrage; Nutzen, Kosten und Zufriedenstellung; Austauschprozesse und Transaktionen; Beziehungen und Netzwerke; Märkte; Marketer und Interessent. Diese Begriffe werden im folgenden besprochen.
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1.2.1. Bedürfnisse, Wünsche und Nachfrage
Der Ausgangspunkt für das Marketing als Disziplin liegt in den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen. Die Menschen brauchen Nahrung, Luft, Wasser, Kleidung, Wärme und Sicherheit, um überleben zu können. Darüber hinaus haben sie ein starkes Bedürfnis nach Erholung, Bildung und anderen
Dienstleistungen. Dabei entwickeln sie ausgeprägte Präferenzen für ganz bestimmte Varianten dieser
fundamentalen Güter und Dienstleistungen. Ohne Zweifel gibt es heute eine überwältigende Fälle von
menschlichen Bedürfnissen und Wünschen.
1.2.2. Produkte
Die Menschen befriedigen ihre Bedürfnisse und Wünsche durch den Kauf von Produkten. Dem Begriff
Produkt wollen wir hier eine breit angelegte Definition zugrunde legen: Ein Produkt ist alles, was einer
Person angeboten werden kann, um ein Bedürfnis oder einen Wunsch zu befriedigen. Im gängigen
Sprachgebrauch verbindet man mit dem Begriff Produkt vornehmlich ein physisches Gut, wie z.B. ein
Auto, einen Fernsehapparat oder ein Erfrischungsgetränk. Wir sehen Produkt als Oberbegriff für Güter
und Dienstleistungen an. Den Ausdruck Güter und Dienstleistungen verwenden wir, wenn wir daran
erinnern wollen, dass eine Aussage für physische, immaterielle sowie auch für Austauschobjekte gilt,
die aus mehreren Komponenten gleichzeitig bestehen.
1.2.3. Nutzen, Kosten und Zufriedenstellung
1.2.4. Austauschprozesse und Transaktionen
Die bloße Tatsache, dass die Menschen Wünsche und Bedürfnisse haben oder Produkten einen bestimmten Nettonutzen zumessen können, reicht allerdings nicht für eine umfassende Definition des
Marketingbegriffs aus. Marketing setzt dann ein, wenn die Menschen sich dazu entschließen, ihre
Bedürfnisse und Wünsche durch Austauschprozesse zu befriedigen. Der Tausch ist einer von vier
Wegen, auf den die Menschen die gewünschten Produkte erhalten können (siehe unten). Marketing
wird im Rahmen des vierten Weges geboren. Unter Austausch ist ein Prozess zu verstehen, durch
den man ein gewünschtes Produkt erhält, indem man einem anderen eine Gegenleistung dafür anbietet.
1.2.4.1. Eigenproduktion
Der erste Weg ist die Eigenproduktion. Der Mensch kann seinen Hunger durch Jagen, Fischen oder
das Sammeln von Früchten stillen. In diesem Fall gibt es weder einen Markt noch ein Marketing.
1.2.4.2. Gewaltanwendung
Der zweite Weg ist die Gewaltanwendung. Menschen, die hungern, können auf Raub ausgehen. Die
Beraubten haben davon keinerlei Nutzen – es sei denn den Vorteil, dass sie dabei wenigstens körperlich unversehrt bleiben.
1.2.4.3. Betteln
Der dritte Weg ist das Betteln. Wer hungert, kann bei anderen Nahrung erbetteln. Außer Dankbarkeit
hat der Bettler dabei nichts als Gegenleistung anzubieten.
1.2.4.4. Austausch
Der vierte Weg ist der Austausch. Der Hungernde kann sich an andere Menschen wenden und ihnen
als Gegenleistung Ressourcen verschiedenster Art bieten, z.B. Geld, eine andere Handelsware oder
eine Dienstleistung.
1.2.5. Beziehungen und Netzwerke
Bisher haben wir uns auf die Betrachtungsweise des Transaktionsmarketing beschränkt. Erweiternd
dazu stellt das Beziehungsmarketing eine umfassendere Betrachtungsweise dar. Das Beziehungsmarketing befasst sich insbesondere mit den Beziehungen der am Austauschprozess beteiligten oder
einwirkenden Partner untereinander. Der kluge Marketer hat sich schon immer bemüht, mit den Kunden, Absatzmittlern, Händlern und Zulieferern eine langfristige, vertrauensvolle und für beide Seiten
vorteilhafte Beziehung aufzubauen. Dies wird erreicht, indem man dem Austauschpartner beständig
und zuverlässig qualitativ hochwerte Produkte anbietet und liefert, guten Kundendienst leistet und
angemessene Preise fordert.
1.2.6. Märkte
Die Betrachtung des Austauschprozesses führt uns hin zum Grundkonzept Markt: Ein Markt besteht
aus allen potentiellen Kunden mit einem bestimmten Bedürfnis oder Wunsch, die willens und fähig
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sind, durch einen Austauschprozess das Bedürfnis oder den Wunsch zu befriedigen. Demzufolge
hängt die Größe des Marktes von der Anzahl der Personen ab, die ein bestimmtes Bedürfnis zeigen,
die über austauschbare Ressourcen verfügen und die willens sind, diese Ressourcen gegen das zu
tauschen, was sie haben wollen. Ursprünglich stand der Begriff Markt für den Ort, an dem Käufer und
Verkäufer zusammenkamen, um ihre Güter zu tauschen. Dies konnte zum Beispiel der Dorfplatz sein.
Die Volkswirtschaftler meinen mit dem Begriff Markt alle Käufer und Verkäufer, die sich dem Geschäft
mit einem bestimmten Produkt oder einer Produktkategorie widmen; daher der Begriff Wohnungsmarkt, Getreidemarkt, usw.
1.2.7. Marketer und Interessent
Der Begriff Markt bringt uns wieder zum Begriff Marketing zurück. Marketing umfasst die Aktivitäten
der Menschen in den Märkten. Marketing heißt, auf diesen Märkten tätig zu sein, um potentielle
Tauschvorgänge zur Zufriedenstellung der Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu bewirken. Ist
eine der beteiligten Personen aktiver bestrebt, einen Austausch herbeizuführen als die andere, so wird
ersterer als Marketer und zweiterer als Interessent oder prospektiver Austauschpartner bezeichnet.
Ein Marketer ist jemand, der nach einem oder mehreren Interessenten sucht, mit dem bzw. denen er
etwas von Wert austauschen kann.
1.3. Grundaufgaben des Marketing-Management
Die Bewältigung von Austauschprozessen erfordert viel an Arbeitseinsatz und Fertigkeiten. Als Einzelperson versteht man es mit der Zeit recht gut, die zur Deckung der Haushaltsbedürfnisse erforderlichen Käufe zu tätigen. Gelegentlich wird man auch zum Verkäufer, etwa wenn man sei Auto oder
persönliche Dienstleistungen verkauft. Organisationen gehen bei der Abwicklung von Austauschprozessen professioneller vor. Sie müssen die benötigten Ressourcen von bestimmten Märkten beschaffen, in nützliche Produkte umwandeln und diese wiederum auf ganz anderen Märkten absetzen.
1.4. Grundeinstellungen des Unternehmens gegenüber dem Markt
Wir haben die Aufgabe des Marketing-Management als das bewusste Bemühen beschrieben, gewünschte Austauschprozesse auf den Zielmärkten zu verwirklichen. Nun stellt sich die Frage: Welche
Philosophie soll diese Marketingbemühungen ableiten? Und welches Gewicht soll dabei den Interessen des Unternehmens, der Kunden und der Gesellschaft beigemessen werden? Diese Interessen
kollidieren ja häufig. Die Antwort liegt auf der Hand: Die einzelnen Marketingaktivitäten sollten im
Rahmen einer sorgfältig gewählten Grundeinstellung effektiv und verantwortungsbewusst ausgeführt
werden.
1.4.1. Produktionskonzept
Das Produktionskonzept ist eine der ältesten Grundeinstellungen, von denen sich Unternehmen leiten
lassen: Das Produktionskonzept geht von der Prämisse aus, dass die Verbraucher jene Produkte
bevorzugen werden, die weithin verfügbar behalten werden und kostengünstig sind. Daher konzentrieren sich die Entscheidungsträger im produktionsorientierten Unternehmen auf zwei Ziele: eine hohe
Fertigungseffizienz und ein möglichst flächendeckendes Distributionssystem. Die Annahme, dass die
Konsumenten vornehmlich an der Produktverfügbarkeit und an günstigen Preisen interessiert sind, ist
zumindest in einer Situationen schlüssig. Dies trifft zu, wenn die Nachfrage nach einem bestimmten
Produkt höher als das Angebot ist, was das Interesse der Verbraucher mehr auf die Kaufmöglichkeiten als auf die Feinheiten des Produkts lenkt. Die Hersteller werden sich hier auf die Produktionssteigerung konzentrieren.
1.4.2. Produktkonzept
Das Produktkonzept geht von der Prämisse aus, dass die Konsumenten jene Produkte bevorzugen
werden, die ein Höchstmaß an Qualität, Leistung und gesuchten Eigenschaften bietet. Die Manager
im produktorientierten Unternehmen konzentrieren sich auf die Herstellung guter Produkte und auf
Produktverbesserungen. Hier gehen die Entscheidungsträger davon aus, dass die Käufer gute Produkte sowie Produktqualität und -leistung zu schätzen wissen und bereit sind, für Extras tiefer in die
Tasche zu greifen. Viele Anbieter sind geradezu vernarrt in die eigenen Produkte und übersehen dabei unter Umständen, dass der Markt vielleicht weniger begeistert reagiert oder gar eine andere Richtung einschlägt. Sie sagen dann Dinge wie „Wir fertigen die schönsten Maßanzüge“ oder „Wir machen
die bestehen Fernsehgeräte“ und fragen sich anschließend, warum der Markt dies nicht honoriert.
1.4.3. Verkaufskonzept
Eine weitere, in Unternehmen gängige Grundeinstellung gegenüber dem Markt ist das Verkaufskonzept: Das Verkaufskonzept basiert auf der Annahme, dass die Verbraucher von sich aus in der Regel
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keine ausreichende Menge der vom unternehmen angebotenen Produkte kaufen werden. Daher muss
das Unternehmen aggressiv verkaufen und aggressiv Absatzförderung betreiben. Hier wird von der
Prämisse ausgegangen, dass der Konsument für gewöhnlich kauffaul und widerspenstig ist, so dass
er verführt werden muss, mehr zu kaufen. Zu dem Zweck – so dieses Konzept – verfügt das Unternehmen über ein ganzes Arsenal durchschlagskräftiger Verkaufs- und Werbewaffen. Am aggressivsten wird dieses Konzept im Falle von wenig gefragten Gütern eingesetzt, dh bei Produkten, an deren
Erwerb der Käufer üblicherweise kaum denkt, z.B. Versicherungen, Enzyklopädien oder Bestattungen.
1.4.4. Marketingkonzept
Das Marketingkonzept ist eine Unternehmensphilosophie, die als Herausforderung der älteren Konzepte entstand. Obwohl auch dieses Konzept bereits seit langem existiert, kristallisierten sich seine
wesentlichen Inhalte in Literatur und Praxis erst Mitte der 50er Jahre heraus: Das Marketingkonzept
besagt, dass der Schlüssel zur Erreichung unternehmerischer Ziele darin liegt, die Bedürfnisse und
Wünsche des Zielmarktes zu ermitteln und diese dann wirksamer und wirtschaftlicher zufriedenzustellen als die Wettbewerber. Das Marketingkonzept ruht auf vier Säulen: Fokussierung auf den Markt,
Orientierung am Kunden, ganzheitliches Marketing und Gewinn durch zufriedene Kunden. Die Perspektive beim Verkaufskonzept verläuft von innen nach außen: Der Ausgangspunkt ist die Fertigung;
das Bezugsobjekt sind die Produkte des Hauses; sie bedürfen intensiver Verkaufs- und Verkaufsförderungsmaßnahmen, um durch genügend Umsatz einen Gewinn zu erzielen. Die Perspektive beim
Marketingkonzept verläuft von außen nach innen: Ausgangspunkt ist der Markt; das Bezugsobjekt
sind die Kundenwünsche; sie müssen durch ein koordiniertes Vorgehen bei allen marketingrelevanten
Handlungen berücksichtigt werden, um einen Gewinn durch Zufriedenstellung der Kunden zu erzielen.
1.4.4.1. Fokussierung auf den Markt
Kein Unternehmen kann jeden Markt bedienen und jedes Bedürfnis befriedigen. Nicht einmal innerhalb eines einzigen breitgefächerten Marktes kann es umfassend gute Arbeit leisten: Auch der Softwareriese Microsoft kann nicht für jedes Kundenbedürfnis die optimale Lösung anbieten. Am besten
fahren die Unternehmen, wenn sie für ihre Märkte sorgfältig Grenzen ziehen, wenn sie für jeden Zielmarkt ein passendes Marketingprogramm ausarbeiten. Ein Autohersteller kann sich mit Personenund Lieferwagen, Sportflitzern und Luxusautos befassen. Doch diese Produkteinteilung legt die Zielgruppe im Markt nur ungenau fest.
1.4.4.2. Orientierung am Kunden
Es ist denkbar, dass ein Unternehmen seinen Markt sorgfältig definiert und sich trotzdem nicht am
Kunden orientiert. Orientierung am Kunden heißt, dass das Unternehmen die zufriedenzustellenden
Kundenwünsche sorgfältig festzulegen hat und zwar aus der Sicht des Kunden, nicht aus der eigenen
Sicht. Jedes Produkt erfordert bei seinen Leistungseigenschaften und seinem Preis Kompromisse. Die
Unternehmensleitung kann diese Kompromisse nicht ermitteln, wenn sie nicht mit den Kunden redet
und keine Marktforschung betreibt. Ein Autokäufer würde sicherlich einen leistungsstarken Wagen
wollen, der nie eine Reparatur braucht, sicher ist, schön aussieht und wenig kostet.
1.4.4.3. Ganzheitliches Marketing
Ganzheitliches Marketing entsteht, wenn alle Abteilungen eines Unternehmens bestrebt sind, im Interesse der Kunden zu wirken und sie zufriedenzustellen. Leider ist die Ausbildung und Motivation der
Mitarbeiter nicht immer so, dass alle gemeinsam im Interesse des Kunden handeln. In einem Unternehmen beschwerte sich einmal ein Techniker, dass die Verkäufer im Hause immer auf der Seite des
Kunden stünden und nie die Interessen des Unternehmens im Auge hätten. Und den Kunden warf er
vor, dass sie immer zu viel wollen. Ganzheitliches Marketing bedeutet folgendes: die einzelnen Marketingfunktionen – Verkauf, Werbung, Marktforschung, usw. – müssen miteinander abgestimmt werden.
1.4.4.4. Gewinn durch zufriedene Kunden
Durch das Marketingkonzept soll die Verwirklichung der Organisationsziele gefördert werden. Beim
privatwirtschaftlichen Unternehmen ist der Gewinn ein vordergründiges Erfolgsziel. NonprofitOrganisationen und öffentlich-rechtliche Institutionen verfolgen da Ziel, ihren Fortbestand zu sichern
und genügend Geldmittel auf sich zu lenken, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Für das privatwirtschaftliche Unternehmen liegt der Schlüssel zum Erfolg nicht im Streben nach Gewinn; vielmehr ist
der Gewinn der Maßstab für erfolgsreiches Wirken. Ein Unternehmen macht Geld, wenn es die Kunden mehr zufrieden stellt, als die Konkurrenz es vermag.
1.4.4.5 Organisierter Widerstand
Einige Abteilungen – sehr oft sind dies die Fertigung, das Finanzwesen und die F & E-Abteilung –
sehen eine Intensivierung des Marketing gar nicht gern, weil sie ihre Macht bedroht sehen. Zunächst
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wird die Marketingfunktion in einem ausgewogenen Machtverhältnis als eine von mehreren gleichrangigen betrieblichen Funktionen betrachtet. Eine unzureichende Nachfrage veranlasst dann die Marketer, mit dem Argument aufzuwarten, dass ihre Funktion etwas wichtiger ist als die anderen. Ein paar
Marketingenthusiasten gehen sogar noch weiter und sagen, die Marketingfunktion sei die wichtigste
im gesamten Unternehmen, da es ohne Kunden auch kein Unternehmen geben könne. Für sie bildet
das Marketing den Unternehmenskern, dem die anderen Bereiche zuarbeiten.
1.4.4.6. Langsame Lernprozesse
Trotz einiger Widerstände gelingt es vielen unternehmen, die Marketingfunktion hausintern zu stärken.
Wie? Nun, der Unternehmensleiter unterstützt das Marketing ganz entschieden; neue stellen werden
geschaffen; Marketingtalente von außen werden eingekauft; Manager in Schlüsselfunktionen besuchen Marketingseminare, um sich weiterzubilden; das Marketingbudget wird beträchtlich angehoben;
Marketingplanungs- und -kontrollsysteme werden eingeführt. Doch trotz solcher Schritte geht der
Lernprozess, was Marketing in seinem ganzen Umfang für das Unternehmen bedeutet, nur langsam
vonstatten.
1.4.4.7. Schnelles Vergessen
Selbst wenn sich ein Unternehmen organisationsmäßig auf ein effektives Marketing eingerichtet hat
und sein Marketingkonzept ausgereift ist, muss es sich vor einem schnellen Vergessen der Marketingprinzipien hüten. Im Lichte erzielter Marketingerfolge vergisst manches Unternehmen die Marketinggrundsätze. Viele scheitern, und zwar vornehmlich, wenn sie die oberste Marketingmaxime „Du
musst deinen Zielmarkt kennen und wissen, wie du seine Bedürfnisse befriedigen kannst“ vergessen.
Sie treten mit ihren Produkten und Werbeprogrammen in neue Märkte ein, statt sie auf die Bedürfnisse des jeweiligen Marktes zuzuschneiden.
1.4.5. Wohlfahrtsbedachtes Marketingkonzept
In den letzten Jahren wurde gelegentlich in Zweifel gezogen, ob das Marketingkonzept im Zeitalter der
Umweltverschmutzung, Ressourcenknappheit, eines explosiven Bevölkerungswachstums, von Hungersnöten, Armut und der Vernachlässigung der sozialen Fürsorge wirklich die geeignete unternehmerische Philosophie sei. Die Frage lautet, ob die Unternehmen, denen es hervorragend gelingt, die
individuellen Wünsche der Verbraucher zu erspüren und zu decken, langfristig gesehen automatisch
auch im besten Interesse der Konsumenten und der Gesellschaft handeln. Das Marketingkonzept
befasst sich nämlich kaum mit potentiellen Konflikten zwischen Verbraucherwünschen, Verbraucherinteressen und langfristiger gesellschaftlicher Lebensqualität. Diese Sachverhalte ließen die Forderung
nach einem neuen Konzept entstehen, welches das Marketingkonzept revidieren oder ersetzen sollte.
Unser Namensvorschlag lautet das wohlfahrtsbedachte Marketingkonzept.
1.5. Verbreitung des Marketing als Managementfunktion
Die Funktion des Marketing-Management findet in Organisationen jeder Form und Größe, innerhalb
und außerhalb des Wirtschaftssektors und in vielen unterschiedlichen Ländern wachsendes Interesse.
1.5.1. Verbreitung im Wirtschaftssektor
In der Wirtschaft drang Marketing in unterschiedlicher zeitlicher Abfolge in das Bewusstsein der einzelnen unternehmen ein. Henkel, Nestlé, BWM, Procter & Gamble und Coca-Cola waren unter den
Pionieren zu finden. In der Verbrauchs-, Gebrauchs- und Industriegüterindustrie – und zwar in dieser
Reihenfolge – hielt das Marketing schnelle Einzug. Rohstoffabhängige Prozessindustrien – Stahl,
Chemie, Glas- und Papierverarbeitung – folgten, und viele Unternehmen haben hier noch einen weiten Weg vor sich. Dann griffen auch Dienstleistungsanbieter, vor allem die Fluggesellschaften und
Banken, zu modernen Marketingmethoden.
1.5.2. Verbreitung im Non-Profit-Sektor
Auch Nonprofit-Organisationen, wie z.B. öffentliche Betriebe, Krankenhäuser, Museen und Symphonieorchester, müssen zunehmend die bisher nicht beachteten Marketingfunktionen und -methoden
übernehmen. Diese Organisationen haben allesamt ein Marktproblem. Ihre Leitungsgremien ringen
darum, wie sie die Organisation trotz des Wandels in der Verbrauchereinstellung und schrumpfender
Geldmittel am Leben halten können, und wenden sich verstärkt an das Marketing, um mögliche Antworten auf ihre Probleme zu finden. Auch Ministerien und Behörden greifen bei einer Vielzahl ihrer
Programme für die Öffentlichkeit oder für bestimmte Zielgruppen zu Marketingmethoden. Gemeinsam
mit Marketingdienstleistern wie Werbeagenturen, Markt- und Meinungsforschern, entwickeln sie z.B.
Kommunikationskampagnen gegen das Rauchen, gegen Alkohol am Steuer oder zur Aids- und Drogenbekämpfung und entfalten andere Aktivitäten, die im öffentlichen Interesse liegen.
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1.5.3. Internationale Verbreitung
Viele Unternehmen in aller Welt verbessern ihre Marketingfähigkeiten ständig. International operierende Konzern wie z.B. Nestlé, Unilever, Sony, IBM und Apple, entwickelten ein großes MarketingKnow-how, und nicht selten gelang es ihnen, ihre Rivalen aus anderen Ländern zu übertrumpfen.
Multinationale Unternehmen haben in aller Welt fortschrittliche Marketingmethoden eingeführt und
verbreitet. Dies wiederum hat manches kleinere, inländische Unternehmen dazu veranlasst, sich über
eine Stärkung der Marketingaktivitäten ebenfalls Gedanken zu machen, um mit den multinationalen
Unternehmen Schritt halten zu können. In den sozialistischen und ehemals sozialistischen Staaten
war das Wort Marketing als kapitalistisch-dekadent verschrien.
2. Schaffung von Kundennutzen und Kundenzufriedenheit durch Wertangebote
Der Wettbewerb im heutigen Markt ist rauer denn je, und er wird noch rauer werden. In Kapitel 1 legten wir dar, dass Unternehmen im Wettbewerb besser bestehen können, wenn sie sich statt einer
Produkt- oder Verkaufsorientierung eine Marketingorientierung zulegen. In diesem Kapitel werden wir
Leit- und Handlungskonzepte zusammenfassen, mit denen Unternehmen ihre Kunden gewinnen und
ihre Wettbewerber überflügeln können, indem sie sich durch bessere Leistung die Zufriedenheit und
Treue ihrer Kunden erwerben. In Märkten, in denen Mangel oder Monopole herrschen, strengen Unternehmen sich nicht besonders an, die Kunden zufriedenzustellen. In Käufermärkten dagegen können die Kunden aus einem großen Waren- und Dienstleistungsangebot ihre Auswahl treffen.
2.1. Generelle Konzepte zu Wert, Kundennutzen und Kundenzufriedenheit
Bereits vor etwa vierzig Jahren war Peter Drucker der Ansicht, dass es für ein Unternehmen vordringlich sei, sich Kunden zu beschaffen. Daran arbeiten heute viele Unternehmen, so dass die Kunden vor
einer großen Menge von Produkten und Anbietern stehen, unter denen es zu wählen gilt. Damit erhebt sich die Frage: Wie treffen die Kunden ihre Auswahl? Wir sind der Ansicht, dass Kunden abwägen, welches Angebot ihnen das meiste an Wertgewinn bringt. Kunden möchten beim Austausch ihres Geldes gegen Waren und Dienstleistungen einen möglichst hohen Wertgewinn erzielen.
2.1.1. Erstelltes Wertangebot, Wertgewinn und Nettonutzen des Kunden
Wir gehen davon aus, dass der Käufer sich für ein Angebot nur dann entscheidet, wenn es ihm einen
Wertgewinn bringt, und dass er unter alternativen Wertangeboten das mit dem höchsten erwarteten
Wertgewinn wählt. Der Wertgewinn ergibt sich für den Kunden aus dem unterschied zwischen der
Wertsumme und der Kostensumme des Angebots. Wenn die Wertsumme überwiegt, dann hat der
Anbieter ein akzeptables Wertangebot erstellt.
2.1.2. Kundenzufriedenheit
Der Käufer empfindet oder beurteilt also den Wert eines Angebotes und handelt nach einer Entscheidung über Kauf oder Nichtkauf. Ob jedoch der Käufer nach dem Kauf zufrieden ist, hängt davon ab,
inwieweit das gekaufte Angebot die Erwarten des Käufers erfüllt. Wir definieren deshalb Kundenzufriedenheit wie folgt: Zufriedenheit entsteht als Empfindung des Kunden nach seinen Vergleich von
wahrgenommenem Wertgewinn und erwartetem Wertgewinn. Zufriedenheit beruht auf einem psychischen Vergleichsprozess zwischen wahrgenommener Angebotsrealität und den Erwartungen des
Kunden. Unter Einbezug aller Komponenten des Angebotes ergibt sich ein umfassendes Modell der
Kundenzufriedenheit.
2.2. Durchführungsansätze zur Werterstellung
Nachdem Wert, Kundennutzen und Kundenzufriedenheit als wichtig erkannt wurden, stellt sich die
Frage nach Ansätzen zur Werterstellung. Hier bieten sich die Wertkette, das Wertverbundsystem und
das Total Quality Management an.
2.2.1. Wertkette nach Porter
Michael Porter von der Harvard University schlug die Wertkette als Instrument vor, mit dem zu ermitteln ist, wie in organisatorischer Hinsicht die Werterstellung vorgenommen werden kann. In jedem
Unternehmen sind Aktivitäten aneinandergeknüpft, durch deren Ausführung Produkte entworfen, hergestellt, vermarktet, ausgeliefert und durch Kundendienstleistungen unterstützt werden. Porters Wertkettenansatz unterteilt ein Unternehmen in neun strategisch relevante Aktivitäten. Damit sollen Kosten
und Werterstellung im Unternehmen gegliedert dargestellt werden. Die Gliederung erfolgt in fünf primäre Aktivitäten und vier unterstützende Aktivitäten.
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2.2.2. Wertverbundsystem in der Marktversorgungskette
Die Suche des Unternehmens nach Wettbewerbsvorteilen sollte über die eigene unternehmensinterne
Wertkette hinausgehen und auch die der Zulieferer, Händler und letztendlich der Kunden einbeziehen.
Zunehmend wenden sich Unternehmen an andere Mitglieder ihrer Marktversorgungskette, um gemeinsam als Partner in einem Wertverbundsystem ihre Leistung zum Wertgewinn des Kunden zu
verbessern. Hinter einer solchen Entwicklung steckt ein bestimmtes Konzept. Unternehmen, die auf
ihrer horizontalen Stufe im Markt stärker in den Wettbewerb treten wollen, suchen gleichzeitig nach
mehr vertikaler Zusammenarbeit. Zuvor betrachten diese Unternehmen ihre Lieferanten und Distributoren als Kostenverursacher und in einigen Fällen sogar als Gegner im vertikalen System.
2.2.3. Total Quality Management
Das Marketing eines Unternehmens kann nicht effektiv sein, wenn sich die Marketingabteilung alleine
darum kümmern muss. Selbst die besten Marketingabteilung kann die Nachteile fehlerhafter Waren
oder Dienstleistungen nicht ausgleichen. Ein Kunde, der die Gebrauchsanweisungen für die Produkte
des Unternehmens unverständlich findet oder der im Unternehmen keinen kompetenten Ansprechpartner findet oder der eine falsche Rechnung erhält, wird mit Recht das Unternehmen in seiner Wertschätzung herabsetzen. Er fühlt sich vom Unternehmen in unzureichender Qualität bedient und in
unzureichendem Maße zufriedengestellt. Die meisten Kunden sind nicht länger bereit, eine unzureichende Qualitätsleistung zu tolerieren oder sich mit durchschnittlicher Qualität zufriedenzugeben,
wenn es bessere Alternativen dazu gibt.
2.3. Kundenbindung und -beziehungsmarketing
Unternehmen trachten nicht nur nach verbesserten Beziehungen mit den Partnern der Marktversorgungskette, sondern auch mit ihren Kunden. In verstärktem Maße wollen sie die Endnutzer ihrer Produkte an sich binden. Früher sahen viele Unternehmen es als ganz selbstverständlich an, dass sie
immer eine Kundschaft hatten, es gab für die Kunden nur wenige alternative Anbieter, oder anderen
Anbietern mangelte es an Qualität und Service, oder aber der Markt wuchs so schnell, dass das Unternehmen sich um seine Kundschaft kaum Sorgen machen musste. Manches Unternehmen, das z.B.
100 Kunden pro Woche verlor und 100 Kunden hinzugewann, war geschäftlich durchaus zufrieden,
obwohl es Kunden verheizte. Ein solches Unternehmen dachte wenig nach über den Schaden durch
Kundenverlust oder ob es notwendig war, Kunden zu binden und die Beziehung mit ihnen zu pflegen.
2.3.1. Kundenbindung als Marketingziel
Immer mehr Unternehmen werden sich bewusst, dass sie durch den Verlust von Kunden Schaden
erleiden und dass es sie bei weitem mehr kostet, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bestehenden Kunden im Kundenstamm zu behalten. Sie erkennen, dass es in ihrem eigenen Interesse
liegt, die Kunden an sich zu binden. Um den Schaden durch verlorene Kunden in Grenzen zu halten,
bemühen sich immer mehr Unternehmen, die Kunden an sich zu binden. In der Praxis kann es durchaus fünfmal soviel kosten, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen alten Kunden zufriedenzustellen und im Kundenstamm zu halten. Offensive Marketingprogramme kosten in der Regel mehr als
defensive Programme, insbesondere wenn die anderen Wettbewerber bereits begonnen haben, ihre
Kunden durch Zufriedenheit zu binden, denn es bedeutet viel Aufwand und meist auch Preiszugeständnisse, um einen Kunden zu gewinnen, der mit seinem bestehenden Lieferanten zufrieden ist.
2.3.2. Beziehungsmarketing als Werkzeug
Das Beziehungsmarketing umfasst alle Aktivitäten, die ein Unternehmen gezielt einsetzt, um jeden
einzelnen seiner Kunden besser kennenzulernen, wertzuschätzen, zu seiner Zufriedenheit zu bedienen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Um Beziehungsmarketing besser zu verstehen, muss man
sich zunächst verdeutlichen, auf welche Prozessstufen die Beziehung zu Kunden entwickelt werden
kann.
2.3.2.1. Materielle Anerkennung
Ein Unternehmen kann seinen Kunden materielle Vorteile anbieten, die mit deren Umsatz verbunden
sind. Umsatzbezogen geht es um Kunden, die entweder häufig oder aber sehr viel bei dem Unternehmen kaufen. Dies hängt zusammen mit der Tatsache, dass bei vielen Unternehmen größenordnungsmäßig von 20 % der Kunden 80 % des Umsatzes kommt. American Airlines z.B. war eine der
ersten Fluggesellschaften, die ihre vielfliegenden Kunden mit einem Free Mileage-Programm belohnte. Hotelketten wie Mariott führten Ehrengast-Programme ein, in denen häufige Hotelbesucher Punkte
sammeln und damit bessere Zimmer belegen oder eine Übernachtung umsonst bekommen konnten.
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2.3.2.2. Soziale Anerkennung
Beim zweiten Ansatz werden die Kundenbeziehungen durch soziale Anerkennung angereichert, die
zur materiellen Anerkennung hinzukommt. Hier bemühen sich die Mitarbeiter des Unternehmens um
engere soziale Kontakte mit den Kunden, im Bemühen, mehr über die individuellen Bedürfnisse und
Wünsche der Kunden zu erfahren und ihnen individueller und persönlicher zu dienen.
2.3.2.3. Strukturelle Bindungen
Beim dritten Ansatz wird die Beziehung durch strukturelle Bindung zusätzlich zur materiellen und sozialen Anerkennung verstärkt. So kann das Untenehmen z.B. Kunden mit speziellen technischen Einrichtungen und Computervernetzung ausrüsten, die dem Kunden helfen, sein Bestellwesen, seine
Lagerhaltung und weitere Vorgänge besser zu vollziehen. So hat z.B. die McKessen Corporation, ein
führender Pharmaziegroßhändler in Amerika, Millionen von Dollar investiert, um ein elektronisches
Informationssystem einzurichten, das kleinen Apotheken hilft, Auftragseingabe, Bestand und Lagerhaltung besser zu gestalten. Ein anderes gutes Beispiel ist das amerikanische Textilunternehmen
Milliken, das seinen Stammkunden geschützte Softwareprogramme, Marktforschung, Verkaufstraining
und Hinweise auf prospektive Kunden zustellt.
2.4. Kundenrentabilität als Testgröße
Letztendlich ist es Aufgabe des Marketing, solche Kunden zu gewinnen und zu behalten, die die Unternehmensleistungen wertschätzen, sie honorieren, und die somit profitabel sind. Bei näherer Betrachtung entdecken viele Unternehmen, dass sie an etwa 20 bis 40 % ihrer Kunden nichts verdienen.
Viele Unternehmen stellen sogar fest, dass nicht ihre Großkunden die profitabelsten sind, sondern die
Kunden mittlerer Größe. Große Kunden verlangen oft erhebliche Betreuungsdienste und setzen große
Preisnachlässe durch, die den Gewinn des Anbieters schmälern. Kleine Kunden bezahlen den vollen
Listenpreis und erfahren dann ein Minimum an Betreuungsaufwand, wobei jedoch relativ hohe Transaktionskosten mit den kleinen Kunden den Gewinn an ihnen reduzieren.
3. Marktorientierte strategische Planung als Vorbereitung zum Erfolg
In Kapitel 1 stellten wir die Frage, was ein wirkliches Spitzenunternehmen ausmacht. Wir befanden als
teilweise Antwort darauf, dass sich Spitzenunternehmen in hohem Maße durch ihre Mitarbeiter und
deren Engagement für die Gewinnung und Zufriedenstellung von Kunden auszeichnen. In diesem
Kapitel können wir die Antwort vervollständigen: Spitzenunternehmen verstehen es, sich auf das in
ständigem Wandel begriffene Markt- und Umweltgeschehen einzustellen und jeweils angemessen zu
reagieren. Sie beherrschen die Kunst der marktorientierten strategischen Planung. Wir definieren strategische Planung wie folgt: Marktorientierte strategische Planung ist ein managementbetriebener Prozess, bei dem die Ziele und Ressourcen des Unternehmens an die sich ändernden Marktchancen
angepasst werden.
3.1. Merkmale des Hochleistungsunternehmens
Angesichts schneller Veränderungen im Markt und im Geschäftsumfeld stehen die Unternehmen
ständig vor dem Problem, in geeigneten Beschäftigungsfeldern erfolgsreiche Geschäftseinheiten aufzubauen und zu erhalten. Zur Lösung des Problems wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Alternativen gesucht. Früher dachte man, das Problem sei gelöst wenn man die Produktionseffizienz erhöht. Danach verfolgten Unternehmen Wachstums- und Gewinnziele durch Programme zur Diversifikation und Akquisition anderer Unternehmen. Sie betrachteten ihre Geschäftseinheiten im Sinne eines
Anlagenportfolio, mit dem man in zukunftsträchtige Geschäftsfelder einstieg und sich aus ungeeigneten Geschäftsfeldern zurückzog.
3.1.1. Stakeholder
Zu Beginn einer geschäftlichen Betätigung sollte definiert werden, wer dabei mitwirkt und wer davon
betroffen ist. Diese Mitwirkenden und Betroffenen bilden zusammen die Gruppe der Stakeholder. Ihre
Bedürfnisse und Wünsche müssen erkannt werden. In der herkömmlichen Betrachtungsweise berücksichtigen Unternehmen im kapitalistischen System vornehmlich das Wohl und den Willen der Unternehmenseigentümer. Viele Unternehmen erkennen jedoch schon lange, dass sie ausreichende Gewinne für die Eigentümer nur dann erwirtschaften können, wenn auch andere Stakeholder – Kunden,
Beschäftige, Zulieferer, Absatzpartner – gepflegt werden.
3.1.2. Prozessmanagement
Zur Erreichung der Zufriedenheitsziele muss das Unternehmen die Arbeitsablaufprozesse gestalten,
lenken und verbessern. Das herkömmliche Unternehmen gliedert die zu erledigende Arbeit funktionsGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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orientiert. Dies bringt jedoch oft Probleme mit sich. Abteilungen verselbständigen sich und verfolgen in
erster Linie ihre eigenen Ziele anstelle der Unternehmensziele. Sie errichten Mauern untereinander
und arbeiten nicht auf ideale Art und Weise zusammen.
3.1.3. Ressourcen
Um Prozesse durchzuführen, benötigt das Unternehmen Ressourcen, wie Arbeitskräfte, Materialien,
Maschinen und Informationen. Solche Ressourcen kann das Unternehmen sich durch Eigentum, Miete, Leasing oder andere Besitz- und Nutzungsformen verfügbar machen. Herkömmliche Unternehmen
suchten in der Regel nach Eigentum und direkter Kontrolle über dies Ressourcen. Unter dem Stichwort Outsourcing zeichnen sich Änderungen in der Einstellung von Unternehmen zu ihren Ressourcen
ab. Viele Unternehmen stellen fest, dass sie mit eigenen Ressourcen zum Teil weniger Leistung
erbringen, als dies mit der Nutzung von Ressourcen außerhalb des Unternehmens möglich wäre.
3.1.4. Organisation und Organisationskultur
Zur Organisation eines Unternehmens gehören die Aufbauorganisation mit der Struktur der Stellenverteilung, die Ablauforganisation mit der Struktur der Handlungs- und Prozessabläufe sowie die Organisationskultur mit Grundsätzen zu Zielen und Verhaltensweisen, die in den Köpfen der Beteiligten verankert sind. Ein schneller Wandel im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umfeld des Unternehmens führt oft dazu, dass die Organisation mit ihren Komponenten an Funktionstüchtigkeit verliert und
sich deshalb wandeln muss. Die Strukturen der Aufbauorganisation und der Ablauforganisation können, wenn auch mit Schwierigkeiten und gegen innere und äußere Widerstände, verändert und neuen
Gegebenheiten angepasst werden. Die Organisationskultur ist in der Regel am schwersten zu verändern und doch ist gerade sie oft die Schlüsselkomponente für den Wandel der Organisation. Unternehmen müssen in starkem Maße bemüht sein, ihre Organisation in Struktur und Kultur auf die Erfordernisse auszurichten, die zu der Unternehmensstrategie im Markt passen.
3.2. Strategische Planung für Unternehmen und Unternehmensbereich
Der Planungsprozess beginnt auf der obersten Führungsebene. Dort werden allgemeine Grundsätze
festgelegt bezüglich Zweck, Politik und Strategie des Unternehmens, um den Rahmen zu setzen,
innerhalb dessen die einzelnen Unternehmensbereiche ihre individuelle Planung durchführen können.
In einigen Fällen wird ihnen bei der Gestaltung ihrer Strategien und der Festsetzung ihrer Umsatzund Gewinnziele viel Spielraum zugestanden, solange sie die versprochene Leistung auch tatsächlich
erbringen. Andere Unternehmen stellen hohe Anforderungen an ihre Unternehmensbereiche, überlassen ihnen jedoch die Erarbeitung der entsprechenden Strategien. Wieder andere Unternehmen legen
bestimmte Zielvorgaben für jeden ihrer Unternehmensbereiche fest und beteiligen sich darüber hinaus
intensiv an deren Planungsprozess.
3.2.1. Unternehmerischer Grundauftrag
Jedes Unternehmen will etwas bestimmtes leisten, hat also einen unternehmerischen Grundauftrag,
einen Zweck. Dieser wird meistens bei der Firmengründung definiert. In der Folgezeit kann er weiterhin eindeutig bestehen bleiben, doch kommt es vor, dass die Führungskräfte das Interesse an ihm
verlieren oder die veränderten Umweltbedingungen seine Bedeutung schmälern. Andererseits ist es
möglich, dass im Zuge der Expansion eines Unternehmens, der Erweiterung seiner Produktpalette
und der Erschließung neuer Absatzmärkte der ursprüngliche Auftrag verschwimmt bzw. der Realität
nicht mehr angemessen ist.
3.2.2. Festlegung von strategischen Geschäftseinheiten und Geschäftsfeldern
Größere Unternehmen und Unternehmensbereiche bestehen oft aus mehreren Geschäftseinheiten.
Zu jeder strategischen Geschäftseinheit sollte ein genau definiertes Geschäftsfeld gehören. Die meisten Unternehmen, selbst kleinere, bewegen sich in mehreren Geschäftsfeldern. Diese sind jedoch
nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen. So ist es nicht gesagt, dass ein Unternehme mit
zwölf operativ unabhängigen Einheiten auch auf zwölf Geschäftsfeldern aktiv ist.
3.2.3. Ressourcenzuweisung mit Hilfe der Portfolio-Analyse
SGEs werden eingerichtet, damit das Unternehmen in Einheiten gegliedert ist, denen man strategische Planziele und darauf abgestimmte Ressourcen zuweisen kann. In jedem Unternehmensportfolio
verbergen sich einige SGEs, deren Glanzzeit zu Ende geht, und andere mit zukünftig hohen Gewinnen. Dabei darf sich die Unternehmensleistung jedoch nicht auf oberflächliche Eindrücke verlassen,
sondern muss fundierte Zuordnungen mit Hilfe analytischer Methoden ermitteln. In den vergangenen
zehn Jahren haben verschiedene Methoden der Portfolio-Analyse bereite Anwendung gefunden. Die
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bekanntesten sind die von der Boston Consulting Group und von General Electric entwickelten Analyseverfahren.
3.2.3.1. Methode der Boston Consulting Group
Die Boston Consulting Group, ein weltweit führendes Beratungsunternehmen, entwickelte die sogenannte Marktwachstum-Marktanteil-Matrix. Die acht Kreise darin symbolisieren die Position der acht
Geschäftseinheiten eines fiktiven Unternehmens. Die Fläche eines jeden Kreises repräsentiert den
Umsatz und damit die Größe der entsprechenden SGE. Die Position jeder SGE in der Matrix gibt Aufschluss über das Wachstum des von der SGE bearbeiten Marktes und ihren relativen Marktanteil. Die
vertikale Achse zeigt das jährliche Marktwachstum der einzelnen Märkte, auf denen die SGEs operieren.
3.2.3.2. Multifaktoren-Methode von General Electric
Allein aus der Position, die eine SGE im Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio einnimmt, lassen sich
allerdings genaue Handlungsziele nicht ableiten. Werden zusätzliche Faktoren in die Analyse eingeführt, dann kann man die Marktwachstum-Marktanteil-Matrix als eine Sonderform der MultifaktorenMethode ansehen, die von General Electric entwickelt wurde. Diese Portfolio-Konzeption wird anhand
von sieben Geschäftseinheiten eines ungenannten Unternehmens illustriert. In diesem Modell symbolisiert die Fläche der einzelnen Kreise nicht den Jahresumsatz der SGE, sondern die Größe ihres
Marktes. Die straffierte Fläche innerhalb eines Kreises stellt jeweils den Marktanteil der SGE dar.
3.2.3.3. Kritische Anmerkungen zu den Portfolio-Methoden
Außer den hier vorgestellten gibt es in der Praxis noch eine Reihe anderer Portfolio-Methode, u.a. das
Modell von Arthur D. Little und das Directional-Policy-Modell von Shell. Die Arbeit mit diesen Analyseinstrumenten hat verschiedene Vorteile: Managern wird dazu verholfen, zukunfts- und strategieorientierter zu denken, die Strukturen und Funktionsweisen ihrer Unternehmen besser zu verstehen, die
Qualität ihrer Pläne zu steigern, eine effizientere Kommunikation zwischen der Unternehmensleitung
und den einzelnen Geschäftsbereichen sicherzustellen, Informationslücken und anstehende Probleme
schneller auszumachen, die schwachen Geschäftseinheiten zu eliminieren und die vielversprechenden durch gezieltere Investition zu fördern. Andererseits sollten Portfolio-Methoden mit Vorsicht angewandt werden. Sonst kann es geschehen, dass da Unternehmen sich z.B. allzu sehr auf die Beobachtung des Marktanteilswachstums und den Einstieg in wachstumsintensive Branchen konzentriert
und dabei das Management der vorhandenen Geschäftseinheiten vernachlässigt. Die Ergebnisse, die
eine Portfolio-Analyse liefert, hängen stark von den Bewertungen und Gewichtungen einzelner Faktoren ab; man kann also eine SGE auf eine gewünschte Position in der Matrix hin manipulieren.
3.2.4. Planung von Wachstum und Neugeschäft
Wenn ein Unternehmen die Pläne für die bestehenden SGEs fertiggestellt hat, kann es sein künftiges
Umsatz- und Gewinnpotential in etwa abschätzen. Diese Prognosen bleiben jedoch oft hinter den
Zielvorstellungen der Unternehmensleitung für den Planungszeitraum zurück. Wenn sich also zwischen dem angestrebten und dem prognostizierten Umsatz eine Lücke auftut, muss das Management
die strategische Planungslücke schließen, in dem es neue Geschäftsfelder selbst entwickelt oder sich
dort einkauft.
3.2.4.1. Intensives Wachstum
Zunächst sollte geprüft werden, ob sich die Leistung der vorhanden Geschäftseinheiten noch steigern
lässt. Ansoff hat ein nützliches Schema zur Darstellung von drei intensiven Wachstumsmöglichkeiten
entwickelt. Die erste Überlegung sollte sein, ob sich mit dem derzeitigen Produktangebot zusätzliche
Anteile an den gegenwärtig bearbeiteten Märkten erobern lassen. Dann stellt sich das Unternehmen
die Frage, ob es für seine jetzigen Erzeugnisse neue Märkte finden oder schließen kann. Und schließlich gibt es noch zu untersuchen, ob das Unternehmen seinen gegenwärtigen Abnehmerkreis mit
neuen Produkten anzusprechen vermag.
3.2.4.1.1. Marktdurchringungsstrategie
Mit dieser Strategie versucht das Unternehmen, mit seiner derzeitigen Produktpalette einen größeren
Anteil am gegenwärtigen Markt zu erringen. Dies kann auf dreierlei Art geschehen: Die Musikus AG
z.B. kann ihre Kunden dazu anregen, mehr Kassetten zu kaufen und zu benutzen. Dieser Weg ist
dann sinnvoll, wenn ein großer Teil der Kunden nur ab und zu Musikus-Produkte kaufen und man
ihnen darlegen kann, dass es vorteilhaft ist, mehr Kassetten für Musik- und Textaufnahmen zu erwerben. Die zweite Möglichkeit besteht darin, der Konkurrenz Kunden abzuwerben. Sie ist besonders
erfolgsversprechend, wenn die Musikus AG deutliche Schwächen in den Produkt- oder Marketingprogrammen ihrer Wettbewerber entdeckt und sich diese zunutze machen kann.
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3.2.4.1.2. Marktentwicklungsstrategie
In diesem Fall sieht sich das Unternehmen nach neuen Märkten um die es mit seinem gegenwärtigen
Produktangebot bedienen kann. Die Musikus AG hat erstes die Möglichkeit, in ihrem derzeitigen Absatzgebiet neue Abnehmergruppen zu ermitteln, die zum Kauf von Kassetten animiert werden könnten. Hat das Unternehmen bisher nur den Markt der Privathaushalte bearbeitet, kann es sich nun den
gewerblichen Markt erschließen. Zweitens besteht die Möglichkeit, den Markt für Musikus-Produkte
über zusätzliche Distributionskanäle zu entwickeln: Wenn die Kassetten bisher nur in Fachgeschäften
angeboten wurden, kann man sich z.B. Kaufhäuser als zusätzlichen Absatzweg sichern. Und drittens
biete sich dem Unternehmen die Chance, neue geographische Märkte zu bearbeiten.
3.2.4.1.3. Produktentwicklungsstrategie
Das Unternehmen sollte auch die Entwicklung neuer Produkte in Betracht ziehen. Musikus könnte z.B.
ein Tonband mit verbesserten Eigenschaften entwickeln, etwa eine Kassette mit längerer Spieldauer
oder einem Signalton, der erklingt, wenn das Band abgelaufen ist. Außerdem kann die Musikus AG
ihre Produkte in unterschiedlichen Qualitätsstufen anbieten: einen hochempfindlichen Tonträger für
den anspruchsvollen Musikfreund, eine Kassette von geringerer Qualität für den Massenmarkt. Ferner
könnte Musikus alternative Technologien erforschen, die ebenfalls Musikstücke oder Diktate aufnehmen können. Nachdem das Management diese verschiedenen, auf intensives Wachstum ausgerichteten Strategien- größere Marktdurchdringung, breiter angelegte Marktentwicklung, Entwicklung neue
Produkte – auf ihre Verwendbarkeit untersucht hat, lässt sich fast immer die eine oder andere Variante in die Tat umsetzen.
3.2.4.2. Integratives Wachstum
Jede Geschäftseinheit sollte auf integrative Wachstumschancen untersucht werden. Oft lassen sich
Umsatz und Gewinn einer SGE durch eine Vorwärts-, Rückwärts- oder horizontale Integration innerhalb der Branche steigern. Die Musikus AG könnte einen oder mehrere ihrer Zulieferbetriebe aufkaufen, um höhere Gewinne zu erzielen oder eine größere Kontrolle über die Materialbeschaffung zu
erhalten. Oder Musikus erwirbt einige Groß- oder Einzelhandelsfirmen, was sich besonders dann
empfiehlt, wenn diese sehr rentabel sind. Schließlich könnte sich das Unternehmen auch eine oder
mehrere Konkurrenzfirmen einverleiben, sofern die Kartellbehörden diesen Schritt nicht untersagen.
3.2.4.3. Diversifiziertes Wachstum
Eine Diversifizierungsstrategie bietet sich an, wenn das Unternehmen außerhalb seiner gegenwärtigen Tätigkeitsfelder auf eine vielversprechende Marktchance stößt, also einen besonders attraktiven
Markt entdeckt, für dessen Bearbeitung da Unternehmen genau die richtigen Wettbewerbsvorteile
mitbringt. Man unterscheidet mehrere Formen von Diversifizierung. Bei der wichtigsten kann ein Unternehmen neue Produkte suchen, bei welchen in bezug auf die Technologie oder das Marketing
Synergien mit den gegenwärtigen Produktlinien bestehen, selbst wenn es sich an neue Abnehmerschichten wendet. So könnte etwa die Musikus AG, gestützt auf ihre Erfahrung in der Produktion von
Tonträgern, mit der Herstellung von Computerbändern beginnen. Sie muss sich allerdings darüber im
klaren sein, dass sie mit diesem Produkt einen neuen Abnehmerkreis anspricht und einen neuen
Markt bedient.
3.2.4.4. Rückbau alternder Geschäftszweige
Bei der Planung für die Zukunft müssen Unternehmen sich nicht nur mit Wachstumsfragen und der
Entwicklung neuer Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten befassen, sondern auch mit alternden
Geschäftszweigen und wie deren Zukunft aussehen soll. Hier handelt es sich in der Regel um Geschäftseinheiten in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten oder in Geschäftsfeldern, die sich
dem Ende des Produktlebenszyklus nähern oder bereits darin sind. Es kann sich auch um Geschäftseinheiten handeln, die trotz vergangener guter Tage einem neuen Wettbewerb ausgesetzt sind, dem
sie nicht mehr standhalten können. Solche problembehafteten Geschäftszweige beanspruchen oft die
Unternehmensleitung sehr stark. Sie erfordern unverhältnismäßig viel an Hinwendung und Energie,
die besser auf den Ausbau von Wachstumschancen und die Lenkung bereits gut gestellter Geschäftseinheiten verwendet werden sollte.
3.3. Strategische Planung der Geschäftseinheit
Nach Behandlung der strategischen Planungsprozesse auf der obersten Unternehmensebene soll es
im folgenden um die Planungsaufgaben gehen, die den Managern der einzelnen Geschäftseinheiten
obliegen. Auf dieser Ebene umfasst die strategische Planung folgende Schritte:
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3.3.1. Grundauftrag für die Geschäftseinheit
Die einzelne Geschäftseinheit sollte ihren speziellen Grundauftrag innerhalb des umfassenderen
Grundauftrags des Unternehmens abstecken.
3.3.2. Analyse des Umfelds
Aus dem Grundauftrag ergibt sich, welche Aspekte im Geschäftsumfeld ständig überwacht werden
sollen. Der Manager weis damit, welche Umfeldbereiche er im Auge behalten und kennen muss, damit die Geschäftseinheit ihre Ziele erreicht. Grundsätzlich muss das Unternehmen die wichtigsten
Gestaltungskräfte in der Makroumwelt beobachten, die sich auf die Tätigkeit auswirken. Und es muss
die bedeutendsten Akteure seiner Mikroumwelt im Auge behalten, die Einfluss auf den Erfolgt des
Unternehmens haben. Solche Einflussfaktoren sollten in zusammengehörigen Gruppen geordnet und
es sollte ein Marketing-Nachrichtensystem eingerichtet werden, das die wichtigsten Entwicklungen
und Tendenzen im Umfeld verfolgt.
3.3.2.1. Chancen
Bei der Umfeldanalyse geht es in erster Linie darum, neue Chancen auszumachen. Eine Marketingchance wird folgendermaßen definiert: Eine Marketingchance ist ein mögliches Marketingvorhaben
des Unternehmens, bei welchem da Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil genießen könnte. Diese
Marketingchancen müssen auf ihre Attraktivität und die Erfolgswahrscheinlichkeit für das Unternehmen hin untersucht werden. Dabei hängt die Erfolgswahrscheinlichkeit nicht nur davon ab, dass die
unternehmerischen Stärken und die Erfordernisse im Zielmarkt zusammenpassen; sie müssen darüber hinaus die Stärken der Konkurrenz übertreffen. Am besten schneidet jeweils das Unternehmen
ab, das den größten Kundennutzen schafft und langfristig aufrechterhält.
3.3.2.2. Gefahren
Einige Entwicklungen im externen Umfeld stellen für das Unternehmen eine Gefahr dar. Diese umfeldinduzierte Gefahr umreißen wir wie folgt: Eine umfeldinduzierte Gefahr ist eine Herausforderung, die
dem Unternehmen aus einer ungünstigen Tendenz oder Entwicklung des Umfelds erwächst und das
Unternehmen sowie die gesamte Branche bedroht, wenn keine Marketingmaßnahmen dagegen ergriffen werden. Die Gefahren, die das Unternehmen in seinem Umfeld erkennt, werden nach ihrem Gefährdungspotential und dem Wahrscheinlichkeitsgrad ihres Eintretens klassifiziert. Im oberen linken
Feld der Gefahren-Matrix sind die besonders ernstzunehmenden Gefahren angesiedelt: Sie könnten
dem Unternehmen schweren Schaden zufügen, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintreten, ist
hoch. Um im Ernstfall gewappnet zu sein, muss das Unternehmen für jede dieser Gefahren einen
Eventualplan aufstellen, der festlegt, welche Maßnahmen es im Vorfeld bzw. im Verlauf der betreffenden Situation ergreifen wird.
3.3.3. Analyse der Leistungsfähigkeit
Nun ist es nicht damit getan, im externen Umfeld attraktive Marktchancen aufzutun. Das Unternehmen
muss auch über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, diese Chancen erfolgreich wahrzunehmen.
Daher muss jede Geschäftseinheit regelmäßig ihre Stärken und Schwächen feststellen. Dies kann
beispielsweise mit Hilfe einer Checkliste geschehen. Die Geschäftsleitung – oder auch die externe
Beratungsfirma – untersucht die Fähigkeiten der SGE in den Bereichen Marketing, Finanzen, Fertigung und Personalführung.
3.3.4. Formulierung der Leistungsziele
Nach der SWOT-Analyse kann die Geschäftseinheit ihre Betriebs- und Ergebnisziele formulieren.
Diese Stufe im Planungsprozess legt fest, was die SGE im Planungszeitraum erreichen will, und zwar
mengenmäßig und zeitlich definiert, um messbar und steuerbar zu sein. Sehr wenige Geschäftseinheiten setzten sich nur ein einziges Ziel. Oft existieren mehrere Ziele gleichzeitig, z.B. Erhöhung der
Profitabilität, Umsatzsteigerung, Ausweitung des Marktanteils, Risikobegrenzung, Innovationsförderung, Imagepflege, etc. Die SGE erstellt die Leistungsziele und orientiert sich bei allen Entscheidungen und Handlungen an diesen Zielen.
3.3.5. Formulierung von Strategien
Mit den Leistungszielen offenbart das Management, wie viel es erreichen will; die Strategie zeigt auf,
was zur Zielerreichung getan werden muss, und die operative Taktik bestimmt, wie es getan wird.
Jede Geschäftseinheit muss eine auf ihre Leistungsziele zugeschnittene Strategie erarbeiten, aus der
wiederum spezifische Programme abgeleitet werden. Diese muss man möglichst effizient durchführen
und korrigieren, wenn sie nicht zu den gewünschten Zielen führen. Es wurde bereits zu Beginn dieses
Kapitels darauf hingewiesen, dass mehrere Wettbewerber innerhalb einer Branche durchaus unterGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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schiedliche, sinnvolle Strategien verfolgen können, die jeweils auf den Individuellen Zielvorstellungen,
Chancen und Ressourcen der Unternehmen basieren. Von den vielen möglichen Strategietypen hat
Porter mehrere erfolgsträchtige Grundtypen genannt, die im folgenden aufgeführt werden und einen
guten Ausgangspunkt für strategische Überlegungen darstellen: Strategie der umfassenden Kostenführerschaft, Strategie der Differenzierung, Strategie der Nischenbesetzung.
3.3.6. Programmplanung taktischer Maßnahmen
Nachdem die Strategie zur Erreichung der Leistungsziele ausgearbeitet worden ist, werden Maßnahmenprogramme – taktische Hilfen für die praktische Umsetzung der Strategien – entwickelt. Strebt die
SGE die Technologieführerschaft an, müssen Programme zur Intensivierung der Forschungs- und
Entwicklungstätigkeit erarbeitet werden. Außerdem gilt es, Informationen über die neuesten relevanten Technologien zu sammeln, die fortschrittlichsten Produkte zu entwickeln, den Vertrieb in Produktund Kundenkenntnissen zu schulen, ein Werbeprogramm zu gestalten, das die eigene Position als
Technologieführer herausstellt, etc. Da von solchen Programmen später noch ausführlich die Rede
sein wird, mögen hier diese wenigen Stichworte zunächst genügen. Mit der vorläufigen Programmplanung taktischer Maßnahmen müssen auch die Programmkosten vorläufig abgeschätzt werden.
3.3.7. Durchführung
Selbst wenn ein Unternehmen ein klares strategisches Konzept und wohldurchdachte Programme
erarbeite hat, ist sein Erfolg damit immer noch nicht garantiert. Auch die einwandfreie Durchführung
und Kontrolle der Programme muss gewährleistet sein. McKinsey Company, ein führendes Beratungsunternehmen, betont, dass die strategische Planung allein nicht genügt: Strategie ist nur eines
von sieben Elementen, die in den erfolgreichsten Unternehmen anzutreffen sind. Die drei obersten
Elemente – Strategie, Struktur und Systeme – bezeichnet man als die Hardware des Erfolges. Die
übrigen vier – Stil, selektive Personalpolitik, Sachverstand und Selbstverständnis – bilden die Software.
3.3.8. Steuerung durch Kontrolle und Feedback
Die Software des Managements spielt eine wichtige Rolle bei der Durchführung von Strategien und
Programmen. Während des Implementierungsprozesses muss das Unternehmen laufend die Resultate Überprüfung und daneben auf neue Entwicklungen im Umfeld achten. Denn eines ist sicher: Das
Unternehmensumfeld verändert sich im Laufe des Planungszeitraums. Darauf muss das Unternehmen angemessen reagieren und eine oder mehrere Phasen des Planungsprozesses umgestalten, so
dass es trotz der veränderten Bedingungen seine Ziele realisieren kann. Das Ausmaß der fälligen
Anpassungsmaßnahmen hängt vom Grad und der Geschwindigkeit der Veränderungen ab.
3.4. Der Marketingprozess
Die strategische Planung auf der Unternehmens-, Bereichs- und SGE-Ebene ist ein integraler Bestandteil des Marketingprozesses. Eine klare Vorstellung des Geschäftsverständnisses eines Unternehmens ist eine wesentliche Voraussetzung, um den ganzen Marketingprozess erfassen zu können.
Der Zweck jedes Geschäftsunternehmens besteht darin, auf gewinnbringende Art Wertangebote für
seinen Markt zu erschaffen. Über den Wertschaffungsprozess gibt es mindestens zwei unterschiedliche Auffassungen. Gemäß herkömmlicher Auffassung arbeitet das Unternehmen nach einem bestimmten Ablauf daran, Produkte zu erzeugen und zu verkaufen.
3.4.1. Analyse von Marktchancen
Als erstes muss das Marketing-Management langfristige Chancen im Zielmarkt zur Verbesserung der
Leistung als Geschäftseinheit suchen und analysieren. Unternehmen und Behörden erwarten aufgrund von Investitionen in das Büro der Zukunft große Produktivitätssteigerungen – in ähnlicher Weise
wie früher bei der Fabrikation. Die industrialisierten Länder wie die USA, Westeuropa und Japan, entwickeln sich zunehmend zur Dienstleistungswirtschaft, und es gibt dort bereits heute mehr Angestellte
in den Büros als in den Fabriken. Büroarbeiten können durch Einsatz der Technik noch wesentlich
rationalisiert werden, z.B. Schreibarbeiten, Ablage oder Speicherung und Übertragung von Informationen, wofür immer modernere Technologien entwickelt werden.
3.4.2. Ermittlung und Auswahl von Zielmärkten
Als nächstens kann sich das Unternehmen mit der Ermittlung und Auswahl von Zielmärkten beschäftigen. Es muss ermittelt werden, wie attraktiv jeder mögliche Zielmarkt ist. Die Attraktivität eines Marktes wird von dessen Gesamtgröße, Wachstum und Profitabilität bestimmt. Der Marketer muss also die
wichtigsten Techniken zur Ermittlung des Marktpotentials und zur Prognose der zukünftigen Nachfra-
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ge kennen. Jede Technik hat bestimmte Vorteile und Grenzen, die es zur Vermeidung von Anwendungsfehlern sorgfältig zu beachten gilt.
3.4.3. Entwicklung von Marketingstrategien
Nach der Auswahl der Zielmärkte müssen die Marketing-Manager eine Strategie entwickeln. Wenn
das Unternehmen den Markt erfolgreich ansprechen will, muss für diesen Zielmarkt eine geeignete
Positionierungsstrategie entwickelt werden. Das Unternehmen muss bestimmen, wie seine Marken
von den Kunden im Vergleich zur Konkurrenz auf demselben Markt gesehen werden.
3.4.4. Planung und Management von Marketingprogrammen
Die Marketingverantwortlichen müssen nicht nur die übergeordneten Strategien formulieren, mit denen sie die gesteckten Marketingziele zu erreichen gedenken, sondern auch die programmatische
Umsetzung planen. Zur Programmplanung muss das Marketing-Management entscheiden, wie hoch
die Gesamtausgaben sein müssen, um die gesteckten Marketingziele zu erreichten. Viele Unternehmen bestimmen das Marketingbudget, indem sie einen branchengängigen Prozentsatz des Umsatzes
dafür ansetzen. Unternehmen, die neu auf einen Markt kommen, sind daher bestrebt zu ermitteln, wie
viel Prozent vom Umsatz die Konkurrenten an Marketingaufwendungen ausgeben. Einige Unternehmen geben in der Hoffnung auf neue Marktanteile mehr als den gängigen Prozentsatz aus.
3.4.5. Organisationelle Umsetzung und Steuerung von Marketingprogrammen
Schließlich muss der Marketingprozess durch die Organisation, Durchführung und Steuerung des
Marketingprogramms zur vollen Wirkung gebracht werden. So muss das Unternehmen eine Marketingorganisation schaffen, die zur Durchführung des Marketingplans in der Lage ist. In einem kleinen
Unternehmen ist es durchaus möglich, dass eine einzelne Person alle strategischen und dienstleistenden Aufgaben des Marketings durchführt, also Zielmarketingbestimmung, Positionierung des Angebots, Marketingforschung, Verkauf, Werbung, Kundendienst, etc. Ein großes Unternehmen dagegen braucht mehrere Marketingspezialisten.
3.5. Wesen und Inhalte eines Marketingplans
Wie wir gesehen haben, muss jede Produktlinie und jedes Marke einer SGE einen Marketingplan entwerfen, der die gesetzten Ziele widerspiegelt. Daher lautet die nächste Frage: Wie sieht ein solcher
Marketingplan aus? Ein Marketingplan weist mehrere Bestandteile auf, deren Anzahl davon abhängt,
über wie viele Einzelheiten die Unternehmensleitung von seinen Führungskräften Auskunft verlangt.
Im Regelfall lassen sich Marketingpläne, vor allem Produkt- und Markenpläne, in folgende Bestandteile zerlegen, Plansynopsis, Analyse der aktuellen Marketingsituation, Analyse der Chancen, Gefahren
und Problemfragen, Planziele, Marketingstrategie, Aktionsprogramme, Ergebnisprognose und Planfortschrittskontrollen.
3.5.1. Plansynopsis
Der Marketingplan sollte mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ziele und Vorschläge
beginnen, die dann später, im Hauptteil des Planberichts, detailliert erläutert werden. Anhand dieser
Kurzfassung können die vorgesetzten Produktgruppenmanager, der Marketing-Manager und die TopManager das Wesentliche des Marketingplans schnell erfassen. Der Plansynopsis sollte dann eine
Inhaltsangabe folgen.
3.5.2. Analyse der aktuellen Marketingsituation
Dieser Planabschnitt soll wichtige Hintergrunddaten über den Markt, das Produkt, die Konkurrenz, die
Distributionskanäle und das Makroumfeld liefern.
3.5.2.1. Marktsituation
Dieser Teilabschnitt liefert Daten und Informationen über den Zielmarkt. Er zeigt Größe und Wachstum des Zielmarktes über die letzten Jahre hinweg auf, und zwar sowohl für den Gesamtmarkt als
auch nach Marktsegmenten und demographischen Segmenten gegliedert. Des weiteren werden hier
Angaben über Kundenbedürfnisse, Kundenwahrnehmungen und Käuferverhalten eingebracht.
3.5.2.2. Produktsituation
An dieser Stelle des Berichts werden Angaben über Umsätze, Kosten, Preise, Marketingaufwendungen, Deckungsbeiträge und Nettoerträge für alle wichtigen Artikel innerhalb der Produktlinie über die
letzten Jahre hinweg eingebracht.
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3.5.2.3. Wettbewerbssituation
An dieser Stelle werden die wichtigsten Konkurrenten aufgeführt und anhand der Kriterien Größe,
Ziele, Marktanteile, Produktqualität, Marketingstrategie sowie aller anderen Charakteristika, die zu
einem besseren Verständnis für ihre Absichten und Verhaltensweisen führen, beschrieben.
3.5.2.4. Distributionssituation
An dieser Stelle werden Angaben über die in jedem Distributionskanal abgesetzten Stückzahlen und
die zunehmende bzw. abnehmende Bedeutung eines jeden Distributionskanals gemacht. Auch Veränderungen in der Marktmacht der Distributoren und Händler oder auch bei den Preisen und Konditionen zu ihrer stärkeren Motivation werden hier zu Papier gebracht.
3.5.2.5. Makroumfeld
An dieser Stelle des Plans werden die übergeordneten Entwicklungstrends im Makroumfeld des Unternehmens beschrieben, dh demographische, gesamtwirtschaftliche, technologische, politischrechtliche und soziokulturelle Faktoren, die sich auf die Zukunftsaussichten der beschriebenen Produktlinie auswirken.
3.5.3. Analyse der Chancen, Gefahren und Problemfragen
Mit der Beschreibung der laufenden Marketingsituation als Basis muss der Produktmanager herausarbeiten, mit welchen Chancen und Gefahren, mit welchen Stärken und Schwächen und mit welchen
Problemfragen das Unternehmen während des Planungszeitraums des Produkts rechnen muss.
3.5.3.1. Analyse der Chancen und Gefahren
An dieser Stelle führt der zuständige Produktmanager die wichtigsten Chancen und Gefahren für das
Unternehmen auf. Diese beziehen sich auf organisationsexterne Faktoren, die auf die Zukunftsaussichten des Unternehmens einwirken können. Sie sind so zu formulieren, dass auch mögliche eigene
Gegenmaßnahmen aufgezeigt werden. Der Planverfasser sollte die einzelnen Chancen und Gefahren
nach ihrem Bedeutungsgewicht auflisten und den wichtigsten Punkten besondere Aufmerksamkeit
widmen.
3.5.3.2. Analyse von Stärken und Schwächen
Der Produktmanager sollte auch die produktlinienspezifischen Stärken und Schwächen des eigenen
Unternehmens darstellen. Stärken und Schwächen sind organisationsintern veranlasst, im Gegensatz
zu den Chancen und Gefahren, die organisationsextern begründet sind. Die Stärken weisen auf Strategien hin, die das Unternehmen mit Erfolg zum Einsatz bringen könnte, während die Schwächen
anzeigen, wo das Unternehmen sich verbessern sollte.
3.5.3.3. Analyse der Problemfragen
In diesem Abschnitt des Plans sollen, aufbauend auf den Erkenntnissen der C/G-Analyse und der
S/S-Analyse, die wesentlichsten Problemfragen herausgestellt werden, auf die der Plan eingehen
muss. Entscheidungen zu diesen Problemfragen führend dann zur Formulierung von Planzielen, Strategien und Durchführungstaktiken.
3.5.4. Planziele
Nun kennt das Management die Problemfragen und muss einige grundlegende Entscheidungen über
die Planziele treffen. Diese bestimmten dann die nachfolgende Suche nach angemessenen Strategien
und Aktionsprogrammen. Die Ziele sind auf zwei Ebenen festzulegen, nämlich als Finanzziele und als
Marketingziele.
3.5.4.1. Finanzziele
Jedes Unternehmen bemüht sich um die Erreichung bestimmter finanzieller Ziele. So werden die Eigentümer des Unternehmens sowohl eine bestimmte langfristige Kapitalrendite als auch einen bestimmten Gewinn für das laufende Geschäftsjahr anstreben.
3.5.4.2. Marketingziele
Die Marketingziele und Finanzziele müssen aufeinander abgestimmt sein.
3.5.5. Marketingstrategie
Nun legt der Planverfasser die Marketingstrategie, dh den Spielplan dar. Bei der Erarbeitung einer
Marketingstrategie hat er eine Reihe von Wahlmöglichkeiten, da sich jedes gesteckte Planziel auf
mehrerlei Weise erreichen lässt. So könnte z.B. das Ziel Steigerung des Umsatzes dadurch erreicht
werden, dass man den durchschnittlichen Preis für alle Produkte erhöht, das Absatzvolumen steigert
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oder mehr Produkte mit Zusatzausstattung absetzt. Das Absatzvolumen lässt sich steigern, indem
man entweder das Marktwachstum stimuliert oder sich einen höheren Marktanteil erkämpft. Mehr
Marktwachstum wiederum lässt sich erreichen, wenn man entweder mehr neue Kunden davon überzeugen kann, sich das Produkt zuzulegen, oder vorhandene Nutzer dazu bringt, ihre älteren Produkte
häufiger zu ersetzen.
3.5.6. Aktionsprogramme
Die strategische Aussage definiert die Marketingschwerpunkte, die der Produktmanager setzt. Nun
muss jedes Element der Marketingstrategie so ausgearbeitet werden, dass die folgenden vier Fragen
beantwortet werden: Was wird im einzelnen getan? Wann wird es getan? Wer wird etwas tun? Wie
viel wird es kosten?
3.5.7. Ergebnisprognose
Mit dem Aktionsplan stellt der Produktmanager ein vorläufiges Budget auf, das zur Ergebnisprognose
dient. Auf der Erlösseite werden das prognostizierte Absatzvolumen in Stückzahlen und der im Durchschnitt erzielte Verkaufspreis ausgewiesen. Auf der Aufwandsseite werden die Kosten der Produktion,
der Marketing-Logistik und des Marketing, aufgeschlüsselt in die jeweils zugehörigen Unterposten,
ausgewiesen. Auch hier kann der Produktmanager durch die Anregung von Kostenreduktionsprogrammen gezielt auf die Kosten einwirken. Er muss dies sogar tun, wenn die Konkurrenzlage es erfordert und er sich durch Kostenreduktionen für das Agieren im Markt den Rücken freihalten muss.
3.5.8. Planfortschrittskontrolle
Im letzten Planabschnitt werden die Kontrollen dargelegt, die zur Überwachung des Planfortschritts
durchgeführt werden. In der Regel wird das geplante Jahresergebnis und das Budget nach Monaten
oder Quartalen unterteilt. Die obere Führungsebene kann dann die in jeder Planperiode erzielten Resultate begutachten und die Geschäftseinheiten herausfinden, welche die gesteckten Ziele nicht erreicht haben. Die dafür verantwortlichen Manager haben dann die Gründe für die schlechten Ergebnisse und die Maßnahmen, die sie zur besseren Planerfüllung zu unternehmen gedenken, darzulegen. In einigen Fällen gehört zu den Planfortschrittskontrollen auch ein Eventualplan oder Schubladenplan.
4. Marketinginformation und Nachfrageermittlung
Aus den vorhergehenden Kapiteln ist ersichtlich, dass das Marketing und die strategische Planung am
besten noch dem Outside-Inside-Ansatz in Angriff genommen werden sollten – dh von außerbetrieblichen Sachverhalten ausgehend die innerbetrieblichen Entscheidungen zu gestalten. Das Unternehmen muss daher das weitere Marketingumfeld verstehen und überwachen, um sein Leistungsprogramm für den Markt aktuell gestalten zu können. Wie aber kann das Unternehmen herausfinden, wie
sich Kundenwünsche verändern, welche Aktivitäten die Konkurrenz plant, welche Distributionsform
vom Käufer bevorzugt wird, usw.? Die Antwort liegt auf der Hand: Das Unternehmen muss ein Marketing-Informationssystem einrichten und betreiben sowie über die notwendigen Fertigkeiten zur Durchführung der Marketingforschung verfügen. Nicht wenige Unternehmen sind nur ungenügend auf die
steigenden Informationsanforderungen eingerichtet, die ein effektives Marketing stellt.
4.1. Konzept und Bausteine eines Marketing-Informationssystems
Jedes Unternehmen sollte den Informationsfluss für Marketingentscheidungen gut organisieren. Zu
diesem Zweck stellt man den Informationsbedarf der Entscheidungsträger fest und richtet für diesen
Bedarf ein Marketing-Informationssystem ein. Wir definieren ein Marketing-Informationssystem wie
folgt: Ein Marketing-Informationssystem besteht aus Personen, technischen Einrichtungen und Verfahren zur Gewinnung, Zuordnung, Analyse, Bewertung und Weitergabe zeitnaher und zutreffender
Informationen, die dem Entscheidungsträger bei Marketingentscheidungen helfen. Die MarketingManager brauchen für ihre Analyse-, Planungs- Durchführungs- und Kontrollaufgaben Informationen
über das Marketingumfeld. Das Marketing-Informationssystem muss so ausgelegt sein, dass es den
Informationsbedarf der Manager ermittelt, die benötigten Informationen sammelt und diese den Managern rechtzeitig zur Verfügung stellt.
4.2. Innerbetriebliches Berichtssystem
Im allereinfachsten Fall kann das innerbetriebliche Berichtsystem dem Marketing-Manager als Informationssystem dienen. Hier findet er die Daten über Auftragseingänge, Absatzentwicklung, Lagerbestand, Höhe der Forderungen und Verbindlichkeiten, usw. Durch die Analyse dieser Daten kann der
Marketing-Manager bedeutende Marktchancen und Problemstellungen erkennen.
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4.2.1. Abwicklungszyklus: Auftrag – Versand – Abrechnung
Die Daten aus diesem Abwicklungszyklus spielen eine zentrale Rolle im internen Berichtssystem.
Bestellungen gehen über Vertreter oder direkt von Händlern oder Kunden ein; die Auftragsabteilung
erstellt daraufhin Auftragsformulare in mehrfacher Ausfertigung und leitet sie den verschiedenen Abteilungen zur weiteren Abwicklung zu. Bestellungen, die nicht gleich ausgeführt werden können, werden in den Auftragsbestand eingereiht. Der Lieferung werden die erforderlichen Versand- und Abrechnungspapiere beigelegt, und daran mitwirkende Abteilungen werden per Kopie informiert. Die
Unternehmen sind heutzutage darauf angewiesen, diesen Prozess zügig und präzise abzuwickeln,
denn Kunden bevorzugen Lieferanten, die schnell und pünktlich arbeiten.
4.2.2. Verkaufsmelde- und -informationssystem
Die Marketingverantwortlichen brauchen Verkaufsmeldungen zuverlässig und schnell. Computertechnologien haben teilweise auch dafür gesorgt, dass Außendienstmitarbeiter nun weniger die Kunst des
Verkaufens ausüben, sondern eher per Computer einen ausgeklügelten Geschäftsprozess abwickeln.
Mit Laptops ausgestattet, haben diese Mitarbeiter nun sofort Zugriff auf die Daten ihrer aktuellen und
potentiellen Kunden und können ihrem Unternehmen unmittelbare Rückmeldungen z.B. über erfolgte
Verkaufsabschlüsse geben. Die Manager im Innendienst können die Vorgänge innerhalb der Verkaufsgebiete überwachen und jederzeit Prognosen anstellen, die auf den aktuellsten Daten beruhen.
Das Verkaufsmeldesystem sollte aber nicht nur die Marketingleitung mit Berichten von der Verkaufsfront versorgen, sondern auch den Verkäufern nützliche Kundeninformationen liefern.
4.2.3. Gestaltung eines anwenderfreundlichen Berichtssystems
Bei der Gestaltung eines fortschrittlichen Absatzinformationssystems sollten bestimmte Probleme
vermieden werden. Zum einen kann ein System zu viel Datenmaterial liefern. Der Marketing-Manager
würde dann täglich einer Flut von Verkaufsstatistiken ausgesetzt, die er entweder ignoriert oder für die
er zu viel Zeit aufwendet. Zum anderen kann ein System aktuelle Daten überbetonen, was schon bei
minimalen Veränderungen der Absatzentwicklung zu Überreaktionen des Managers führen kann. Ein
Marketing-Informationssystem muss einen Ausgleich finden zwischen dem, was Manager gerne
möchten, was sie unbedingt brauchen und was wirtschaftlich angemessen ist.
4.3. Marketing-Nachrichtenssystem
Während das innerbetriebliche Berichtssystem auf Daten der eigenen Verkaufsergebnisse aufbaut,
stellt das Marketing-Nachrichtensystem Daten über Geschehnisse und Ereignisse bereit. Wir definieren das Marketing-Nachrichtensystem wie folgt: Das Marketing-Nachrichtensystem ist eine Zusammenstellung von Verfahren und Informationsquellen, die der Marketer einsetzt, um laufend Informationen über entscheidungsrelevante Entwicklungen im Marketingumfeld erfassen und abrufen zu können. Die Erfassung des Umfeldes kann auf vier verschiedene Arten vorgenommen werden: Ungezieltes Sichten, gezieltes Sichten, formlose Informationssuche, formale Informationssuche. In vielen Unternehmen erhalten die Marketing-Manager ihre Marketing-Nachrichten vorwiegend aufgrund ihrer
eigenen Bemühungen wie z.B. durch die Lektüre von Büchern, Zeitungen und Branchenpublikationen,
durch Gespräche mit Kunden, Lieferanten, Händlern und anderen unternehmensexternen Personen,
aber auch durch Gespräche mit anderen Mitarbeitern des eigenen Unternehmens. Ein solches Nachrichtensystem ist zufallsabhängig, und wertvolle Informationen werden möglicherweise verpasst oder
kommen zu spät.
4.4. Marketing-Forschungssystem
Marketing-Manager geben häufig auch formale Studien und Untersuchungen in Auftrag, die sich mit
bestimmten Marketingproblemen und Marktchancen befassen. Einige Beispiele hierzu sind: Marktstudien, Produktpräferenztests, regional gegliederte Absatzprognosen oder Untersuchungen zur Werbewirksamkeit. Manager haben oft weder die Zeit noch die Spezialkenntnisse zur eigenen Durchführung
solcher Studien. Sie geben diese als Auftrag an die Marketingforschung weiter: Marketingforschung
lässt sich wie folgt definieren: Marketingforschung ist die systematische Anlage und Durchführung von
Datenerhebungen sowie die Analyse und Weitergabe von Daten und Befunden, die in bestimmten
Marketingsituationen vom Unternehmen benötigt werden.
4.4.1. Quellen der Marketingforschung
Das Unternehmen hat mehrere Alternativen zur Durchführung der Marketingforschung. Großunternehmen verfügen für gewöhnlich über eine eigene Marketingforschungsabteilung. Darin ist in manchen Fällen nur ein Marketingforscher beschäftigt, in anderen bis zu einem Dutzend. Der Leiter einer
solchen Marketingforschungsabteilung untersteht in der Regel dem Marketingdirektor. Er leitet UnterGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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suchungen und betreut sie verwaltungsmäßig; er gibt Ratschläge zu Marketingfragen und setzt sich
für bestimmte Problemlösungen ein.
4.4.2. Wirkungsbereich der Marketingforschung
Die Methoden und Aktivitäten der Marketingforschung wurden im Laufe der Zeit immer umfangreicher.
Zu den häufigsten Aktivitäten zählen: Absatzanalysen, Trendbeobachtungen, Marktstrukturanalysen,
Marktpotentialuntersuchungen, Kurz- und Langfristprognosen, Untersuchungen von Konkurrenzprodukten, Absatzpotentialschätzungen für neue Produkte, Vertriebsuntersuchungen, Untersuchungen
zur Preispolitik, Werbemittelforschung und Untersuchungen über Verkaufsförderungsmaßnahmen.
Durch eine permanente Verfeinerung der Informationsgewinnungsmethoden konnte auch der Aussagewert der einzelnen Studien wesentlich verbessert werden. Zahlreiche Techniken – unter anderem
strukturierte Fragebögen oder Stichproben nach dem Quotenverfahren – wurden sehr früh entwickelt
und von Marketingforschern angewandt. Andere wiederum – z.B. die Motivationsforschung oder die
mathematischen Methoden – konnten sich nicht so leicht durchsetzen.
4.4.3. Marketingforschungsprozess
Die Marketingforschung wird eingesetzt, um ein Marketingproblem besser verstehen und beurteilen zu
können. In der Praxis sieht das so aus, dass z.B. ein Produktmanager von Procter & Gamble jährlich
drei bis vier grundlegende Studien in Auftrag gibt. Die Marketing-Manager kleinerer Unternehmen
versuchen, mit bedeutend weniger Marketingforschung auszukommen. Selbst bei den NonprofitOrganisationen setzt sich in zunehmendem Maße die Erkenntnis durch, dass auch ihnen die Marketingforschung nützen kann. So möchte z.B. ein Krankenhaus gern wissen, ob die Bevölkerung seines
Versorgungsgebietes ihm und seinem Leistungsangebot positiv gegenübersteht.
4.4.3.1. Schritt 1: Definition des Marketingproblems und der Forschungsziele
Die erste Phase der Marketingforschung erfordert, dass sowohl Marketing-Manager als auch Marketingforscher das Forschungs- und Entwicklungsproblem genau konkretisieren und daraus die Forschungsziele ableiten. Je klarer die Definition des Problems ist, desto genauer zielt die Untersuchung
auf die Lösung des Problems, was Untersuchungskosten spart. Das Management muss einen Mittelweg finden, um das jeweilige Marketingproblem und die Untersuchungsziele weder zu eng noch zu
weit abzustecken. Wird beispielsweise der Marketingforscher vom Marketing-Manager aufgefordert,
alles über die Bedürfnisse der Fluggäste in Erfahrung zu bringen, wird er sicherlich eine Unmenge
überflüssigen Materials ohne wirklichen Informationswert für das Vorliegende Problem zusammentragen. Lautet die Anweisung des Marketing-Managers hingegen, „Stellen Sie fest, ob eine ausreichende
Anzahl von Fluggästen eines innereuropäischen Linienfluges bereit wäre, für ein Telefongespräch 40
DM zu zahlen, so dass die Lufthansa diesen Service kostendeckend anbieten kann“, wird das eigentliche Marketingproblem von einem zu engen Blickwinkel her in Angriff genommen.
4.4.3.2. Schritt 2: Konzipierung des Forschungsplans
In der zweiten Phase des Forschungsprozesses soll ein effizienter Plan zur Deckung des Informationsbedarfs entwickelt werden. Es würde nicht ausreichen, wenn der Manager dem Marketingforscher
folgende Anweisung geben würde: „Suchen Sie ein paar Passagiere und fragen sie, ob sie während
des Fluges telefonieren würden, wenn dies möglich wäre“. Der Forschungsplan muss professionell
entworfen werden. Der Marketing-Manager muss genug über Marketingforschung wissen, um die
Professionalität des Plans beurteilen und die Art der zu erwartenden Befunde abschätzen zu können.
Üblicherweise verlangt der Manager vom Marketingforscher einen Kostenvoranschlag, ehe er dem
Plan zustimmt.
4.4.3.2.1. Datenquellen
Der Untersuchungsplan kann sowohl sekundäre als auch primäre Datenerhebungen erforderlich machen. Unter Sekundärdaten versteht man bereits vorhandenes Informationsmaterial, das in der Regel
für einen anderen Zweck zusammengetragen wurde. Ansonsten sind Primärdaten zu erheben. Dies
sind neue und speziell für den vorgegebenen Plan erhobene Daten. Sekundärdaten: Der Marketingforscher leitet seine Untersuchung für gewöhnlich mit der Analyse des Sekundärmaterials ein, um
Aufschluss darüber zu erhalten, ob sich das Marketingproblem ganz oder zumindest teilweise ohne
die teure Gewinnung von Primärmaterial bewältigen lässt.
4.4.3.2.2. Datenerhebungsmethoden
In der Primärforschung kommen hauptsächlich vier Erhebungsverfahren zum Einsatz: Beobachtung,
Focus-Gruppen, Befragungen und Experimente.
!
Beobachtung: Durch Beobachtung der Marktteilnehmer in ihrem Umfeld lassen sich sehr gute
neue Daten sammeln.
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!
!
!
Focus-Gruppen: Mit der Focus-Gruppe führt man beurteilende oder explorative Gruppendiskussionen über ein bestimmtes Thema durch.
Befragung: Die Befragung knüpft in ihrer Aussagekraft über Marketingzusammenhänge auf halbem Wege zwischen Beobachtung und Focus-Gruppe einerseits und dem Experiment andererseits an.
Experiment: Die Experimentalmethode hat als wissenschaftliche Methode die höchste Validität.
4.4.3.2.3. Erhebungsinstrumente
Für die Erhebung und Aufzeichnung von Primärdaten stehen dem Marketingforscher im wesentlichen
zwei Instrumente zur Auswahl: Fragebogen und technische Geräte.
!
Fragebogen: Der Fragebogen ist das am weitesten verbreitete Instrument zur Gewinnung von
Primärdaten.
!
Technische Geräte: Technische Geräte werden zur Gewinnung empirischer Daten in der Marketingforschung weniger häufig eingesetzt.
4.4.3.2.4. Stichprobenplan
Der Marketingforscher muss einen Stichprobenplan aufstellen und dabei Entscheidungen zur Grundgesamtheit, zur Größe der Stichprobe und zum Auswahlverfahren treffen.
!
Die Grundgesamtheit mit ihren Elementen: Aus der Grundgesamtheit und der Definition ihrer
Elemente ergibt sich, wer in die Stichprobe einbezogen werden kann.
!
Die Größe der Stichprobe: Mit der Entscheidung zur Stichprobengröße wird festgelegt, wie viele
Personen in die Untersuchung einbezogen werden sollen.
!
Das Stichproben-Auswahlverfahren: Mit der Entscheidung zum Auswahlverfahren wird festgelegt,
wie die Stichprobe gezogen wird.
4.4.3.2.5. Befragungsformen
Sobald der Stichprobenplan festgelegt ist, muss sich der Marketingforscher entscheiden, welchen
Kontaktweg zur jeweiligen Auskunftsperson er nehmen möchte. Es stehen ihm hierfür die schriftliche,
telefonische und persönliche Befragung zur Auswahl.
!
Schriftliche Befragung: Die schriftliche Befragung ist besonders geeignet, wenn zu erwarten ist,
dass persönliche Interviews verweigert oder dass Antworten durch den Interviewer beeinflusst
oder verzerrt aufgezeichnet würden.
!
Telefonische Befragung: Das telefonische Interview ist die beste Methode für eine schnelle Informationsgewinnung.
!
Persönliche Befragung: Sie ist die wohl vielseitigste der drei Methoden.
4.4.3.3. Schritt 3: Erhebung der Daten
Die Datenerhebung verursacht bei Forschungsprojekten die meisten Kosten und auch die meisten
Fehler. Bei persönlichen Befragungen gibt es folgende Probleme: Einige der zu Befragenden sind
nicht zu Hause anzutreffen und müssen deshalb erneut aufgesucht oder durch andere Personen ersetzt werden. Andere verweigern die Auskunft; wieder andere geben durch Vorurteile geprägt oder
bewusst falsche Antworten. Schließlich kann der Interviewer selbst voreingenommen oder unehrlich
sein. Die Datenerhebung verändert sich durch Telekommunikation und Computer rapide.
4.4.3.4. Schritt 4: Analyse der erhobenen Daten
Der nächste Schritt im Marketingforschungsprozess besteht darin, die vorliegenden Daten auf die
wesentlichen Informationen zu verdichten. Die Daten werden tabellarisiert, und es werden ein- oder
zweidimensionale Häufigkeitsverteilungen erstellt. Mittelwerte und Streuungsbreite für die wichtigsten
Variablen werden errechnet. Schließlich wendet der Marketingforscher auch höhere statistische Methoden und Entscheidungsmodelle aus dem Entscheidungsunterstützungssystem an, um so weitere
Befunde zu erhalten.
4.4.3.5. Schritt 5: Darstellung der Forschungsergebnisse
In einem Forschungsbericht sollten die wesentlichen Ergebnisse des Forschungsprojekts dargestellt
werden, die dem Management bei Entscheidungen über Marketingprobleme nützlich sind. Dabei sollte
der Marketingforscher nicht versuchen, das Management durch eine Fülle von Zahlen oder Erklärungen zu ausgefallenen statistischen Verfahren zu überwältigen. Vielmehr sollte er sich auf die Präsentation der Erkenntnisse beschränken, die für das Treffen von Marketingentscheidungen relevant sind.
Das Forschungsprojekt ist nur dann von Nutzen, wenn es die Entscheidungssicherheit des Managements zu bestehenden Marketingproblemen stärkt. Die Aussagekraft dieser Befunde könnte durch
Stichprobenfehler geschmälert werden, und die Unternehmensleitung könnte eine weitere Studie verlangen.
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4.4.4. Merkmale guter Marketingforschung
Nachdem die wichtigsten Schritte im Marketingforschungsprozess dargestellt wurden, sollen nun sieben Merkmale beschrieben werden, die zu guter Marktforschung führen:
4.4.4.1. Wissenschaftliche Methodik
Eine wirkungsvolle Marketingforschung arbeitet nach den Grundsätzen der wissenschaftlichen Methodik. Dazu gehört insbesondere, gründlich zu beobachten, Hypothesen abzuleiten oder aufzustellen,
Vorhersagen zu treffen sowie Hypothesen und Vorhersagen empirisch zu testen.
4.4.4.2. Kreativität
Gute Marketingforschung zeichnet sich, wenn erforderlich, durch forscherische Kreativität in Form
innovativer Wege zur Lösung von Problemen aus.
4.4.4.3. Flexibilität im Forschungsansatz
Der versierte Marketingforscher verlässt sich nicht auf nur einen Forschungsansatz. Er richtet sich in
seinem Forschungsansatz nach dem vorliegenden Marketingproblem und nicht umgekehrt. Gleichwohl überprüft er, ob Datenmaterial von größerer Qualität und größerer Zuverlässigkeit aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Informationsquellen oder aber aus ein und derselben Datenquelle zu gewinnen ist. Letzteres trifft bei gewissen Forschungsprojekten zu, z.B. wenn in der Werbewirkungsforschung mit sogenannten Single-Source-Daten bessere Analysen möglich sind.
4.4.4.4. Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen Daten und Modellen
Kompetente Marketingforscher wissen und berücksichtigen in ihrem Forschungsansatz, dass Daten
erst durch das Analysemodell des zu lösenden Problems zu informativen Aussagen umgeformt werden. Die Auswahl des Modells entscheidet über die erforderlichen Daten. Die Verfügbarkeit von Daten
grenzt ein, welche Modelle in die Auswahl kommen dürfen.
4.4.4.5. Gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis
Kompetente Marketingforscher wägen den Wert von Informationen und die Kosten ihrer Beschaffung
gegeneinander ab. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis bestimmt die Entscheidung der Marketingforschungsabteilung, welches Forschungsprojekt durchgeführt, welcher forschungsplan angewandt und
ob eine Untersuchung nach Vorlage der ersten Ergebnisse weitergeführt werden soll. Während sich
die Kosten der Informationsbeschaffung relativ leicht quantifizieren lassen, bereitet die Ermittlung des
Informationswertes doch eher Schwierigkeiten. Dies liegt darin begründet, dass der Wert der beschafften Informationen sowohl vom Grad der Zuverlässigkeit und Validität der Untersuchungsergebnisse
als auch von der Bereitschaft des Managements abhängt, diese Resultate zu akzeptieren und den
gewonnenen Erkenntnissen nützliche Taten folgen zu lassen.
4.4.4.6. Gesunde Skepsis gegenüber Verallgemeinerungen
Kompetente Marktforscher bewahren und zeigen eines gesunde Skepsis gegenüber Verallgemeinerungen im Marketing. Oft herrscht innerhalb von Unternehmen oder bei Marketing-Managern eine
vorgefasste Meinung über bestimmte Marketingzusammenhänge. Diese Meinungen oder Verallgemeinerungen sind in der Regel dadurch begründet, dass sie das vom Unternehmen oder dem Marketing-Manager verfolgte Konzept rechtfertigen und unterstützen. Bei einer kritischen Hinterfragung erweisen sich manche Meinungen oder Verallgemeinerungen als Mythen. Eine gesunde Skepsis kann
in diesem Fall das Unternehmen vor wesentlichen Fehlentscheidungen bewahren.
4.4.4.7. Beachtung ethischer Fragen
In den meisten Fällen wird Marktforschung sowohl zum Nutzen der Kunden als auch zum Nutzen des
Anbieters durchgeführt. Durch Marktforschung lernen Unternehmen die Bedürfnisse und Wünsche
des Kunden besser kennen. Dadurch können sie Waren und Dienstleistungen produzieren, die die
Kunden besser zufrieden stellen. Die Marktforschung kann jedoch auch zum Schaden von Kunden
missbraucht werden und wird dann von ihm abgelehnt.
4.4.5. Hemmnisse im Einsatz der Marketingforschung
Trotz der zunehmenden Bedeutung der Marketingforschung versäumen es zahlreiche Unternehmen,
sie richtig und in ausreichendem Maß einzusetzen. Dafür gibt es viele Gründe. Hier eine Auswahl: Die
Marketingforschung wird zu eng gesehen; unzureichende Qualifikation des Personals in der Marketingforschung; überholte und gelegentlich falsche Befunde der Marketingforschung; Verständnisgräben.
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4.5. Entscheidungssupportsystem
Eine wachsende Anzahl von Unternehmen richtet zur Unterstützung ihrer Marketing-Manager einen
vierten Informationsdienst ein, nämlich das Entscheidungssupportsystem, was wir wie folgt definieren:
Ein Marketing-Entscheidungssupportsystem besteht aus statistischen Analysemethoden und Entscheidungsmodellen sowie der zugehörigen Computersoftware und -hardware, die den MarketingManagern zugänglich gemacht werden, um sie bei der Datenanalyse und der Vorbereitung von Marketingentscheidungen zu unterstützen. Aufgrund der immer höheren Komplexität von Marktstrukturen
und Marketingvorgängen müssen sich die Marketing-Manager mit fortschrittlichen Verfahren der Analyse und der Entscheidungsvorbereitung vertraut machen. Dies ist erforderlich, denn Manager beziehen Studien von der Marketingforschung und anderen Stellen, in denen fortschrittliche Verfahren angewandt wurden wie z.B. die multiple Regressionsanalyse, andere multivariate Analyseverfahren,
Optimierungsanalysen und anderes mehr. Manager müssen über solche Verfahren genug wissen, um
die damit erzielten Befunde kritisch beurteilen zu können. Des weiteren werden in den Unternehmen
immer mehr Computerarbeitsplätze eingerichtet und zu einem Informationsnetz verknüpft, so dass die
Marketing-Manager in die Lage versetzt werden, fortschrittliche Analysen selbst durchzuführen.
4.6. Messung und Vorhersage der Marktgröße und Nachfrage
Die meisten Unternehmen haben viele Marktchancen, die sie bewerten und vergleichen müssen, um
die richtigen Zielmärkte auswählen zu können. Dazu brauchen sie das Rüstzeug, mit dem sie die
Marktgröße, das Marktwachstum und das Ertragspotential der verschiedenen Marktchancen messen
und schätzen können. Das Unternehmen muss möglichst genau die Nachfrage für seine Zielmärkte
prognostizieren. Solche Vorhersagen sind die Grundlage, auf der die Finanz- und Investitionsplanung,
die Planung der Produktionsmengen und -kapazitäten, die Beschaffungsplanung und die Personalplanung beruhen. Nachfrageschätzungen sind in der Regel eine Teilaufgabe der Marketingfunktion.
4.6.1. Begriffliche Grundlagen und Konzepte der Nachfragemessung
Als Manager muss man mit Sorgfalt festlegen, wie man seinen Markt und die Nachfrage definiert. Hier
gibt es Begriffsunterschiede, die bewusst sein müssen, damit die Manager das gleiche meinen, wenn
sie über Markt und Nachfrage reden. Vor allem müssen die Bezugsgrößen für die Ermittlung der
Nachfrage eindeutig sein. Zunächst muss das Unternehmen sorgfältig definieren, was es unter Marktnachfrage versteht.
4.6.1.1. Dimensionierung von Marktgröße und Nachfrage
Für Planungszwecke stellen die Unternehmen vielfältige Schätzungen der Marktgröße und Nachfrage
an. Die Vielfalt kommt daher, dass es mehrere Dimensionen mit jeweils vielen Aufgliederungsmöglichkeiten gibt. Je nach Zweck der Nachfrageschätzung kann der Markt unterschiedlich dimensioniert
werden. Die wichtigsten Dimensionen sind die Produktebene, die räumliche Ebene und die zeitliche
Ebene.
4.6.1.2. Grundbegriffe zur Marktgröße
Der Marketing-Manager bedient sich vieler Begriffe, die sich auf die Marktgröße beziehen, wie z.B.
potentielle Märkte, zugängliche Märkte, bearbeitete Märkte und penetrierte Märkte. Zur Klärung dieser
Begriffe definieren wir zunächst den Marktbegriff wie folgt: Ein Markt ist die Gesamtheit der möglichen
Käufer eines Produkts. Die Größe eines Marktes hängt also von der Zahl der möglichen Käufer ab, die
man einem bestimmten Marktangebot begrifflich zuordnet. Die möglichen Käufer sollte man nach drei
Merkmalen beurteilen: Interesse, Kaufkraft und Zugang zum Marktangebot.
4.6.1.3. Grundbegriffe zur Nachfragemessung
Im Bereich der Nachfragemessung herrscht eine große Begriffsvielfalt. Fachleute sprechen von Prognosen, Vorhersagen, Potentialen, Schätzungen, Projektionen, Zielen, Sollzahlen, Quoten und Budgets. Viele dieser Ausdrücke haben die gleiche Bedeutung. Die wichtigsten Begriffskonzepte der
Nachfragemessung lauten Gesamtnachfrage des Marktes und unternehmensspezifische Nachfrage
des Marktes. Innerhalb dieser zwei Begriffskonzepte unterscheiden wir zwischen Nachfragefunktion,
Vorhersage und Potential.
4.6.1.3.1. Gesamtnachfrage des Marktes
Der erste Schritt zur Bewertung der Marktchancen ist die Schätzung der Gesamtnachfrage des Marktes, die wir im folgenden kurz als Gesamtnachfrage oder Marktnachfrage bezeichnen werden. Dieses
Begriffskonzept ist nicht einfach. Das zeigt schon der Umfang folgender Definition: Die Gesamtnachfrage nach einem Produkt ist das Gesamtvolumen, das von einer spezifischen Kundengruppe in einem spezifischen geographischen Gebiet innerhalb eines spezifischen Zeitraums in einem spezifischen Marketingumfeld und unter Einsatz eines spezifischen Marketingprogramms gekauft würde. Um
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eine Nachfragemessung durchführen zu können, müssen die aufgeführten Dimensionen dieser Definition berücksichtigt und die Bezugselemente jeder Dimension genau spezifiziert werden. Das Produkt
muss genau umrissen sein; es muss feststehen, ob das Gesamtvolumen in Stückzahlen oder Geld
gemessen wird; es muss festgelegt werden, ob bereits bezahlt wurde; die Annahmen zum Marketingumfeld und das Marketingprogramm müssen genauestens beschrieben werden, und vieles mehr.
4.6.1.3.2. Vorhersage der Gesamtnachfrage
Eine bestimmte Höhe an branchenweiten Marketingaufwendungen wird in einer laufenden Periode
errechnet. Die für dieses Niveau an Aufwendungen geschätzte Nachfrage bezeichnen wir als Vorhersage der Gesamtnachfrage.
4.6.1.3.3. Marktpotential
Die Vorhersage zeigt die erwartete Gesamtnachfrage, nicht aber das Maximum an Gesamtnachfrage
auf. Um das Maximum zu erhalten, müssen wir uns das Gesamtnachfrageniveau bei äußerst hohen
branchenweiten Marketingaufwendungen vorstellen, wo weitere Aufwendungen praktisch keine zusätzliche Nachfrage zur folge hätten. Das Marktpotential ist die Obergrenze der Gesamtnachfrage,
wenn die branchenweiten Marketingaufwendungen auf dem höchsten machbaren Niveau liegen, und
zwar bei einem gegebenen Umfeld. Der Zusatz „bei gegebenem Umfeld“ ist wichtig. So ist das Marktpotential für Automobile in einer Rezessionsphase anders als in einer Phase der Hochkonjunktur.
4.6.1.3.4. Unternehmensspezifische Nachfrage
Nun umreißen wir den Begriff unternehmensspezifische Nachfrage. Die unternehmensspezifische
Nachfrage ist der Anteil eines Unternehmens an der Gesamtnachfrage. Die unternehmensspezifische
Nachfrage ist wie die Gesamtnachfrage einer Funktion, die wir Unternehmensnachfragefunktion oder
Unternehmensreaktionsfunktion nennen. Wie wird durch alle Einflussfaktoren auf die Gesamtnachfrage und die Einflussfaktoren auf den Marktanteil bestimmt.
4.6.1.3.5. Vorhersage der unternehmensspezifischen Nachfrage
Die Unternehmensnachfragefunktion beschreibt den geschätzten Unternehmensumsatz bei unterschiedlichen Marketingaufwendungen. Die Höhe der jeweiligen Aufwendungen wird von der Unternehmensleitung festgelegt und führt dann zu einem erwarteten Nachfrageniveau. Dies nennt man
auch unternehmensspezifische Umsatzprognose. Im komprimierter Form heißt das: Die unternehmensspezifische Umsatzprognose beschreibt, ausgehend von einem festgelegten Marketingplan und
spezifischen Annahmen über das Marketingumfeld, den erwarteten Unternehmensumsatz. Die unternehmensspezifische Umsatzprognose lässt sich graphisch auf die gleiche Weise darstellen wie die
Vorhersage der Gesamtnachfrage: Auf der vertikalen Achse sind in diesem Fall der Unternehmensumsatz und auf der horizontalen Achse die Marketingaufwendungen des Unternehmens abgebildet.
4.6.1.3.6. Unternehmensspezifisches Umsatzpotential
Das unternehmensspezifische Umsatzpotential beschreibt die Obergrenze, der sich die unternehmensspezifische Nachfrage nähert, bei im Vergleich zu den Konkurrenten steigenden Marketingaufwendungen. Die absolute Obergrenze der unternehmensspezifischen Nachfrage wäre theoretisch das
Potential des Gesamtmarktes. Dazu müsste man einen Marktanteil von 100 % erreichen, dh zum Monopolisten werden. Dies ist in den allermeisten Fällen kurzfristig nicht möglich, auch wenn man seine
Marketingaufwendungen im Vergleich zu den Konkurrenten übermäßig anhebt, denn fast jeder Konkurrent hat einen harten Kern von Stammkunden, die sich auch durch hohe Marketingaufwendungen
nicht weglocken lassen.
4.6.2. Schätzung der laufenden Nachfrage
Als nächste wollen wir einige geläufige Methoden zur Schätzung der laufenden Nachfrage beschreiben. Da Marketing-Management wird dabei bestrebt sein, da ausschöpfbare Gesamtpotential, Teilpotentiale sowie Branchenumsätze und Marktanteile abzuschätzen.
4.6.2.1. Ausschöpfbares Gesamtpotential
Das ausschöpfbare Gesamtpotential entspricht dem höchstmöglichen Absatz oder Umsatz, den alle
Unternehmen einer Branche in einem gegebenen Zeitraum bei einem gegebenen branchenweiten
Niveau an Marketingaufwendungen und gegebenen Umfeldbedingungen erreichen können. Wenn es
also pro Jahr z.B. 38 Millionen Buchkäufer gibt, der Buchkäufer durchschnittlich drei Bücher im Jahr
erwirbt, der Durchschnittspreis pro Buch bei 20 DM liegt, dann beträgt das ausschöpfbare Gesamtpotential für den Büchermarkt 2,28 Mrd. DM. Oft ist es schwierig, die Anzahl der Käufer abzuschätzen.
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4.6.2.2. Teilpotentiale
Im Marketing besteht das Problem, die chancenreichsten Teilmärkte auszuwählen und die Marketingmittel über diese Teilmärkte optimal aufzuteilen. Folglich muss man die Nachfrage der einzelnen
Teilmärkte abschätzen, wofür es zwei wesentliche Ansätze gibt: die branchenbezogene Aufbaumethode, die vor allem von Anbietern auf Industriegütermärkten verwendet wird, und Indexmethoden, die
in der Hauptsache bei Anbietern auf Konsumgütermärkten Anwendung finden.
4.6.2.2.1. Branchenbezogene Aufbaumethode
Bei der Aufbaumethode ermittelt man alle potentiellen Käufer in jedem Teilmarkt und schätzt ihre potentiellen Käufe. Diese Methode kann zügig angewandt werden, wenn man eine Liste aller potentiellen
Käufer und eine gute Schätzung ihres Kaufvolumens zur Verfügung hat. Unglücklicherweise sind diese Daten in den meisten Fällen nicht griffbereit, sondern müssen erst aus verschiedenen Informationsquellen erarbeitet werden.
4.6.2.2.2. Indexmethoden
Auch die Anbieter auf Konsumgütermärkten müssen Teilpotentiale schätzen. Angesichts der großen
Zahl von potentiellen Kunden wäre es unpraktisch, diese in einer Liste zu erfassen. Daher ist zur Erfassung der Teilpotentiale eine einfache Indexierung üblich.
4.6.2.3. Schätzung der Branchenumsätze und Marktanteile
Das Unternehmen muss jedoch nicht nur das ausschöpfbare Gesamtpotential des Marktes und die
Teilpotentiale abschätzen, sondern auch die in der Branche getätigten Umsätze kennen. Das bedeutet, dass man seine Konkurrenten ermitteln und ihre Umsätze schätzen muss. In vielen Fällen wird der
branchenspezifische Berufsverband die Gesamtumsätze erfassen und veröffentlichen, ohne die Umsätze jedes einzelnen Unternehmens separat auszuweisen. Damit kann jedes Unternehmen seine
eigene Leistung mit der Branchenentwicklung vergleichen. Wenn z.B. bei einer Branchenentwicklung
von plus 10 % der Umsatz eines Unternehmens pro Jahr um nur 5 % steigt, so hat das Unternehmen
Marktanteile verloren und seine Stellung in der Branche verschlechtert.
4.6.3. Schützung der zukünftigen Nachfrage
Als nächstes wenden wir uns den Verfahren zur Schützung der zukünftigen Nachfrage nach einem
Produkt zu. Nur bei einigen wenigen Produkten ist es einfach, Vorhersagen zu treffen. Die Nachfrage
ist dort leicht vorherzusagen, wo sich bedarf und Bedarfsentwicklung nur geringfügig ändern und wo
kaum Wettbewerb herrscht. Auf den meisten Märkten verläuft jedoch die Entwicklung der Gesamtnachfrage und der unternehmensspezifischen Nachfrage nicht gleichförmig. Somit tragen gute Vorhersageleistungen entscheidend zum Unternehmenserfolg bei.
4.6.3.1. Ermittlung der Käuferabsichten
Die Vorhersage ist die Kunst vorwegzunehmen, was die Käufer unter bestimmten Bedingungen voraussichtlich tun werden. Hier liegt es nahe, die Käuferabsichten zu untersuchen. Dies ist besonders
dann nützlich, wenn die Käufer klar umrissene Absichten haben, die sie ausführen werden und die sie
bereit sind offenzulegen. Es gibt Forschungsinstitute, die regelmäßig die Kaufabsichten der Verbraucher bezüglich größerer Anschaffungen messen. Dabei benutzt man eine Kaufwahrscheinlichkeitsskala zur Erfassung der Antworten z.B. auf folgende Frage: Haben Sie die Absicht, innerhalb der nächsten sechs Monate ein Automobil zu kaufen?
4.6.3.2. Zukunftsschätzungen des Vertriebspersonals
Ist eine Befragung der Käufer unpraktisch, kann das Unternehmen sein Vertriebspersonal befragen.
Jeder Vertreter soll abschützen, wie viel jeder der von ihm bearbeiteten und noch zu bearbeitenden
Kunden kaufen wird. Allerdings setzen nur wenige Unternehmen die Schätzungen ihres Vertriebspersonals ein, ohne zuvor bestimmte Korrekturen oder Berichtigungen vorzunehmen. Schließlich sind
Verkäufer oft aus ihrer Interessen- oder Stimmungslage heraus voreingenommen. Sie können von
Natur aus pessimistisch oder optimistisch sein oder aufgrund eines besonderen Rückschlags oder
Erfolgs in jüngster Zeit in das eine oder andere Extrem verfallen.
4.6.3.3. Expertenmeinungen
Unternehmen können auch aufgrund von Expertenmeinungen Vorhersagen erhalten. Experten kann
man in den Handelsbetreiben, bei den Zulieferern, Marketingberatern und Industrieverbänden finden.
So befragen Automobilhersteller regelmäßig ihre Händler zur kurzfristigen Nachfrageentwicklung. Die
Schätzungen der Händler haben jedoch die gleichen Stärken und Schwächen wie die Schätzungen
der eigenen Außendienstmitarbeiter. Viele Unternehmen kaufen Vorhersagen zur Gesamtwirtschaft
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und zur Branche bei bekannten Wirtschaftsforschungsinstituten, wie dem Ifo-Institut in München, dem
Institut für Weltwirtschaft in Kiel und Prognos in Basel.
4.6.3.4. Markttest-Methode
Wo Kunden ihre Käufe wenig vorherplanen oder Expertenmeinungen unzureichend sind, da ist ein
direkter Markttest angebracht. Ein direkter Markttest ist besonders vorteilhaft bei Vorhersagen für
neue Produkte oder wenn man mit bestehenden Produkten in ein neues Gebiet oder einen neuen
Absatzkanal gehen will.
4.6.3.5. Zeitreihen-Analyse
Bei vielen Unternehmen beruhen die Vorhersagen auf den Umsatzentwicklungen der Vergangenheit.
Die Annahme besteht darin, dass die zugrundeliegenden Einflusskräfte wie bisher weiterwirken werden und dass die Zeitreihen-Analyse das Wirken dieser Kräfte in die Zukunft projizieren kann. Umsatzzahlen aus der Vergangenheit können in verschiedene Komponenten zerlegt werden. Die wichtigste Komponente, der Trend, resultiert aus Entwicklungen von Einflussgrößen wie der Einwohnerzahl,
der Kapitalbildung und der Technologie. Sie wird ermittelt, indem eine bestpassende Gerade oder in
bestimmter Form gekrümmte Linie durch die Zahlen der Vergangenheit gelegt wird.
4.6.3.6. Statistische Nachfrageanalyse
In der Zeitreihen-Analyse behandelt man die Entwicklung der Nachfrage als reine Funktion der Zeit,
ohne andere Faktoren neben der Zeit explizit in die Analyse aufzunehmen. Es beeinflussen jedoch
viele messbare Faktoren die Nachfrage jedes Produkts. Sie können in der statistischen Nachfrageanalyse berücksichtigt werden. Zur statistischen Nachfrageanalyse gehören viele statistische Verfahren, die feststellen, welche der messbaren Faktoren für die Bestimmung der Nachfrage am wichtigsten sind und wie groß ihr relativer Einfluss ist. Die Faktoren, die hierbei am häufigsten analysiert
werden, sind Preis, Einkommen, Bevölkerungsdaten und Absatzförderungsaufwendungen.
5. Analyse des Marketingumfeldes
Ein wirklich gut geführtes Unternehmen leitet seinen Zweck aus seinem Umfeld ab, dem es dient. Es
verfolgt die Veränderungen in seinem Umfeld samt den sich bietenden Chancen und passt sich daran
an. Manches Unternehmen verpasst es jedoch, in der Veränderung auch eine Chance zu erkennen.
Es ignoriert oder wehrt sich gegen Veränderungen. Seine Strategien, Strukturen, Systeme und Unternehmenskultur werden immer obsoleter und funktionsuntüchtiger.
5.1. Veränderungsarten im Makroumfeld
Das erfolgreiche Unternehmen erkennt unbefriedigte Bedürfnisse und Trends im Makroumfeld. Unbefriedigte Bedürfnisse gibt es immer. Unternehmen könnten sehr viel verdienen, wenn sie z.B. auf folgenden Gebieten wirtschaftliche und ausgereifte Problemlösungen anbieten: Heilung von Krebs und
AIDS, Heilung von Geisteskrankheiten durch Pharmaka, Entsalzung von Meerwasser, Nahrungsmittel
mit Nährwert und Geschmack, die nicht dick machen, Elektroautos, sprachgesteuerte Computer und
kostengünstiges Wohnen. In allen Wirtschaftslagen, ob Wachstum, Stagnation oder Rückgang, verstehen es ideenreiche Personen und Unternehmen, neue Lösungen für unbefriedigte Bedürfnisse zu
schaffen.
5.2. Gestaltungskräfte im Makroumfeld
Das Unternehmen und seine Lieferante, Absatzhelfer, Kunden, Konkurrenten und relevanten Interessengruppen bewegen sich in einem Umfeld, dessen Gestaltungskräfte, Entwicklungstrends prägen
können, die für ein Unternehmen Chancen und Bedrohungen bedeuten. Diese Gestaltungskräfte kann
das Unternehmen nicht steuern. Es muss sie rechtzeitig erkennen und auf sie eingehen. Sechs Komponenten sind es, denen man Beachtung schenken soll: der demographischen, volkswirtschaftlichen,
naturgegebenen, technologischen politisch-rechtlichen und soziokulturellen Komponente. Diese sollen
im folgenden einzeln untersucht werden; besonders berücksichtigt werden dabei jeweils ihre Konsequenzen für das Marketing.
5.2.1. Demographische Komponente
Unter den externen Einflussfaktoren interessiert die Bevölkerungsentwicklung am meisten, denn ein
Markt besteht schließlich aus Menschen. Deshalb beschafft sich der Marketer jeweils aktuelles Zahlenmaterial über die Bevölkerung, ihre geographische Verteilung und dichte, ihre Mobilität und Altersstruktur, ihre ethnische und religiöse Zusammensetzung sowie die Geburten-, Heirats- und Sterberaten. An dieser Stelle sollen nun die wichtigsten demographischen Entwicklungen der Gegenwart und
ihre Konsequenzen für die Marketingplanung beschrieben werden.
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5.2.1.1. Wachstum der Weltbevölkerung
Die Weltbevölkerung vermehr sich explosionsartig. Sie zählte Anfang 1997 5,85 Mrd. Menschen. Obwohl die Wachstumsrate neuerlich zurückgeht, vermehrt sich die Zahl der Menschen jährlich um mehr
als 86 Mio. Dauerte die Verdoppelung der Weltbevölkerung von einer auf zwei Milliarden Menschen
noch 123 Jahre, so folgten die nächsten Milliarden in der immer kürzeren Zeit von 33,14 und schließlich 13 Jahren. Die sechste Milliarde wird in einem Zeitraum von nur noch 11 Jahren hinzukommen
und 1998 erreicht sein.
5.2.1.2. Schwache Geburtenziffern in industrialisierten Ländern
Der Babyboom ist in den industrialisierten Ländern dem Pillenknick gewichen. In Deutschland ist dies
besonders ausgeprägt. Die Geburtenrate in den alten Bundesländern hat sich seit den fünfziger Jahren erheblich verringert. Im Jahr 1965 erreichte sie mit über 1 Million Geburten ihren Spitzenwert,
sank dann aber bis Mitte der 70er Jahre auf knapp 0,6 Millionen Geburten pro Jahr. Bis 1990 stieg die
Geburtenrate zwar wieder bis auf 0,9 Millionen Geburten pro Jahr an, 1995 waren es aber noch 0,76
Millionen.
5.2.1.3. Überalternde Bevölkerung
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten erheblich angestiegen. In
Deutschland hat sie sich von 1934 bis 1995 um 15 Jahre erhöht. Der Mann erreicht im Durchschnitt
ein Lebensalter von 73, die Frau von 79 Jahren. Dieser Anstieg der Lebenserwartung führt gemeinsam mit den sinkenden Geburtenziffern zu einer Überalterung der Bevölkerung. In Österreich und der
Schweiz zeichnen sich ähnliche Entwicklungen ab.
5.2.1.4. Veränderungen der Familienstruktur
Der Anstieg des Heiratsalters, die rückläufige Kinderzahl der Ehen, die größere Scheidungsrate und
die zunehmende Zahl berufstätiger Ehefrauen haben dazu geführt, dass sich die Struktur der Durchschnittsfamilie in Deutschland gewandelt hat.
5.2.1.5. Zunahme der Nichtfamilienhaushalte
Die Zahl der Nichtfamilienhaushalte weist eine steigende Tendenz auf. Im einzelnen lassen sich diese
Haushalte verschiedenen Kategorien zuordnen, von denen wiederum jede ein spezielles Marktsegment mit eigenen Bedürfnissen darstellt. Der Marketer sollte sich also nicht in die Vorstellung verrennen, dass die typische Familie sein einziger oder auch nur der wichtigste Zielmarkt sei. Er sollte vielmehr die speziellen Bedürfnisse der Nichtfamilienhaushalte in seine Überlegungen einbeziehen, da
diese Gruppe eine höhere Zuwachsrate aufweist als die Familienhaushalte.
5.2.1.6. Geographische Bevölkerungsverlagerungen
Im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, der Öffnung der osteuropäischen Länder und
des Vollzugs des Europäischen Binnenmarkts entsteht ein riesiges Potential an Wanderbewegungen.
Die sich abzeichnenden Bewegungen müssen noch statistisch erfasst und analysiert werden. Hier
sollen beispielhaft die Bevölkerungswanderungen in Deutschland erläutert werden. Für 1995 hat das
Statistische Bundesamt 1.069.000 länderüberschreitende Wanderungsbewegungen innerhalb der
Bundesrepublik registriert. Jeder 76ste Bürger hat also seinen Wohnsitz in ein anderes Bundesland
verlegt.
5.2.1.7. Höherer Bildungsstand und mehr Angestellte
1996 hatten 71,3 % der bundesdeutschen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine Lehre oder
eine mindestens gleichwertige Ausbildung abgeschlossen und 7,2 % besaßen einen akademischen
Grad – eine Entwicklung, die sich zunehmend verstärkt. Dieser Anstieg des Bildungsstands dürfte die
Nachfrage nach Qualitätsprodukten, Büchern, Fachzeitschriften und Reiseangeboten erhöhen. Im
April 1996 betrug die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutschland etwa 36 Mio. Menschen. Der Anteil
der Angestellten stieg von 29,6 % im Jahr 1970 auf 48,4 %, der Prozentsatz der Arbeiter sank im gleichen Zeitraum von 47,4 % auf 33,5 %. Die Beschäftigungszahl im Kredit- und Versicherungswesen
nahm von 2,5 % auf 3,7 % zu, und die Dienstleistungen insgesamt wuchsen von 13,4 % auf 22,9 %.
5.2.1.8. Veränderungen in der ethnischen Bevölkerungsstruktur
Der Ausländeranteil an der deutschen Bevölkerung betrug 1996 etwa 8,9 %. Die wichtigste ausländische Volksgruppe stellen die Türken dar, deren Zahl sich 1996 auf etwa 2 Millionen belief, gefolgt von
den Jugoslawen, den Italienern und den Griechen. Jede dieser Gruppen hat ganz bestimmte Bedürfnisse und Kaufgewohnheiten, was in den Bereichen Nahrung und Bekleidung besonders deutlich wird.
Dementsprechend gibt es speziell an den nationalen Gewohnheiten orientierte Einzelhändler. Hinzu
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kommen die Einflüsse auf die angestammten heimischen Konsumgewohnheiten, die vom Marketer
beachtet werden müssen und die sich z.B. in der großen Beliebtheit italienischer oder griechischer
Restaurants bei der deutschen Bevölkerung widerspiegeln.
5.2.1.9. Vom Massenmarkt zum Mikromarkt
Alle hier aufgeführten Entwicklungen – rückläufige Kinderzahl bei Ehepaaren, Zunahme der Nichtfamilienhaushalte, Überalterung der Bevölkerung sowie das ständig steigende Bildungsniveau – werden
letztlich dazu führen, dass eine Zersplitterung des ursprünglichen Massenmarktes in zahlreiche Mikromärkte stattfindet, die sich u.a. im Hinblick auf Alter und Geschlecht, Wohnort und Lebensstil, ethnische Zugehörigkeit und Bildungsniveau der Konsumenten unterscheiden. Jedes dieser Marktsegmente weist ganz bestimmte Präferenzen und Eigenheiten auf und kann mit Hilfe immer differenzierterer Medien direkt angesprochen werden. Für die Zwecke einer solchen feinräumigen Marktanalyse
wurden in den letzten Jahren sogenannte mikrogeographische Marktsegmentierungsverfahren entwickelt. Diese Verfahren sind in der Lage, selbst einzelne Straßen oder Straßenabschnitte als differenzierte Segmente aufzuspüren. Die kurz- und mittelfristigen Prognosen über die demographischen
Trends können als zuverlässig betrachtet und ihre Auswirkungen abgeschätzt werden.
5.2.2. Volkswirtschaftliche Komponente
Neben den Menschen, die einen Markt konstituieren, ist auch die Kaufkraft eine wichtige Voraussetzung für das Wirtschaftsleben. Sie ergibt sich aus der Höhe der Einkommen, Preise und Spareinlagen
sowie aus den Zugriffsmöglichkeiten auf Kredite. Der Marketing-Manager sollte die wichtigsten volkswirtschaftlichen Entwicklungen stets im Auge behalten.
5.2.2.1. Einkommensverteilung
Weltweit betrachtet gibt es unter den Nationen große Unterschiede in Höhe und Verteilung des Einkommens. Beide Größen werden wesentlich durch die Industriestruktur eines Landes mitbestimmt.
Hier unterscheidet man vier Typen: Bedarfsdeckungswirtschaft, rohstoffexportierende Wirtschaft,
Wirtschaft in der Industrialisierungsphase, voll industrialisierte Wirtschaft. Die Einkommensverteilung
wird auch vom politischen System beeinflusst. Der Marketer unterscheidet Länder mit fünf unterschiedlichen Formen der Einkommensverteilung für Privathaushalte: sehr niedrige Einkommen; überwiegend niedrige Einkommen; sehr niedrige und sehr hohe Einkommen; niedrige, mittlere und hohe
Einkommen; überwiegend mittlere Einkommen.
5.2.2.2. Sparquote und Nettogeldvermögen
Im Gegensatz zu den Amerikanern sind die Deutschen ein außerordentlich sparfreudiges Volk. 1996
beispielsweise lag die Sparquote in Deutschland bei 11,6 %, während sie in den USA lediglich 4,3 %
betrug. Ende 1996 belief sich das gesamte private Geldvermögen der Deutschen auf 4,955 Billionen
DM. Die Bildung neuen Geldvermögens betrug 241, 2 Mrd. DM, davon in Form der Geldanlage bei
Banken 85,9 Mrd. DM, der Geldanlage bei Bausparkassen 9,5 Mrd. DM und in Form der Geldanlage
bei Versicherungen 86,8 Mrd. DM. Diese Ersparnisse bilden eine wichtige Geldquelle für die Finanzierung größerer Anschaffungen.
5.2.3. Naturgebundene Komponente
Die Umweltbelastung entwickelt sich zu einem der wichtigsten Themen, mit denen sich Staat und
Wirtschaft in den 90er Jahren auseinandersetzen müssen. In vielen Städten der Welt sind Luft und
Wasser zu einem gefährlichen Grad durch Schmutz und Gifte belastet. Es herrscht große Besorgnis,
dass bestimmte Chemikalien das Loch im Ozonschild der Erde vergrößern, zum Treibhauseffekt beitragen und damit die Erde in eine ökologische Katastrophe führen können. Umweltprobleme werden in
Westeuropa seit geraumer Zeit durch politische Parteien und weltweit durch Vordenker und Wissenschaftler an die Öffentlichkeit herangetragen. Die Umweltschutzbewegung fordert mit wachsendem
Erfolg die Berücksichtigung von Umweltbelanden bei Produktions- und Marketingentscheidungen der
Unternehmen.
5.2.3.1. Verknappung von Rohstoffen
Die natürlichen Ressourcen unserer Erde lassen sich in drei Gruppen einteilen: die unbegrenzt vorhandenen, die begrenzt vorhandenen, aber erneuerbaren und die begrenzt vorhandenen, nicht erneuerbaren Ressourcen. Zu den unbegrenzt vorhandenen Ressourcen gehört z.B. die Luft. In diesem
Bereich zeigen sich bereits Probleme, die neue Produktionsentwicklungen erfordern. So verlangen
verschiedene Umweltschutzorganisationen ein Verbot bestimmter Treibgase in Sprühdosen, die die
Ozonschicht der Atmosphäre schädigen. Diese müssen durch Neuentwicklungen abgelöst werden.
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5.2.3.2. Schwankende Energiepreise
Einer der begrenzt zugänglichen Rohstoffe, das Erdöl, hat der Weltwirtschaft bereits in der Vergangenheit erhebliche Probleme bereitet. Der Ölpreis schnellte von 2 $ pro Barrel im Jahr 1970 auf 36 $
im Jahr 1980 nach oben und löste damit eine hektische Suche nach alternativen Energiequellen aus.
Einige Unternehmen besannen sich wieder auf die Kohle, andere versuchten, die Sonnen-, Atomoder Windenergie nutzbar zu machen. Allein im Bereich der Solarenergie brachten Hunderte von Unternehmen völlig neue Produkte auf den Markt, mit deren Hilfe man die Sonnenenergie zu Heiz- oder
anderen Zwecken nutzen kann. Andere Unternehmen begannen, nach Möglichkeiten für die Entwicklung eines vernünftigen Elektroautos zu forschen.
5.2.3.3. Zunehmende Umweltverschmutzung
Einige industrielle Prozesse schädigen zwangsläufig die Umweltqualität. Man denke an die Entsorgung chemischer und nuklearer Abfälle, die gefährlich hohen Quecksilberkonzentrationen in den
Weltmeeren, die Verseuchung des Erdbodens und der Nahrungsmittel mit DDT und anderen Chemikalien oder die nicht biologisch abbaubaren Flaschen, Kunststoffe und andere umweltbelastende Verpackungsmaterialien. Die Besorgnis der Öffentlichkeit über Umweltverschmutzung bringt für innovative Unternehmen gute Marktchancen mit verbesserter Umwelttechnologie und mit umweltfreundlichen
Produkten. Deutsche Unternehmen haben hier bereits eine Spitzenstellung eingenommen. Sie arbeiten an fortschrittlichen Entsorgungsverfahren von Abfällen und Einwegverpackungen, Verfahren zur
Beseitigung von Altlasten, umweltfreundlichen Produktionsverfahren und umweltfreundlichen Produkten.
5.2.3.4. Durchgriff des Staates beim Umweltschutz
Während der 60er und 70er Jahre arbeiteten die verschiedensten Behörden getrennt an Teilproblemen des Umweltschutzes. Mit der Gründung eines eigenen bundesdeutschen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Juli 1986 wurden die verschiedenen Bereiche des Umweltschutzes gebündelt. Manche Politiker und Wissenschaftler behaupten, es bestehe ein Konflikt
zwischen dem Engagement für den Umweltschutz einerseits und wirtschaftlicher Weiterentwicklung
andererseits. Die Bundesregierung trägt dieser Anschauung dadurch Rechnung, dass sie eine zweigleisige Umweltpolitik verfolgt: Die größte Bedeutung haben weiterhin ordnungsrechtliche Gebote und
Verbote. Mit ihnen wird das angestrebte umweltschonende Verhalten in der Regel zuverlässig und
schnell erreicht.
5.2.4. Technologische Komponente
Nichts greift so massiv in das Leben der Menschen ein wie die Technik. Sie hat im Laufe der Zeit
Wunderbares hervorgebracht – z.B. das Penicillin, die Offenherzchirurgie und das elektrische Licht -,
aber auch Erschreckendes geschaffen, wie etwa die Wasserstoffbombe und das Nervengas. Welche
Einstellung der Einzelne zur Technik hat, hängt davon ab, ob er ihren Leistungen zum Wohle der
Menschheit oder den von ihr freigesetzten Ängsten größere Bedeutung beimisst. Jede neu entwickelte
Technik setzt eine Prozess der schöpferischen Zerstörung in Gang. Die Erfindung des Transistors
schadete der Vakuumröhrenindustrie, die Verbreitung des Autos schadete der Eisenbahn, und das
Aufkommen des Fernsehens schadete dem Kino.
5.2.4.1. Beschleunigung des technischen Fortschritts
Viele der heute gängigen Produkte gab es vor hundert Jahren überhaupt noch nicht. Bismarck kannte
weder Autos noch Flugzeuge, weder Plattenspieler noch Radios oder elektrisches Licht. Zur Zeit
Friedrich Eberts gab es noch kein Fernsehen, keine Sprühdosen , elektrischen Kühlschränke, Geschirrspülmaschinen, Klimaanlagen, Antibiotika oder Computer. Theodor Heuß kannte noch keine
Xerographie, keine synthetischen Reinigungsmittel, Tonbandgeräte, Antibabypillen oder erdnahe Satelliten. Konrad Adenauer wusste noch nichts von PCs, digitalen Armbanduhren, Videorecordern oder
Telefaxgeräten.
5.2.4.2. Unbegrenzte Innovationschancen
Die moderne Wissenschaft arbeitet an einer immensen Palette neuer Technologien, die über kurz
oder lang unsere Produkte und Produktionsprozesse revolutionieren werden. Besonders vielversprechend ist die Forschung auf den Gebieten Biowissenschaften, Mikroelektronik, Krebsforschung, erneuerbare Energiequellen, Gentechnik und Multimedia-Dienste. Unsere Wissenschaftler arbeiten an
Heilmitteln für Krebserkrankungen und AIDS, neuen Therapien für Lungen- und Leberleiden, chemischen Hilfen für psychisch Kranke, Glückspillen, Nutzungsmöglichkeiten der Sonnenenergie, effizienten Elektroautos, hundertprozentig zuverlässigen Verhütungsmitteln und nährstoffreichen, dabei jedoch kalorienarmen und wohlschmeckenden Lebensmitteln. Sie entwickeln Roboter zur Feuerbekämpfung, für Unterwasserarbeiten oder als Helfer im Haushalt. Danbeben träumt so mancher ForGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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scher von einem Phantasieprodukt, wie z.B. einem fliegenden Kleinwagen, einem Flugdüsengürtel für
jedermann, dem dreidimensionalen Fernsehen, Weltraumkolonien und menschlichen Klonen.
5.2.4.3. Unterschiedlich hohe Ausgaben und Resultate bei Forschung und Entwicklung
Im internationalen Vergleich der F&E-Ausgaben liegen die USA an der Spitze. Im Jahr 1995 betrug
die für diese Zwecke aufgewendete Summe 179 Mrd. $. In Japan wurden zur gleichen Zeit 118 Mrd. $
aufgewendet. In Europa ist die Bundesrepublik mit 53 Mrd. $ führend, während in Frankreich 36 Mrd.
$ und in Großbritannien 23 Mrd. $ ausgegeben wurden. 1995 beschäftigten sich in Deutschland fast
eine halbe Millionen Menschen mit F&E-Aufgaben.
5.2.4.4. Zunehmende Reglementierung des technischen Fortschritts
Mit der wachsenden Komplexität der technischen Produkte wächst auch das Interesse der Öffentlichkeit an Sicherheitsgarantien für diese Produkte. Infolgedessen haben die staatlichen Behörden im
Laufe der Zeit mehr Kompetenzen für die Kontrolle und da Verbot potentiell gefährlicher Produkte
erhalten. Für die Chemieriesen Bayer, BASF, Hoechst und Schering ist beispielsweise das Gesetz
zum Schutz der Kulturpflanzen vom 1. Jänner 1987 von größter Bedeutung. Gegenüber dem älteren
Gesetz von 1968 wird in den neuen Bestimmungen insbesondere der Gefährdung der Umwelt Rechnung getragen, indem die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Kulturflächen beschränkt bzw.
deren Einsatz in und an Gewässern und in Wasserschutzgebieten verboten wird. Auch das vorgeschriebene Zulassungsverfahren, also die Prüfung der Toxizität und des Abbauverhaltens eines Mittels, wurde verschärft.
5.2.5. Politisch-rechtliche Komponente
Die Marketing-Praktiken der Unternehmen werden wesentlich durch Entwicklungen im politischrechtlichen Bereich beeinflusst. Eine kurze Darstellung des Rechtsrahmens in Deutschland, der das
Marktgeschehen beeinflusst, sowie Entwicklungen in der Europäischen Union zeigen dies beispielhaft.
Die Zahl der Bestimmungen, die in den Wirtschaftsablauf eingreifen, ist ständig erhöht worden. Diese
gesetzlichen Bestimmungen haben mehrere Aufgaben. Sie sollen erstens den Wettbewerb aufrechterhalten, zweitens den Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken schützen und drittens das
Bestreben der Gesellschaft nach Ausgewogenheit zwischen wirtschaftlichen und anderen Interessen
fördern.
5.2.5.1. Wachsender Einfluss des EU-Rechts
Auch die politisch-rechtlichen Institutionen der Europäischen Union arbeiten an wirtschaftspolitischen
Steuerungsimpulsen. Das Gemeinschaftsrecht wirkt auf das innerstaatliche Recht der bislang 15 Mitgliedstaaten durch die Römischen Verträge ein, insbesondere durch die konsolidierte Fassung des
EG-Vertrages auf der Grundlage des Vertrages über die EU vom 7. 2. 1992 und die in Vollzug dieses
Vertrages und seiner Vorläufer erlassenen Richtlinien und Verordnungen. Mit der 1987 in Kraft getretenen Einheitlichen Europäischen Akte haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Rechtsharmonisierung, dh die Anpassung nationalen Rechts an europäisches Recht, zügig voranzutreiben, um den
Vollzug des Europäischen Binnenmarkts zu ermöglichen. Nach den Verträgen umfasst der Binnenmarkt den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der Grenzen
der Mitgliedstaaten. Ziel der Rechtsharmonisierung ist die Beseitigung aller Handelshemmnisse, die
aufgrund unterschiedlicher nationalstaatlicher Rechtsvorschriften bestehen.
5.2.5.2. Einfluss von Interessenverbänden und der Verbraucherschutzbewegung
Die Anzahl und Einflussnahme von Interessenverbänden und auf bestimmte Interessen hin organisierten Bewegungen ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Sie drängen die Regierung und die Unternehmen in verstärktem Maße, auf Rechte und Belange der Verbraucher, Frauen, Senioren, Minoritäten, Homosexuellen usw. Rücksicht zu nehmen. Auf die Marketingpraxis ist insbesondere die Verbraucherschutzbewegung von Einfluss.
5.2.6. Soziokulturelle Komponente
Die Gesellschaft, in der ein Mensch aufwächst, prägt seine Überzeugungen, Wertvorstellungen und
Normen. Praktisch unbewusst übernimmt er das Weltbild, das ihm die Gesellschaft vermittelt und das
sein Verhältnis zu sich selbst zu seinen Mitmenschen, zur Natur und zum Universum bestimmt. In
diesen Verhältnissen zeigen sich die kulturellen Grundwerte einer Gesellschaft.
5.2.6.1. Beständigkeit der Grundwerte
In jeder Gesellschaft gibt es bestimmte Grundwerte und -überzeugungen, die sich im allgemeinen als
sehr beständige erweisen. So sind Arbeit, Ehe, Wohltätigkeit und Ehrlichkeit noch immer Werte, an
denen die meisten Menschen festhalten. Diese grundlegenden Wertvorstellungen und ÜberzeugunGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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gen werden von Generation zu Generation weitergegeben und von den wichtigsten Institutionen der
Gesellschaft – Schule, Kirche, Wirtschaft und Staat – hochgehalten. Daneben gibt es aber auch sekundäre Wertvorstellungen, die sich im Laufe der Zeit wandeln können. Die Institution der Ehe ist ein
Grundwert, die Überzeugung, dass man jung heiraten sollte, dagegen ein Sekundärwert.
5.2.6.2. Subkulturen
In jeder Gesellschaft gibt es Subkulturen, dh verschiedene Gruppen von Menschen mit gemeinsamen
Werthaltungen, die sich aus ihrer speziellen Lebenserfahrung oder Lebenssituation ergeben. Die Mitglieder der Heilsarmee, die Teenager oder auch die Rockerbanden der Hell’s Angels – jede dieser
Gruppen bildet eine Subkultur mit gemeinsamen Überzeugungen, Vorlieben und Verhaltensweisen.
Wenn eine solche Gruppe ganz bestimmte Bedürfnisse hat oder ein besonderes Konsumverhalten an
den Tag legt, kann der Marketer sie als einen speziellen Zielmarkt anvisieren und darauf spekulieren,
dass sich Subkulturen breitere Trends und Produktmärkte entwickeln.
5.2.6.3. Wandel der Sekundärwerte
Die Grundwerte einer Gesellschaft zeichnen sich, wie bereits gesagt, durch hohe Beständigkeit aus,
doch erlebt jede Gesellschaft auch ganz bestimmte charakteristische Kultur- oder Zeitgeistphasen ,die
sich oft deutlich voneinander unterscheiden. So waren die 60er Jahre geprägt von den Hippies, den
Beatles, Elvis Presley, der Zeitschrift Playboy und anderen kulturellen Phänomenen, die einen entscheidenden Einfluss auf die Frisuren, die Kleidung, das Sexualverhalten und die Lebensziele der
jungen Generation ausübten. Heute wir die Jugend von anderen Idolen und Trends beeinflusst, wie
z.B. Michael Jordan, Rap-Musik und Inlineskating. Der Marketer hat natürlich großes Interesse daran,
die kulturellen Trends möglichst rechtzeitig auszumachen, um die sich daraus ableitenden neuen
Chancen oder Bedrohungen für sein Unternehmen richtig einschätzen zu können. Es gibt einige Unternehmen, die sich auf die Erstellung soziokultureller Prognosen spezialisiert haben.
6. Analyse des Käuferverhaltens in Konsumgütermärkten
Gemäß den Grundideen des Marketingkonzept versucht das Unternehmen, den Bedürfnissen und
Wünschen seiner Zielkunden entgegenzukommen und sie zu befriedigen. Dies setzt voraus, dass der
Marketing-Manager die Kunden kennt; Kundenkenntnisse zu erwerben ist jedoch nicht einfach. Es gibt
of große Unterschiede zwischen dem, was die Kunden sagen und was sie tun, zwischen dem, was sie
tun und was sie im Innersten wirklich wollen, und zwischen dem, was sie sich vornehmen und was sie
aufgrund einer Sinnesänderung in letzter Minute dann tatsächlich tun. Trotz solcher Schwierigkeiten
müssen die Marketer die Wünsche, Wahrnehmungen, Präferenzen und Verhaltensweisen ihrer Zielkunden gründlich studieren. Daraus ergeben sich Hinweise für alle Elemente des Marketing-Mix, z.B.
für die Preisgestaltung oder für die Werbebotschaften.
6.1. Konsumentenverhalten als Modell
Früher kannte der Marketer die Konsumenten deshalb gut, weil er im Verkauf täglich mit ihnen in Berührung kam. Doch bedingt durch das Wachstum vieler Unternehmen und Märkte verloren viele Entscheidungsträger im Marketing diesen direkten Kontakt zum Kunden. Mehr und mehr mussten deshalb die Manager auf die Konsumentenforschung vertrauen, um Antworten auf wichtige Fragen zu
erhalten, die sich in jedem Markt stellen. Dies sind die Fragen nach den „sieben K’s“: Kunden, Kaufobjekte, Kaufziele, Kaufbeeinflusser, Kaufprozesse, Kaufanlässe, Kaufstätten. Im Mittelpunkt des Interesses steht folgende Frage: Wie reagieren die Konsumenten auf die verschiedenen, vom Marketer
gesteuerten Anreize?
6.2. Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten
Das Stimulus-Organismus-Response-Modell zeigt an, dass Kaufentscheidungen von den ganz spezifischen kulturellen, sozialen, persönlichen und psychologischen Faktoren aus dem Hintergrund des
individuellen Konsumenten beeinflusst werden. Zum großen Teil handelt es sich dabei um vom Marketer nicht steuerbare Faktoren, die aber dennoch in seine Überlegungen miteinbezogen werden
müssen.
6.2.1. Kulturelle Faktoren
Kulturelle Faktoren beeinflussen das Konsumentenverhalten auf die umfassendste und nachhaltigste
Weise. Wir werden im einzelnen betrachten, welche Rollen Kulturkreis, Subkultur und soziale Schicht
des Käufers dabei spielen.
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6.2.1.1. Kulturkreis
Der Kulturkreis bestimmt die Wünsche und Verhaltensweisen eines Menschen auf die grundsätzlichste Weise. Während niedere Lebewesen weitgehend von ihren Instinkten gesteuert werden, ist
menschliches Verhalten zum großen Tei erlernt. Während des Heranwachsens in einem bestimmten
Kulturkreis eignet man sich als Kind fundamentale Werte, Vorstellungen, Präferenzen und Verhaltensweisen an. Dies geschieht durch einen Prozess der Sozialaisierung, bei dem die Familie und andere Institutionen eine Schlüsselrolle spielen. So lernt z.B. ein Kind in Deutschland folgende Wertbegriffe: Treue, Liebe, Humor, Fleiß, Selbstverantwortung und Eigeninitiative, Höflichkeit, Vorwärtskommen, Besitz, Kreativität, Naturverbundenheit und Heimatliebe, Bildung und attraktives Aussehen.
6.2.1.2. Subkultur
Jeder Kulturkreis besteht aus kleineren Subkulturen, die ihre Mitglieder noch spezifischer prägen und
sozialisieren. Innerhalb größerer Kulturkreise wie Europa oder den USA, aber auch in kleineren wie
Deutschland und der Schweiz, finden sich Nationalitätengruppen mit besonderen, ethnisch geprägten
Merkmalen und Präferenzen. Konfessionsgruppen wie Katholiken, Protestanten, Moslems oder Juden
stehen für Subkulturen mit spezifischen religiös geprägten Präferenzen und Tabus. Stammesgruppen
wie z.B. die Bayern oder die Ostfriesen, besitzen klar abgrenzbare stammesgeprägte Eigenarten und
Einstellungen.
6.2.1.3. Soziale Schicht
Soziale Schichten gibt es in nahezu jedem Kulturkreis. Eine mögliche Ausprägung davon ist das indische Kastenwesen. Die Angehörigen der verschiedenen Kasten wachsen von Kindheit an in festgelegte Rollen hinein und haben keine Möglichkeit, an ihrer Kastenzugehörigkeit etwas zu ändern. Häufiger ist allerdings die Schichtenbildung in Form gesellschaftlicher Klassen. Gesellschaftliche Klassen
sind Unterteilungen einer Gesellschaft in relativ homogene, stabile und hierarchisch aufgebaute Gruppen, deren Mitglieder ähnliche Wertvorstellungen, Interessen und Verhaltensweisen gemeinsam haben.
6.2.2. Soziale Faktoren
Auch soziale Faktoren prägen das Verhalten eines Konsumente, z.B. Bezugsgruppen, die Familie,
soziale Rollen und der soziale Status.
6.2.2.1 Bezugsgruppen
Das Verhalten einer Person wird von zahlreichen Gruppen beeinflusst. Bezugsgruppen sind all jene
Personengemeinschaften, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Einstellungen und Verhaltensweisen eines Menschen ausüben. Als Mitgliedschaftsgruppen bezeichnet man Gruppen mit
direktem Einfluss, zu denen eine Person gehört und mit deren Mitgliedern sie in Kontakt steht. Sie
unterteilen sich in Primärgruppen mit häufigem bzw. ständigem Kontakt zwischen den Mitgliedern und
Sekundärgruppen. In Primärgruppen sind die Beziehungen unter den Mitgliedern informeller, in Sekundärgruppen ehr formeller Art und weniger häufig.
6.2.2.2. Familie
Die Familie als Haushalt ist die wichtigste Einkaufseinheit im Wirtschaftsgefüge und als solche eingehend untersucht worden. Familienmitglieder sind die das Kaufverhalten am stärksten beeinflussende
Primärbezugsgruppe. Im Leben eines Konsumenten lassen sich mehrere Familien unterscheiden. Die
Herkunftsfamilie besteht aus den Eltern und Geschwistern. Die Eltern prägen die Einstellung zu religiösen, politischen und wirtschaftlichen Fragen sowie Gefühle wie Selbstwert und Liebe.
6.2.2.3. Rollen und Status
Ein Mensch gehört im Laufe seines Lebens zahlreichen Gruppen an: der Familie, Vereinen, Organisationen. Seine Position in jeder dieser Gruppen lässt sich mit den Begriffen Rolle und Status definieren.
Eine Rolle besteht aus den Aktivitäten, die andere von einer Person erwarten.
6.2.3. Persönliche Faktoren
Die Entscheidungen des Käufers werden auch durch persönliche Merkmale wie Alter, Lebensabschnitt, Beruf, wirtschaftliche Situation, Lebensstil, Persönlichkeit und Selbstbild mit geprägt.
6.2.3.1. Alter und Lebensabschnitt
Je nach Alter kaufen die Konsumenten andere Waren und Dienstleistungen. In früher Kindheit essen
die Menschen Babynahrung, während des Heranwachsens und im Erwachsenenleben so gut wie alle
Nahrungsmittel und im Alter dann wieder spezielle diätetische Erzeugnisse. Eine Altersabhängigkeit
besteht auch bei Kleidung, Möbeln und Erholung. Konsummuster werden auch vom jeweiligen AbGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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schnitt im Lebenszyklus der Familie geformt. Acht Abschnitte im Familienzyklus einschließlich Angaben zur finanziellen Situation und spezifischen Produktinteressen in jeder Phase sind aufgeführt.
6.2.3.2. Beruf
Auch der Beruf eines Menschen wirkt sich auf sein Konsummuster aus. So kauft ein Arbeiter spezielle
Berufskleidung, Arbeitsschuhe, den Henkelmann für ein Mittagessen, und in der Freizeit geht er zum
Kegeln. Der Vorstandsvorsitzende dagegen erwirbt Anzüge aus blauem Serge, Flugtickets, die Mitgliedschaft in einem exklusiven Club und ein großes Wochenendhaus. Der Marketer versucht nun, die
Berufsgruppen zu ermitteln, die ein überdurchschnittliches Interesse an seinen Produkten und Dienstleistungen zeigen. Ein Unternehmen kann sich sogar darauf spezialisieren, die von einer bestimmten
Berufsgruppe benötigten Produkte herzustellen.
6.2.3.3. Wirtschaftliche Verhältnisse
Die wirtschaftliche Situation de Konsumenten hat bedeutenden Einfluss auf seine Produktwahl. Die
wirtschaftlichen Verhältnisse definieren sich über das frei verfügbare Einkommen, die Ersparnisse, die
Vermögenswerte, Kreditrahmen und Spar- bzw. Ausgabenneigung. Beim Marketing von Produkten,
deren Erwerb stark vom Einkommen der Konsumenten abhängig ist, muss man ständig die Einkommens-, Spar- und Zinsentwicklung im Auge behalten. Kündigen die Konjunkturindikatoren eine Rezession an, kann der Marketer Schritte zur Produktneugestaltung, -neupositionierung und Änderung der
Preispolitik ergreifen, um seinen Zielkunden weiterhin attraktive Angebote unterbreiten zu können.
6.2.3.4. Lebensstil
Es kann durchaus sein, dass Menschen zwar derselben Subkultur, sozialen Schicht und sogar Berufsgruppe angehören, doch einen völlig anderen Lebensstil pflegen. Unter Lebensstil versteht man
das sich in den Aktivitäten, Interessen und Einstellungen manifestierende Muster der Lebensführung
einer Person. Der Lebensstil zeigt den ganzen Menschen in Interaktion mit seiner Umwelt. Der Lebensstil eines Menschen umfasst mehr als seine soziale Schicht und seine Persönlichkeit. Wenn man
die soziale Schicht kennt, zu der eine Person gehört, kann man daraus zwar eine Reihe von wahrscheinlichen Verhaltensweisen ableiten, lässt dabei jedoch ihre Individualität außer acht.
6.2.3.5. Persönlichkeit und Selbstbild
Jeder Mensch besitzt eine individuelle Persönlichkeit, von der sein Kaufverhalten beeinflusst wird.
Unter Persönlichkeit verstehen wir die charakteristischen psychologischen Merkmale eines Menschen,
die relativ konsistente und gleichbleibende Reaktionen auf seine Umwelt bewirken. Persönlichkeit wird
in der Regel mit Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Dominanz, Selbständigkeit, Nachgiebigkeit, Geselligkeit, Abwehrverhalten und Anpassungsfähigkeit beschrieben. Sie lässt sich unter der Voraussetzung, dass man Persönlichkeitstypen klassifizieren und starke Wechselbeziehungen zwischen bestimmten dieser Typen und der Produkt- und Markenwahl feststellen kann, als nützliche Variable bei
der Analyse des Kaufverhaltens verwenden. So könnte ein Hersteller von Personal Computern herausfinden, dass sich viele seiner potentiellen Kunden durch großes Selbstvertrauen, Dominanz und
Selbständigkeit auszeichnen.
6.2.4. Psychologische Faktoren
Kaufentscheidungen werden auch von vier wichtigen psychologischen Faktoren beeinflusst: Motivation, Wahrnehmung, Lernen sowie Ansichten und Einstellungen. Im folgenden Abschnitt wird erläutert,
welche Rolle jeder dieser Faktoren im Kaufprozess spielt.
6.2.4.1. Motivation
6.2.4.1.1. Freudsche Motivationstheorie
Freud geht davon aus, dass die wirklichen psychologischen Kräfte, die das menschliche Verhalten
prägen, größtenteils im Unbewussten liegen. Der Mensch unterdrückt beim heranwachsen und Akzeptieren sozialer Regeln viele Triebe, die jedoch niemals gänzlich beseitigt oder voll kontrollierbar werden, sondern in Form von Träumen, Versprechern und neurotischem Verhalten an die Oberfläche
kommen. Ein Mensch kann demnach seine eigenen Motivationen niemals vollkommen verstehen.
6.2.4.1.2. Maslowsche Motivationstheorie
Abraham Maslow versuchte zu ergründen, warum der Mensch zu bestimmten Zeiten von bestimmten
Bedürfnissen betrieben wird. Warum investiert der eine viel Zeit und Energie in seine persönliche Sicherheit, während der andere mit dem gleichen Aufwand nach Anerkennung strebt? Nach Maslow
geschieht dies deshalb, weil die menschlichen Bedürfnisse in einer vom höchsten bis zum geringsten
Dringlichkeitsgrad abgestuften Hierarchie angeordnet sind. In der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit werGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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den psychologische, Sicherheits- und soziale Bedürfnisse sowie Anerkennungs- und Selbstverwirklichungsbedürfnisse unterschieden. Ein Mensch versucht immer, die dringlichsten Bedürfnisse zu erst
zu befriedigen.
6.2.4.1.3. Herzbergsche Motivationstheorie
!
Frederick Herzberg formulierte eine Zwei-Faktor-Mutovationstheorie, die zwischen Dissatisfaktoren und Satisfaktoren unterscheidet.
6.2.4.2. Wahrnehmung
Der motivierte Mensch ist handlungsbereit. Wie er handelt, wird von seiner Situationswahrnehmung
beeinflusst. Währnehmung lässt sich definieren als der Prozess, durch den ein Individuum eingehende Informationen auswählt, ordnet und interpretiert, um sich daraus ein sinnvolles Bild der Welt anzulegen. Die Wahrnehmung hängt nicht allein von der Art der physikalischen Stimuli ab, sondern auch
von der Beziehung dieser Stimuli zur Umgebung und von den Bedingungen, die im Individuum selbst
herrschen. Zwei gleich motivierte Personen in einer objektiv identischen Situation können zu vollkommen anderen Handlungsformen greifen, weil sie die Lage unterschiedlich wahrnehmen.
6.2.4.2.1. Selektive Beachtung
Jeder Mensch ist täglich einer flut von Reizen ausgesetzt. Menschen werden mit Informationen überflutet und überlastet. Lediglich etwa 20 % der durch Massenmedien dargebotenen Informationsreize
werden von Konsumenten aufgenommen. Es ist also offensichtlich unmöglich, all diese Reize zu erfassen – die meisten werden nicht wahrgenommen.
6.2.4.2.2. Selektive Verzerrung
Selbst die vom Konsumenten beachteten Stimuli werden nicht immer so aufgenommen, wie das die
physikalische Realität nahe legt. Jeder Mensch passt die eingehenden Informationen in seine bereits
bestehenden Denkschemata ein. Der Begriff der selektiven Verzerrung beschreibt diese menschliche
Neigung, Informationen durch persönliche Deutungen zu verzerren.
6.2.4.2.3. Selektive Erinnerung
Menschen vergessen vieles von dem, was sie lernen. Sie neigen dazu, solche Informationen im Gedächtnis zu speichern, die im Hinblick auf mögliche Alternativen ihre Einstellungen und Überzeugungen stützen. Diese drei Faktoren der Wahrnehmung – selektive Beachtung, selektive Verzerrung und
selektive Erinnerung – machen intensive Marketinganstrengungen erforderlich, damit Werbebotschaften vom Konsumenten aufgenommen werden.
6.2.4.3. Lernen
Wenn Menschen handeln, lernen sie. Lernen ist die Änderung des Verhaltens eines Individuums aufgrund von Erfahrungen. Menschliches Verhalten ist zum größten Teil erlernt. Die Lerntheorie besagt,
dass lernen durch das Zusammenspiel von Bedürfnissen, Stimuli, Auslösern, Reaktionen und Bestärkung erfolgt.
6.2.4.4. Ansichten und Einstellungen
Durch ihr Handeln und Lernen eigenen sich die Menschen Ansichten und Einstellungen an. Diese
wirken sich wiederum auf ihr Kaufverhalten aus. Unter Ansicht versteht man die gedankliche Beschreibung des Bildes, das sich ein Mensch von etwas macht. Diese Ansichten können auf tatsächlichem Wissen, persönlicher Meinung oder reinem Glauben beruhen und eventuell emotional besetzt
sein.
6.3. Der Kaufprozess
Der Marketer muss über die verschiedenen auf die Konsumenten einwirkenden Faktoren hinausblikken und verstehen, wie es zu Kaufentscheidungen kommt. Dabei muss festgestellt werden, wer die
Kaufentscheidung trifft, welcher Art diese Entscheidung ist und welche Schritte dazu führen.
6.3.1. Käuferrollen
Bei vielen Produkten ist es oder scheint es einfach, den Käufer festzustellen. So suchen Männer im
allgemeinen ihren Tabak und Frauen ihre Strumpfhosen selbst aus. Bei anderen Produkten hingegen
ist es komplexer. Am Entscheidungsprozess ist mehr als eine Person beteiligt.
6.3.2. Arten des Kaufverhaltens
Es gibt unterschiedliche Arten des Kaufverhaltens. So bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen
dem Erwerb einer Tube Zahnpaste, eines Tennisschlägers, eines Personal Computers und eines
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neuen Wagens. Bei einem komplexen und kostspieligen Kauf sind in der Regel viele Faktoren zu berücksichtigen und viele Personen am Kauf beteiligt. Assael unterscheidet vier Arten von Kaufverhalten
– ja nach Unterschiedlichkeit der Marken und je nachdem, wie intensiv sich der Käufer mit dem Kauf
beschäftigt. Diese vier aufgeführten Verhaltensarten werden im folgenden beschrieben:
6.3.2.1. Komplexes Kaufverhalten
Die Konsumenten zeigen ein komplexes Kaufverhalten, wenn sie sich mit einer Anschaffung persönlich intensiv beschäftigen und erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Marken erkannt haben. Eine intensive Beschäftigung mit dem Kauf liegt vor, wenn das Anschaffungsobjekt teuer und mit
Risiken behaftet ist, selten gekauft wird und in hohem Maße die Persönlichkeit des Käufers widerspiegelt. In der Regel fehlen hier dem Käufer ausgeprägte Kenntnisse über die Produktkategorie, und er
hat großen Lernbedarf. Zum Beispiel kann es sein, dass jemand beim Kauf eines Personal Computers
nicht weiß, auf welche Eigenschaften des Gerätes überhaupt zu achten ist. Viele der Produkteigenschaften wie Laufwerk, Festplatte, Bildschirmauflösung, usw. haben für ihn keine Bedeutung.
6.3.2.2. Dissonanzminderndes Kaufverhalten
Gelegentlich ist die persönliche Beschäftigung des Konsumenten mit der geplanten Anschaffung intensiv, doch er sieht keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Marken. Die intensive Beschäftigung rührt wiederum daher, dass das Kaufobjekt teuer ist, seltne erworben wird und die Anschaffung mit Risiken verbunden ist. In diesem Fall erkundigt sich der Käufer in der Regel, was zur
Auswahl steht, entscheidet sich dann aber ziemlich schnell zum Kauf, weil ausgeprägte Markenunterschiede fehlen. Ein günstiges Angebot oder die Bequemlichkeit eines bestimmten Kaufortes bzw. zeitpunktes geben den Hauptausschlag für den Erwerb. Ein Beispiel ist der Kauf von industriell gefertigten Teppichen: Die Beschäftigung des Konsumenten mit dem Kauf ist dabei intensiv, weil das Produkt teuer ist und eine Rolle für seine Selbstdarstellung spielt, doch geht er sehr wahrscheinlich davon
aus, dass die meisten Teppiche unterschiedlicher Hersteller in einer bestimmten Preisklasse gleich
gut sind.
6.3.2.3. Habituelles Kaufverhalten
Bei vielen Produkten ist die Beschäftigung des Konsumenten mit dem Kauf gering, und bedeutende
Unterschiede zwischen den Marken sind nicht vorhanden. Ein gutes Beispiel ist der Kauf von Salz.
Die persönliche Beschäftigung der Käufer mit dieser Produktklasse ist gering: Sie gehen in den Laden
und nehmen irgendeine Marke. Wenn sie immer zur selben Marke greifen, geschieht dies aus Gewohnheit und nicht aufgrund ausgeprägter Markentreue. Allerdings deutet dies darauf hin, dass sich
Kunden mit billigen und häufig gekauften Produkten meist nur sehr wenig beschäftigen.
6.3.2.4. Abwechslung suchendes Kaufverhalten
Bei bestimmten Kaufsituationen beschäftigen sich die Konsumenten nur in geringem Maße mit dem
Kauf, obwohl große Unterschiede zwischen den Marken vorhanden sind. Hier wird häufig die Marke
gewechselt. So mancher Verbraucher tut dies bei Käse, Wein oder Schokoladenriegeln. Der Käufer
hat sich bereits seine Ansicht zum Produkt gebildet, erwirbt ohne viel Überlegung irgendeine bestimmte Marke und bewertet sie dann während des Verzehrs. Beim nächsten Mal wird er jedoch eine andere Marke aus dem Regal nehmen – aus Langeweile oder weil er eine andere Geschmacksrichtung
wünscht.
6.3.3. Erforschung des Kaufprozesses
Die Unternehmen müssen den Kaufprozess erforschen mit dem sie es in ihrer Produktkategorie zu tun
haben. Die Konsumenten können direkt gefragt werden, wann sie die Produktkategorie und die entsprechenden Marken kennenlernten, wie ihre Ansichten zu den Marken sind, wie intensiv sie sich mit
dem Produkt beschäftigen, wie sie ihre Marken wühlen und wie zufrieden sie sich nach dem Kauf
fühlen. Natürlich wird ein bestimmtes Produkt nicht von allen Konsumenten auf die gleiche Weise
gekauft. Manche Kunden suchen mit großem Zeitaufwand nach vielen Informationen und stellen Vergleiche an. Andere gehen in ein Fachgeschäft und kaufen ein Gerät, das ihnen empfohlen wird.
6.3.4. Phasen des Kaufprozesses
Anhand der Untersuchung zahlreicher Konsumentenberichte über Kaufepisoden haben Kaufverhaltensforscher Phasenmodelle zur Beschreibung des Kaufprozesses entwickelt. Solche Phasenmodelle
treffen in erster Linie auf komplexe Kaufprozesse zu, dh beim Kauf teurer High-Involvement-Produkte.
Wir werden das Modell verwenden, wonach der Käufer die folgenden fünf Phasen durchläuft: Problemerkennung, Informationssuche, Bewertung der Alternativen, Kaufentscheidung und Verhalten
nach dem Kauf. Dieses Modell hebt besonders hervor, dass der Kaufprozess schon lange vor dem
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tatsächlichen Kaufakt beginnt und auch noch danach Auswirkungen hat. Es legt dem Marketer nahe,
sich stärker auf den Kaufprozess als nur auf die Kaufentscheidung zu konzentrieren.
6.3.4.1. Problemerkennung
Der Kaufprozess beginnt damit, dass der Käufer ein Problem oder eine Bedürfnissituation erkennt. Er
verspürt eine Diskrepanz zwischen seinem tatsächlichen Zustand und einem Wunschzustand. Eine
Bedürfnissituation kann von inneren oder äußeren Reizen ausgelöst werden. Im ersten Fall erreicht
eines der normalen menschlichen Bedürfnisse – wie Hunger oder Durst – einen Schwellenwert und
wird dann zu einem konkreten Trieb, der befriedigt werden will. Der Mensch weiß aus Erfahrung, wie
mit diesem Trieb umzugehen ist, und seine Motivation richtet sich auf eine bestimmte Klasse von Objekten, von denen er weiß, dass sie den Trieb befriedigen werden.
6.3.4.2. Informationssuche
Der einmal stimulierte Konsument tendiert dazu, zusätzliche Informationen einzuholen. Wir könne
zwei Suchzustände unterscheiden. Den weniger intensiven Suchzustand bezeichnet man als erhöhte
Wachsamkeit.
6.3.4.3. Bewertung der Alternativen
Die Frage ist nun: Auf welche Weise verarbeitet der Konsument die Informationen über diese Markenalternaiven, um schließlich eine endgültige Entscheidung zu treffen? Es existiert leider kein einfacher,
für alle Konsumenten identischer Bewertungsprozess, nicht einmal der einzelne Kunde bedient sich in
allen Kaufsituationen derselben Auswahlprozedur. Vielmehr gibt es mehrere Bewertungsprozesse.
Die meisten Modelle zum Bewertungsprozess des Konsumenten sind kognitiver Art, dh sie gehen
davon aus, dass der Konsument ein Produkt auf weitgehend bewusste, rationale Weise beurteilt.
6.3.4.4. Kaufentscheidung
In der Bewertungsphase bildet der Konsument Präferenzen unter den Marken der Endauswahl heraus, und möglicherweise fasst er die Absicht, die bevorzugteste Marke zu kaufen. Zwischen dieser
Kaufabsicht und der tatsächlichen Kaufentscheidung können allerdings noch zwei Faktoren zur Geltung kommen. Der erste dieser Faktoren ist die Einstellung anderer.
6.3.4.5. Verhalten nach dem Kauf
Nach dem Kauf eines Produktes setzt beim Käufer ein gewisses Maß an Zufriedenheit oder Enttäuschung ein. Auch die sich an den Kauf anschließenden Handlungen des Konsumenten sowie seine
Produktverwendung sind für den Marketer von Interesse. Das Marketing endet also nicht mit dem
Verkauf des Produkts, sondern umfasst auch noch die Phase danach.
6.3.4.5.1. Zufriedenheit nach dem Kauf
Es ist möglich, dass der Käufer nach dem kauf eines Produktes entdeckt, dass es einen Makel hat.
Manche wollen unter keinen Umständen ein fehlerhaftes Produkt, während andere den Fehler einfach
hinnehmen. Es gibt auch Käufer, die einen Makel gar als Besonderheit und damit als wertsteigernd
empfinden. Produktfehler können allerdings manchmal den Konsumenten gefährden. Unternehmen
der Automobil-, Spielzeug- und Arzneimittelbranche ist hier schon mancher Fehler unterlaufen.
6.3.4.5.2. Handlungen nach dem Kauf
Die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit des Kunden mit dem Produkt bestimmt seine weiteren Handlungen. Ist der Käufer zufrieden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auch bei der nächsten Gelegenheit für das gleiche Produkt entscheiden wird. Außerdem wird er sich anderen gegenüber positiv über das Produkt und die Herstellerfirma äußern. Der Marketer sagt: „Ein zufriedener
Kunde ist die beste Werbung“.
6.3.4.5.3. Produktverwendung und Produktabstoßung
Noch einen weiteren Aspekt des Kundenverhaltens nach dem Kauf sollte der Marketer im Auge behalten: die Verwendung bzw. Abstoßung des Produkts durch den Käufer. Wenn die Kunden einen neuen
Verwendungszweck für ein Produkt finden, ist dies für das Marketing von Interesse, denn diese neue
Anwendung kann wiederum in die Werbung aufgenommen werden. Wenn die Käufer dagegen ihre
Anschaffung ungenutzt lagern oder wegwerfen, ist dies ein Indiz dafür, dass das Produkt nicht sehr
zufriedenstellend ist und die Mundpropaganda dafür nicht gut sein dürfte. Der Weiterverkauf oder
Tausch des Produkts durch den Konsumenten würde den Absatz neuer Waren beeinträchtigen. Alles
in allem kann also eine Analyse der Verwendung und Weitergabe von Produkten durch die Käufer
dem Marketer Hinweise auf mögliche Probleme geben und ihm eventuell günstige neue Möglichkeiten
eröffnen.
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7. Analyse des Kaufverhaltens von Organisationen
Nicht nur Konsumente, sondern auch Organisationen bilden einen Käufermarkt, den es zu analysieren
und zu verstehen gilt. Organisationen erwerben Rohstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe, Teile, technische
Anlagen, Zusatzausstattungen sowie gewerbliche Dienstleistungen in gewaltigem Umfang. Es gibt in
Deutschland über 2,5 Millionen Organisationen, die Güter und Dienstleistungen kaufen. Unternehmen,
die Stahl, Computer, Kernkraftwerke, Flugzeugtriebwerke, Büroausstattungen, Telekommunikationsdienste, Dienstleistungen und anders verkaufen, müssen die Bedürfnisse, Ressourcen, Strategien und
die Einkaufspolitik der organisationellen Kunden kennen. In diesem Kapitel betrachten und analysieren wir das Kaufverhalten von Organisationen.
7.1. Der Einkauf durch Organisationen
Webster und Wind definieren den Einkauf durch Organisationen wie folgt: Der Einkauf durch Organisationen ist der Entscheidungsprozess, durch welchen Organisationen den Bedarf an einzukaufenden
Produkten und Dienstleistungen feststellen und die alternativ verfügbaren Marken und Lieferanten
identifizieren, beurteilen sowie zwischen diesen wählen. Wenn jede Organisation dabei auch auf andere Weise vorgeht, so hofft der Verkäufer doch, im Einkaufsverhalten von Organisationen einige
Gesetzmäßigkeiten festzustellen, um damit die Marketingstrategie besser planen zu können. Einkaufende Organisationen finden wir im industriellen Markt wie auch in staatlichen und öffentlichen Einrichtungen. Der Markt der industriellen Beschaffung besteht aus allen Individuen und Organisationen, die
für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die verkauft, vermietet oder auf sonstige Weise
anderen zur Verfügung gestellt werden, selbst Güter und Dienstleistungen erwerben. Die wesentlichen Industriezweige, aus denen sich der industrielle Markt zusammensetzt, sind die Land-, Forstund Fischereiwirtschaft, der Bergbau, die verarbeitende Industrie, das Bau- und Transportgewerbe,
die Kommunikationsindustrie, die öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die Kredit-, Finanz- und
Versicherungswirtschaft sowie die Dienstleistungsindustrie.
7.2. Arten des Kaufs
Die Art des Kaufs wird durch die vorliegende Kaufsituation bestimmt und durch den Umfang der Kaufaufgabe, die im Extremfall darin besteht, ein komplexes neues System einzukaufen. Der organisationelle Abnehmer muss beim Einkauf zahlreiche Entscheidungen treffen. Die Zahl der Entscheidungen
hängt von der Art der Kaufsituation ab.
7.2.1. Unterschiedliche Kaufsituationen
Robinson und andere unterscheiden zwischen drei Arten von Kaufsituationen: reiner Wiederholungskauf, modifizierter Wiederholungskauf und Erstkauf.
7.2.1.1. Reiner Wiederholungskauf
Als reiner Wiederholungskauf wird eine Kaufsituation beschrieben, bei der die Einkaufsabteilung routinemäßig nachbestellt. Der Einkäufer trifft seine Wahl zwischen den in einer genehmigten Liste aufgeführten Lieferanten, wobei er bei der Auftragsvergabe die Zufriedenheit mit früheren Belieferungen
berücksichtigt. Die in den Lieferantenkreis aufgenommenen Unternehmen bemühen sich, die Produktund Dienstleistungsqualität konstant hoch zu halten. Häufig bieten sie automatische Nachbestellverfahren an, um den Zeitaufwand des Einkäufers für die Wiederbestellung gering zu halten. Die nicht
zum festen Lieferantenkreis gehörenden Unternehmen versuchen, in diesen Kreis einzubrechen, indem sie etwas Neues bieten oder eine aufkommende Unzufriedenheit des Abnehmers mit einem insupplier ausnutzen, um einen ersten Auftrag zu erhalten.
7.2.1.2. Modifizierter Wiederholungskauf
Der modifizierte Wiederholungskauf bezeichnet eine Kaufsituation, bei der der Käufer Änderungen der
Produktspezifikationen, Preise, Lieferbestimmungen und anderer Bedingungen wünscht, z.B. ein
leicht verändertes Lenkradschloss für eine Pkw-Relaunch. Bei einem modifizierten Wiederholungskauf
wirken auf Käufer- wie auf Verkäuferseite in der Regel zusätzliche Entscheidungsteilnehmer mit. Die
in-supplier sind beunruhigt, wenn eine solche Situation entsteht, und setzen alles daran, sich den
Kunden zu erhalten. Die out-supplier sehen dann die Chance, über ein besseres Angebot mit dem
Kunden ins Geschäft zu kommen. Sie versuchen sogar, eine derartige Kaufsituation beim Kunden
aktiv herbeizuführen, um die Routine des reinen Wiederholungskaufs zu durchbrechen.
7.2.1.3. Erstkauf
Ein Käufer steht vor dieser Situation, wenn er ein Produkt oder eine Dienstleistung zum ersten Mal
erwirbt. Je höher die Kosten und Risiken sind, desto mehr Personen wirken an der Erntscheidung mit,
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und je intensiver die Informationssuche ist, um so länger dauert es, bis schließlich die Entscheidung
gefällt wird. Die Erstkaufsituation ist für den Marketer die größte Chance und Herausforderung zugleich. Er versucht, möglichst viele Entscheidungsmitwirkende beim Käufer zu erreichen und Informationen bzw. Unterstützung zu bieten. Aufgrund der komplexen Kundenbearbeitung bei einer Erstkaufsituation lassen viele Unternehmen ihre Spitzenverkäufer speziell diese missionarische Verkaufsarbeit
bei den Erstkäufern leisten.
7.2.2. Systemkauf
Viele Abnehmer kaufen lieber eine Gesamtlösung, für ihr Problem, als sich mit umfangreichen Teilentscheidungen aufzuhalten. Diese Vorgehensweise wird als Systemkauf bezeichnet und geht auf die
staatliche Beschaffungspraxis – z.B. bei der Beschaffung von großen Waffen- und Kommunikationssystemen – zurück. Statt selbst alle Systemkomponenten zu erwerben und zusammenzustellen, fordert die Beschaffungsstelle Angebote von potentiellen Generalunternehmen an, die dann die Zusammenstellung des Pakets oder Systems übernehmen. Der Generalunternehmer, der den Zuschlag erhält, führt dann in eigener Regie die Ausschreibung für die einzelnen Systemteile unter seinen eigenen Zulieferern durch, dh er bietet eine schlüsselfertige Lösung an. Darüber hinaus wird z.B. bei Bezug von Kraftwerken im arabischen Raum und in Entwicklungsländern meist vom Lieferanten verlangt,
dass er das Kraftwerk für einige Jahre selbst betreibt, bis inländisches Personal dafür ausgebildet ist.
7.3. Beteiligte am Kaufprozess
Wer bewirkt den Kauf der Güter und Dienstleistungen im Werte von vielen Billionen, die der Industriegüter-Weltmarkt benötigt? Eine Reihe von Untersuchungen wurde durchgeführt, um diese Frage zu
beantworten. Bei reinen und modifizierten Wiederholungskäufen sind es die Einkaufsmanager und
deren Sachbearbeiter, die stärkeren Einfluss ausüben, bei Erstkaufsituationen sind es andere Mitglieder der Organisation. Bei der Entscheidung über die Produktwahl hat in der Regel das technische
Personal den größten Einfluss, während die Einkaufsabteilungen dominieren, wenn es um die Wahl
des Lieferanten geht. Daraus ist ersichtlich, dass der Marketer in Erstkaufsituationen die Produktinformationen zuerst zum technischen Personal leiten muss.
7.4. Einflüsse beim Kaufprozess
Die industriellen Käufer unterliegen zahlreichen Einflüssen. Viele Marketer gehen davon aus, dass die
wirtschaftlichen Einflussfaktoren am wichtigsten sind. Das heißt, die Abnehmer bevorzugen den Lieferanten, der den günstigsten Preis, das beste Produkt oder die umfassendste Dienstleistungspalette
bietet. Dann liegt es nahe, das Hauptgewicht beim industriellen Marketing darauf zu legen, den Käufern bedeutenden wirtschaftliche Vorteile zu bieten. Andere Marketer vertreten die Auffassung, dass
die Einkäufer auf persönliche Faktoren wie Gefälligkeiten, Respekt oder geringes persönliches Risiko
reagieren.
7.4.1. Umfeldbedingte Faktoren
Die Einkäufer werden insbesondere von der Situation und Entwicklung im wirtschaftlichen Umfeld
beeinflusst. Dazu gehören das Niveau der Nachfrage, allgemeine Konjunkturdaten und die Zinsentwicklung. In Rezessionszeiten verringern die Industriekunden ihre Anlageinvestitionen und bauen die
Lagerbestände ab. Die Industriemarketer können unter solchen Umfeldbedingungen wenig tun, um
die Gesamtnachfrage zu stimulieren. Es bleibt ihnen nur die Möglichkeit, mit noch größerem Einsatz
um die Steigerung oder Verteidigung ihres Anteils an der Gesamtnachfrage zu kämpfen.
7.4.2. Organisationsspezifische Faktoren
Jede kaufende Organisation hat spezifische Ziele, Grundsätze, Verfahren, betriebliche Strukturen und
Systeme. Der Marketer muss über all diese Faktoren möglichst genaue Kenntnisse haben. Dabei
werden unter anderem Folgende Fragen aufgeworfen: Wie viele Personen sind an der Kaufentscheidung beteiligt? Um wen handelt es sich dabei? Welche Bewertungskriterien legen sie an?
7.4.3. Interpersonelle Faktoren
Zum Beschaffungsteam gehören in der Regel eine Anzahl von Personen, die sich hinsichtlich Status,
Autorität, Einfühlungsvermögen und Überzeugungstalent voneinander unterscheiden. Der Industriemarketer wird kaum einen Einblick darüber bekommen, welche gruppendynamischen Prozesse bei
der Kaufentscheidungsfindung ablaufen, doch jede Information, die er über die verschiedenen Persönlichkeiten und die interpersonellen Faktoren erhalten kann, ist von Nutzen. Insbesondere kann die
Information über die Beziehungen des Kunden zu den Vertretern von Konkurrenzunternehmen von
Bedeutung sein.
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7.4.4. Individuelle Faktoren
Jeder Entscheidungsbeteiligte hat seine persönlichen Motive, Wahrnehmungen und Vorlieben. Diese
werden von seinem Alter und Einkommen, seiner Ausbildung und Identifikation mit dem Beruf, seiner
Persönlichkeit und Risikobereitschaft beeinflusst. Es gibt klare Stilunterschiede bei den einzelnen
Einkäufern. Einige der jüngeren Einkäufer mit akademischem Hintergrund sind Computer-Freaks, die
Konkurrenzangebote mit peinlichster Genauigkeit analysieren, ehe sie einen der Anbieter auswählen.
Andere wiederum sind harte Buschen der alten Schule, die die Verkäufer gegeneinander ausspielen.
7.5. Der Kaufprozess von Organisationen
Organisationelle Abnehmer erwerben Güter und Dienstleistungen nicht für den persönlichen Verbrauch oder Nutzen. Sie kaufen Güter, um damit Geld zu verdienen, ihre Betriebskosten zu senken
oder einem gesellschaftlichen oder gesetzlichen Auftrag nachzukommen. So errichtet ein Stahlunternehmen einen weiteren Hochofen, wenn es die Chance sieht, seine Umsätze zu steigern; es stellt
seine Buchhaltung auf Computer um, um die Betriebskosten zu senken; und es ergreift Umweltschutzmaßnahmen, um gesetzliche Auflagen einzuhalten. Der Kauf der benötigten Güter durch organisationelle Abnehmer durchläuft einen mehrstufigen Prozess. Robinson et al. grenzten acht Phasen
des organisationellen Kaufprozesses voneinander ab und bezeichneten diese als Kaufphasen.
7.5.1. Problemerkennung
Der Kaufprozess beginnt, wenn ein Angehöriger der Organisation einen Bedarf oder ein Problem feststellt, das durch den Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung gelöst werden kann. Die Problemerkennung kann durch interne oder externe Stimuli ausgelöst werden. Externe Anregungen erhält
der Käufer z.B. auf einer Fachmesse, durch die Werbung oder den Kontakt mit Vertretern, die ihm ein
besseres Produkt oder einen günstigeren Preis bieten. Der Industriemarketer kann also durch die
Entwicklung geeigneter Anzeigen mit Anrufen bei potentiellen Kunden usw. einen Anstoß zur Problemerkennung geben.
7.5.2. Generelle Bedarfsbeschreibung
Nachdem der Käufer einen bestehenden Bedarf erkannt hat, bestimmt und beschreibt er als nächstes
in allgemeiner Form wie das Bedarfsproblem gelöst werden soll und in welchem Umfang der Bedarf
besteht. Bei Problemlösungen durch Standardartikel ist dies kein großes Problem. Bei Problemen, die
komplexere Produkte erfordern, geschieht dies in Zusammenarbeit zwischen dem Einkäufer und anderen Beteiligten wie Ingenieuren, Anwendung, usw. Diese versuchen, Zuverlässigkeit, Dauerhaftigkeit, Kosten und andere erwünschte Attribute der Problemlösung nach ihrer Bedeutung zu gewichten
und Prioritäten zu setzen. Der Marketer kann dem kaufenden Unternehmen in dieser Phase Unterstützung leisten.
7.5.3. Produktspezifikation
Als nächstes nimmt die kaufende Organisation die genauere Spezifikation der technischen Merkmale
des zu beschaffenden Produkts vor. Ein aus technischen Experten bestehendes Wertanalyse-Team
befasst sich mit dieser Aufgabe. Die Wertanalyse ist ein von General Electric Ende der 40er Jahre
eingeführtes Verfahren der Kostensenkung, bei dem Produktkomponenten daraufhin untersucht werden, ob sie durch Konstruktionsänderungen, Standardisierungen oder andersgeartete Fertigung kostengünstiger gestaltet werden können. Das Team analysiert dabei die kostspieligen Komponenten
eines Produkts – meistens entfallen 80 % der Kosten auf 20 % der Komponenten. Außerdem versucht
die Arbeitsgruppe die Komponenten zu erkennen, deren Bauweise die Anforderungen übererfülllt und
die folglich langlebiger sind als das Produkt an sich.
7.5.4. Lieferantensuche
In dieser Phase versucht der Käufer, die am besten geeigneten Anbieter zu finden. Er kann zu diesem
Zweck Branchenverzeichnisse zu Rate ziehen, in elektronischen Datenbanken suchen oder andere
Unternehmen anrufen, um sich Empfehlungen geben zu lassen. Einige Anbieter werden nicht in Frage
kommen, weil sie nicht über die erforderlichen Produktionskapazitäten verfügen oder hinsichtlich
pünktlicher Lieferung oder Service-Leistung in schlechtem Ruf stehen. Die Lieferanten, die dem ersten
Anschein nach geeignet sind, werden eventuell aufgesucht, um die Produktionsanlagen zu begutachten und die Mitarbeiter kennenzulernen. Am Ende dieses Such- und Evaluierungsprozesses hat der
Käufer dann eine kleine Liste geeigneter Lieferanten zur Auswahl.
7.5.5. Einholen von Angeboten
Der Einkäufer fordert die geeigneten Lieferanten nun zur Einreichung von Angeboten auf. Ein Teil der
Anbieter wird darauf nur mit der Zustellung eines Katalogs oder der Entsendung eines Vertreters reaGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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gieren. Im Falle komplexer oder kostspieliger Problemlösungen fordert der Interessent von jedem
potentiellen Lieferanten ein detailliertes schriftliches Angebot an. Wieder scheidet ein Teil der Anbieter
aus, und die noch verbleibenden werden um eine förmliche Präsentation ihres Angebots gebeten. Der
Marketer muss also seine Angebote geschickt zusammenstellen, schriftlich abfassen und mündlich
präsentieren.
7.5.6. Wahl des Lieferanten
In dieser Phase nimmt sich das Beschaffungsteam die Angebote vor, um eine endgültige Lieferantenwahl zu treffen. Es analysiert die Anbieter eingehend. Dabei geht es neben dem Preis auch um technische Kompetenz, die Fähigkeit, termingerecht zu liefern und den notwendigen Kundendienst zu
erbringen sowie um andere Merkmale, die den Einkäufern von Wert sind. Das Beschaffungsteam legt
hier häufig eine Liste gewünschter Lieferanteneigenschaften an, gestaffelt nach ihrer Wichtigkeit. Eine
Befragung bei den Einkaufsmanagern ergab bei den acht wichtigsten Eigenschaften folgende Reihenfolge: Lieferfähigkeit, Qualität, Preis, Reparaturdienst, technische Kompetenz, früher gezeigte Leistungen, Fertigungsanlagen, Unterstützung und Beratung.
7.5.7. Festlegen der Auftragsmodalitäten
Der Einkäufer formuliert nun den endgültigen Auftrag an den ausgewählten Lieferanten mit den technischen Spezifikationen, der benötigten Menge, der voraussichtlichen Lieferzeit, Rücktrittsregelungen,
Gewährleistungen, usw. Bei Produkten für die Wartung, Reparatur und Betriebsversorgung geht die
Tendenz immer mehr weg von periodisch wiederkehrenden Aufträgen hin zu Rahmenverträgen. Jedes Mal von neuem Bestellungen aufzugeben, wenn ein Ersatzteil oder Betriebsmaterial benötigt wird,
ist teuer und zeitraubend. Der Abnehmer will sich auch nicht auf einige wenige Massenbestellungen
einlassen, weil dies eine umfangreichere Lagerhaltung erfordert. Mit einem Rahmenvertrag wird eine
langfristige Beziehung hergestellt, in der der Lieferant sich bereiterklärt, den Abnehmer über einen
vereinbarten Zeitrum hinweg zu einem festgelegten Preis seinen Anforderungen entsprechend mit
Nachschub zu versorgen.
7.5.8. Leistungsbewertung
In dieser Phase beurteilt der Einkäufer die Leistung der Lieferanten. Drei verschiedene Verfahren sind
hier gebräuchlich:
!
Der Abnehmer kann mit den Endanwendern in Kontakt treten und deren Urteil einholen.
!
Er kann den Lieferanten anhand bestimmter Kriterien und Gewichtungsverfahren beurteilen.
!
Er kann die Folgekosten schlechter Qualität ermitteln und den Kaufpreis berichtigen.
7.6. Öffentliche Institutionen und ihre Besonderheiten beim Kauf
Der Beschaffungsmarkt der öffentlichen Institutionen besteht aus den staatlichen Organen auf Gemeinde-, Länder- und Bundesebene, die Güter für die Ausführung der wesentlichen staatlichen Funktionen erwerben oder mieten. Das Volumen der Käufe, das von den öffentlichen Haushalten und nach
Maßgabe des öffentlichen Haushaltsrechts abgewickelt wird, nimmt einen sehr wesentlichen Teil der
volkswirtschaftlichen Gesamtaktivität sein.
7.6.1. Kaufentscheidungen öffentlicher Institutionen
Die öffentliche Beschaffung befasst sich mit dem Erwerb von Gütern und Dienstleistungen, die zur
Realisierung staatlicher Aufgaben gebraucht werden. Die öffentliche Hand kauft eine verblüffend breite Palette von Produkten und Dienstleistungen: Büroeinrichtungen, Computer, Skulpturen, Schultafeln,
Bücher, Möbel, Kleidung, Beförderungs- und Transportmittel, Feuerwehrfahrzeuge, Polizeiausrüstung,
militärische Ausrüstungen, Kraftstoffe, Bauleistungen, usw. Von den Aufwendungen öffentlicher
Haushalte flossen 1994 11,0 Mrd. DM in den Erwerb unbeweglicher Sachen, 13,9 Mrd. DM in den
Erwerb beweglicher Sachen und 52,7 Mrd. DM in Investitionszuschüsse für Gebäude, Anlagen und
Ausrüstungen der öffentlichen Hand, Krankenhäuser und andere Bereiche. Für viele Lieferanten ergibt
sich aus dem Beschaffungsmarkt der öffentlichen hand ein sehr wesentlicher Anteil an ihrem gesamten Geschäftsvolumen. Dies trifft insbesondere für Industrieunternehmen zu, die sich auf die Produktion militärischer Güter und Weltraumtechnologie verlegt haben.
7.6.2. Beteiligte am Kaufprozess öffentlicher Institutionen
Beschaffungsorganisationen finden wir auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene. Die Beschaffung
ist in der Regel dezentralisiert und liegt bei den einzelnen Organisationseinheiten wie Ministerien,
Ämtern und öffentlichen Betrieben. Zu den letzteren gehören öffentlich-rechtliche Anstalten wie z.B.
die Rundfunkanstalten, öffentlich-rechtliche Körperschaften wie z.B. die Bundesanstalt für Arbeit, das
Bundeskartellamt, die physikalisch-technische Bundesanstalt, öffentlich-rechtliche Stiftungen, komGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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munale Gebietskörperschaften und kommunale Betriebe, autonome Wirtschaftseinheiten und organisatorisch unselbständige Regierbetriebe. Es gibt keine zentrale Beschaffungsstelle für den öffentlichen Bedarf und keinen alleinverantwortlichen Einkäufer, welcher allein den Bedarf an bestimmten
Artikeln, Ausrüstungen oder Dienstleistungen einer bestimmten öffentlichen Organisation in der Hand
hätte. Das Beschaffungsamt in Koblenz ist die größte Einkaufsorganisation in der Bundesrepublik und
in Europa.
7.6.3. Wesentliche Einflüsse auf die staatlichen Einkäufer
Die staatlichen Einkäufer werden durch politische, umfeldbedingte, organisationsspezifische, interpersonelle und individuelle Faktoren beeinflusst. Insbesondere unterliegt die öffentliche Beschaffung einer strengen Beobachtung durch viele Stellen. Der Bundes- bzw. Landesrechnungshof führt routinemäßige Nachkontrollen durch. Ein parlamentarischer Kontrollausschuss kann routinemäßige Ermittlungen oder Sonderuntersuchungen durchführen, um Fragen nachzugehen, die durch die Öffentlichkeit oder durch Parlamentarier aufgeworfen werden, wenn sie Beispiele für staatliche Verwendungssucht oder Mittelvergeudung aufzuzeigen versuchen. Auch private Gruppen, wie z.B. der Bund der
Steuerzahler, beobachten die Ausgabenpolitik und -praxis staatlicher Institutionen sehr kritisch.
7.6.4. Verfahrensweise öffentlicher Institutionen bei ihren Kaufentscheidungen
Im Gegensatz zu den Beschaffungspraktiken der Industrie wirken die Beschaffungspraktiken der öffentlichen Institutionen auf die Anbieter komplex und nicht selten frustrierend. Der Beschaffungsprozess der öffentlichen Institutionen ist besonders weitläufig. Haushaltsrechtliche und sonstige Regelungen bewirken insbesondere eine Ausweitung des Beschaffungsprozesses in den Fragen der Bedarfsfeststellung, der Suche nach potentiellen Lieferanten, der Angebotsprüfung und der Vertragsabwicklung. Das Formularwesen führt zum Papierkrieg, der durch die Vielzahl von Verfahrensvorschriften
inhaltlich und formal stark reglementiert ist. Die langen Instanzenwege öffentlicher Institutionen bewirken einen zeitaufwendigen und langsamen Entscheidungsprozess.
8. Analyse von Branchen und Konkurrenten
Marktchancen müssen nicht nur durch eine Analyse des Umfelds und der Kunden identifiziert und
herausgearbeitet werden. Sie müssen auch abgeschätzt werden, indem die Branche, in der sie bestehen, und die Konkurrenz in dieser Branche analysiert wird. Das Wissen um Branchen, Wettbewerb
und Wettbewerber ist ein wichtiges Element für eine effektive Marketingplanung. Das Unternehmen
sollte seine Produkte, Preise, Absatzwege und Verkaufsförderungsmaßnahmen ständig mit denen
seiner engeren Konkurrenten vergleichen. So kann es Bereiche Feststellen, wo potentielle Wettbewerbsvor- und –nachteile vorhanden sind.
8.1. Branche und Wettbewerber
Es scheint eigentlich eine einfache Aufgabe zu sein, die eigenen Konkurrenten zu identifizieren. Coca
Cola weiß, dass Pepsi Cola sein Hauptkonkurrent ist, Volkswagen weißt, dass Fiat einer seiner
Hauptkonkurrenten ist und Sony betrachtet Matsushita als Hauptkonkurrent. Doch das Feld der tatsächlichen und latenten Konkurrenten eines Unternehmens ist weitaus größer. Die Unternehmen dürfen bei der Wettbewerbsanalyse nicht kurzsichtig sein, denn es ist ebenso möglich, dass sie von den
latenten Konkurrenten aus dem Sattel geworfen werden wie von den bereits vorhandenen.
8.1.1. Branchen-Konzept: Wettbewerb der Anbieter
Wir sprechen über die Automobilbranche, die Stahlbranche, die Lebensmittelbranche, usw. Wie jedoch können wir eine Branche definieren? Wer gehört zu einer Branche? Eine Branche besteht aus
der Gruppe von Unternehmen, die Produkte oder Produktkategorien anbieten, die untereinander in
einer engen Beziehung stehen. Enge Substitutionsprodukte sind Produkte mit einer hohen Kreuzpreiselastizität der Nachfrage.
8.1.1.1. Anzahl der Anbieter und Differenzierungsgrad
Zur Beschreibung der Branche sollte man zunächst feststellen, ob es einen, einige oder viele Anbieter
gibt und ob das Produkt homogen oder in hohem Maße differenziert ist. Die Wettbewerbsstruktur einer
Branche kann sich mit der Zeit ändern. Nehmen wir den Fall, dass ein Unternehmen ein völlig neues
Produkt entwickelt, wie z.B. Sony den Walkman. Zunächst tritt Sony als Monopolist auf. Doch schon
bald treten andere Unternehmen mit leicht abgewandelten Produktvarianten in den Markt ein, was
nunmehr zu monopolistischem Wettbewerb führt.
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8.1.1.2. Eintritts- und Mobilitätsbarrieren
Im Idealfall sollten neue Wettbewerber ungehindert in Branchen eintreten können, in denen die Gewinnspannen attraktiv sind. Dies würde zu mehr Wettbewerb, einem erhöhten Angebot, niedrigeren
Preisen und einer Rentabilität normaler Größenordnung führen. Bei freiem Branchenzugang würde
verhindert, dass Unternehmen langfristig übermäßige Gewinne abschöpfen. Der Zugang ist je nach
Branche unterschiedlich schwer. So ist es einfach, ein neues Restaurant zu eröffnen, doch schwierig,
in die Automobil-Produktion einzusteigen.
8.1.1.3. Austritts- und Schrumpfungsbarrieren
Im Idealfall sollte es den Unternehmen freistehen, sich aus Branchen zurückzuziehen, in denen die
Gewinne nicht attraktiv sind; doch häufig stehen sie hier vor Austrittsbarrieren. Zu den Austrittsbarrieren zählen rechtliche oder moralische Verpflichtungen gegenüber den Kunden, Gläubigern und Mitarbeitern; staatliche Restriktionen; geringer Liquidationswert der Produktionsanlagen als Folge von
Überspezialisierung oder wirtschaftlich-technischer Überholung; das Fehlen alternativer Chancen; ein
hoher vertikaler Integrationsgrad; emotionale Barrieren, etc. Viele Unternehmen bleiben in einer Branche, so lange sie die variablen Kosten ganz und die Fixkosten ganz oder zumindest zum Teil decken
können. Ihre Präsenz wirkt jedoch für alle als Gewinnbremse. Es liegt daher im Interesse aller Unternehmen, die in dieser Branche bleiben wollen, die Austrittsbarrieren für die anderen abzubauen.
8.1.1.4. Kostenstrukturen
In jeder Branche gibt es einen bestimmten Kostenmix, der das strategische Verhalten in der Branche
stark beeinflusst. Die Stahlbranche hat z.B. hohe Fertigungs- und Rohmaterialkosten, während in der
Spielzeugbranche hohe Distributions- und Marketingkosten üblich sind. Die Unternehmen in einer
Branche werden streng auf die größten Kostenblöcke achten und strategisch auf deren Eingrenzung
und Senkung der Kosten hinwirken. So verschafft sich das Stahlunternehmen mit den modernsten
Anlagen einen großen Vorteil gegenüber den anderen Stahlkochern.
8.1.1.5. Vertikale Integration
In einige Branchen werden die Unternehmen eine Rückwärts- und/oder Vorwärtsintegration für vorteilhaft halten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Mineralölbranche, wo die großen Ölkonzerne die Erdölexploration, -förderung, -raffinierung und petrochemische Verarbeitung unter einem Dach betreiben.
Die vertikale Integration macht dort Sinn, wo sie niedrigere Kosten und eine bessere Kontrolle über
die einzelnen Stufen der Wertschöpfung ermöglicht. Darüber hinaus können diese Unternehmen Preise und Kosten in unterschiedlichen Unternehmenssegmenten so lenken, dass Gewinne dort gemacht
werden, wo die Steuern am niedrigsten sind.
8.1.1.6. Globalisierung
Einige Branchen haben einen stark lokalen Charakter, während es sich bei anderen um globale
Branchen handelt. Unternehmen in globalen Branchen müssen sich dem weltweiten Wettbewerb stellen, wenn sie sich Größenvorteile erarbeiten und mit dem technischen Fortschritt Schritt halten wollen.
8.1.2. Marktkonzept: Wettbewerb um Kunden
Statt die Unternehmen, die das gleiche Produkt anbieten, als Wettbewerber zusammenzufassen, können auch diejenigen als Wettbewerber angesehen werden, die um dieselben Kunden kämpfen. Unter
dem Branchenkonzept betrachtet ein Schreibmaschinenhersteller andere Schreibmaschinenhersteller
als seine Konkurrenten. Unter dem Marktkonzept zählt jedoch das, was der Kunde will, nämlich die
Schreibleistung. Diese kann durch Bleistifte, Kugelschreiber, Schreibmaschinen, Computer, etc. erfüllt
werden. Das Marktkonzept weist also auf ein breiteres Feld tatsächlicher und potentieller Konkurrenten hin und liefert Anstöße für eine längerfristig angelegte strategische Marktplanung.
8.1.2.1. Horizontale und vertikale Konkurrenz und strukturelle Attraktivität einer Branche
Das Bild zur Konkurrenzlage in einer Branche ist jedoch nicht vollständig, wenn nicht alle Wettbewerbskräfte darin angezeigt sind. Unternehmen stehen im Kampf um das Überleben und im Wettstreit
um Profitabilität sowohl im horizontalen als auch im vertikalen Wettbewerbs. Der horizontale Wettbewerb ist der Wettbewerb von Unternehmen auf der gleichen Wertschöpfungsstufe. So z.B. sind RECARO und ISRI im horizontalen Wettbewerb als Lieferanten von Sitzen für Nutzfahrzeuge und Flugzeuge. Boeing und Airbus sind im horizontalen Wettbewerb als Flugzeuglieferanten.
8.2. Strategien der Konkurrenten
Am ähnlichsten sind Konkurrenten, die bei gleichen Zielkunden mit einer gleichen Strategie arbeiten.
Diese bekämpfen sich oft auch am härtesten. In den meisten Branchen lassen sich die Konkurrenten
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nach der Ähnlichkeit ihrer Strategie in Gruppen einteilen. Eine strategische Gruppe ist eine Gruppe
von Unternehmen innerhalb einer Branche, die eine identische oder ähnliche Strategie verfolgen.
8.3. Ziel der Konkurrenten
Neben den Strategien der Hauptkonkurrenten sollte man ermitteln, welche Zielsetzung das Verhalten
eines jeden Wettbewerbers bestimmt. Eine nützliche Ausgangsannahme lautet, dass die Konkurrenten nach Gewinn streben und dementsprechend handeln. Einige Konkurrenten werden kurzfristigen,
andere langfristigen Gewinnen den Vorzug einräumen. Wieder andere sind auf ausreichende und
zufriedenstellende und nicht auf maximale Gewinne eingestellt. Sie setzen sich konkrete Gewinnziele
und sind zufrieden, wenn sie diese erreichen, auch wenn durch andere Strategien und Anstrengungen
höhere Gewinne möglich gewesen wären.
8.4. Stärken und Schwächen der Konkurrenten
Können nun die Konkurrenten ihre Strategien ausführen und die gesetzten Ziele erreichen? Dies
hängt von ihren Ressourcen und Fähigkeiten ab. Daher muss das Unternehmen die Stärken und
Schwächen eines jeden Konkurrenten möglichst genau aufdecken. Als erstes müssen die wichtigsten
Kennzahlen über den Geschäftsverlauf bei den Konkurrenten gesammelt werden. Dies sind Umsatz,
Marktanteil, Gewinnspanne, Kapitalrendite, Cashflow, Neuinvestitionen und Kapazitätsauslastung.
8.5. Reaktionsprofil der Konkurrenten
Kennt man die Ziele und das Stärken-Schwächen-Profil eines Konkurrenten, kann man schon viel
über sein zu erwartendes Verhalten im Markt und seine Reaktionen auf Schritte eines anderen Unternehmens wie z.B. auf Preissenkungen, intensivierte Verkaufsförderung oder Einführung eines neuen
Produkts vorhersagen. Das Verhalten jedes Unternehmens wird jedoch auch noch durch die ihm eigene Philosophie, eine bestimmte Unternehmenskultur und bestimmte Grundüberzeugungen und
Leitmotive mitbestimmt. Man muss die Mentalität des Konkurrenten gründlich verstehen, um hoffen zu
können, dass die eigenen Erwartungen über das Verhalten und die Reaktionen des Wettbewerbers
auch eintreffen.
8.6. Informationssystem für die Konkurrenzanalyse
Die wichtigsten Daten und Informationen, die dem Entscheidungsträger für die Konkurrentenanalyse
bekannt sein sollten, wurden vorstehend beschrieben. Diese müssen gesammelt, ausgewertet, weitergegeben und genutzt werden. Zwar sind die Kosten und der Zeitaufwand für die Sammlung von
Wettbewerbsinformationen hoch, doch die Kosten der Unterlassung sind noch höher. Das Wettbewerbsinformationssystem sollte jedoch kosteneffektiv gestaltet werden.
8.7. Wen bekämpfen und wen meiden?
Verfügt das Unternehmen über ein gutes Wettbewerbsinformationssystem, wird es den Führungskräften leichter fallen, ihre Wettbewerbsstrategie zu formulieren. Sie werden dann ein besseres Gespür
dafür haben, mit wem sie auf dem Markt erfolgreich in Konkurrenz treten können. Der Manager muss
entscheiden, gegen welchen Konkurrenten er am härtesten kämpfen will. Diese Entscheidung wird
durch eine Kundennutzen-Analyse erleichtert, welche die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens im Vergleich zu mehreren Konkurrenten offen legt. Das Unternehmen kann die Wettbewerber in Typen einteilen, wie dies die folgenden Kategorisierungen zeigen.
8.7.1. Starke oder schwache Konkurrenten
Die meisten Unternehmen ziehen es vor, gegen schwache Konkurrenten anzutreten. Hier können mit
weniger Aufwand Marktanteilszugewinne erzielt werden. Andererseits entwickelt man im Kampf mit
schwachen Konkurrenten die eigene Leistungsfähigkeit nur wenig. Daher sollte man auch mit starken
Konkurrenten kämpfen, weil man so in der Leistungsentwicklung mit vorne dran bleibt. Überdies haben auch starke Konkurrenten einige Schwächen, so dass man sich selbst als respektabler Wettbewerber zeigen kann.
8.7.2. Enge oder entfernte Konkurrenten
Die meisten Unternehmen sehen sich mit den Konkurrenten im Wettbewerb, die ihnen am ähnlichsten
sind. Daher steht Opel z.B. in härterem Wettbewerb mit Ford als mit Porsche. Gleichzeitig sollte das
Unternehmen von dem Versuch Abstand nehmen, den engen Konkurrenten vernichten zu wollen.
8.7.3. Gute oder böse Konkurrenten
Porter argumentiert, dass in jeder Branche gute und böse Konkurrenten tätig sind. Ein Unternehmen
wäre gut beraten, die guten Konkurrenten zu unterstützen und die bösen zu bekämpfen. Gute KonkurGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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renten weisen eine Reihe von Merkmalen auf: Sie halten sich an die Branchenregeln, schätzen das
Branchenwachstumspotential sehr realistisch ein, ihre Preise stehen in einem vernünftigen Verhältnis
zu den Kosten, sie sind für eine gesunde Branchenstruktur, beschränken sich auf einen Teilbereich
oder ein Segment der Branche, motivieren andere, die Kosten zu senken oder sich stärker zu profilieren und akzeptieren im allgemeinen ihre Marktanteils- und Gewinnposition innerhalb der Branche. Die
bösen Konkurrenten halten sich hingegen nicht an die Regeln: Sie versuchen, sich Marktanteile zusammenzukaufen, statt sie sich zu verdienen, gehen hohe Risiken ein, investieren in Überkapazitäten
und bringen im allgemeinen das Branchengleichgewicht durcheinander. IBM hält z.B. Cray Research
für einen guten Konkurrenten, da Cray sich an die Regeln hält, nicht aus seinem Marktsegment ausbricht und nicht in die Kernmärkte von IBM eindringt; Fujitsu dagegen ist für IBM ein böser Konkurrent,
da Fujitsu IBM auf seinen Kernmärkten angreift, und zwar über subventionierte Preise und ähnliche
Produkte.
8.8. Ausgewogene Orientierung an Kunden und Konkurrenten
In den vorstehenden Ausführungen wurde die sorgfältige Berücksichtigung der Konkurrenten in der
strategischen Planung als besonders wichtig hervorgehoben. Es stellt sich die Frage, ob dies möglicherweise zu viel Zeit, Energie und Ressourcen erfordert und dabei die Kundenorientierung leidet. Die
Antwort lautet: Ja! Ein Unternehmen kann derart auf die Konkurrenz fixiert sein, dass es dabei seine
Ausrichtung am Kunden vernachlässigt. Von einem wettbewerberfixierten Unternehmen spricht man
dann, wenn es bei seinen Maßnahmen ausschließlich die Aktionen und Reaktionen der Konkurrenten
berücksichtigt.
9. Ermittlung von Marktsegmenten und Auswahl von Zielmärkten
Ein Unternehmen, das auf einem weitläufigen Markt wirken will – sei es der Konsumgüter-, der Industriegüter-, der Wiederverkäufer- oder der Beschaffungsmarkt der öffentlichen Hand -, stellt oft fest,
dass es in diesem Markt nicht allen Kunden gleichermaßen dienen kann. Diese sind zu zahlreich, weit
verstreut und haben zu unterschiedliche Kaufanforderungen. Zudem gibt es oft Wettbewerber, die
bestimmte Segmente des Gesamtmarktes besser bedienen können als alle anderen. Statt in allen
Bereichen den Wettbewerb aufzunehmen – und das oft gegen Konkurrenten mit besseren Chancen –
sollte das Unternehmen die attraktivsten Marktsegmente ermitteln, die es erfolgreich bedienen kann.
ie Anbieter verlegen sich mehr und mehr auf zielgruppenorientiertes Marketing, das ihnen hilft, ihre
Marktchancen besser zu ermitteln.
9.1. Marktsegmentierung
Märkte bestehen aus Käufern, und Käufer unterscheiden sich in einem oder mehreren Aspekten voneinander – z.B. in ihren Wünschen, Ressourcen, Wohnorten, ihren Kaufeinstellungen und ihren Kaufgepflogenheiten. Anhand jeder dieser Variablen lässt sich ein Markt segmentieren.
9.1.1. Grundmodell für die Marktsegmentierung
Potentiell stellt jeder einzelne Käufer aufgrund seiner individuellen Bedürfnisse und Wünsche einen
gesonderten Markt dar. Im Idealfall würde der Anbieter für jeden Käufer ein spezielles Produktangebot
bzw. Marketingprogramm entwickeln. Flugzeughersteller, wie Airbus, Boeing und McDonnell-Douglas
haben es beispielsweise nur mit wenigen großen Fluggesellschaften als Kunden zu tun und gestalten
ihre Produkte jeweils nach deren Anforderungen. Die meisten Anbieter werden es nicht für lohnenswert halten, ihr Marketingprogramm speziell auf jeden einzelnen Kunden einzurichten. Statt dessen
ermitteln sie breite Käuferschichten, die sich untereinander in ihren Produkterfordernissen und Reaktionen auf Marketingmaßnahmen unterscheiden, während die Mitglieder einer jeden Schicht möglichst
homogen sind, dh sich möglichst gleich gegenüber einem Marketingprogramm verhalten.
9.1.2. Konzepte für Segmentierungsgrad und -strategien
Die praktischen Konzepte für eine Abstufung des Segmentierungsgrades sind: Null-Segmentierung,
Segmentbildung, Nischenbildung, atomisierte Segmentierung. Für jede dieser Abstufungen in Segmentierungsgrade gibt es eine oder mehrere Marketingstrategien wie folgt:
9.1.2.1. Massen-Marketing
Massen-Marketing erfolgt aus der Null-Segmentierung. Unter diesem Konzept betreibt der Anbieter
Massenproduktion, Massendistribution und Massenabsatzförderung für ein Produkt, das alle Käufer
ansprechen soll. Diese Marketingstrategie wurde von Henry Ford verkörpert, der sein „Model T“ sämtlichen Käufern anbot. Sie könnten, so hieß es seinerzeit, den Wagen in jeder Farbe haben, solange er
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schwarz ist. Auch der VW-Käfer wurde im wesentlichen unter diesem Denkansatz konzipiert und zunächst auch so vermarktet.
9.1.2.2. Produktvarianten-Marketing
Produktvarianten-Marketing erfolgt ebenfalls unter dem Konzept der Null-Segmentierung. Hier produziert der Anbieter Produktvarianten mit oft trivialen Unterschieden in den Ausstattungselementen, im
Styling, in der Qualität, Größe, etc. Die Varianten sollen den Käufern Abwechslung bieten. An unterschiedliche Marktsegmente wird hier noch nicht gedacht. Mars z.B. praktiziert diese Marketingstrategie.
9.1.2.3. Segment-Marketing
Segment-Marketing erfolgt durch Segmentbildung. Ein Marktsegment besteht aus einer größeren
identifizierbaren Kundengruppe innerhalb eines Marktes. Ein Unternehmen, das Segment-Marketing
betreibt, erkennt Unterschiede zwischen größeren Kundengruppen, z.B. in dem, was die Mitglieder
der Gruppen wollen, was sie bevorzugen, welche Kaufkraft sie mitbringen, wo sie sich aufhalten, welche Kaufgewohnheiten, Einstellungen oder Verhaltensweisen sie haben. Das Unternehmen möchte
sich nach dem richten, was die Mitglieder eines Segments gemeinsam haben. Es möchte die Mitglieder des Segments mit einem höheren Produktnutzen oder mit besserem Kundendienst und zielgenauerer Kommunikation zu Kunden machen.
9.1.2.4. Nischen-Marketing
Nischen-Marketing erfolgt durch Nischenbildung. Das heißt, das Unternehmen muss eine näher definierte und kleinere Kundengruppe identifizieren, deren Anforderungen nicht besonders gut durch bestehenden Angebote der Konkurrenz erfüllt werden. Nischen können herausgefunden werden, indem
Segmente in Untersegmente zerlegt werden, bei denen weitere Unterschiede bestehen. So z.B. können Hotels aus dem Segment der Geschäftsreisenden Nischen aussondern, wie etwa Geschäftsreisende, die lediglich einen ruhigen Schlafplatz suchen, solche die ihre Geschäftspartner im Hotel empfangen und bewirten wollen, oder solche, die während der Geschäftsreise auf Abenteuer aus sind.
9.1.2.5. Ortsbestimmtes Marketing
Ortsbestimmtes Marketing beruht auf Nischenbildung durch örtliche Besonderheiten. Unternehmen,
die dieses Konzept verfolgen, richten ihre Marketingprogramme speziell auf bestimmte örtliche Besonderheiten ein. Der örtliche Bezirk kann eine Region, eine Stadt, einen Stadtteil, eine Nachbarschaft, ein Dorf oder lediglich den Einzugsbereich eines Landes in bestimmter Lage umfassen. Im
Prinzip entstehen bei dieser Sonderform der Segmentierung die gleichen Vor- und Nachteile wie beim
Segment-Marketing und beim Nischen-Marketing. Der Anbieter erfüllt die Kundenanforderungen zielgenauer und kann damit Kunden gewinnen und an sich binden.
9.1.2.6. Individual-Marketing
Individual-Marketing beruht auf atomisierter Segmentierung. Der Markt wird bis auf die kleinste Einheit
– den individuellen Käufer – zerlegt, die dann nicht mehr unteilbar ist. Individuelle Kundenbindung und
kundenindividuelle Anfertigung von Produkten ist im Prinzip nichts Neues. Früher fertigten viele Anbieter ihre Waren nach den individuellen Kundenwünschen. Der Schneider fertigte für jede seiner Kundinnen ein Kleid nach Maß, und der Schuster stellt für jeden Fuß den passenden Schuh her.
9.1.2.7. Selbstlenkungs-Marketing nach dem Hol-Prinzip
Selbstlenkungs-Marketing ist eine spezielle Form des Individual-Marketings. Der Kunde gestaltet und
lenkt den Austauschprozess in erhöhtem Maße mit. Im Industriegütermarketing und im Handel treten
bereits viele professionelle Einkäufer selbstlenkend gegenüber dem Anbieter auf. Sie gestalten ihre
Beziehungen und ihren Umgang mit den Anbietern nach eigenem Ermessen. Statt jeden Verkäufer
vorzulassen, kontaktieren sie das Personal des Anbieters dann, wenn sie es für nötig halten.
9.1.3. Präferenzstruktur als Segmentierungsgrundlage
Der Markt kann z.B. anhand der Faktoren Alter und Einkommen segmentiert werden, so dass sich
verschiedene demographische Segmente ergeben. Man könnte auch erfragen, welches Ausmaß an
zwei bestimmten Produkteigenschaften die Käufer erwarten. Als Ergebnis daraus ermittelt man die
Präferenzstruktur im Markt.
9.1.4. Segmentierungsverfahren
Ein Markt kann mit Hilfe verschiedener Variablen schrittweise unterteilt werden, um Segmente zu gewinnen. Nun stellt sich die Frage, ob es ein formelles Verfahren gibt, mit dem sich die wichtigsten
Segmente eines Marktes ermitteln lassen. Die Antwort lautet ja, und MarketingforschungsunternehGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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men führen formelle Segmentierungsstudien durch, in denen die bedeutendsten Marktsegmente systematisch offengelegt werden. Das Verfahren umfasst drei Phasen: Datenerhebung, Analyse, Profilerstellung. Ein solches Marktsegmentierungsverfahren muss ab und zu wiederholt werden, da sich die
Marktsegmente mit der Zeit erst entwickeln oder verändern.
9.1.5. Segmentierung von Konsumgütermärkten
Im folgenden wollen wir uns diejenigen Variablen betrachten, die beim Segmentieren von Konsumgütermärkten üblich sind. Diese Variablen lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: allgemeine Verbrauchermerkmale und spezielle Verhaltensmerkmale. Einige Marketingforscher versuchen, die Segmente unabhängig von einem bestimmten Produkt auf der Basis der allgemeinen Verbrauchermerkmale zu bilden. Dabei stützen sie sich auf eine Reihe geographischer, demographischer und psychographischer Merkmale. Dann überprüfen sie, ob diese Segmente für eine bestimmte Produktkategorie
geeignet sind.
9.1.5.1. Geographische Segmentierung
Geographische Segmentierung erfordert eine Einteilung des Marktes in verschiedene geographische
Einheiten, z.B. die Nielsen-Gebiete, Länder, Landkreise, Städte oder Stadtviertel. Das Unternehmen
kann in einem, in mehreren oder in allen geographischen Segmenten tätig werden und muss dabei
auf Unterschiede in den Bedürfnissen und Präferenzen eingehen. Insbesondere bei den Eßgewohnheiten gibt es ausgeprägte regionale Unterschiede. In Deutschland wird der Main beispielsweise als
die Weißwurst-Grenze bezeichnet. Dies drückt die regionalen Präferenzen zwischen Nord- und Süddeutschland aus.
9.1.5.2. Geodemographische Segmentierung
Eine sehr feinmaschige Regionaltypologie nach Wohngebieten wurde mit dem ACORN-System im
Jahre 1975 vom Beratungsunternehmen C. A. CJ. entwickelt und hat sich seither in den USA und in
England, aber auch in Deutschland in vielen Marketinganwendungen bewährt. Der ACORNregionaltypologische Ansatz beruht auf der Erfahrung, dass sich Menschen mit ähnlichem Konsumund Lebensstil häufig an bestimmten Wohnorten konzentrieren. Beispiele dafür sind Studenten- und
Künstlerviertel, Gastarbeiterviertel, die Villenvororte der Wohlhabenden und die Schlafstädte des Mittelstands, die sich zwar unter verschiedenen Namen, jedoch mit sehr ähnlichen Strukturen in nahezu
allen Ballungsgebieten wiederfinden. ACORN geht über diese intuitiven Einteilungen hinaus und objektiviert, differenziert und systematisiert Verbraucherverhaltensassoziationen mit Hilfe einer Regionaldatenbank, welche die Bundesrepublik in ca. 10.000 Orte und Ortsteile gliedert, die jeweils durch a.
60 Kenndaten beschrieben sind. Mit ACORN lassen sich z.B. Marktsegmente als Marketingzielgruppen für Do-it-yourself-Produkte lokalisieren.
9.1.5.3. Demographische Segmentierung
Demographische Segmentierung bedeutet die Aufteilung des Marktes auf der Basis demographischer
Variablen wie Alter, Geschlecht, Familiengröße, Familienlebenszyklus, Einkommen, Beruf, Ausbildung, Konfession und nationaler Herkunft. Demographische Variablen werden bei der Abgrenzung
von Kundengruppen am häufigsten eingesetzt. Ein Grund dafür ist, dass Wünsche und Präferenzen
der Kunden sowie die Verwendungsrate in hohem Maße mit den demographischen Variablen korrelieren. Ein weiterer Grund ist, dass die demographischen Variablen leichter zu messen sind als die meisten anderen Segmentierungsvariablen. Selbst wenn die Beschreibung eines Zielmarktes nicht anhand demographischer Faktoren erfolgt, ist eine Rückverbindung zu den demographischen Faktoren
erforderlich, um die Größe des Zielmarktes zu ermitteln und in Erfahrung zu bringen, wie man ihn am
besten erreicht.
9.1.5.3.1. Alter und Lebensabschnitt
Die Wünsche und Fähigkeiten des Verbrauchers ändern sich mit dem Alter. Schon ein sechs Monate
altes Baby weist ein anderes Konsumpotential auf als ein Säugling, der erst halb so alt ist. Die Spielzeughersteller haben das erkannt und verschiedene Spielzeuge für Babys im Alter von drei Monaten
bis zu einem Jahr entwickelt. Mit dieser Segmentierungsstrategie erleichtert das Unternehmen den
Eltern und Verwandten, das zur Entwicklungsstufe des Kindes passende Spielzeug auszusuchen.
Lego, eines der bekanntesten Spielsysteme, nimmt vom Duplo als Babyspielzeug über verschiedene
Lego-Grund- und Ausbausysteme bis hin zum Techno-Lego gezielt altersbedingte Segmentierungen
vor.
9.1.5.3.2. Geschlecht
Die geschlechtsbezogene Marktsegmentierung wird in den Bereichen Kleidung, Haarpflege, Kosmetik
und Zeitschriften schon lange praktiziert. Ab und zu sehen auch Marketer in anderen Bereichen eine
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Chance zur geschlechtsbezogenen Segmentierung. Ein gutes Beispiel dafür ist die Zigarettenindustrie. Die meisten Marken werden zwar von Männern und Frauen gleichermaßen konsumiert. Doch
seit einiger Zeit kommen immer mehr typisch weibliche Zigarettensorten, wie z.B. Eve und Virginia
Slims auf den Markt, deren Geschmacksrichtung, Verpackung und Werbung verstärkt ein weibliches
Image betonen.
9.1.5.3.3. Einkommen
Die Segmentierung des Marktes nach dem Einkommen ist in vielen Produkt- und Dienstleistungsbranchen, wie etwa in der Automobil-, Boots-, Bekleidungs-, Kosmetik- und Touristikindustrie, seit langem
gängige Praxis. Auch anderen Branchen erkennen gelegentlich ihre Möglichkeiten. So sind Spirituosen, wie Chivas Regal und Remy Martin, aber auch der echte Champagner, für die anspruchsvollsten
und zahlungskräftigsten Kunden gedacht. Doch das Einkommen ist nicht immer ein Hinweis auf die
geeignetste Zielgruppe für ein Produkt.
9.1.5.3.4. Altersgeneration
Marktforscher stellen immer öfter fest, dass jede Altersgeneration grundlegend im Konsumverhalten
durch das Milieu geprägt wurden, in dem sie aufwuchs – dazu gehören Filme Ereignisse, Musik, vorherrschende politische Meinungen sowie wirtschaftliche und soziale Bedingungen der Kindheit und
Jugendzeit. Einige Marketer zielen auf bestimmte Generationen, indem sie die für diese Generation
bezeichnenden Werte und Vorstellungen in ihrer Kommunikation wachrufen oder einsetzen, wie den
Aufbauwillen der Trümmerfrauen, die Zuversicht der Nachkriegskinder, das Missgrauen und die Skepsis der 68er Generation oder die Ausgabenbereitschaft und Statussuche der Wohlstandskinder.
9.1.5.3.5. Nationale Herkunft
Viele Länder haben eine Wohnbevölkerung und eine Staatsbürgerschaft von unterschiedlicher nationaler Herkunft. Die nationale Herkunft kann für die Marketer insbesondere in solchen Ländern eine
wirkungsvolle Segmentierung darstellen, in denen sich die unterschiedlichen nationalen Identitäten
aufrechterhalten. Fortschrittliche Unternehmen wie Nestlé haben z.B. bereits die türkische Wohnbevölkerung in Deutschland als lohnendes Marktsegment identifiziert und arbeiten daran, dieses Segment gewinnbringend zu bedienen.
9.1.5.3.6. Soziale Schicht
Es zeigte sich, dass die soziale Schicht insbesondere in den USA großen Einfluss auf die Präferenzen
eines Verbrauchers in bezug auf Autos, Kleidung, Wohnungseinrichtung, Freizeitaktivitäten, Lese- und
Einkaufsgewohnheiten hat. Viele Unternehmen konzipieren ihre Produkte bzw. Dienstleistungen für
eine spezifische soziale Schicht und versehen sie mit denjenigen Eigenschaften, die die anvisierte
soziale Schicht ansprechen. In Mittel- und Nordeuropa hat die Sozialschichtforschung im Marketing
weniger Bedeutung. Die sozialen Schichten sind hier weniger stark ausgeprägt als in anderen Ländern.
9.1.5.3.7. Demographische Segmentierung anhand mehrerer Merkmale
Die meisten Unternehmen segmentieren einen Markt durch die Kombination zweier oder mehrerer
demographischer Variablen. Eine amerikanische Großbank ermittelte beispielsweise, dass Alter und
Einkommen die zwei wichtigsten demographischen Variablen bei der Segmentierung ihrer Privatkunden darstellten.
9.1.5.4. Psychographische Segmentierung
Hier werden die Verbraucher anhand ihres Lebensstils bzw. ihrer Persönlichkeitsmerkmale in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Angehörigen ein und derselben demographischen Gruppe können
sehr unterschiedliche psychographische Profile aufweisen.
9.1.5.4.1. Lebensstil
Das Interesse eines Kunden an einem bestimmten Produkt wird von seinem Lebensstil bestimmt.
Produkte, die er konsumiert, sind in der Tat Ausdruck seines Lebensstils. Immer mehr Marketer unterschiedlicher Produkte und Marken segmentieren ihre Zielmärkte anhand des Lebensstils der Verbraucher. Die Hersteller von Kosmetika, alkoholischen Getränken und Möbeln sind bestrebt, die Chancen
der Segmentierung nach Lebensstilen zu nutzen. Doch diese ist nicht immer erfolgreich: Nestlés koffeinfreier Kaffee für den Nachtmenschen erwies sich in dem USA als Fehlschlag.
9.1.5.4.2. Persönlichkeit
Oft wird der Markt auch anhand von Persönlichkeitsvariablen segmentiert. Die Unternehmen verleihen
ihrem Produkt eine Markenpersönlichkeit, die der Verbraucherpersönlichkeit entspricht. So wurden in
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den USA der Ford und der Chevrolet in der Werbung der späten 50er Jahre als Autos mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen herausgestellt. Die Ford-Fahrer wurden als unabhängig, impulsiv,
maskulin, aufgeschlossen und selbstbewusst beschrieben, während die Chevrolet-Besitzer konservativ, sparsam, geltungsbewusst, weniger maskulin und bemüht waren, Extreme zu vermeiden.
9.1.5.5. Verhaltensbezogene Segmentierung
Bei der verhaltensbezogenen Segmentierung werden die Käufer auf der Grundlage ihrer Produktkenntnisse, Einstellungen, Verwendungsgewohnheiten oder ihrer Reaktionen auf ein Produkt in Gruppen eingeteilt. iele Marketer sind der Ansicht, dass verhaltensbezogene Variablen – Anlässe, Nutzennachfrage, Verwenderstatus, Verwendungsrate, Markentreue, Stadium der Kaufbereitschaft, Einstellungen – den besten Ausgangspunkt für die Bildung von Marktsegmenten darstellen.
9.1.5.5.1. Anlässe
Die Käufer unterscheiden sich hinsichtlich der Anlässe, zu denen sie ein Bedürfnis entwickeln, ein
Produkt kaufen und es verwenden. So kann z.B. ein Fluggast geschäftlich unterwegs sein, in Urlaub
fliegen oder aus einem familiären Anlass reisen. Eine Fluggesellschaft kann sich also auf Personengruppen spezialisieren, bei denen einer dieser Beweggründe dominiert. Die Chartergesellschaften
etwa erbringen ihre Leistungen für die Gruppe der Urlauber. Die Schweizer Bundesbahn unterscheidet z.B. anlassverursacht zwischen drei Reisemärkten: Markt 1 Beruf, Markt 2 Freizeit und Markt 3
Incoming, der aus Reisenden europäischer und überseeischer Länder besteht.
9.1.5.5.2. Nutzennachfrage
Eine wirksame Form der Segmentierung ist die Klassifizierung der Käufer nach dem Nutzen, den sie
in einem Produkt suchen. Yankelovich wandte diese Methode bei einer Untersuchung über Uhrenkäufe an. Er fand heraus, dass sich etwa 23 % der Käufer aufgrund des niedrigsten Preises zum Kauf
entschlossen, 46 % aufgrund der Haltbarkeit und der allgemeinen Produktqualität und 31 % sich eine
Uhr zur Erinnerung an ein besonderes Ereignis kauften. Damals konzentrierten sich alle größeren
Uhrenhersteller fast ausschließlich auf das dritte Segment: Ihre Produkte waren teuer, als Prestigeobjekt gedacht und exklusiv nur im Uhrenfachhandel und beim Juwelier zu haben. Die U.S. Time Company beschloss, sich den ersten beiden Segmenten zuzuwenden, und schuf dafür die preisgünstigen
Timex-Uhren, die überall und nicht exklusiv auch im fachfremden Einzelhandel erhältlich waren.
9.1.5.5.3. Verwenderstatus
Viele Märkte können in Verwender, Nichtverwender, ehemalige Verwender, potentielle Verwender und
Erstverwender eines Produktes unterteilt werden. Unternehmen mit großen Marktanteilen sind vor
allem daran interessiert, aus potentiellen Verwendern tatsächliche Verwender zu machen, während
kleinere Unternehmen bestrebt sein werden, die Verwender von Konkurrenzmarken zum Umsteigen
auf die eigene Marke zu veranlassen. Potentielle und tatsächliche Verwender erfordern den Einsatz
unterschiedlicher Marketingansätze.
9.1.5.5.4. Verwendungsrate
Eine weitere Möglichkeit der Marktsegmentierung besteht darin, die Kunden nach ihrer Verwendungsrate zu unterteilen. Dann erhält man Segmente, die das Produkt stark, schwach oder kaum verwenden. Die starken Verwender machen oft nur einen geringen Prozentsatz der Marktteilnehmer aus,
haben jedoch einen hohen Anteil am Gesamtkonsum. Die starken Verwender eines Produkts weisen
oft gemeinsame demographische, psychographische und Mediennutzungsmerkmale auf. Das Merkmalsprofil der starken Biertrinker sieht in den USA wie folgt aus: Im Vergleich zu den schwachen Verwendern gehört ein größerer Prozentsatz der Arbeiterschicht an; die starken Biertrinker sind zwischen
25 und 50 Jahre alt; sie sitzen z.B. durchschnittlich mehr als dreieinhalb Stunden täglich vor dem
Fernseher und bevorzugen Sportsendungen.
9.1.5.5.5. Markentreue
Ein Markt lässt sich auch anhand der Markentreue und Lieferantentreue segmentieren. Verbraucher
können einer bestimmten Marke, einem Lieferanten oder einem anderen Bezugsobjekt gegenüber
treu sein.
9.1.5.5.6. Stadium der Kaufbereitschaft
Zu jedem beliebigen Zeitpunkt befinden sich die Verbraucher in verschiedenen Stadien der Bereitschaft, ein Produkt zu kaufen. Einigen ist das Produkt bekannt, anderen nicht; wieder andere sind
über das Produkt informiert; manche sind daran interessiert; einige hätten das Produkt gerne, und
manche wiederum beabsichtigen, es zu kaufen. Der Anteil der Personen in jedem Stadium ist sehr
wichtig für die Gestaltung des Marketingprogramms.
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9.1.5.5.7. Einstellungen
Die Verbraucher in einem Markt lassen sich auch anhand der Einstellungen zum Produkt in Segmente
einordnen. Die Einstellung kann begeistert, positiv, gleichgültig, negativ oder feindlich sein. Ein Beispiel: Die Stimmenwerber der politischen Parteien, die im Wahlkampf von Haus zu Haus gehen, entscheiden anhand der Einstellung des jeweiligen Wählers, wie viel Zeit sie aufwenden wollen. Sie danken demjenigen, der ihre Partei favorisiert, und bitten ihn, am Tag der Wahl auch tatsächlich seine
Stimme abzugeben. Sie bestärken diejenigen, die der Partei grundsätzlich positiv gegenüberstehen.
9.1.6. Grundlagen für die Segmentierung von industriellen Märkten
Bei der Segmentierung von industriellen Märkten lassen sich viele Variablen verwenden, die auch für
die Segmentierung von Konsumgütermärkten eingesetzt werden, z.B. geographische Gegebenheiten,
Nutzenangebote und Verwendungsraten. Es kommen jedoch noch einige neue Variablen hinzu. Bonoma und Shapiro entwickelten die Klassifizierung der Segmentierungsvariablen für industrielle Märkte.
Sie weisen darauf hin, dass die demographischen Variablen am wichtigsten sind, gefolgt von den
operativen, usw. bis hin zu den personengebundenen Eigenschaften des Käufers.
9.1.7. Entwicklung des Kundensegmentprofils
Von jedem Kundensegment, an dem das Unternehmen Interesse entwickelt, sollte ein detailliertes
Profil entwickelt werden. Es reicht nicht, Segmente lediglich als preisbewusst und qualitätsbewusst
gegenüberzustellen. Segmente sind dann am Nützlichsten, wenn sie ausführlicher beschrieben werden, z.B. durch ihre demographischen und psychographischen Eigenschaften, Mediennutzungsgewohnheiten, Einstellungen und Verhaltensweisen.
9.1.8. Erfordernisse für effektives Segmentieren
Es gibt viele Möglichkeiten, einen Markt zu segmentieren, doch nicht alle sind effektiv. So könnte man
z.B. die Käufer von Kochsalz in blonde und brünette Kunden unterteilen; nur ist die Haarfarbe für den
Einkauf von Salz nicht von Belang. Wenn darüber hinaus alle Käufer dieselbe Menge Salz im Monat
erwerben, die Ansicht vertreten, dass es zwischen den einzelnen Salzangeboten keine Unterschiede
gibt, und immer denselben Preis zahlen wollen, ließe sich dieser Markt von der Sichtweise des Marketing aus kaum segmentieren. Nützliche Segmentierungen ergeben sich, wenn die folgenden Erfordernisse gegeben sind: messbar, substantiell, erreichbar, trennbar, machbar.
9.2. Zielmarktbestimmung
Die Marktsegmentierung zeigt dem Unternehmen mögliche Chancen auf. Nun muss es die Attraktivität
der unterschiedlichen Segmente bewerten und entscheiden, wie viele und welche es bearbeiten will.
Im folgenden werden die Methoden der Segmentbewertung und -auswahl näher beschrieben.
9.2.1. Bewertung der Marktsegmente
Bei der Bewertung der Marktsegmente muss das Unternehmen drei Aspekte beachten: Größe und
Wachstum des Segments, strukturelle Attraktivität des Segments und Zielsetzungen und Ressourcen
des Unternehmens.
9.2.1.1. Größe und Wachstum des Segments
Zunächst sollte sich das Unternehmen fragen, ob das potentielle Zielsegment die richtigen Größen
und Wachstumsmerkmale aufweist. Die richtige Größe ist dabei ein relativer Begriff: Die großen Unternehmen bevorzugen Segmente mit hohem Umsatzvolumen und übersehen bzw. vermeiden oft
kleinere Segmente, weil sich dort der Aufwand für sie nicht lohnen würde. Die kleineren Unternehmen
dagegen vermeiden große Marktsegmente, da deren Bearbeitung zu viele Ressourcen erfordert.
Segmentwachstum ist immer erwünscht, da Unternehmen im allgemeinen eine Steigerung ihrer Umsätze und Gewinne anstreben. Gleichzeitig werden aber auch die Konkurrenten verstärkt in wachsende Segmente vordringen und dadurch das Gewinnpotential jedes Anbieters vermindern.
9.2.1.2. Strukturelle Einordnung des Segments
Selbst wenn ein Segment in Größe und Wachstum den Anforderungen genügt, könnte es in Wettbewerbsstruktur und Rentabilitätsaussicht trotzdem unattraktiv sein. Laut Porter sind es fünf Kräfte, welche die inhärente langfristige Attraktivität einer Branche bzw. des Segments bestimmen. Das Unternehmen muss den Einfluss von fünf Kräften auf die langfristige Rentabilität abschätzen: der BranchenKonkurrenten, potentiellen neuen Konkurrenten, Substitutionsprodukte, Käufer und Zulieferer. Neben
dieser Einordnung des Segments in die Wettbewerbsstruktur sollte das Segment auch nach der Port-
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folio-Analyse beurteilt und eingeordnet werden. Hier ist insbesondere die Anwendung der GE-Analyse
nach den Kriterien der Attraktivität des Marktes und der Stärke des eigenen Unternehmens nützlich.
9.2.1.3. Zielsetzungen und Ressourcen des Unternehmens
Auch wenn ein Marktsegment positive Größen- und Wachstumsmerkmale aufweist und strukturelle
attraktiv ist, muss das Unternehmen mit Blick auf dieses Segment seine Zielsetzungen und Ressourcen überprüfen. Einige attraktive Segmente können ausgeschlossen werden, weil sie nicht mit den
langfristigen Zielsetzungen des Unternehmens übereinstimmen. Einzeln betrachtet können diese
Segmente durchaus verlockend sein, ohne jedoch das Unternehmen seinen Zielen näher zu bringen.
Im schlimmsten Fall werden sogar verfügbare Energien von den Hauptzielen abgezogen. Sogar wenn
das Segment den Zielvorstellungen des Unternehmens entspricht, muss das Unternehmen abwägen,
ob es über die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen verfügt, um in diesem Segment erfolgreich
sein zu können.
9.2.2. Auswahl der Marktsegmente
Durch die Bewertung der verschiedenen Marktsegmente hofft das Unternehmen, eines oder mehrere
zu finden, bei denen sich der Eintritt lohnt. Es muss nun entscheiden, welche und wie viele Segmente
es zu Zielmärkten macht. Das Unternehmen kann seine Zielmärkte nach fünf verschiedenen Mustern
zusammenstellen, um so einen größeren Markt teilweise oder ganz abzudecken.
9.2.2.1. Konzentration auf ein einzelnes Segment
Für dieses konzentrierte Marketing lassen sich viele Beispiel anführen: So konzentriert sich Porsche
auf das Marktsegment für teure Sportwagen, Toshiba auf Laptop-Computer und Hewlett-Packard auf
hochwertige Taschenrechner. Mit konzentriertem Marketing baut sich das Unternehmen in seinem
Zielsegment eine starke Position auf, die es seinen umfassenderen Kenntnissen der Segmentbedürfnisse und dem besonderen Ruf verdankt, den es sich hier schafft. Außerdem kann das Unternehmen
durch Spezialisierung in Produktion, Distribution und Absatzförderung die Arbeitsabläufe rationell gestalten. Füllt es dieses Segment gut aus kann es eine hohe Kapitalrendite erzielen. Im einfachsten Fall
wählt das Unternehmen ein einzelnes Marktsegment aus und konzentriert sich darauf.
9.2.2.2. Selektive Spezialisierung
In diesem Fall wählt das Unternehmen mehrere, nach objektiver Beurteilung attraktive Segmente aus,
die jeweils zu seinen Zielsetzungen und Ressourcen passen. Selbst wenn keine oder nur geringe
synergetische Wechselwirkungen zwischen den Segmenten bestehen, sollten in jedem Segment gute
Aussichten auf Gewinne vorhanden sein. Diese Strategie der selektiven Multi-Segment-Abdeckung
hat gegenüber der Abdeckung eines einzelnen Segments den Vorteil, dass das Risiko des Unternehmen gestreut wird. Selbst wenn ein Segment seine Attraktivität einbüßt, kann das Unternehmen in
anderen Segmenten weiterhin Geld verdienen.
9.2.2.3. Produktspezialisierung
Hier konzentriert sich das Unternehmen auf ein bestimmtes Produkt, das es an mehrere Kundengruppen vermarktet. Ein Beispiel wäre ein Produzent, der Mikroskope für die Laboratorien der Universitäten, die staatlichen Forschungsstellen und die freie Wirtschaft herstellt. Das Unternehmen passt die
Mikroskope und die Kundenbetreuung genau den Bedürfnissen der Kundengruppen an und lässt das
Geschäft mit weiteren Produkten für den Laborbedarf außer acht. Durch diese Strategie baut sich das
Unternehmen einen guten Ruf in diesem spezifischen Produktbereich auf. Die Kehrseite ist die Gefahr, dass das Produkt – in diesem Fall Mikroskope – durch eine völlig neue Technologie – in diesem
Beispiel zur Vergrößerung von Kleinstobjekten – verdrängt wird.
9.2.2.4. Marktspezialisierung
Hier spezialisiert sich das Unternehmen darauf, zahlreiche Bedürfnisse einer bestimmten Kundengruppe zufriedenzustellen, z.B. auf eine Produktreihe für Universitätslabors: Mikroskope, Oszilloskope, Bunsenbrenner, Kolben, etc. Dadurch erlangt das Unternehmen den Ruf, für diese Kundengruppe
ein Spezialist zu sein und wird die Bezugsquelle für alle neuen Produkte, die diese Kundengruppe
überhaupt verwenden könnte. Als Kehrseite besteht die Gefahr, dass diese Kundengruppe bei einschneidenden Etatkürzungen ihre Einkäufe bei diesem marktspezialisierten Unternehmen drastisch
zurückfährt.
9.2.2.5. Vollständige Marktabdeckung
In diesem Fall ist das Unternehmen bestrebt, alle Kundengruppen mit sämtlichen Produkten zu versorgen, die sie im weitläufiger definierten Produktmarkt braucht. Die Strategie der vollständigen
Marktabdeckung können nur große Unternehmen verfolgen, z.B. IBM, General Motors und Coca-Cola.
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Großunternehmen können einen Gesamtmarkt auf zwei Arten abdecken, über undifferenziertes oder
differenziertes Marketing.
9.2.2.5.1. Undifferenziertes Marketing
Das Unternehmen könnte die Unterschiede zwischen den Marktsegmenten ignorieren und dem gesamten Markt ein einziges Angebot vorlegen. Es konzentriert sich dann auf die Gemeinsamkeiten in
den Bedürfnissen der Kunden, nicht auf die Unterschiede, und konzipiert ein Produkt und ein Marketingprogramm, das die größtmögliche Anzahl der Käufer ansprechen soll. Es setzt auf Massenvertriebswege und Massenwerbung. Es ist bestrebt, dem Produkt im Bewusstsein der Verbraucher ein
überlegenes Image zu verleihen. Ein Beispiel für undifferenziertes Marketing bietet das Unternehmen
Coca-Cola, das in seiner Anfangszeit nur eine einzige Cola-Sorte in einer Standardflasche und in einer einzigen Geschmacksrichtung für alle Kunden auf den Markt brachte.
9.2.2.5.2. Differenziertes Marketing
Hier bearbeitet das Unternehmen mehrere Segmente und entwickelt für jedes spezielle Programme.
General Motors nimmt das für sich in Anspruch und sagt, man habe das richtige Auto für jede Brieftasche, jeden Zweck und jede Persönlichkeit. Und IBM bietet für die verschiedenen Segmente des
Computermarktes zahlreiche Hardware- und Software-Varianten an. Nixdorf hat sich mit einer solchen
stark ausgeprägten Marketingstrategie trotz relativ schwacher technologischer Fähigkeiten weltweit
eine beachtliche Position geschaffen, bis das Unternehmen durch ein unausgewogenes Technologieund Kostenmanagement in die Krise geriet und von Siemens übernommen wurde. Differenziertes
Marketing verhilft dem Unternehmen im allgemeinen zu höheren Gesamtumsätzen als undifferenziertes Marketing.
9.2.3. Weitere Überlegungen zur Bewertung und Auswahl von Marktsegmenten
In die Bewertung und Auswahl von Marktsegmenten müssen weitere Überlegungen einfließen.
9.2.3.1. Ethische Aspekte bei der Bestimmung von Zielmärkten
Aus dem Zielgruppenmarketing ergeben sich manchmal ethische Kontroversen. Verbraucherschützer
und die Öffentlichkeit empfinden es als unangemessen und anrüchig, wenn Unternehmen bei der
Vermarktung ihrer Produkte solche Zielgruppen verführen oder übervorteilen wollen, die unerfahren,
leichtgläubig oder sozial benachteiligt sind. Dies gilt insbesondere, wenn die vermarkteten Produkte
den Mitgliedern der Zielgruppe möglicherweise schaden können. Der Marketer muss hier ethische
Probleme erkennen, sie abwägen und sich ethisch verantwortlich verhalten.
9.2.3.2. Segmentübergreifende Wechselbeziehungen und Übersegmente
Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, mehr als ein Marktsegment zu bearbeiten, sollte es genau
auf segmentübergreifende Wechselbeziehungen bei der Kostenstruktur, der Leistungserbringung und
der Technologie achten. Es kann sein, dass zwei oder mehr Segment aufgrund gleicher technischer
Erfordernisse, Herstellungsprozesse, Distributionskanäle oder logistischer Systeme gemeinsam bearbeitet werden können. Wenn z.B. ein Unternehmen eine Verkaufsorganisation unterhält, die Vergaser
an die Automobilunternehmen verkauft, könnte es über diese Verkaufsorganisation auch Benzinpumpen anbieten. Bei Kostenverteilung auf beide Produkte hätte das Unternehmen niedrigere Kosten für
den Verkauf von Vergasern als ein anderes Unternehmen, das ausschließlich Vergaser absetzt. Wenn
die Gesamtkosten für die gleichzeitige Bedienung von zwei Marktsegmenten niedriger sind als die
Kosten für die separate Bearbeitung der Segmente, bestehen sog. economies of scope, dh Wirtschaftlichkeitsvorteile durch Festlegung des Geschäftsfeldes.
9.2.3.3. Segmentweises Vordringen
Auch wenn ein Unternehmen vorhat, in ein Übersegment einzudringen, sollte es segmentweise vorgehen und seine großen Pläne geheim halten. Die Konkurrenten dürfen nicht erfahren, in welches
Segment das Unternehmen als nächstes vorrücken will. Leider versäumen es zu viele Unternehmen,
einen Langzeitplan für sein segmentweises Vordingen zu entwerfen, mit dem sie Reihenfolge und
Zeitpunkt ihres Eintretens in die einzelnen Marktsegmente festlegen. Eine Ausnahme bildet PepsiCola und zwar insofern, als sein Angriff auf Coca-Cola in großen Zügen durchdacht war: Zuerst attakkierte Pepsi Coca-Cola in den Lebensmittelgeschäften, dann im Automatengeschäft, in den FastFood-Restaurants, etc. Die japanischen Unternehmen legen ebenfalls den Ablauf ihres Vordringens
fest.
9.2.3.4. Detaillierte Segmentanalyse
Um bei der Auswahl eines Segments möglichst sicher zu gehen, muss das Unternehmen das ausgewählte Segment detailliert analysieren. Auf Stufe 1 wird eine Segmentierung des Marktes nach KunGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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dengruppen und Produkten vorgenommen. Der Umsatz gibt allerdings noch keinen Aufschluss über
das relative Gewinnpotential in den Segmente. Dieses hängt von der Marktnachfrage, den Kosten des
Unternehmens und der Wettbewerbsentwicklung in jedem Teilmarkt ab. Auf den Stufen 2 und 3 wird
aufgezeigt, wie einer der Produkt-Teilmärkte detailliert untersucht werden kann.
10. Differenzierung und Positionierung
Nehmen wir an, ein Unternehmen hat seine möglichen Zielmärkte erforscht und ausgewählt, in welchem es tätig sein will. Falls es als einziges Unternehmen in einem Zielmarkt tätig ist, kann es in der
Regel die Preise so gestaltet, dass dabei ein Gewinn erzielt wird. Wenn es die Preise zu hoch ansetzt
und der Zielmarkt keine wesentlichen Eintrittsbarrieren aufweist, werden Wettbewerber in diesen
Markt eintreten und das Preisniveau senken. Falls mehrere Wettbewerber im gleichen Zielmarkt tätig
sind und ihre Produkte nicht differenzieren, werden die meisten Käufer den Anbieter mit den niedrigsten Preisen wählen. Die anderen Anbieter sind dann gezwungen, ihre Preise zu senken.
10.1. Grundlagen zur Differenzierung und Positionierung
10.1.1. Differenzierungsmöglichkeiten
Für die Entwicklung der Marketingstrategie muss das Unternehmen entscheiden, ob und wie stark es
sich vom Wettbewerb differenzieren und somit Wettbewerbsvorteile erlangen kann. Die Differenzierungsmöglichkeiten sind je nach Branche unterschiedlich groß. In manchen Branchen kann durch
Differenzierung eine Vielzahl unterschiedlicher Wettbewerbsvorteile gewonnen werden, in anderen ist
dies kaum möglich. Die Boston Consulting Group schlägt eine Unterteilung der Branchen in vier Kategorien vor. Die Grundlagen für die Einstufung jeder Branche in eine der Kategorien sind dabei die
mögliche Größe der Wettbewerbsvorteile und die mögliche Anzahl der Ansätze, um einen Wettbewerbsvorteil zu realisieren.
10.1.2. Differenzieren und Positionieren aus Sicht der Käufer
Wenn Käufer und potentielle Käufer die Wahl zwischen Anbietern sowie deren Produkten und Marken
haben, stehen sie vor einer mentalen Herausforderung. Die Herausforderung besteht aus mehreren
Teilprozessen. Sie müssen entscheiden, ob sie Unterschiede zwischen Vergleichsobjekten suchen
wollen oder nicht. Wenn sie der Meinung sind, dass keine Unterschiede bestehen oder die Unterschiede trivial und wertlos sind, dann bleibt nur ein einfacher Preisvergleich übrig. Vermuten sie dagegen, dass die Unterschiede von Bedeutung und Wert sein könnten, dann müssen sie zunächst die
Unterschiede feststellen, dh sie müssen differenzieren.
10.1.3. Kriterien für Differenzierung und Positionierung
Bei der Differenzierung und Positionierung geht es darum, Unterschiede herauszustellen und effektiv
zu kommunizieren. Nicht alle Markenunterschiede sind von Bedeutung oder Wert. Nicht jeder Unterschied stellt eine wirkungsvolle Differenzierung dar oder biete eine Grundlage zur Positionierung. Kosten und potentielle Chancen müssen abgewogen werden. Die Einführung eines möglichen Unterschiedes und kommunikative Maßnahmen zur verstärkten Wahrnehmung dieses Unterschiedes sollten dann durchgeführt werden, wenn folgenden Kriterien in ausreichendem Maße erfüllt sind: Substantialität, Hervorhebbarkeit, Überlegenheit, Kommunizierbarkeit, Vorsprungssicherung, Bezahlbarkeit, Nachhaltigkeit.
10.2. Differenzierung und Instrumente
!
Die Differenzierung ist aus Sicht des Anbieters wie folgt definiert: Differenzierung ist der Vorgang,
durch den sinnvolle Unterschiede in das Design eines Produktangebots integriert werden, um das
eigene Angebot vom Angebot der Wettbewerber abzuheben.
10.2.1. Differenzierung durch das Produkt
Als ein Extrem des möglichen Produktspektrums finden wir hochstandardisierte Erzeugnisse mit relativ wenig Möglichkeiten zur Differenzierung, wie z.B. Brathähnchen, Stahlprodukte, Nägel und
Schrauben sowie Glühbirnen. Aber sogar bei solchen Produkten können die Hersteller Differenzierungen herausarbeiten. In den USA behauptet z.B. Frank Perdue, dass seine Brathähnchen besser seien
als andere, und ist in der Lage, für seine Brathähnchen-Marke einen um 10 % höheren Preis zu erzielen. Die gleiche Stahlsorte von zwei unterschiedlichen Herstellern kann, obwohl beide der Industrienorm entsprechen, in der Konsistenz und anderen Materialeigenschaften Unterschiede aufweisen.
Elektromotoren verschiedener Herstellung können, obwohl beide die Industrienorm erfüllen, unterschiedlich zuverlässig oder wartungsintensiv sein.
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10.2.1.1. Produktausstattungselemente
Jedes Produkt kann mit unterschiedlichen Ausstattungselementen angeboten werden. Das sogenannte nackte Grund- oder Basismodell, also die Produktausführung ohne jegliche Extras, ist der Ausgangspunkt. Durch Hinzufügen eines oder mehrerer Ausstattungselemente hat der Hersteller die Möglichkeit, gehobene Modelle anzubieten. Bei Autos beispielsweise kann der Käufer als Extras elektrische Fensterheber, Automatikgetriebe, Klimaanlage, Stereo-Autoradio und vieles andere bestellen.
Der Hersteller muss festlegen, welche Ausstattungselemente serienmäßig angeboten und welche auf
Wunsch eingebaut werden.
10.2.1.2. Produktleistung
Die Produktleistung ergibt sich daraus, wie gut das Produkt die wesentlichen Leistungsanforderungen
des Kunden erfüllt. Ein Mercedes leistet z.B. mehr als ein Volkswagen, wenn die Fahrt mit ihm den
Benutzer weniger anstrengt, wenn sich der Mercedes im Verkehr besser beherrschen lässt, schneller
beschleunigt und mehr Sicherheit bietet. Ein IBM-Computer leistet mehr als ein Siemens-Computer,
wenn er benutzerfreundlicher ist, Berechnungen schneller durchführt und einen größeren Arbeitsspeicher hat. Die Käufer teurer Produkte vergleichen in der Regel die Leistungseigenschaften unterschiedlicher Marken. Sie sind in der Regel bereit, für ein Produkt mit höherer Leistung mehr zu bezahlen,
wenn sie den Leistungsunterschied höher bewerten als den Kostenunterschied.
10.2.1.3. Konformität
Kunden erwarten von Produkten eine hohe Konformität. Unter Konformität versteht man das Ausmaß,
in dem das Produkt in seinen Eigenschaften mit einem planmäßig aufgestellten Standard übereinstimmt. Es handelt sich also um die Übereinstimmung der Leistungserfüllung und anderer Merkmale
mit zuvor aufgestellten Spezifikationen. Wenn z.B. für einen Porsche 911 spezifiziert wurde, dass er
von 0 auf 100 Stundenkilometer in 6,5 Sekunden beschleunigt und dann jeder Porsche 911 dies tatsächlich kann, ist die Beschleunigungskonformität des Autotyps sehr hoch. Wenn jedoch innerhalb
eines Autotyps von Auto zu Auto Beschleunigungsunterschiede bestehen, ist die Leistungskonformität
gering.
10.2.1.4. Haltbarkeit
Haltbarkeit ist für die meisten Käufer äußerst wichtig. Die Haltbarkeit ist ein Maß für die erwartete
Nutzbarkeitsdauer eines Produkts. Volvo hat z.B. in seiner Werbung darauf hingewiesen, dass seine
Automobile in Schweden unter rauem Klima unter den dortigen Automarken am langjährigsten gefahren werden, um damit einen hohen Kundennutzen zu zeigen und einen hohen Preis zu rechtfertigen.
Käufer sind in der Regel bereit, für das haltbarerer Produkt mehr zu zahlen. Es gibt jedoch auch hier
einige Einschränkungen.
10.2.1.5. Zuverlässigkeit
Käufern sind zuverlässige Produkte in der Regel mehr wert. Die Zuverlässigkeit ist ein Maß für die
Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Leistungsstörung auftritt. Beispielsweise wäre ein Mercedes zuverlässiger als ein Ford, wenn die Chance, dass innerhalb von fünf
Jahren keine Reparatur notwendig ist, beim Mercedes 90 % und beim Ford 60 % betragen würde. Die
Käufer sind bereit, für Produkte mit dem Ruf höherer Zuverlässigkeit mehr zu bezahlen. Sie möchten
die Kosten der Leistungsstörung und Ausfallzeiten vermeiden.
10.2.1.6. Instandsetzbarkeit
Käufer bevorzugen Produkte mit leichter Instandsetzbarkeit. Die Instandsetzbarkeit drückt aus, wie
leicht und schnell eine Leistungsstörung behoben werden kann. Wenn ein Auto z.B. aus vielen standardisierten Komponenten hergestellt ist, die sich leicht austauschen lassen, ist eine Reparatur relativ
einfach. Im Idealfall sollte eine Reparatur so mühelos sein, dass Benutzer das Produkt selbst mit wenig Aufwand an Kosten und Zeit instandsetzen können. Der Käufer nimmt in diesem Fall einfach das
defekte Teil heraus und setzt das Ersatzteil ein.
10.2.1.7. Styling
Käufer sind in der Regel gewillt, für Produkte mit attraktivem Stil mehr auszugeben. Durch das Styling
wird im wesentlichen mitbestimmt, wie gut ein Produkt aussieht und wie sich der Käufer damit fühlt.
Viele Autokäufer sind bereit, für einen Jaguar einen Aufpreis wegen seines außergewöhnlichen Stylings zu bezahlen, obwohl sein Ruf bezüglich der Zuverlässigkeit nicht besonders gut ist. Automobilunternehmen beanspruchen bisweilen die Dienste von Stylisten wie Pininfarina, um einem Modell ein
besonderes Styling zu verpassen. Einige Unternehmen haben einen besonderen Ruf hinsichtlich des
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Stylings ihrer Produkte, wie z.B. Olivetti bei Büromaschinen, Bang & Olufsen bei Stereogeräten und
Swatch bei Uhren.
10.2.1.8 Produktdesign als integrative Kraft
Beim intensivem Wettbewerb ist Design eines der wichtigsten Mittel zur Differenzierung und Positionierung. Design ist die Gesamtheit aller in das Produkt integrierter Attribute, die beeinflussen, wie das
Produkt im Hinblick auf die Kundenerfordernisse aussieht und funktioniert. Alle oben geschilderten
Produkteigenschaften sind im Grunde genommen Designparameter. Wird die Vielfalt aller Kombinationsmöglichkeiten einkalkuliert und beachtet, da viele Eigenschaften aufeinander abgestimmt sein
müssen, dann wird klar, wie schwierig die Aufgabe ist, ein gutes Produktdesign zu entwickeln. Der
Designer muss herausfinden, wie viel Aufwand in die Entwicklung von Ausstattungsmerkmalen, Produktleistung, Konformität, Zuverlässigkeit, Instandsetzbarkeit, Styling, usw. investiert werden soll.
10.2.2. Differenzierung durch Serviceleistungen
Zusätzlich zur Differenzierung der materiellen Eigenschaften des Produkts kann ein Unternehmen sich
selbst und sein Angebot auch durch den mit dem Produkt verbundenen Service differenzieren. Wenn
das materielle Produkt nicht genügend Differenzierungspotential bietet, liegt der Schlüssel zum Erfolg
im Wettbewerb oft bei der Qualität und beim Umfang der Serviceleistungen. Die wichtigsten Komponenten werden im folgenden diskutiert.
10.2.2.1. Auftragshilfen
Auftragshilfen bestimmen, wie leicht es den Kunden gemacht wird, Bestellungen und Aufträge an das
Unternehmen durchzugeben. Baxter Healthcare hat z.B. Krankenhäuser mit Computerterminals ausgerüstet, durch die Aufträge direkt an Baxter gehen. Banken und Sparkassen sind dabei, ihre Kunden
mit Software für das Homebanking zu versorgen, durch welche Bankinformationen und -aufträge effizienter abgewickelt werden können.
10.2.2.2. Zustellung
Durch seine Zustellungsleistungen bestimmt das Unternehmen, wie gut und effektiv das Produkt dem
Kunden zugestellt wird. Hierzu gehören die Lieferzeit, die Einhaltung des gewünschten Zeitpunkts und
die Sorgfalt im Zustellungsprozess. Käufer wählen oft den Anbieter, der den besseren Ruf bezüglich
Lieferfähigkeit und pünktlicher Zustellung hat. Die Geschwindigkeit und Verlässlichkeit der Zustellung
ist für viele Kunden wichtig und stellt für manche Unternehmen, insbesondere im Direktmarketing,
einen wesentlichen Baustein der Marketingstrategie dar. Viele Versandhäuser bieten deshalb z.B.
eine Expresszustellung der bestellten Ware an.
10.2.2.3. Installation
Unter Installation werden die Tätigkeiten zusammengefasst, die erbracht werden müssen, um ein
Produkt am geplanten Einsatzort funktionsfähig zu machen. Käufer von komplexen Ausrüstungsgegenständen und –anlagen erwarten gute Installationsleistungen vom Anbieter. Hier kann es von Anbieter zu Anbieter große Qualitätsunterschiede geben. IBM verfolgt z.B. die Politik, alle bestellten Ausrüstungsgegenstände gleichzeitig zum Einsatzort zu bringen und dort zu installieren, statt schrittweise
Teilinstallationen vorzunehmen, wodurch die bereits installierten Anlagenteile ungenutzt herumstehen
würden. Wenn IBM gebeten wird, IBM-Computerausrüstungen an einen anderen Einsatzort zu bringen und dort zu installieren, so ist das Unternehmen auch bereit, Anlagen von Wettbewerben und
Büromöbel zum gleichen Einsatzort mitzunehmen.
10.2.2.4. Kundenschulung
Kundenschulung heißt, dass der Anbieter die Mitarbeiter von Kunden darin schult, seine Produkte und
Ausrüstungsgegenstände fachgerecht und effizient anzuwenden oder zu bedienen. So sehen es Siemens und General Electric als ihre Aufgabe an, teure medizinisch-technische Geräte nicht nur zu verkaufen und in den Krankenhäusern zu installieren, sondern auch die Verantwortung für die Schulung
der Benutzer zu übernehmen. Technisch komplexe Anlagen lassen sich an Kunden in Entwicklungsländern ohne Anwenderschulung praktisch nicht verkaufen. Die Qualität der Anwenderschulung entscheidet darüber, ob der Kunde von der Anlage letztendlich den erwarteten Nutzen hat und sich bei
zukünftigen Bestellungen an dasselbe Unternehmen wenden wird. Deshalb verkauft IBM nicht nur
Rechner aller Größenklassen, sondern bietet auch ein umfangreiches Schulungsprogramm für seine
Kunden an.
10.2.2.5. Kundenberatung
Kundenberatungsleistungen umfassen Daten- und Informationssysteme zur Problemlösungs-, Anwendungs- und Kaufberatung, die der Anbieter den Käufern gratis oder gegen Gebühr zur Verfügung
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stellt. Viele Hersteller, aber auch Großhändler, helfen ihren direkten Kunden, z.B. den Einzelhändlern,
rationelle und computergestützte Bestell- und Lagerverwaltungssysteme, Buchführungssysteme, etc.
einzuführen. Dadurch wird das Verhältnis zu diesen Kunden verbessert und die Arbeit mit ihnen wirtschaftlich rationeller gestaltet. So bietet die Continental Gummiwerke AG, Hannover, ihren Kunden ein
Dienstleistungspaket Unternehmensberatung an. Im Mittelpunkt dieses Dienstleistungspakets steht
zunächst die Erstellung eines Stärken- und Schwächenprofils des betreffenden Handelsunternehmens.
10.2.2.6. Instandsetzung und Instandhaltung
Auch mit diesen Dienstleistungen hat der Anbieter eine Chance, sich zu differenzieren. Caterpillar z.B.
behauptet, überall in der Welt einen äußerst schnellen und guten Instandsetzungsdienst für schwere
Baugeräte bieten zu können. Für Autokäufer ist die Qualität und Verfügbarkeit der Instandsetzungsdienstleistungen, die sie von ihrem Händler oder Hersteller erwarten, wichtig für die Kaufentscheidung. Rolls-Royce gibt an, dass notfalls ein Automechaniker per Hubschrauber eingesetzt werden
würde, wenn das Auto an einem unwegsamen Ort liegen bleiben sollte. Siemens bietet für seine
Computertomographen Reparaturdienste per Computerfernverbindung an.
10.2.2.7. Sonstige Dienstleistungen
Die Anbieter können viele andere Wege gehen, um den Wert ihres Angebots durch Dienstleistungen
zu differenzieren. Ein Unternehmen kann z.B. bessere Garantieleistungen oder Wartungsverträge
anbieten als seine Wettbewerber. Es kann für Stammkunden spezielle Dienstleistungen einrichten,
wie dies z.B. die Luftfahrtgesellschaften tun. Die Möglichkeiten für einen Anbieter, durch bestimmte
Dienstleistungen dem Kunden einen Zusatznutzen zu verschaffen und sich somit von den Wettbewerbern zu differenzieren, sind fast unbegrenzt.
10.2.3. Differenzierung durch die Mitarbeiter
Unternehmen können einen Wettbewerbsvorteil auch dadurch erringen, dass sie bessere und motiviertere Mitarbeiter einstellen und sie gründlicher ausbilden, als es ihre Wettbewerber tun. So verfügen z.B. Fachgeschäfte im Vergleich zu Kaufhäusern über fachlich besser qualifiziertes Personal, das
die Kunden eingehend beraten kann. Die gute Reputation von Singapore Airlines beruht zum großen
Teil darauf, dass die Fluggäste durch ausgesprochen gutaussehendes und anmutiges Personal betreut werden. Die Mitarbeiter von McDonald’s sind besonders freundlich zu den Kunden, und die Mitarbeiter von IBM zeigen ein sehr professionelles Auftreten. Japanische Kaufhäuser gehen so weit,
dass sie an den Türen und Fahrstühlen Mitarbeiter einsetzten, die den Kunden mit einem freundlichen
Willkommensgruß empfangen.
10.2.4. Differenzierung durch Distribution
Unternehmen können sich durch ihr Distributionssystem differenzieren. Dazu gehören die Art des
Absatzweges, der Abdeckungsgrad, die Fachkompetenz der Systemmitglieder und die Leistung des
Systems. Der Erfolg von Caterpillar im Baumaschinensektor wird zum Teil auf ein überlegenes Distributionssystem zurückgeführt. Caterpillar hat mehr Händler und mehr Distributionspunkte als seine
Wettbewerber. Die Händler sind in der Regel besser geschult und erbringen Distributionsleistungen
zuverlässiger.
10.2.5. Differenzierung durch Identitätsgestaltung
Je nach Image der Marke oder des Anbieters kann ein Produkt, selbst wenn es sich von Wettbewerberprodukten ansonsten kaum unterscheidet, dem Käufer Unterschiedliches bedeuten. Er lässt sich
dann durch das Image in seiner Markenwahl leiten. Das zeigt sich sehr deutlich bei Zigaretten. Die
meisten Zigaretten sind allein vom Geschmack her kaum zu unterscheiden und werden über die gleichen Kanäle auf die gleiche Weise verkauft. Sie sind jedoch unterschiedlich erfolgreich.
10.2.5.1. Symbole
Zum Aufbau eines starken Images gehören ein oder mehrere Symbole, welche die Wiedererkennung
des Unternehmens oder der Marke fördern. Solche Symbole werden auch Markenlogo oder Firmenlogo genannt. Sie sollten so gestaltet sein, dass man sie sofort wiedererkennt. Auch Objekte, Farben
und Töne können eine Symbolfunktion ausüben. So ist der Mercedes-Stern das weltweit bekannteste
Markensymbol überhaupt.
10.2.5.2. Printmedien und audiovisuelle Medien
Die gewählten Symbole müssen in Werbebotschaften eingearbeitet werden, die das Persönlichkeitsprofil des Unternehmens oder der Marke übermitteln. Die imagebildende Werbebotschaft soll mit einem Element, das sie hervorhebt und einprägsam wirkt, ausgestattet sein, wie z.B. einem StimGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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mungsbild, einer Begebenheit oder einem Leistungsversprechen. Die Botschaft sollte auch in anderen
Kommunikationsträgern treffend ausgedrückt werden können, wie z.B. in Jahresberichten, Broschüren
und Katalogen. Auch die im Geschäftsverkehr des Unternehmens verwendeten Papiere, wie z.B.
Briefböen und Visitenkarten, sollten in ihrer Aufmachung das vom Unternehmen angestrebte Image
zum Ausdruck bringen.
10.2.5.3. Atmosphärische Gestaltung
Die Anlagen und Gebäude, in denen das Unternehmen seine Produkte und Dienstleistungen herstellt
oder bereitstellt, können ebenfalls imageprägend gestaltet werden. So wirkt z.B. bei den Hyatt-Hotels
die großzügig im Stil eines Atriums angelegte Lobby imageprägend. Banken gestalten die Atmosphäre
in ihren Schalterräumen ebenfalls imagefordernd. Bei Restaurants ist die atmosphärische Gestaltung
besonders imageprägend. Im China-Restaurant wird z.B. chinesisches Dekor und chinesisches Personal erwartet.
10.2.5.4. Ereignis-Sponsoring
Das Unternehmen kann sein Image dadurch prägen, dass es bestimmte Arten von Ereignissen und
Veranstaltungen als Sponsor fördert. Der Mineralwasseranbieter Perrier machte in den USA z.B. dadurch besonders auf sich aufmerksam, dass er die Einrichtung von Trimm-dich-Pfaden förderte und
als Sponsor für Sportereignisse auftrat, die der Gesundheit der Menschen dienen sollten. Andere Organisationen tun sich als Sponsoren von besonderen Sport- und Kulturereignissen, wie Sinfoniekonzerten oder Kunstausstellungen, hervor. Einige Organisationen treten auch durch die Unterstützung
bestimmter sozialer Anliegen und Hilfsaktionen mit Sachmitteln oder Geldspenden in den Vordergrund.
10.3. Entwicklung der Positionierungsstrategie
Nicht alle Käufer werden erkennen – oder daran interessiert sein zu erfahren – inwiefern sich die Marke von anderen unterscheidet. Es ist auch nicht zweckmäßig, dass das Unternehmen jedem möglichen Käufer alle Unterschiede bis ins letzte Detail beschreibt. Jedes Unternehmen sollte eher die
ausgewählten Unterschiede herausstellen, die für seinen Zielmarkt am sinnvollsten sind. Es sollte ein
fokussierte Positionierungsstrategie entwickeln, die vereinfachend Positionierung genannt und wie
folgt definiert wird: Positionierung ist das Bestreben des Unternehmens, sein Angebot so zu gestalten,
dass es im Bewusstsein des Zielkunden einen besonderen, geschätzten und von Wettbewerbern abgesetzten Platz einnimmt. Eine Positionierung ist dann am stärksten, wenn die Marke im Bewusstsein
des Zielkunden einen bestimmten Begriff in alleiniger Stellung besitzt.
10.3.1. Anzahl der herausgestellten Unterschiede
Viele Marketer setzten sich stark dafür ein, nur einen einzigen Produktnutzen im Zielmarkt – diesen
dann aber aggressiv – herauszustellen. Rosser Reeves forderte z.B., dass das Unternehmen ein unverwechselbares Nutzenangebot für jede Marke entwickeln und langfristig bei diesem Angebot bleiben
sollte. So hebt die Zahncrememarke Colgate konsequent immer wieder den Schutz gegen Karies
hervor, und Mercedes betont seine lange Tradition der Qualität. Auch die Autoren Ries und Trout vertreten die Auffassung, dass man sich mit einer bestimmten, immer gleich bleibenden Werbebotschaft
positioniert. Laut Ries und Trout sollte man eine Produkteigenschaft bestimmen und möglichst laut
verkünden, dass man bei dieser Produkteigenschaft die Nummer eins ist.
10.3.2. Auswahl der herausgestellten Unterschiede
Ein Unternehmen sollte seine wesentlichen Stärken besonders herausstellen, vorausgesetzt, dass der
Zielmarkt diesen Stärken einen Wert beimisst. Das Unternehmen sollte aber auch erkennen, dass es
seine Positionierung nur durch einen fortwährenden Prozess aufrechterhalten oder in eine gewünschte Richtung verschieben kann.
10.4. Kommunizieren der Positionierung
Das Unternehmen muss nicht nur eine klare Positionierungsstrategie entwickeln, sondern muss diese
Strategie auch auf effektive Weise kommunikativ unterstützen. Nehmen wir an, ein Anbieter wählt für
sich das Positionierungsziel Qualitätsführer. Dann muss er sicherstellen, dass er diesen Anspruch
auch überzeugend kommunizieren kann. Qualität kann kommuniziert werden, indem besondere Qualitätsindikatoren herangezogen werden, an denen die Kunden in der Regel Qualität erkennen. Qualität
lässt sich auch durch andere Elemente des Marketing-Mix vermitteln.
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11. Entwicklung und Einführung neuer Produkte
Wenn das Unternehmen den Markt segmentiert, seine Zielkunden ausgesucht und über die angestrebte Positionierung seines Angebots im Markt entschieden hat, dann hat es eine gute Ausgangsposition für die Entwicklung und Einführung neuer Produkte. Statt diese Aufgabe allein der F&EAbteilung zu überlassen, müssen das Marketing und andere Abteilungen des Unternehmens aktiv an
jeder Stufe im Produktentwicklungsprozess teilnehmen. Dem Marketing-Management kommt bei diesem Produktinnovationsprozess eine Schlüsselrolle zu. Jedes Unternehmen muss neue Marktbedürfnisse und -chancen erkennen und darauf mit geeigneten und effektiven Produktlösungen reagieren.
Neue Produkte und Geschäftsfelder müssen gefunden werden, damit das Unternehmen nicht
schrumpft, sondern wächst.
11.1. Risikoabwägung bei der Entwicklung neuer Produkte
Angesicht des intensiven Wettbewerbs in den meisten Branchen riskieren die Unternehmen, die keine
neuen Produkte entwickeln, sehr viel. Ihre Produkte sind dann anfällig für sich verändernde Verbraucherbedürfnisse und -geschmäcker, neue Technologien, verkürzte Lebenszyklen und zunehmende inund ausländische Konkurrenz. Doch auch die Neuproduktentwicklung kann sehr riskant sein. Texas
Instruments verlor 660 Mio. $, bis man sich schließlich vom Heimcomputermarkt zurückzog, RCA
macht einen Verlust von 500 Mio. $ mit seinen erfolglosen Bildplattenspielern und Ford von 250 Mio. $
mit dem verunglückten Modell Edsel; Du Pont verlor schätzungsweise 100 Mio. $ mit einem Kunstleder namens Corfam; und die französische Concorde wird die in dieses Flugzeug investierten Summen
nie wieder einfliegen. Die Misserfolgsquote bei neu eingeführten Produkten ist beunruhigend hoch.
11.2. Führungsgrundlagen für die Produktentwicklung
Letztendlich ist die Unternehmensleitung für die Erfolgsbilanz bei neuen Produkten verantwortlich. Es
genügt nicht, einen Neuproduktmanager zu beauftragen, sich gute Ideen einfallen zu lassen. Eine
Studie von Booz, Allen & Hamilton zeigt auf, wie die bei Produktinnovationen erfolgreichsten Unternehmen vorgingen: Sie budgetierten längerfristig genügend Ressourcen für die Produktneuentwicklung. Sie planten eine Neuproduktstrategie als Teil ihres strategischen Gesamtplanes. Sie richteten
eine formal beschriebene und durchdachte Struktur für die Führung und den Ablauf der Produktentwicklung ein.
11.2.1. Akzeptanzkriterien
Vom Management müssen Akzeptanzkriterien für neue Produktideen festgelegt werden. Dies ist besonders in Großunternehmen mit mehreren Sparten und Geschäftsbereichen wichtig, wo alle möglichen Projekte, darunter auch die Lieblingskinder einzelner Manager, herumgeistern können, ohne
dass sie zielgerichtet und offen an Kriterien bemessen weiterverfolgt werden.
11.2.2. Budgetierung
Von der Unternehmensleitung muss für die Neuproduktentwicklung ein angemessenes Budget festgelegt werden. Dies ist keine einfache Aufgabe. Die Resultate von F&E-Anstrengungen sind in der Regel
ungewiss, so dass es schwer fällt, die bei der Investitionsrechnung üblichen Kriterien anzuwenden.
Manche Unternehmen lösen das Budgetierungsproblem, indem sie so viele Projekte wie finanziell
möglich aufnehmen und hoffen, ein paar Erfolge darunter zu erzielen. Andere nehmen als F&EBudget jeweils einen festen Anteil des Umsatzes oder geben einfach genauso viel aus wie die Konkurrenz.
11.2.3. Führungsstruktur
Zur Neuproduktentwicklung ist eine effektive Führungsstruktur in der Organisation erforderlich. Hierzu
gibt es folgende Alternativen: Produktmanager, Neuproduktmanager, Neuproduktausschüsse, Neuproduktabteilungen, interne Projektgruppen für die Neuproduktentwicklung.
11.2.4. Ablauforganisation
Sieht die Erfolgsbilanz eines Unternehmens bei der Neuproduktentwicklung schlecht aus, ist die Ursache häufig eine mangelnde Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen, dh es liegt eine
schlechte Ablauforganisation vor. Das traditionelle Ablaufmodell der Innovationstätigkeit sieht so aus,
dass zunächst die F&E-Abteilung eine gute Produktidee findet und erforscht; dann erstellen die Ingenieure einen Konstruktionsentwurf; dann geht dieser Entwurf zur Fertigung, und das fertige Produkt
kommt in den Vertrieb. Doch dieser sequentielle Produktentwicklungsprozess bringt viele Probleme
und Verzögerungen in Form von Entwicklungsschleifen mit sich. Oft schickt die Fertigung den Konstruktionsentwurf mit der Begründung an die Ingenieure zurück, sie könne das Produkt nicht zu den
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vorgesehenen Kosten herstellen; dann gestalten die Ingenieure den Entwurf um. Oder später, wenn
der Vertrieb das Produkt dem Kunden vorführt, stellt sich unter Umständen heraus, dass es nicht zum
vorgesehenen Preis verkauft werden kann, weil die Verbraucherbedürfnisse und Wünsche durch das
Produkt nicht ausreichend zufriedengestellt sind.
11.3. Phasen bei der Entwicklung neuer Produkte
Als nächstes sollen nun die wichtigsten Aufgaben in jeder Phase des Produktentwicklungsprozesses
untersucht werden. Insgesamt gibt es acht Phasen: Ideengewinnung, Ideenvorauswahl, Konzeptentwicklung und -erprobung, Erarbeitung der Marketingstrategie, Wirtschaftlichkeitsanalyse, technische
und marktmäßige Produktentwicklung, Markterprobung und Markteinführung.
11.3.1. Ideengewinnung
Der Entwicklungsprozess beginnt mit der Suche nach Ideen. Diese sollte nicht dem Zufall überlassen
werden. Das Unternehmen sollte Ziele und Schwerpunkte für seine Produkte und Märkte festlegen. Es
bestimmt damit, wie viel Energie auf Ideen zur Entwicklung bahnbrechender Produkte, Modifizierung
existierender Produkte sowie das Kopieren von Konkurrenzprodukten verwendet wird. Diese Energie
geht in die Suche nach Ideen und Anregungen bei verschiedenen Quellen für neue Produktideen und
auch in gezielt genutzte Techniken der Ideengewinnung.
11.3.1.1. Quellen für neue Produktideen
Ideen für neue Produkte können aus vielen Quellen stammen: von Kunden, Wissenschaftlern, Konkurrenten, den eigenen Verkäufern, Zwischenhändlern oder von den Managern des Unternehmens. Neue
Produktideen können auch aus anderen Quellen kommen, z.B. von Erfindern und Patentanwälten,
aus den Labors der Universitäten und Forschungsinstituten, von Unternehmensberatern, Werbeagenturen, Marketingforschungsinstituten und aus Fachzeitschriften. Ideen können also aus vielen Quellen
stammen, doch die Beachtung, die man ihnen schenkt, hängt oft davon ab, ob sich jemand innerhalb
des Unternehmens zum Verfechter und Promoter dieser Idee macht. Wenn niemand da ist, der sich
persönlich für die Produktidee begeistert und sich stark dafür engagiert, wird sie kaum ernsthaft weiterverfolgt werden.
11.3.1.2. Techniken der Ideengewinnung
Gute Ideen können mit Kreativitätstechniken entstehen, die von Einzelpersonen oder Gruppen eingesetzt werden. Dazu gehören: Merkmalsauflistung, Gegenstandsverknüpfung, morphologische Analyse, Bedürfnis- und Problemanalyse, Brainstorming und Synektik.
11.3.1.2.1. Merkmalsauflistung
Bei dieser Technik geht es darum, zunächst die wichtigsten Merkmale eines existierenden Produkts
aufzulisten und anschließend die Merkmale zu modifizieren, um ein besseres Neuprodukt zu finden.
Nehmen wir einen Schraubenzieher: Seine Merkmale sind: ein runder Stahlschaft; ein hölzerner Griff,
der manuell bedient wird; ein Drehmoment, das durch Drehung erzeugt wird. Nun wird eine Gruppe
gebeten, mögliche Merkmalsmodifizierungen vorzuschlagen, um die Leistung oder Attraktivität des
Produkts zu verbessern. Aus dem runden Schaft könnte dann ein sechseckiger werden, so dass man
mit Hilfe eines Schraubenschlüssels das Drehmoment verstärken könnte; elektrische Energie könnte
die manuelle Energie ersetzen; das Drehmoment könnte auch durch Druckbewegung anstelle einer
Drehbewegung erzeugt werden. Osborn weist darauf hin, dass die Gewinnung guter Ideen stimuliert
werden kann, wenn man an ein Objekt und seine Merkmale mit folgenden Fragen herangeht; Anders
verwenden? Anpassen? Vergrößern? Verkleinern? Ersetzen? Umgestalten? Umkehren? Kombinieren?
11.3.1.2.2. Gegenstandsverknüpfung
Hier werden mehrere Gegenstände aufgelistet und dann in Beziehung zueinander gesetzt. So wollte
z.B. ein Büromöbelhersteller einen Schreibtisch für Manager konstruieren. Dafür wurden eine Reihe
von Gegenständen aufgelistet: der Schreibtisch selbst, Bildschirm, Uhr, Computer, Kopierer, Bücherablage, etc. Das Resultat war ein vollelektronischer Schreibtisch mit einem Steuerpult, das dem im
Cockpit eines Flugzeugs ähnelt. Hewlett Packard verknüpfte die Faxmaschine, den Anrufbeantworter
und die Kopiermaschine zu einem Gerät.
11.3.1.2.3. Morphologische Analyse
Mit dieser Methode werden die strukturellen Dimensionen eines Problems ermittelt und ihre Beziehungen zueinander untersucht. Nehmen wir an, das Problem wird so beschrieben: Ein Objekt ist mit
Hilfe eines kraftbetriebenen Beförderungsmittels von einer Stelle an eine andere zu befördern. Die
relevanten Dimensionen sind dann die Art des Beförderungsmittels, das Medium und die Kraftquelle.
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Dann kann man seiner Phantasie freien Lauf lassen und jede mögliche Kombination durchdenken. Ein
wagenartiges Beförderungsmittel, das von einem Verbrennungsmotor betrieben wird und sich auf
Schnee fortbewegt, ist z.B. das Schneemobil.
11.3.1.2.4. Bedürfnis- und Problemanalyse
Die bisher geschilderten Kreativitätstechniken erfordern keinen direkten Beitrag der Kunden zur
Ideengewinnung. Die Bedürfnis- und Problemanalyse dagegen setzt beim Kunden an. Die Kunden
werden nach ihren Bedürfnissen, Problemen und Vorstellungen gefragt. Man kann sie z.B. nach ihren
Problemen bei der Verwendung eines bestimmten Produkts oder einer Produktkategorie fragen. Landis Group, ein Marketingforschungsinstitut, wendet diese Technik an.
11.3.1.2.5. Brainstorming
Die Kreativität einer Arbeitsgruppe kann durch Brainstorming angeregt werden, eine Technik, die von
Alex Osborn entwickelt wurde. Brainstorming-Sitzungen werden abgehalten, wenn ein Unternehmen
eine große Menge von Ideen gewinnen will. Die Arbeitsgruppe besteht normalerweise aus sechs bis
zehn Leuten. Es ist nicht gut, wenn zu viele Experten darunter sind, weil sie oft schon feste Einstellungen zu einem Produkt oder Problem haben. Das anstehende Problem sollte klar umrissen werden.
11.3.1.2.6. Synektik
William J. J. Gordon war der Ansicht, dass Osborns Brainstorming-Technik zu eilig Problemlösungen
anstrebt, ohne dass ausreichend viele Ansätze dazu entwickelt werden. Gordon beschloss, die Problemstellung so allgemein zu definieren, dass die Gruppe keinerlei Hinweis auf das konkrete Problem
erhielt. Ein konkretes Problem war z.B. die Konstruktion eines dampfundurchlässigen Verschlusses
für die Schutzkleidung von Arbeitern, die mit hochenergetischen Brennstoffen umgingen. Gordon behielt dieses konkrete Problem für sich und setzt eine Diskussion in Gang, die ganz allgemein das Problem Verschluss betraf. Diese führte zur Nennung verschiedener Verschlussmechanismen, wie z.B.
Abdeckungen oder Verschlüsse, die mit einer Schnur zugezogen werden.
11.3.2. Ideenvorauswahl
Das Unternehmen kann gute Ideen gewinnen und darunter auswählen, wenn es sich richtig dafür
organisiert. Die Mitarbeiter im Unternehmen sollten sich ermutigt fühlen, Ideen bei einem vom Unternehmen dazu benannten Ideenschatzmeister einzureichen. Ideen sollten dort in schriftlicher Form
abgefasst und wöchentlich einem Ideenausschuss vorgelegt werden. Der Ideenausschuss sollte die
Vorschläge je nach ihrem Nutzenpotential in drei Gruppen einteilen: hohes Nutzenpotential, geringes
Nutzenpotential, ohne greifbaren Nutzen. Ideen mit hohem Nutzenpotential sollten von einem Mitglied
des Ausschusses kurz geprüft und in einem Bericht bewertet werden.
11.3.2.1. Bewertungsmethoden für Produktideen
In den meisten Unternehmen werden neue Produktideen in ein Formular eingetragen, das dann einem
Neuproduktausschuss zur Beurteilung vorgelegt wird. In dieser Niederschrift werden Produktidee,
Zielmarkt und Konkurrenz beschrieben und voraussichtliche Marktgröße, Produktpreis, Entwicklungsdauer und –kosten, Herstellungskosten und Rendite grob geschätzt. Der Auswahlausschluss beurteilt
dann jede neue Produktidee anhand bestimmter Kriterien, wie z.B. folgende: Erfüllt das Produkt eine
wirklichen Nutzen? Bietet es ein überragendes Preis-Leistungsverhältnis? Lässt es sich differenziert in
der Werbung darstellen? Steht es im Einklang mit den Zielvorstellungen, Strategien und Ressourcen
des Unternehmens? Fällt die Antwort auf eine oder mehrere Fragen nicht zufriedenstellend aus, sollte
die Idee fallengelassen werden.
11.3.3. Konzeptentwicklung und -erprobung
Aus attraktiven Ideen müssen Produktkonzepte entwickelt werden, die durch Testverfahren erprobt
werden können. Man unterscheidet zwischen einer Produktidee, einem Produktkonzept und einem
Produktimage. Eine Produktidee ist die Idee von einem möglichen Produkt, das vom Unternehmen
angeboten werden könnte. Ein Produktkonzept ist eine im einzelnen erarbeitete Darstellung dieser
Idee, und zwar in einer Ausdrucksweise, die den Verbrauchern etwas bedeutet. Das Produktimage ist
dann das Vorstellungsbild, das die Verbraucher von einem tatsächlichen oder möglichen Produkt entwickeln.
11.3.3.1. Konzeptentwicklung
Die Konzeptentwicklung soll anhand des folgenden Beispiels dargestellt werden. Ein Nahrungsmittelunternehmen hat die Idee, ein Pulver herzustellen, das in Milch eingerührt wird, ums o den Nährwert
zu steigern und den Geschmack zu verbessern. Das ist die Produktidee. Aber der Verbraucher kauft
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keine Produktidee; er kauft ein Produktkonzept. Aus jeder Produktidee lassen sich mehrere Konzepte
entwickeln.
11.3.3.2. Konzepterprobung
Bei der Konzepterprobung werden die Konzepte durch Tests an einer geeigneten Gruppe von Zielkunden erprobt und die Reaktionen der Kunden gesammelt. Die Konzepte können entweder symbolisch oder in Form eines physischen Produkts präsentiert werden. In dieser Phase reicht eine textliche
bzw. bildliche Beschreibung des Konzepts noch aus. Gleichwohl steigt die Zuverlässigkeit der Testergebnisse, je konkreter und greifbarer die Konzeptdarstellung ist. Neuartige Methoden machen die
konkrete Darstellung des Konzept immer einfacher, schneller und wirtschaftlicher.
11.3.4. Erarbeitung einer vorläufigen Marketingstrategie
Der Neuproduktmanager muss eine vorläufige Marketingstrategie zur Markteinführung des Produkts
entwickeln. Die Details dieser Strategie werden in den folgenden Phasen der Produktentwicklung weiter ausgearbeitet. Die vorläufige Marketingstrategie besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beschreibt
Größe, Struktur und Verhaltensmuster des Zielmarktes, die vorgesehene Produktpositionierung sowie
die Absatz-, Marktanteils- und Gewinnziele der ersten Jahre. Im zweiten Teil der Marketingstrategie
geht es um den vorgesehenen Preis, die Distributionsstrategie und das Marketingbudget für das erste
Jahr.
11.3.5. Wirtschaftlichkeitsanalyse
Sobald das Unternehmen das Produktkonzept und eine Marketingstrategie entwickelt hat, kann es die
wirtschaftliche Attraktivität des Vorschlags bewerten und muss nun die geplanten Umsätze, Kosten
und Gewinne daraufhin untersuchen, ob sie den Unternehmenszielen entsprechen. Ist das der Fall,
kann das Produkt in die materielle Entwicklungsphase eintreten. Bei neuen Kosten- und Marktinformationen wird die Wirtschaftlichkeitsanalyse immer wieder aufbereitet.
11.3.5.1. Umsatzschätzung
Das Unternehmen schätz ab, ob der Umsatz ausreicht, um einen zufriedenstellenden Gewinn zu erzielen. Der geschätzte Umsatz beinhaltet Erstkäufe, Ersatzkäufe und Wiederholungskäufe. Die Methoden der Umsatzschätzung richten sich danach, ob der Kunde in dieser Produktkategorie Anschaffungen einmalig, selten oder häufig tätigt. Am Anfang steigen die Umsätze, erreichen einen Höhepunkt und sinken später praktisch auf null, wenn das Käuferpotential ausgeschöpft ist. Kommen immer wieder neue Käufer auf den Markt, geht der Umsatz nicht auf null zurück.
11.3.5.2. Prognose der Erstkäufe
Die erste Aufgabe bei der Schätzung des Umsatzes ist die Prognostizierung der Erstkäufe im Zeitverlauf.
11.3.5.3. Prognose der Ersatzkäufe
Um die Zahl der Ersatzkäufe zu prognostizieren, muss das Unternehmen die statistisch zeitliche Verteilung der Lebensdauer seines Produkts ermitteln. Das untere Ende dieser zeitlichen Verteilung zeigt
an, wann es zu den ersten Ersatzkäufen kommt. Der zeitliche Verlauf der Ersatzkäufe hängt von den
wirtschaftlichen Aspekten, Finanzmitteln und Produktalternativen des Kunden sowie der Preispolitik,
den Finanzierungsbedingungen und Verkaufsanstrengungen des Unternehmens ab. Da sich die Anzahl der Ersatzkäufe nur schwer abschätzen lässt, bevor das Produkt tatsächlich in Gebrauch ist,
machen manche Hersteller die Entscheidung über die Markteinführung eines neuen Produkts allein
von den prognostizierten Erstkäufen abhängig.
11.3.5.4. Prognose der Wiederholungskäufe
Bei einem häufig gekauften Produkt muss der Anbieter die Wiederholungskäufe für die Markteinführung gleich mit den Erstkäufen prognostizierten, denn die ersten Wiederholungskäufe finden schon
bald nach der Markteinführung statt. Wenn ein großer Teil der Kunden Wiederholungskäufe tätigt,
zeigt dies, dass die Kunden zufrieden sind; der Produktumsatz wird wahrscheinlich hoch bleiben –
auch dann, wenn alle Erstkäufe getätigt worden sind. Man sollte auch den Prozentsatz von Wiederholungskäufen abschätzen, und zwar gesondert danach, ob jemand einmal, zweimal, dreimal, usw. gekauft hat. Manche Produkte und Marken werden mehrmals gekauft und dann fallengelassen. Es ist
wichtig zu prognostizieren, ob die Wiederholungskaufquote zu- oder abnimmt, je öfter das Produkt
wiedergekauft wird, und wie schnell sich diese Entwicklung voraussichtlich vollziehen wird.
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11.3.5.5. Kosten- und Gewinnschätzung
Nach Erstellung der Umsatzschätzung kann das Unternehmen als nächstes die voraussichtlichen
Kosten und Gewinne dieses Projekts abschätzen. Die Kostenschätzung wird von der F&E-Abteilung,
der Produktions-, Marketing- und Finanzabteilung vorgenommen. Es gibt noch andere Methoden, mit
denen die Unternehmen die finanziellen Aussichten eines neuen Produkts untersuchen können. Die
einfachste ist die Break-even-Analyse, bei der berechnet wird, welche Menge des Produkts bei vorgegebenen Preisen und Kosten verkauft werden muss, um seine Fixkosten zu decken und die Gewinnschwelle zu erreichen. Wenn die Unternehmensleitung der Ansicht ist, das neue Produkt in dieser
Mindestmenge verkaufen zu können, gibt sie normalerweise grünes Licht für die Produktentwicklung.
11.3.6. Produktentwicklung
Wenn das Produktkonzept der Wirtschaftlichkeitsanalyse standhält, gelangt es in die Forschungs- und
Entwicklungsabteilung bzw. in die Konstruktion und wird zu einem materiellen Produkt weiterentwikkelt. Bis jetzt existierte es nur in Form einer verbalen Beschreibung, einer Zeichnung oder als sehr
grobes Modell. Ab jetzt schnellen die Entwicklungskosten steil nach oben, so dass der bisherige finanzielle Aufwand für die Ideenbewertung im Vergleich dazu winzig erscheint. Jetzt stellt sich heraus,
ob sich die Produktidee in ein technisch und kommerziell brauchbares Produkt umsetzen lässt. Ist das
nicht der Fall, sind die gesamten bisherigen Entwicklungskosten vertan – abgesehen von dem nützlichen Wissen, das im bisherigen Verlauf eventuell erarbeitet wurde.
11.3.7. Markterprobung
Ist das Produkt funktionstüchtig und akzeptanzfähig, braucht es noch einen Markennamen und eine
Verpackung sowie alle anderen Elemente eines vorläufigen Marketingprogramms, um es unter Marktbedingungen testen zu können. Durch die Markterprobung soll ermittelt werden, wie sich die Verbraucher und die Handelswelt verhalten, wenn sie mit dem Produkt umgehen, es nutzen, nachbestellen
und wiederholt kaufen sollen. Außerdem wird damit die Marktgröße erneut abgeschätzt. Nicht alle
Unternehmen wählen diesen Weg der Markterprobung. Sie bringt dann keinen Vorteil, wenn sie über
die eigene Vertriebsorganisation einen direkten Zugang zum Endnutzer haben und ihre Markteinführungen üblicherweise nicht durch eine Pull-Strategie vornehmen.
11.3.7.1. Markterprobung von Konsumgütern
Bei der Markterprobung von Konsumgütern will das Unternehmen vier Größen ermitteln: die Rate der
Erstkäufe, die Rate der ersten Wiederholungskäufe, die Adoptionsrate und die Kauffrequenz. Das
Unternehmen hofft, dass alle diese Werte noch ausfallen. In manchen Fällen stellt man fest, dass
viele Verbraucher das Produkt ausprobieren, wenige es jedoch erneut kaufen, was ein Hinweis auf die
Unzufriedenheit mit dem Produkt ist. Oder das Produkt wird zwar nach dem Ausprobieren von vielen
Kunden ein zweites Mal gekauft, die Wiederholungskäufe nehmen danach jedoch rapide ab. Oder es
gibt selbst bei einer hohen Adoptionsrate eine niedrige Kauffrequenz, z.B. bei bestimmten Delikatessen, wie Kaviar, die zwar von vielen Verbrauchern auf Dauer als Spezialität akzeptiert werden, aber
nur selten und nur zu bestimmten Anlässen gekauft werden.
11.3.7.1.1. Verkaufswellenforschung
Verbrauchern, die das Produkt zunächst kostenlos ausprobieren konnten, werden danach dieses Produkt und auch Konkurrenzprodukte zu einem etwas reduzierten Preis erneut angeboten. Dieses Angebot kann drei- bis fünfmal wiederholt werden. Dabei stellt man fest, wie viel Verbraucher sich wieder
für das Produkt entscheiden und wie zufrieden sie damit sind. Bei der Verkaufswellenforschung kann
man gleichzeitig auch bei den Verbrauchern ein oder mehrere Werbekonzepte ausprobieren, um herauszufinden, wie sich diese auf Wiederholungskäufe auswirken. So kann das Unternehmen die Rate
der Wiederholungskäufe unter realitätsnahen Bedingungen abschätzen, bei denen die Verbraucher
mit ihrem eigenen Geld zahlen und eine Auswahl zwischen konkurrierenden Produkten haben.
11.3.7.1.2. Einkaufslabor
Bei dieser Methode werden 30 bis 40 Verbraucher angesprochen und gebeten, sich einige Fernsehwerbespots anzusehen. Darunter befinden sich einige bekannte und ein paar neue Werbespots, die
eine ganze Reihe von Produkten zum Thema haben. Einer dieser Werbespots stellt das neue Produkt
des Unternehmens vor, worauf jedoch nicht speziell hingewiesen wird. Die Verbraucher erhalten dann
etwas Geld und werden gebeten, in einen Laden zu gehen, der speziell für diesen Test eingerichtet
wurde und der das Warenangebot und die Einkaufssituation in kleinem Rahmen simuliert. Dort kaufen
sie dann entweder eines der ausgestellten Produkte oder geben das Geld nicht aus.
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11.3.7.1.3. Kontrollierter Markttest, Store-Test
Einige Marktforschungsinstitute bieten unter dem Namen Store-Test oder kontrollierter Markttest an,
Neuprodukte in einem Handelspanel zu erproben. Die Einzelhandelsgeschäfte des Panels sind gegen
die Zahlung einer Gebühr bereit, neue Produkte probeweise in ihr Sortiment aufzunehmen. Ein Unternehmen, das ein neues Produkt herausbringen will, teilt dem Forschungsinstitut Anzahl und Region
der von ihm gewünschten Geschäfte mit. Das Institut bringt das Produkt in die teilnehmenden Läden
und kontrolliert dort nach Plan die Platzierung des Produkts im Regal nach Ort und Menge, die Displays, die Verkaufsförderung und die Preise. Die Verkaufsergebnisse können sowohl anhand der Warenbewegungen im Regal als auch durch Verbraucher-Tagebücher erhoben werden.
11.3.7.1.4. Testmärkte
In Testmärkten werden neue Konsumgüter unter den Bedingungen getestet, wie sie bei einer umfassenden Markteinführung gegeben sind. Das Unternehmen arbeitet normalerweise mit einem Marketingforschungsinstitut zusammen, wählt die Teststädte aus, wo der Verkauf daran arbeitet, den Handel
vom Produkt zu überzeugen und versucht, es in den Regalen günstig zu platzieren. Das Unternehmen
startet in den ausgewählten Testmärkten eine umfassende Werbe- und Verkaufsförderungskampagne, so wie sie in größerem Maßstab bei einer landesweiten Markteinführung eingesetzt würde. Diese
Form der Markterprobung ist also praktisch eine Generalprobe für die Produkt-Premiere und kann das
Unternehmen Hunderttausende von Markt kosten – je nach Anzahl der getesteten Städte, der Untersuchungsdauer und der Menge an Daten, die das Unternehmen sammeln will.
11.3.7.2. Markterprobung von Industriegütern
Neue Industriegüter werden normalerweise in den Labors umfangreichen Produkttests unterzogen,
bei denen Leistungsdaten, Zuverlässigkeit, Design und Betriebskosten untersucht werden. Sind die
Ergebnis zufriedenstellend, schreiten viele Unternehmen sofort zur Markteinführung: Sie nehmen das
neue Produkt in ihren Katalog auf und geben es an den Verkauf weiter. Neuerdings nutzen jedoch
immer mehr Hersteller von Industriegütern die Markterprobung als Zwischenschritt. Die Markterprobung gibt Aufschluss über die Leistungsfähigkeit des Produkts unter realen Betriebsbedingungen, die
wichtigsten Einflussfaktoren auf die Kaufentscheidung, die Reaktion einzelner Einflusspersonen auf
unterschiedliche Preise und Verkaufskonzepte sowie über das Marktpotential und die besten Marktsegmente. Testmarketing ist im Industriegüterbereich nicht unbedingt üblich.
11.3.8. Markteinführung
Die Markterprobung sollte dem Unternehmen genug Informationen zur Entscheidung über die Einführung des neuen Produkts liefern. Wenn das Unternehmen zur Markteinführung schreitet, stehen ihm
die bisher größten Kosten bevor. Das Unternehmen muss nun die Produktherstellung nach außen
vergeben oder selbst die erforderliche Produktionsanlage bauen oder mieten. Die Größe der Anlage
ist dabei ein kritisches Entscheidungskriterium. Das Unternehmen könnte aus Vorsicht die Fertigungsanlage kleiner bauen, als nach der Absatzprognose erforderlich wäre.
11.3.8.1. Wann? – das Timing
Für die Markteinführung eines neuen Produkts kann der Zeitpunkt kritisch werden. Nehmen wir an, ein
Unternehmen steht kurz vor dem Abschluss der Entwicklungsarbeiten an einem neuen Produkt und
erfährt plötzlich, dass ein Konkurrent ebenfalls soweit ist. Das Unternehmen hat nun drei Möglichkeiten: Als Erster auf dem Markt sein; gleichzeitig auf dem Markt sein; später auf dem Markt sein. Die
Wahl des Zeitpunkts erfordert noch andere Überlegungen. Ersetzt das neue Produkt ein älteres Erzeugnis des Unternehmens, will man vielleicht abwarten, bis beim alten Produkt die Bestände geräumt sind.
11.3.8.2. Wo? – Die geographische Strategie
Das Unternehmen muss entscheiden, ob es sein neues Produkt zur gleichen Zeit in einem einzigen
Bezirk, einer oder mehreren Regionen, dem gesamten inländischen oder dem internationalen Markt
einführt. Nur wenige Unternehmen verfügen über das Selbstvertrauen, die finanziellen Mittel und die
Produktionskapazitäten, um ein neues Produkt sofort landesweit oder gar weltweit einzuführen, vorausgesetzt das Produkt ist überhaupt für den Weltmarkt konzipiert. Sie werden eine im zeitlichen Ablauf geplante geographische Ausbreitung vornehmen. Vor allem kleine Unternehmen können zunächst
einen günstigen Bezirk auswählen und dort mit einer Blitzkampagne in den Markt eintreten. Sie breiten sich dann in einem Bezirk nach dem anderen aus.
11.3.8.3. Wer? – Die Zielkunden
Innerhalb der Ausbreitungsgebiete muss das Unternehmen seine Distribution und Verkaufsförderung
auf das günstigste Segment potentieller Kunden ausrichten. Mit der Markterprobung sollte es bereits
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festgestellt haben, welche Kunden die besten Erfolgsaussichten bieten. Die besten Zielkunden würden für ein neues Konsumprodukt im Idealfall folgende Merkmale aufweisen: sie sind Frühadoptierer,
dh besonders annahmefreudig gegenüber dem neuen Produkt; sie sind starke Verwender; sie sind
Meinungsführer; sie sind mit geringem finanziellen Aufwand anzusprechen. Nur bei wenigen Kundengruppen findet man all diese Eigenschaften. Nun kann man die verschiedenen Kundengruppen anhand der genannten Kriterien bewerten und sich an die vielversprechendste wenden.
11.3.8.4. Wie? – der Handlungsablauf
Da Unternehmen muss einen Ablaufplan für die Einführung des Produkts in den Ausbreitungsgebieten
entwickeln. Um den Ablauf der Maßnahmen bei der Einführung eines neuen Produkts inhaltlich und
zeitlich zu koordinieren, stehen dem Unternehmen verschiedene Netzplantechniken zur Verfügung.
11.4. Prozess der Adoption und Diffusion von Innovationen
Der Adoptionsprozess des Produkts beim Verbraucher beginnt dort, wo der Innovationsprozess des
Unternehmens endet. Der Prozess beschreibt, wie der potentielle Kunde von dem neuen Produkt hört,
es ausprobiert, annimmt oder ablehnt. Das Unternehmen muss diesen Prozess verstehen, um eine
effektive Strategie zur schnellen Marktdurchdringung entwickeln zu können. Dem Adoptionsprozess
folgt später ein Prozess zur Entwicklung von Kundentreue, mit dem sich dann die etablierten Anbieter
zu befassen haben.
11.4.1. Begriffe und Konzepte
Der Begriff Innovation bezeichnet jedes Produkt, jede Dienstleistung oder Idee, die jemand als neu
wahrnimmt. Die Idee kann schon lange vorhanden sein, doch für denjenigen, der zum ersten Mal davon erführt, ist sie neu. Es dauerte ein Weile, bis sich eine Innovation in der Gesellschaft verbreitet
hat. Rogers definiert den Diffusionsprozess als die Ausbreitung einer neuen Idee vom Ursprung ihrer
Erfindung oder Kreation bis hin zur Adoption durch Endverbraucher und Anwender. Der Adoptionsprozess andererseits ist ein geistiger Vorgang, den jemand vom ersten Hören von einer Innovation bis
zu ihrer endgültigen Annahme durchläuft.
11.4.2. Phasen des Adoptionsprozesses
Bis zur Adoption neuer Produkte durchläuft ein Verbraucher folgende fünf Phasen: Wahrnehmung,
Interesse, Bewertung, Probieren, Adoption. Nach diesem Fünf-Phasen-Modell sollte der Marketer
eines neuen Produktes es dem Verbraucher leicht machen, die einzelnen Phasen zu durchlaufen.
Nehmen wir an, ein Hersteller von Geschirrspülmaschinen stellt fest, dass viele Verbraucher in der
Interessephase hängen bleiben. Aufgrund ihrer Unsicherheit und des hohen Anschaffungspreises
wollen sie das Produkt nicht ausprobieren. Wenn dieselben Verbraucher jedoch bereit wären, die Geschirrspülmaschine gegen eine geringe monatliche Gebühr eine Zeitlang auf Probe zu verwenden,
sollte sich der Hersteller überlegen, ob er den Verbrauchern nicht ein Programm zur Probe mit Kaufoption anbietet.
11.4.3. Individuelle Unterschiede in der Innovationsfreudigkeit
Einzelne Personen unterschieden sich erheblich in ihrer Bereitschaft, neue Produkte auszuprobieren.
Rogers definiert die Innovationsfreudigkeit eines Menschen als das Ausmaß, in dem jemand eine
neue Idee im Vergleich zu den übrigen Mitgliedern seines sozialen Umfeldes früher übernimmt. In
jedem Produktbereich gibt es Konsumpioniere und Frühadoptierer. Manche Personen sind immer die
ersten, die eine neue Mode mitmachen oder ein neues Haushaltsgerät, wie etwa den Mikrowellenherd, ausprobieren.
11.4.4. Einfluss anderer Personen
Der Einfluss anderer spielt eine wichtige Rolle bei der Adoption neuer Produkte. Persönlicher Einfluss
zeigt sich im Effekt, den die Aussagen anderer Personen über ein bestimmtes Produkt auf die Einstellung und Kaufwahrscheinlichkeit der betreffenden Person haben. Der persönliche Einfluss anderer ist
zwar ein relevanter Faktor, spielt jedoch je nach Situation und beteiligter Person eine unterschiedliche
Rolle; in der Bewertungsphase des Adoptionsprozesses spielt er eine wichtigere Rolle als in den anderen Phasen, wirkt stärker auf spätere Adoptierer als auf die Frühadoptierer und ist in einer riskanten
Situation größer als in einer ungefährlichen.
11.4.5. Einfluss der Produktcharakteristika auf die Adoptionsrate
Bestimmte Charakteristika einer Innovation beeinflussen ihre Adoptionsrate. Manche Produkte schlagen praktisch über Nacht ein; bei anderen dauert es lange, bis sie allgemein akzeptiert werden. Es
sind vor allem fünf Eigenschaften, die sich auf die Adoptionsrate einer Innovation auswirken und im
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folgenden Am Beispiel eines Personalcomputers für den Privatgebrauch erläutert werden. Als erstes
ist der relative Vorteil der Innovation, also der Grad, in dem sie bereits existierenden Produkten überlegen zu sein scheint, von Bedeutung. Je größer der wahrgenommene relative Vorteil eines Personal
Computer ist, beispielsweise bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung und der privaten
Buchführung, desto schneller und häufiger wird er gekauft werden.
11.4.6. Adoptionsrate bei Organisationen
Auch Organisationen lassen sich anhand ihrer Bereitschaft klassifizieren, ein neues Produkt auszuprobieren und zu übernehmen. Wer eine neue Lehrmethode entwickelt hat, wird nach Schulen suchen, die sich besonders aufgeschlossen zeigen. Der Hersteller eines neuen medizinischen Gerätes
wird sich zunächst an die Krankenhäuser wenden, bei denen er eine besonders hohe Innovationsbereitschaft vermutet. Bei Organisationen hängt die Adoptionsrate mit ihrem Umfeld, internen Faktoren
und den Eigenschaften ihrer führenden Kräfte zusammen. Sobald man eine Reihe nützlicher Indizien
für die Adoptionsrate in einem Produktmarkt gefunden hat, kann man die geeignetsten Kunden für ein
neues Produkt ermitteln.
12. Marketingstrategien für die Phasen im Produkt-Lebenszyklus
Während der Lebensdauer eines Produkts wird die Marketingstrategie in der Regel mehrmals umgestaltet. Dies geschieht nicht nur, weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Strategien
der Konkurrenten ändern, sondern auch, weil das Produkt in seiner Marktbedeutung unterschiedliche
Phasen durchläuft. Deshalb muss das Unternehmen für die Phasen im Produkt-Lebenszyklus eine
geeignete Folge von Strategien entwickeln. Es muss – in Anbetracht der Erkenntnis, dass kein Produkt ewig leben wird – überlegen, ob die Lebensdauer des Produkts verlängert und damit Gewinne
erwirtschaften werden können. In diesem Kapitel befassen wir uns mit drei Fragen: Was ist der Produkt-Lebenszyklus? Welche Marketingstrategien sind für jede Stufe des Produkt-Lebenszyklus geeignet? Welchen Ablauf finden wir für die Evolution ganzer Märkte, und welche Konsequenzen hat die
Marktevolution für die Marketingstrategien?
12.1. Konzept des Produkt-Lebenszyklus
Der Produkt-Lebenszyklus ist für das Marketing ein wichtiges Konzept und bringt Erkenntnisse über
die Wettbewerbsdynamik eines Produkts mit sich. Dieses Konzept kann aber auch irreführend sein,
wenn es nicht gut durchdacht wird. Zur umfassenden Darlegung des PCL sollen zunächst die ihm
vorgelagerten Konzepte beschrieben werden, nämlich der Nachfrage-Lebenszyklus und der Technologie-Lebenszyklus.
12.1.1. Nachfrage- und Technologie-Lebenszyklus
Marketingorientiertes Denken sollte nicht erst bei einem Produkt oder gar einer Produktklasse einsetzen, sondern vielmehr bereits bei einem Bedürfnis. Das Produkt ist dann eine von vielen Lösungen
zur Befriedigung eines Bedürfnisses. So hat der Mensch ein Bedürfnis nach Rechenleistung; dieses
Bedürfnis ist über Jahrhunderte hinweg gewachsen. Das sich ändernde Bedürfnisniveau wird als
Nachfrage-Lebenszykluskurve beschrieben. Dieser Zyklus weist folgende Phasen auf: Entstehung,
beschleunigtes Wachstum, verlangsamtes Wachstum, Reife und Rückgang.
12.1.2. Produkt-Lebenszyklus
Mit diesem Hintergrundwissen können wir uns nun auf den Produkt-Lebenszyklus konzentrieren.
Durch das Konzept des Produkt-Lebenszyklus wird ein Bild des Absatzmengenverlaufs gezeichnet, in
dem deutlich differierende Phasen existieren. Für die einzelnen Phasen ergeben sich unterschiedliche
Chancen und Probleme hinsichtlich der Marketingstrategie und der Realisierung des Gewinnpotentials. Wenn das Unternehmen die Lebenszyklusphase feststellt, in der sich ein Produkt befindet oder
auf die es sich zu bewegt, dann kann es besser planen. Mit dem Konzept des Lebenszyklus legt man
für ein Produkt folgende Voraussetzungen fest: Das Produkt hat eine begrenzte Lebensdauer auf dem
Markt; Der Produktumsatz durchläuft deutlich differierende Phasen; Das Gewinnpotential steigt bzw.
fällt mit den verschiedenen Phasen des Produkt-Lebenszyklus; In den einzelnen Phasen des Lebenszyklus sind unterschiedliche Strategien vorteilhaft.
12.1.3. Lebenszyklen von Produktkategorien, Produktformen und Marken
Das PLC-Konzept lässt sich für die Analyse einer Produktkategorie, einer Produktform oder einer
Marke verwenden.
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12.1.4. Unterschiedliche Formen des Produkt-Lebenszyklus
Nicht bei jedem Produkt verläuft die Zykluskurve S-förmig. Die Wissenschaftler ermitteln jeweils zwischen sechs und siebzehn verschiedene Kurvenausprägungen.
12.1.4.1. Lebenszyklen von Stil, Mode und Modeerscheinung
Es gibt drei Ausprägungen von Produkt-Lebenszyklen, die man von den anderen unterscheiden muss;
dabei handelt es sich um die Lebenszyklen, denen ein Stil, einen Mode und eine Modeerscheinung
folgen. Ein Stil ist eine grundlegende und charakteristische Ausdrucksform, die in einem bestimmten
Bereich menschlichen Strebens zutage tritt. Eine solche Stilrichtung findet sich z.B. bei Mobiliar und
Gebäuden, bei Kleidung oder in der Kunst. Ist ein Stil erst einmal entdeckt, kann er Generationen
überdauern, wobei er einmal mehr und einmal weniger en vogue ist. Der Lebenszyklus eines Stils
spiegelt dieses Auf und Ab wider und zeigt mehrere Phasen eines wiedererwachenden Interesses.
12.1.5. Begründung für das Produkt-Lebenszyklus-Konzept
Vorstehend wurde das Konzept der S-förmigen PLC beschrieben, ohne dafür eine Begründung aus
der Theorie zu liefern. Dem Konzept liegt die Theorie der Diffusion und Adoption von Innovationen
zugrunde. Wird ein neues Produkt auf den Markt gebracht, muss das Unternehmen das Bekanntwerden, das Käuferinteresse, das erste Ausprobieren und den Kauf fördern. Das braucht Zeit, und in der
Einführungsphase werden nur wenige das Produkt kaufen. Ist das Produkt zufriedenstellend, lässt
sich damit eine wachsende Zahl von Käufern ansprechen.
12.2. Einführungsphase
Die Einführungsphase setzt ein, wenn das neue Produkt erstmals in die Warenverteilung aufgenommen wird und auf dem Markt erhältlich ist. Es dauert einige Zeit, die Vertriebskanäle zu versorgen und
das Produkt von Marktregion zu Marktregion zu verbreiten; daher steigt der Absatz anfangs oft nur
langsam. Bekannte Produkte wie löslicher Kaffee oder Tiefkühlkost dümpelten viele Jahre vor sich hin,
ehe sie in ein Stadium des rapiden Wachstums eintraten. Buzzell ermittelte mehrere Ursachen für die
zunächst träge Absatzentwicklung zahlreicher Lebensmittelprodukte: Verzögerungen beim Ausbau
von Produktionskapazitäten, technische Probleme, ungenügende Verfügbarkeit des Produkts für alle
Kunden – vor allem aufgrund von Schwierigkeiten, im Handel Regalflächen für das Produkt zu gewinnen – sowie die Abneigung der Kunden, ihr gewohntes Kaufverhalten zu ändern. Bei hochpreisigen
Neuprodukten wird das Absatzwachstum durch weitere Faktoren gedrosselt, z.B. durch die geringe
Zahl von Käufern, die sich das neue Produkt leisten können.
12.2.1. Marketingstrategien in der Einführungsphase
Bei der Markteinführung eines neuen Produkts kann das Marketing-Management für jedes Element im
Marketingprogramm wie z.B. Preis, Absatzförderung, Distribution und Produktqualität ein hohes oder
niedriges Niveau ansetzen. Betrachtet man z.B. nur die beiden Elemente Preis und Absatzförderung,
stehen vier strategische Optionen zur Verfügung. Die Strategie der schnellen Marktabschöpfung erfolgt durch eine Markteinführung zu einem hohen Preis und mit umfangreicher Absatzförderung. Das
Unternehmen nimmt einen hohen Preis um einen hohen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Es gibt
viel für die Absatzförderung aus, um den Markt davon zu überzeugen, dass das Produkt den hohen
Preis wert ist.
12.3. Wachstumsphase
Die Wachstumsphase tritt ein, wenn die Absatzmenge rasch ansteigt. Die Frühadopter haben bereits
Gefallen am Produkt gefunden, und die Mehrheit der Verbraucher beginnt zu kaufen. Die Chancen auf
hohe Gewinne bei großen Produktmengen lockt neue Konkurrenten auf den Markt; diese bringen
neue Produktvarianten, was wiederum den Markt ausweitet. Die größere Zahl der Konkurrenten führt
zu einem erweiterten Distributionsnetz, und der Absatz der Hersteller an den Handel schnellt schon
allein deswegen in die Höhe, weil die Vertriebskanäle mit Waren aufgefüllt werden müssen. Die Preise
bleiben stabil oder fallen nur geringfügig, da die steigende Nachfrage dies zulässt.
12.3.1. Marketingstrategien in der Wachstumsphase
Ein Unternehmen kann mehrere Strategien einsetzen, um sein Wachstum im Markt so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Durch diese Strategien zur Expansion im Markt stärkt das Unternehmen seine
Wettbewerbsposition. Dies verursacht allerdings zusätzliche Kosten. In der Wachstumsphase steht
man also vor der Entscheidung zwischen weiterhin hohen Marktanteilen und hohen Gewinnen aus
dem laufenden Geschäft. Durch weiterhin hohe Aufwendungen für die Verbesserung des Produkts, für
die Absatzförderung und für das Distributionsnetz kann man sich jetzt eine marktbeherrschende Stellung erobern.
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12.4. Reifephase
Irgendwann verlangsamt sich dann das Absatzwachstum, und das Produkt gelangt in die Phase der
Reife. Die Reifephase dauert normalerweise länger als die vorangegangen Zyklusphasen und stellt
das Marketing-Management vor anspruchsvolle Aufgaben. Die meisten Produkte befinden sich in der
Reifephase des Lebenszyklus, und daher befasst sich das Marketing-Management vornehmlich mit
Produkten in der Reifephase.
12.4.1. Marketingstrategien in der Reifephase
Einige Unternehmen geben Produkte auf, die in der Reifephase schwach sind, in dem Glauben, dass
sie hier nicht mehr viel tun können. Ihrer Meinung nach sollte man seine Ressourcen in gewinnbringendere und neue Produkte investieren. Dieses Vorgehen lässt allerdings außer acht, dass die Erfolgsquote bei neuen Produkten recht gering ist und viele ältere Produkte immer noch über ein großes
Erfolgspotential verfügen. Letzteres bewiesen insbesondere japanische Unternehmen in vielen Produktbereichen, deren Märkte man allerdings bereits als ausgereift ansah, z.B. bei Autos, Motorrädern,
Fernsehgeräten, Uhren oder Kameras. Bei all diesen Produkten schafften sie es, dem Kunden neue
Vorteile zu bieten.
12.4.1.1. Marktmodifikation
Ein Unternehmen sollte bestrebt sein, den Markt für seine Marke auszudehnen. Es kann bei den beiden Faktoren ansetzen, die die Formel für das Absatzvolumen bestimmten: Absatzvolumen = Anzahl
der Markenverwender * Verwendungsrate pro Verwender. Die Zahl der Markenverwendet lässt sich
auf dreierlei Weise erhöhen: Gewinnung bisheriger Nichtverwender, Erschließung neuer Marktsegmente, Gewinnung von Kunden der Konkurrenz. Das Absatzvolumen lässt sich auch steigern, indem
man die gegenwärtigen Markenverwender dazu veranlasst, ihre Verwendungsrate zu erhöhen. Dafür
gibt es drei Strategien: Erhöhung der Verwendungshäufigkeit, Steigerung der Verwendungsmenge pro
Anlass, Neue und flexiblere Verwendungsmöglichkeiten.
12.4.1.2. Produktmodifikation
Durch die Modifizierung der Produkte können neue Verwender gewonnen und die gegenwärtigen
Verwender des Produkts zu einem stärkeren Verbrauch angehalten werden. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Eine Strategie der Qualitätsverbesserung zielt auf eine Erhöhung der
Funktionstüchtigkeit des Produkts ab, dh seiner Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit, seines
Geschmacks, etc. Durch die Markteinführung der neuen und verbesserten Version eines Produkts,
z.B. einer Werkzeugmaschine, eines Automobils, Fernsehgeräts oder Waschmittels, kann man die
Konkurrenz häufig überrunden. Die Lebensmittelhersteller sprechen von einem Plus-Angebot, wenn
sie das Produkt verbessert haben und dabei etwas als stärker, größer oder besser anpreisen.
12.4.1.3. Modifikation im Marketing-Mix
Der Produktmanager sollte neben der Produktmodifikation auch andere Marketing-Mix-Elemente modifizieren, um den Absatz zu beleben. Hierbei muss er sich einige wichtige Fragen stellen, die ihn auf
der Suche nach Möglichkeiten zur Stimulierung des Absatzes bei einem Produkt in der Reifephase
leiten sollen: Preisänderungen, Distributionsänderungen, Werbeänderungen, Verkaufsförderungsänderungen, Vertriebsänderungen, Serviceänderungen. Marketer stellen sich oft die Frage, welche Marketingwerkzeuge in der Reifephase am wirkungsvollsten sind. Würde z.B. ein Unternehmen besser
fahren, wenn es in der Reifephase seine Werbung oder aber seine Verkaufsförderung erhöht? Einige
Marketer glauben, dass die Verkaufsförderung hier wirkungsvollster ist als die Werbung, weil sich die
Konsumenten durch ihre ausgeprägten Kaufgewohnheiten und Markenpräferenzen bereits in einem
Verharrungszustand befinden, wo psychologische Anreize durch Werbung nicht so wirkungsvoll sind
wie finanzielle Anreize durch Verkaufsförderungsnachlässe.
12.5. Rückgangsphase
Bei den meisten Produktformen und Marken geht schließlich der Absatz zurück. Dieser Rückgang
kann langsam erfolgen, wie z.B. bei Export-Bier, oder auch schnell, wie dies z.B. am Ende beim VWKäfer der Fall war. Der Absatz fällt dabei entweder auf Null oder stabilisiert sich auf einem niedrigen
Niveau und bleibt dann über viele Jahre hinweg konstant. Es gibt viele Gründe für einen Rückgang
der Absatzzahlen, z.B. den technologischen Fortschritt, einen veränderten Verbrauchergeschmack
oder einen intensiveren Wettbewerb aus dem In- und Ausland. All diese Entwicklungen führen zu
Überkapazitäten, Preissenkungen und Gewinnschmälerungen.
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12.5.1. Marketingstrategien in der Rückgangsphase
Hier steht das Unternehmen also vor einer Reihe von Aufgaben und Entscheidungen, die im folgenden näher beschrieben werden.
12.5.1.1. Ermittlung leistungsschwacher Produkte
Die erste Aufgabe besteht in der Entwicklung eines Systems zur Ermittlung leistungsschwacher Produkte. Das Unternehmen setzt einen Produktüberprüfungsausschuss ein, in dem die Bereiche Marketing, Produktion und Finanzen vertreten sind. Dieser Ausschluss entwickelt ein System zur Früherkennung leistungsschwacher Produkte. Das Controlling liefert für jedes Produkt Daten über Trends bei
Marktgröße, Marktanteil, Preis, Kosten und Gewinn. Diese Daten werden per Computer analysiert und
anhand festgelegter Kriterien – z.B. für die Anzahl der Jahre mit rückläufigen Absätzen, für die Entwicklung von Marktanteilen, Bruttogewinnen und Kapitalrenditen – beurteilt.
12.5.1.2. Entscheidung über die Marketingstrategie
Einige Unternehmen ziehen sich aus schrumpfenden Märkten früher, andere wiederum später zurück.
Viel hängt dabei von der Höhe der Marktaustrittsbarrieren ab. Je niedriger sie sind, desto einfacher ist
es, aus einer Branche auszuscheiden, und desto verführerischer ist es für die verbleibenden Unternehmen, weiterzumachen und die Kunden der ausscheidenden Firmen für sich zu gewinnen. Wer sich
halten kann, wird ein höheres Absatzvolumen und höhere Gewinne verzeichnen. Folglich ist zu entscheiden, ob man bis zum Ende in einem bestimmten Markt verbleiben will.
12.5.1.3. Eliminierung eines Produkts
Will man ein Produkt eliminieren, steht man vor weiteren Entscheidungen. Ist das Produkt in seiner
Distribution beim Handel noch gut präsent und verfügt es noch über einen Rest an Goodwill bei den
Kunden, dann kann man es uU an ein anderes Unternehmen veräußern, das mehr daraus machen
kann. Schafft man es nicht, einen Käufer für das Produkt zu finden, muss man entscheiden, ob die
Marke langsam oder schnell eliminiert werden soll und wie umfangreich das Ersatzteillager und die
Serviceleistungen zur Versorgung der bisherigen Kunden sein sollen.
12.6. Zusammenfassung und Kritik am Produkt-Lebenszyklus-Konzept
Einige Marketingexperten geben detailliertere Empfehlungen zur Strategiegestaltung im ProduktLebenszyklus. Es wird davon ausgegangen, dass eine Marke im Verlauf des PLC zunächst einen
primären Zyklus und anschließend eine Zykluserneuerung durchläuft. Das PLC-Konzept wird von
vielen Führungskräften zur Analyse der Produkt- und Marktdynamik verwendet. Sein tatsächlicher
Nutzen ist jedoch in der Praxis je nach der konkreten Entscheidungssituation unterschiedlich. Nutzt
man es als Planungsinstrument, zeigt es die wichtigsten Aufgabenstellungen für das Marketing in
jeder Zyklusphase auf und liefert Hinweise auf die wichtigsten strategischen Alternativen des Unternehmens.
12.7. Konzept der Marktevolution
Das PLC-Konzept befasst sich mit dem Geschehen um ein spezifisches Produkt oder eine bestimmte
Marke und weniger mit dem Gesamtmarkt. Folglich liefert es mehr ein produktorientiertes als ein
marktorientiertes Bild. Die vorstehend erläuterten Konzepte des Nachfrage und des TechnologieLebenszyklus besagen aber, dass man sein Blickfeld erweitern und auch die Geschehnisse im Gesamtmarkt miteinbeziehen sollte. Daher benötigen die Unternehmen ein Konzept für die Evolution des
Gesamtmarktes unter dem Einfluss neu entstehender Bedürfnisse, Konkurrenten, Technologien, Vertriebswege und anderer Entwicklungen.
12.7.1. Phasen der Marktevolution
Ein Markt durchläuft in seiner Entwicklung vier Phasen: Entstehung, Wachstum, Reife und Rückgang.
Im Folgenden werden diese Phasen beschrieben.
12.7.1.1. Entstehungsphase
Ehe ein Markt Gestalt annimmt, existiert er bereits als latenter Markt, der aus Personen besteht, die
ein ähnliches Bedürfnis verspüren, das noch gar nicht existiert. So verspürten z.B. die Menschen den
Wunsch nach einem Instrument, mit dem man schneller rechnen konnte, als das mit Papier und Bleistift möglich war. Wie bereits erwähnt, wurde dieses Bedürfnis durch den Abakus, den Rechenschieber und auch durch mechanische Zählgeräte nur unzureichend erfüllt. Nehmen wir an, ein Unternehmen erkennt dieses Bedürfnis und findet eine adäquate technische Lösung für das Problem in Form
eines kleinen, handlichen elektronischen Taschenrechners. Er muss nun die Leistungsmerkmale seines Produkts bestimmen, vor allem die Größe des Geräts und die Anzahl der arithmetischen Funktionen.
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12.7.1.2. Wachstumsphase
Verkauft sich das Produkt gut, werden neue Unternehmen in den Markt eintreten und damit die
Marktwachstumsphase einleiten und begleiten. Es stellt sich die Frage, wo sich ein zweites Unternehmen auf dem Markt etablieren wird, wenn das erste Unternehmen im Zentrum des Marktes angesiedelt ist. Dem zweiten Unternehmen bleiben ebenfalls drei Möglichkeiten: Einzelnischenstrategie,
Massenmarktstrategie, Mehrnischenstrategie. Ist das zweite Unternehmen klein, wird es die direkte
Konfrontation mit dem Marktpionier vermeiden und seine Marke in einer der Marktecken positionieren.
Ist es groß, könnte es dazu führen, dass die beiden Unternehmen den Massenmarkt nahezu gleichmäßig unter sich aufteilen.
12.7.1.3. Phase der Marktreife
Jedes Unternehmen, das in den Markt eintritt, strebt eine bestimmte Position an und platziert sein
Produkt entweder in der Nähe eines Konkurrenzprodukts oder in einem bisher nicht besetzten Marktsegment. Mit der Zeit decken die Marktteilnehmer alle größeren Marktsegmente ab und gehen dann
dazu über, in die Segmente der anderen einzudringen, was zu geringeren Gewinnen für alle führt. Bei
einer Verlangsamung des Marktwachstums wird so der Markt in immer kleinere Segmente aufgeteilt
und es kommt zu einer ausgeprägten Marktfragmentierung. Doch mit der Fragmentierung ist die Evolution des Marktes keineswegs abgeschlossen. Auf die Phase der Marktfragmentierung folgt häufig
eine Periode der Marktkonsolidierung, die durch das Auftauchen eines neuen Produktmerkmals von
großer Anziehungskraft im Markt eingeleitet wird.
12.7.1.4. Rückgangsphase
Schließlich wird die Nachfrage nach den vorhandenen Produkten fallen. Dann schwächt sich entweder
das Gesamtbedürfnisniveau ab, oder eine neue Technologie ersetzt die alte. Im letzten Fall würde die
alte Technologie allmählich verschwinden, und ein neuer Nachfrage- und Technologie-Lebenszyklus
würde in Gang gesetzt werden, bis sich schließlich das zugrundeliegende Bedürfnis doch auflöst.
12.7.2. Dynamik des Wettbewerbs durch neue Leistungsmerkmale
Die Evolution von Märkten erfolgt in Schritten. Ein Beispiel dafür ist der Markt für Papierküchentücher.
Ursprünglich hatten die Hausfrauen in der Küche ausschließlich Geschirrtücher und Wischlappen aus
Leinen und Baumwolle benutzt. Dann brachte ein Papierhersteller, der sich neue Märkte erschließen
wollte, Papiertücher auf den Markt und nahm damit den Wettbewerb mit den Anbietern von Stofftüchern auf. Damit kristallisierte sich ein neuer Markt heraus.
13. Strategien für Marktführer, Herausforderer, Mitläufer und Nischenbesetzer
In diesem Kapitel befassen wir uns mit Strategien von Wettbewerbern, die durch ihr Rollenverständnis
und ihre Ausgangsposition im Wettbewerb geprägt sind. In der Regel befinden sich in fast jedem
Zielmarkt die Wettbewerber in unterschiedlichen Ausgangspositionen. Die Unternehmensberatungsfirma Arthur D. Little unterscheidet sechs mögliche Ausgangspositionen der Wettbewerber einer Branche: Beherrschend, Stark, Günstig, Tragbar, Schwach, Unzulänglich. In ihrem Rollenverständnis gegenüber den Wettbewerbern streben einige Unternehmen eine Führungsrolle an, während andere
dies nicht tun. Unter Berücksichtigung von Rollenverständnis und Ausgangslage lassen sich Wettbewerber in ihrer Position zueinander in Marktführer, Herausforderer, Mitläufer und Nischenbesetzer
klassifizieren.
13.1. Strategien für Marktführer
In vielen Branchen gibt es ein Unternehmen, da als Marktführer bezeichnet und anerkannt wird. Der
Marktführer hält in der Regel den größten Anteil am relevanten Markt, ist führend bei Preisänderungen, neuen Produkten, im Vertriebsnetz und bei der Absatzförderung. An ihm orientieren sich die
Konkurrenten; er wird entweder herausgefordert, kopiert oder gemieden. Die Führungsposition ist
langfristig jedoch nicht leicht aufrechtzuerhalten, wenn sie nicht auf einem gesetzlich gestützten Monopol beruht. Der Marktführer muss ständig daran arbeiten, seine Position zu halten, während andere
Unternehmen die gleichen Stärken entwickeln bzw. die Schwächen des Marktführers ausnutzen.
13.1.1. Erweiterung des Gesamtmarktes
Der Marktführer kann von einer Erweiterung des Gesamtmarktes am meisten profitieren, da er in der
Regel auch den größten Teil des Marktzuwachses für sich verbuchen kann. Er sollte deshalb neue
Verwender anwerben, neue Verwendungsmöglichkeiten finden und stimulieren oder die Verwendungsmenge pro Verwender steigern.
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13.1.1.1. Neue Verwender
In fast jeder Produktklasse können Käufer angesprochen werden, die entweder das Produkt nicht
kennen oder es wegen seines Preises oder eines fehlenden Leistungsmerkmals nicht schätzen. Ein
Hersteller kann neue Verwender auf dreierlei Weise ansprechen. Ein Parfumhersteller beispielsweise
kann Frauen, die kein Parfum benutzen, davon überzeugen, dies doch zu tun, die Männer ebenfalls
zum Griff zur Parfumflasche bewegen oder auch in anderen Ländern sein Parfum verkaufen.
13.1.1.2. Neue Verwendungsmöglichkeiten
Der Absatzmarkt lässt sich auch dadurch erweitern, dass für ein Produkt neue Verwendungsmöglichkeiten erschlossen und in der Werbung bekannt gemacht werden. Die Nylonfaser von Du Pont ist ein
klassisches Beispiel für die Markterweiterung über neue Verwendungsmöglichkeiten. Jedes Mal, wenn
Nylon im Produkt-Lebenszyklus die Reifephase erreicht hatte, entdeckte man eine neue Verwendungsmöglichkeit. Zunächst diente Nylon als Kunstfaser für Fallschirme, dann als Kunstfaser für Damenstrümpfe, später als wichtiges Material für Damenblusen und Herrenhemden; danach wurde es
zur Herstellung von Autoreifen, Polstergarnituren und Teppichen verwendet. Mit jeder neuen Anwendung trat das Produkt in einen neuen Anwendungs-Lebenszyklus ein.
13.1.1.3. Steigerung der Verwendungsmenge
Eine dritte Möglichkeit der Markterweiterung besteht darin, die Verbraucher davon zu überzeugen, ein
Produkt bei jedem Verwendungsanlass in größeren Mengen zu verwenden. Einfallsreichtum bewies
hier auch der französische Reifenhersteller Michelin. Michelin wollte, dass die französischen Autofahrer mehr Kilometer pro Jahr zurücklegten – womit natürlich mehr Reifen verbraucht würden. Dabei
entstand die Idee, die Restaurants in Frankreich nach dem Drei-Sterne-System zu bewerten. Michelin
machte publik, dass viele der besten Restaurants im Süden Frankreichs lägen, was viele Autofahrer
aus Paris dazu veranlasste, per Auto Wochenendausflüge in den Süden ihres Landes zu unternehmen.
13.1.2. Verteidigung des Marktanteils
Der Marktführer muss seine Position dauernd gegen Angriffe der Konkurrenz aus dem In- und Ausland verteidigen, oft sogar gleichzeitig gegen mehrere Wettbewerber. Es ist schwierig für ein Unternehmen, sich an allen möglichen Angriffspunkten gleichzeitig zu verteidigen, dh es muss Konzepte für
die Verteidigung finden und Schwerpunkte setzen. Gelegentlich hat es ein Marktführer auch mit mehreren Angreifern zu tun. Die Deutsche Telekom z.B. muss nach der Öffnung des deutschen Telekommunikationsmarktes ihre Marktanteile gegen viele neue Konkurrenten verteidigen. Diese spezialisieren sich teilweise auf bestimmte Angebote wie Ferngespräche, Auslandstelefonate oder Geschäftskunden.
13.1.2.1. Stellungssicherung
Das Grundkonzept besteht hier darin, den eigenen Markt durch Barrieren gegen Feindangriffe zu sichern. Im Marketing ist dieses Konzept kurzsichtig, wie alle statischen Konzepte. Wenn der Marktführer alle Ressourcen dafür aufbietet, einen Schutzwall um seinen gegenwärtigen Produktmarkt zu ziehen, verpasst er neue Entwicklungen und wird letztlich überrannt.
13.1.2.2. Flankensicherung
Der Marktführer schützt nicht nur sein angestammtes Gebiet, sondern errichtet Vorposten als Flankenschutz, zur vorgeschobenen Verteidigung von Schwachpunkten oder als Basis für einen Gegenschlag. Der Flankenschutz nützt nicht viel, wenn er mit wenig Aufwand vom Angreifer gebunden wird
und der Wettbewerber mit seiner Hauptmacht ungehindert daran vorbeiziehen kann. Um den Flankenschutz sinnvoll aufzubauen, muss man das Bedrohungspotential des Angreifers mit Sorgfalt analysieren und festlegen, wie stark der Flankenschutz im Ernstfall sein muss.
13.1.2.3. Verteidigung durch Präventivschlag
Bei einer eher vorwärtsgerichteten Verteidigungsstrategie muss das Unternehmen bereit sein, den
Gegner mit einem Präventivschlag zu überraschen, kurz bevor dieser sich zum Angriff anschickt. Hier
wird unterstellt, dass es weniger aufwendig ist, einen Präventivschlag zu führen, als eine breit angelegte Verteidigungsstellung aufzubauen. Präventivschläge können breitgefächert angelegt sein: So
kann der Marktführer z.B. mit vielen neuen Produkten gleichzeitig alle Konkurrenten überraschen.
Alternativ dazu können Präventivschläge ähnlich der Guerillastrategie auch aus vielen Einzelaktionen
bestehen, die die verschiedenen Wettbewerber verunsichern sollen. Manchmal ist der Präventivschlag
mehr psychologischer Art als eine echte Aktion.
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13.1.2.4. Verteidigung durch Gegenoffensive
Wenn ein Marktführer trotz Flankensicherung und Präventivschlag angegriffen wird, kann er zur Gegenoffensive schreiten. Er kann den gegnerischen Preissenkungen, Verkaufsförderungsaktionen,
Nachahmungen seiner Produkte, Produktverbesserungen oder einem Eindringen in seine Absatzmärkte nicht tatenlos zusehen. Er hat die Wahl, der gegnerischen Angriffsspitze frontal entgegenzutreten, dem Gegner in die Flanke zu fallen oder durch eine Zangenbewegung die Angriffsformationen
des Gegners von ihrer Operationsbasis abzuschneiden. Bei drastischen Marktanteilseinbußen muss
ein Gegenangriff auf breiter Front erfolgen. Ein Verteidiger mit genügend strategischer Tiefe kann
jedoch den ersten Angriff aussitzen und den besten Moment für einen Gegenschlag abwarten.
13.1.2.5. Mobile Verteidigung
Die mobile Verteidigung bedeutet für den Marktführer eine Ausdehnung seiner Reichweite auf neue
Gebiet, die dann zum Zentrum für Verteidigungs- und Angriffsmaßnahmen von morgen werden können. Diese größere Reichweite bewirkt der Marktführer weniger durch größere Markenvielfalt, sondern
durch Innovationsaktivitäten zur breiteren Anlage und Diversifizierung seiner Marktbasis. Damit erwirbt
das Unternehmen strategische Tiefe und die Fähigkeit, Angriffen immer wieder standzuhalten und
Vergeltungsschläge zu führen. Um eine Marktverbreiterung umzusetzen, muss das Unternehmen
seinen Produktmarkt eher nach einem Grundbedürfnis als nach einem speziellen Produkt definieren
und bei allen mit diesem Bedarf zusammenhängenden Technologien Forschung und Entwicklung
betreiben. Demzufolge würde sich eine Molkerei als Lebensmittelproduzent definieren und über Milch
und Milchprodukte hinaus auch Technologien zur Herstellung anderer Lebensmittel entwickeln müssen.
13.1.2.6. Verteidigung durch Kontraktion und Umgruppierung der Kräfte
Wenn ein Unternehmen seine Kräfte über ein zu weites Gebiet verstreut hat, ist es im Verteidigungsfall oft am besten, die zerstreuten Kräfte zu sammeln, indem man sich aus schwachen Stellungen
zurückzieht und die gesammelten Kräfte von starken Gebieten aus neu einsetzt. Solch eine Kontraktion der Kräfte bedeutet nicht, dass der Kampf um Marktanteile aufgegeben wird, sondern eine Umgruppierung der Kräfte von schwächeren in stärkere Bereiche erfolgt.
13.1.3. Erweitung des Marktanteils
Ein Marktführer kann auch versuchen, sich durch Erweiterung seines Marktanteils weitere Vorteile zu
erarbeiten. In manchen Märkten ist ein Prozentpunkt Marktanteil gleichbedeutend mit bis zu 100 Mio.
DM Umsatz. Über den Zusammenhang zwischen Marktanteil und Rentabilität führt das Strategic
Planning Institute eine Untersuchung namens Profit Impact of Market Strategy durch, bei der Daten
von vielen hundert strategischen Geschäftseinheiten aus einer Vielzahl von Branchen gesammelt und
die wichtigsten Faktoren für die Rentabilität ermittelt wurden. Eine wichtige Schlüsselgröße für die
Rentabilität ist u.a. der Marktanteil, da gemäß den Ergebnissen der PIMS-Studie die Rentabilität linear
zum relativen Marktanteil ansteigt. Im Durchschnitt bringt eine Differenz von 10 % beim Marktanteil
einen Unterschied von ungefähr 5 % beim ROI vor Steuern mit sich.
13.2. Strategien für Herausforderer
Unternehmen, die in einer Branche den zweiten oder einen niedrigeren Rang einnehmen, werden als
Verfolger bezeichnet. Sie können entweder als Herausforderer den Marktführer und andere Konkurrenten durch aggressives Streben nach Marktanteilszugewinnen bekämpfen oder sich als Mitläufer mit
ihrem Rang begnügen und alle gewagten Manöver vermeiden. Dolan stellte fest, dass sich Rivalitäten
zwischen Wettbewerbern am stärksten in Branchen zeigen, wo die fixen Kosten sowie die Lagerhaltungskosten hoch sind und die Nachfrage stagniert. Im folgenden werden zunächst die Angriffsstrategien untersucht, die einem Herausforderer zur Verfügung stehen.
13.2.1. Bestimmung des strategischen Ziels und der möglichen Gegner
Ein Herausforderer muss zunächst sein strategisches Ziel definieren - z.B. Vergrößerung des Marktanteils – sowie die Gegner bestimmen, die diesem Ziel im Wege stehen. Er kann sich dem Ziel auf
unterschiedlichen Wegen nähern. Er kann den Marktführer angreifen, indem er z.B. vernachlässigte
Marktbereiche zur besseren Zufriedenheit der Kunden erobert oder den Marktführer durch Produktinnovationen übertrifft. Er kann Unternehmen gleicher Größe angreifen, die leistungsschwach oder unterkapitalisiert sind, die veraltete Produkte haben, überteuert sind oder die Kunden auf sonstige Weise
nicht gut zufrieden stellen. Er kann kleine, örtliche oder regional operierende Unternehmen aus dem
Markt drängen, die im Markt nachlässig oder unterkapitalisiert sind.
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13.2.2. Wahl der Angriffsstrategie
Stehen Gegner und Ziel fest, kann die Angriffsstrategie gewählt werden. Von der militärischen Denkweise her kann man das Prinzip der Massierung der Kräfte anwenden, das besag, dass zum kritischen Zeitpunkt und am kritischen Ort für einen entscheidenden Zweck überlegene Kampfkraft konzentriert und eingesetzt wird. Stellt man sich nun einen Gegner vor, der ein bestimmtes Marktterritorium besetzt hält, so können aus dieser Denkweise heraus fünf mögliche Angriffsstrategien unterschieden werden: Frontal-, Flanken-, Umzingelungs-, Vorbei- und Guerilla-Angriff.
13.2.2.1. Frontalangriff
Beim Frontalangriff richtet das Unternehmen all seine Kräfte direkt auf die Hauptmacht des Gegners,
dh es zielt direkt auf die Stärken des Konkurrenten. Das Ergebnis des Angriffs hängt davon ab, wer
stärker und ausdauernder ist. Bei einem vollen Frontalangriff würde der Angreifer seinen Gegner über
die Produktqualität, die Werbeunterstützung, den Preis, usw. angreifen. Um hier erfolgreich zu sein,
muss der Angreifer wesentlich stärker sein als der Wettbewerber. Er muss dazu in der Lage sein,
aufgrund eines größeren Ressourceneinsatzes oder vorteilhafter Gegebenheiten eine höhere Machtausübung zu entwickeln.
13.2.2.2. Flankenangriff
Die militärische Regel besagt, dass der Gegner dort am stärksten ist, wo er einen Angriff erwartet, dh
seine Flanken sind oft weniger gesichert und daher natürliche Angriffspunkte. Der Angreifer handelt
dabei zunächst so, als wolle er den Gegner auf seiner starken Seite attackieren, um dort dessen Kräfte zu binden, und richtet dann seine wirkliche Offensive auf die Flanke des Konkurrenten. Der Flankenagriff wird besonders dann bevorzugt, wenn der Angreifer weniger Ressourcen in den Kampf zu
werden hat als sein Gegner. Er kann diesen dann nicht durch Stärke überwinden, sondern muss ihn
durch geschickte Manöver überraschen und überwältigen. Im Markt kann der Flankenagriff geographisch oder segmentspezifisch erfolgen.
13.2.2.3. Umzingelungsangriff
Beim Umzingelungsangriff erfolgt eine Großoffensive an mehreren Angriffspunkten, und zwar frontal,
an den Flanken und im Rücken des Gegners, so dass sich dieser an allen Seiten gleichzeitig verteidigen muss. Diese Form des Angriffs ist dann sinnvoll, wenn der Angreifer über mehr Ressourcen als
der Gegner verfügt und davon überzeugt ist, dass das Umzingelungsmanöver so erfolgsreich ausfällt,
dass der Widerstand des Gegners gebrochen wird und diese Aktion letztendlich weniger kostet als ein
direkter Frontalangriff.
13.2.2.4. Vorbeiangriff
Dies ist die indirekteste Form der Angriffsstrategie. Am Gegner vorbei werden Märkte angegriffen, die
leicht zu erobern sind und die Ausgangsbasis des Angreifers stärken. Hier gibt es drei Ansätze: Diversifizierung in nicht verwandte Produktbereiche, Diversifizierung in neue geographische Märkte oder
Ausmanövrieren des Gegners durch Vorstoß in neue Technologiefelder, mit denen existierenden Produktmärkte unterwandert werden können.
13.2.2.5. Guerilla Angriff
Dieses Vorgehen ist besonders für kleinere, unterkapitalisierte Angreifer geeignet. Der Guerilla-Angriff
besteht aus kleinen, immer wiederkehrenden Offensiven in verschiedenen Geschäftsbereichen des
Gegners, um diesen zu demoralisieren und sich mit der Zeit selbst dauerhaft zu etablieren.
13.2.3. Realisierung der Angriffsstrategien
Die fünf Strategien wurden hier nur allgemein diskutiert. Sie müssen noch in Form von spezifischen
operationalen Maßnahmen umgesetzt werden. Der Herausforderer kann seine Angriffsstrategien auf
mehrere Arten umsetzen: Preisunterbietung, Billigangebot, Prestigeangebot, Produktvielfalt, Produktinnovation, verbesserte Serviceleistungen, innovativere Vertriebswege, Herstellungskostensenkung,
intensivere Werbung und Verkaufsförderung. Ein Herausforderer ist selten in der Lage, allein durch
die Umsetzung einer dieser Maßnahmen seinen Marktanteil zu erhöhen. Der Erfolg beruht auf der
geschickten Kombination und der richtigen zeitlichen Abfolge der Aktionen.
13.3. Strategien für Mitläufer
Vor einigen Jahren schrieb Professor Levitt einen Artikel mit dem Titel „Innovative Imitation“, in dem er
darlegte, dass eine Strategie der Produktimitation ebenso erfolgreich sein könne wie eine Strategie
der Produktinnovation. Schließlich muss ja der Innovator die hohen Kosten für die Entwicklung des
neuen Produkts, für den Vertrieb sowie die Information und sachliche Schulung der Kunden tragen.
Die Belohnung für all diesen Aufwand und diese Risiken ist üblicherweise die Marktführerschaft. Doch
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es kann jederzeit ein anderes Unternehmen auftauchen, das das neue Produkt einfach kopiert oder
sogar noch verbessert und dann auf den Markt bringt. Wenn es auch den Marktführer nicht überrunden kann, lukrativ kann dieses Mitlaufen immer sein, da dem Unternehmen ja keine Kosten für die
Produktinnovation entstanden sind.
13.4. Strategien für Nischenbesetzer
Nischenbesetzer sind kleinere Unternehmen, die sich auf bestimmte Teilmärkte beschränken. Sie
besetzen Marktnischen, die sie durch Spezialisierung erfolgreich bearbeiten können und die von den
größeren Konkurrenten entweder übersehen oder vernachlässigt wurden. Nischenbesetzer können
sich auf Märkte, Kunden, Produkte oder Marketing-Mix-Elemente spezialisieren. Im einzelnen besteht
die Möglichkeit der vertikalen Spezialisierung, der geographischen Spezialisierung, der Spezialisierung auf die Auftragsfertigung sowie der Spezialisierung nach Endverwendern, Kundengröße, Einzelkunden, Produkten, Produktmerkmalen, Qualität, Preis, Serviceleistungen und nach Vertriebswegen.
Nischenbesetzer müssen berücksichtigen, dass eine Mehr-Nischen-Strategie einer Einzel-NischenStrategie vorzuziehen ist, da jede Marktnische angegriffen oder unrentabel werden könnte.
14. Marketingstrategien für globale Märkte
14.1. Einleitung
Die Tagespresse lobt gern Exportfolge und dramatisiert oft die Überschwemmung des eigenen Landes mit importierter Ware. Insbesondere die Deutschen sehen sich gern als Exportweltmeister und
sind stolz, dass deutsche Produkte unter der Bezeichnung „Made in Germany“ in aller Welt verkauft
werden. Der bedeutende Anteil der Deutschen am Welthandel beruht dabei schon auf langer Tradition. Schon vor über 100 Jahren nahm das damalige Deutsche Reich, hinter England mit ca. 20 % und
Frankreich mit etwa 13 %, mit einem Anteil von etwa 10 % die 3. Stelle im Welthandel ein. Im Jahr
1996 behauptete Deutschland mit einem Anteil von 9,4 % am Weltexport hinter den USA und vor Japan den 2. Platz.
14.2. Entscheidung zum Eintritt in das Auslandsgeschäft
Viele Unternehmen würden es vorziehen, ihre Geschäfte nur im heimischen Markt zu betreiben, wenn
dieser groß genug wäre. Für die Manager der Unternehmen wäre dies in vielerlei Hinsicht angenehmer. Mit dem Auslandsgeschäft müssen sie nämlich auch Fremdsprachen lernen, mit fremden und
fluktuierenden Währungen umgehen, politische und rechtliche Unsicherheiten und Anfeindungen
überwinden sowie ihre Produkte und Marketingprogramme den Bedürfnissen und Erwartungen der
ausländischen Kundschaft anpassen. Es gibt jedoch viele Gründe, die ein Unternehmen dazu bewegen, in das internationale Geschäft einzusteigen. Ehe sich das Unternehmen für das Auslandsgeschäft entscheidet, muss es die wesentlichsten Chancen und Risiken gegeneinander abwägen.
14.3. Entscheidung zur Wahl der Auslandsmärkte
Vor dem Sprung in das Ausland sollte das Unternehmen seine internationalen Marketingzielsetzungen
und Vorgehensweisen festlegen. Zunächst sollte es entscheiden, welchen Anteil der Auslandsumsatz
am Gesamtumsatz haben soll. Die meisten Unternehmen beginnen hier in kleinem Rahmen. Einige
wollen den Umfang ihrer Auslandstätigkeit begrenzt halten. Andere Unternehmen haben größere Pläne, da sie das Auslandsgeschäft letztendlich als ebenso wichtig oder gar wichtiger als das Inlandsgeschäft betrachten.
14.4. Entscheidung zur Art des Markteinstiegs
Hat ein Unternehmen beschlossen, in einem bestimmten Land aktiv zu werden, muss es eine Entscheidung über die beste Einstiegsart treffen. Es stehen indirekter Export, direkter Export, Lizenzvergabe, Joint-Ventures und Direktinvestitionen als Einstiegsart zur Wahl. In dieser Reihenfolge bedeuten diese Strategien jeweils mehr Engagement, Risiko, Kontrolle und Gewinnpotential.
14.4.1. Indirekter Export
Der normale Weg, in einem Auslandsmarkt tätig zu werden, ist der Export. Gelegentlicher Export ist
ein passiver Weg der Geschäftsaufnahme, wobei das Unternehmen von Zeit zu Zeit aus eigenem
Antrieb oder als Reaktion auf verkäuferisch unvorbereitete Auslandsbestellungen exportiert. Aktiver
Export findet statt, wenn sich das Unternehmen darauf festlegt, seine Exporte in einem bestimmten
Markt auszudehnen. In beiden Fällen produziert das Unternehmen alle seine Güter im Stammland. Es
kann seine Produkte unverändert lassen oder an den Auslandsmarkt anpassen
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14.4.2. Direkter Export
Manche Unternehmen gehen dazu über, ihre Exporte selbst abzuwickeln. Da der Exportvermittler
wegfällt, sind Investitionen und Risiken hier etwas höher; dies gilt auch für die potentielle Rendite. Das
Unternehmen kann den direkten Export auf mehrere Arten durchführen: angegliederte oder eigenständige Exportabteilung im Inland, Unternehmenssparte oder Tochtergesellschaft für das Auslandsgeschäft, reisende Exportvertreter, im Ausland ansässige Händler oder Vertreter.
14.4.3. Lizenzvergabe
Die Vergabe von Lizenzen ist für einen Hersteller ein einfacher Weg, in das internationale Marketing
einzusteigen. Der Lizenzgeber schließt eine Vereinbarung mit einem Lizenznehmer im Auslandsmarkt
ab und räumt ihm das Nutzungsrecht für ein Fertigungsverfahren, Warenzeichen, Patent, Geschäftsgeheimnis oder andere Dinge von Wert gegen Zahlung einer Vergütung oder Lizenzgebühr ein. Der
Lizenzgeber erreicht damit bei geringem Risiko einen Zugang zum Markt. Der Lizenznehmer verschafft sich damit Fertigungs-Know-how oder ein bekanntes Produkt, bzw. einen bekannten Markennahmen, ohne dass er ganz von vorn anfangen muss. Beiersdorf hat z.B. seit 1967 Produkte in Lizenz
mit dem ungarischen Kosmetikunternehmen Caola produzieren lassen und parallel dazu aus Österreich, der Schweiz und Deutschland weitere Produkte nach Ungarn geliefert.
14.4.4. Joint-Ventures
Beim Joint-Venture schließt man sich mit Partnern im Ausland zusammen, um dort ein Unternehmen
zu betreiben, dessen Eigentum, Leitung und Kontrolle man sich teilt. Solch ein gemeinsames Vorhaben kann aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen notwendig oder erstrebenswert sein. Dem
ausländischen Partner könnte es z.B. an finanziellen Mitteln oder ausreichend Managementpersonal
fehlen, um das Vorhaben alleine durchzuführen. Ein politischer Grund für Joint-Ventures könnte darin
bestehen, dass eine Unternehmensgründung im Ausland nur dann von der Regierung zugelassen
wird, wenn einheimische Partner daran beteiligt sind. Sogar die größten Unternehmen brauchten
Joint-Ventures, um in schwierige Märkte zu kommen.
14.4.5. Direktinvestitionen
Die ausgeprägteste Form des geschäftlichen Engagements im Ausland ist die direkte Investition in
den Aufbau oder Erwerb von Niederlassungen mit eigenen Montag-, Fertigungs- oder Dienstleistungsbetrieben vor Ort. Wenn das Unternehmen durch Exporte genügend Markterfahrung gesammelt
hat und der Auslandsmarkt groß genug erscheint, dann ist dieser Schritt sinnvoll und bringt mehrere
Vorteile. Erstens kann das Unternehmen Kostenvorteile durch billigere Arbeitskräfte und Rohstoffe,
ausländische Investitionsanreize und Frachtkostenersparnisse genießen. Zweitens kann das Unternehmen sein Image im Gastland zu seinem Vorteil verbessern, wenn es dort Arbeitsplätze schafft.
Drittens kann es intensivere Beziehungen zur Regierung, zu den Kunden und den inländischen Lieferanten und Händlern entwickeln.
14.4.6. Prozess der Internationalisierung
Viele Unternehmen zeigen eine ausgeprägte Präferenz für eine bestimmte Markteintrittsart. Das eine
Unternehmen zieht den Weg des Exports vor, da dies das Risiko minimiert. Ein anderes zieht die Lizenzerteilung vor, da dieser Weg der müheloseste zu sein scheint. Wieder ein anderes favorisiert
Direktinvestitionen, da es die volle Kontrolle behalten will, ohne dabei die Interessen eines Partners
berücksichtigen zu müssen. Wer jedoch auf einer bestimmten Eintrittsart besteht, legt sich selbst Beschränkungen auf.
14.5. Entscheidung zum Marketingprogramm
Unternehmen, die auf einem oder mehreren ausländischen Märkten operieren, müssen entscheiden,
inwieweit sie ihren Marketing-Mix an die lokalen Gegebenheiten anpassen wollen. Das eine Extrem
sind Unternehmen, die weltweit einen standardisierten Marketing-Mix verwenden. Eine Standardisierung des Produkts, der Werbung, der Vertriebsmethoden und anderer Elemente des Marketing-Mix
verspricht die niedrigsten Kosten, da keine größeren Änderungen anfallen. Das andere Extrem ist der
vollständig adaptierte Marketing-Mix, bei dem der Produzent alle Elemente des Marketing-Mix an jeden Zielmarkt anpasst; dabei hat er höhere Kosten, hofft aber andererseits auf einen größeren Marktanteil und eine höhere Rendite. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es viele Möglichkeiten.
14.5.1. Produktanpassung
Keegan unterscheidet fünf Varianten zur Anpassung des Produkts und der Absatzförderung an einen
ausländischen Markt: direkte Übertragung, Kommunikationsanpassung, Produktanpassung, Zweifachanpassung, Produkterfindung.
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14.5.2. Kommunikationsanpassung
Die Unternehmen können entweder die gleiche Kommunikationsstrategie wie auf dem inländischen
Markt verfolgen oder sie für den Auslandsmarkt in einem Prozess der Kommunikationsanpassung
verändern. Wenn sowohl Produkt als auch Kommunikation angepasst werden, dann liegt eine Zweifachanpassung vor.
14.5.3. Preisanpassung
Bei der Festlegung der Preise im internationalen Geschäft muss das Unternehmen insbesondere Folgende Probleme berücksichtigen: Eskalation der Preise durch Zölle, Abgaben und Handelsbräuche,
Transferpreise nach Gesichtspunkten der Besteuerung in verschiedenen Ländern, Dumping, grauer
Markt und Kaufpreiserzielung nicht in Form von Geld, sondern in Form von Kompensation durch Waren. Bei der globalen Preispolitik haben die Unternehmen drei Möglichkeiten: Festlegung eines überall
gültigen einheitlichen Preises, Festlegung eines marktbestimmten Preises in jedem Land, Festlegung
eines kostenbestimmten Preises in jedem Land. Für welche der Alternativen das Unternehmen sich
auch entscheidet, es ist in der Regel so, dass seine Preise von Land zu Land unterschiedlich sind.
Dies ergibt sich schon allein aus den fluktuierenden Wechselkursen. Selbst wenn z.B. Volkswagen
seinen Passat den Autoverkäufern in den USA und Deutschland zum gleichen Preis anbieten wollte,
würde es im Verlauf des Jahres Preisunterschiede in beiden Ländern geben.
14.5.4. Vertriebsweganpassung
Zu viele Anbieter meinen, ihre Arbeit sei getan, sobald da Produkt den Betrieb verlassen hat. Sie sollten ihr Augenmerk darauf richten, wie das Produkt im Ausland durch die Vertriebswege läuft. Das
internationale Unternehmen muss die Warenverteilung bis hin zu den Endverbrauchern aus der Sicht
des Gesamtvertriebssystems betrachten. Das erste Bindeglied, die Führungszentrale für das internationale Marketing des Anbieters, besteht aus der Exportabteilung oder der internationalen Sparte, dh
einem eigenständigen Firmenteil für das internationale Geschäft, der über die Vertriebswege und andere Elemente des Marketing-Mix entscheidet. Das zweite Bindeglied, das Vertriebssystem zwischen
den Ländern, bringt die Produkte zu den Auslandsmärkten.
14.6. Entscheidung zur Marketingorganisation
Unternehmen können ihre internationalen Marketingaktivitäten auf mindestens dreierlei Art organisatorisch führen: durch Exportabteilungen, internationale Sparte oder eine globale Organisation.
14.6.1. Exportabteilung als Führungsstelle
Ein Unternehmen beginnt im Normalfall seine internationalen Marketingaktivitäten damit, dass es die
Ware auf Nachfrage hin einfach in das Ausland versendet. Steigen die internationalen Umsätze, richtet das Unternehmen eine Exportabteilung ein, die aus einem Exportmanager und ein paar Sachbearbeitern besteht. Steigen die Umsätze weiter, wird die Exportabteilung ausgebaut und umfasst nun
verschiedene Marketing-Servicefunktionen, so dass das Unternehmen von dem Exportgeschäft intensiver nachgehen kann. Falls sich das Unternehmen an Joint-Ventures beteiligt oder Direktinvestitionen
tätigt, ist die Exportabteilung keine adäquate Führungsstelle mehr für die internationalen Aktivitäten.
14.6.2. Internationale Sparte als Führungsstelle
Viele Unternehmen werden auf mehreren internationalen Märkten tätig und sind an mehreren Auslandsprojekten beteiligt. So kann ein Unternehmen in ein Land exportieren, im anderen Lizenzen vergeben, in einem dritten an einem Joint-Venture beteiligt sein und in einem vierten eine eigene Tochtergesellschaft betreiben. Früher oder später wird es eine internationale Sparte einrichten, die alle
internationalen Aktivitäten abwickelt. Der Leiter einer solchen internationalen Sparte legt die Zielsetzungen und Budgets fest und ist für das Wachstum des Unternehmens auf dem internationalen Markt
verantwortlich.
14.6.3. Globale Organisationsführung
Einige Unternehmen sind bereits über die Stufe der internationalen Sparte hinaus und entwickeln sich
zu globalen Organisationen. Sie sehen sich nicht mehr als nationale Marketer, die im Ausland tätig
sind, sondern beginnen, sich als globale Marketer zu betrachten. Die Gesamtunternehmensleitung
und die Stabsstellen sind an der Planung der weltweiten Produktionseinrichtungen, Marketingaktivitäten, Finanzflüsse und logischen Systeme beteiligt. Die globalen operativen Einheiten sind direkt dem
Vorstandsvorsitzenden oder dem Vorstandsgremium unterstellt, und nicht dem Leiter einer internationalen Sparte. Die Führungskräfte werden darin geschult, weltweite, und nicht nur inländische oder
einige internationale Betriebsprobleme zu lösen.
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15. Management von Produkten und Marken
Als nächstes untersuchen wir in diesem Buch die Elemente des Marketing-Mix eingehender. Wir beginnen mit dem Produkt. Das Produkt ist für den Kunden das wesentlichste Element im Angebot eines
Unternehmens an den Markt. Es ist das erste und wichtigste Element im Marketing-Mix. Die Planung
des Marketing-Mix beginnt damit, ein Angebot zu formulieren, das den Bedürfnissen und Wünschen
der Zielkunden entspricht.
15.1. Was ist ein Produkt?
Wir definieren den Produktbegriff wie folgt: Ein Produkt ist, was einem Markt angeboten werden kann,
um es zu betrachten und zu beachten, zu erwerben, zu gebrauchen oder zu verbrauchen und somit
einen Wunsche oder ein Bedürfnis zu erfüllen. Meist denken wir beim Begriff Produkt an Waren in
Form von materiellen Objekten: Autos, Toaster, Schuhe, Eier, Bücher, etc. Aber auch Dienstleistungen, wie ein Haarschnitt, ein Konzert oder eine Urlaubsreise, sind Produkte. Auch Personen kann an
als Produkt sehen. Ein Filmstar wie Barbra Streisand lässt sich sehr wohl vermarkten – nicht in dem
Sinne, dass wir sie tatsächlich kaufen können, sondern indem wir ihr Beachtung schenken, ihre
Schallplatten kaufen und ihre Filme besuchen.
15.1.1. Fünf Konzeptionsebenen für das Produkt
Zur Planung seinen Produktangebots muss der Marketer sein Produkt auf fünf Konzeptionsebenen
durchdenken: Kernnutzen, Basisprodukt, erwartetes Produkt, augmentiertes Produkt, potentielles
Produkt. In aufsteigender Folge muss jede Ebene dem Kunden weitere Zusatznutzen bieten, so dass
die fünf Ebenen eine Wertsteigerungsfolge darstellen. Auf der fundamentalsten Konzeptionsebene
muss er sich mit dem Kernnutzen befassen, dh mit der fundamentalen Produktleistung und dem Produktnutzen, den der Kunde in Wirklichkeit kauft. Im Falle eines Hotels kauft der übernachtende Gast in
Wirklichkeit Ruhe und Schlaf. Im Falle eines Lippenstifts kauft der Erwerber in Wirklichkeit Hoffnung
auf Schönheit.
15.1.2. Produkthierarchien
Jedes Produkt steht in Beziehung zu anderen Produkten. Eine Produkthierarchie umfasst das Spektrum vom Grundbedürfnis bis zum speziellen Artikel, der dieses Bedürfnis erfüllt. Die Produkthierarchie lässt sich in sechs Ebenen unterteilen: Bedürfnisfamilie, Produktfamilie, Produktklasse, Produktlinie, Produkttyp, Artikel. Ein Beispiel: Das Bedürfnis „Sich-Wohlfühlen“ führt zur Entstehung einer Produktfamilie Körperpflegemittel und einer Produktklasse Kosmetika innerhalb dieser Familie. Eine Produktlinie innerhalb dieser Klasse sind Lippenstifte.
15.1.3. Produkttypologien
Im Marketing haben sich je nach Produkteigenschaften und Anwendungsbereich mehrere Produkttypologien entwickelt. Oft werden die Typologien so gewählt, dass für jeden Produkttyp eine andere
Marketing-Mix-Strategie geeignet ist. Im folgenden sind die wichtigsten Typologien für Konsum- und
Industriegüter und ableitbare marketingstrategische Folgerungen zusammengestellt.
15.1.3.1. Typologie nach Gebrauchs-, Verbrauchs- und Dienstleistungsanteil
Produkte lassen sich je nach ihrer Dauerhaftigkeit und materiellen Beschaffenheit in drei Klassen unterteilen:
15.1.3.1.1. Gebrauchsgüter
Gebrauchsgüter sind materielle Produkte, die im Regelfall viele Verwendungseinsätze überdauern,
z.B. Kühlschränke, Werkzeugmaschinen oder Kleidung. Gebrauchsgüter erfordern meist einen intensiveren persönlichen Verkaufs- und Serviceaufwand, höhere Handelsspannen und umfangreichere
Garantieleistungen des Anbieter.
15.1.3.1.2. Verbrauchsgüter
Verbrauchsgüter sind materielle Produkte, die im Regelfall im Laufe eines oder einiger weniger Verwendungseinsätze konsumiert werden, z.B. Bier, Seife oder Salz. Da solche Güter schnell verbraucht
werden und die Wiederkaufzyklen kurz sind, ist es strategisch am zweckmäßigsten, sie an möglichst
vielen Orten verfügbar zu machen, mit niedrigen Margen zu kalkulieren und sie intensiv zu bewerben,
um Erstkäufe anzuregen und eine Präferenz für die eigenen Marken aufzubauen.
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15.1.3.1.3. Dienstleistungen
Dienstleistungen sind immaterielle Produkte, z.B. Haarschnitte, Reparaturen und Beratung. Dienstleistungen werden in engem Verbund von Leistungsgeber und Leistungsnehmer vollzogen, sind in der
Ausführung von hoher Schwankungsbreite und sind nicht lagerfähig. Sie erfordern folglich mehr Qualitätskontrolle, Vertrauenswürdigkeit und Anpassungsfähigkeit von Seiten des Diensteanbieter. Viele
Gebrauchs- und Verbrauchsgüter enthalten eine Dienstleistungskomponente, werden jedoch wegen
des geringen Anteils dieser Komponente nicht als Dienstleistungen geführt. Andererseits werden bei
Dienstleistungen oft auch Gebrauchs- und Verbrauchsgüter mit genutzt.
15.1.3.2. Konsumgütertypologie nach Kaufgewohnheiten
Die Konsumenten treffen Kaufentscheidungen über eine große Anzahl von Gütern. Es ist nützlich,
diese Güter nach den Kaufgewohnheiten der Konsumenten einzuteilen, da die Kaufgewohnheiten für
die Marketingstrategie wichtig sind. Man kann zwischen Gütern des mühelosen Kaufs, Gütern des
Such- und Vergleichskaufs, Gütern des Spezialkaufs und des fremdinitiierten Kaufs unterscheiden.
15.1.3.2.1. Güter des mühelosen Kaufs
Güter des mühelosen Kaufs sind Waren, die der Konsument in der Regel häufig, unverzüglich und mit
minimalem Vergleichs- und Einkaufsaufwand erwirbt. Beispiele dafür sind Tabakwaren, Seife und
Zeitungen. Die Güter des mühelosen Kaufs lassen sich weiter unterteilen in Güter des Regelkaufs,
des Spontankaufs oder des Dringlichkeitskaufs. Güter des Regelkaufs werden regelmäßig eingekauft;
so könnte sich ein Verbraucher z.B. immer wieder für Jacobs-Kaffe, Signal-Zahncreme und BahlsenKekse entscheiden. Spontan gekaufte Güter werden ohne Planungs- oder Suchaufwand gekauft.
15.1.3.2.2. Güter des Such- und Vergleichskaufs
Güter des Such- und Vergleichskaufs sind Waren, bei deren Kauf der Kunde Such-, Vergleichs- und
Auswahlprozesse durchläuft und Kriterien wie Eignung, Qualität, Preis und Design anlegt. Beispiele
hierfür sind Möbel, Kleidung, Gebrauchtwagen und größere Haushaltsgeräte. Die Güter des Suchund Vergleichskaufs lassen sich weiter in homogene und heterogene Güter unterteilen. Von homogenen Vergleichsgütern spricht man, wenn nach Meinung der Käufer ähnliche Qualitätsausprägungen
bei unterschiedlichen Preisen angeboten werden, so dass Vergleichsangebote gesucht werden müssen. Der Anbieter muss folglich seine Preiswürdigkeit herausstellen.
15.1.3.2.3. Güter des Spezialkaufs
Güter des Spezialkaufs sind Waren mit besonders eigenständigem Charakter und besonders eigenständiger Markenidentität, bei denen es eine merkliche Anzahl von Käufern gewohnt ist, sich besondere Mühe zu geben. Zu diesen Gütern gehören z.B. spezielle Ausrüstungen für Wassersportler,
Bergsteiger, Angler, Sportflieger, Golfer oder auch Antiquitäten bestimmter Stilrichtungen. Aber auch
ganz bestimmte Marken und Typen von Gütern, mit denen man sich hervortun kann, wie z.B. besondere Autos, Hi-Fi-Anlagen oder Fotoausrüstungen, und bestimmte Bekleidungsmarken, gehören dazu.
Ein Biedermeierschrank ist z.B. ein Gut des Spezialkaufs, weil die Käufer bereit sind, die erforderliche
Mühe aufzuwenden, um gerade dieses Produkt zu erwerben. Der Käufer stellt bei diesen Güter weniger Angebotsvergleiche an.
15.1.3.2.4. Güter des fremdinitiierten Kaufs
Güter des fremdinitiierten Kaufs sind Waren, die der Verbraucher nicht kennt oder die ihm zwar bekannt sind, an deren Anschaffung er im Normalfall jedoch nicht denkt. Neue Produkte, wie Bewegungsmelder oder Mikrowellenherde, sind solange fremdinitiierte Güter, bis der Konsument durch
Werbung oder Mundpropaganda auf ihre Existenz aufmerksam gemacht wird. Die klassischen Beispiele für zwar bekannte, aber in der Regle fremdinitiierte Güter sind Lebensversicherungen, Bestattungsverträge, Grabsteine und Enzyklopädien. Aufgrund ihrer besonderen Charakteristika müssen auf
fremdinitiierte Güter erhebliche Marketinganstrengungen in Form von Werbung und persönlichem
Verkauf verwendet werden. Eine Reihe der raffiniertesten Techniken des persönlichen Verkaufs haben ihren Ursprung in der herausfordernden Aufgabe, diese Güter zu verkaufen.
15.1.3.3. Industriegütertypologie
Auch Organisationen treffen Kaufentscheidungen über eine große Vielfalt von Gütern und Dienstleistungen. Eine nützliche Typologie von Industriegütern liegt dann vor, wenn damit auf geeignete Marketingstrategien für Industriegütermärkte hingewiesen wird. Industriegüter lassen sich danach unterscheiden, wie sie über den Produktionsprozess und die Kostenrechnung in die Wertkette eingehen.
Wir unterscheiden vier Industriegütertypen: Eingangsgüter, Anlagegüter, Hilfsgüter und investive
Dienstleistungen.
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15.1.3.3.1. Eingangsgüter
Eingangsgüter sind Materialien und Teile, die in das Erzeugnis eines Herstellers eingehen. Sie lassen
sich in zwei weitere Gruppen unterteilen: Rohstoffe und Halbfertigprodukte. Die Kosten der Eingangsgüter werden den Kosten der entstehenden Endprodukte direkt zugerechnet. Die Rohstoffe wiederum
unterteilen sich in zwei Hauptgruppen: landwirtschaftlich erzeugte Produkte und naturgewonnene
Produkte. Die Methoden der Vermarktung unterscheiden sich bei diesen beiden Klassen.
15.1.3.3.2. Anlagegüter
Anlagegüter sind Kapitalgüter, die nicht direkt in das Endprodukt eingehen, jedoch die Grundlage für
die industrielle Fertigung bilden. Die Anschaffungskosten von Kapitalgütern werden in der Regel kapitalisiert und gehen nur indirekt über die Verrechnung von Abschreibungen, Finanzierungskosten oder
Mietkosten in die Gesamtkosten des Endprodukts ein. Sie werden wiederum in zwei Gruppen unterteilt: Anlagen und Geräte. Zu den Anlagen zählen Gebäude und fest installierte Ausrüstungsgegenstände. Es handelt sich dabei um größere Anschaffungen.
15.1.3.3.3. Hilfsgüter
Hilfsgüter sind Güter, die nicht direkt in das Endprodukt eingehen, die jedoch funktionell für die Durchführung von Produkts- oder Geschäftsprozessen notwendig oder förderlich sind. Die Kosten von Hilfsgütern werden den Endprodukten oft nach einem willkürlichen Verteilungsschlüssel zugerechnet. Es
gibt zwei Arten von Hilfsgütern: Betriebsmittel und Artikel für Reparatur- und Wartungszwecke. Die
Hilfsgüter für Industriegütermärkte entsprechen den Gütern des mühelosen Einkaufs auf Konsumgütermärkten, die sie meist mit minimalem Aufwand auf der Basis reiner Wiederholungskäufe beschafft
werden. Die Warenverteilung erfolgt aufgrund der geographischen Streuung der zahlreichen Abnehmer und des geringen Stückwerts der Artikel in der Regel über Zwischenhändler.
15.1.3.3.4. Investive Dienstleistungen
Investive Dienstleistungen sind immaterielle Güter zur direkten oder indirekten Unterstützung einer
Geschäftstätigkeit. Investive Dienstleistungen gehen in der Regel über Verrechnungsschlüssel in die
Kosten ein. Zu den investiven Dienstleistungen gehören Wartungs- und Reparaturdienste und Betriebsberatungsdienste. Wartungs- und Reparaturdienste werden meist durch besondere Verträge
fixiert. Wartungsdienste werden oft von kleinen Anbietern geleistet.
15.2. Produktmixentscheidungen
Wir wollen nun als nächstes die Entscheidungen zum Produktmix erörtern. Ein Produktmix ist die Gesamtheit aller Produktlinien und Artikel, die ein Anbieter dem Kunden zum kauf anbietet. Der Produktmix großer Unternehmen kann sehr umfassend sein. Größere Technologieunternehmen, wie z.B.
Bosch, Siemens, ABB, Sulzer, IBM oder Mitsubishi, führen in ihren Sortimenten bis zu mehreren hunderttausend unterschiedliche Artikel. Produktmixentscheidungen fallen nicht nur beim Hersteller, sondern auch im Handel.
15.3. Produktlinienentscheidungen
Der Produktmix besteht aus unterschiedlichen Produktlinien. Eine Produktlinie lässt sich wie folgt definieren: Eine Produktlinie ist eine Gruppe von Produkten, die in enger Beziehung zueinander stehen,
da sie eine ähnliche Funktion erfüllen, an dieselben Zielgruppen verkauft werden, über dieselben Arten von Distributionspunkten verteilt werden oder in eine bestimmte Preisklasse fallen. Für jede Produktlinie eines Unternehmens ist meist eine spezielle Führungskraft zuständig, die – je nach Umfang
der Linie und Anzahl der ihr zuarbeitenden Mitarbeiter – einen Titel wie Produktmanager, Produktgruppenmanager, Marketing-Manager oder Ressortleiter trägt. Die Tarkett/Pegulan-Organisation verfügt z.B. über Produktlinienmanager für Holzfußböden, Kunststoffböden, Teppichböden, Keramik,
Industrietextilien und Folien.
15.3.1. Analyse der Produktlinie
Der Produktlinienmanager hat einen großen Informationsbedarf. Er braucht ein Umsatz- und Gewinnprofil der Artikel seiner Produktlinie und ein Marktprofil, das zeigt, wie die eigenen Produktlinie im Vergleich zur Konkurrenz abschneidet. Diese Information geht in die Entscheidung ein, welche seiner
Produkte ausgebaut, gehalten, geerntet oder abgestoßen werden sollen.
15.3.1.1. Umsatz- und Gewinnprofil der Produktlinie
Jeder Artikel einer Produktlinie leistet einen unterschiedlichen Beitragt zum Gesamtumsatz und –
gewinn der Linie. Der Produktlinienmanager muss den prozentualen Anteil am Gesamtumsatz und –
gewinn ermitteln, den jeder Einzelartikel erwirtschaftet. Wenn es bei starken Artikeln durch ein Konkurrenzangebot schlagartig zu Einbrüchen kommen würde, könnte dies eine Umsatz- und RentabiliGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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tätskollaps der Produktlinie bringen. Die Konzentration des Umsatzes auf nur wenige Artikel macht
eine Produktlinie anfällig. Diese Artikel müssen daher sorgfältig überwacht und ständig gehegt und
gepflegt werden.
15.3.1.2. Marktprofil der Produktlinie
Der Produktlinienmanager muss auch analysieren, mit welchem Profil die von ihm betreute Produktlinie im Vergleich zu den Linien der Konkurrenz im Markt positioniert ist.
15.3.2. Umfang der Produktlinie
Eine wichtige Aufgabe des Produktlinienmanagers ist es, den optimalen Umfang der Produktlinie festzulegen. Der Umfang ist zu klein, wenn der Produktlinienmanager den Gewinn durch Hinzunahme
neuer Artikel erhöhen kann; der Umfang ist zu groß, wenn er den Gewinn durch Eliminierung von Artikeln erhöhen kann. Der Umfang der Produktlinie wird auch durch die Unternehmenspolitik geprägt.
Wer ein Vollsortimenter sein will und/oder einen hohen Marktanteil anstrebt, wird umfangreiche Produktlinien führen und sich weniger beunruhigt fühlen, wenn dabei einige Artikel keinen Gewinnbeitrag
leisten. Unternehmen, denen es auf eine hohe Umsatzrendite ankommt, führen dagegen Linien mit
weniger, ausgewählten Artikeln.
15.3.2.1. Strecken der Produktlinie
Die Produktlinie jedes Unternehmens umspannt nur einen Teil des Gesamtangebots der Branche. So
umfassen die Fahrzeuge von BMW nur den mittleren bis hohen Preisbereich des Automobilmarktes.
Ein Strecken der Produktlinie liegt vor, wenn ein Unternehmen den bisherigen Bereich seiner Produktlinie ausdehnt. Die Produktlinie kann nach unten, nach oben oder in beide Richtungen gestreckt werden.
15.3.2.1.1. Abwärtsstrecken
Viele Unternehmen beginnen zunächst am oberen Ende des Marktes und strecken ihre Linie dann
nach unten. Häufig heften die Unternehmen auch Produktmodelle an das untere Ende der Produktlinie
an, um damit zu werben, dass ihre Marke schon von einem sehr günstigen Preis an erhältlich ist. So
bieten viel PC-Hersteller günstige Grundmodelle an. Solche Modelle dienen dazu, über besonders
niedrige Preise Kunden anzuziehen. Wenn der Interessent dann die hochwertigeren Modelle der gleichen Marke sieht, entschließt wer sich nicht selten, doch mehr auszugeben, als er ursprünglich wollte.
15.3.2.1.2. Aufwärtsstrecken
Unternehmen im unteren Ende des Marktes können umgekehrt auch in das obere Ende vordringen.
Anreize dafür wären z.B. höhere Wachstumsraten und Gewinnspannen oder ganz einfach die Aussicht, sich als Vollsortimenter auf dem Markt zu positionieren. BMW sowie verschiedenen japanische
Automobilhersteller streckten z.B. ihre Produktlinie mit Erfolg nach oben. Auch die Entscheidung, eine
Ausdehnung nach oben vorzunehmen, birgt ihre Risiken. Die Konkurrenten befinden sich dort nicht
nur in gut gefestigten Stellungen, sondern können auch zurückschlagen und ihre Aktivitäten auf das
untere Marktende ausweiten.
15.3.2.1.3. Zweiseitiges Strecken
In der Mittel des Marktspektrums angesiedelte Unternehmen können auch beschließen, ihre Produktlinien in beide Richtungen zu strecken.
15.3.2.2. Ausfüllen einer Produktlinie
Eine Produktlinie lässt sich auch vergrößern indem man innerhalb des vorhandenen Linienspektrums
neue Artikel hinzunimmt. Für dieses Ausfüllen einer Produktlinie gibt es mehrere Beweggründe, z.B.
Zusatzgewinne zu erzielen, Händler zufriedenzustellen, die sich über Umsatzeinbußen aufgrund von
Angebotslücken beschwerden, überschüssige Kapazitäten zu nutzen, zum marktbeherrschenden
Vollsortimenter zu werden und Marktlücken zu schließen, um die Konkurrenz fernzuhalten. Dieses
Ausfüllen geht zu weit, wenn es nur noch zur Kannibalisierung führt, dh wenn sich die eigenen Produkte gegenseitig die Käufer wegnehmen und bei der Kundschaft Verwirrung gestiftet wird. Ein Unternehmen muss dafür sorgen, dass der Verbraucher die Artikel auseinanderhalten kann. Der Unterschied zwischen den einzelnen Artikeln sollte über der Wahrnehmbarkeitsgrenze liegen.
15.3.3. Modernisierung der Produktlinie
In manchen Fällen hat die Produktlinie einen angemessenen Umfang, ist jedoch modernisierungsbedürftig. So könnte die Produktlinie in Funktion oder Erscheinungsbild einen veralteten Eindruck machen und deshalb moderner gestalteten Konkurrenzlinien im Wettbewerb unterlegen sein. Die Frage
ist, ob man die Produktlinie teilweise oder total erneuern soll. Bei einer teilweisen Erneuerung kann
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das Unternehmen die Reaktion der Kunden und Händler auf den neuen Stil beobachten, ehe es die
gesamte Linie ändert. Des weiteren belastet ein solches Vorgehen den Cashflow des Unternehmens
weniger.
15.3.4. Herausstellen bestimmter Artikel der Produktlinie
Der Produktlinienmanager stellt in der Regle einen einzelnen oder wenige Artikel innerhalb einer Linie
besonders heraus. Gelegentlich wählt er hierfür spezielle Preisschlager am unteren Linienende, die
als Wegbereiter für den Kauf von gehobenen Erzeugnissen dienen. Quelle könnte z.B. mit einem besonders günstigen Haushaltsgerät und Bosch mit einer Bohrmaschine für Heimwerker zu einem besonders günstigen Preis werben, um über den günstigen Preis die Aufmerksamkeit der Käufer auf die
ganze Produktlinie zu lenken. In anderen Fällen stellt der Produktlinienmanager vielleicht einen Artikel
am oberen Linienende heraus, um der Produktlinie besondere Klasse zu verleihen. Technics z.B. hat
einen CD-Player für 20.000 DM im Programm, den zwar kaum jemand kauft, der aber als Flaggschiff
oder Kronjuwel herausgestellt wird und damit die ganze Linie aufwertet, die insbesondere im Bereich
von 300 bis 600 DM stark vertreten ist.
15.3.5. Bereinigung der Produktlinie
Produktlinienmanager müssen von Zeit zu Zeit überprüfen, ob die Produktlinie durch Entfernung bestimmter Artikel bereinigt werden soll. Es gibt zwei Anlässe dafür: Der erste ist gegeben, wenn die
Produktlinie Ladenhüter enthält, die die Gewinne vermindern. Diese leistungsschwachen Artikel lassen sich durch eine Absatz- und Kostenanalyse identifizieren und dann eliminieren. Oft werden in
einer solchen Situation erst dann ernsthafte Schritte unternommen, wenn die gesamte Ertragslage
des Unternehmens nicht mehr zufriedenstellend ist oder der Zusammenbruch droht. Dann werden
nicht mehr einzelne Produktlinien bereinigt, sondern der gesamte Produktmix.
15.4. Grundlagen zur Markenführung
Bei der Entwicklung seiner Marketingstrategie muss der Anbieter sich auch mit Markenentscheidungen befassen. Die Markenpolitik ist eng mit der Produktpolitik verknüpft. Eine Marke in den Markt einzuführen und durchzusetzen erfordert über lange Zeit hinweg Aufwendungen für Werbung, Verkaufsförderung, Packungsgestaltung und Produktverbesserungen. Diese Aufwendungen können als langfristige Investitionen in die Marke betrachtet werden. Viele Hersteller scheuen den Aufwand, die Mühe
und das Risiko, die es kosten würde, ihre Produkte als Markenartikel aufzubauen und ihnen Marktgeltung zu verschaffen.
15.4.1. Was ist eine Marke?
Die vielleicht bedeutendste Marketingleistung eines Unternehmens liegt darin, bedeutende Marken
einzuführen und zu erhalten, um damit seine Zukunft zu sichern. Unter Marketingleuten heißt es:
„Markenführung ist eine Kunst und zugleich der Eckpfeiler im Marketing“. Hier müssen Konzepte zur
Markenstrategie und Markentechnik wirkungsvoll eingesetzt werden.
15.4.2. Geltungswert und Markenkapital
Marken unterscheiden sich stark in der Zugkraft und der Geltung, die sie im Markt haben. Am unteren
Ende befinden sich Marken, die nur wenigen Käufern bekannt sind. Dann gibt es Marken mit hoher
Markenbekanntheit. Noch stärkere Marken erfreuen sich in hohem Grade einer Markenakzeptanz, dh
die meisten Kunden würden sie nicht ablehnen. Noch stärker sind Marken, die einen hohen Grad von
Markenpräferenz genießen.
15.5. Markenentscheidungen
Die Markenpolitik stellt den Marketer vor viele Entscheidungen großer Tragweite.
15.5.1. Markenartikelentscheidung
Zunächst muss ein Unternehmen zu einer Entscheidung darüber gelangen, ob es sein Produkt überhaupt als Markenartikel führen soll. Zum Markenartikel gehört der Markenname. Früher trugen die
wenigsten Produkte einen Markennamen. Die Hersteller und Zwischenhändler verkauften die Ware
direkt und ohne Kennzeichnung des Lieferantennamens aus Fässern, Kisten und anderen Behältern.
Die ersten Anzeichen für die Markierung von Produkten waren die Bestrebungen der mittelalterlichen
Zünfte, von den Handwerkern zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Käufer vor Waren minderer Qualität die Kenntlichmachung der Erzeugnisse durch das Anbringen von Herkunftszeichen zu
verlangen.
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15.5.2. Absenderzuordnung
Wenn die Entscheidung für den Markenartikel gefallen ist, hat der Marketer mehrere Alternativen, zu
entscheiden, wer als Markenabsender auftreten und wem die Marke zugeordnet werden soll. Markenware kann als Herstellermarke, als Lizenzmarke oder als Händlermarke oder als Kombination von
Marken mehrerer Absender auf den Markt gebracht werden. Unternehmen wie Daimler Benz, IBM,
Sulzer und viele Industriegüterhersteller bringen ihre gesamte Produktion unter eigenen Markennamen als Herstellermarken heraus. Bei Lebensmitteln und anderen Verbrauchs- und Gebrauchsgütern
finden wir eine große Anzahl von Handelsmarken, wie z.B. Ali, Privileg und Hanseatik, Miocar und
Revue. Bei Mode- und Luxusgütern werden viele Artikel als Lizenzmarken vermarktet, wie z.B. Davidoff, Pierre Cardin, Christian Dior und Boss.
15.5.3. Markenrepositionierung
Wie gut auch eine Marke zunächst auf dem Markt im Verbraucheransehen positioniert ist – irgendwann kann es für das Unternehmen erforderlich werden, eine Repositionierung der Marke vorzunehmen. Möglicherweise hat ein Konkurrent seine Marke sehr ähnlich positioniert und Marktanteile abgezogen. Oder die Verbraucherpräferenzen haben sich gewandelt, so dass die Marke nicht mehr so
gefragt ist. Auch kann die eigene Marke durch das Auftauchen neuer Konkurrenzmarken depositioniert worden sein, so dass das Unternehmen Gegenmaßnahmen in Form einer eigenen, gesteuerten
Repositionierung ergreifen muss. Zur Entwicklung von Repositionierungsalternativen gehören Verbraucherforschung und kreatives Denken.
15.5.4. Markenstrukturentscheidungen
Für Markenartikelanbieter gibt es mindestens vier unterschiedliche Strukturformen der Verknüpfung
von Produkten und Marken: Einzelproduktmarken, eine einzige Sortimentsmarke, mehrere Sortimentsmarken für unterschiedliche Produktbereiche, mehrschichtige Markenverknüpfungen. Die Markenstrukturstrategien der einzelnen Wettbewerber innerhalb einer Branche sind oft unterschiedlich. So
verwendet z.B. Procter & Gamble bei Waschmitteln Einzelproduktmarken. Bei Produkteinführungen
weist Proctor & Gamble nur in den ersten sechs Wochen auf den Hersteller Procter & Gamble hin,
und dann nicht mehr, weil sich jedes P&G-Produkt eigenständig durchsetzen soll. Der Konkurrent
Henkel verweist dagegen in der Werbung zusätzlich auf den Firmennamen, um die einzelnen Produkte des Hauses damit zu stützen.
15.6. Strategien zur strukturierten Weiterentwicklung von Produkt- und Markenmix
Erfolgreiche Marken und Produktlinien stellen das Kapital des Unternehmens im Markt dar. Das
Know-how des Unternehmens mit der Produktlinie und die Geltung der Marke beim Kunden können
jeweils getrennt oder aber gemeinsam in Kombination als Basis zur Geschäftsausweitung des Unternehmens dienen. Die grundsätzlichen Alternativen zur Geschäftsauweitung mit Produktlinien sind:
Linienausweitung, Markenbereichsausweitung, Parallelmarkeneinführung und Entwicklung neuer Marken und Linien.
15.6.1. Linienausweitung
Eine Linienausweitung liegt vor, wenn das Unternehmen innerhalb bereits bestehender Produktlinien
unter bereits bestehenden Markennamen, zusätzliche Artikel aufnimmt, die sich z.B. durch neue Farben, Formen, Packungsgrößen, Geschmacksrichtungen und Ausstattungselemente von den bisherigen unterscheiden. Je nach Grad der Neuheit lassen sich hier unterschiedliche Typen der Linienausweitung unterscheiden. Nehmen wir an, eine Molkereigenossenschaft würde ihre Produktlinie Joghurts verstärken. Wenn sie zusätzlich neue Geschmacksvarianten aufnimmt, die Wettbewerber bereits haben, liegt eine Me-too-Ausweitung der Produktlinie vor, dh eine Ausweitung durch Nachahmung. Werden zusätzliche Packungsgrößen eingeführt, dann sucht das Unternehmen eine Linienausweitung durch Ausfüllung.
15.6.2. Markenbereichsausweitung
Wachstum und Geschäftsauweitung eines Unternehmens könne auch auf einer Markenbereichsausweitung basieren. Dieser Wachstumsansatz will die Geltung des Markennamens und das Vertrauen,
das er bei den Kunden genießt, auf weitere Produktlinien übertragen. Hier wird versucht, das Erfolgspotential der bereits im Markt etablierten Marke durch eine Markentransferstrategie zu nutzen. Die
Markenbereichsausweitung durch Markentransfer hat eine Reihe von Vorteilen. Durch den transferierten Markennamen werden dem neuen Produkt bestimmt Eigenschaften und imagemäßige Vorstellungen zugeordnet, die mit der Marke verbunden sind.
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15.6.3. Parallelmarkeneinführung
Bei der Parallelmarkenstrategie entwickelt der Anbieter zwei oder mehrere Marken innerhalb derselben Produktlinie. Diese Strategie wird von Unternehmen in fast allen Branchen der Konsumgüterindustrie verfolgt, insbesondere in der Waschmittel- und in der Getränkeindustrie. Parallel zu einer oder
mehreren bestehenden Marken wird eine weitere Marke aufgebaut. Diese kann zwar den Umsatz der
bestehenden Marken schwächen, soll aber insgesamt, wenn man alle Marken zusammennimmt, einen höheren Umsatz bewirken. Parallelmarkenstrategien werden aus verschiedenen Gründen verfolgt: Die Hersteller belegen auf diese Art einen größeren Anteil der verfügbaren räumlichen Kapazitäten im Distributionssystem; Die Markentreue der Konsumenten ist nur selten so groß, dass diese nicht
auch einmal eine andere Marke ausprobieren würden; Die Entwicklung neuer Marken beeinflusst den
firmeninternen Wettbewerbsgeist, so dass Manager unterschiedlicher Markenlinien bestrebt sind, sich
gegenseitig zu überbieten; Mit der Parallelmarkenstrategie kann jede einzelne Marke so positioniert
werden, dass sie jeweils ein anderes Marktsegment anspricht.
15.6.4. Entwicklung neuer Marken und Produktlinien
Wenn ein Unternehmen neue Produktlinien entwickeln möchte, die zu keinem der bestehenden Markennamen passen, dann muss es beides neu entwickeln, nämlich neue Produkte und neue Marken.
Eine Entscheidung, ob mit neuen Produkten auch ein neuer Markenname entwickelt oder ein vorhandener genommen werden soll, hängt letztendlich von der Bewertung des Transferpotentials der Markennamen ab. Vorteile und Risiken eines Markentransfers auf eine völlig neue Produktlinie müssen
den Vorteilen und Risiken einer gleichzeitigen Einführung einer neueren Marke gegenübergestellt
werden. Zu dieser Entscheidung gibt es eine Anzahl Kriterien. Die 3M-Company z.B. untersucht im
Vorfeld der Entscheidung, ob ein neuer Markenname mit einem neuen Produkt eingeführt werden soll
oder nicht, die folgenden Fragen als Entscheidungskriterien: Ist das geplante Vorhaben groß genug,
um einen eigenen Markennamen aufzubauen? Wird es langlebig genug dafür sein? Wäre es besser,
wir hätten den Unternehmensnamen 3M oder einen anderen Markennamen nicht genutzt, falls da
Produkt ein Flop wird? Braucht das Produkt die Unterstützung eines bestehenden Markennamens?
Können die Kosten zur Durchsetzung des neuen Markennamens durch die zu erwartenden Umsätze
und Gewinne gedeckt werden?
15.7. Entscheidungen zur Verpackungsgestaltung
Viele Produkte brauchen für ihren Weg zum Markt eine Verpackung und Etikettierung. Die Verpakkung kann eine unbedeutende oder eine sehr wichtige Rolle spielen. Manche Verpackungen, wie die
Coca-Cola-Flasche, haben weltweite Berühmtheit erlangt. Eine Reihe von Marketern bezeichnen das
Element packaging als das fünfte „P“ des Marketing-Mix – neben price, product, place und promotion , doch die meisten behandeln die Gestaltung der Verpackung als ein Element der Produktstrategie.
Wir definieren Verpackungsgestaltung wie folgt: Die Verpackungsgestaltung bezeichnet das Bestimmen von Design und Art des Behälters oder der Umhüllung für ein Produkt.
16. Management von Dienstleistungen
Anfänglich entwickelte sich das Marketing in Praxis und Wissenschaft mit der Vermarktung von physischen Produkten, wie Zahnpasta, Autos, Stahl und Industrieausrüstungen. Doch das ernorme Wachstum im Dienstleistungssektor stellt inzwischen einen der wichtigsten Megatrends in den hochentwikkelten Ländern dar. Der Beschäftigungsanteil der Dienstleistungen an allen Erwerbstätigkeiten betrag
z.B. 1994 in den Länder der Europäischen Union 65 %, in Japan 62 % und in den USA 79 % - bei
weiterhin steigender Tendenz. Dies führte zu einem wachsenden Interesse an den speziellen Marketing-Problemen der Dienstleistungen, die wir im folgenden näher untersuchen wollen.
16.1. Wesen und Unterteilung von Dienstleistungen
Die Dienstleistung definieren wir wie folgt: Eine Dienstleistung ist jede einem anderen angebotene
Tätigkeit oder Leistung, die im wesentlichen immaterieller Natur ist und keine direkten Besitz- oder
Eigentumsveränderungen mit sich bringt. Die Leistungserbringung kann – muss jedoch nicht – mit
einem Sachgut verbunden sein. Zu nahezu jedem Angebot eines Unternehmens an den Markt gehört
eine Dienstleistung. Die Dienstleistungskomponente kann einen großen oder auch nur einen kleinen
Teil des Gesamtangebots umfassen. Dabei lassen sich fünf Kategorien bilden: reine Sachgüter,
Sachgüter in Verbindung mit Dienstleistungen, Sach- und Dienstleistungszwitter, zentrale Dienstleistungen in Verbindung mit Hilfsgütern und –diensten, reine Dienstleistungen.
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16.2. Besonderheiten von Dienstleistungen und ihre Auswirkungen für das Marketing
Auf viele Dienstleistungen treffen vier Besonderheiten zu, welche die Gestaltung des Marketingprogramms stark beeinflusse: Immaterialität, Integrativität, Qualitätsschwankungen und fehlende Lagerfähigkeit.
16.2.1. Immaterialität
Dienstleistungen sind nicht materiell greifbar. Sie sind ein abstraktes, immaterielles Gut. Im Gegensatz zu physischen Produkten kann man sie meist nicht sehen, schmecken, fühlen, hören oder riechen, bevor man sie erwirbt. Dies erzeugt Unsicherheit beim Käufer. Wenn sich jemand einer Schönheitsoperation unterzieht, kann er das Resultat nicht vor dem Bezug der Leistung sehen, und der Patient eines Psychiaters weiß erst nach der Behandlung um das Resultat der Therapie.
16.2.2. Integrativität
Dienstleistungen erfordern in der Regel, dass der Dienstleistungsnachfrager sich selbst oder ein Objekt aus seiner Verfügungsgewalt, z.B. einen defekten Computer, in den Prozess der Dienstleistungserstellung einbringt. Entsprechend führt Integrativität dazu, dass Dienstleistungen im Regelfall zeitgleich produziert und konsumiert werden. Dies trifft auf Sachgüter nicht zu, die erst hergestellt, dann
gelagert, später verkauft und noch später konsumiert werden. Wenn eine Dienstleistung durch eine
Person erbracht wird, ist diese Person Teil der Dienstleistung. Wenn dazu noch der Empfänger bei
der Leistungserbringung anwesend ist, sind die Interaktionen zwischen ihm und der leistungserbringenden Person ein wichtiger Bestandteil des Dienstleistungsmarketing.
16.2.3. Qualitätsschwankungen
Die Ausführung von Dienstleistungen unterliegt hohen Schwankungen, da sie davon abhängt, wer sie
wann, wo und an wem erbringt. Einige Ärzte können gut mit Patienten umgehen. Dadurch können sie
möglicherweise bessere Diagnosen stellen, da die Patienten offen ihre Beschwerden schildern, und
höhere Behandlungserfolge erzielen, da die Patienten ihre Therapie-Anweisungen eher befolgen.
Doch auch solchen Ärzten kann es passieren, dass sie und/oder der Patient einen schlechten Tag
erwischen und somit das erforderliche Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden kann. Die Dienstleistungsempfänger wissen, dass es eine gewisse Schwankungsbreite in der Leistungsqualität gibt
und erkundigen sich deshalb erst bei anderen Leuten, ehe sie sich für einen bestimmten Dienstleistungsanbieter entscheiden.
16.2.4. Fehlende Lagerfähigkeit
Dienstleistungen fehlt die Lagerfähigkeit, dh sie können nicht auf Vorrat produziert werden. Der Grund
dafür, warum manche Ärzte dem Patienten auch dann eine Rechnung stellen, wenn dieser zum vereinbarten Termin gar nicht erschienen ist, liegt darin, dass der Leistungsnutzen zu dem Zeitpunkt bereitgestellt wurde, als der Patient eigentlich hätte erscheinen sollen. Die fehlende Lagerfähigkeit von
Dienstleistungen ist nur dann kein Problem, wenn die Nachfrage nach der Leistung konstant ist, da
der Dienstleistungsanbieter dann im voraus für ausreichend Personal und Ausrüstung sorgen kann.
Schwankt hingegen die Nachfrage, stehen Dienstleistungsunternehmen vor gravierenden Problemen.
So müssen z.B. öffentliche Verkehrsbetriebe aufgrund des starken Verkehrsaufkommens in Spitzenzeiten einen viel größeren Fahrzeugpark unterhalten, als das der Fall wäre, wenn die Nachfrage
gleichmäßig über den Tag hinweg verteilt wäre.
16.3. Marketingstrategien für Dienstleistungsunternehmen
In der systematischen Entwicklung und Anwendung von Marketingstrategien lagen viele Dienstleister
bisher gegenüber Herstellern und Handel im Rückstand. Es gibt mehrere Gründe dafür. Viele Dienstleistungsunternehmen sind klein und bringen keine formellen Management- oder Marketingtechniken
zum Einsatz. Des weiteren gibt es Dienstleister, die zum Teil immer noch der Ansicht sind, dass Marketing unter ihrer Würde sei. Und bei Hochschulen und Krankenhäusern war bis vor kurzem di Nachfrage nach ihren Leistungen so stark, dass sie es für überflüssig hielten, sich über Marketing und den
Wettbewerb um Studenten oder Patienten Gedanken zu machen.
16.3.1. Differenzierungsgrad der Leistung
Häufig hört man Dienstleister klagen, wie schwierig es sei, sich im Leistungsangebot von der Konkurrenz abzuheben, um aus dem reinen Preiswettbewerb herauszukommen. In dem Maße, in dem die
Kunden eine Dienstleistung als gleichartig wahrnehmen, nimmt die Bedeutung des Preises zu und die
des Dienstleistungsanbieters selbst ab. Wo Dienstleistungsindustrien dereguliert und damit abgesprochene Preise der entsprechenden Branche aufgehoben wurden – wie z.B. in der Luftfahrt, der Telekommunikation und im Bankwesen in den USA, zeigte sich bald in heftigen Preiskämpfen, dass die
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Kunden nur bei scheinbaren und unwesentlichen Differenzierungen dem günstigen Preis den Vorzug
gaben. Will man als Dienstleister im Preiswettbewerb bestehen, muss man sich durch innovative Leistungselemente, Dienstleistungsausführung und/oder Image differenzieren.
16.3.1.1. Innovative Leistungselemente
Um sich von der Konkurrenz abzuheben, kann das Dienstleistungsunternehmen sein Angebot mit
innovativen Leistungselementen anreichern. Das Grundpaket an Leistungen, die der Kunden in jedem
Fall erwartet, kann durch Zusatzleistungen differenziert werden. Viele Fluggesellschaften bieten z.B.
Filme an Bord, eine bessere Bestuhlung, Verkauf von Duty-free-Waren, Bordtelefone und ein besonderes Anreizprogramm für Vielflieger. In den USA fügte der Autovermieter Hertz seinem Grundangebot innovative Zusatzleistungen hinzu, um sich von anderen Autovermietern zu differenzieren: den
„No. 1 Club Gold Service“ für Club Gold-Mitglieder. Das Problem besteht darin, dass Dienstleistungsinnovationen leicht zu kopieren sind.
16.3.1.2. Dienstleistungsausführung
Dienstleistungen können in ihrer Ausführung auf dreifache Art differenziert werden: Durch die Qualität
des Personals, durch das physische Umfeld und durch den Prozess der Durchführung. Der Dienstleister kann sich hervorheben, indem er den Umgang mit dem Kunden durch fähigere und zuverlässigere Mitarbeiter pflegt als die Wettbewerber. Der Dienstleister kann ein besonderes Ambiente entwikkeln, in dem die Dienstleistung abgewickelt wird. Die Dienstleistung selbst kann in einem – von bestimmten Kunden bevorzugten – andersgearteten Prozess als bei der Konkurrenz abgewickelt werden.
16.3.1.3. Image
Das Dienstleistungsunternehmen kann auch versuchen, sich durch Differenzierung des Images von
der Konkurrenz abzuheben. Dazu gehört neben der imagekonformen Leistung auch die symbolhafte
und verbale Ausdrucksform. Die Dresdner Bank benutzt z.B. symbolhaft und sprachlich das „grüne
Band der Sympathie“, um sich imagemäßig als sympathische Bank zu differenzieren. Die Barclays
Bank in England signalisiert symbolhaft mit den Felsen von Gibraltar, dass sie besonders sicher, beständig und zuverlässig ist. Die Harris Bank in Chicago will sich mit dem Löwen – als Symbol der
Stärke – differenzieren.
16.3.2. Qualität der Leistung
Eines der wichtigsten Profilierungsinstrumente im Wettbewerb der Dienstleistungsunternehmen ist
eine stets gute Leistungsqualität. Entscheidend ist dabei, die von den Kunden erwartete Dienstleistungsqualität stets zu erreichen oder zu übertreffen. Diese Erwartungen werden durch die bisherigen
Erfahrungen der Kunden, durch Mundpropaganda und durch die Werbung des Dienstleisters selbst
geprägt. Auf diesen Faktoren gründet sich die Entscheidung der Kunden für einen bestimmten Dienstleistungsanbieter. Nach Inanspruchnahme der Dienstleistung vergleichen sie das wahrgenommene
Leistungsniveau mit dem erwarteten Leistungsniveau.
16.3.2.1. Strategisches Konzept
Die besseren Dienstleistungsunternehmen haben ein genaues Gespür für ihren Zielmarkt und die
Bedürfnisse der Kunden, die sie zufrieden stellen wollen. Sie haben eine besondere Strategie zur
Befriedigung dieser Bedürfnisse entwickelt, die zu dauerhafter Kundentreue führt.
16.3.2.2. Nachhaltige Verpflichtung der Unternehmensleitung auf Qualität
Unternehmen wie Mövenpick, Quelle, Deutsche Bank und McDonald’s fühlen sich ihrem Qualitätsniveau nachhaltig verpflichtet. Das Unternehmen bestimmt nicht nur das monatlich zu erreichende finanzielle Ergebnis, sondern auch einen zu erreichenden Qualitätsstandard als Leistungsziel. McDonald’s besteht z.B. auf einer ständigen Überwachung jedes einzelnen McDonald’s-Restaurants bezüglich Produktqualität, Bedienung, Sauberkeit und Produktwert. Franchisenehmern, die in ihren Restaurants den Qualitätsstandard nicht erbringen, wird die Zusammenarbeit gekündigt.
16.3.2.3. Hoher Leistungsanspruch
Die besten Dienstleister stellen hohe Ansprüche an sich selbst. Die Fluggesellschaft Swissair z.B.
achtet ständig darauf, dass mindestens 96 % der Passagiere den Service der Fluggesellschaft als gut
oder hervorragend einstufen; ist das nicht der Fall, ergreift man Gegenmaßnahmen. Die Citibank bemüht sich, auf Telefonanrufe innerhalb von zehn Sekunden und auf Kundenbriefe innerhalb von zwei
Tagen zu antworten. Die Leistungsansprüche müssen der Aufgabenstellung angemessen hoch gesetzt werden. Der Anspruch, 98 % richtig zu machen, mag hoch klingen, würde aber im konkreten Fall
folgendes bedeuten: Federal Express würde jeden Tag 64.000 Pakete verlieren; zehn Wörter wären
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auf jeder Buchseite falsch geschrieben; 400.000 Arztrezepte wären täglich falsch ausgefüllt; an acht
Tagen im Jahr wäre es gefährlich, zu Hause Leitungswasser zu trinken.
16.3.2.4. Leistungskontrollsysteme
Die Spitzenunternehmen im Dienstleistungsbereich überwachen ständig die Qualität der eigenen Leistung und die der Konkurrenz. Zur Leistungsmessung setzen sie eine Reihe von Instrumentarien ein:
Vergleichs- und Testkäufe, Kundenbefragungen sowie Vorschlags- und Beschwerdesammlung. So
hat z.B. die französische Staatsbahn eine Abteilung eingerichtet, die regelmäßig die eigene Dienstleistungsqualität prüft. Bei der Ausgestaltung von Kundenfeedback-Mechanismen wie z.B. Befragungen,
kann es erforderlich sein, eingefahrene Vorstellungen und Annahmen zu überdenken. Ansonsten
könnten die Befragungsresultate in die falsche Richtung weisen.
16.3.2.5. Beschwerdemanagement mit systematischer Leistungsnachbesserung
Untersuchungen zur Kundenzufriedenheit ergeben, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn 25 % der
Kunden mit etwas beim Kauf unzufrieden sind. Wie viele der Unzufriedenen beschwerden sich jedoch
beim Anbieter? Es überrascht herauszufinden, dass ungefähr 5 % sich beschwerden, während 95 %
der Unzufriedenen fühlen, dass der Aufwand sich nicht lohnt oder dass sie nicht wissen, an wen sie
die Beschwerde richten sollen. Von den 5 %, die sich beschwerden, berichtet etwa die Hälfte, dass
das Beschwerdeproblem zufriedenstellend gelöst wurde. Beschwerden zufriedenstellend zu lösen ist
wichtig.
16.3.2.6. Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit
Spitzendienstleister sind der Meinung, dass sich die Beziehungen zu den eigenen Mitarbeitern auch
auf die Beziehungen zum Kunden auswirken. Daher schaffen sie ein Arbeitsumfeld, in dem die Mitarbeiter gefördert und für gute Leistungen belohnt werden. Außerdem erkundigt man sich regelmäßig
danach, ob die Mitarbeiter mit ihrer Tätigkeit zufrieden sind. Die Citibank setzte sich das Ziel, gleichzeitig 90 % Kundenzufriedenheit und 70 % Mitarbeiterzufriedenheit zu erreichen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob 90 % Kundenzufriedenheit erreicht werden können, wenn 30 % der Mitarbeiter
unzufrieden sind.
16.3.3. Produktivität der Leistung
Der Druck auf die Dienstleistungsanbieter, ihre Produktivität zu steigern, ist groß. Da Dienstleistungen
in hohem Maße personalintensiv sind, steigen auch die Kosten schnell. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Dienstleistungsproduktivität zu verbessern. ZB kann das Dienstleistungsunternehmen das
leistungsabgebende Personal dazu anhalten, bei gleichem Gehalt sorgfältiger zu arbeiten. Qualifiziertes Person lässt sich vor allem durch bessere Personalauswahl und Schulung gewinnen und fördern.
16.4. Produktbegleitende Dienstleistungen
Bisher haben wir unsere Erörterungen auf Dienstleistungsbetriebe beschränkt. Doch man darf auf
keinen Fall die Unternehmen der Sachgüterproduktion vernachlässigen, die ihren Kunden neben dem
Sachgut zusätzliche Dienstleistungen anbieten. Die Hersteller von Geräten und Ausrüstungen, z.B.
von Haushaltsgeräten, Büromaschinen, Traktoren, Großrechnern oder Flugzeugen, müssen ihren
Abnehmern produktbegleitende Dienstleistungen anbieten. Dieser Bereich wird immer mehr zu einem
wichtigen Terrain im Kampf um Wettbewerbsvorteile. Einige Unternehmen, wie z.B. Caterpillar Tractor, erwirtschaftet mehr als 50 % ihres Gewinnes mit produktbegleitenden Dienstleistungen.
16.4.1. Dienstleistungen als Zusatzgeschäft
Insbesondere im industriellen Anlagenbau entwickeln fortschrittliche Anbieter eine Reihe von Dienstleistungen, die sie ihren Kunden preisgünstig anbieten. Mit diesen Dienstleistungen beweisen sie ihren Kunden Fachkompetenz, die über das Herstellen der Anlagen hinausgeht. Auch öffnen sie damit
den Zugang zu Kunden, die bestimmte Probleme gelöst haben möchten und dies gern mit dem späteren Lieferanten der noch zu kaufenden Anlage tun wollen. Das Spektrum solcher Dienstleistungen im
industriellen Anlagengeschäft umfasst z.B. folgende Aktivitäten: Absatzmarktstudien für den Kunden;
Durchführbarkeitsstudien; Standortuntersuchungen; Rohstoffuntersuchungen; Wirtschaftlichkeitsstudien; etc. Löst z.B. ein Anlagenbauer durch geschickte Analysen und zuverlässige Studien das Entscheidungsproblem seines Kunden zum Standort einer neuen Anlage, dann verbessert er seine
Chancen, bei der Auftragsvergabe für die Anlage berücksichtigt zu werden.
16.4.2. Dienstleistungen zur Verkaufsförderung
Kunden sind bei der Kaufentscheidung beunruhigt, wenn Produkte unbekannte Folgekosten mit sich
bringen. Anbieter können den Kunden eine Kaufentscheidungssicherheit bieten, indem sie neben dem
Sachgut auch Dienstleistungen zusichern, durch die die Folgekosten und Produktnutzenrisiken eingeGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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grenzt werden. Ein solches Dienstleistungsangebot kann verkaufsfördernd und auch werterhöhend
wirken. Bei Industriegütern, die zur Produktion genutzt werden, aber auch bei so alltäglichen Gütern
wie beim Privatauto, gibt es für die Kunden drei entscheidende Aspekte, die Ausfallhäufigkeit, die
Ausfalldauer und die Kosten für Wartung und Instandsetzung. Idealvorstellungen, dass Produkte ohne
Wartung und Reparatur auskommen, nie ausfallen und ewig halten, lassen sich nicht verwirklichen.
16.4.3. Dienstleistungen nach dem Verkauf
Ein Unternehmen muss entscheiden, wie es die Durchführung von Dienstleistungen nach dem Verkauf organisieren will. Hierbei hat das Unternehmen vier Möglichkeiten: Das Unternehmen könnte
diese Dienstleistungen durch eine Kundendienstabteilung selbst durchführen; Das Unternehmen
könnte mit Vertriebspartnern Vereinbarungen zur Durchführung dieser Dienstleistungen treffen; Das
Unternehmen könnte die Durchführung durch freie Dienstleistungsspezialisten empfehlen; Das Unternehmen könnte es den Kunden überlassen, sich um die Durchführung der Dienstleistungen selbst zu
kümmern. Mit diesen Möglichkeiten muss das Unternehmen die richtige Strategie fahren und diese
Strategie im Verlauf der Zeit auf natürliche Marktentwicklungen anpassen, unter denen sich die Kundenwünsche und der Wettbewerb verändern.
17. Preismanagement
Alle Wirtschaftsunternehmen und viele Nonprofit-Organisationen müssen für ihre Produkte und
Dienstleistungen Preise festlegen. Wie werden nun Preise gemacht? Hier gibt es zwei grundverschiedene Konzepte, nämlich den Individualpreis und den einheitlichen Preis. Der Individualpreis wird zwischen Käufer und Verkäufer ausgehandelt. Die Verkäufer verlangen dabei oft einen höheren Preis, als
sie zu erhalten gedenken, während die Käufer zunächst weniger bieten, als sie zu zahlen bereit sind.
17.1. Erstmalige Preisbildung
Die Preisbildung ist immer dann ein Problem, wenn sie erstmalig vorgenommen werden muss. Dieses
Problem besteht für das Unternehmen, wenn ein neues Produkt entwickelt oder angeschafft wird,
wenn ein laufendes Produkt in einen neuen Absatzweg oder geographischen Markt eingeführt wird
oder wenn man sich an Ausschreibungen beteiligt. Das Unternehmen muss sein Produkt in der richtigen Kombination von Preis und Qualität auf dem Markt positionieren. In jeder Produktkategorie gibt es
bezüglich Preis und Qualität einen relevanten Bereich mit Höchst- und Niedrigstwerten, der zum Austausch zwischen Anbietern und Nachfragern führt.
17.1.1. Preispolitische Zielsetzung
Zunächst muss das Unternehmen definieren, was es mit einem bestimmten Produkt erreichen will.
Wenn Zielmarkt und Produktpositionierung genau festgelegt worden sind, lässt sich daraus eine eindeutige Marketing-Mix-Strategie, einschließlich des Aktionsparameters Preis, ableiten. Hat sich beispielsweise ein Wohnwagen-Hersteller zur Produktion eines Luxus-Wohnmobils für das einkommensstarke Kundensegment entschlossen, wird er für dieses Modell einen entsprechend hohen Preis verlangen. Daher leitet sich die Preisstrategie im wesentlichen aus der bereits festgelegten Produktpositionierungsstrategie ab. Zusätzlich aber verfolgt ein Unternehmen oft noch andere Ziele, deren Erfüllung es kurz-, mittel- oder langfristig anstrebt.
17.1.1.1. Fortbestand des Unternehmens
Für Unternehmen wird die Sicherung ihres Fortbestands dann zum wichtigen Ziel, wenn sie durch
Überkapazitäten, intensiven Wettbewerb oder sich verändernde Verbraucherwünsche in Schwierigkeiten geraten sind. Um die Produktion fortzuführen und Bestände zu liquidieren, werden dann häufig die
Preise gesenkt. Dann sind Gewinne weniger wichtig als das nackte Überleben. Solange die Preise die
variablen Kosten und einen Teil der Fixkosten decken, muss man das Geschäft nicht aufgeben. Der
bloße Fortbestand des Unternehmens kann jedoch nur ein kurzfristiges Ziel sein.
17.1.1.2. Kurzfristige Gewinnmaximierung
Viele Unternehmen wollen den gewinnmaximalen Preis für ihr Produkt verlangen. Dafür werden die
voraussichtliche Nachfrage und die voraussichtlichen Kosten für jede Preisalternative abgeschätzt,
und man entscheidet sich dann für den Preis, der den größtmöglichen kurzfristigen Gewinn, Cashflow
oder die höchste Kapitalrendite verspricht. Diese Zielsetzung bringt in ihren geläufigsten Modellansätzen jedoch auch einige Probleme mit sich. Sie geht z.B. davon aus, dass die Nachfrage- und Kostenfunktionen bekannt sind, obwohl diese in Wirklichkeit nur schwer abzuschätzen sind. Sie betont kurzfristige und vernachlässigt langfristige Gewinnerwartungen.
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17.1.1.3. Kurzfristige Umsatzmaximierung
Einige Unternehmen werden den Preis wählen, der einen maximalen Umsatz bewirkt. Insbesondere,
wenn Produkte gemeinschaftlich erzeugt werden und eine komplexe Kostenstruktur eine klare Kostenfunktion für das einzelne Produkt nicht zulässt, ist das Ziel der Umsatzmaximierung naheliegend, denn
dazu ist lediglich die Ermittlung der Nachfragefunktion erforderlich. Die Verfolgung dieses Ziels lässt
sich relativ einfach durch umsatzgebundene Provisionsanreize im Vertrieb unterstützen. Viele Führungskräfte sind der Meinung, dass Umsatzmaximierung auf lange Sicht auch maximale Gewinne und
Marktanteile bringt.
17.1.1.4. Maximales Absatzwachstum
Einige Unternehmen wollen ein maximales Absatzwachstum. Sie glauben, dass eine Erhöhung des
Absatzvolumens niedrigere Stückkosten und langfristig höhere Gewinne zur Folge hat. Sie gehen von
einem preisempfindlichen Markt aus und setzen daher die Preise so niedrig wie möglich an. Man
nennt dieses Vorgehen Preispolitik der Marktpenetration. Texas Instruments gehört zu den Vertretern
dieser Preisstrategie.
17.1.1.5. Maximale Marktabschöpfung
Viele Unternehmen tendieren zur Festsetzung höherer Preise, um den Markt abzuschöpfen. Die Firma
Du Pont ist einer der Hauptanwender einer Preispolitik der Marktabschöpfung. Für jede ihrer Produktinnovationen – Cellophan, Nylon, Teflon, Keflar, usw. – ermittelt Du Pont den höchstmöglichen Preis,
den man aufgrund der komparativen Vorteile der eigenen Produktneuheit gegenüber den Konkurrenzangeboten nehmen kann. Man setzt den Preis fest, der einigen Zielmarktsegmenten die Übernahme
des neuen Werkstoffes gerade noch lohnenswert erscheinen lässt. Jedes Mal, wenn der Absatz zurückgeht, senkt das Unternehmen den Preis, um die nächste Schicht preisbewusster Kunden für sich
zu gewinnen.
17.1.1.6. Qualitätsführerschaft
Ein Unternehmen könnte auch die Qualitätsführerschaft in seinem Markt anstreben. Dann nimmt es
einen hohen Preis, um die Kosten für die hohe Produktqualität und den hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwand zu decken. Caterpillar ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Das Unternehmen
baut qualitativ hochwertige Baumaschinen, bietet einen ausgezeichneten Service und ist in der Lage,
das Ziel der Qualitätsführerschaft mit höheren Preisen als die Konkurrenz durchzusetzen.
17.1.1.7. Andere Preisbildungsziele
Gemeinnützige und öffentliche Organisationen verfolgen eine Reihe anderer Preisbildungsziele. Ein
Sportverein strebt nach einer teilweisen Kostendeckung, in dem Wissen, dass er verbleibende Kosten
durch Mitgliedsbeiträge und öffentliche Förderungen decken muss. Ein Krankenhaus wird bei der
Festsetzung des Preises auf eine möglichst volle Kostendeckung abzielen. Ein Theater könnte die
Preise für unterschiedliche Stücke so festsetzen, dass es ein möglichst volles Haus hat. Eine soziale
Einrichtung kann für seine Leistungen einen sozialen Preis festlegen, um die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der Kunden zu berücksichtigen.
17.1.2. Nachfrageermittlung
Jede Preisalternative führt zu einem anderen Nachfrageniveau und hat folglich unterschiedliche Auswirkungen auf die angestrebten Marketingziele. Die Beziehung zwischen dem laufenden Preis und der
daraus resultierenden laufenden Nachfrage wird in der Nachfragefunktion dargestellt. Sie zeigt die
jeweilige Menge eines Produkts an, die der Markt innerhalb eines gegebenen Zeitraums bei unterschiedlichen Preisen kaufen wird. Im Normalfall verhalten sich Nachfrage und Preis gegenläufig zueinander, das heißt, je höher der Preis ist, desto geringer ist die Nachfrage. Bei Gütern mit hohem
Prestigewert ist die Beziehung zwischen Preis und Nachfrage manchmal gleichläufig.
17.1.2.1. Einflussfaktoren auf die Preissensibilität der Kunden
Die Nachfragekurve veranschaulicht die Gesamtreaktion des Marktes auf unterschiedlich hohe Preise.
Sie stellt die Summe der Reaktionen vieler einzelner Nachfrager mit unterschiedlich ausgeprägter
Preissensibilität dar. Deshalb muss man bei der Nachfrageermittlung Einflussfaktoren auf die Preissensibilität der Nachfrager kennen und verstehen. Nach Nagle und Holden zeigt sich die Preissensibilität in neun unterschiedlichen Effekten: Produktalleinstellungseffekt, Effekt der Kenntnis von Substitutionsprodukten, Vergleichskomplexitätseffekt, Ausgabengrößeneffekt, Teilkosteneffekt, Kostenteilungseffekt, Folgekosteneffekt, Preis/Qualitäts-Effekt, Lagerbarkeitseffekt.
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17.1.2.2. Berücksichtigung der Preiselastizität der Nachfrage
Ein Marketer muss eine Vorstellung davon haben, wie stark die Nachfrage auf unterschiedliche Preise
reagiert. Verändert sich die Nachfrage bei leichter Modifizierung des Preises nur wenig, so bezeichnet
man sie als unelastisch. Verändert sich die Nachfrage hingegen beträchtlich, bezeichnet man sie als
elastisch. Die Preiselastizität der Nachfrage wird in der folgende Formel definiert: Preiselastizität der
Nachfrage = Veränderung der nachgefragten Menge in % / Preisänderung in %. Eine Nachfrageminderung von 10 % bei einer Preiserhöhung von 2 % bedeutet, dass die Preiselastizität – 5 beträgt.
17.1.2.3. Methoden zur Ermittlung der Nachfragefunktion
Die meisten Unternehmen versuchen, auf die eine oder andere Weise, die Nachfragefunktion für ihre
Produkte zu ermitteln. Dazu stehen ihnen verschiedene Methoden zur Verfügung. Beispielsweise
könne Vergangenheitsdaten über Preise, Absatzmengen und andere Faktoren mit statistischen Verfahren auf mögliche Zusammenhänge zwischen diesen Größen analysiert werden. Dies umfasst entweder Längsschnittanalysen von Daten in ihrem Zeitverlauf oder Querschnittsanalysen verschiedener
Untersuchungseinheiten wie z.B. Absatzregionen zum gleichen Zeitpunkt. Es bedarf umfangreicher
Kenntnisse, um sachgerechte Modelle und statistische Verfahren zu entwickeln bzw. einzusetzen.
17.1.3. Kostenschätzung
Aufgrund der ermittelten Nachfrage ergibt sich eine Obergrenze des Preises, den ein Unternehmen für
sein Produkt verlangen kann. Einen Preisuntergrenze ergibt sich aus den Kosten. Zwischen diesen
Grenzen liegt der vom Unternehmen angestrebte Preis, der sämtliche Kosten der Produktion, Distribution und des Verkaufs abdeckt und darüber hinaus einen Gewinnaufschlag für Aufwand und Risiko
sichert.
17.1.3.1. Fixe und variable Kostenstruktur
In grober Form untergliedert man die Kosten in zwei Kostenarten: in Fixkosten und in variable Kosten.
Fixkosten – oft als Overhead oder Gemeinkosten bezeichnet – sind Kosten, deren Höhe von normalen
Schwankungen der Ausbringungsmenge und der Umsatzerlöse abhängig ist. So muss ein Unternehmen jeden Monat feste Beträge für Miete, Heizung, Zinsen, Gehälter und ähnliches bezahlen, unabhängige davon, wie viel es produziert, solange das Unternehmen die bestehenden Kapazitäten nicht
ändert. Die variablen Kosten hingegen verändern sich unmittelbar mit der Ausbringungsmenge. Jeder
z.B. bei Texas Instruments produzierte Taschenrechner verursacht unmittelbar Kosten für Kunststoffe,
Mikroprozessoren, Verpackungen, usw.
17.1.3.2. Größenordnungsabhängige Stückkosten
Für eine durchdachte Preispolitik muss das Unternehmen seine Kostenstruktur größenordnungsmäßig
für unterschiedlich hohe Produktionsmengen feststellen, um die Stückkosten vorherzuschätzen. Diese
Sturkurkonzepte illustrieren wir mit einem Beispiel, das von Texas Instruments stammen könnten: TI
hat eine Produktionsanlage bestimmter Kapazität aufgebaut, die täglich 1.000 Taschenrechner produziert. Bei geringen Produktionsmengen sind die Stückkosten hoch. Mit zunehmender Annäherung an
die Plangröße von 1.000 Stück fallen die Stückkosten, und zwar deshalb, weil sich die Fixkosten über
immer mehr Mengeneinheiten verteilen und somit auf jede Mengeneinheit ein geringerer Fixkostenanteil entfällt. Bei Überschreiten der 1.000-Stück-Grenze steigen die Stückkosten, denn der Betrieb der
Anlagen wird zunehmend unwirtschaftlich: Die Maschinen sind überbelegt, fallen immer öfter aus und
die Arbeiter stehen Schlange und warten auf verfügbare Maschinenzeit.
17.1.3.3. Erfahrungsabhängige Kosten
Nehmen wir an, TI betreibt eine Produktionsanlage für 3.4000 Taschenrechner pro Tag. Durch zunehmende Erfahrung lernt TI, die Produktionsabläufe immer weiter zu verbessern. Die Arbeiter lernen,
unnötige Arbeitsgänge wegzulassen, der Materialfluss wird verbessert, die Beschaffungskosten werden gesenkt, usw. Mit der in der Regel gesammelten Fertigungserfahrung können daher die Stückkosten gesenkt werden.
17.1.3.4. Kundenabhängige Kosten
Heutzutage passen viel Unternehmen ihre Angebote und Lieferbedingungen an die jeweiligen Kunden
an. So sind z.B. Hersteller gezwungen, auf unterschiedliche Leistungs- und Preisforderungen von
Großkunden einzugehen. Der eine Kunde will täglich beliefert werden, um nur ein kleines Lager
betreiben zu müssen; ein anderer Kunde will eine wöchentliche Belieferung. Als Konsequenz unterschiedlicher Aktivitäten für den Kunden entstehen dem Hersteller unterschiedliche Kosten pro Kunde
und er erwirtschaftet unterschiedlich hohen Gewinn pro Kunde. Um dies aufdecken zu können, sollte
der Hersteller eine prozessorientierte Kundendeckungsbeitragsrechnung benutzen und hierbei die
Kosten der unterschiedlichen Aktivitäten ermitteln und zuordnen.
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17.1.3.5. Target Costing
Wir haben gezeigt, dass Kosten stückzahl- und erfahrungsabhängig gesenkt werden können. Eine
Kostensenkung kann jedoch genauso ein Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen von Marketer,
Konstrukteur, Fertigungsingenieur sowie Ein- und Verkäufer sein. Speziell die Japaner benutzen dabei
eine Methode, die Target Costing genannt wird. Ausgangspunkt ist der im Markt erzielbare Preis, von
dem dann die maximal zulässigen Kosten als Zielvorgabe abgeleitet werden. Marktforschung ermittelt
die vom Markt gewünschten Funktionen eines Produktes.
17.1.4. Analyse der Konkurrenzpreise und -angebote
Eine Preisobergrenze ergibt sich durch die Marktnachfrage und eine Preisuntergrenze durch die Kostenstruktur des Unternehmens. Des weiteren verengt die Konkurrenz mit ihren Kosten, Preis und
Preisreaktionen den preislichen Spielraum des Unternehmens. Das Unternehmen muss ein kostenbezogenes Benchmarking durchführen, um zu sehen, ob es Kostenvor- oder –nachteile gegenüber den
Wettbewerbern hat. Zur Entscheidung über das eigene Preisniveau muss man das Preis- und Qualitätsangebot der Konkurrenten ermitteln. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen.
17.1.5. Auswahl eines Preisbildungsverfahrens
Nachdem man Nachfragefunktion, Kostenstruktur und Konkurrenzpreise ermittelt hat, kann man nun
die Preisentscheidung treffen. Der Spielraum reicht von einem Preis, der zu niedrig ist, um einen Gewinn abzuwerfen, bis zu einem Preis, der zu hoch ist, um Nachfrage zu schaffen. Die Preisuntergrenze wird durch die Produktkosten bestimmt; Preise von Konkurrenz- und Substitutionsprodukten sind
Orientierungshilfen für die Bestimmung des eigene Preises, die Preisobergrenze wird durch den Grad
der Alleinstellung des Produkts hinsichtlich seiner Ausstattungselemente bestimmt. Unternehmen
lösen ihr Problem der Preisbestimmung, indem sie ein Preisbildungsverfahren wählten, das diese
Umstände möglichst berücksichtigt. Sie hoffen, dass es zu einem angemessenen Preis führt.
17.1.5.1. Zuschlagsverfahren
Eine weit verbreitete Preisbildungsmethode ist das Zuschlagsverfahren, bei dem man den Kosten
eines Produkts einen branchenüblichen oder einen von der Höhe der gewünschten Umsatzrendite
abgeleiteten bestimmten Gewinnaufschlag hinzuaddiert. Bauunternehmen z.B. schätzen bei der Erstellung ihrer Ausschreibungsangebote die Gesamtprojektkosten ab und addieren einen branchenüblichen Gewinnaufschlag hinzu. Anwälte, Wirtschaftsprüfer und andere freie Berufe stellen den Kunden
in der Regel Gebühren in Rechnung, die von ihrer Standesgenossenschaft als prozentualer Aufschlag
auf den Wert des behandelten Vorhabens festgelegt wurden. Viele Anbieter arbeiten für ihre Kunden
nach Kosten plus vereinbartem Aufschlag. Dies ist z.B. bei Architekten üblich.
17.1.5.2. Kapitalrenditeverfahren
Bei weiteres kostenorientiertes Preisbildungsverfahren ist das Kapitelrenditeverfahren. Bei diesem
Verfahren versucht das Unternehmen, den Preis zu ermitteln, der die Kapitalrendite der Zielplanung
sichern würde. General Motors z.B. wendet diese Methode an. Das Unternehmen berechnet die Preise so, dass eine Kapitalrendite von 15 bis 20 % erwirtschaftet werden soll. Auch Versorgungsunternehmen verwenden diese Preisbildungsmethode, da ihnen vom Staat zugestanden wird, eine angemessene Verzinsung ihrer Investitionen zu erwirtschaften, ohne dass sie ihre Monopolstellung zur
Gewinnmaximierung ausnutzen dürfen.
17.1.5.3. Break-even-Analyse
Der Hersteller wird die gewünschte Rendite von 20 % erzielen, wenn sich Stückkostenrechnung und
Absatzschätzung als korrekt erweisen. Was aber geschieht, wenn er die erwarteten 50.000 Stück
nicht absetzen kann? Um herauszufinden, was bei andere Absatzmengen geschehen würde, kann der
Hersteller ein Break-Even-Diagramm erstellen. Eine horizontale Linie zeigt die Fixkosten an. Die zusätzlichen variablen Kosten sind im Diagramm über den Fixkosten eingezeichnet.
17.1.5.4. Preisbildung nach dem empfundenen Wert
Einige Unternehmen bestimmen ihren Preis auf der Grundlage des empfundenen Wertes ihres Produktes. Der von den Käufern empfundene Wert, und nicht die eigenen Kosten, ist die Basis für den
Preis. Über Qualitätsanmutung des Produktes und Kommunikation zum Produkt bauen die Unternehmen im Empfinden der Kunden einen möglichst hohen Wert auf. Der Preis wird dann so gebildet, dass
er den empfundenen Wert möglichst abschöpft. Die Preisbildung nach dem empfundenen Wert passt
gut zum Konzept der Produktpositionierung.
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17.1.5.5. Preisvorteilsverfahren
Hinter dem Preisvorteilsverfahren steht die bewusste Strategie des Unternehmens, sich bei den Kunden durch einen Preisvorteil gegenüber den üblichen Konkurrenzangeboten abzuheben, um im PreisQualitäts-Wettbewerb eine Position der Vorteilhaftigkeit zu besetzen. Vom Prinzip her ist es nicht
Neues, den Kunden einen Preisvorteil zu bieten. Viele Unternehmen setzen den besonders vorteilhaften Preis vorübergehend zur Einführung von Produkten oder zur Verkaufsförderung ein. Hier handelt
es sich in der Regel jedoch um eine zeitlich begrenzte Maßnahme, hinter der der wirkliche und höhere
Preis zur Angebotspositionierung unterstellt wird. Nur wenige Unternehmen haben jedoch den dauerhaften Preisvorteilen eine strategische Position erhoben.
17.1.5.6. Preisbildung nach den Leitpreisen der Konkurrenz
Bei diesem Verfahren leiten im wesentlichen die Preise der Konkurrenz die Preisbildung des Unternehmens: die eigene Kosten- und Nachfragesituation spielt eine untergeordnete Rolle. Man kann entweder den gleichen, einen höheren oder einen niedrigeren Preis als der wichtigste Konkurrent verlangen. In einer oligopolistischen Marktkonstellation wie bei Öl, Stahl, Papier oder Kunstdünger, fordern
die Anbieter im Regelfall gleiche Preise. Die kleineren Mitbewerber folgen dem Preisführer; sie ändern
ihre Preise, wenn der Preisführer dies tut und nicht, wenn sich ihre eigene Nachfrage- oder Kostensituation ändert. Es ist möglich, dass einige Anbieter gegenüber dem Preisführer kleine Preisabstufungen nach oben oder unten vornehmen und diese Unterschiede zum Preisführer konstant halten.
17.1.5.7. Preisbildung bei Ausschreibungen
Eine Konkurrenzorientierung überwiegt ebenfalls bei der Preisbildung zur Beteiligung an Ausschreibungen Bestimmend für den Preis sind eher die erwarteten Preise der Konkurrenz als eine schematische Errechnung des eigenen Preises nach den eigenen Kosten oder der Nachfrage. Das Ziel ist es,
die Ausschreibung zu gewinnen, also muss man andere glaubwürdige Konkurrenten unterbieten.
Doch unter ein bestimmtes Preisniveau kann der Anbieter nicht gehen. Er kann nicht unter den eigenen Kosten anbieten, ohne Verluste in Kauf zu nehmen.
17.1.6. Preisentscheidung
Die beschriebenen Preisbildungsverfahren sollenden Preisbereich bestimmen, von dem aus schließlich die entgültige Preisentscheidung getroffen wird. Hier müssen weitere Aspekte berücksichtigt werden, nämlich die psychologischen Auswirkungen, der Einfluss anderer Elemente im Marketing-Mix, die
preispolitischen Grundsätze des Unternehmens und die Auswirkungen der Preisentscheidung auf
andere Beteiligte.
17.1.6.1. Berücksichtigung psychologischer Auswirkungen
Anbieter sollten neben den wirtschaftlichen auch die psychologischen Auswirkungen des Preises berücksichtigen. Für viele Kunden zeigt der Preis die Produktqualität an. Als z.B. in den USA der Preis
von Fleischmann’s Gin von 4,50 $ auf 5,50 $ pro Flasche angehoben wurde, ging der Absatz nicht
nach unten, sondern nach oben. Imagebildende Preise sind insbesondere wirkungsvoll bei Produkten,
die stark auf das Ego des Käufers einwirken, wie z.B. Parfüms und Luxus-Autos. So zahlen Kunden
unter Umständen für ein Parfüm, das für 100 DM angeboten wird und Duftstoffe im Wert von lediglich
10 DM enthält, trotzdem bereitwillig 100 DM, da der hohe Preis diese Marke als etwas Besonderes
ausweist.
17.1.6.2. Einfluss anderer Elemente im Marketing-Mix
Bei der Festlegung des Preises müssen auch die Qualität der Marke und die Werbeaufwendungen
dafür im Vergleich zur Konkurrenz berücksichtigt werden. Farris und Reibstein untersuchten die Beziehung zwischen relativem Preis, relativer Qualität und relativen Werbeaufwendungen bei 227 Unternehmen der Konsumgüterindustrie und kamen zu folgenden Ergebnissen: Bei Marken durchschnittlicher relativer Qualität mit hohen relativen Werbeaufwendungen konnte der Anbiete höhere Preise
erzielen; Bei Marken mit hoher relativer Qualität mit hohen relativen Werbeaufwendungen wurden die
höchsten Preise erzielt; Der positive Zusammenhang zwischen hohen Preisen und hohen Werbeaufwendungen war in den späteren Phasen des Produkt-Lebenszyklus, bei Marktführern und bei leicht
erschwinglichen Produkten am ausgeprägtesten.
17.1.6.3. Preispolitische Grundsätze des Unternehmens
Der beabsichtigte Preis sollte daraufhin überprüft werden, ob er in Einklang mit den preispolitischen
Grundsätzen des Unternehmens steht. Viele Unternehmen richten zur Erarbeitung preispolitischer
Grundsätze sowie zur Herbeiführung und Genehmigung von Preisentscheidungen eine eigene Abteilung ein. Damit soll sichergestellt werden, dass im Vertrieb Preise angeboten werden, die für die Kunden vernünftig und für das eigene Unternehmen gewinnbringend sind.
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17.1.6.4. Auswirkungen der Preisentscheidung auf andere Beteiligte
Auch die Reaktionen anderer Beteiligter auf den beabsichtigten Preis müssen beachtet werden. Hier
stellen sich folgende Fragen: Wie wird der Handel den Preis aufnehmen? Wird das eigene Vertriebspersonal diesen Preis bereitwillig vertreten oder sich darüber beschweren, dass er zu hoch ist? Wie
werden die Konkurrenten auf diesen Preis reagieren? Werden die Zulieferer ihre Preise anheben,
wenn sie von diesem Preis erfahren? Werden staatliche Stellen intervenieren und diesen Preis untersagen? In letzterem Fall muss der Marketer die einschlägige Gesetzgebung kennen und sicherstellen,
dass seine preispolitischen Grundsätze haltbar sind und gesetzlichen sowie ethischen Forderungen
genügen.
17.2. Programmatische Preismodifizierung
Unternehmen legen in der Regel keinen einzelnen Preis, sondern ein strukturelles Preisprogramm
fest, das Faktoren wie geographische Nachfrage- und Kostenunterschiede, marktsegmentspezifische
Nachfrageintensität, Kaufzeitpunkt, usw. berücksichtigt. Das Ergebnis der Gewährung von Rabatten,
Preisnachlässen und Verkaufsförderung ist, dass ein Unternehmen selten bei jedem verkauften Stück
eines Produktes den gleichen Gewinn erzielt. Wir werden im folgenden die geographische Preismodifizierung, die Preismodifizierung durch Rabatte und Nachlässe, die absatzfördernde Preismodifizierung, die diskriminierende Preismodifizierung und die Preisabstufung im Produktverband untersuchen.
17.2.1. Geographische Preismodifizierung
Bei der geographischen Preismodifizierung befasst sich das Unternehmen mit der Entscheidung, welche Preise es von Kunden fordern soll, die in unterschiedlichen Regionen des Landes angesiedelt
sind. Sollte man von weiter entfernten Kunden zur Deckung der höheren Versankosten auch höhere
Preise nehmen und damit das Risiko eingehen, diese Kunden zu verlieren? Oder sollte man von allen
Kunden, unabhängig von ihrem Standort, dieselben Preise nehmen?
17.2.2. Preismodifizierung durch Rabatte und Nachlässe
Die meisten Unternehmen modifizieren ihren Grundpreis, um die Kunden zu bestimmten Handlungen,
z.B. frühzeitige Zahlung, Abnahme größerer Mengen und Aufträge außerhalb der Saison, zu bewegen. Beispiels für solche Preismodifizierungen in Form von Rabatten und Nachlässen sind: Skonto,
Mengenrabatte, Funktionsrabatte, Saisonrabatte, Sondernachlässe. Bei der Preismodifizierung durch
Rabatte und Nachlässe sollte aber folgendes bedacht werden: Viele Unternehmen sind zu schnell
bereit, verschiedenste Rabatte und Nachlässe an Händler und Endverbraucher zu gewähren, so dass
sie in diesem Rabattsdschungel nicht mehr realisieren, wie wenige Gewinn sie erzielen. Unternehmen
sollten den durch Rabattgewährung entstehenden Kosten die jeweilige Auswirkung auf die Absatzmengen gegenüberstellen. Daraus sollte eine klare Preisstrategie entwickelt werden mit Regelungen,
was wann welchen Kunden gewährt werden soll.
17.2.3. Preismodifizierung durch Absatzförderung
Unter bestimmten Bedingungen senken die Anbieter ihre Produktpreise vorübergehend unter den
allgemein angekündigten und geforderten Preis, und gelegentlich auch unter die Einstandskosten.
Solche absatzfördernden Preise gibt es in vielen Erscheinungsformen, deren Anwendung jedoch zumeist gesetzlichen Einschränkungen unterliegt. Die Grundtypen sind dabei folgende: Lockvogelpreise,
Sonderaktionspreise, Barrückvergütungen, Zinsgünstige Finanzierungsangebote, Lange Zahlungsfristen, Garantieleistungen und Wartungsverträge, Psychologische Preismodifizierung. Ein Problem bei
der absatzfördernden Preismodifizierung ist, dass die Konkurrenz rasch nachzieht, wenn sich diese
Taktik als erfolgreich erweist, und damit ihre Wirkung für das jeweilige Unternehmen verloren geht.
Funktioniert hingegen diese Taktik nicht, ist sie eine Verschwendung von Geld, das man für längerfristig wirkende Marketingvorhaben hätte ausgeben können, z.B. für die Verbesserung der Produktqualität und des Kundendienstes oder für die Imagewerbung.
17.2.4. Diskriminierende Preismodifizierung
Oft passen Unternehmen ihre Grundpreise an kunden-, produkt- oder standortspezifische Unterschiede an. Von diskriminierender Preismodifizierung spricht man, wenn ein Unternehmen das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung zu zwei oder mehreren Preisen anbietet, ohne dass dabei ein
wesentlicher oder direkter Kostenbezug besteht. Die Preisdiskriminierung findet man in mehreren
Erscheinungsformen: Preismodifizierung nach Kundensegmenten, Preismodifizierung nach der Produkt- oder Anwendungsform, Imagemäßige Preismodifizierung, Räumliche Preismodifizierung, Zeitliche Preismodifizierung. Damit die diskriminierenden Preismodifizierung funktioniert, müssen bestimm-
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90
te Bedingungen gegeben sein. Vor allem muss der Gesamtmarkt segmentierbar sein, und in den einzelnen Segmenten muss die Nachfrage unterschiedlich intensiv sein.
17.2.5. Preisabstufungen im Produktverbund
Die Preise einzelner Produkte müssen in wohlüberlegten Abstufungen modifiziert werden, wenn das
Produkt Bestandteile eins Produktverbunds ist. In diesem Fall sucht das Unternehmen ein Preisgefügte, das einen möglichst hohen Ertrag für den gesamten Produktverbund bringt. Die Preisbildung ist
hier meist schwierig, da es zwischen den einzelnen Produkten Nachfrage- und Kostenzusammenhänge gibt und sie einem unterschiedlich intensiven Wettbewerb ausgesetzt sind. Wir können hier sechs
Problemstellungen unterscheiden: Preisabstufungen in der Produktlinie, bei Sonderausstattungen, für
Folgeprodukt in Funktionssystemen, in Grund- und Nutzungspreise, im Rahmen der Einbindung von
Beiprodukten in die Preisbildung sowie Preisabstufungen für Angebotspakete.
17.2.5.1. Preisabstufungen in der Produktlinie
Normalerweise entwickeln Unternehmen keine Einzelprodukte, sondern Produktlinien. So biete z.B.
Panasonic fünf verschiedene Videokameras an, wobei die Palette von einem einfachen leichteren
Modell bis zu einem hochkomplexen schweren Gerät mit Überschneidungsregelung, automatischer
Schärfeneinstellung und Zoomobjektiv mit zwei Gängen reicht. Von unten angefangen bietet das jeweils nächsthöhere Modell in dieser Produktlinie als Voraussetzung für einen höheren Preis mehr
Ausstattungsniveau. Es muss nun entschieden werden, welche Preisabstufungen zwischen den einzelnen Kamera-Modellen vorgenommen werden sollen. Diese Abstufungen sollten Unterschiede in
den Kosten, im Wert der Ausstattung für die Kunden sowie die Preise der Konkurrenten berücksichtigen.
17.2.5.2. Preisabstufungen bei Sonderausstattungen
Viele Unternehmen bieten neben dem Hauptprodukt auch Sonderausstattungen an. So kann der Autokäufer z.B. elektrische Fensterheber, Pollenfilter und Zentralverriegelung separat bestellten. Die
Preisabstufung für diese Extras prägt das Image und die Glaubwürdigkeit des Anbieters. Ein Autohersteller muss entscheiden, welche Ausstattungselemente serienmäßig im Preis eingeschlossen und
welche als Extras angeboten werden sollen. Volkswagen z.B. verfolgt im deutschen Markt die Politik,
die nackte Grundversion niedrigpreisig und die Sonderausstattungen hochpreisig anzubieten.
17.2.5.3. Preisabstufung für Folgeprodukte in Funktionssystemen
In bestimmten Branchen stellen Unternehmen Folge- oder Zusatzprodukte her, die an ein Funktionssystem mit einem Hauptprodukt gebunden sind. Sie können nur in Verbindung mit dem Hauptprodukt
verwendet werden. Beispiele für solche gebundenen Produkt sind z.B. Rasierklingen und Kamerafilme. Die Hersteller der Hauptprodukte bieten diese oft zu niedrigen Preisen an und nehmen für die
Folgeprodukte oder Ersatzteile hohe Aufschläge. So biete Kodak seine Kameras zu niedrigen Preisen
an, weil es sein Geld mit dem Verkauf von Filmen verdient.
17.2.5.4. Abstufung in Grund- und Nutzungspreise
Dienstleistungsbetriebe verlangen häufig eine feste Grundgebühr zuzüglich einer variablen, nutzungsabhängigen Zusatzgebühr. So muss der Telefonkunde eine monatliche Grundgebühr und für jede
Gesprächseinheit zusätzlich eine bestimmte Nutzungsgebühr entrichten. Autovermieter bieten ihre
Fahrzeuge oft mit einer Kilometerpauschale an; jeder zusätzliche gefahrene Kilometer kostet extra.
Diskotheken verlangen häufig einen Festbetrag für den Eintritt inklusive dem ersten Getränk. Jedes
weitere Getränk kostet extra.
17.2.5.5. Einbindung von Beiprodukten in die Preisbildung
Beiprodukte fallen in bestimmten Herstellungsprozessen neben dem Hauptprodukt an, z.B. in der
Fleischverarbeitung oder der Herstellung von Mineralölprodukten und anderen Chemikalien. Wenn
solche Bei- oder Nebenprodukte wertlos sind und ihre Entsorgung kostspielig ist, wirkt sich das auf
den Preis des Hauptproduktes aus. Der Hersteller wird dann bestrebt sein, Abnehmer für diese Nebenprodukte zu finden, und dafür jeden Preis akzeptieren, der höher ist als die Entsorgungskosten.
Sind hingegen die Nebenprodukte für bestimmte Kundenschichten von Wert, sollte ihr Preis diesen
Wert berücksichtigen. Alle Erlöse aus dem Verkauf von Nebenprodukten erleichtern es dem Unternehmen, unter dem Zwang des Wettbewerbs den Preis für sein Hauptprodukt zu senken.
17.2.5.6. Preisabstufungen für Angebotspakete
Oft schnüren Anbieter ein komplettes Warenpaket oder Leistungsbündel und bieten es zu einem reduzierten Preis an. So könnte ein Autohersteller bestimmte Extras zum Paketpreis anbieten, der unter
dem liegt, was der Kunde zahlen müsste, wenn er alle Extras einzeln kaufen würde. Ein Theater wird
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für ein Jahresabonnement weniger verlangen, als wenn man sich für alle Vorstellungen jeweils separat Karten an der Abendkasse besorgt. Da viele Kunden ursprünglich nicht vorhatten, alle im Angebotspaket enthaltenen Komponenten zu kaufen, muss die Ersparnis aus dem Paketkauf für sie so
groß sein, dass sie darin trotzdem einen Vorteil sehen. Einige Kunden werden weniger als das gesamte Leistungspaket wollen.
17.3. Preisänderungen
Auch bei festgelegten Preisstrategien und -strukturen sieht sich das Unternehmen in bestimmten Situationen zur Senkung oder Anhebung seiner Preise veranlasst.
17.3.1. Preissenkungen
Mehrere Umstände könnten ein Unternehmen zu einer Preissenkung veranlassen, selbst auf die Gefahr eines Preiskrieges hin. Überkapazitäten sind z.B. ein solcher Umstand. Hier benötigt das Unternehmen zusätzliches Geschäftsvolumen, das es nicht durch erhöhte Verkaufsanstrengungen, Produktverbesserungen oder andere Alternativmaßnahmen herbeiführen kann. Doch das Initiieren einer
Preissenkung in einer Branche mit hohen Fixkosten, hohen Deckungsbeiträgen oder überschüssigen
Kapazitäten kann zu einem Preiskrieg führen, wenn die Konkurrenten versuchen, ihren Marktanteil zu
halten. Ein weiterer Preissenkungsgrund ist ein schrumpfender Marktanteil bei intensivem Preiswettbewerb.
17.3.2. Preiserhöhungen
Eine erfolgreiche Preiserhöhung kann zu beträchtlichen Gewinnsteigerungen führen. Wenn z.B. der
Gewinn des Unternehmens 3 % vom Umsatz beträgt, bewirkt eine Preiserhöhung um 1 % bei gleichem Absatzvolumen eine Gewinnsteigerung von 33 %. Ein wesentlicher Grund für Preiserhöhungen
sind Kostensteigerungen. Steigende Kosten ohne einen vergleichbaren Produktivitätszuwachs drükken auf die Gewinnspannen und lösen regelmäßig Preiserhöhungen aus. Oft erhöhen Unternehmen
ihre Preise aufgrund zukünftiger Inflationserwartungen oder Preiskontrollen des Staates weit über den
gegenwärtigen Kostenanstieg hinaus; dies bezeichnet man als antizipatorische Preiserhöhung.
17.3.3. Reaktionen auf Preisänderungen
Jede Preisänderung hat mit Sicherheit Auswirkungen auf die Käufer, Konkurrenten, Distributoren und
Lieferanten, und auch der Staat könnte sich dafür interessieren.
17.3.3.1. Reaktionen der Käufer
Nicht immer interpretieren die Kunden eine Preisänderung im einfachsten Sinne als günstigeres oder
teureres Angebot. Eine Preissenkung kann auf unterschiedliche Weise ausgelegt werden: Es handelt
sich hier um ein Auslaufmodell; das Produkt ist mit irgendwelchen Mängeln behaftet oder geht nicht
gut; der Anbieter ist in finanziellen Schwierigkeiten und kann vielleicht in Zukunft keine Ersatzteile
mehr liefern, weil er sich nicht mehr halten kann; der Preis wird noch weiter fallen, und es lohnt sich
daher zu warten; die Qualität ist gesenkt worden. Eine Preiserhöhung, die normalerweise absatzdämpfend wirkt, könnten die Käufer aus mehreren Gründen positiv deuten. Sie könnten z.B. folgendes
denken: Das Produkt ist ein Renner und vielleicht bald nicht mehr zu haben; das Produkt bietet einen
außergewöhnlich hohen Nutzwert; der Anbieter ist ein Gierschlund und nimmt, was der Markt hergibt.
Die Reaktionen der Käufer auf Preisänderungen hängen auch davon ab, welchen Anteil ihres Budgets
sie für das Produkt ausgeben müssen.
17.3.3.2. Reaktionen der Konkurrenten
Ein Unternehmen, das eine Preisänderung erwägt, muss sich im gleichen Maß um die Reaktionen der
Konkurrenten wie auch der Kunden sorgen. Konkurrenten reagieren sehr wahrscheinlich dann, wenn
ihre Zahl klein ist, wenn das Produkt gleich ist und wenn die Käufer über Konkurrenzangebote bestens
informiert sind.
17.3.3.3. Reaktionen auf Preisänderungen der Konkurrenz
Wir drehen nun die Fragestellung einfach um und wollen herausfinden, wie man auf eine von einem
Konkurrenten initiierte Preisänderung reagieren sollte. In Märkten mit hoher Angebotshomogenität
bleibt einem kaum eine andere Möglichkeit, als bei einer Preissenkung eines Konkurrenten nachzuziehen. Man sollte zwar nach Differenzierungsmöglichkeiten des eigenen Produktangebots durch Zusatzleistungen suchen, doch wenn dies nicht gelingt, muss man die Preissenkung mitmachen. Ansonsten drohen Marktanteilsverluste, da die Kunden nicht bereit sein werden, einen höheren Preis für ein
Produkt zu bezahlen, das der niedrigpreisigen Alternative nicht überlegen ist. Wenn ein Wettbewerber
in solch einem homogenen Produktmarkt seinen Preis anhebt, ziehen möglicherweise die anderen
Konkurrenten nicht mit.
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18. Planung und Management des Distributionssystems
Die meisten Hersteller verkaufen heute ihre Waren nicht direkt an den Endverwender. Hersteller und
Endverwender sind durch eine Vielzahl von Partner im Distributionssystem verbunden, die verschiedene Funktionen übernehmen und unterschiedliche Namen tragen. Einige der Partner des Herstellers,
wie z.B. die Groß- und Einzelhändler, kaufen die Ware, erwerben das Eigentum daran und verkaufen
sie anschließend weiter, dh sie sind im eigenen Namen tätige Kaufleute. Andere, wie z.B. Makler,
Handelsvertreter und Verkaufsagenten oder -kommissionäre, akquirieren im Auftrag des Herstellers
Kunden oder führen Verkaufsverhandlungen, erwerben die Ware jedoch nicht selbst, dh sie sind im
fremden Namen tätige Kaufvermittler. Wieder andere, z.B. Spediteure, Lagerbetriebe, Banken und
Werbeagenturen, nehmen unterstützende distributive Aufgaben wahr, ohne dabei Ware zu erwerben
oder Kauf- bzw. Verkaufsverhandlungen zu führen, dh sie sind Partner bei der Kaufabwicklung.
18.1. Wesenszüge von Distributionssystemen
Die meisten Hersteller bringen ihre Produkte über Distributionspartner auf den Markt. Dies bilden in
ihrer Gesamtheit einen Distributionskanal. Stern und El-Ansary definieren dies so: Ein Distributionskanal ist die Gesamtheit aller ineinandergreifender Organisationen, die am Prozess beteiligt sind, um ein
Produkt oder eine Dienstleistung zur Verwendung oder zum Verbrauch verfügbar zu machen.
18.1.1. Warum Absatzmittler und Zwischenhandel?
Warum sollte ein Hersteller einen Teil seiner Verkaufsaufgaben auf den Zwischenhandel übertragen?
Mit der Übertragung von Aufgaben verliert er an Kontrolle darüber, wie und an wen seine Produkte
verkauft werden. Auf den ersten Blick scheint damit der Hersteller sein Schicksal in die Hände anderer
zu legen. Da der Hersteller seine Produkte auch auf direktem weg an den Endverwender herantragen
könnte, muss er davon überzeugt sein, dass die Einschaltung des Zwischenhandels – in Form von
Kaufleuten, Kaufvermittlern oder Partner bei der Kaufabwicklung – für ihn bestimmte Vorteile mit sich
bringt. Vielen Herstellern fehlen die Finanzmittel, um ihre Produkte ohne Zwischenglied direkt an die
Endverwender zu verkaufen.
18.1.2. Funktionen im Distributionssystem
Jeder Kanal des Distributionssystems erfüllt bestimmte Aufgaben auf dem Weg der Güter vom Hersteller zum Konsumenten. Auf diesem Weg müssen die Lücken in Zeit, Raum und Verfügungsgewalt
überbrückt werden, die Güter und Dienstleistungen von möglichen Nutzern trennen. Die einzelnen
Mitglieder des Distributionssystems tragen zu folgenden wesentlichen Funktionen bei, die – in Form
von Flüssen – für das Distributionssystem erforderlich sind: Informationsfluss, Absatzförderungsfluss,
Verhandlungsfluss, Bestellfluss, Finanzierungsfluss, Risikofluss, Materieller Güterfluss, Zahlungsfluss,
Eigentumsfluss. Diese Funktionsflüsse wurden hier in der Reihenfolge genannt, in der sie üblicherweise abgewickelt werden. Einige davon verlaufen vorwärts, andere verlaufen rückwärts, und wieder
andere verlaufen bidirektional.
18.1.3. Stufen im Distributionssystem
Man kann Distributionssysteme und durchgängige Distributionskanäle anhand der Zahl ihrer Stufen
beschreiben. Jedes Distributionsorgan, das bestimmte Verrichtungen übernimmt, um dem Endabnehmer das Produkt und das Eigentum daran näher zu bringen, bildet eine Distributionsstufe. Hersteller und Endabnehmer gehören als Endpunkte zu jedem Distributionskanal. Sie werden deshalb bei
der stufenabhängigen Differenzierung nicht mitgezählt. Die Anzahl der eingeschalteten Zwischenstufen soll uns zur Beschreibung der Länge des Distributionskanals dienen.
18.1.4. Distributionssysteme für Dienstleistungen
Distributionssysteme spielen nicht nur bei der Verteilung materieller Güter eine Rolle. Auch Dienstleistungen und Ideen müssen als Angebot für den Zielmarkt verfügbar und zugänglich gemacht werden.
Anbieter entwickeln hier z.B. Bildungsprogramme zur Verbreitung von Wissen, Gesundheitsvorsorgeprogramme oder Katastrophenschutzprogramme. Die Dienstleistungsanbieter müssen dabei mögliche
Trägerorganisationen, Partner und Standorte so lokalisieren, dass die im geographischen Raum verteilte Bevölkerung angemessen versorgt werden kann. Technologischer Fortschritt – insbesondere
neue Informationstechnologien – ermöglicht es bestimmten Dienstleistern, ihre Produkte den Kunden
auf mühelose Art zur Verfügung zu stellen.
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18.2. Planung des Distributionssystems
Im folgenden wollen wir mehrere Entscheidungsprobleme des Herstellers bei der Planung des Distributionssystems untersuchen. Der Hersteller muss hier einen Kompromiss zwischen Idealvorstellung
und Machbarem finden. Ein neu gegründetes Herstellerunternehmen bearbeitet als erstes oft nur einen regional begrenzten Markt. Da seine Kapitalgrundlage meist eng begrenzt ist, arbeitet es mit bereits vorhandenen Absatzmittlern. Davon sind auf jedem regional begrenzten Markt oft nur wenige
vorhanden, z.B. ein paar Handelsvertreter, ein paar Großhändler, einige etablierte Einzelhändler, ein
paar Transportunternehmen dun einige wenige Lagerbetriebe.
18.2.1. Analyse des Kundenbedarfs nach Distributionsleistungen
Als erstes muss zur Gestaltung des Distributionssystems analysiert werden, was und welche Distributionsleistungen die Kunden wollen, wo, warum, wann und wie die Endabnehmer in einem spezifischen
Zielmarkt kaufen. Die von den einzelnen Distributionspantern und vom Gesamtsystem erbrachten
distributiven Leistungen zeigen sich in fünf Bestimmungsgrößen: Abgabemenge, Wartezeit, Räumliche Präsenz, Versorgungsvielfalt, Unterstützende Dienste. Zur Gestaltung effektiver Distributionskanäle muss man nicht nur die vom durchschnittlichen Abnehmer gewünschte Höhe der Leistungsbereitstellung, sondern auch die Nachfragefunktion für jede der Komponenten der Distributionsleistung
kennen. Je höher die jeweilige Leistungsbereitstellung ist, desto höher sind die Kosten des Distributionskanals und die Abgabepreise. Der Markterfolg der Einzelhandels- Discounter zeigt, dass die Verbraucher bei vielen Produkten gewillt sind, niedrige distributive Leistungen zu wählen, wenn damit
niedrigere Preise verbunden sind.
18.2.2. Distributionsziele und -einschränkungen
Die Distributionsziele sollten in Form von Leistungsvorgaben festgelegt werden. Nach Bucklin sollten
die beteiligten Distributionsorgane unter Konkurrenzbedingungen ihre Aufgaben so untereinander
aufteilen, dass die Gesamtdistributionskanalkosten bei einem bestimmten gewünschten Leistungsniveau so gering wie möglich gehalten werden. Im Regelfall lassen sich auf der Grundlage unterschiedlich hoher vom Endabnehmer gewünschter Distributionsleistungen mehrere Zielmarktsegmente ermitteln. Zur wirksamen Gestaltung des Distributionssystems muss der Hersteller seine Zielmarktsegmente und die dafür jeweils geeignetsten Distributionskanäle bestimmen. Die Distributionsziele müssen
neben den vom Abnehmer gewünschten Leistungen auch Einschränkungen berücksichtigen, die sich
aus dem Produkt, den eingeschalteten Distributionspartner, der Konkurrenzsituation, den übergeordneten unternehmensinternen Grundsätzen und dem Unternehmensumfeld ergeben.
18.2.2.1. Einschränkungen durch das Produkt
Verderbliche Güter erfordern direkte Distributionswege, weil mit zusätzlichen Distributionsstufen durch
Verzögerungen und Umladen Gefahren entstehen. Sperrige und voluminöse Güter, wie Baumaterialien oder Erfrischungsgetränke, erfordern Distributionskanäle mit möglichst wenigen Be- und Entladevorgängen zwischen Hersteller und Abnehmer. Nicht-standardisierte Produkte, wie speziell für Einzelkunden hergestellte Maschinen oder Büroformulare, müssen meist direkt durch die herstellereigene
Vertriebsorganisation verkauft werden, da dem Zwischenhandel hier das erforderliche Spezialwissen
fehlt. Bei Produkten, die vom Fachmann zu installieren und zu warten sind, werden die Kunden gewöhnlich durch den Hersteller direkt oder durch geschulte Vertragshändler betreut, um die Leistungserbringung des Produkts und damit die Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Produkte mit hohem
Stückwert werden oft über die Vertriebsorganisation des Herstellers und nicht über den Zwischenhandel verkauft.
18.2.2.2. Einschränkungen durch den Distributionspartner
Die erreichbaren Distributionsziele werden auch durch die Stärken und Schwächen unterschiedlicher
Partner bei der Ausübung von Distributionsfunktionen mitbestimmt. So sind z.B. die Kosten pro Kundenkontakt bei Einschaltung eines Industrievertreters geringer, da sich dessen Kosten pro Kundenbesuch auf mehrere von ihm vertretene Hersteller verteilt. Allerdings sind auch die Verkaufsanstrengungen pro vertretenem Hersteller weniger intensiv, als wenn die Hersteller die Kunden durch eigene
Verkäufer betreuen würden. Absatzförderungs-, Verhandlungs-, Lagerhaltungs-, Kontakt- und Zahlungsabwicklungsfunktionen werden je nach Typ des Distributionspartner unterschiedlich oft und unterschiedlich intensiv durchgeführt.
18.2.2.3. Einschränkungen durch die Konkurrenten
Die Gestaltung des eigenen Distributionssystems wird auch durch bereits vorhandene Distributionssysteme der Konkurrenten beeinflusst, indem man sich entweder daran anlehnt oder sich davon distanziert. Einige Hersteller halten es für sinnvoll, ihre Produkte direkt neben den Konkurrenzprodukten zu
präsentieren. Nahrungsmittelproduzenten z.B. wollen in der Regel, dass ihre Marken in denselben
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Verkaufsstellen vorhanden sind wie die Marken der Konkurrenten. Burger King ist bestrebt, seine Restaurants in der Nähe von McDonald’s-Restaurants anzusiedeln. In anderen Branchen dagegen gibt
es Hersteller, die von den Konkurrenten genutzte Distributionskanäle vermeiden und eigene Wege
gehen.
18.2.2.4. Einschränkungen durch unternehmensinterne Charakteristika
Auch unternehmensinterne Charakteristika spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl des Distributionssystems. Da nachträgliche Änderungen kostspielig und oft nicht so einfach rückgängig zu machen
sind, müssen bei der Gestaltung und Auswahl des Distributionssystems auch die übergeordneten
langfristigen Ziele des Unternehmens berücksichtigt werden. Die Größe des Unternehmens bestimmt,
ob es in großen Märkten und bei großen Distributionspartner erfolgreich auftreten kann. Seine finanziellen Mittel bestimmen, welche Distributionsfunktionen es selbst übernehmen und welche es an Distributionspartner übertragen kann. Auch das Produktsortiment des Unternehmens beeinflusst das Distributionssystem.
18.2.2.5. Einschränkungen im Umfeld
Ist die Wirtschaftslage schlecht, wollen die Hersteller ihre Güter möglichst kostensparend verteilen.
Dies macht kürzere Distributionskanäle und einen Verzicht auf weniger wichtige Distributionsleistungen erforderlich, die zu einer Erhöhung des Endpreises für die Waren führen. Auch rechtliche Vorschriften und Einschränkungen beeinflussen die Gestaltung des Distributionssystems. Der Gesetzgeber ist bestrebt, Distributionssysteme zu verhindern, die den Wettbewerb erheblich beschränken oder
eine Monopolbildung begünstigen könnten.
18.2.3. Gestaltungsalternativen für das Distributionssystem
Sobald ein Hersteller seinen Zielmarkt und die darin angestrebte Positionierung seines Angebots bestimmt hat, muss er als nächstes die wesentlichen Gestaltungsalternativen für sein Distributionssystem festlegen. Gangbare Gestaltungsalternativen ergeben sich aus den Antworten auf folgende Fragen: Mit welchen Distributionspartner soll der Hersteller zusammenarbeiten? Mit wie vielen Partnern
soll er zusammenarbeiten? Wie sollen die Konditionen und wechselseitigen Verpflichtungen für die
Partner gestaltet werden?
18.2.3.1. Welche Distributionspartner?
Das Unternehmen muss ermitteln, welche Distributionspartner für die Ausführung der Distributionsfunktionen in Frage kommen. Unternehmen sollten bei der Auswahl ihrer Distributionspartner gleichzeitig auch nach neuen Marketingchancen suchen. Der amerikanische Heimorgelhersteller Conn Organ Company z.B. beschloss, seine Heimorgeln über die Warenhäuser und Discounter abzusetzen
und sicherte sich damit eine größere Präsenz am Markt, als das mit Musikfachgeschäften jemals für
ihn möglich gewesen wäre. Bei Tupperware verkaufen Hausfrauen nützliche Haushaltsutensilien an
andere Hausfrauen. Viele Buch-Clubs folgten weltweit dem Beispiel des amerikanischen Book-of-theMonth-Clubs, der gezeigt hatte, dass Bücher erfolgreich im Postversand verkauft werden konnten.
18.2.3.2. Wie viele Distributionspartner?
Man muss auch entscheiden, mit wie vielen Partnern man auf jeder Distributionsstufe zusammenarbeiten will. Hier gibt es drei Strategien: exklusive, selektive sowie intensive Distribution.
18.2.3.2.1. Exklusive Distribution
Einige Hersteller beschränken sich mit Absicht auf eine geringe Zahl von Distributionspartnern. Die
strengsten Einschränkungen gibt es bei der exklusiven Distribution. Hier erhält jeder der ausgewählten
Distributionspartner das alleinige Recht, die Produkte des Herstellers in seiner Absatzregion exklusiv
zu beziehen oder zu vertreiben. Der Hersteller fordert im Gegenzug vom Händler häufig auch eine
geschäftliche Exklusivität für seine Ware. Der Händler darf dann kein Produkt von Wettbewerbern des
Herstellers führen.
18.2.3.2.2. Selektive Distribution
Zwischen der intensiven und der exklusiven Distribution steht die selektive Distribution, dh die Einschaltung mehrerer, jedoch nicht aller Distributionspartner, die gewillt sind, ein bestimmte Produkt zu
führen. Die selektive Distribution wird sowohl von etablierten als auch von neuen Unternehmen auf
dem Markt eingesetzt, die mit der Zusage selektiver Vertriebsrechte Distributionspartner gewinnen
wollen. Das Anbieterunternehmen muss seine Anstrengungen nicht auf eine Vielzahl von Verkaufsstellen verteilen, sondern kann statt dessen mit den ausgewählten Distributionspartner eine enge Geschäftsbeziehung aufbauen und von diesen überdurchschnittliche Verkaufsanstrengungen erwarten.
Die selektive Distribution ermöglicht dem Hersteller eine angemessene Marktabdeckung. Er kann hier
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bei relativ geringen Überwachungskosten kontrollieren, wie sein Produkt von den Händlern angeboten
wird.
18.2.3.2.3. Intensive Distribution
Hersteller von Gütern des mühelosen Kaufs und gängiger Roh- und Grundstoffe bemühen sich meist
um eine möglichst intensive Distribution. Diese Produkte müssen für den Kunden überall leicht verfügbar sein. Dh Hersteller bringen ihre Produkte in so vielen Verkaufsstellen wie möglich unter. Die
Marke des Herstellers gewinnt durch intensive Distribution eine hohe Präsenz beim Kunden. Der Kunde kann die Marke in nahegelegenen Verkaufsstellen mühelos kaufen.
18.2.3.3. Welche Konditionen und wechselseitigen Verpflichtungen?
Der Hersteller muss die Konditionen und wechselseitigen Verpflichtungen für die beteiligten Mitglieder
im Distributionssystem so gestalten, da sich alle Mitglieder des Distributionssystems fair behandelt
fühlen und die Chance haben, Gewinne zu erzielen. Die wesentlichsten Elemente im Handelsbeziehungsmix sind die Preisgestaltung, die Verkaufsbedingungen, die Gebietsrechte und die wechselseitigen Leistungsverpflichtungen jedes Beteiligten. Die Preisgestaltung beinhaltet die Festlegung eines
Listenpreises und eines Rabattsystems auf Herstellerseite. Der Hersteller muss sicherstellen, dass
der Distributionspartner die ihm eingeräumten Rabatte für angemessen und ausreichend hält. Die
Verkaufsbedingungen beinhalten die Zahlungsbedingungen und Herstellergarantien.
18.2.4. Bewertung der Gestaltungsalternativen
Wenn ein Hersteller mehrere Gestaltungsalternativen ermittelt hat und nun diejenige herausfinden will,
die seinen langfristigen übergeordneten Zielen am besten gerecht wird, muss er die Wirtschaftlichkeit,
Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit und Modifizierbarkeit der Alternativen beurteilen.
18.2.4.1. Wirtschaftlichkeit
Jede Gestaltungsalternative wird zu unterschiedlich hohen Umsätzen und Kosten führen. Als erstes ist
die Frage zu beantworten, ob man durch eine eigene Vertriebsorganisation mehr verkaufen kann als
durch eine Vertretung. Die meisten Marketingverantwortlichen sind der Meinung, dass ein eigener
Verkäufer in der Regel mehr verkauft als ein Vertreter des Zwischenhandels. Die eigenen Verkäufer
konzentrieren sich ihrer Meinung nach voll auf die Produkte des Hauses, sind für den Verkauf dieser
Produkte besser geschult, verkaufen motivierter, da ihre persönliche Zukunft mit der ihres Arbeitgebers verknüpft ist, und sind auch deshalb erfolgreicher, weil die Kunden den direkten Kontakt zum
Anbieter vorziehen. Andererseits ist es auch vorstellbar, dass man über Vertretungen mehr verkauft
als über die eigene Vertriebsorganisation.
18.2.4.2. Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit
Die Gestaltungsalternativen müssen auch nach ihrer Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit beurteilt
werden. Bei Einschaltung einer Verkaufsvertretung sind die Möglichkeiten zur Kontrolle und Steuerung geringer. Die Verkaufsvertretung ist ein unabhängiges Wirtschaftsunternehmen, das möglichst
hohe Gewinne erzielen will. Möglicherweise konzentriert sie sich mehr auf die Kunden, die ein breites
Warensortiment abnehmen, statt auf die Kunden, die sich besonders für die Produkte eines bestimmten Herstellers interessieren. Es wäre auch möglich, dass die Vertriebsbeauftragten der Vertretung die
technischen Einzelheiten des Produktes eines bestimmten Herstellers nicht beherrschen oder das von
ihm bereitgestellte Werbematerial nicht wirkungsvoll genug einsetzen.
18.2.4.3. Modifizierbarkeit
Distributionspartner binden sich in der Regel durch gegenseitige Verpflichtungen. Die Bindung bedeutet oft eine Flexibilitätsverlust bezüglich Anpassungsmöglichkeit des Distributionssystems auf Markterfordernisse und höhere Effizienz. Ein Hersteller musste z.B. herkömmlichen Industrievertretungen
langfristige Verträge anbieten, um von ihnen aufgenommen zu werden. Bald danach entwickelten sich
Vertriebsformen, die das Produkt durch Direkt-Mailing wesentlich wirkungsvoller vertreiben konnten.
Der Hersteller hatte dann kaum eine Möglichkeit, sich schnell auf diese neuen Absatzwege umzustellen.
18.3. Management des Distributionssystems
Sobald sich ein Unternehmen für ein bestimmtes Distributionssystem entscheiden hat, muss es Distributionspartner gewinnen, motivieren, ihre Leistung bewerten und das Distributionssystem im Laufe
der Zeit modifizieren.
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18.3.1. Gewinnung von Distributionspartnern
Nicht allen Herstellern gelingt es gleicht gut, qualifizierte Partner für das gewünschte Distributionssystem zu gewinnen. Einige haben keine Probleme bei der Gewinnung von Distributionspartnern. Toyota z.B. gelang es schnell, geeignete Vertragshändler für den Lexus zu finden. In manchen Fällen lockt
das Versprechen exklusiver oder selektiver Distributionsrechte viele Bewerber an. Andererseits gibt es
auch Hersteller, denen es schwer fällt, die gewünschte Anzahl qualifizierter Distributionspartner zu
gewinnen.
18.3.2. Motivierung von Distributionspartnern
Man muss seine Distributionspartner ständig dazu motivieren, ihr Bestes zu geben. Zum Teil wirken
die Konditionen motivierend, zu denen der Partner gewonnen wurde. Doch Konditionen sind nicht
alles: Sie müssen durch Schulung, Anleitung und Unterstützung von Seiten des Herstellers ergänzt
werden. Der Hersteller muss sein Produkte nicht nur durch, sondern auch an den Distributionspartner
verkaufen. Will man die Distributionspartner zu Spitzenleistungen motivieren, muss man ihre Bedürfnisse und Wünsche verstehen.
18.3.3. Bewertung der Distributionspartner
In regelmäßigen Abständen muss der Hersteller die Leistungen der Distributionspartner bewerten.
Dazu dient z.B. der Vergleich zu Normwerten für Leistungselemente wie Erfüllung der Verkaufsquoten, durchschnittliche Lagerbestandshaltung, Lieferzeiten, Verfahren bei Schädigung und Verlust von
Ware, Mitwirkung bei Absatzförderungs- und Schulungsprogrammen des Herstellers und Kundendienste des Händlers für den Endabnehmer. Hersteller entdecken von Zeit zu Zeit, dass sich bestimmte Distributionspartner Leistungen honorieren lassen, die sie nicht erbringen. Ein Hersteller fand z.B.
heraus, dass er einem Distributor für die Lagerhaltung bestimmter Waren in dessen Lagerhallen einen
Zuschuss gab, während dieser in Wirklichkeit die Waren auf Kosten des Herstellers bei einem Spediteur untergebracht hatte. Wenn ein Distributor ungenügende Leistungen erbringt, muss mit ihm darüber gesprochen werden.
18.3.4. Modifizierung des Distributionssystems
Ein Hersteller darf sich nicht damit begnügen, ein Distributionssystem gut zu planen und einzurichten.
Eine Modifizierung ist unerlässlich, z.B. wenn das ursprüngliche Distributionssystem unzureichende
Leistungen bringt, wenn das Einkaufsverhalten der Konsumenten sich ändert, der Markt sich ausweitet, das Produkt in seinem Lebenszyklus fortschreitet, neue Konkurrenten in den Markt eintreten und
neue Distributionsstrategien entwickelt werden. In offenen Märkten, in denen die Eintrittsschwellen
niedrig sind und in denen Wettbewerb herrscht, wird sich unausweichlich die optimale Distributionsstruktur im Laufe der Zeit ändern. Wenn die laufende Distributionsstruktur nicht länger die effizientesten Distributionsdienstleistungen hervorbringt, wird sie sich unter den Kräften des Wettbewerbs
zwangsläufig auf das neue Optimum hin modifizieren.
18.4. Dynamische Systemveränderungen und neuere Distributionssysteme
Distributionssysteme kennen keinen Stillstand. Sie verändern sich und entwickeln sich weiter. Es entstehen neue Großhandels-, Einzelhandels- und Distributionssystemformen. Im folgenden wollen wir
uns mit vertikalen, horizontalen und Multikanal-Marketingsystemen sowie mit Verhaltensrollen vom
Systemeilnehmern beschäftigen und auch mögliche Probleme der Kooperation, des Konflikts und des
Wettbewerbs betrachten.
18.4.1. Vertikale Marketingsysteme
Vertikale Marketingsysteme haben sich in jüngerer Zeit als wesentliche Alternative zu konventionellen
Distributionssystemen herausgebildet. Ein konventionelles Distributionssystem besteht aus einem
unabhängigen Hersteller sowie einem oder mehreren Groß- und Einzelhändlern Jeder Beteiligte im
Distributionssystem sieht sich als eigenständiges Wirtschaftssubjekt, da seinen Gewinn maximieren
will, auch wenn dies der Gewinnmaximierung des Gesamtsystems schadet. Keiner der Beteiligten hat
dabei die volle oder maßgebliche Kontrolle über die anderen. McCammon definiert konventionelle
Distributionssysteme als stark fragmentierte Netzwerke, in denen lose miteinander verknüpfte Hersteller, Großhändler und Einzelhändler nach dem Grundsatz des Eigeninteresses Handel treiben, aggressiv die für sie günstigsten Handelsbedingungen aushandeln und ansonsten autonom auftreten.
18.4.2. Horizontale Marketingsysteme
Ein weiterer Entwicklungstrend besteht darin, dass zwei oder mehrere eigenständige Unternehmen
bestimmte Ressourcen und Programme zusammenlegen, um eine sich ergebende Marktchance zu
nutzen. Jedes der beteiligten Unternehmen verfügt entweder nicht über genügend Kapitel, Know-how,
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Produkts- oder Marketingmittel, um die Marktchance im Alleingang zu nutzen, oder es scheut sich,
das Risiko allein zu tragen bzw. Erwartet sich aus dem Zusammenschluss beträtliche synergetische
Wirkungen. Die Beteiligten können dabei entweder nur vorübergehend oder auch auf Dauer kooperieren; sie können aber auch eigens ein Unternehmen dafür gründen. Adler bezeichnet diese Kooperationsform als symbiotisches Marketing. Insgesamt kann man feststellen, dass in den letzten Jahren das
symbiotische Marketing immer beliebter wurde, und ein Ende dieses Entwicklungstrends ist nicht absehbar.
18.4.3. Multikanal-Marketingsysteme
Anfänglich verkauften viele Unternehmen nur an einen Zielmarkt oder ein Marktsegment und nutzten
dabei nur einen Distributionskanal. Einige Unternehmen wandten sich der dualen Distribution zu, dh
sie nutzten zwei Distributionskanäle zur Erreichung eines oder zweier Kundensegmente. In Märkten,
die aufgrund ihrer Entwicklung in viele Zielmarktsegmente mit dazugehörigen Distributionskanälen
unterteilt werden, wollen Unternehmen durch die Einrichtung von Multikanal-Marketingsystemen möglichst viele Kundensegmente erreichen. Durch die Hinzunahme neuer Distributionswege kann ein
Unternehmen dreierlei Vorteile erreichen: Vergrößerte Marktabdeckung, Senkung der Distributionskosten und mehr Kundenanpassung im Verkauf. Unternehmen suchen oft zusätzliche Distributionswege,
um Kundensegmente zu erreichen, die durch bestehende Distributionswege nicht oder nur schlecht
erreicht werden.
18.4.4. Verhaltensrollen von Systemteilnehmern
Jedes Unternehmen einer Branche muss sein Rollenverhalten bestimmen, das es innerhalb des Distributionssystems einnehmen will. McCammon unterscheidet fünf mögliche Rollen: Insider, Aufstrebende, Ergänzer, Wanderer und Erneuerer. Als weiteren wichtigen Rollenspieler innerhalb des Distributionssystems finden wir den Distributionssystemführer. Er ist das dominierende Mitglied im Distributionssystem oder in einem seiner Absatzwege; er übernimmt dort die Führungsrolle. So ist z.B. General Motors das führende Unternehmen eines Distributionssystems, das aus einer Vielzahl von Zulieferern, Händlern und Partnern in der Kaufabwicklung besteht.
18.5. Kooperation, Konflikt und Konkurrenz im Distributionssystem
Auch wenn ein Distributionssystem noch so gut geplant und geführt wird, ergeben sich gelegentlich
doch Konflikte. Der einfachste Konfliktgrund ist, dass die Interessen der einzelnen Funktionsträger
nicht immer übereinstimmen. Wir beschäftigen und daher mit drei Fragen: Welche Konfliktarten entstehen im Distributionssystem? Was sind die wesentlichen Gründe für Konflikte? Welche Ansätze gibt
es zur Lösung von Konfliktsituationen?
18.5.1. Konfliktarten
Nehmen wir an, ein Hersteller plant ein Distributionssystem mit Großhändlern und Einzelhändlern. Er
hofft, dass das Distributionssystem durch vertikale Kooperation aller Beteiligten zu besseren Ergebnissen geführt werden kann, als wenn jedes Mitglied des Systems nur aus Selbstinteresse heraus
handeln würde. Durch Kooperation in vertikaler Richtung können sich die Mitglieder des Distributionssystems wirkungsvoller auf ihren Zielmarkt ausrichten und diesen zufrieden stellen. Gleichzeitig aber
ist es produktivitätsfördernd, wenn unter den Mitgliedern des Distributionssystems auf gleicher horizontaler Stufe ein gewisses Maß an horizontaler Konkurrenz besteht, dh jeder Grohändler strengt sich
an, die Einzelhändler im Vergleich zu anderen Großhändlern bestens zu bedienen, und jeder Einzelhändler strengt sich an, die Kunden im Zielmarkt im Vergleich zu anderen Einzelhändlern bestens zu
bedienen und an sich zu binden. In diesem Spannungsfeld von Kooperation und Konkurrenz können
Konflikte entstehen.
18.5.2. Konfliktgründe
Ein wesentlicher Grund für Konflikte sind inkompatible Ziele der einzelnen Funktionsträger im Distributionssystem. Diese Inkompatibilität ergibt sich, wenn z.B. ein Hersteller das Ziel hat, durch niedrige
Preise möglichst schnell zu wachsen, während die Händler eher durch höhere Handelsspannen gewinne machen wollen. Es ist schwierig, solch eine Konflikt zu lösen. Bisweilen ist ein Konflikt auf nicht
eindeutig geklärte Funktionen und Rechte zurückzuführen. IBM verkauft z.B. Personalcomputer an
Großabnehmer einerseits über seine eigene Vertriebsorganisation, während andererseits auch autorisierte IBM-Händler mit der gleichen Großkundschaft in das Geschäft kommen wollen.
18.5.3. Konfliktlösung
In gewissem Umfang können Konflikte im Distributionssystem konstruktiv wirken. Konflikte können
dazu führen, dass sich das System dynamischer an die Veränderungen im Umfeld anpasst. Ein
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Übermaß an Konflikten bringt jedoch Störungen mit sich. Das Problem besteht daher weniger darin,
Konflikte vollständig zu beseitigen, als vielmehr darin, sie managementmäßig besser zu bewältigen.
19. Management von Einzelhandel, Großhandel und Warenlogistik
Im vorhergehenden Kapitel untersuchten wir die Institutionen und Funktionsträger des Distributionssystems vom Standpunkt des Hersteller aus, der ein Distributionssystem aufbauen und lenken will. In
diesem Kapitel wollen wir die Partner des Herstellers im Distributionssystem – Einzelhändler, Großhändler und Logistik-Organisationen – als Unternehmen betrachten, die eigene Marketingstrategien
verfolgen, ums ich im Wettbewerb zu behaupten. Einige dieser Distributionspartner sind so groß und
marktmächtig, dass sie auf die Hersteller, die mit ihnen zusammenarbeiten, maßgeblichen Einfluss
ausüben können. Viele dieser Unternehmen führen eine strategische Marketingplanung unter Einsatz
von fortschrittlichen Informationssystemen und Marketing-Werkzeugen durch. Sie ziehen zur Leistungsbewertung neben der Umsatzrendite auch die Kapitalrendite heran.
19.1. Einzelhandel
19.1.1. Wesen und Bedeutung des Einzelhandels
Zum Funktionsfeld des Einzelhandels gehören alle Aktivitäten des Verkaufs von Waren und Dienstleistungen direkt an die Endverbraucher für deren persönliche, nicht-gewerbliche Verwendung. Jede
Organisation, die direkt an den Endverbraucher verkauft – ob Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler – nimmt eine Einzelhandelsfunktion wahr, ganz gleich, wie die Waren oder Dienstleistungen
vermarktet werden oder wo sie vermarktet werden. Zu den Einzelhandelsorganisationen gehören alle
Wirtschaftsunternehmend, die – wie Einzelhändler oder Einzelhandelsgeschäfte – ihre Wertschöpfung
zum überwiegenden Teil durch die Erfüllung der Einzelhandelsfunktion erzielen. In Deutschland ist der
Einzelhandel ein bedeutender Wirtschaftszweig. Die Einzelhandelsorganisationen nehmen im Wirtschaftsgefüge einen bedeutenden Platz ein.
19.1.2. Betriebsformen des Einzelhandels
Der Einzelhandel gehört zu den dynamischsten und wandlungsfähigsten Teilbereichen der Wirtschaft.
Immer wieder tauchen neue Formen und neue Konzepte des Einzelhandels auf, die den sich wandelnden Bedürfnissen des Marktes gerecht werde und die Selbst trendprägend die Handelslandschaft
verändern. Zur Typologie und Gliederung des Einzelhandels gibt es in der Fachliteratur viele Vorschläge sowie mögliche Einteilungskriterien, wie z.B. Größe des Betriebs, Branchenzugehörigkeit,
Preisniveau, Umfang des Kundendienstes, Standort und Rechtsform. Aufgrund der dynamischen Veränderungen im Einzelhandel ist kaum ein Kriterium für eine Typologie über längere Sicht sinnvoll und
trennscharf. Statistische Erhebungen des Einzelhandels sind in der Regel nach Branchenzuordnung
oder Größenklasse gegliedert und sagen daher nur wenig über die Betriebskonzepte aus, die den
unterschiedlichen Formen des Einzelhandels zugrunde liegen.
19.1.2.1. Einzelbetrachtung der Betriebsformen
19.1.2.1.1. Ladengebundener Einzelhandel
Den Verbrauchern, die bestimmte Waren im Laden einkaufen wollen, stehen heute viele unterschiedliche Betriebsformen zur Verfügung. Alle Formen des ladengebundenen Einzelhandels durchlaufen
längerfristig einen Entwicklungsprozess, zu dem es unterschiedliche Hypothesen gibt. Davidson et al.
stellen die Hypothese auf, dass jede Betriebsform einen Lebenszyklus durchläuft, der dem Lebenszyklus von Produkten ähnelt. Eine spezifische Betriebsform des Einzelhandels entfaltet sich, tritt in eine
Phase des beschleunigten Wachstums, erreicht die Reifephase und gelangt letztendlich in die Phase
des allmählichen Rückgangs. Die Entwicklung der letzten 200 Jahre zeigt, dass neue Betriebsformen
die Reifephase immer schneller erreichen.
19.1.2.1.2. Ladenloser Einzelhandel
Die Mehrzahl aller Waren und Dienstleistungen fließt über den ladengebundenen Einzelhandel. Auch
der landelose Einzelhandel hat eine lange Tradition, die sich in verschiedenen Betriebformen ausdrückt. Der ladenlose Einzelhandel ist in den letzten Jahren insbesondere in den USA schnell angewachsen und hat dort einen Anteil von mehr als 12 % aller Umsätze mit Konsumenten erreicht. Einige
Beobachter schätzen, dass bis zum Ende des Jahrhunderts etwa ein Drittel aller Umsätze über den
ladenlosen Einzelhandel laufen können. Zu den wichtigsten Typen des ladenlosen Einzelhandels gehören der Direktverkauf, der Automatenverkauf und der Vermittlungsverkauf.
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19.1.2.2. Verbundsysteme des organisierten Einzelhandels
In der Vergangenheit bestand die Mehrzahl der Einzelhandelsunternehmen aus unabhängigen, nicht
organisierten Einzelbetrieben. Dies hat sich bei vielen Warengruppen, insbesondere aber im Lebensmitteleinzelhandel, stark verändert. Verbundgruppen von Einzelhandelsbetrieben haben sich gebildet,
wobei der Verbund unterschiedlich stark sein und von freiwilliger Kooperation bis hin zu einer kapitalmäßigen Beherrschung reichen kann. Gemeinsam ist den Verbundsystemen, dass sie gegenüber
anderen Formen des Handels folgende Vorteile nutzen können: Größenvorteile, größere Einkaufsmacht, höheres Potential eines weithin bekannten Profils und bessere Personalschulung.
19.1.2.2.1. Filialketten
Filialunternehmen gehören zu den wichtigsten Einzelhandelsunternehmen dieses Jahrhunderts. Ein
Filialunternehmen besteht aus mehreren, räumlich voneinander getrennte Verkaufsstellen, die unter
gemeinsamem Eigentum und einheitlicher Leitung stehen, annähernd gleiche Warensortimente anbieten und den Einkauf, die Lagerhaltung sowie den Transport zentral betreiben. Filialketten gibt es in
fast allen Betriebsformen des Einzelhandels und Branchen. Stark vertreten sind sie bei Warenhäusern, Lebensmittelgeschäften und in der Bekleidungsbranche. Zu den weithin bekannten Filialisten
gehören Karstadt, Kaufhof, Aldi, Tengelmann, Realmarkt und Douglas.
19.1.2.2.2. Freiwillige Ketten und Einkaufsgemeinschaften
Dem Wettbewerb von Seiten der Filialketten begegneten die unabhängigen Einzelhandelsunternehmen durch die Bildung von zwei Kooperationsformen: die freiwillige Kette und die Einkaufsgenossenschaft. Die freiwillige Kette ist in der Regel ein auf die Initiative eines Großhandelsbetriebes gebildeter
Verbund oder ein von ihm geführter Verbund selbständiger Einzelhandelsbetriebe, die zusammen
Großeinkäufe tätigen, eine gemeinsame Merchandising-Politik betreiben und ein einheitliches
Marktauftreten anstreben. Die bekannteste Kette in Mitteleuropa ist die in den Niederlanden gegründete Spar-Gruppe, ein freiwilliger Zusammenschluss von selbständigen Unternehmen in Privatbesitz.
In der Bundesrepublik sind der Spar etwa 5.728 Einzelhandelsgeschäfte angeschlossen, die 1996
einen Umsatz von insgesamt etwa 14,4 Mrd. DM tätigten. Die zweite Kooperationsform ist die Einkaufsgenossenschaft.
19.1.2.2.3. Konsumgenossenschaften
Konsumgenossenschaften sind eine historische Erscheinung, die im wesentlichen von der Entwicklung überholt wurde. Ursprünglich wurden Konsumgenossenschaften auf Initiative von Verbrauchern
gegründet, die sich von etablierten Anbietern übervorteilt fühlten und dachten, Nahrungs- und Genussmittel sowie andere Waren des täglichen Bedarfs unter Regie einer Genossenschaft preisgünstiger erstehen zu können. So entstanden z.B. Ketten von Konsumgeschäften, die unter gewerkschaftlicher oder gewerkschaftsnaher Regie standen. Im Verlauf der Entwicklung zu immer größerer Effizienz
im Einzelhandel mussten auch die Konsumgenossenschaften mithalten. Viele Konsumgenossenschaften gingen unter oder wandelten sich in professionell geführte Einzelhandelsunternehmen um
und wurden nach Art der Filialisten geführt.
19.1.2.2.4. Franchise-Organisationen
Eine Franchise-Organisation ist eine durch Vertrag geregelte Zusammenarbeit zwischen einem Franchise-Geber und dessen Franchise-Nehmer, die das Recht erwerben, mit einer Kapitaleinlage und
unter eigenem Management einen oder mehrere Betriebe im Franchising-System zu betreiben. Franchise-Organisationen werden in der Regel um ein besonderes Produkt oder eine besondere Geschäftsmethode herum aufgebaut. Zur Franchise-Organisationen gehört ein vom Franchise-Geber
entwickelter Firmenname, ein Patent oder andere immaterielle Geschäftswert bei den Verbrauchern.
Das Franchise-Prinzip ist bei Fast-Food-Ketten, Autovermietern, Immobilienhändlern und auch in vielen anderen Produkt- und Dienstleistungsbereichen mit Erfolg eingeführt worden. Die Vergütung des
Franchise-Geber kann sich aus folgenden Elementen zusammensetzen: einer Einstandsgebühr, einer
Beteiligung am Bruttoumsatz, Miet- und Pachtgebühren für die vom Franchise-Geber zur Verfügung
gestellte Ausrüstung und Einrichtung, Gewinnbeteiligungen und Lizenzgebühren.
19.1.2.2.5. Gemischte Einzelhandelskonzerne
Gemischte Einzelhandelskonzerne vereinigen mehrere Betriebsformen des Einzelhandels auf sich.
Dies äußert sich durch Kapitalverflechtung und in der Regel auch durch Integration und Koordination
im Management von Beschaffung, Warenlogistik und Marktaufteilung. Fast alle Kauf- und Warenhäuser in Deutschland gehören einem solchen Konzern an, der neben den Kauf- und Warenhäusern auch
andere Betriebsformen des Einzelhandels umfasst. Zum Metro-Konzern gehören z.B. SBWarenhäuser, Möbelmärkte, Modemärkte und Lebensmittelmärkte. Für Mischkonzerne stellt sich die
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Frage, ob es möglich ist, mit einem Portfolio unterschiedlicher Betriebsformen des Einzelhandels Synergieeffekt zu erzielen, die die Leistungsfähigkeit fördern und den Verbrauchern zugute kommen.
19.1.2.2.6. Einkaufszentren
Auch bei den Einkaufszentren handelt es sich um Verbundsysteme des Einzelhandels. Der Verbund
liegt hier in der gemeinsamen örtlichen Agglomeration vieler Einkaufsstätten nach einem professionell
entwickelten Konzept, das auf die Bedürfnisse der umliegenden Region zugeschnitten wurde. Das
Konzept des Einkaufszentrums ist in verschiedenen Ausprägungen bereits seit den 20er Jahren bekannt, erlebte jedoch, insbesondere in Amerika, seinen Boom erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Gab
es 1949 dort erst ca. 75 Shopping-Center, so wird deren Anzahl heute auf etwa 30.000 geschätzt. In
Deutschland wurden die beiden ersten Einkaufszentren 1964 in Frankfurt und Bochum eröffnet.
19.1.3. Marketingentscheidungen des Einzelhandels
Einzelhändler suchen ständig nach neuen Marketingstrategien, um Kunden gewinnen und halten zu
können. Bei der Ausgestaltung des strategischen Konzeptes stellen sich dem Einzelhändler zahlreiche Entscheidungsprobleme. Im folgenden werden wir die vom Einzelhändler zu fällenden Marketingentscheidungen zu den Faktoren Zielmarkt, Produktleistung, Serviceleistung, Preisgestaltung, Absatzförderung und Standortauswahl näher erläutern.
19.1.3.1. Zielmarkt
Die wichtigste Entscheidung des Einzelhändlers ist die Bestimmung seines Zielmarktes. Soll sein Geschäft auf Kunden mit einfachen, mittleren oder gehobenen Ansprüchen zielen? Wollen seine Kunden
Warenvielfalt, große Sortimentstiefe oder Einkaufsatmosphäre? So lange der Zielmarkt nicht definiert
und sein Profil festgestellt ist, kann der Einzelhändler keine schlüssigen Entscheidungen über Warensortiment, Preisniveau, Geschäftsatmosphäre, Absatzförderung und Geschäftsstandorte fällen. Viele
Einzelhändler haben ihren Markt nicht klar genug definiert und wollen es zu vielen Marktteilnehmern
recht machen, so dass sie keinen davon richtig zufrieden stellen.
19.1.3.2. Produktleistung
Zur ihrer Positionierung müssen Einzelhändler Entscheidungen zu drei wesentlichen Elementen ihrer
Produktleistung treffen: Koordinierung von Warenangebot und Beschaffung, Service-Mix und Geschäftsatmosphäre. Das Warenangebot des Einzelhändlers muss den Einkaufserwartungen des Zielmarktes entsprechen. Es ist ein wesentliches Grundelement im Wettbewerb mit gleichartigen Einzelhandelsunternehmen. Der Einzelhändler muss die Breite und Tiefe seines Sortiments bestimmten. Ein
Restaurant kann z.B. ein schmales Sortiment mit geringer Tiefe, ein schmales Sortiment mit großer
Tiefe, ein breites Sortiment mit geringer Tiefe oder ein breites Sortimenten mit großer Tiefe anbieten.
19.1.3.3. Serviceleistung
Ein weiteres Entscheidungsproblem für den Einzelhändler ist die Bestimmung seines Service-Mix.
Früher lieferte der Nachbarschaftsladen die Ware noch in das Haus, ließ anschreiben und bot Lokalnachrichten an – Dienstleistungen, die es im Supermarkt unserer Tage nicht mehr gibt. Andere Serviceleistungen hingegen gibt es noch. Der Service-Mix ist ein wichtiges Instrument, um ein Geschäft
vom anderen zu differenzieren. Das dritte Element der Produktleistung ist die Geschäftsatmosphäre.
19.1.3.4. Preis
Auch die Preise spielen bei der Positionierung des Einzelhändlers eine wesentliche Rolle. Sie müssen
unter Berücksichtigung des Zielmarktes, der Produktleistung und der Konkurrenz festgelegt werden.
Alle Einzelhändler möchten gern bei hohen Margen einen hohen Warenumschlag tätigen; doch beides
gleichzeitig lässt sich häufig nicht verwirklichen. Die meisten Einzelhändler gehören entweder der
Kategorie mit hohen Margen und niedrigerem Warenumschlag oder der Kategorie mit niedrigen Margen und höherem Warenumschlag an. Innerhalb dieser beiden Kategorien gibt es weitere Abstufungen.
19.1.3.5. Verkaufsförderung
Einzelhändler nutzen vielfältige Instrumente der Verkaufsförderung, um die Anzahl der Kundenbesuche im Laden oder sofortige Kontaktaufnahmen der Kunden sowie den Warenumschlag zu steigern.
Verkaufsförderungsinstrumente sollten aber ausgenutzt werden, um das gewünschte Geschäftsimage
zu unterstützen und zu verstärken. Hochklassige Einzelhandelsunternehmen weben in hochklassigen
Zeitschriften und Zeitschriftenbeilagen mit Qualitätseindruck. Discounter hingegen werben möglichst
auffällig mit niedrigen Preisen und Sonderangeboten im Rundfunk und in den Printmedien. Hochklassische Geschäfte schulen ihr Verkaufspersonal sorgfältig darin, wie es die Kunden zu begrüßen, ihre
Wünsche herauszufinden und mit ihren Zweifeln und Beschwerden umzugehen hat, während die DisGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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counter zwar weniger gut geschultes Personal, dafür aber eine Vielfalt von anderen Verkaufsförderungsinstrumenten und insbesondere Preisangebote einsetzen, um Kunden in das Geschäft zu lokken.
19.1.3.6. Standort
Vom Einzelhandel hört man oft, dass die drei wesentlichsten Faktoren für eine erfolgreiche Einzelhandelstätigkeit erstens die Lage, zweitens die Lage und drittens die Lage sind. Bei Bankdienstleistungen
z.B. entscheidet sich der Bankkunde in den meisten Fällen für die Bank mit der für ihn günstigsten
Lage. Warenhausketten, Mineralölgesellschaften und Franchise-Organisationen im Fast-FoodGeschäft gehen bei der Standortwahl besonders sorgfältig vor. Dabei werden zunächst innerhalb des
ganzen Landes die Regionen ausgewählt, in denen man Verkaufsstellen eröffnen will; dann werden
einzelne Städte und schließlich die genauen Standorte innerhalb der Städte bestimmt. So könnte z.B.
die Schweizer Migros entscheiden, dass es für Einkaufszentren nach dem Muster des Säntis-Parks in
St. Gallen in der Schweiz insgesamt vier Regionen gibt, nämlich das Tessin, die Westschweiz, die
Zentralschweiz und den Nordwesen, und könnte innerhalb der Region Westschweiz z.B. den östlichen
Stadtrand von Genf als den geeignetsten Standort bestimmen.
19.1.4. Trends im Einzelhandel
In diesem Abschnitt werden die wesentlichsten Trends zusammengefasst, die der Einzelhändler bei
der Planung seiner Wettbewerbsstrategie berücksichtigen muss: neue Einzelhandelsformen, Verkürzung des Einzelhandelslebenszyklus, Wachstum des ladenlosen Einzelhandels, zunehmender betriebstypenübergreifender Wettbewerb, Polarisierung im Einzelhandel, Machtkonzentration im Handel,
Neudefinierung des Begriffs „alles unter einem Dach“, Trend zu vertikalen Marketingsystemen, Portfoliokonzepte auch bei Einzelhandelsorganisationen, technologischer Wandel, globale Expansion großer Einzelhändler.
19.2. Großhandel
19.2.1. Wesen und Bedeutung des Großhandels
Zum Funktionsfeld des Großhandels gehören alle Aktivitäten des Verkaufs von Waren oder Dienstleistungen an Wiederverkäufer oder gewerbliche Verwender. Schon ein Einzelhandels-Bäckereibetrieb,
der ein Hotel vor Ort mit seinen Backwaren beliefert, erfüllt somit eine Großhandelsfunktion. Im folgenden wollen wir den Begriff Großhändler jedoch zur Beschreibung von Unternehmen verwenden,
die vornehmlich Großhandelsfunktion erfüllen. Im Jahr 1996 gab es in Deutschland rund 87.000
Großhandelsunternehmen mit mehr als 1 Mio. DM Umsatz pro Jahr. Sie beschäftigen 1,13 Millionen
Mitarbeiter und tätigten einen Umsatz von 20,1 Mrd. DM.
19.2.2. Betriebsformen des Großhandels
Es gilt nun, die verschiedenen Formen des Großhandels zu unterscheiden. Wir nehmen eine grobe
Unterteilung der Betriebsformen des Großhandels vor, je nachdem, ob der Grohändler als eigenständiger Kaufmann, als Großhandelsvermittler, als Handelsangliederung an ein Unternehmen oder als
sonstige Einrichtung institutionalisiert ist. Die vorherrschenden Betriebsformen innerhalb dieser vier
Gruppierungen werden im folgenden näher beschrieben.
19.2.2.1. Großhändler als eigenständige Kaufleute
Den größten Anteil am Großhandelsumsatz haben Großhändler, die sich als eigenständige Kaufleute
institutionalisiert haben. Sie übernehmen das Eigentum an der von ihnen gehandelten Ware und bewältigen im Ablauf des Handelsgeschäfts mindestens zwei getrennte Transaktionen, nämlich die
Transaktion zwischen Hersteller und Großhändler sowie die Transaktion zwischen dem Großhändler
und seinen Kunden. Der eigenständige Kaufmann übernimmt in der Regel viele der Großhandelsfunktionen, z.B. Lagerung, Transport, Finanzierung, Sortimentszusammenstellung für den Einzelhandel,
Mengenauflösung und Informationsbereitstellung. Unter den Großhändlern, die als eigenständige
Kaufleute arbeiten, erbringen der klassische Konsumgütergroßhandel und der Produktionsverbindungshandel das volle Spektrum von Handelsdienstleistungen, sofern ihre Kunden dies wünschen.
Andere Großhändler nehmen bewusst einen Teil der Handelsdienstleistungsfunktionen aus ihrem
Produktkonzept heraus.
19.2.2.1.1. Klassischer Konsumgütergroßhändler
Der klassische Konsumgütergroßhändler verkauft vorwiegend an den Einzelhandel und biete ein umfassendes Serviceangebot. Je nach Sortimentsbreite unterscheidet man hier zwischen Sortimentsgroßhändlern und Spezialgroßhändlern. Der Sortimentsgroßhändler führt ein breites Spektrum von
Produktlinien und bedient damit sowohl den Gemischtwareneinzelhandel als auch – mit einem TeilsorGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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timent – den Fachhandel. Spezialgroßhändler führen gewöhnliche Teile einer Produktlinie mit großer
Sortimentstiefe, wie z.B. Reformkost, Meeresfrüchte und Autozubehör. Sie bieten ihren Kunden den
Vorteil größerer Sortimentstiefe und spezielle Produkt- und Beschaffungskenntnisse.
19.2.2.1.2. Produktionsverbindungshändler
Produktionsverbindungshändler haben nicht den Einzelhandel, sondern Produktionsbetriebe und gewerbliche Abnehmer als Kunden und verkaufen somit Produkte, die nicht zum Wiederverkauf, sondern
zur Weiterverwendung in der Produktion oder zur Erstellung von Betriebsleistungen bestimmt sind.
Auch sie bieten ein volles Spektrum von Serviceleistungen, wie Lagerhaltung von Artikeln, die von
ihren Kunden kurzfristig gebraucht werden, Kreditgewährung, Warenzustellung und z.T. auch Anwendungsberatung. Je nach Größe des Sortiments und des Vertriebsgebietes gibt es unterschiedliche
Bezeichnungen für die Produktionsverbindungsgroßhändler. Bezüglich des Vertriebsgebiets trifft man
insbesondere im Amerikanischen die Unterscheidung zwischen dem nationalen Grohändler, dem regionalen Großhändler und dem Distributeur. Der nationale Großhändler kann das Sortiment eines
oder mehrerer Hersteller auf nationaler Basis allen Kunden anbieten.
19.2.2.1.3. Abholgroßhändler
Der Cash-and-carry-Großhandel schließt bewusst die Zustellung und die Finanzierung aus seinem
Leistungspaket aus und wendet sich somit an Kunden, die an diesen beiden Funktionen nicht interessiert sind und statt dessen lieber einen Preisnachlass wollen. Weiterhin beschränkt sich der Cashand-carry-Großhändler oft auf einen begrenzten Warenkreis, der rasch umgeschlagen wird. Seine
Kunden sind meist kleine Einzelhandelsbetriebe, die in bar bezahlen und die Waren selbst abholen
wollen. So fährt z.B. ein Fischeinzelhändler oder ein Restaurantinhaber bei Tagesanbruch zu einer
Cash-and-carry-Fischgroßhandlung, kauft dort seinen erwarteten Bedarf an Fisch ein, zahlt sofort und
fährt mit der Ware zu seinem Geschäft zurück, wo er sie selbst ablädt.
19.2.2.1.4. ALV-Großhändler
Der Kernpunkt beim ALV-Großhandel ist die Einsparung des Handelslagers. Der physische Warenstrom fährt am Handelslager vorbei, nämlich direkt vom Hersteller zum Kunden des Händlers. In den
dazu geeigneten Teilbereichen des Großhandels lassen sich zum Nutzen aller Beteiligten Kosten
sparen. Fast alle Großhändlerergreifen, wo immer möglich, die Gelegenheit zum ALV-Geschäft, um
zusätzlich zu ihrem Normalgeschäft weitere Gewinne erzielen zu können. Es haben sich jedoch auch
Spezialisten entwickelt, die – wenn auch auf unterschiedliche Weise – nur das ALV-Geschäft betreiben.
19.2.2.1.5. Regalgroßhändler
Der Regalgroßhandel ist ebenfalls ein vornehmlich in Nordamerika praktiziertes Großhandelskonzept.
Der Rack-Jobber beliefert Lebensmitteleinzelhändler und Drogerien hauptsächlich im Non-FoodBereich. In Warengruppen, bei denen die Einzelhandelsgeschäfte nicht für hunderte von Artikeln Einzelbestellungen erteilen, Displaymaterial aufstellen und die Warenlogistik abwickeln wollen, übernimmt der Rack-Jobber diese Aufgaben. Er liefert die Ware per LKW an die verschiedenen Geschäfte
aus; er überprüft den Zustand der Warenbestände im Regal und entfernt gegebenenfalls alte Ware; er
stellt Displaymaterial und Werbemittel auf, wie z.B. Plakate, Regalstopper und Hinweisschilder; er
erstellt Aufzeichnungen über die Lagerstandsbewegungen im Regal. Der Rack-Jobber verkauft auf
Konsignationsbasis, dh, er behält das Eigentum an der Ware im Regal und stellt den Einzelhändlern
lediglich die verkaufte Ware in Rechnung.
19.2.2.1.6. Versandgroßhändler
Versandgroßhändler verschicken Kataloge, in denen sie Einzelhändlern, industriellen und institutionellen Abnehmern sowie Mitgliedern von Berufsgenossenschaften Artikel anbieten, die diese bei ihrer
täglichen Arbeit oder zum Weiterverkauf benötigen. Sie verfügen über keinen eigenen Außendienst für
Kundenbesuche. Die Bestellungen werden schriftlich, per Telefon oder Fax entgegengenommen und
sofort bearbeitet. Die bestellte Ware wird entweder per Post oder einen anderen kostengünstigen
Beförderungsdienst zugestellt. Insbesondere in Produktbereichen, wo der traditionelle Großhandel mit
hohen Kosten und hohen Handelsmargen arbeitet, wie z.B. bei einfachen Bedarfsgegenständen für
die Arzt- oder Zahnarztpraxis, bietet sich innovativen Versandgroßhändlern zunehmend Chancen, die
Kunden kostengünstig und schnell mit Artikeln zu versorgen, die routinemäßig verwendet und immer
wieder nachbestellt werden.
19.2.2.2. Großhandelsvermittler
Es gibt selbständige Berufsgruppen, nämlich Makler, Handelsvertreter sowie Kommissionäre, die insbesondere im Produktionsverbindungshandel tätig sind und dabei aber nur wenige GroßhandelsfunkGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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tionen wahrnehmen. In der Hauptsache sind sie Partner in der Kaufanbahnung und Kaufabwicklung
und erhalten für ihre Dienste eine Provision, auf den Verkaufspreis.
19.2.2.2.1. Makler
Makler sind rechtlich selbständige Gewerbetreibende, deren Hauptfunktion darin besteht, die Interessen von Käufer und Verkäufer zusammenzuführen und bei Verhandlungen vermittelnd mitzuwirken.
Der Makler bezieht seine Provision von der Partei, die ihm den Maklerauftrag erteilt bzw. auch von
beiden Parteien. Makler übernehmen keine Lager- und Transportfunktionen, keine Finanzierungsleistungen und kein Risiko.
19.2.2.2.2. Handelsvertreter
Der Handelsvertreter ist ein selbständiger Gewerbetreibender, der ständig damit betraut ist, für einen
anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Die Erscheinungsformen des Handelsvertreters können sehr vielfältig sein. Der Handelsvertreter kann als Einfirmenvertreter einen einzigen Hersteller oder als Mehrfirmenvertreter mehrere Hersteller komplementärer Produktlinien vertreten. Er schließt dazu mit jedem der Hersteller einen förmlichen Vertrag, der
Preisgestaltung, Verkaufsgebiete, Auftragsabwicklung, Zustellungs- und Garantieleistungen sowie
Provisionssätze regelt. Er ist mit der Produktlinie jedes Herstellers vertraut und nutzt seine umfangreichen Kontakte für den Absatz der von ihm vertretenen Erzeugnisse.
19.2.2.2.3. Kommissionäre
Der Kommissionär unterscheidet sich vom Handelsvertreter dadurch, dass er als selbständiger Gewerbetreibender im eigenen Namen für Rechnung seines Auftraggebers handelt. Er ist für einen Käufer oder Verkäufer tätig, ohne das Eigentum am Kaufobjekt zu übernehmen. Als Vergütung erhält er
eine umsatzabhängige Kommission. Kommissionäre gibt es z.B. in den USA im Landwirtschaftsbereich. Dort arbeiten sie für Landwirte, die ihre Agrarerzeugnisse nicht selbst verkaufen wollen und
keiner Absatzgenossenschaft angeschlossen sind.
19.2.2.3. Großhandelsorganisation als Unternehmensangliederung
Einige Großhandelsorganisationen sind durch Kapitalverflechtung oder andere Bindungen an Herstellerunternehmen oder Einzelhändler angegliedert. Die zwei wichtigsten Erscheinungsformen sind hier
herstellereigene Verkaufsniederlassungen und handelseigene Einkaufsbüros. Je nachdem, welches
Maß an Selbständigkeit ihnen belassen wird, arbeiten sie eher wie selbständige Großhändler oder
eher wie ein integraler Teil einer unternehmenseigenen Vertriebs- oder Beschaffungsorganisation.
19.2.2.4. Sonstige Großhandelseinrichtungen
In bestimmten Wirtschaftszweigen gibt es einige Spezialformen des Grohandels, wie z.B. bei Agrarprodukten wo sogenannte Aufkaufgroßhändler mehr Arbeit in die Beschaffung und Zusammenstellung
von Produktmengen als in den Verkauf der Produktmengen an Lebensmittelkonzerne oder in den
Export stecken. Insbesondere im Getreidehandel sind hier die Handelshäuser Cargill und Bunge, Born
und Dreyfuss zu international wichtigen Institutionen herangewachsen. Auch im amerikanischen Ölgeschäft spielen Aufkaufgroßhändler eine beachtliche Rolle; sie lagern das von kleineren Produzenten
geförderte Öl in ihren Tanks und Verladestationen, um es dann in großen Partien weiterzuverkaufen.
Für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fische, Metalle und andere Grundstoffe gibt es außerdem Auktionshäuser, die ebenfalls einen Teil der Großhandelsfunktionen übernehmen. Ferner sind aus historischer Sicht eine Reihe von genossenschaftlichen Zusammenschlüssen erwähnenswert, nämlich die
sogenannten Warengenossenschaften, die im vorigen Jahrhundert in einer Reihe von Wirtschaftszweigen wie Landwirtschaft, Handwerk und Einzelhandel als Bezugs- und Absatzgenossenschaften
gegründet wurden.
19.2.3. Marketingentscheidungen des Großhandels
Großhändler können sich am besten im Wettbewerb behaupten, wenn sie die richtigen Entscheidungen über ihre Zielmärkte, Sortiment und Servicefunktionen, Preise, Absatzförderung und Standorte
fällen. Diese Entscheidungsbereiche werden im folgenden dargelegt.
19.2.3.1. Zielmarkt
Grohändler müssen ihre Zielmärkte genau definieren und sollten nicht versuchen, alle Märkte zu bedienen. Sie können eine Zielgruppe nach Größe, Kundentyp, Serviceerfordernissen, usw. auswählen.
Zielgruppenintern können sie die besten Kunden auswählen, für diese besondere Angebote entwikkeln und mit ihnen intensive Geschäftsbeziehungen aufbauen. Sie können die Einführung automatischer Bestellsysteme vorschlagen, Schulungs- und Beratungssysteme für die Kunden einrichten oder
sogar die Gründung einer freiwilligen Kette mittragen. Sie können schlechtere Kunden fernhalten,
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indem sie hohe Mindestauftragsgrößen festlegen oder für Kleinaufträge bestimmte Aufschläge nehmen.
19.2.3.2. Sortiment und Servicefunktionen
Die Produkte des Großhändlers sind sein Warensortiment und seine Servicefunktionen. Der Druck auf
die Großhändler, ein möglichst vollständiges Sortiment und große Lagerbestände für die sofortige
Belieferung der Kunden zu unterhalten, ist groß. Darunter kann die Rentabilität leiden. Heute führen
die Großhändler genaue Analysen zur Bestimmung ihrer Produktlinienanzahl durch und konzentrieren
ihr Sortiment auf die rentablen Waren und Serviceleistungen. Sie gruppieren ihr Sortiment nach der
ABC-Analyse, wobei A die rentabelsten Produkte und C die am wenigsten rentablen Produkte symbolisiert.
19.2.3.3. Preis
Großhändler machen sich die Preisentscheidung einfach, wenn sie zu den Bezugskosten der Ware
eine bestimmte Handelsmarge addieren, mit der sie ihre Betriebskosten abdecken und eine positive
Umsatzrendite erzielen können. Der zunehmende Wettbewerb sorgt jedoch dafür, dass in den meisten Branchen vom Grohandel eine Nettorendite von 1 bis 2 % als zufriedenstellend angesehen wird.
Aus Wettbewerbsgründen mussten auch die Grohändler bei ihrer Preispolitik von der einfachen Zuschlagskalkulation Abstand nehmen. Es ist besser, wenn sie den Wertbetrag ihrer Funktionen für die
Kunden abschätzen können, und die Kosten mit modernen Methoden wie Activity Based Costing erfassen und managen. Sie gestalten ihre Preise bei einigen Produktlinien äußerst flexibel, um wichtige
Neukunden gewinnen zu können.
19.2.3.4. Absatzförderung
Im Gegensatz zum Marketing der Hersteller und der Einzelhändler berücksichtigt das Marketing der
Großhändler in der Regel die Instrumente der Absatzförderung bisher nur wenig. Wenn Absatzförderungsmaßnahmen entwickelt und Absatzförderungsziele verwirklicht werden sollen, verlassen sich die
Grossisten hauptsächlich auf ihr Verkaufspersonal. Selbst beim Einsatz des Verkaufspersonals und
beim Aufbau von Kundenbeziehungen gehen die meisten Großhändler davon aus, dass es ausreicht,
wenn ein designierter Verkäufer einen designierten Kunden betreut, anstatt die Beziehungen zu den
wichtigsten Kunden mit einem absatzfördernden Verkaufsteam aufzubauen. Großhändler können aus
dem Einsatz von nicht personenbezogenen Instrumenten der Absatzförderung wie z.B. handelsgerichtete Werbung, Verkaufsförderungsangebote und Public Relations, größeren Nutzen ziehen, wenn sie
ausgewählte Techniken des Einzelhandels anwenden. Vielen mangelt es noch an einer Gesamtplanung für ihre Absatzförderungsstrategie, bei der Handleswerbung, Verkaufsförderungsmaßnahmen
und PR gezielt eingesetzt werden.
19.2.3.5. Standort
Großhändler bevorzugen Standorte, in denen die Gewerberaummieten und die Gewerbesteuern niedrig sind. Sie investieren möglichst wenig in Gebäude, Geschäftsausstattung und Büroräume. Sie stehen unter dem Druck, zur Kostensenkung ihre betrieblichen Lager-, Transport- und Bestellsysteme
verbessern zu müssen. Der Großhändler muss den Standort so wählen, dass er genügend Platz hat,
um die innerbetrieblichen Lager- und Transportbewegungen unter Einsatz der neueren Techniken der
Lagerautomatisierung wirtschaftlich durchführen zu können. Zudem muss er um Erweiterungsmöglichkeiten bemüht sein.
19.2.4. Trends im Großhandel
Hersteller haben immer die Möglichkeit, den Großhandel entweder ganz oder teilweise zu umgehen
oder einen weniger leistungsfähigen Großhändler durch einen dynamischeren zu ersetzen. Sie tendieren zu einem dieser Schritte, wenn ihr Großhändler, bezogen auf seine Produktleistung, zu teuer wird,
und wenn sie eine wirtschaftlichere Möglichkeit sehen, die vom Großhändler erbrachte Leistung zu
verwirklichen. Die vom Großhändler zu erbringende Leistung ändert sich mit seinem Umfeld, dh sie
wird durch die dynamischen Entwicklungen im Einzelhandel und in der Industrie geprägt. Wenn z.B.
im Lebensmittelhandel der Nachbarschaftsladen und die Fachgeschäfte gegenüber den Filialisten,
Supermärkten und Fachmärkten Umsätze einbüßen, so leiden darunter auch die Betriebe des Lebensmittelgroßhandels, die die Nachbarschaftsläden und Fachgeschäfte bedienen. Wenn die Einzelhändler größer werden - und dies trifft insbesondere auf die Verbrauchermärkte zu -, dann sind sowohl der Einzelhändler als auch der Hersteller versucht, den Grohändler zu umgehen und direkt miteinander zu verhandeln.
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19.3. Warenlogistik
Hersteller und Anbieter stützen sich oft auf die Dienste von Spezialunternehmen der Warenlogistik,
um ihre Waren an günstigen Stellen zu bevorraten und von dort aus zu versenden, so dass sie den
Kunden sowohl rechtzeitig als auch am gewünschten Ort erreichen. Wenn der Anbieter ein leistungsfähiges Warenverteilungssystem mit guten Entscheidungsregeln einrichtet, so hilft ihm das, Kunden
zu gewinnen und zufriedenzustellen. Wir befassen uns deshalb mit dem Wesen, der Zielsetzung und
den Entscheidungen zu den Teilkomponenten der Warenlogistik.
19.3.1. Wesen der Warenlogistik
Zur Warenlogistik gehören die Prognose, Planung, Durchführung und Kontrolle der physischen Bewegung von Materialien und Endprodukten vom Ursprungsort zum Verwendungsort, um den Bedarf der
Kunden gewinnbringend befriedigen zu können. Das Ziel der Warenlogistik ist es, das Funktionieren
der Versorgungskette sicherzustellen. Das heißt, wertmehrende Beiträge zum Warenfluss von Zuliefererbetrieben zu Endfertigungsbetrieben und von dort über Handelsbetriebe zu den Endverbrauchern
müssen zweckmäßig gestaltet und koordiniert werden. Dies bedeutet, dass einzelne Logistikaktivitäten der Mitglieder der Versorgungskette koordiniert werden müssen. Versorgungsketten werden mit
Hilfe von Informationen betrieben.
19.3.2. Zielsetzung der Warenlogistik
Viele Unternehmen formulieren die Zielsetzung für ihre Warenlogistik wie folgt: Die Warenlogistik hat
dafür zu sorgen, dass das richtige Produkt zur gewünschten zeit bei geringstmöglichen Kosten zum
gewünschten Ort gelangt. Leider setzt diese Formulierung keine Führungs- und Bewertungsmaßstäbe. Kein Warenlogistik-System kann gleichzeitig die Dienstleistung am Kunden maximieren und die
Distributionskosten minimieren. Maximale Dienstleistung am Kunden erfordert in der Regel große
Lagerbestände, schnelle und teure Transportmittel und ein weitläufiges Netz von Lagerstandorten.
Dies führt zu erhöhten Kosten.
19.3.3. Komponenten der Warenlogistik
Als nächstes wollen wir uns mit Entscheidungen zu den folgenden Fragen und Entscheidungen zu
Komponenten der Warenlogistik befassen: Wie sollen die eingehenden Bestellungen bearbeitet werden? Wo soll das Lager eingerichtet werden? Wie groß sollen die Warenvorräte sein? Wie soll die
Ware ausgeliefert werden?
19.3.3.1. Auftragsabwicklung
Logistikvorgänge werden durch Bestellungen der Kunden ausgelöst. Für Unternehmen ist es in der
Regel wichtig, den Bestellabwicklungszyklus zu verkürzen. Das heißt, die Zeit, die zwischen der Bestellung, deren Erfüllung und der Bezahlung abläuft, muss gekürzt werden. In diesem Zyklus gibt es
viele Schritte. Dazu gehören die Übertragung der Bestellung durch den Verkäufer, die Bearbeitung der
Bestellung, die Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden, die Vorrats- und Produktionsplanung,
der Versand der Waren sowie Rechnungsversand und Zahlungsempfang.
19.3.3.2. Lagereinrichtung
Fast jedes Unternehmen muss Waren lagern, die zum Verkauf bereitstehen. Die Einrichtung von Lagern ist erforderlich, da Produktions- und Verbrauchsmengen in der Regel nicht synchron verzahnt
sind. Insbesondere die Produktion landwirtschaftlicher Produkte ist saisonal gebunden, während Verbrauch und Nachfrage ständig vorhanden sind. Durch die Einrichtung von Lagern wird ermöglicht, die
Mengendiskrepanz und die zeitliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage zu überbrücken.
Das Unternehmen muss entscheiden, wie viele Lagerstandorte es einrichten will.
19.3.3.3. Lagerbestandshaltung
Eine weitere Logistikentscheidung mit Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit betrifft die Lagerbestände. Der Vertrieb würde es gern sehen, wenn das Unternehmen so umfangreiche Warenvorräte
unterhalten würde, dass es immer sofort lieferbereit wäre. Die dazu benötigten Lagerbestände wären
in der Regel jedoch zu teuer. Wenn die Lieferbereitschaft erhöht werden soll, so wachsen in der Regel
die Lagerhaltungskosten mit jedem Prozentpunkt, um den das Unternehmen der 100 %-Marke näher
kommt, überproportional an. Um das günstigste Niveau der Lieferbereitschaft festzulegen, muss das
Management abschätzen, inwieweit sich Umsatz und Gewinn steigern lassen, wenn man den Kunden
schnellere Lieferzeiten verspricht und damit größere Lagerbestände unterhält.
19.3.3.4. Transport
Die Marketingverantwortlichen müssen sich mit den Transportentscheidungen ihres Unternehmens
befassen. Die Wahl der Transportmittel beeinflusst den Preis, die Lieferpünktlichkeit und den Zustand
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der Ware bei ihrer Ankunft und somit auch die Kundenzufriedenheit. Für die Belieferung seiner Lagerstandorte, Händler und Kunden hat das Unternehmen die Transportträger Straße, Schiene, Wasser,
Luftwege und Leitungsnetze zur Auswahl. Zur Entscheidungsfindung muss der Versender Kriterien
wie Geschwindigkeit, Belieferungshäufigkeit, Zuverlässigkeit, Eignung, Verfügbarkeit und Kosten berücksichtigen. Legt er Wert auf Geschwindigkeit, sind der Luft- und der Straßentransport die geeignetsten Transportmittel.
20. Planung des Kommunikations- und Absatzförderungsmix
Zum Marketing gehört mehr als die Entwicklung eines guten Produkts, seine Einführung auf dem
Markt und die Festlegung eines attraktiven Preises. Wenn ein Unternehmen im Wettbewerb bestehen
will, muss es darüber hinaus absatzfördernde Kommunikation an seine gegenwärtigen und potentiellen Kunden richten. Das Unternehmen ist in eine komplexes Marketingkommunikationssystem eingebunden. Es kommuniziert mit seinen Handelspartnern, Endkunden und diversen Gruppen der Öffentlichkeit. Auch die Handelspartner selbst kommunizieren mit den Endkunden des Unternehmens und
den diversen Gruppen der Öffentlichkeit.
20.1. Instrumente der absatzfördernden Kommunikation
Zum Kommunikations- und Absatzförderungsmix gehören fünf wesentliche Instrumente, für die es
viele Ausführungsformen gibt: Werbung, Direktmarketinginstrumente, Verkaufsförderung, Public Relations oder Öffentlichkeitsarbeit, Persönlicher Verkauf. Für jedes dieser Instrumente gibt es zahlreiche
Ausführungsformen. Manche dieser Ausführungsformen wirken mehrfach, z.B. werbend und verkaufsfördernd. Ihre Kategorisierung in Werbung, Direktmarketing, Verkaufsförderung, Public Relations und
persönlichen Verkauf hängt dann im Einzelfall vom hauptsächlich verfolgten Zweck ab. Gleichzeitig
aber wird Kommunikation nicht nur durch diese speziellen Kommunikations- bzw. Absatzförderungsinstrumente bewirkt.
20.2. Kommunikationsprozess
Bisher liefen Kommunikationspläne darauf hinaus, im Zielmarkt ein Defizit an Markenbekanntheit,
Image oder Produktpräferenz zu überkommen. Diese Planungssicht bringt mehrere Nachteile; sie ist
auf kurze Sicht angelegt, ist in der Regel sehr teuer und arbeitet oft mit Botschaften, die auf taube
Ohren fallen. Aus neuerer Sicht wird Kommunikation angesehen als eine längerfristige gestaltende
Einflussnahme auf den Prozess des Kaufs und Konsums, den die Kunden von der ersten Kenntnisnahme eines Produktes bis zum Verhalten nach dessen Konsum durchlaufen. Weiterhin wird erkannt,
dass bei unterschiedlichen Kunden Kommunikationsprogramme für Kundensegmente, Nischen und
sogar Einzelpersonen aufgestellt werden müssen. Aufgrund der neueren elektronischen Kommunikationsmittel und -wege müssen Unternehmen sich nicht nur fragen „Wie erreichen wir unsere Kunden?“, sie müssen auch fragen „Wie machen wir es den Kunden leicht, uns zu erreichen?“.
20.3. Planungsschritte für ein wirksames Kommunikations- und Absatzförderungsprogramm
Im folgenden werden wir die wesentlichen Schritte zur Entwicklung eines umfassenden Kommunikations- und Absatzförderungsprogramms untersuchen. Der Marketing-Kommunikator muss das Zielpublikum und seinen bezug zum Kommunikationsobjekt ermitteln, die Wirkungsziele der Kommunikation
bestimmen, die Botschaft gestalten, die Kommunikationswege auswählen, das Gesamtbudget für die
absatzfördernde Kommunikation festlegen, über die Budgeteinteilung für den Absatzförderungsmix
entscheiden, die Ergebnisse messen und die absatzfördernde Kommunikation durchführen und koordinieren.
20.3.1. Ermittlung des Zielpublikums und seines Bezuges zum Kommunikationsobjekt
Ein Kommunikator muss als erstes eine klare Vorstellung von seinem Zielpublikum haben. Dabei
könnte es sich um potentielle Käufer, um gegenwärtige Verwender oder um Personen, die die Kaufentscheidung treffen oder beeinflussen, handeln. Das Zielpublikum kann aus Einzelpersonen, Gruppen, bestimmten Teilöffentlichkeiten oder der breiten Öffentlichkeit bestehen. Des weiteren muss der
Kommunikator wissen, welchen Bezug das Zielpublikum bereits zum Kommunikationsobjekt hat, da er
diesen Bezug durch Kommunikation beeinflussen will. Ein Abbild des mentalen Bezuges des Zielpublikums zum Kommunikationsobjekt erhält man durch die Imageanalyse.
20.3.2. Bestimmung der Wirkungsziele
Nach der Ermittlung des Zielpublikums und seines Bezuges zum Kommunikationsobjekt muss der
Marketing-Kommunikator entscheiden, welche Wirkung er beim Zielpublikum auslösen will. Das EndGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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ziel wird in der Regel der Kauf, hohe Zufriedenstellung des Kunden sowie seine Weiterempfehlung
sein. Doch dies steht erst am Ende eines langen Entscheidungsprozesses beim Kunden. Der Marketing-Kommunikator muss wissen, wie er das Zielpublikum von einer Phase der Kaufbereitschaft in die
nächst geleiten kann. Er kann beim Zielpublikum Wirkungen auf der rationalen Erkenntnisebene, der
Gefühlsebene oder der Verhaltensebene anstreben.
20.3.2.1. Bekanntheit
Wenn dem Großteil des Zielpublikums das Objekt nicht bekannt ist, muss der Kommunikator den Bekanntheitsgrad des Objekts oder zumindest des Objektnamens erhöhen. Dies lässt sich durch einfach
gestaltete Botschaften erreichen, in denen der Name des Objekts herausgestellt wird. Selbst bei einer
solchen einfachen und verständlichen Botschaft nimmt die Erhöhung des Bekanntheitsgrads viel Zeit
in Anspruch.
20.3.2.2. Wissen
Der Kommunikator muss nun die Werbebotschaft mit Wissensinhalten füllen. Dazu gehören z.B. die
Herkunft, die Leistung, die Beschaffenheit, die Verwendung und die Verfügbarkeit des Produkts. Hier
ergeben sich Entscheidungszwänge für den Kommunikator. Es wäre nicht wirtschaftlich, zuviel Wissensgehalt in die Botschaft hineinzupacken, denn die Personen in der Zielgruppe sind nur begrenzt
fähig und gewillt, Sachinformationen aufzunehmen. Der Kommunikator muss deshalb entscheiden,
welche Sachinformationen er übermitteln will.
20.3.2.3. Empfinden
Selbst wenn das Zielpublikum das Produkt kennt, ist noch offen, welches Empfinden und Wohlwollen
damit verbunden wird. Es ist vorteilhaft, wenn die Menschen positive Empfindungen zum Produkt entwickeln und es als angenehm, sympathisch oder förderungswürdig ansehen. Selbst bei gründlichem
Produktwissen können im Zielpublikum negative Empfindungen zum Produkt vorherrschen. Dann
muss der Kommunikator die Gründe der gefühlsmäßigen Ablehnung ermitteln und die Kommunikation
von der gefühlsmäßigen Seite her besser gestalten. Beruhen die negativen Empfindungen aber auf
tatsächlich vorhandenen Unzulänglichkeiten des Produkts, wird ein Kommunikationsprogramm allein
diese Empfindungen nicht ändern können.
20.3.2.4. Präferenz
Vielleicht steht das Zielpublikum dem Produkt zwar positiv gegenüber, gibt ihm jedoch noch nicht den
Vorzug vor anderen. In diesem Fall muss der Kommunikator beim Verbraucher eine Präferenz für sein
Produkt aufbauen. Er wird dazu Qualität, Nutzen, Leistung und andere Merkmale seines Produkts
besonders herausstellen. Den Erfolg seiner Maßnahmen kann er anhand einer erneuten Messung der
Präferenzausprägungen bei dem Zielpublikum nach Abschluss des Programms bewerten.
20.3.2.5. Überzeugung
Selbst wenn die Mitglieder des Zielpublikums dem Produkt den Vorrang vor anderen geben würden,
kann es sein, dass sie noch nicht davon überzeugt sind, dass da Produkt überhaupt lohnenswert ist.
Dann ist es Aufgabe des Kommunikators, die Kommunikation mit überzeugungsbestärkenden Inhalten
zu füllen und in überzeugender Weise zu präsentieren.
20.3.2.6. Kauf
Zuletzt könnte es sein, dass einige Mitglieder des Zielpublikums zwar vom Produkt überzeugt, jedoch
noch nicht endgültig zum Kauf bereit sind. Vielleicht wollen sie noch weitere Informationen einholen,
erst später kaufen, usw. Dann muss der Kommunikator diese Zielpersonen dazu bewegen, auch den
letzten Schritt zu tun. Als Kaufauslöser könnte er das Produkt zu einem Sonderpreis anbieten, eine
Zugabe, Kostprobe oder Schnuppertage anbieten.
20.3.2.7. Zufriedenstellung
Die Wirkungsstufen der Kommunikation sind mit dem Kauf noch nicht erschöpft. Die Kommunikation
kann auch nach dem Kauf einen Beitrag dazu leisten, dass der Käufer durch das Produkt zufriedengestellt wird. Sie muss dann darauf hinwirken, dass der Käufer das Produkt richtig und nutzbringend
anwendet und den mit dem Produkt erworbenen Nutzen klar erkennt. Gebrauchsanweisungen, Nutzerhinweise, Kundenzeitschriften und auch Werbung, die das Selbstimage des Käufers und Produktnutzers bestärkten, sind Kommunikationsmittel, die zur besseren Zufriedenstellung der Käufer eingesetzt werden.
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20.3.3. Gestaltung der Botschaft
Wenn das Wirkungsziel beim Zielpublikum bestimmt wurde, muss der Kommunikator eine wirksame
Botschaft entwickeln. Im Idealfall sollte diese Botschaft Beachtung finden, Interesse auf sich ziehen,
Wünsche entstehen lassen und zur Handlung auffordern. In der Praxis gibt es kaum eine Botschaft,
die den Verbraucher nach dem AIDA-Schema vollständig durch alle Stufen von der Beachtung der
Marke bis zum kauf führt. Das AIDA-Schema weist jedoch auf wünschenswerte Eigenschaften der
Botschaft hin. Zur Gestaltung der Botschaft müssen fünf Problemfragen gelöst werden: Was soll gesagt werden? Welche Ansprechmotive sollen gewählt werden? Wie kann es auf schlüssige Weise
gesagt werden? Wie kann es sinnbildlich ausgedrückt werden? Wer soll es sagen?
20.3.3.1. Inhalt der Botschaft
Der Kommunikator muss sich überlegen, was er dem Zielpublikum sagen will, um die erwünschte
Wirkung auszulösen. Statt Botschaftsinhalt verwendet man in der Praxis auch andere Begriffe wie
Thema, Idee, USP oder Anspruch, den die Botschaft stellt; der Kommunikator muss also Produktvorteile, Produktansprüche und Begründungen zusammenstellen, damit sich das Zielpublikum Gedanken
über sein Angebot machen oder eingehender damit beschäftigen kann. Werbefachleute vertreten die
Meinung, zum Inhalt jeder Botschaft gehöre es, einen Anspruch zu erheben und eine Begründung zu
liefern, die diesen Anspruch untermauert. So erhebt z.B. die Marke Ilja Rogoff den Anspruch, dass
ihre Knoblauchpillen dem Benutzer zu Gesundheit und hohem Alter verhelfen, und begründet dies
durch die Figur Ilja Rogoff, einem gesunden Mann aus einem Land, in dem viele – wie Ilja – Knoblauch essen und deshalb lange leben.
20.3.3.2. Appell der Botschaft
Es gibt drei Grundarten von Ansprechmotiven oder Appellen. Rationale Appelle wenden sich an das
rational begründete Eigeninteresse des Empfängers. Sie sollen den beanspruchten Vorteil aufzeigen.
Beispiels dafür sind Appelle, die Qualität, Wirtschaftlichkeit, Nutzen oder Leistung eines Produkts herausstellen. Nach weitverbreiteter Ansicht reagieren gewerbliche Abnehmer auf rationale Appelle am
besten, denn sie kennen in der Regel die Produktklasse, sind in der Nutzenerkennung geübt und
müssen anderen Rechenschaft über ihre Entscheidungen geben.
20.3.3.3. Aufbau der Botschaft
Die Wirkung einer Botschaft kann von ihrem Aufbau ebenso sehr wie von ihrem Inhalt und der Art des
Appells abhängen. Die Untersuchungen von Hovland durchleuchten verschiedene Alternativen des
Botschaftsaufbaus: die Schlussfolgerung, die einseitige und zweiseitige Argumentation sowie die Abfolge der Präsentation. Bei der Schlussfolgerung geht es um die Frage, ob der Kommunikator für das
Zielpublikum eine bestimmte Schlussfolgerung ziehen oder diese Folgerung dem Zielpublikum selbst
überlassen soll. Frühere Experimente verwiesen auf die größere Wirksamkeit von expliziten Schlussfolgerungen für die Zielgruppe. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch an, dass die besten Werbebotschaften eine Frage aufwerfen und es dann den Empfängern erlauben, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.
20.3.3.4. Ausdrucksform der Botschaft
Der Kommunikator muss seiner Botschaft eine ausdrucksstarke Form geben. Schaltet er eine Anzeige, muss er sich über Headline, Text, Illustration und Farbgebung Gedanken machen. Soll die Botschaft über den Rundfunk verbreitet werden, muss der Kommunikator sorgfältig auf die Wortwahl, die
Stimmqualität des Sprechers sowie andere Vokalisierungselemente achten. Der Sprecher, der Gebrauchtwagen anpreist, muss anders klingen als jemand, der für Neufahrzeuge von Mercedes-Benz
wirbt. Soll die Botschaft über das Fernsehen oder durch persönlichen Kontakt verbreitet werden, sind
alle diese Elemente, und dazu noch die Körpersprache in den Gestaltungsprozess einzubeziehen.
20.3.3.5. Überbringer der Botschaft
Botschaften, die von einem attraktiven Überbringern kommen, finden mehr Beachtung und bleiben
besser im Gedächtnis haften. Daher engagieren Werbetreibende zur Übermittlung ihrer Botschaften
nicht selten prominente Persönlichkeiten: So fungieren z.B. Thomas Gottschalk für Haribo, Steffi Graf
für Rexona, Manfred Krug für die Deutsche Telekom, Boris Becker für Nutella. Bei der Auswahl der
Botschaften achtet der Kommunikator darauf, dass die Person von ihrem Image her zum beworbenen
Produkt und zum Wesen der Botschaft passt. Der Überbringer verkörpert so die Botschaft besser, und
sie wird glaubwürdiger. Die Glaubwürdigkeit des Überbringers ist von großer Bedeutung.
20.3.4. Wahl der Kommunikationswege
Der Kommunikator muss geeignete Kommunikationswege für die Übermittlung seiner Botschaft auswählen. Hier kann man zwei Hauptformen unterscheiden: Kommunikationswegen von Person zu PerGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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son und Kommunikationswege über die Massenmedien. Ein Unternehmen kann mehrere Unterformen
dieser Kommunikationswege gleichzeitig einsetzen.
20.3.4.1. Kommunikationswege von Person zu Person
Über diese Kommunikationswege treten zwei oder mehr Personen direkt miteinander in Verbindung.
Sie können wie folgt miteinander kommunizieren: in persönlichen Begegnungen, als Sprecher vor
einem Publikum, per Telefon, auf schriftlichem Wege per Post, per Telefax oder über elektronische
Kommunikationssysteme. Kommunikationswege von Person zu Person sind von besonderer Wirkung,
da sie es ermöglichen, die Präsentation individuell auf den Empfänger abzustimmen und von ihm direkt ein Feedback zu erhalten. Des weiteren kann man zwischen Kommunikationen unterscheiden,
die fürsprechergebunden, expertengebunden oder sozialnetzgebunden verlaufen. Das eigen Vertriebspersonal, das mit den Zielkunden kommuniziert, ist im wesentlichen ein Fürsprecherkanal.
20.3.4.2. Mediengebundene Kommunikationswege
Die Massenmedien befördern Botschaften ohne persönlichen Kontakt und ohne Interaktion zwischen
Sender und Empfänger. Unpersönliche Massenkontakte werden durch Medien, atmosphärische
Stimmungsbilder und Veranstaltungen bewirkt. Zu den Medien zählt man die Printmedien, die Übertragungsmedien, die elektronischen Medien sowie die Außenwerbungsmedien. Die meisten mediengebundenen Botschaften werden durch bezahlte Medienwerbung übermittelt. Ein atmosphärisches
Stimmungsbild besteht aus einem bewusst gestalteten Umfeld, das den Verbraucher zum Kauf, zum
Konsum oder zum Anbieter positiv einstellen soll.
20.3.5. Budgetierung der gesamten Kommunikation und Absatzförderung
Eine der schwierigsten Entscheidungen im Marketing ist, wie viel Geld man für die absatzfördernde
Kommunikation ausgeben soll. Deshalb überrascht es nicht, dass die Höhe der Kommunikationsbudgets von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen beträchtlich variiert. Das Budget kann in der Kosmetikbranche leicht bei 30 – 50 % des Umsatzes liegen und bei Industrieausrüstungen 10 – 20 % des Umsatzes ausmachen. Wie treffen die Unternehmen die Entscheidung über
die Höhe ihres Absatzförderungsbudgets? Im folgenden wollen wir vier gängige Ansätze zur Budgetierung des gesamten Kommunikationsmix, dh Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations, persönlicher Verkauf und Mittel des Direktmarketing erläutern.
20.3.5.1. Budgetierung entsprechend der Finanzkraft
Viele Unternehmen geben für die absatzfördernde Kommunikation so viel aus, wie sie sich ihrer Meinung nach leisten oder erübrigen können. Die Ansicht, dass sich nur finanzkräftige Unternehmen eine
starke Werbung und Verkaufsförderung leisten können, ist weitverbreitet. Sie besagt, dass man sich
die Absatzförderung leisten muss, statt dass die Absatzförderung etwas leisten muss. Diese Einstellung ist für den ökonomisch handelnden Manager unsinnig, denn sie setzt voraus, dass die einzusetzende Absatzförderung unwirksam oder ineffizient ist. In diesem Falle sollte man gar nichts dafür ausgeben, selbst wenn man es sich leisten könnte.
20.3.5.2. Budgetierung anhand des Umsatzes
Zahlreiche Unternehmen bestimmen ihr Absatzförderungsbudget nach dem Umsatz der vergangenen,
der laufenden oder der kommenden Periode. Sie nehmen einen festgelegten Anteil des Umsatzes als
Absatzförderungsbudget. Dieser Anteil wird je nach Branche oder Unternehmen unterschiedlich ausgedrückt, z.B. als % vom Umsatz oder als Aufwendungen pro Stück oder Einheit. In der Automobilbranche dient oft der voraussichtliche Verkaufspreis pro Fahrzeug als Bezugsgröße für die Absatzförderung. Sie könnte z.B. Jaguar entscheiden, für jedes in Deutschland verkaufte Fahrzeug absatzfördernde Aufwendungen von 1.200 DM zu tätigen.
20.3.5.3. Budgetierung orientiert am Wettbewerb
Einige Unternehmen wollen durch ihre Werbung und die anderen Absatzförderungsmaßnahmen in
einem bestimmten Stärkeverhältnis zum Wettbewerb auftreten. Sie wollen einen bestimmten Anteil
am Stimmenkonzert im Markt haben. Für diese Art der Budgetierung werden zwei Argumente in das
Feld geführt. Erstens zeigen die Gesamtaufwendungen aller Wettbewerber, was nach dem gemeinsamen Wissensstand aller Beteiligten für die Branche angemessen ist. Zweitens werden Absatzförderungs-Kriege vermieden, wenn bestimmte Wettbewerber von vornherein wissen, dass andere mit ihnen gleichziehen werden.
20.3.5.4. Budgetierung anhand von Zielen und Aufgaben
Bei diesem Ansatz muss der Marketer sein Absatzförderungsbudget systematisch erarbeiten, indem
er die Ziele für sein Programm umreißt, die zu erfüllenden Aufgaben klarstellt und die dafür anfallenGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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den Kosten abschätzt. Aus der Summe dieser Kosten ergibt sich dann das erforderliche Gesamtbudget. Bei dieser Art der Budgetierung ist man gezwungen, eine deutliche Beziehung zwischen Werbeausgaben, Art und Anzahl der Werbekontakte, Erstkaufrate und Wiederholungskäufen herzustellen.
Dies ist ein Vorteil, denn viele dieser Beziehungen lassen sich durch Forschung ermitteln oder durch
Erfahrung erlernen, wenn man sie aufmerksam beobachtet. Bei der Budgetierung der absatzfördernden Kommunikation muss insbesondere auch klargestellt werden, welche Rolle sie im gesamten Marketing-Mix spielen soll.
20.3.6. Budgeteinteilung im Kommunikations- und Absatzförderungsmix
Das Gesamtbudget muss nun auf die fünf Instrumente der absatzfördernden Kommunikation, nämlich
Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations, persönlichen Verkauf und Instrumente des Direktmarketing verteilt werden. Die einzelnen Wettbewerber innerhalb derselben Branche können hier sehr
unterschiedlich entscheiden. In der Tiefkühlkostbranche gibt z.B. Eismann sein Geld vor allem für den
persönlichen Verkauf aus, während Langnese-Iglo sehr viel Geld in die Werbung steckt. Man kann
also bei der Verfolgung seines Umsatzziels unterschiedliche Schwerpunkte bei der Mittelverteilung auf
die absatzfördernden Instrumente setzen. Dennoch können branchenweite Gesamtaufstellungen oder
Durchschnittswerte bei der Aufteilung als Vergleichsgrundlage dienen.
20.3.6.1. Wesensart der einzelnen Absatzförderungsinstrumente
Jedes Instrument der absatzfördernden Kommunikation – Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations, persönlicher Verkauf und Direktmarketing – hat seine Besonderheiten. Diese muss der Marketer
kennen, um seine Auswahlentscheidung treffen zu können.
20.3.6.1.1. Werbung
Werbung hat vielfältige Erscheinungsformen und Anwendungsmöglichkeiten. Deshalb sind allumfassende Aussagen über ihre besonderen Eigenschaften als Element im Absatzförderungsmix schwierig.
Trotzdem sollte man folgende Eigenschaften beachten: Öffentlichkeit, Zutrittsmöglichkeit zum Zielpublikum, Dramatisierbarkeit der Darstellung, mangelnder persönlicher Bezug zum Sender oder Überbringer. Einerseits lässt sich durch Werbung ein langfristiges Produktimage aufbauen, andererseits ist
auch ein kurzfristiger Verkaufseffekt erzielbar. Durch Werbung lässt sich eine große Zahl geographisch weit gestreuter Käufer wirksam und zu niedrigen Kosten pro Werbekontakt ansprechen.
20.3.6.1.2. Verkaufsförderung
Bei der Auswahl unter den vielfältigen verkaufsfördernden Instrumenten, wie Gutscheine, Preisausschreiben und Beilagen, sollten wir drei Eigenschaften besonders beachten: kommunikativer Wert,
Anreizgehalt, Aufforderungsgehalt. Durch Verkaufsförderung will das Unternehmen stärkere und
schnellere Kaufreaktionen auslösen. Sie kann eingesetzt werden, um bestimmte Produktangebote
besonders herauszustellen und Absatzflauten zu überwinden. Ihre Wirkung ist meist von kurzer Dauer
und trägt wenig zum Aufbau dauerhafter Markenpräferenzen bei.
20.3.6.1.3. Public Relations
Eine aktive Gestaltung der Public Relations-Aktivitäten ist für ein Unternehmen wegen folgender besonderer Eigenschaften interessant: hohe Glaubwürdigkeit, weniger Argwohn, Dramatisierbarkeit.
Tendenziell setzen Marketer Public Relations nicht so viel wie möglich und oft erst nachträglich ein.
Eine durchdachte und mit den anderen Elementen im Absatzförderungsmix abgestimmte Public Relations-Kampagne kann jedoch äußerst wirkungsvoll sein.
20.3.6.1.4. Persönlicher Verkauf
In bestimmten Phasen des Kaufprozesses, vor allem bei der Präferenzbildung, Einstellungsänderung
und Kaufhandlung, ist der persönliche Verkauf das wirkungsvollste Instrument der absatzfördernden
Kommunikation. Es weist im Vergleich zur Werbung drei besondere Eigenschaften auf: persönliche
Wechselbeziehung, Beziehungsgestaltung, Reaktionsverpflichtung. Diese besonderen Eigenschaften
des persönlichen Verkaufs haben ihren Preis. Durch die Verkaufsorganisation entsteht ein Kostenblock, der das Unternehmen langfristiger verpflichtet als die Werbung.
20.3.6.1.5. Direktmarketing
Obwohl das Direktmarketing – Direct Mail, Telefonmarketing, elektronische Kommunikationsinstrumente und andere mehr – sehr unterschiedliche Erscheinungsformen hat, besitzen diese doch einige
besondere Gemeinsamkeiten: direkte Kundenansprache, zielgenaue Gestaltung, Aktualität, Interaktivität.
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20.3.6.2. Einflussfaktoren auf die Budgeteinteilung im Absatzförderungsmix
Die Budgeteinteilung im Absatzförderungsmix wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, nämlich: Art
des Produktmarktes, Push- oder Pull-Strategie, Kaufbereitschaftsphase, Stellung im Produktlebenszyklus und Marktanteilsrang.
20.3.6.2.1. Art des Produktmarktes
Für Konsumgüter ist die Werbung am wichtigsten, gefolgt von Verkaufsförderung, persönlichem Verkauf und Public Relations. Die Rangfolge auf Industriegütermärkten dagegen lautet persönlicher Verkauf, Verkaufsförderung, Werbung und Public Relations. Im allgemeinen ist der persönliche Verkauf
bei komplexen, hochpreisigen und mit Risiken verbundenen Gütern sowie auf Märkten mit wenigen
und größeren Käufern wichtiger. Auch wenn auf Industriegütermärkten die Werbung weniger wichtig
ist wie der persönliche Verkauf, spielt sie immer noch eine bedeutende Rolle. Auf Industriegütermärkten lässt sich durch Werbung folgendes erreichen: Bekanntheitsgrad aufbauen, Verständnis verbessern, effizientes Erinnern, Interessenten aufspüren, Behauptungen legitimieren, Vergewisserung.
20.3.6.2.2. Push- und Pull-Strategie
Die Gestaltung des Absatzförderungsmix wird wesentlich davon mitbestimmt, ob man sich zur Schaffung von Kaufanreizen für eine Push- oder ein Pull-Strategie entscheidet. Eine Push-Strategie bedeutet, dass das Produkt mit Hilfe der eigenen Vertriebsorganisation und handelsgerichteter Absatzförderung gewissermaßen durch das Distributionssystem gedrückt wird: Der Hersteller betreibt eine intensive großhandelsgerichtete Absatzförderung, der Großhandel eine intensive einzelhandelsgerichtete
Absatzförderung und der Einzelhandel wiederum einen intensive Absatzförderung an den Letztverbraucher. Die Push-Strategie ist besonders dann angebracht, wenn die Markentreue in der Produktkategorie gering ist, wenn die Entscheidung der Markenwahl erst im Laden fällt, wenn das Produkt spontan auf den Impuls im Warenregal hin gekauft wird und wenn der Käufer den Nutzen des Produktes
gut kennt. Eine Pull-Strategie bedeutet, dass der Hersteller zur Stimulierung der Nachfrage beim
Letztverbraucher seine verfügbaren Mittel vor allem für Werbung und verbrauchergerichtete Verkaufsförderung einsetzt. Ist diese Strategie erfolgreich, so wird das Produkt mit einem Nachfragesog durch
das Distributionssystem gezogen, dh der Verbraucher fragt das Produkt verstärkt beim Einzelhandel
nach, der Einzelhandel fragt das Produkt verstärkt beim Großhandel nach, und der Großhandel wiederum fragt das Produkt verstärkt bei den Herstellern nach.
20.3.6.2.3. Kaufbereitschaftsphase
Die einzelnen Absatzförderungsinstrumente sind je nach Kaufbereitschaftsphase unterschiedlich kosteneffizient. Die wichtigste Rolle in der Phase des Bekanntwerdens spielen Werbung und Public Relations; sie sind hier wesentlich effizienter als unvorbereitetes Verkaufen und als Verkaufsförderungsmaßnahmen. Das Produktwissen der Verbraucher wird vornehmlich durch Werbung und persönlichen
Verkauf bestimmt. Die Überzeugung des Verbrauchers wird am stärksten durch persönlichen Verkauf
und weniger durch Werbung und Verkaufsförderung geprägt. Der Kaufabschluss wird hauptsächlich
durch persönlichen Verkauf und intensive Verkaufsförderung beeinflusst.
20.3.6.2.4. Stellung im Produkt-Lebenszyklus
Auch der Produkt-Lebenszyklus beeinflusst die Zusammenstellung der Absatzförderungsinstrumente
zu einem kosteneffizienten Mix.
20.3.6.2.5. Marktanteilsrang
Marken, die beim Marktanteil die ersten drei Ränge einnehmen, sind profitabler, je höher ihr Werbeanteil am Marketing-Mix verblichen mit der Verkaufsförderung ist. Für die Marken auf den ersten drei
Rangplätzen erhöht sich der Return on Investment, je höher die Verhältniszahl von Werbe- zu Verkaufsförderungsausgaben ist. Bei Marken an vierter oder niedrigerer Rangstelle ist das nicht so. Hier
sind höhere Werbeanteile im Marketing-Mix nicht mit höherer Profitabilität verbunden.
20.3.7. Ergebnismessung der absatzfördernden Kommunikation
Der Kommunikator muss feststellen, was seine absatzfördernde Kommunikation auf den verschiedenen Wirkungsstufen bei den Mitgliedern des Zielpublikums bewirkt hat. Dazu muss er die Zielpersonen befragen, ob sie die Botschaft erkannt oder wiedererkannt haben, wie oft sie mit ihr in Berührung
kamen, woran genau sie sich erinnern können, was sie dabei empfanden und inwieweit sich ihre Einstellung zum Produkt und zum Hersteller verändert hat. Neben diesen kommunikativen Wirkungen
möchte der Kommunikator auch feststellen, ob Verhaltenswirkungen beim Zielpublikum erreicht wurden, z.B. wie viele Zielpersonen das Produkt gekauft, positiv bewertet und es anderen gegenüber
erwähnt haben.
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112
20.3.8. Management und Koordination einer integrierten Marketingkommunikation
Viele Unternehmen verfolgen ihre Kommunikationsziele im wesentlichen nur durch ein oder zwei
Kommunikationswerkzeuge. Dabei verkennen sie unter Umständen die Veränderungen, die zur Zeit
im Markt stattfinden. Dazu gehören insbesondere der Zerfall von Massenmärkten in eine Vielzahl kleinerer Märkte, die jeweils einen unterschiedlichen Kommunikationsansatz erfordern, die Entwicklung
neuer Kommunikationsmedien und die wachsende Urteilsfähigkeit von Verbrauchern gegenüber Produkten und Marktkommunikation. Die große Spannweite an Kommunikationswerkzeugen, Werbebotschaften und Zielgruppen macht es erforderlich, dass Unternehmen sich überlegen, wie sie die Kommunikationsmittel neu und besser koordinieren und voll zur Wirkung kommen lassen können. Hier
bietet sich das Konzept der Integrierten Marketingkommunikation an.
21. Planung effektiver Werbeprogramme
Die Werbung ist eines der Instrumente der absatzfördernden Kommunikation. Durch Werbung versuchen die Unternehmen, ihre Zielkunden und andere Gruppen wirkungsvoll anzusprechen und zu beeinflussen. Zur Werbung gehört jede Art der nicht-persönlichen Vorstellung und Förderung von Ideen,
Waren oder Dienstleistungen eines eindeutig identifizierten Auftraggebers durch den Einsatz bezahlter
Medien. Zu den Auftraggebern für die Werbung zählen nicht nur Wirtschaftsunternehmen, politische
Parteien und staatliche Institutionen wie Ministerien und Museen, sondern auch karitative und soziale
Einrichtungen, die durch Werbung ihr Anliegen an die jeweilige Zielgruppe herantragen. So setzt z.B.
die evangelische Krische die Werbung für Spendenaufrufe der Aktion „Brot für die Welt“ ein.
21.1. Festlegung der Werbeziele
Der erste Schritt in der Entwicklung eines Werbeprogramms ist die Festlegung der Werbeziele. Diese
müssen aus bereits getroffenen Zielmarkt-, Positionierungs- und Marketing-Mix-Entscheidungen abgeleitet werden, durch die der Werbung eine bestimmte Aufgabe innerhalb des gesamten Marketingprogramms zugewiesen wird. Die Kommunikations- und Verkaufsziele für die Werbung können sehr unterschiedlich ausfallen. Colley stellt ein Verfahren zur Umsetzung genereller werbepolitischer Zielsetzungen in spezifische überprüfbare Zielvorgaben vor. Unter einer Werbezielvorgabe versteht Colley
eine spezifische kommunikative Aufgabe und ein vorgegebenes Aufgabenerfüllungsniveau bei einer
bestimmten Zielgruppe und innerhalb einer festgelegten Planperiode.
21.2. Bestimmung des Werbebudgets
Nach Festlegung der Werbeziele kann das Unternehmen das Werbebudget für jedes seiner Produkte
bestimmten. Durch Werbung soll die Nachfrage für das Produkt gefördert werden; andererseits verursacht die Werbung Kosten. Folglich will das Unternehmen nur soviel Geld für die Werbung ausgeben,
wie zur Erreichung des gesteckten Verkaufsziels erforderlich ist. Das Problem hierbei ist, die richtige
Höhe der Werbeaufwendungen zu bestimmen. Budgetiert das Unternehmen zu geringe Werbeaufwendungen, ist die erzielte Wirkung unerheblich und es wurde damit viel Geld vergeudet.
21.3. Entscheidungen zur Werbebotschaft
Die Werbetreibenden kämpfen insbesondere durch Kreativitätsbemühungen darum, ihre Werbebotschaft anders und wirksamer zu gestalten als die Konkurrenz und selbst profane Produkte interessant
zu machten. William Bernbach meint dazu: „Die bloße Präsentation von Tatsachen reicht nicht aus.
Man denke nur an Shakespeare: Auch wenn die Handlung seiner Stücke manchmal recht profan war,
so gelang es ihm doch stets in meisterlicher Manier, dem Publikum die gewünschte Botschaft wirksam
zu vermitteln.“ Die Kreativität der Werbebotschaft kann ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein. Die Kreativität in der Werbung kann mehr zum Erfolg einer Werbekampagne beitragen als die Höhe des Werbebudgets.
21.3.1. Entwicklung von Werbebotschaften
Die Grundbotschaft sollte in genereller Form schon während der Entwicklung des Produktkonzepts
festgelegt werden, da sie den Hauptnutzen oder das Besondere des beworbenen Produkts herausstellt. Für jede Grundbotschaft sind dann in der Regel mehrere Ausführungsvarianten möglich. Man
kann auch eine schrittweise Änderung der Botschaft planen, ohne das Produkt zu verändern; dies ist
vor allem dann angebracht, wenn man dem Verbraucher einen neuen und zusätzlichen Nutzen des
Produkts bekannt geben will oder wenn das Produkt komplex ist und di Verbraucher seinen Nutzen
schrittweise kennen lernen sollen. Die Werbegestalter greifen zu unterschiedlichen Ansätzen, um ihre
Kreativität bei der Entwicklung möglicher Werbeappelle in die richtigen bahnen zu lenken und Anregungen zu erhalten. Viele Kreative gehen induktiv vor und lassen sich von Einzelbeobachtungen zu
generellen Folgerungen leiten.
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21.3.2. Bewertung und Auswahl der Werbebotschaft
Als nächstes muss das Marketing-Management die vorliegenden Alternativen bewerten. Im Regelfall
sollte eine überzeugende Werbebotschaft einen Hauptnutzen des beworbenen Produkts herausstellen, ohne die Botschaft mit zu vielen Informationen oder Appellen zu überladen, da dies die Wirkung
abschwächen würde. Twedt empfiehlt, die Botschaften danach zu bewerten, wie wünschenswert,
trennscharf und glaubhaft sie sind. Das bedeutet, dass Werbebotschaft muss etwas aussagen, das für
die Zielgruppe wünschenswert oder von Interesse ist; die Botschaft muss auch etwas Trennscharfes
oder Originelles beinhalten, das nicht für alle Marken innerhalb dieser Produktkategorie gilt; außerdem
muss die Aussage der Botschaft glaubwürdig und der darin gemachte Anspruch belegbar sein.
21.3.3. Gestaltung der Werbebotschaft
Die Wirkung der Werbebotschaft hängt nicht nur davon ab, was sie beinhaltet, sondern auch davon
,wie sie gestaltet ist. Werbeappelle können auf eine rationale oder auf eine emotionale Positionierung
beim Empfänger hinzielen. Bei vielen Produkten steht in der Werbung eine bestimmt Produkteigenschaft oder ein bestimmter Produktnutzen im Vordergrund, der den Empfänger rational ansprechen
soll, wie „Wäscht reiner“ oder „Lindert Schmerzen schneller“, usw. Bei anderen Produkten erfolgt der
Appell indirekt und soll beim Empfänger emotionale Wirkungen auslösen. So zeigt manche Werbung
von Fluglinien nicht die Pünktlichkeit, die Sicherheit oder den Komfort des Fluges, sondern schön
ausgeleuchtete Himmelsbilder oder teure Naturparadiese, die emotionale Assoziationen und Wirkungen auslösen sollen.
21.4. Entscheidungen zur Medienbelegung
Als nächstes muss der Werbetreibende Entscheidungen zur Belegung der Werbeträger treffen, die die
Botschaft zum Empfänger tragen. Schrittweise bestimmt er die gewünschte Reichweite, Kontaktfrequenz und umfeldgestützte Eindrucksqualität, wählt dann die einzusetzenden Mediengattungen, trifft
eine detaillierte Medienwahl und bestimmt die zeitliche Verteilung des Medieneinsatzes.
21.4.1. Reichweite, Frequenz und Eindrucksqualität der Werbedarbietung
Das Problem der Medienbelegung besteht darin, die kosteneffektivsten Werbeträger zu ermitteln, um
mit dem Zielpublikum durch eine angemessene Anzahl von Werbedarbietungen in der erwünschten
Eindrucksqualität in Kontakt zu treten. Wie aber bestimmt man, welche Anzahl von Werbekontakten
angemessen ist? In der Regel will der Werbende eine bestimmte Reaktion bei den Empfängern der
Werbung auslösen; er will z.B. eine gewisse Rate an Erstkäufen bewirken. Die Erstkaufsrate hängt
u.a. vom Bekanntheitsgrad der Marke ab. Bei einem Zusammenhang zwischen der Erstkaufsrate und
dem Bekanntheitsgrad muss der Werbende zur Stimulierung der erwünschten Erstkaufsrate E* einen
Bekanntheitsgrad B* erzielen.
21.4.2. Mediengattungswahl
Der Medienplaner muss die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Mediengattungen bei Reichweite, Frequenz und Eindrucksqualität beurteilen. Gegliedert nach dem medienspezifischen Werbeaufkommen sind dies Tageszeitungen, Fernsehen, Direktwerbemittel, Publikumszeitschriften, Anzeigenblätter, Fachzeitschriften, Adressbücher, Hörfunk, Außenwerbung, Wochen-/Sonntagszeitungen, Zeitungssupplements und Kino. Jeder dieser Werbeträger hat Vor- und Nachteile. Der Medienplaner trifft
seine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung mehrerer Kriterien; die wichtigsten sind folgenden: Mediennutzung der Zielgruppe, Produkttyp, Kommunikationserfordernisse der Werbebotschaft,
Kostenstruktur, Selektionsmöglichkeit, Verfügbarkeit. Die Leistungen und Kosten der einzelnen Werbegattungen sollten ständig verglichen werden, denn die einzelnen Medien stehen untereinander in
verstärktem Wettbewerb.
21.4.3. Detaillierte Medienwahl
Nachdem der Medienplaner entscheiden hat, welche Werbeträgergattung als Basismedium und welche als Ergänzung zu nutzen ist, muss er spezielle Werbeträger mitteln, die zielgruppengenau und
kosteneffektiv die erwünschte Kommunikationsleistung erbringen. Hier ist die Auswahl extrem groß.
Ein Werbetreibender kann beispielsweise einen 30-Sekunden Werbefernsehspot bei der ARD im Vorabendprogramm für 36.000 DM platzieren. Einen Spot gleicher Länge kann er bei RTL im Frühstücksfernsehen für 2.000 DM oder während des Sonntagabend-Spielfilms für 72.000 DM ausstrahlen lassen. Insbesondere amerikanische Fernsehanstalten gehen dazu über, die Preise für die Ausstrahlung
von Werbespots nicht nur nach der Ausstrahlungszeit, sondern sogar nach der einzelnen Veranstaltung zu variieren, während der die Werbung ausgestrahlt wird.
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114
21.4.4. Timing des Medieneinsatzes
Zur Werbestreuplanung gehört neben der Auswahl der Werbeträgerkategorien und der speziellen
Werbeträger auch die Entscheidung, wann und wie oft die Botschaften geschaltet werden. Analog zur
Werbeträgerauswahl steht der Werbeplaner hier vor einem Makroplanungsproblem und einem Mikroplanungsproblem.
21.4.4.1. Makroplanung
Der Werbeplaner muss entscheiden, wie er saisonale und zyklische Einflüsse beim Medieneinsatz
berücksichtigen will. Entfallen z.B. 70 % des jährlichen Absatzes eines Produkts auf die Monate Juni
bis September, gibt es drei Möglichkeiten: Die Werbeaufwendungen laufen parallel zur Absatzkurve,
entgegengesetzt dazu oder bleiben über das ganze Jahr hinweg auf dem gleichen Niveau. Die meisten Unternehmen passen ihre Werbeaufwendungen dem Saisonverlauf an. Doch auch anders lassen
sich Erfolge erzielen. Zyklische Zusammenhänge zwischen Werbung und Marktverhalten können mit
Hilfe unterschiedlicher Ansätze erforscht und abgeschätzt werden.
21.4.4.2. Mikroplanung
Die Mikroplanung befasst sich mit der Verteilung der Werbeaufwendungen innerhalb eines kurzen
Zeitraums, um die größtmögliche Wirkung des Werbeeinsatzes zu erzielen. Welches Timing im Streuplan am effektivsten ist, wird durch die kommunikativen Werbeziele, die Art des beworbenen Produkts, die Zielgruppe, das eingesetzte Distributionssystem und andere Elemente des Marketing-Mix
bestimmt.
21.5. Beurteilung der Werbewirkung
Wie gut Planung und Kontrolle der Werbung durchgeführt werden, hängt wesentlich davon ab, wie die
Werbewirkung beurteilt wird. Die Messkriterien, die zur Beurteilung der Werbewirkung eingesetzt werden, richten sich in der Regel nach dem vorliegenden Werbeproblem und der gewählten Ausführungsform für Werbebotschaft und Werbekampagne. In der Praxis nehmen Werbeagenturen häufiger einen
Pretest der von ihnen entwickelten Werbebotschaften vor. Viele werbetreibende Unternehmen entwikkeln ihre Werbekampagnen, ohne einen Pretest ihrer Anzeigen durchzuführen, führen die Kampagne
auf nationaler Ebene durch und beurteilen anschließend die erzielte Wirkung. Oft wäre es besser, die
Werbekampagne zunächst auf eine oder wenige Regionen oder Städte zu beschränken und die Wirkung zu beurteilen, ehe die Kampagne mit einem großen Budget auf nationaler Ebene durchgeführt
wird.
21.5.1. Beurteilung der kommunikativen Wirkung
Zur Beurteilung der kommunikativen Leistungsfähigkeit von Werbebotschaften und ihrer Ausgestaltung kommen eine Vielzahl von verfahren und Bewertungsmaßstäben zum Einsatz. Diese Methoden,
in der Praxis unter dem Oberbegriff Copytext zusammengefasst, kann man anwenden, bevor oder
nachdem die Botschaft durch einen Werbeträger verbreitet wird bzw. wurde. Die dominierende Beurteilungsmethode ist die Befragung, aber auch apparative Mess- und Beurteilungsverfahren gewinnen
an Bedeutung. Aus den Befragungsmethoden lassen sich zwei Untergruppen bilden, nämlich die direkte Beurteilung und die Portfoliotests. Bei der direkten Beurteilungsmethode werden Verbraucher
aus der Zielgruppe oder Experten gebeten, unterschiedliche Anzeigen anhand mehrerer Kriterien zu
bewerten.
21.5.2. Verkaufswirkung
Die Messung der kommunikativen Wirkung hilft zwar dem Werbetreibenden dabei, die Kommunikationseffekte eines Werbemittels besser einzuschätzen, lässt jedoch noch keine direkten Schlussfolgerungen auf die Verkaufswirkung zu. Wenn z.B. eine Werbekampagne den Markenbekanntheitsgrad
um 20 % und die Markenpräferenz um 10 % erhöht, dann steht damit noch nicht fest, welche Auswirkungen dies auf den Absatz hat. Die Verkaufswirkung der Werbung ist im allgemeinen schwerer zu
messen als die Kommunikationswirkung, da der Absatz nicht nur von der Werbung, sondern auch von
vielen anderen Faktoren bestimmt wird, die in der Regel nicht konstant bleiben, wie z.B. Preis und
Verfügbarkeit des Produkts sowie Maßnahmen der Konkurrenz. Je besser es gelingt diese Faktoren
konstant zu halten, desto besser kann man die Verkaufswirkung der Werbung messen oder abschätzen. Am leichtesten lässt sich die Verkaufswirkung in bestimmten Situationen des Direktmarketing
feststellen; am schwierigsten ist sie bei Werbemaßnahmen abzuschützen, die ein Marken- oder Firmenimage aufbauen sollen.
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22. Verkaufsförderungs- und Public Relations-Programme
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit der Verkaufsförderung und der Öffentlichkeitsarbeit. Diese
Einsatzinstrumente der absatzfördernden Kommunikation können einen wichtigen Beitrag zum Marketingerfolg leisten und spielen eine zunehmend größere Rolle. Wer es in seiner Branche am besten
versteht, diese Instrumente einzusetzen, wird einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil erringen. In
diesem Kapitel befassen wir uns im wesentlichen mit folgen Fragen: Welcher Zweck wird mit der Verkaufsförderung und PR-Maßnahmen verfolgt? Welche Entscheidungen zur Verkaufsförderung und PR
müssen getroffen werden, um die entsprechenden Instrumenten effektiv einzusetzen?
22.1. Verkaufsförderung
Verkaufsförderung beinhaltet eine Vielzahl unterschiedlicher, meist kurzfristiger Anreize zur Stimulation schnellerer bzw. umfangreicher Käufe bestimmter Produkte oder Dienstleistungen durch die Verbraucher oder den Handel. Während Werbung einen Kaufgrund gibt, bietet Verkaufsförderung einen
Anreiz, den Kaufakt zu vollziehen oder voranzutreiben. Mit der Verkaufsförderung sollen in der Regel
entweder die Endabnehmer eines Produkts, die Handelspartner oder die Verkäufer motiviert werden.
Dementsprechend unterscheidet man zwischen Instrumenten der verbrauchergerichteten Verkaufsförderung – wie z.B. Produktproben, Gutscheine, Rückvergütungsrabatte, Sonderpreispackungen,
Geschenke, Gewinnspiele, Treueprämien, Probenutzungsangebote, Garantieleistungen und Produktvorführungen -, Instrumenten der handlesgerichteten Verkaufsförderung – wie z.B. Kaufnachlässe,
Gratiswaren, Funktionsrabatte, Gemeinschaftswerbung, Werbezuschüsse sowie Händlerwettbewerbe
– und Instrumenten zur Förderung der Außendienstarbeit – wie z.B. Verkaufswettbewerbe, Hausmessen und Werbegeschenke. Die Werkzeuge der Verkaufsförderung werden in irgendeiner Form von
fast allen Organisationen eingesetzt, u.a. von Herstellern, Groß- und Einzelhändler, Handelsverbänden und auch von Nonprofit-Organisationen.
22.1.1. Bedeutung der Verkaufsförderung
Eine jährlich durchgeführte Untersuchungen der Zeitschrift Absatzwirtschaft in der Konsumgüterindustrie zeigt, dass die Verkaufsförderung 1996 einen Anteil von 18 % am gesamten Kommunikationsbudget hatte. Während die Unternehmen 1996 insgesamt 55 Mrd. DM für Werbung ausgaben, standen für die Verkaufsförderung 9,9 Mrd. DM im Durchschnitt zur Verfügung. Für 1996 planen 44 % der
Entscheider eine Budgeterhöhung für die Verkaufsförderung von 6 %. Mehrere Faktoren haben zur
schnellen Verbreitung der Verkaufsförderung – vor allem im Konsumgütermarketing – beigetragen.
Hier kann man zwischen internen Faktoren und externen Faktoren unterscheiden.
22.1.2. Zweck der Verkaufsförderung
Mit einzelnen Verkaufsförderungsinstrumenten können unterschiedliche Zwecke verfolgt werden. Eine
Gratisprobe soll den Verbraucher zum Testen des Produkts anregen, während eine kostenlose Betriebsberatung für einen Einzelhändler die langfristige Geschäftsbeziehung mit ihm festigen soll. Durch
Verkaufsförderungsanreize wollen Anbieter Neukunden gewinne, treue Kunden belohnen und die Zahl
der Wiederholungskäufe von gelegentlichen Verwendern erhöhen. Neukunden zerfallen in drei Untergruppen: Verwender einer anderen Marke innerhalb derselben Produktkategorie, Verwender in anderen substituierbaren Produktkategorien und häufige Markenwechsler. Oft werden durch Verkaufsförderung die Markenwechsler angesprochen, da Verwender anderer Marken und Produktkategorien den
Verkaufsförderungsappell nicht immer beachten und selten befolgen.
22.1.3. Verkaufsförderungsentscheidungen
Ein Unternehmen hat bei der Verkaufsförderung folgende Entscheidungen zu treffen: Bestimmung der
Verkaufsförderungsziele, Auswahl der Verkaufsförderungsinstrumente, Entwicklung, Erprobung,
Durchführung und Kontrolle des Verkaufsförderungsprogramms sowie Bewertung der Ergebnisse.
Diese Einzelschritte willen wir im folgenden näher untersuchen.
22.1.3.1. Bestimmung der Verkaufsförderungsziele
Die Verkaufsförderungsziele leiten sich aus den übergeordneten Absatzförderungszielen ab, die sich
ihrerseits aus den grundlegenden Marketingzielen für das jeweilige Produkt ergeben. Die spezifischen
Verkaufsförderungsziele variieren je nach Art des Zielmarktes. Durch verbrauchergerichtete Verkaufsförderung sollen Verbraucher zum Kauf größerer Mengen veranlasst, aus bisherigen Nichtverwendern
Verwender gemacht und Markenwechsler von den Produkten der Konkurrenz weggelockt werden.
Durch handelsgerichtete Verkaufsförderung sollen Einzelhändler Anreize dafür geboten werden, neue
Artikel zu führen und die Produktbestände zu erhöhen; auch außerhalb der Saison einzukaufen und
Zubehörartikel auf Lager zu nehmen; außerdem soll damit die Markentreue des Einzelhandels geGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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stärkt und der Zugang zu neuen Verkaufsstellen ermöglicht werden. Durch die Förderung der Außendienstarbeit soll das Engagement des Außendienstes für ein neuen Produkt oder eine neue Produktausführung erhöht, der Außendienst zur verstärkten Neukundenakquisition ermutigt oder zu besonderen Verkaufsanstrengungen außerhalb der Saison stimuliert werden.
22.1.3.2. Wahl der Verkaufsförderungsinstrumente
Zur Erreichung der Verkaufsförderungsziele stehen viele Verkaufsförderungsinstrumente zur Verfügung. Der Verkaufsförderer sollte die Art des Zielmarktes, Verkaufsförderungsziele, Wettbewerbsbedingungen und Wirtschaftlichkeit jedes Verkaufsförderungsinstrument berücksichtigen. Im folgenden
wollen wir uns mit den wesentlichen Verkaufsförderungsinstrumenten befassen. Dabei muss stets
berücksichtigt werden, dass in Deutschland Verkaufsförderungsaktivitäten durch die wahrscheinlich
weltweit strengsten rechtlichen Restriktionen beeinträchtigt werden. Neben dem Gesetz gegen den
unlauteren Wettbewerb und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kommen hier insbesondere auch das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung zum Tragen.
22.1.3.2.1. Verbrauchergerichtete Instrument
Wir können zwischen verbrauchergerichteten Hersteller-Promotions und Einzelhändler-Promotions
unterscheiden. Zu den Einzelhandel-Promotions gehören z.B. Sonderangebote, Gutschein-Aktionen,
Gewinnspiele und Werbegeschenkaktionen, die von Handelsseite initiiert werden. Eine Untersuchung
zeigte z.B., dass eine Preis-Promotion den Absatz um 15 % steigerte. In Kombination mit Werbung,
die auf Produktmerkmale hinweist, erfolgte eine Steigerung von 19 %. Mit einem zusätzlichen Pointof-Purchase Display wurden 24 % erreicht.
22.1.3.2.2. Handelsgerichtete Instrumente
Hersteller nutzen zahlreiche Verkaufsförderungsinstrumente. Im Durchschnitt gehen sowohl in der
Konsumgüter- als auch der Investitionsgüterindustrie der größte Teil der Verkaufsförderungsmittel in
handelsgerichtete Verkaufsförderungsmaßnahmen. Damit wollen die Hersteller vier Ziele erreichen:
Handelsgerichtete Verkaufsförderung kann den Einzel- oder Großhändler dazu veranlassen, die Marke eines Herstellers zu führen; Handelsgerichtete Verkaufsförderung kann den Einzel- oder Großhändler dazu veranlassen, mehr Ware eines Herstellers zu führen als üblich; Handelsgerichtete Verkaufsförderung kann den Einzelhändler durch Display-Aktionen und Sonderangebote zur Förderung
der Marke anregen; Handelsgerichtete Verkaufsförderung kann den Einzelhändler und sein Verkaufspersonal dazu anregen, das Produkt eines bestimmten Herstellers besonders zu fördern. Unter dem
Druck ihrer Handelspartner geben Hersteller für handelsgerichtete Verkaufsförderung mehr aus, als
sie aus freien Stücken tun würden. Die zunehmende Konzentration von Einkaufsmacht in den Händen
einiger weniger und großer Einzelhandelsorganisationen hat es dem Handel ermöglicht, dem Hersteller zu Lasten der verbrauchergerichteten Verkaufsförderung und der Werbung größere finanzielle
Unterstützung abzuverlangen.
22.1.3.2.3. Instrumente zur Förderung der Außendienstarbeit
Die Ausgaben für diese Instrumente liegen bei den meisten Unternehmen hinter den Ausgaben für die
verbraucher- und die handelsgerichtete Verkaufsförderung zurück. Mit diesen Instrumenten soll dem
Außendienst geholfen werden, Kundenkontakte herzustellen, bestehende Kunden zu beeindrucken,
zu belohnen und an sich zu binden sowie die Außendienstorganisation und deren Mitglieder selbst zu
motivieren. In der Regel schwankt das für solche Instrumente geplante Budget bei den meisten Unternehmen von Jahr zu Jahr nur wenig.
22.1.3.3. Entwicklung des Verkaufsförderungsprogramms
Zur Entwicklung des vollständigen Verkaufsförderungsprogramms muss der Marketer weitere Entscheidungen treffen. Erstens, er muss das gewünschte Ausmaß des Anreizes festlegen. Soll die Aktion Erfolg haben, ist ein bestimmter Mindestanreiz erforderlich. Ein höheres Anreizniveau wird zwar
größere Auswirkungen auf den Absatz haben, jedoch mit abnehmender Zuwachsrate. Zweitens, der
Marketer muss auch die Teilnahmebedingungen bestimmen.
22.1.3.4. Vortesten des Verkaufsförderungsprogramms
Auch wenn Absatzförderungsprogramme auf Erfahrungswerten beruhen, sollten sie vorgetestet werden, um festzustellen, ob die vorgesehenen Instrumente der Verkaufsförderung angemessen sind, ob
das Anreizausmaß passend und die Darbietungsmethode effizient ist. Eine Untersuchung der Premium Advertisers Association in den USA zeigte an, dass weniger als 42 % der Unternehmen, die Zugaben anboten, Pretests über die Wirksamkeit dieses Verkaufsförderungsinstruments durchgeführt
hatten. Nach Strangs Auffassung lassen sich Verkaufsförderungsaktionen in der Regel schnell und zu
geringen Kosten vortesten; des weiteren stellte er fest, dass einige große Unternehmen bei jeder lanGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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desweiten Verkaufsförderungsaktion unterschiedliche Verkaufsförderungsstrategien in ausgewählten
Marktgebieten vortesten. Zu diesem Zweck kann man z.B. unterschiedliche Angebote von den Verbrauchern bewerten oder einstufen lassen oder regional im Markt ausprobieren.
22.1.3.5. Durchführung und Kontrolle des Verkaufsförderungsprogramms
Für jede Verkaufsförderungsaktion sollten Durchführungs- und Kontrollpläne erstellt werden. Zur
Durchführung muss man die Vorlaufzeit und die eigentliche Laufzeit der Aktion berücksichtigen. Unter
Vorlaufzeit versteht man den Zeitraum, der von der Vorbereitung bis zur Einführung des Programms
erforderlich ist. Zur Programmvorbereitung zählen Planung, Entwurf und Genehmigung von Verpakkungsänderungen oder von Verkaufsförderungsmaterial, das an die Haushalte versandt oder verteilt
werden soll, Vorbereitung von begleitendem Werbe- und POP-Material, Einweisung des Außendienstpersonals, Festlegung des Verteilungsschlüssels für die einzelnen Absatzmittler, Einkauf und Druck
von speziellen Zugaben oder Verpackungsmaterialien, Aufbau von Lagerbeständen und Bereithaltung
der Ware in Distributionszentren, damit sie am Tag des Aktionsbeginns verfügbar ist, und schließlich
ihre Verteilung an den Einzelhandel. Die Laufzeit beginnt mit dem Start der Aktion und endet, wenn
sich rund 95 % der Aktionsware in den Händen der Verbraucher befindet; dies kann sich – je nach Art
der Aktion – von einem bis zu mehreren Monaten erstrecken.
22.1.3.6. Auswertung der Ergebnisse
Nach Strang wird der Bewertung von Verkaufsförderungsprogrammen nur wenig Beachtung geschenkt. Und auch wenn Versuche zur Ergebnisbewertung einer Verkaufsförderungsaktion unternommen werden, sind sie wahrscheinlich eher oberflächlich. Die Bewertung von Verkaufsförderungsaktionen auf ihre Rentabilität ist sogar noch weniger verbreitet. Die Auswertung von Ergebnissen der
Verkaufsförderung ist möglich und wichtig, um Effektivitätsverbesserungen zu erreichen.
22.2. Public Relations
Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiges Kommunikationswerkzeug zur Unterstützung der Marketingarbeit. Das Unternehmen muss nämlich nicht nur zu den Verbrauchern, Lieferanten und Händlern ein positives Verhältnis aufbauen. Es muss auch sein Verhältnis zu vielen Gruppen
der Öffentlichkeit konstruktiv beeinflussen, um sein Image und das seiner Produkte zu fördern und zu
beschützen. Wir definieren eine solche Gruppe der Öffentlichkeit wie folgt: Ein Gruppe der Öffentlichkeit ist für das Unternehmen jede Gruppe, die aktuell oder potentiell die Interessen des Unternehmens
berührt und die Verfolgung der Unternehmensziele beeinflussen kann. So eine Gruppe – z.B. Aktionäre, Mitarbeiter, Gesetzgeber, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – kann dem Unternehmen bei
der Verfolgung seiner Ziele den Weg ebnen oder es behindern.
22.2.1. Entscheidungen zum Einsatz von Marketing-PR
Der Einsatz von Marketing-PR erfordert Entscheidungen zur Bestimmung der zu unterstützenden
Marketingziele, zur Auswahl der PR-Botschaften und PR-Träger, zur Durchführung des Marketing-PRPlans, sowie zur Bewertung der PR-Ergebnisse.
22.2.1.1. Bestimmung der zu unterstützenden Marketingziele
Marketing-PR kann folgende Ziele unterstützen: Bekanntheit aufbauen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufbauen, Außendienst und Handel motivieren, Kosten der Absatzförderung niedrig halten. Für
jede PR-Kampagne sollten bestimmte Ziele festgelegt werden.
22.2.1.2. Auswahl der PR-Botschaften und der PR-Träger
Der PR-Fachmann befasst sich als nächstes mit der Ermittlung und Erarbeitung interessanter Mitteilungen über das Produkt.
22.2.1.3. Durchführung des Marketing-PR-Plans
PR-Maßnahmen müssen sorgfältig durchgeführt werden. Nehmen wir z.B. die Streuung von Mitteilungen in den Medien. Eine aufsehenerregende Mitteilung kann leicht untergebracht werden. Die meisten
Mitteilungen sind jedoch nicht sehr außergewöhnlich und werden möglicherweise von den Redakteuren nicht akzeptiert. Mit der wichtigste Vorteil des Einsatz von PR-Fachleuten ist deren persönliche
Beziehung zu den Redakteuren der verschiedenen Medien.
22.2.1.4. Bewertung der Ergebnisse von PR-Maßnahmen
Der Erfolgsbeitrag von PR-Maßnahmen ist schwer zu messen, da sie meist in Kombination mit anderen Instrumenten der absatzfördernden Kommunikation eingesetzt werden. Der Erfolgsbeitrag von
PR-Maßnahmen ist leichter zu bewerten, wenn sie zeitliche von den anderen Instrumenten der absatzfördernden Kommunikation eingesetzt werden. Einige mögliche Messgrößen sind:
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22.2.1.4.1. Anzahl der Medienkontakte
Die einfachste Messgröße für die Wirksamkeit von PR-Maßnahmen ist die Anzahl der verbreiteten
Medienkontakte. PR-Agenturen legen ihren Klienten eine Aufstellung vor, in der alle Medien aufgeführt sind, die über das Produkt berichtet haben, und zusätzlich einen Kurzbericht. Dieses Messverfahren nach Medienkontakten ist nicht sehr zufriedenstellend. Es sagt nichts darüber aus, wie viel
Zielpersonen die Botschaft tatsächlich gelesen, gehört oder behalten haben und was sie nachher darüber dachten. Es liefert keine Angaben über die tatsächlich erreichten Zielpersonen, da es bei Veröffentlichungen in den Printmedien zu Überschneidungen bei der Leserschaft kommt.
22.2.1.4.2. Veränderung beim Produktbekanntheitsgrad, den Produktkenntnissen und den Produkteinstellungen
der Zielpersonen
Eine nützlichere Messgröße sind die durch die PR-Kampagne bewirkten Veränderungen beim Produktbekanntheitsgrad, den Produktkenntnissen und den Produkteinstellungen der Zielpersonen. Von
Interesse sind hier z.B. folgende Fragen: Wie viele Zielpersonen können sich daran erinnern, die
Nachricht gehört zu haben? Wie viele haben anderen davon erzählt? Wie viele änderten ihre Meinung, nachdem sie die Nachricht gehört hatten?
22.2.1.4.3. Umsatz- und Gewinnbeitrag
Die nützlichsten Messgrößen – sofern ermittelbar – sind Umsatz- und Gewinnbeitrag. Diese Messgrößen sind jedoch außerordentlich schwer zu ermitteln und bestenfalls grob abschätzbar. In der Zukunft
dürfte in der strategischen Planung mehr Wert auf die Verknüpfung von Werbung, PR und anderen
Instrumenten der absatzfördernden Kommunikation gelegt werden.
23. Verkaufsmanagement
Mit seiner Feststellung „Everyone lives by selling something“ brachte Howard Louis Stevenson zum
Ausdruck, dass im Grunde jeder seine eigenen Fähigkeiten – oder was er sonst noch anzubieten hat
– an andere vermarktet, um ein Auskommen zu finden. Kommerzielle und andere Organisationen
lassen sich ihre Verkaufsorganisation viel kosten. Der Anteil der Vertriebsaufwendungen am Gesamtumsatz dürfte im Durchschnitt der Unternehmen etwa 15 % betragen. Auch nicht-kommerzielle Organisationen verfügen über Personal, das sich mit Verkaufsaktivitäten beschäftigt. In Clubs, Vereinen
und karitativen Organisationen gibt es Mitglieder, die sich mit der Anwerbung neuer Mitglieder beschäftigen, Spendensammlungen durchführen und damit den Zweck ihrer Organisation der Öffentlichkeit verkaufen.
23.1. Gestaltung der Verkaufsorganisation
Durch das Verkaufspersonal wird eine persönliche Verbindung des Unternehmens zu seinen Kunden
hergestellt. Bei vielen Kunden personifiziert der Vertreter das Unternehmen und holt notwendige Informationen über die Kunden ein. Deshalb muss sich das Unternehmen bei der Gestaltung der Verkaufsorganisation ausführlich damit beschäftigen, wie Arbeitsziele, Einsatzstrategien, Strukturierung,
Größe und Entlohnungssystem aussehen sollen.
23.1.1. Arbeitsziele für die Verkaufsorganisation
Die Arbeitsziele der Verkaufsorganisation müssen dem Zielmarkt sowie den angestrebten Marktpositionen des Unternehmens angepasst sein. Dabei dominierte zunächst die Vorstellung, das einzige,
was die Verkaufsorganisation erreichen sollte, sei Verkaufen, was das Zeug hält. Verkäufer mussten
Umsatzquoten erfüllen, und gute Verkäufer erfüllten ihre Umsatzquoten oder verkauften sogar noch
mehr. Später gewann die Einsicht an Beachtung, dass die Verkäufer als Problemlöser für ihre Kunden
deren Probleme herausfinden und Lösungen anbieten sollen. Neuerdings wird in einigen Branchen
das commitment selling verfolgt.
23.1.2. Einsatzstrategien für die Verkaufsorganisation
Die Unternehmen konkurrieren um die Aufträge der Kunden. Sie müssen ihr Verkaufspersonal strategisch einsetzen, so dass die richtigen Kunden zur richtigen Zeit und auf die richtige Weise besucht
werden. Verkäufer können auf unterschiedliche Weise an ihre Kunden herantreten und mit ihnen zusammenarbeiten: Verkäufer und einzelner Einkäufer, Verkäufer und Einkaufsteam, Verkaufsteam und
Einkaufsteam, Verkaufskonferenzen, Seminare zur Verkaufsvorbereitung. In jüngerer Zeit fungiert
mancher Verkäufer als Account Manager und stellt über die normale Kundenbetreuung hinaus Dialoge zwischen beteiligten Personen im einkaufenden und verkaufenden Unternehmen her, die für den
Kaufprozess relevant sind. Verkaufen erfordert immer mehr Teamarbeit.
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23.1.3. Strukturierung der Verkaufsorganisation
Aus der Einsatzstrategie ergeben sich gewissen Eckdaten für die Strukturierung der Verkaufsorganisation. Die Struktur der Organisation ist dann relativ einfach, wenn es lediglich eine einzige Produktlinie für eine einzige Branche mit regional verteilten Kunden gibt. Man würde hier die Organisation territorial strukturieren. Wenn aber das Unternehmen viele Produkte an viele unterschiedliche Kunden
verkauft, könnte es seine Verkaufsorganisation auch nach Produkten oder Kundenmärkten strukturieren. Diese unterschiedlichen Strukturformen werden im folgenden genauer durchleuchtet.
23.1.3.1. Territoriale Struktur
Bei dieser einfachsten Strukturform der Verkaufsorganisation wird jedem Verkäufer exklusiv ein Gebiet zugeteilt, in dem er die gesamte Produktlinie des Unternehmens vertritt. Diese Struktur bringt
mehrere Vorteile mit sich. Erstens ist hier die Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten
zwischen den einzelnen Verkäufern klar geregelt. Da in jedem Gebiet nur ein Verkäufer tätig ist, trägt
er dort auch die gesamte Verantwortung für die Verkaufsergebnisse, insoweit diese seinem Einfluss
unterliegen. Zweitens biete die alleinige Gebietsverantwortung dem Verkäufer einen Ansporn.
23.1.3.1.1. Gebietsgröße
Die Gebiete können so ausgelegt werden, dass sie für die Gebietsverkaufsleiter entweder ein jeweils
gleich großes Umsatzpotential oder eine jeweils gleich große Arbeitsbelastung mit sich bringen. Eine
Untersuchung in Deutschland zeigte, dass etwa die Hälfte der Unternehmen das Umsatzpotential und
ein Fünftel die Arbeitsbelastung als Kriterium für die Gebietseinteilung benutzen. Weiterhin wählt ein
Fünftel der Unternehmen Reisezeiten bzw. Entfernungen als Einteilungskriterium, während das aus
ökonomischer Sicht sinnvolle Kriterium Deckungsbeitragsoptimierung bei keinem Unternehmen zum
Tragen kommt. Die Vor- und Nachteile einer Einteilung nach Gleichartigkeit des Umsatzpotentials
bzw. der Arbeitsbelastung werden im folgenden erläutert. Eine Auslegung der Gebiete nach gleich
großen Umsatzpotentialen erlaubt es den Gebietsverkaufsleitern, bei umsatzabhängigen Provisionszahlungen für alle Verkäufer gleiche Einkommensmöglichkeiten zu bieten.
23.1.3.1.2. Gebietszusammensetzung
Als Gebiete werden kleinere Einheiten, wie Stadtviertel, Landkreise, Postleitzahlengebiete oder Regierungsbezirke zusammengefasst, so dass ein Umsatzpotential bestimmter Größe oder eine Arbeitsbelastung bestimmen Umfangs erreicht wird. Hier müssen die Verkehrsverhältnisse, die Kundenmentalität und die Handelsgepflogenheiten der zusammengefassten Gebiete sowie andere Gegebenheiten
berücksichtigt werden. Viele Unternehmen bevorzugen bestimmte Gebietsformen, weil sie damit die
Kosten, den Aufwand der Abdeckung und die Zufriedenheit des Käufers ausgewogen gestalten wollen. Gebietsformen, die man öfter antrifft, sind z.B. die runde form, die Kleeblatt form oder die Keilform. Heutzutage können Unternehmen ihre Verkaufsgebiete mit Hilfe von Computerprogrammen
festlegen, mit denen man in bezug auf festgelegte Kriterien, wie z.B. Gleichartigkeit von Bearbeitungsaufwand bzw. Umsatzpotential und minimale Reiseentfernungen, optimale Lösungen finden
kann.
23.1.3.2. Struktur nach Produkten
Viele Verkaufsorganisationen sind nach Produkten strukturiert, weil hier die Produktkenntnisse der
Verkäufer wichtig sind, weil die Unternehmen ihre gesamte Organisation getrennt nach Produkten in
Sparten aufgliedern und weil sie das Produktmanagement eingeführt haben. Eine Spezialisierung der
Verkäufer auf Produkte ist insbesondere dann angebracht, wenn ein Unternehmen technisch komplexe, zahlreiche oder äußerst unterschiedliche Produkte anbietet. So ist z.B. die deutsche Tochtergesellschaft des schwedischen Stahlkonzerns Sandvik in vier Produktbereiche untergliedert: Edelstahlprodukte, Hartmetalle, Werkzeuge und Förderbänder aus Stahl. Jeder Produktbereich arbeitet mit
einer eigenen Verkaufsorganisation. Ein weiteres Beispiel ist Kodak in den USA mit jeweils einer eigenen Vertriebsorganisation für fotografische Filme und Industrieprodukte.
23.1.3.3. Struktur nach Kundentypen
Die Unternehmen spezialisieren den Verkauf oft auch nach Branchen oder Kundentypen: Sie bilden
für unterschiedliche Branchen und Kundentypen eigene Vertriebsorganisationen. So richtete IBM in
den USA für die Kunden im Finanz- und Kapitalmarkt, aber auch für die Kunden in der Automobilbranche, jeweils ein eigenes Verkaufsnetz ein. Ein offensichtlicher Vorteil dieses Vorgehens liegt darin,
dass in jedem Teilbereich der Organisation gründliche Kenntnisse über die Bedürfnisse jedes Kunden
gesammelt werden. Auch aus Kundensicht ist diese Verkaufsstruktur von Vorteil, wenn die Kunden
Produkt- und Dienstleistungssysteme und nicht Einzelprodukte kaufen wollen. So wollen viele Unternehmen alle haustechnischen Anlagen in ihren Bürogebäuden aus einer Hand installiert und gewartet
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haben, statt für jedes einzelne haustechnische Produkt unterschiedliche Lieferanten und Wartungsfirmen beauftragen zu müssen.
23.1.3.4. Komplexe Strukturen
Wenn ein Unternehmen zahlreiche Produkte an viele, über ein großes geographisches Gebiet verteilte
Kundentypen verkauft, werden zur Organisation des Verkaufspersonals oft mehrere Strukturierungsprinzipien eingesetzt. Die Verkäufer können sich dann z.B. nach Verkaufsgebieten und Produkten,
nach Verkaufsgebieten und Kunden, nach Produkten und Kunden oder sogar nach Gebieten, Produkten und Kunden spezialisieren. Bei einer solchen Spezialisierung hat der Verkäufer oft das Problem,
dass er gleichzeitig mehreren gleichrangigen Verkaufsleitern rechenschaftspflichtig ist, die entweder
für die Region, die Produkte oder bestimmte Kundentypen verantwortlich sind. Diese Manager haben
wiederum das Problem, dass sie mit den Verkäufern und auch untereinander zu einem fruchtbaren
Arbeitsverhältnis finden müssen. Komplexe organisatorische Mischformen ergeben sich insbesondere
dann, wenn Unternehmen Kunden unterschiedlicher Größe und Einkaufsmacht haben.
23.1.4. Größe der Verkaufsorganisation
Wenn das Unternehmen die Einsatzstrategie und -struktur ausgearbeitet hat, dann muss die Größe
der Organisation und die angestrebte Mitarbeiterzahl festgelegt werden. Die Verkäufer gehören zu
den produktivsten und auch zu den teuersten Ressourcen eines Unternehmens. Eine Aufstockung
des Verkaufspersonals bedeutet mehr Umsatz und auch mehr Kosten. Wenn ein Unternehmen weißt,
wie viele Kunden es mit seiner Verkaufsorganisation bearbeiten will, dann kann es die Größe der Organisation anhand des erforderlichen Bearbeitungsaufwandes bestimmen. Dabei geht man methodisch wie folgt vor: Die Kunden werden nach ihrem jährlichen Umsatz in unterschiedliche Größenklassen eingeordnet; Die gewünschte Besuchsfrequenz wird für jede Größenklasse festgelegt; Die Zahl
der Kunden in jeder Größenklasse wird mit der angestrebten Besuchshäufigkeit multipliziert; Die Zahl
der Verkaufsbesuche, die von einem Verkäufer pro Jahr im Durchschnitt getätigt werden sollen, wird
festgelegt; Die Zahl der benötigten Verkäufer wird errechnet, indem die Gesamtzahl aller Kundenbesuche durch die pro Verkäufer zu bewältigende Zahl an Besuchern dividiert wird.
23.1.5. Entlohnungssystem für das Verkaufspersonal
Um gute Verkäufer für sich gewinnen und halten zu können, muss das Unternehmen ein attraktives
Entlohnungssystem entwickeln. Verkäufer wünschen sich ein regelmäßiges Einkommen, wollen für
überdurchschnittliche Leistungen zusätzlich belohnt werden und möchten, dass große Erfahrung und
lange Betriebszugehörigkeit honoriert werden. Im Gegensatz dazu bevorzugen die Unternehmen Entlohnungssysteme, die einfach, wirtschaftlich und administrativ problemlos beherrschbar sind. Im
Spannungsfeld zwischen diesen divergierenden Vorstellungsweiten findet man auch außerordentlich
viele unterschiedliche Entlohnungssysteme. Das Management muss das Einkommensniveau und die
Einkommenskomponenten für das Verkaufspersonal festlegen.
23.2. Management der Verkaufsorganisation
Wenn Arbeitsziele, Einsätze, Strategien, Struktur, Größe und Entlohnungssystem festgelegt sind,
verbleibt immer noch die Aufgabe, die Verkaufsorganisation aufzubauen und zu führen. Dazu muss
Verkaufspersonal gewonnen, ausgewählt, geschult, angeleitet, motiviert und beurteilt werden. Dabei
sind Entscheidungen zu treffen, Grundsätze aufzustellen und Verfahren einzuhalten.
23.2.1. Gewinnung und Auswahl von Verkaufspersonal
Die Auswahl guter Verkaufskräfte ist von zentraler Bedeutung für ein erfolgreiches Management der
Verkaufsorganisation. Nicht alle Verkäufer sind gleich tüchtig. Die Unterschiede sind hier sehr groß.
Selbst wenn man ein Produktivitätsgefälle bei den Verkäufern als naturgegeben hinnimmt, wäre es
doch eine große Ressourcenvergeudung, ungeeignete Personen als Verkäufer einzustellen, nur um
sie bald darauf wieder entlassen zu müssen. Bei vielen Unternehmen ist die Fluktuation des Verkaufspersonals im Vergleich zu anderen Abteilungen hoch.
23.2.1.1. Eignungskriterien
Die Auswahl von Verkäufern wäre einfach, wenn man genau wüsste, welche Eigenschaften der ideale
Verkäufer besitzen muss. Als Ausgangspunkt nimmt man am besten die Kunden und fragt sie, welche
Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen sie bei Verkäufern schätzen. Die meisten Kunden geben an, dass ein Verkäufer ehrlich, zuverlässig, fachlich versiert und hilfsbereit sein sollte. Das Untenehmen sollte diese Kriterien bei der Auswahl der Kandidaten berücksichtigen. Ein anderer Ansatz zur
Bestimmung der gewünschten Verkäufereigenschaften besteht darin, dass man erfolgreiche Verkäufer beobachtet und feststellt, welche Eigenschaften sei gemeinsam haben.
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23.2.1.2. Anwerbungsverfahren
Wenn die Auswahlkriterien feststehen, muss entsprechendes Personal angeworben werden. Diese
Aufgabe fällt in der Regel der Personalabteilung zu. Sie sucht Bewerber, indem sie z.B. das Verkaufspersonal um Namen möglicher Interessenten bittet, Arbeitsämter und private Stellenvermittler anschreibt, Stellen per Zeitungsanzeigen ausschreibt oder mit jungen Leuten, die noch in der Ausbildung
sind, Kontakt aufnimmt. Zu letzterem ist anzumerken, dass es nicht leicht ist, Studenten mit akademischer Ausbildung das Verkaufen zu verkaufen. Dies trifft nicht nur auf Europa, sondern auch auf die
USA zu.
23.2.1.3. Verfahren zur Beurteilung von Bewerbern
Ein erfolgreiches Anwerbungsverfahren führt zu vielen Bewerbungen, und das Unternehmen muss
dann die besten Kandidaten auswählen. In der Praxis gibt es auch bei den Auswahlverfahren große
Unterschiede. In manchen Fällen stützt man sich lediglich auf ein einziges informelles Interview, in
anderen Fällen wird der Bewerber – und manchmal auch seien Frau – zahlreichen und gründlichen
Tests und Interviews unterzogen. Immer mehr Unternehmen prüfen die Bewerber für Verkaufspositionen anhand von formalen Tests. Obwohl die Testergebnis lediglich ein einzelnes Informationselement
innerhalb eines umfassenden Bewertungsschemas darstellen, zu dem auch persönliche Charakteristika, Empfehlungsschreiben, graphologische Gutachten, der bisherige Werdegang und das Meinungsbild der unternehmensinternen Interviewer gehören, wiegen diese Testergebnisse in manchen Unternehmen besonders schwer.
23.2.2. Schulung des Verkaufspersonals
Manche Unternehmen teilen die neuen Mitarbeiter sogleich in den Außendienst zur Kundenbetreuung
ein. Sie geben ihnen Produktmuster, Auftragsbücher, Kundenlisten und Tourenpläne in die Hand und
rüsten sie mit reichlich Warenproben, Bestellformularen und einer Beschreibung ihres Verkaufsgebietes aus. Dies reicht in der Regel natürlich nicht aus. Insbesondere neue Mitarbeiter im Vertrieb müssen gründlich eingearbeitet und geschult werden. Aber auch langgediente Verkäufer sind nicht immer
so erfolgreich, wie sie selbst und andere es eigentlich erwarten.
23.2.3. Anleitung des Verkaufspersonals
Der neue Verkäufer braucht mehr als ein Verkaufsgebiet, ein Entgelt und ein Schulungsprogramm –
er braucht auch Anleitung. Angeleitet zu werden ist das Schicksal aller, die unselbständige Arbeit leisten. Die Anleitung ergibt sich aus dem natürlichen und fortdauernden Interesse des Arbeitgebers an
der Tätigkeit seiner Mitarbeiter. Der Arbeitgeber hofft, damit die Anstrengungen des Verkäufers in die
gewünschten Bahnen lenken und ihn zu einer besseren Leistung motivieren zu können. Unternehmen
schreiben ihren Verkäufern in unterschiedlichem Maße vor, was sie zu tun haben.
23.2.3.1. Normwerte für die Besuchsfrequenz bei aktuellen Kunden
Die meisten Unternehmen teilen ihre Kunden in die Größenklassen A, B und C ein. Diese Teinteilung
richtet sich nach dem Umsatzvolumen, dem Gewinnpotential und dem Wachstumspotential der Kunden. Für jede Kundenkategorie wird die angestrebte Anzahl von Besuchen pro Zeitraum festgelegt.
Die Kunden der Kategorie A könnten z.B. neunmal pro Jahr besucht werden, die B-Kunden sechsmal
und die C-Kunden dreimal. Die Normwerte für die Besuchsfrequenz hängen vom Wettbewerb und
Umsatzpotential mit den Kunden ab.
23.2.3.2. Normen für den Besuchsaufwand bei potentiellen Kunden
Die Unternehmen legen oft fest, wie viel Aufwand der Außendienst in das Aufspüren und Ausloten
neuer Kunden stecken soll. Ein Unternehmen kann z.B. vorgeben, dass seine Verkäufer 25 % ihrer
Zeit auf potentielle Neukunden verwenden und dass sie einen potentiellen Kunden aufgeben sollen,
wenn sich nach drei Besuchen keinerlei Erfolgschancen abzeichnen. Solche Normen werden aus
unterschiedlichen Gründen definiert. Ohne Richtnormen würden die Verkäufer den größten Teil ihrer
Zeit bei den vorhandenen Kunden verbringen: Sie wissen, was sie dort erwarten können. Die Verkäufer können dort mit großer Treffsicherheit einige Aufträge erhalten, während ein neuer Kunde möglicherweise nie einen Auftrag erteilt.
23.2.3.3. Effizienter Zeiteinsatz
Das Verkaufspersonal muss darin angeleitet werden, wie es die verfügbare Zeit plant und einsetzt.
Der Besuchs-Jahresplan liefert ein Planungswerkzeug, das vorgibt, welche Kunden und potentielle
Kunden in jedem Monat aufgesucht und welche Vorhaben dabei verwirklicht werden sollen. Die Aktivitätselement-Analyse ist ein weiteres Planungshilfsmittel, das dem Verkäufer aufzeigt, mit welchen
Aktivitäten er seine Zeit verbringt, und ihm so mögliche Ansatzpunkte für einen effizienteren ZeiteinGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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satz liefert. Folgende Aktivitätselemente fallen beispielsweise an: Besuchsvorbereitung, Reisen, Mahlzeiten und Pausen, Verkaufsgespräche, Verwaltungsarbeit. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn nur 25 %
der Arbeitszeit von Verkäufern auf direkte Kundengespräche entfallen.
23.2.4. Motivierung des Verkaufspersonals
Ohne Zweifel gibt es einige wenige Verkäufer, die sich mit äußerster Kraft einsetzen, auch ohne dass
sie vom Verkaufsmanager dazu animiert werden. Für sie ist das Verkaufen die faszinierendste Aufgabe der Welt. Sie sind strebsam und eigenmotiviert. Die Mehrzahl der Verkäufer müssen sehr wohl
immer wieder dazu ermutigt und mit besonderen Anreizen angehalten werden, ihr Bestes zu geben.
Dies ist auf folgenden Faktoren zurückzuführen: die Natur der Verkaufsarbeit, die Natur des Menschen, persönliche Probleme.
23.2.4.1. Umsatzvorgaben
Viele Unternehmen legen Quoten für ihre Verkäufer fest, die vorgeben, welche Produktmengen sie
während eines Jahres verkaufen sollen. Die Quoten können sich auf den Umsatz, den Absatz, den
Deckungsbeitrag, den persönlichen Einsatz, die gesetzten Aktivitäten und den Produkttyp beziehen.
Oft ist das Entlohnungssystem an die Erfüllung dieser Quoten gekoppelt. Die Verkaufsquoten errechnen sich aus dem jährlichen Marketingplan. Auf diesem Plan beruht die Verkaufsmengenprognose.
23.2.4.2. Weitere Motivationsmittel
Es gibt noch einige weitere Motivationsmittel für den Außendienst. So könnten regelmäßige Verkäufertreffen anberaumt werden. Sie bringen Abwechslung und die Gelegenheit, höhere Vorgesetzte
kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen, Meinungen zu äußern und sich mit einer größeren Gruppe zu identifizieren. Verkäufertreffen sind ein wichtiges Mittel der Kommunikation und Motivation. Die
Unternehmen organisieren auch Verkaufswettbewerbe, um zu intensiveren Verkaufsanstrengungen
aufzurufen, als sie unter normalen Umständen zu erwarten wären.
23.2.5. Beurteilung des Verkaufspersonals
Bisher haben wir nach vorn gerichtete Maßnahmen der Verkäuferführung beschrieben, dh an die Verkäufer gerichtete Anweisungen und Motivationsanreize für zukünftige Leistungen. Zu einer guten Anleitung gehört jedoch auch ein gutes Feedback. Zum guten Feedback wiederum gehört es, die von
den Verkäufern vollbrachte Leistung zu beurteilen. Dazu müssen laufend Informationen gesammelt
werden.
23.2.5.1. Informationsquellen
Die Verkaufsleitung erhält auf verschiedenen Wegen Informationen über die Leistung der Außendienstmitarbeiter. Die Verkaufsberichte, die von jedem Reisenden anhand seiner Kundenbesuche
erstellt werden, sind dabei die wichtigste Informationsquelle. Weitere Informationen lassen sich aus
der persönlichen Beobachtung des Reisenden durch seinen Vorgesetzten, aus Briefen und Beschwerden der Kunden, aus Nachbesuchen des Vorgesetzten bei den Kunden und aus Unterhaltungen mit anderen Reisenden gewinnen. Zu den Verkaufsberichten gehören Tätigkeitspläne und Ergebnisberichte. Der Tätigkeitsplan wird entweder durch den Resienden selbst im voraus erstellt oder ihm
als Vorschlag oder gar als Anweisung durch den Verkaufsinnendienst übermittelt.
23.2.5.2. Formale Leistungsbeurteilung
Eine formale Beurteilung bringt wenigstens drei Vorteile mit sich. Erstens muss hier die Verkaufsleitung klar festlegen und kommunizieren, worin die Verkäuferleistung besteht und wie sie gemessen
wird. Zweitens ist die Verkaufsleitung selbst aufgerufen, über jeden Verkäufer umfassende Informationen einzuholen. Und drittens wissen die Verkäufer, dass sie sich regelmäßig mit der Verkaufsleitung
zusammensetzen und offen und ausführlich über ihre Leistung sprechen müssen. Das wirkt motivierend.
23.2.5.2.1. Verkäufervergleich
Häufig werden zu Beurteilungszwecken die Leistungen der einzelnen Verkäufer gegenübergestellt.
Solche Vergleiche können jedoch irreführend sein, wenn Faktoren, die vom Verkäufer nicht beeinflusst werden können – wie das Marktpotential in seinem Gebiet, die Wettbewerbsintensität, die Werbeintensität des Unternehmens, usw. – unberücksichtigt bleiben. Des weiteren sollte der erzielte Umsatz nicht als alleiniges Vergleichskriterium herangezogen werden. Die Verkaufsleitung sollte auch
ermitteln, welchen Gewinnbeitrag der Verkäufer leistet. Dieser ergibt sich aus den Aufwendungen des
Verkäufers und der Zusammensetzung des von ihm verkauften Produktmix.
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23.2.5.2.2. Vergleich zu Vorperioden
Ein zweites Beurteilungskonzept ist die Gegenüberstellung der aktuellen und früheren Leistung des
Verkäufers. Dieser Vergleich sollte den Fortschritt aufzeigen, der sich aufgrund zunehmender Erfahrung im Marktgebiet und mit den Kunden ergibt.
23.2.5.2.3. Beurteilung aus Sicht der Kunden
Die Meinungen der Kunden über die Verkäufer, Produkte und Kundendienstleistungen können mittels
Fragebogen per Post oder durch eine telefonische Untersuchung erfasst werden. Es ist aber auch
üblich, dass die zuständigen Verkaufsleiter bei den Kunden einzelner Verkäufer Nachbesuche tätigen
und dabei nicht nur feststellen, ob die Besuchsberichte des Verkäufers stimmen, sondern auch, wie
der Verkäufer bei den Kunden ankommt. Bei diesen Nachbesuchen eröffnet der Vorgesetzt das Gespräch, indem er den Kunden wissen lässt, dass es zu seinem Aufgabenbereich gehört, immer wieder
einmal bei den Kunden vorzusprechen. Er wird sich erkundigen, ob sie mit der Betreuung durch das
Unternehmen und seine Verkäufer zufrieden sind und ob auf gewissen Gebieten größere Anstrengungen oder Verbesserungen erforderlich sind. Dem Kunden wird klargemacht, dass der Nachbesuch in
seinem eigenen Interesse erfolgt.
23.2.5.2.4. Qualitative Beurteilung der Verkäufer
Die qualitative Leistung des Verkäufers kann danach beurteilt werden, wie viel er über das Unternehmen, die Produkte, Kunden und Wettbewerber, sein gebiet und seine Aufgaben weiß. Ebenso können
Persönlichkeitseigenschaften, wie z.B. Umgangsformen, Erscheinungsbild, Redegewandtheit und
Temperament eines Verkäufers anhand einer Bewertungsskala beurteilt werden. Der Vorgesetzte
kann auch Probleme im Bereich der Motivation und Befolgung von Anweisungen in die qualitative
Beurteilung einfließen lassen. Zudem kann überprüft werden, ob der Verkäufer die für seine Arbeit
relevanten Gesetze kennt und befolgt. Jedes Unternehmen muss für sich selbst entscheiden, was im
Rahmen der qualitativen Beurteilung am wichtigsten ist.
23.3. Grundlagen für das persönliche Verkaufen
Nachdem wir die Planung und das Management der Verkaufsorganisation erörtert haben, wenden wir
uns nun der Kerntätigkeit der Verkaufsorganisation zu, nämlich dem Verkauf selbst. Das persönliche
Verkaufen ist eine schon von alters her betriebene Kunst; über diese Kunst und ihre Prinzipien wurde
viel geschrieben. Man ist weitgehend der Auffassung, dass erfolgreiche Verkäufer sich nicht allein von
ihrem Instinkt leiten lassen, sondern methodisch darin geschult sind, analytisch vorzugehen und mit
Kunden umzugehen. Wir gliedern hier die Grundlagen für das persönliche Verkaufen in drei wesentliche Teile: Die Vorgehensschritte beim professionellen Verkaufen, die Verhandlungsführung und das
Management von Kundenbeziehungen.
23.3.1. Vorgehensschritte beim professionellen Verkaufen
Viele Unternehmen investieren jährlich viel Geld in die Schulung ihrer Verkäufer, damit diese auf professionelle Weise verkaufen. Die Mehrzahl der Schulungsmaßnahmen zielt darauf ab, passive Auftragsempfänger in aktive Auftragsbeschaffer zu verwandeln. Auftragsempfänger arbeiten mit folgender mentaler Einstellung: Die Kunden kennen ihre Bedürfnisse selbst und wissen, was sie brauchen;
sie würden jeden Versuch, sie zu beeinflussen, ablehnen; sie bevorzugen Verkäufer, die höflich und
zurückhaltend sind. Ein Verkäufer, der nur mal so eben beim Kunden vorbeischaut und ihn fragt, ob er
vielleicht etwas braucht, verkörpert z.B. diese Einstellung. Bei der Schulung eines Verkäufers zum
Auftragsbeschaffer kann man von zwei unterschiedlichen Konzepten ausgehen, dem verkaufsorientierten Konzept und dem kundenorientierten Konzept.
23.3.1.1. Suche nach geeigneten Kunden
Der erste Schritt im Verkaufsprozess ist das Aufspüren potentieller Käufer. Das Unternehmen kann
zwar auch Hinweise liefern, doch die Verkäufer müssen von sich aus das Geschick entwickeln, Hinweise auf potentielle Käufer zu finden. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten, z.B.: bestehende Kunden werden um die Namen anderer potentieller Kunden gebeten; Kontaktpflege zu anderen Quellen
für mögliche Hinweise, wie z.B. Lieferanten, Zwischenhändler, Verkäufer nicht konkurrierender Unternehmen, Banken und Berufsverbänden, verbunden mit der bitte um entsprechende Hinweise; Mitgliedschaft in Vereinen, so potentiellen Kunden zu finden sind; Stellungnahmen zu Kundenproblemen
in Wort und Schrift, um so als Problemlöser aufzufallen und angesprochen zu werden; Durchforstung
veröffentlichter Datenquellen nach neuen Kundennamen; Verfolgung von Spuren auf Hinweisquellen
und Hinweise per Telefon oder Anschreiben; unangemeldete Besuche bei potentiellen Kunden. Der
Verkäufer kann erfolgsversprechende Spuren geschickt herausfiltern. Potentielle Kunden können
nach ihrer Kaufkraft, dem zu erwartenden Umfang ihrer Aufträge, nach eventuell besonderen Anforde-
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rungen, nach der geographischen Lage und der Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Beziehung sortiert werden.
23.3.1.2. Vorannäherung
Der Verkäufer sollte möglichst viel über den potentiellen Neukunden in Erfahrung bringen. Besonders
wichtig ist dies im Industriegütermarketing. Er sollte feststellen, was das Kundenunternehmen benötigt, wer bei der Kaufentscheidung mitwirkt, wie gekauft wird und womit man die Einkäufer persönlich
ansprechen kann. Der Verkäufer kann hier z.B. Firmenverzeichnisse, gemeinsame Bekannte oder
andere Personen zu Rate ziehen, um den Kunden auszukundschaften. In der Vorannäherungsphase
sollte sich der Verkäufer für den ersten Besuch bereits ein Ziel setzen und sich überlegen, ob er sich
z.B. den potentiellen Kunden nur etwas näher ansehen, ob er bestimmte Informationen einholen oder
ob er bereits auf einen Abschluss hinsteuern will.
23.3.1.3. Annäherung
Inzwischen muss der Verkäufer entschieden haben, wie er die erste Begegnung mit dem Kunden
gestalten will, um von Anfang an eine gute Beziehung aufbauen zukönnen. Das Erscheinungsbild des
Verkäufers, die Gesprächseröffnung und die sich daran anschließenden Erläuterungen sind hier die
wesentlichen Elemente. Der Verkäufer kann sich z.B. von der Kleidung her dem Käufer anpassen,
sich dem Käufer gegenüber höflich und aufmerksam verhalten und störende Verhaltensweisen vermeiden. Besonders im internationalen Geschäft ist hier viel Einführungsvermögen erforderlich. In der
Gesprächseröffnung sollte ein positiver Ansatz erkennbar sein.
23.3.1.4. Angebotspräsentation
Der Verkäufer erklärt dem Kunden, worum es sich bei seinem Produkt handelt, und kann sich dabei
z.B. des AIDA-Ansatzes bedienen: Er geht schrittweise vor und weckt zunächst die Aufmerksamkeit
des Kunden, erhält dessen Interesse aufrecht, schürt sein Verlangen nach dem Produkt und lenkt ihn
schließlich hin zum abschließenden Kauf. Der Verkäufer stellt im Gespräch immer wieder die Vorteile
für den Kunden heraus, wobei ihm die Ausstattungsmerkmale des Produkts als Beleg für diese Vorteile dienen. Die Kundenvorteile schlagen sich in geringeren Kosten, weniger Arbeitsaufwand oder einem höheren Gewinn für den Käufer nieder. Oft wird im Verkauf der Fehler begangen, Produkteigenschaften in den Vordergrund zu stellen, statt die Kundenvorteile zu betonen. Es haben sich drei typische Arten von Angebotspräsentationen herausgebildet, nämlich die Fertig-Methode, die BausatzMethode und die individuelle Bedürfniserfüllungsmethode.
23.3.1.5. Beseitigung von Einwänden
Kunden haben fast immer Einwände – entweder bereits während der Präsentation oder erst dann,
wenn es um die Bestellung geht. Die Ursachen dafür können psychologische oder logische Widerstände sein. Psychologische Widerstände liegen vor, wenn der Kunde meint, man mische sich in seine Angelegenheiten, wenn er seine alten Gewohnheiten liebt, gleichgültig ist, nur zögerlich etwas
aufgibt, mit dem Verkäufer Unangenehmes assoziiert, glaubt, bevormundet zu werden, festgefahrene
Vorstellungen hat, Entscheidungen scheut und in Geldangelegenheiten ängstlich ist. Logische Widerstände resultieren aus Einwänden gegen den Preis, den Liefertermin oder gewisse Merkmale des
Produkts oder des Unternehmens. Um diese Einwände zu entkräften, sollte der Verkäufer sie möglichst von der positiven Seite anpacken, den Käufer zur Präzisierung seiner Einwände veranlassen,
ihm Fragen stellen, so dass er selbst eine Antwort auf seine Einwände findet, die Gültigkeit des Einwands in Frage stellen oder den Einwand selbst in einen Kaufgrund ummünzen.
23.3.1.6. Abschluss
In dieser Phase zielt der Verkäufer auf den Vertragsabschluss ab. Manche Verkäufer schaffen es
nicht, bis in diese Phase vorzudringen, oder sie halten sich hier nicht besonders gut. Sie haben entweder nicht das nötige Selbstvertrauen, bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn sie um den Auftrag bitten, oder sie verpassen den psychologisch richtigen Moment des Abschlusses. Verkäufer müssen lernen, aus dem physischen Verhalten, den Behauptungen, Anmerkungen und Fragen des Käufers Abschlusssignale zu entnehmen. Zum richtigen Zeitpunkt kann dann der Verkäufer den eigentlichen Abschluss einleiten, und zwar auf vielerlei Weise: Er kann schlicht und einfach um den Auftrag
bitten; er kann die Punkte zusammenfassen, in denen Übereinstimmung erzielt wurde; er kann anbieten, der Sekretärin des Kunden bei der Ausfertigung des Auftrags behilflich zu sein; er kann den Käufer fragen, ob er Alternative A oder B wünscht und dabei den Kunden in unwesentlichen punkten, z.B.
Farbe oder Größe des Artikels eine Wahl treffen lassen; oder er kann auf die Nachteile hinweisen,
wenn die Bestellung aufgeschoben wird.
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23.3.1.7. Nachbetreuung
Dieser letzte Schritt ist erforderlich, wenn der Verkäufer sich der Zufriedenheit des Kunden vergewissern und Wiederholungskäufe sicherstellen will. Mit dem Abschluss sollte der Verkäufer sofort alle
notwendigen Details bezüglich des Liefertermins, der Zahlungsabwicklung, usw. unter Dach und Fach
bringen. Er sollte einen Besuchstermin zur Nachbetreuung vereinbaren, wenn der Kunde die erste
Lieferung erhält, und sich selbst von einer ordnungsgemäßen Installation, Betriebsanleitung und Serviceleitung überzeugen. Bei einem solchen Besuch sollten dann eventuelle Probleme aufgedeckt werden, der Verkäufer sollte den Käufer vom anhaltenden Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit
mit ihm überzeugen und unter Umständen zwischenzeitlich entstandene Zweifel an der Richtigkeit der
Kaufentscheidung abbauen. Der Verkäufer sollte einen Betreuungsplan für seine Kunden aufstellen,
um sicherzustellen, dass nicht einzelne Kunden und deren Belange vergessen werden.
23.3.2. Verhandlungsführung
Insbesondere im Geschäft zwischen Unternehmen ist Geschick in der Verhandlungsführung notwendig. Beide Parteien müssen sich über den Preis und die anderen Bedingungen des Kaufs einigen. Die
Verkäufer müssen den Auftrag bekommen, ohne dabei verlustträchtige Zugeständnisse zu machen.
23.3.2.1. Grundelemente des Verhandlungsprozesses
Marketing befasst sich mit Austausch und Austauschprozessen. Wir können zwei Grundtypen des
Austausches abgrenzen: den routinegeprägten Austausch, bei dem verwaltungstechnische Programme zur Einhaltung von Preislisten und zur Warenlogistik die Austauschbedingungen und die Durchführung bestimmen, und den verhandlungsgeprägten Austausch, bei dem der Preis und die anderen
Bedingungen ausgehandelt werden. Arndt stellte fest, dass in immer mehr Märkten der Austausch
verhandlungsgeprägt ist und gleichzeitig die Parteien oft langfristig bindende Vereinbarungen eingehen. Ein bis dahin scharfer Wettbewerb um jede einzelne Austauschaktion wird durch die Langfristigkeit der Verträge in diesen Märkten vermindert und die Zugangsmöglichkeiten für neue Wettbewerber
werden erschwert. Der Preis steht als Verhandlungsgegenstand oft im Vordergrund.
23.3.2.2. Voraussetzungen zur Verhandlungsaufnahme
Dobler hat mehrere Umstände aufgelistet, unter denen Verhandlungen auf einen Verkaufsabschluss
hin angemessen sind; er meint, die sei der Fall: wenn Preis, Qualität und Service von vielen verhandlungsrelevanten Faktoren mitbestimmt werden können; wenn die mit dem Geschäftsabschluss verbundenen Risiken nicht von vornherein feststehen; wenn die Fertigung der Kaufgegenstände lange
Zeit in Anspruch nimmt; wenn die Herstellung aufgrund zahlreicher Änderungsaufträge häufig unterbrochen wird. Die Aufnahme von Verhandlungen ist dann angebracht, wenn eine Kompromisszone für
einen Interessenausgleich der Parteien zu erwarten ist. Eine Kompromisszone gibt es dann, wenn
sich die akzeptablen Verhandlungsergebnisse der beteiligten Parteien überlappen. Ganz offensichtlich
ist es vorteilhaft, die Preisgrenze der Gegenseite zukennen und den Eindruck zu erwecken, dass die
eigene Preisgrenze höher oder niedriger liegt, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Die Offenheit, mit der
die Käufer und Verkäufer ihre Preisgrenze zu erkennen geben, wird durch die Persönlichkeit des Verhandlungsführenden, die Verhandlungsumstände und die zu erwartende zukünftige Geschäftsbeziehung bestimmt.
23.3.2.3. Verhandlungsstrategie
Zum erfolgreichen Verhandeln gehört die richtige Verhandlungsstrategie und das richtige taktische
Verhalten während der Verhandlung selbst. Die Verhandlungsstrategie umschreiben wir wie folgt:
Eine Verhandlungsstrategie zu planen heißt, sich ein generelles Verfahren zurechtzulegen, das dem
Verhandlungsführenden gute Aussichten bietet, seine Ziele zu erreichen. Einige Verhandlungsführende verfolgen z.B. im Umgang mit der Gegenseite ein Strategie der Härte, während andere davon
überzeugt sind, dass eine Strategie der Konzillianz zu besseren Ergebnissen führt. Fisher und Ury
schlagen eine Strategie der prinzipienbestimmten Verhandlungsführung vor. Sie behaupten, dass die
Anwender dieser Strategie günstige Resultate erzielen, ganz gleich, wie die Strategie der anderen
Seite aussieht.
23.3.2.4. Verhandlungstaktik
Bei Verhandlungen werden viele unterschiedliche Taktiken zum Einsatz gebracht. Den Begriff der
Verhandlungstaktik können wir wie folgt umschreiben: Die Verhandlungstaktik besteht aus Maßnahmen, die man in bestimmten Situationen des Verhandlungsprozesses ergreift. Die wissenschaftliche
und auch populärwissenschaftliche Fachliteratur liefert viele Hinweise auf diverse Verhandlungstaktiken: Drohen, Bluffen, allerletzte Angebote, hohe Eröffnungspositionen, usw. müssen auf ihre Eignung
für die gewählte Strategie geprüft werden, ehe sie genutzt werden können. Fisher und Ury sammelten
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Hinweise auf taktische Mittel, die zu der von ihnen vorgeschlagenen Strategie der prinzipienbestimmten Verhandlung passen.
23.3.3. Management der Kundenbeziehungen
Die Verkaufsaktivitäten und die Verhandlungsführung sind in der Regel transaktionsorientiert, dh sie
zielen auf einen Verkaufsakt mit dem Kunden ab. In vielen Fällen will das Unternehmen nicht nur den
einfachen Kaufakt. Vielmehr bemüht es sich, einen wichtigen Kunden zu gewinnen und ihm dauerhaft
zu dienen. Das Unternehmen möchte unter Beweis stellen, dass es fähig ist, Anforderungen des Kunden in hervorragender Art zu erfüllen, wenn er sich auf eine langfristige Beziehung festlegt. Wenn eine
langfristige Beziehung der Zusammenarbeit angestrebt wird, ist die Vorgehensweise beim Verkauf
komplexer als oben im Kapitel beschrieben.
24. Direkt- und Online-Marketing
Die meisten Unternehmen setzen die Werkzeuge Werbung, Verkaufsförderung und persönlichen verkauf im Sinne des Massenmarketing ein, um den Kunden ihr Güter und Dienstleistungen anzubieten.
Jedem der Werkzeuge fällt eine bestimmte Aufgabe zu, die damit gleichzeitig bei vielen Kunden effizient erfüllt werden soll. Die Werbung soll für Bekanntheit und Interesse sorgen, die Verkaufsförderung soll zum Kauf anregen und im persönlichen Verkauf soll der Verkaufsabschluss erzielt werden.
Beim Einsatz dieser Werkzeuge wird in der Regel kein unmittelbarer Kontakt zwischen Hersteller und
Endnutzer aufgebaut, bei dem die Hersteller die direkte Reaktion des Endnutzers auf sein Angebot
beobachten kann. Die beste Möglichkeit eines direkten Kontaktes mit dem Endnutzer besteht im persönlichen Verkauf.
24.1. Wachstum und Nutzen von Direkt- und Online-Marketing
24.1.1. Konzept des Direktmarketing
Der Begriff Direktmarketing hat im Laufe der Jahre neue Inhalte bekommen. Ursprünglich verstand
man darunter ein einfaches Marketingkonzept, bei dem Güter oder Dienstleistungen ohne einen zwischen geschalteten Absatzmittler vom Hersteller zum Konsumenten gelangt. In diesem Sinne wirken
Unternehmen, deren Verkaufsaußendienst direkt an die Endverbraucher verkauft oder die eigene
Verkaufsstellen betreiben. Später wurde der Begriff Direktmarketing für das Verkaufen durch Webebriefe oder Kataloge verwendet. Als dann auch das Telefon und andere Medien zum direkten Verkauf
an Endkunden genutzt wurden, definierte die Direct Marketing Association Direktmarketing umfassender: Direktmarketing ist ein interaktives System des Marketing, in dem ein oder mehrere Werbemedien genutzt werden, um eine messbare Reaktion bei den Kunden und/oder Transaktionen mit den
Kunden zu erzielen, die man an jedem beliebigen Ort erreichen kann.
24.1.2. Ausbreitung von Direktmarketing
1997 wurden in Deutschland für Maßnahmen des Direktmarketing 33 Mrd. DM aufgewendet. Diese
Aufwendungen stammten 1994 zu 46 % von Handels-, zu 29 % von Dienstleistungsunternehmen und
zu 25 % aus der Industrie. Alle möglichen Organisationen greifen zum Direktmarketing: Hersteller,
Einzelhändler, Dienstleistungsunternehmen, der Katalogversandhandel, Nonprofit-Organisationen,
usw. In den USA z.B. wächst das normale Handelsgeschäft jährlich um etwa 3 %, während das Geschäft der Katalog- und Direktversender jeweils um ca. 7 % zunimmt. Das Wachstum des Direktmarketing im Konsumgütermarkt ist die Antwort auf den Trend weg von der Massenbehandlung der Konsumenten, der zu immer mehr kleineren Zielmärkten mit hochgradig individuell ausgeprägten Wünschen und Präferenzen führt.
24.1.3. Vorteile des Direktmarketing
Direktmarketing bietet auch den Kunden einige Vorteile. Konsumenten, die beim Versandhandel kaufen, sind der Meinung, dass sie hier ohne Stress bequem und zeitsparend einkaufen. Sie können im
Sessel sitzend ihre Kataloge durchblättern und dabei nach Angeboten suchen und Leistungen vergleichen. Sie lernen eine größere Auswahl von Waren und auch neue Lebensstile kennen. Intensive
Preis- und Angebotsvergleiche sind möglich, wenn gleichzeitig auch Online-Kataloge durchsucht werden.
24.2. Hauptentscheidungen im Direktmarketing
Bei der Durchführung einer Direktmarketingkampagne müssen Entscheidungen getroffen werden
über: Ziele, Zielgruppe, Angebotsstrategie, Einsatzbeurteilung, Erfolgsbeurteilung. Dies soll im folgenden näher untersucht werden.
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24.2.1. Ziele
Der Direktmarketer möchte meist unmittelbar Handlungen bei den angesprochenen Interessenten
auslösen. Der Erfolg einer Kampagne wird nach der erzielten Reaktionsrate beurteilt. In der Regel
wird in einer Direktmarketingkampagne eine Kaufreaktionsrate von 2 % als gut angesehen. Dies ist
allerdings abhängig von der Produktkategorie und den Verkaufspreisen. Bis zur Kaufreaktion ist es
jedoch ein weiter Weg, der von Kunden in mehreren Reaktionsschritten durchlaufen werden kann.
24.2.2. Zielgruppe
Direktmarketer müssen Charakteristiker von solchen Kunden und Interessenten ausfindig machen, die
am ehesten zum Kauf fähig, willens und bereit sind. Bob Stone rät zur Anwendung der K-O-V-Formel
für die Bewertung und Auswahl von Adressaten aus einer Liste. Die besten Ansprechpersonen unter
den potentiellen Kunden sind diejenigen, die vor kurzem, oft und viel kaufen. Verschiedenen K-O-VAusprägungen werden Punkte zugeordnet, und jeder Kunden wird entsprechend bewertet. Je höher
die Punktezahl ist, desto attraktiver ist der Kunde für das Unternehmen.
24.2.3. Angebotsstrategie
Um die Wünsche des Zielmarktes zu befriedigen, muss eine effektive Angebotsstrategie ermittelt werden. Nach Nash besteht eine Angebotsstrategie aus folgenden fünf Elementen: Produkt, Offerte, Medium, Distributionsmethode und Kreative Durchführung. Glücklicherweise können alle diese Elementen in Pretests beurteilt werden. Bei jedem Medium sind die Regeln für einen effektiven Einsatz anders.
24.2.4. Einsatz und Einsatztests für Direktmarketingwerkzeuge
Ein großer Vorteil des Direktmarketing liegt darin, dass jeder Einsatz eines Werkzeuges gleichzeitig
einen Wirksamkeitstest unter realen Marktbedingungen darstellt. Getestet wird, ob und wie stark das
Werkzeug die Kunden aktiviert. Die gewünschte Aktivierung zeigt sich in Telefonanrufen der Kunden,
Rückläufen von Antwortkarten und Coupons sowie in Kaufakten selbst. Die Wirksamkeit einzelner
Komponenten der Angebotsstrategie lässt sich durch systematische Beobachtung der direkten Kundenreaktionen beurteilen und verbessern. Die Kaufreaktionsraten auf einzelne Aktivierungsanstöße
des Direktmarketing liegen fast immer im einstelligen Bereich.
24.2.5. Erfolgsbeurteilung
Nachdem der Marketer die Kosten einer geplanten Direktmarketingkampagne ermittelt hat, kann er
die benötigte Break-Even-Kaufreaktionsrate im voraus bestimmen. Dabei sind auch Warenrücksendungen, Auftragsstornierungen und nicht bezahlte Aufträge einzukalkulieren. Warenrücksendungen
und Stornierungen können für eine ansonsten effektive Kampagne sehr schädlich sein. Deshalb muss
der Marketer die Hauptursachen dafür schnellstens analysieren. Dazu können verspätete Lieferungen,
fehlerhafte Ware, Transportschäden, Diskrepanzen zwischen Werbeversprechungen und Produktleistungen oder unkorrekte Auftragsausführungen zählen.
24.3. Die Kundendatenbank, Kernelement im Direktmarketing
Um ein integriertes Direktmarketing erfolgreich anzuwenden, müssen die Unternehmen in ein Datenbanksystem investieren. Die Datenbank sollte bezüglich Informationsgehalt und –nutzen weit über die
einfache Adressenliste der Kunden hinausgehen. Mit ihrer Hilfe lässt sich das Direktmarketing in verfeinerter Form als Database Marketing betreiben. Beim Database Marketing wird die Datenbanktechnologie zusammen mit speziellen Analysemethoden auf die Werkzeuge des Direktmarketing angewendet, um den Kunden Angebote zu unterbreiten, die Reaktionen von Einzelkunden und Zielgruppen
zu erfassen, die Aufträge zu erfüllen und langfristig ergiebige Kundenbeziehungen herzustellen. Eine
Kundendatenbank für das Direktmarketing ist eine systematisch organisierte Sammlung von Daten
über einzelne Kunden, Interessenten oder mögliche Interessenten, die für Marketingzwecke zugänglich ist und den Marketer handlungsfähig macht.
24.4. Hauptformen des Direktmarketing
Das Direktmarketing nimmt viele Formen an. Viele Kommunikationskanäle sind verfügbar, um Kunden
und Interessenten zu erreichen. Dazu gehören der Persönliche Verkauf, der Katalogversand, das
Direktmarketing per Anschreiben, das Telefonmarketing, TV-Direktmarketing, usw., die im folgenden
beschrieben werden, aber auch das Online-Marketing, auf das im nachfolgenden Unterkapitel näher
eingegangen wird.
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24.4.1. Persönlicher Verkauf
Die ursprüngliche und älteste form des Direktmarketing ist der Außendienst eines Unternehmens.
Heute vertrauen die meisten Industriebetriebe sehr stark auf dieses Instrument, um Interessenten
zufinden, sie zu Kunden zu machen und das Geschäft anzukurbeln. Handelsbetriebe können Vertreter
der Hersteller engagieren, um den Direktverkauf wahrzunehmen. Auch viele Unternehmen im Konsumgüterbereich setze den persönlichen Verkauf ein: Versicherungen, Brokerfirmen oder Kosmetikhersteller.
24.4.2. Katalogversand
Katalogversender verschicken Kataloge an Kunden und Interessente, um von ihnen Aufträge zu erhalten. In Deutschland werden jährlich rund 460 Millionen Kataloge, dh etwa 13 Kataloge pro Haushalt,
verschickt, und zwar von sehr großen Vollsortimentern – wie Quelle und Otto -, die für weite Bevölkerungsschichten ein breites Spektrum an Produkten in ihrem Sortiment führen, während Fachsortimenter wie Conrad-Electronic und Mami & Baby bestimmte Produktmärkte oder Kundenschichten pflegen.
Auch größere Unternehmen wie Ikea haben zusätzlich zu ihrem angestammten Geschäft Katalogversandabteilungen eingerichtet. Darüber hinaus gibt es Tausende von kleinen Unternehmen mit Katalogversand, die Kataloge für Spezialsortimente wie Unterhaltungselektronik, Waffen, Sexartikel, Gartengeräte, Damenbekleidung, Haushaltswaren, usw. herausbringen. Führende Versandhäuser zeichnen sich durch die Zusammenstellung attraktiver Sortimente und deren Darstellung in ansprechenden
vierfarbigen Umgebungsbildern aus.
24.4.3. Direktmarketing per Anschreiben
Direktmarketing per Anschreiben ist ein riesiges Geschäft. Direktmarketer verschicken einzelne Postwurfsendungen wie Briefe, Prospekte, Antwortkarten und andere Verkäufer im Briefkasten. Dabei
verwenden sie sehr fein selektierte Adressenlisten. In letzter Zeit versenden einzelne Unternehmen
auch CDs, Videobänder und sogar Computerdisketten. Ein Hersteller von Heimtrainergeräten verschickt z.B. an Interessenten eine Videokassette, die Anwendungsmöglichkeiten und gesundheitliche
vorteile eines teuren Heimtrainergeräts präsentiert.
24.4.4. Telefonmarketing
Telefonmarketing hat sich auch in den USA zu einem wichtigen Direktmarketinginstrument entwickelt
und gewinn auch in Deutschland an Bedeutung. Im Jahr 1991 haben Unternehmen in den USA schätzungsweise 234 Mrd. $ allein an Telefongebühren ausgegeben, um den Verkauf ihrer Güter und
Dienstleistungen zu unterstützen; in Deutschland wurden dagegen pro Jahr nur knapp 2 Mrd. DM für
Telefonmarketing ausgegeben. Das Telefonmarketing schaffte in den USA Ende der 60er Jahre mit
der Einführung des eingehenden und ausgehenden Wide Area Telephone Service den Durchbruch.
Mittels IN-WATS können Marketer ihren Kunden und Interessenten gebührenfreie 800Telefonnummern zur Erteilung von Aufträgen anbieten, die durch Werbung in den Printmedien oder im
Rundfunk, durch Werbebriefe oder durch Kataloge stimuliert werden. Diese Nummern könne auch für
Kundenbeschwerden oder -vorschläge genutzt werden.
24.4.5. TV-Direktmarketing
Fernsehen gewinnt ebenfalls an Bedeutung für das Direktmarketing, wobei auch hier die USA in der
Entwicklung voraus sind. Allerdings wurden auch in Deutschland 1996 bereits 650 Mio. DM für DirectResponse-TV ausgegeben. Das Fernsehen dient in zweifacher Weise zur direkten Vermarktung von
Produkten an Konsumenten. Zum ersten wird TV-Direktmarketing durch Direktreaktionswerbespots
betrieben. Dabei werden Produkte in Werbespots von etwa 60 bis 120 Sekunden Länge eindrucksvoll
beschrieben, und es wird eine Telefonnummer zur Bestellung angegeben.
24.4.6. Direktmarketing per Radio, Zeitschriften und Zeitungen
Zeitschriften, Zeitungen und Rundfunk werden ebenfalls für den Verkauf von direkt bestellbaren Produkten genutzt. Die Angesprochenen hören oder lesen von einem Angebot und erteilen über einen
gebührenfreien Telefonanruf oder einen Bestellcoupon ihre Aufträge. So zeigte eine Untersuchung,
dass etwa 65 % aller Anzeigen in Printmedien mit einer Responsemöglichkeit versehen sind, entweder Anschrift, Telefon- bzw. Faxnummer, Internetadresse, Coupon oder Beilage.
24.4.7. Kiosk-Shopping
Einige Unternehmen in den USA haben Kundenauftragsannahme-Automaten entwickelt und in Handelsgeschäfte, auf Flughäfen und an anderen Orten aufgestellt. Ein Anwendungsbeispiel sind die Kioske der Firma Host USA, die man auf Flughäfen antrifft. Der Reisende sieht auf dem Bildschirm ein
Textmenü, das ihm die Auswahl zwischen zahlreichen Produktkategorien ermöglicht, z.B. Geschenke
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und Mitbringsel für Geschäftsfreunde, spezielle Anlässe, Kinder oder Spirituosen. Zur Auswahl berührt
er den gewünschten Bereich auf dem Bildschirm. Wenn der Kunde z.B. an Samsonite-Koffern interessiert ist, wird innerhalb des gewünschten Bereichs ein Video mit den Vorteilen von Samsonite-Koffern
gezeigt.
24.5. Online-Marketing
Mit dem Aufkommen der Online-Dienste und des Internet wurden neue Kommunikationskanäle für das
Marketing eröffnet. Um diese Kanäle zu nutzen, benötigen die Konsumenten einen Computer sowie
ein Modem. Das Modem verbindet den Computer über die Telefonleitung mit der Netzwelt.
24.5.1. Vorteile von Online-Marketing
Es stellt sich die Frage, warum die Online-Kommunikation, vor allem in den USA, aber zunehmend
auch in Europa, so populär wurde. Erstens bringt sie den Kunden folgende Vorteile: Mühelosigkeit,
Informationsvergleiche, geringe Aufdringlichkeit. Zweitens bietet die Online-Kommunikation auch für
den Marketer eine Reihe von Vorteilen: schnelle Marktanpassung, Kostenanpassung, Aufbau von
Beziehungen, Kontaktmessung. Marketer müssen entscheiden, ob und wofür sie Online-Medien nutzen wollen, ob zum Auffinden neuer Kunden, zum Kontakt mit bestehenden Kunden, zur sonstigen
Marketing-Kommunikation oder zum Verkauf.
24.5.2. Der Auftritt in Online-Medien
Zum Auftritt in den Online-Medien bestehen vier Möglichkeiten, der Aufbau einer OnlineGeschäftsstelle, Platzierung von Online-Werbung, die Verwendung von E-Mail oder die Teilnahme an
offenen Kommunikationsgruppen.
24.5.2.1. Online-Geschäftsstelle
Viele tausend Unternehmen sind mittlerweile mit einer Homepage im Internet vertreten. Dieser Auftritt
entspricht einer Geschäftsstelle mit elektronischem Schaufenster, in dem Informationen in großer
Vielfalt angeboten und Geschäftsaktivitäten abgewickelt werden können wie Beschreibung des Unternehmens und der Produkte in Text und Bild; ein digitaler Katalog mit Eigenschaften, Verfügbarkeit und
Preisen von Produkten; Nachrichten aus dem Unternehmen, z.B. Geschäftsberichte, Informationen für
Aktionäre, Veranstaltungen, neue Produkte, Innovationen, usw.; technische Informationen und Produktbroschüren; Stellenangebote sowie Bewerbungshinweise; Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern;
Bestellung und Verkauf von Produkten; Bezahlung des Kaufpreises. Der Verkauf über das Internet
steckt noch in den Anfängen. Quelle machte z.B. 1997 einen Online-Umsatz von 86 Mio. DM. Der
Online-Umsatz in den USA wird für 1997 auf 2 bis 4 Mrd. $ geschätzt, mit stark steigender Tendenz.
24.5.2.2. Online-Werbung
Die Online-Werbung verläuft analog zu Werbeplakaten. Sie werden an Stellen platziert, wo sie von
vielen Menschen gesehen werden. Auf die Netzwelt übertragen, bedeutet dies, dass Werbeflächen
über die eigene Homepage hinaus auf vielfrequentierten Internet-Seiten bzw. in Online-Diensten platziert werden können. Es ist die Absicht, Besucher dieser Seiten auf das Unternehmen oder ein konkretes Produkt hinzuweisen. Dazu noch sollen die mehr oder weniger bunten und animierten Banner
den Besucher verleiten, sie mit der Maus anzuklicken und damit auf die Internet-Seiten des jeweiligen
Unternehmens zu gelangen.
24.5.2.3. E-Mail
Auch die Verwendung von E-Mail im Internet kann für das Direktmarketing genutzt werden. Unternehmen können entweder E-Mail-Listen einrichten, in die sich Interessenten freiwillig eintragen und
dann periodisch mit Firmen- oder Produktinformationen versorgt werden. Oder es können unaufgefordert und massenhaft E-Mails verschickt werden, wobei es bereits Anbieter gibt, die gegen Bezahlung
E-Mail-Adressen, teilweise nach Zielgruppen selektiert, zur Verfügung stellen können. Diese Art von
Werbung wird von den Internet-Nutzern als Spamming bezeichnet. Personen, die den E-Mail-Dienst
intensiv nutzen, klagen bereits darüber, dass ihr Postkasten zur Hälfte von Werbemails überflutet wird.
24.5.2.4. Offene Kommunikationsgruppen
Unternehmen können sich im Rahmen der Online-Kommunikation auch an verschiedenen Kommunikationsgruppen beteiligen, die nicht immer explizit für kommerzielle Zwecke eingerichtet wurden. Die
Teilnahme an diesen Foren kann dazu führen, dass Kunden das Unternehmen besser kennen lernen
und seine Offenheit besser wertschätzen. Die beliebtesten Formen dieser Kommunikation sind Online-Foren, Newsgroups und Bulletin Boards. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, von offenen Kommunikationsgruppen zu profitieren. Ein Unternehmen könnte ein eigenes Forum auf seiner Homepage
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einrichten, welches konkret die Produkte des Unternehmens zum Thema hat oder die Produktkategorie.
24.6. Integriertes Direktmarketing
Wenngleich das Direkt- und Online-Marketing in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebte, weisen
viele Unternehmen diesen Instrumenten nur eine unbedeutende Rolle in ihrem Kommunikationsmix
zu. Meist sind es die Abteilungen Werbung und Verkaufsförderung, die in einem Unternehmen das
größte Budget zur Kommunikation mit dem Kunden erhalten, und diese Budgets werden nicht gerne
geteilt. Der Außendienst sieht das Direktmarketing mitunter sogar als Bedrohung seines Aufgabenbereichs an. Häufig verlieren sie ein wenig an Kontrolle über ihr Verkaufsgebiet, wenn kleinere Kunden
und Interessenten nur noch per Post oder Telefon bedient werden. Viel Unternehmen begreifen jedoch, dass sie ihre Möglichkeiten zur Kommunikation voll ausschöpfen müssen, um weiterhin erfolgreich zu sein.
24.7. Probleme beim Direktmarketing
Durch Direktmarketing kann eine fruchtbare Beziehung zwischen Anbietern und Kunden aufgebaut,
erhalten und gefördert werden. Gelegentlich gibt es jedoch hierbei Problempunkte, wenn Anbieter die
entsprechenden Werkzeuge unbedacht oder böswillig einsetzen. Kunden fühlen sich dann belästigt,
übervorteilt, schlimmstenfalls betrogen sowie in ihrer Privatsphäre verletzt.
24.7.1. Belästigung
Viele Kunden empfinden insbesondere aufdringliche Angebote von einigen Direktmarketern als Belästigung. Sie lehnen direkte Kaufaufforderungen im Fernsehen ab, die zu laut, zu lang und zu aufdringlich sind. Sie hassen Anrufe von Direktverkäufern am Abend oder nachts. Sie mögen keine computerisierten Rückrufsysteme, bei denen sie auf ihren Anruf hin zunächst von einem Computer abgefertigt
werden, der ihnen Antwortmöglichkeiten vorgibt, die sie einhalten müssen, ehe sie zum Kern ihrer
Anfrage kommen.
24.7.2. Übervorteilung/Ausnutzung
Einige Direktmarketer zielen insbesondere auf Kunden ab, die impulsiv oder unüberlegt handeln. Sie
fördern impulsives und unüberlegtes Handeln durch sehr leichte und bequeme Bestellmöglichkeiten.
Oft versuchen sie das Interesse und die Aufmerksamkeit der Kunden dadurch zu wecken, dass sie
zunächst wie Nachrichtensprecher auftreten, die etwas Wichtiges anzukündigen haben, um dann geschickt Angebote und Kaufaufforderungen vorzutragen und sofortiges Handeln wichtig zu machen.
Dazu gehören inszenierte Produktdemonstrationen, Behauptungen von besonders vorteilhaften Preisen oder Preisreduktionen sowie psychologischer Zwang durch zeitliche Begrenzungen der Angebote
mit Hinweisen wie solange der Vorrat reicht oder Zugabegeschenke bei Bestellung innerhalb der
nächsten zehn Minuten. Wenn solche Anbieter auch unter Umständen kurzfristig erfolgreich sind, so
wird es ihnen langfristig nicht gelingen, Kunden zu gewinnen und an sich zu binden.
24.7.3. Täuschungstechniken
Einige Direktmarketer entwickeln Techniken, durch die Käufer sich getäuscht fühlen. Dies zeigt sich
im Auftreten, in der Gestaltung von Kommunikationsmedien und Werbeappellen sowie in der Darstellung von Produkten, deren Größe, Leistung und Preisgünstigkeit übertrieben wird. Manche Unternehmen gestalten ihre Postsendungen so, dass sie wie offizielle, amtliche Dokumente aussehen, oder sie
ahmen den Stil von Zeitungsberichten nach. Andere Organisationen geben vor, eine Marktuntersuchung durchzuführen, während sie in Wirklichkeit nur Fragen stellen wollen, die die Kaufwilligkeit des
Befragten testen und ihn zum Kauf führen sollen. Oft wurden solche Geschäfte von skrupellosen Organisationen an der Haustür von Kunden versucht.
24.7.4. Eindringen in die Privatsphäre
Das Eindringen in die Privatsphäre gehört zu den wichtigsten Problempunkten. Die Grenzen dazu
werden durch den Gesetzgeber und die Interessenvertretung der Direktmarketingindustrie geregelt. In
Deutschland hat das Bundesdatenschutzgesetz vom 1. Juni 1991 einen klaren Rahmen für das Direktmarketing geschaffen. Es berücksichtigt die Interessen der Betroffenen und lässt Direktmarketern
noch ausreichend Gestaltungsfreiraum. Die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten ist
darin geregelt.
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25. Organisation und Umsetzung von Marketingprogrammen
Nach den strategischen und taktischen Aspekten wenden wir uns nun der organisatorischen Seite des
Marketing zu und legen dar, wie Unternehmen ihre Marketingaktivitäten organisieren, durchführen,
kontrollieren und steuern. In diesem Kapitel behandeln wir Fragen wie: Wie strukturierten sich die
Organisationen zur Durchführung der Marketingfunktion? Was sind die Entwicklungslagen in der Organisationsgestaltung und -umgestaltung? Welches Arbeitsverhältnis ist typischerweise zwischen der
Marketingabteilung und anderen Unternehmensfunktionen anzutreffen? Was kann ein Unternehmen
organisatorisch tun, um noch marktorientierter zu werden? Wie kann das Unternehmen mehr Geschick in der Umsetzung der Marketingprogramme entwickeln?
25.1. Organisation des Unternehmens
Unternehmen brauchen neue Konzepte zur Organisation des Unternehmens und der Marketingfunktion, denn sie müssen auf wesentliche Veränderungen reagieren, die im wirtschaftlichen, technologischen, politischen und gesellschaftlichen Umfeld auftreten. Technologische Fortschritte im Computerwesen, in der Telekommunikation und der Logistik, die Ausbreitung eines weltweiten Wettbewerbs,
die wachsenden Ansprüche der Käufer, die zunehmende Bedeutung von Dienstleistungen und viele
andre äußere Gestaltungskräfte sind hier von richtungsweisendem Einfluss auf die Organisation. Als
Reaktion auf diese Veränderungen haben sich zahlreiche Unternehmen umstrukturiert. Sie konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft und nahe daran angesiedelte Geschäftsfelder. In den Jahrzehnten
davor diversifizierten viele Unternehmen in Branchen, die von ihrem Kerngeschäft gänzlich verschieden waren.
25.2. Organisation der Marketingfunktion
Die Funktion des Marketing wuchs im Laufe der Zeit von der einfachen Verkaufsfunktion zu einem
komplexen Bündel von Aktivitäten. Die Marketingfunktion war nicht immer gut integriert, weder im
Zusammenspiel ihrer Teilfunktionen noch in ihrer Beziehung zu den anderen Funktionen des Unternehmens. Es gibt viele offene Fragen und Problem zur Organisation der Marketingfunktion. Wie soll
z.B. das Arbeitsverhältnis des Marketing-Managers in der Unternehmenszentrale zu den Verkäufern
draußen gestaltet werden? Braucht ein Unternehmen wirklich einen Marketingvorstand?
25.2.1. Entwicklung der Marketingfunktionsträgerschaft
Die moderne Marketingabteilung entwickelte sich aus sehr bescheidenen Anfängen. Der Entwicklungsprozess lässt sich in sechs Stufen untergliedern, die wir auch heute noch bei einzelnen Unternehmen vorfinden können. Wir nutzen den Begriff Marketing im folgenden nicht im Sinne der Definition von Kapitel 1, sondern im Sinne der Funktionsausübung und der Funktionsträger.
25.2.1.1. Stufe 1: Marketing als Aufgabe der Verkaufsleitung
Alle Unternehmen beginnen mit fünf Grundfunktionen. Jemand im Unternehmen muss Kapital beschaffen und verwalten, Leute einstellen, das Produkt herstellen oder die Dienstleistung erbringen, es
verkaufen und über alle Vorgänge Aufzeichnung führen. Die Verkaufsfunktion wird vom Verkaufsdirektor geführt. Seine Hauptaufgabe besteht darin, das Management der Verkaufsabteilung zu übernehmen und auch selbst im Verkauf tätig zu werden. Benötigt das Unternehmen Marktforschung oder
Werbung, so fallen diese Tätigkeiten meist ebenfalls in die Kompetenz des Verkaufsdirektors, der
hierzu auf externe Dienstleister zurückgreift.
25.2.1.2. Stufe 2: Marketing als Unterabteilung im Verkauf
Wenn das Unternehmen sein Betätigungsfeld auf neue Kunden und neue geographische Regionen
ausdehnen will, müssen neben dem einfachen Verkauf immer mehr Marketingtätigkeiten ausgeübt
werden. Will z.B. ein Unternehmen aus Sachsen den hessischen Markt erschließen, dann wird es
zunächst Marktforschung betreiben, um in Erfahrung zu bringen, was die Kunden dort wünschen und
wie große das Marktpotential ist. Wenn es dann in den hessischen Markt eintritt, wird es in ausreichendem Umfang Werbung treiben müssen, um seinen Namen und seine Produkte bekannt zu machen. Der Verkaufsdirektor wird dann Spezialisten anstellen wie z.B. Werbemanager oder Marktforscher, um diese Aktivitäten durchführen zu können. Er kann sich auch dafür entscheiden, für die Gesamtkoordination dieser Tätigkeiten einen Marketingleiter oder Marketing-Manager einzustellen und
dadurch Marketing als Unterabteilung im Verkauf zu führen.
25.2.1.3. Stufe 3: Marketing als Hauptabteilung neben dem Verkauf
Bei anhaltendem Wachstum des Unternehmens und bei komplexeren Wettbewerbsbedingungen gewinnen die Teilfunktionen des Marketing – Forschung, Neuproduktentwicklung, Werbung, Verkaufsförderung und Kundendienst – im Vergleich zum bloßen Verkauf zunehmend an Bedeutung. Der VerGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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kaufsdirektor wird jedoch im Normalfall den größten Teil seiner Anstrengungen sowie seiner finanziellen Ressourcen in den Verkauf stecken. Der Marketing-Manager wird für mehr Ressourcen plädieren,
aber im Normalfall weniger erhaltne, als zum Nutzen des Unternehmens eingesetzt werden sollte. Der
Vorstand des Unternehmens gelangt allmählich zu der Überzeugung, dass Marketing als Funktion in
einer eigenen Hauptabteilung und nicht dem Vertrieb untergeordnet betrieben werden sollte, wobei ein
Marketingdirektor die Leitung übernimmt, der im gleichen Rang wie der Verkaufsdirektor steht. In diesem Entwicklungsstadium bestehen Marketing und Verkauf zwar als getrennte Funktionen nebeneinander, sind jedoch gehalten, eng zusammenzuarbeiten.
25.2.1.4. Stufe 4: Marketing als Ressort im Vorstand oder in der Geschäftsleitung
Auch wenn die beiden Spitzenleute in Verkauf und Marketing harmonisch zusammenarbeiten sollen,
so wird ihre Arbeitsbeziehung gelegentlich doch durch Rivalität und Misstrauen beeinträchtigt. Der
Verkaufsdirektor wird dagegen kämpfen, dass der Verkauf im Marketing-Mix eine weniger bedeutende
Rolle als früher spielt. Der Marketingdirektor wird ein höheres Budget für seine Marketingaktivitäten
anstreben und darauf hinweisen, dass der Verkauf seine Aktivitäten auf die Marketingpläne ausrichten
muss, damit die Zielsetzung des Unternehmens im Markt erreicht werden kann. Der Verkaufsdirektor
muss in der Regel kurzfristig Erfolge nachweisen und die geplanten Verkaufszahlen erreichen. Der
Marketingdirektor neigt in der Regel zu einer längerfristigen Orientierung und konzentriert sich darauf,
mit den richtigen Produkten und der richtigen Marketingstrategie im richtigen Markt aufzutreten, um
auf lange Sicht die Kunden zufriedenzustellen.
25.2.1.5. Stufe 5: Marketing als integrierende Funktion in fortschrittlichen Unternehmen
Ein Unternehmen kann ein Marketingressort einrichten und sich trotzdem nicht wie ein fortschrittliches
Marketingunternehmen verhalten. Letzteres hängt davon ab, wie die anderen Führungskräfte und
Mitarbeiter des Unternehmens zur Marketingfunktion stehen. Wenn sei Marketing weiterhin vornehmlich als getrennte Funktion oder gar als raffiniertere Form des Verkaufens ansehen anstellte als integrierende Funktion, so hat sich im wesentlichen nichts geändert. Nur wenn sie sehen, dass alle Abteilungen für den Kunden arbeiten und Marketing nicht nur die Bezeichnung für eine Abteilung innerhalb
der Organisation ist, sondern eine integrierende Unternehmensaufgabe, an der sich alle aktiv beteiligen, dann entsteht ein Unternehmen mit integrierendem Marketing. Im Zuge der Bemühungen um
Kostensenkung und schlanke Unternehmen waren übrigens die Marketing- und Vertriebsabteilungen
am stärksten betroffen, obwohl es ihre Aufgabe ist, für Umsatzsteigerungen zu sorgen.
25.2.1.6. Stufe 6: Marketing in der projekt- und prozessgeleiteten Organisation
Viele Unternehmen gehen dazu über, ihre Organisation auf die optimale Erfüllung von Kernprozessen
hin zu strukturieren. Abteilungs- und Ressortdenken wirkt hemmend auf abteilungsübergreifende Projekte wie Neuproduktentwicklung oder Prozesse wie Kundengewinnung und –pflege, Auftragsabwicklung und Kundendienst. Um geplante Projekt- und Prozessergebnisse zu erreichen, bestimmten Unternehmen einen Verantwortlichen, der sein disziplinübergreifendes Team leitet. Mitarbeiter aus Marketing und Vertrieb verbringen einen wachsenden Anteil ihrer Arbeitszeit als Mitglieder in Teams. Dies
führt dazu, dass Marketingfachleute in direkter Verantwortung zum Team und in indirekter Verantwortung zur Marketingabteilung stehen.
25.2.2. Alternativen zur Organisation des Marketingressorts
Fortschrittliche Marketingressorts können auf vielerlei Weise organisatorisch gegliedert sein. Für die
Arbeitsteilung und -spezialisierung gibt es vier mögliche Grundlagen, nämlich die auszuführenden
Funktionen sowie die geographischen Marktgebiete, die Produkte und die Kundenmärkte als objektorientierte Organisationsformen. Bei Objektstrukturierungen werden Aufgaben nach Zugehörigkeit zu
bestimmten Objekten gebündelt, um eine bessere Querschnittkoordination hinsichtlich dieser Objekte
zu erreichen.
25.2.2.1. Funktionale Gliederung
Die funktionale Gliederung des Marketing ist weit verbreitet. Dabei unterstehen die Funktionsspezialisten dem Marketingvorstand, der für ein Ineinandergreifen ihrer Tätigkeiten sorgt. Es ist eine schwierige Aufgabe, reibungslose Arbeitsbeziehungen zwischen den Abteilungen des Marketingressorts zu
entwickeln, ganz zu schweigen von der Abstimmung der Marketingressorts mit anderen Unternehmensbereichen. Cespedes empfiehlt den Unternehmen dringend, ihre kritischen Schnittstellen zwischen Verkaufsaußendienst, Kundendienst und Produktmanagern zu verbessern, da sie zusammen
einen entscheidenden Einfluss auf die Gewinnung und Zufriedenstellung der Kunden haben. Die funktional gegliederte Marketingorganisation ist administrativ einfach zu beherrschen.
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25.2.2.2. Geographische Gliederung
Ein Unternehmen mit einem geographisch umfangreichen Geschäft gliedert seinen Verkauf und oft
auch andere Funktionen nach geographischen Gesichtspunkten. Der Verkaufsdirektor kann z.B. 4
regionale Verkaufsmanager anleiten, die wiederum 6 Zonenmanager führen, welche jeweils 8 Gebietsverkaufsleitern mit jeweils 10 Verkäufern vorstehen. Auf jeder Gliederungsstufe nimmt in diesem
Beispiel der Kontrollumfang von unten nach oben ab. Ein kleinrer Kontrollumfang ermöglicht es dem
Manager, mehr Zeit auf die Zusammenarbeit mit seinen direkten Untergebenen zu verwenden. Dies
ist dann notwendig, wenn die zu bewältigenden Verkaufsaufgaben komplex sind, wenn die Untergebenen hochqualifiziert und hochbezahlt sind und wenn ihre Verkaufsarbeit für den Erfolg des Unternehmens ausschlaggebend ist.
25.2.2.3. Produktmanagement
Unternehmen, die eine Vielzahl von Produkten herstellen und Marken führen, finden es zweckmäßig,
das Marketing nach Produkten oder Marken zu untergliedern. Sie beauftragen Produktmanager oder
Markenmanager mit der Betreuung bestimmter Produkte oder Marken. Das Produktmanagementsystem ist kein Ersatz für das Funktionsmanagementsystem, sondern eine zusätzliche Managementebene. Das Produktmanagement des Unternehmens wird insgesamt meist von einem Manager für
einen bestimmten Produktbereich geführt, dem mehrere Produktgruppenmanager zuarbeiten, die
ihrerseits Produktmanager anleiten, die für bestimmte Produkte verantwortlich sind. Das Produktmanagement ist als Organisationsform vorteilhaft, wenn die Produkte des Unternehmens sehr unterschiedlich sind oder wenn eine funktionell gegliederte Marketingorganisation die Produkte aufgrund
ihrer großen Zahl nicht angemessen betreuen kann.
25.2.2.4. Kundenmanagement
Viele Unternehmen verkaufen ein gleichartiges Produkt in unterschiedlichen Märkten und an unterschiedliche Kundengruppen. So verkauft z.B. Canon seine Kopiermaschinen an Privathaushalte, Industriekunden und Behörden. Thyssen-Krupp verkauft Stahl an die Baubranche, die Automobilindustrie, den Maschinenbau und andere Bereiche. Wenn die Kunden des Produkts in Gruppen eingeteilt
werden können, die beim Kauf sehr unterschiedliche Präferenzen und Vorgehensweisen an den Tag
legen, ist das Kundenmanagement als Organisationsform angebracht. Beim Kundenmanagement ist
also der unterschiedliche Kundenmarkt und nicht das unterschiedliche Produkt die organisatorische
Bezugsgröße.
25.2.2.5. Produkt- und Kundenmanagement als Matrixorganisation
Wenn Unternehmen viele unterschiedliche Produkte für viele unterschiedliche Märkte herstellen, stehen sie vor einem Dilemma. Sie könnten das Produktmanagementsystem einsetzen. Dies erfordert,
dass sich die Produktmanager in viele unterschiedliche Märkte einarbeiten. Sie könnten aber auch
das Kundenmanagementsystem einrichten; dies erfordert, dass sich die Kundenmanager mit vielen
unterschiedlichen Produkten auskennen, die ihr Markt braucht. Schließlich könnten die Unternehmen
beides tun, nämlich Produkt- und Kundenmanager berufen, die im Sinne einer Matrixorganisation
zusammenwirken müssen.
25.2.2.6. Zentrale oder dezentrale Marketingorganisation
Mit zunehmendem Wachstum tendieren Multiprodukt- bzw. Multimarktunternehmen dazu, ihre größeren Produktgruppen und/oder Marktgruppen zu separaten Unternehmenssparten auszubauen. Diese
Sparten richten dann ihre eigenen Marketingabteilungen ein, um ihre Marketingaktivitäten besser
steuern zu können. Bei der Spartenunterteilung erhebt sich die Frage, welche Marketingaktivitäten
zentral erhalten bleiben sollen und ob diese Aktivitäten als Dienstleistungen für die Sparten oder als
Führungsinstrument der Zentrale gelten sollen. Für das zentrale Marketing ergibt sich dann im wesentlichen eine der folgenden Rollen: kein zentrales Marketing, beschränkt zentrales Marketing, zentrales Marketing. Will man wissen, ob im Marketing einbestimmter Trend zur Zentralisierung vorhanden ist, so ist die Antwort „nein“.
25.2.3. Beziehungen des Marketing zu den anderen Abteilungen
Im Prinzip sollten die Einzelfunktionen des Unternehmens harmonisch ineinander greifen, um gemeinsam die Ziele des Unternehmens zu verfolgen. In der Praxis sind die Beziehungen zwischen den Abteilungen aber allzu oft durch tiefgreifende Rivalitäten und Missverständnisse geprägt. Konflikte zwischen den Abteilungen resultieren zum Teil aus unterschiedlichen Auffassungen darüber, was für das
Unternehme am besten ist. Zum Teil ergeben sich Konflikte auch aus wirklichen Interessenunterschieden und aus dem puren Machtstreben bestimmter Abteilungen. Schließlich gibt es auch noch
Konflikt, die auf stereotype Vorstellungen und Vorurteile gegenüber anderen Abteilungen zurückzuführen sind.
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25.2.3.1. Forschungs- und Entwicklungsabteilung
Das Streben des Unternehmens nach erfolgreichen neuen Produkten wird oft durch ein schlechtes
Arbeitsverhältnis zwischen der F&E-Abteilung und dem Marketing behindert. In vielerlei Hinsicht repräsentieren diese beiden Gruppen unterschiedliche Subkulturen innerhalb der Organisation. Die
F&E-Abteilung besteht aus Wissenschaftlern und Technikern, die auf ihren Forscherdrang stolz sind.
Sie wollen vom Tagesgeschehen losgelöst arbeiten und beschäftigen sich am liebsten mit herausfordernden technischen Problemen, ohne dabei unter kurzfristigem Erfolgsdruck zu stehen. Sie lassen
sich nicht gern über die Schulter sehen und sprechen nicht gern über die Forschungskosten.
25.2.3.2. Konstruktionsabteilung
Das Engineering ist für die Erstellung praktikabler Konstruktionen für neue Produkte und Produktionsprozesse verantwortlich. Die Ingenieure und Konstrukteure streben nach technischer Qualität, Kostengünstigkeit und Einfachheit in der Herstellung. Sie geraten mit dem Marketing dann in Konflikt,
wenn es Produktvarianten möchte und dabei Produktausstattungen fordert, die nicht durch standardisierte, sondern nur durch extra angefertigte Teile zu erreichen sind. Häufig meint der Konstrukteur,
dass der Marketer die Produkte nur aufgemotzt haben möchte, statt sie qualitativ möglichst anspruchsvoll zu gestalten. Sie denken, dass Marketingleute nichts von Technik verstehen, laufend Prioritäten ändern und dass man ihren Aussagen zu den wahren Produktanforderungen wenig vertrauen
kann.
25.2.3.3. Einkaufsabteilung
Den Einkäufern kommt es darauf an, die richtigen Materialien und Teile zu möglichst niedrigen Kosten, in der richtigen Mengenabstufung und in der passenden Qualität zu beschaffen. Auch ihnen ist
der Wunsch der Marketer nach mehreren Modellen innerhalb einer Produktlinie nicht willkommen,
denn dies erfordert den Einkauf kleinerer Mengen vieler verschiedener Artikel statt größerer Mengen
einiger weniger Artikel. Oft nehmen sie Anstoß an den ihrer Meinung nach übertriebenen Qualitätsansprüchen der Marketer an die von ihnen zu bestellenden Materialien und Teile. Ferner stört sie die
Tatsache, dass die Marketingabteilung die benötigte Menge nicht genau genug vorhersagen kann,
denn dies führt entweder zu überstürzten Nachbestellungen zu ungünstigen Preisen oder zu übergroßen Materialbeständen.
25.2.3.4. Produktionsabteilung
Zwischen der Produktion und dem Marketing gibt es zahlreiche Reibungspunkte. Das Produktionspersonal strebt eine gute und gleichmäßige Auslastung der Produktionsanlagen an, um die gewünschten
Produkt ein den optimalen Losgrößen, im besten Zeitablauf und kostengünstig herzustellen. Das gesamte Berufsleben der leitenden Mitarbeiter dreht sich um ihre Fabrik und den Kampf gegen technische Pannen, Lagerfehlbestände, Arbeitsablaufprobleme und Produktionsstockungen. Ihrer Meinung
nach versteht der Marketer sehr wenig von einer wirtschaftlichen Betriebsführung; er bemängelt vielmehr die unzureichende Fertigungskapazität, Produktionsverzögerungen, schlechte Qualität und den
Kundendienst, während er selbst oft ungenaue Mengenprognosen liefert, Produkteigenschaften empfiehlt, die schwierig umzusetzen sind, und im Markt mehr Kundendienst verspricht, als der Produktion
angemessen erscheint. Der Marketer dagegen hat weniger die Problem des Produktionsmanagers im
Blickfeld, sondern vielmehr die seiner Kunden, die ihre Ware schnell brauchen, fehlerhafte Ware ablehnen und auf den Kundendienst warten.
25.2.3.5. Dienstausführung
Unter Produktion beziehen wir uns auf die Herstellung von Sachgütern. Mit Dienstausführung beziehen wir uns auf die Ausführungsgruppen bei der Erstellung von Dienstleistungen. In einem Hotel gehören z.B. Portiers, Personal am Empfangsschalter, Zimmermädchen und Kellner zu den Ausführungsgruppen. Da Marketing nach außen Versprechungen über die Dienstleistungsqualität macht, ist
es besonders wichtig, dass Marketing und Dienstausführung gut harmonieren. Falls z.B. das ausführende Personal nicht ausreichend kundenorientiert und motiviert ist, kann die daraus resultierende
schlechte Mundpropaganda das Geschäft schädigen.
25.2.3.6. Finanzabteilung
Die Mitarbeiter des Finanzwesens sind besonders stolz darauf, dass sie die Auswirkungen von geschäftlichen Maßnahmen auf den Gewinn überblicken können. Daraus und als Advokaten des Prinzips der Gewinnmaximierung leiten sie für sich einen gewissen Führungsanspruch im Unternehmen
ab. Marketingausgaben hingegen sind für sie in der Regel eine Quelle der Frustration. Die MarketingManager fordern erhebliche Ausgabenbudgets für Werbung, Verkaufsförderung und Verkauf, ohne
den Nachweis zu führen, wie viel Mehrumsatz diese Aufwendungen bringen werden. Die FinanzexperGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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ten hegen häufig den Verdacht, dass die Prognosen der Marketer darauf hinauslaufen, ein bestimmtes Ausgabenbudget zu erhalten.
25.2.3.7. Rechnungsabteilung
Im Rechnungswesen meint man oft, das Marketingpersonal sei bei der Voralge von Verkaufsberichten
recht nachlässig. Sondervereinbarungen des Verkaufs mit bestimmten Kunden sieht man hier nicht
gern, denn diese erfordern oft besondere Abrechnungstechniken. Der Marketer dagegen ist oft verärgert über die Verfahren, mit denen das Rechnungswesen den verschiedenen Produkten hohe Gemeinkosten aufbürdet. So mancher Produktmanager z.B. ist davon überzeugt, dass seine Marke viel
profitabler ist, als die Kostenrechnung sie erscheinen lässt, da ihm willkürlich Gemeinkosten auferlegt
werden. Eine weitere Konfliktquelle bildet der Wunsche der Marketer, vom Rechnungswesen Sonderberichte über Umsätze und Gewinne, gegliedert nach Absatzwegen, Verkaufsgebieten, Bestellmengen, usw., vorgelegt zu bekommen.
25.2.3.8. Kreditabteilung
Die Verantwortlichen im Kreditwesen überprüfen die Kreditwürdigkeit potentieller Kunden und verweigern oder begrenzen im Zweifelsfalle den Kundenkredit. Ihrer Meinung nach verkauft der Marketer viel
zu bereitwillig an jeden Kunden, auch wenn eine pünktliche Bezahlung nicht gesichert ist. Die Marketer dagegen sind häufig der Meinung, dass die Zahlungsziele und Maßstäbe der Kreditwürdigkeit zu
hoch gesteckt sind. Sie denken, dass eine Politik, die Zahlungsrisiken möglichst bei Null zu halten, in
Wirklichkeit dem Unternehmen eine Menge Umsatz und Gewinn kostet. Ihrer Meinung nach arbeiten
sie zu hart, um Kunden zu finden, nur um dann gesagt zu bekommen, dass diese nicht gut genug
seien.
25.2.4. Schritte zum Aufbau einer unternehmensweiten Marktorientierung
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie ihre Organisation marktorientiert aufbauen und leiten
müssen. Viele Unternehmen sind jedoch noch verkaufs-, produktions- oder finanzorientiert, und dazu
noch in ihrem Marketing verbürokratisiert. Sie erhalten jedoch früher oder später vom Markt ihre Lektion. Dies offenbar sich, wenn sie einen wesentlichen Markt verlieren, wenn ihr Wachstum stagniert und
ihre Gewinne schrumpfen oder sie sich flexibleren Wettbewerbern ausgeliefert sehen. Aus solchen
Krisensituationen heraus erkennen Unternehmen oft, dass ihr Marketing bisher schwach war und sie
damit im Wettbewerb gegen marktorientierte Unternehmen in ungünstige Positionen manövriert wurden.
25.3. Umsetzung von Marketingprogrammen
Nach Klärung der Frage, wie die Marketingfunktion in den Unternehmen organisatorisch bewältigt
werden kann, wenden wir uns nun der Frage zu, wie die Marketing-Manager eine effektive Umsetzung
der Marketingpläne in die betriebliche Realität bewirken können. Wir definieren die Marketingumsetzung wie folgt: Marketingumsetzung ist der Prozess, durch den Marketingpläne in aktionsfähige Aufgaben umgewandelt werden und durch den sichergestellt wird, dass diese Aufgaben so durchgeführt
werden, dass sie die Ziele des Planes erfüllen. Die Umsetzung ist wichtig, denn selbst der beste strategische Marketingplan ist nicht viel wert, wenn er nicht richtig umgesetzt wird. Die Marketingstrategie
konzentriert sich auf das was und das warum des Marketingprogramms. Die Umsetzung beschäftig
sich mit dem wer, wo, wann und wie.
25.3.1. Geschick in der Diagnose
Die enge Verflechtung von Strategie und Umsetzung bringt schwierige Diagnoseprobleme mit sich,
wenn Marketingprogramme im Ergebnis schlechter ausfallen als erwartet. Resultiert das unbefriedigende Ergebnis aus einer schlechten Strategie oder einer schlechten Durchführung? Es muss festgestellt werden, welches Problem wirklich vorliegt und was zu seiner Lösung getan werden soll. Bei jedem Problem sehen die möglichen Lösungen und das mögliche Instrumentarium, das beherrscht werden muss, anders aus.
25.3.2. Sitz des Problems in der Systemstruktur
Umsetzungsprobleme können an drei Stellen der Systemstruktur des Unternehmens vorhanden sein.
Das Problem kann in einer einzelnen Marketingfunktion sitzen, z.B. im Werbemanagement, wenn das
Unternehmen gemeinsam mit seiner Werbeagentur keine kreative Werbung erarbeitet hat. Es kann im
Marketingprogramm sitzen, wenn die Marketingfunktionen nicht koordiniert durchgeführt werden. Dieses Problem findet man oft bei der Einführung neuer Produkte vor. Das Problem kann auch in den
Richtlinien der Marketingpolitik sitzen.
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25.3.3. Geschick in der Durchführung und Bewertung von Marketingaktivitäten
Geradezu meisterhaftes Geschick muss insbesondere an den Schnittstellen zwischen Einzelfunktionen, Programmen und Richtlinien bewiesen werden, damit eine effektive Durchführung erreicht wird.
Dieses Geschick zeigt sich in der Beherrschung des Mitteleinsatzes, der Organisationsstruktur, des
Zusammenspiels mit anderen und der Überwachungsmechanismen. Die Beherrschung des Mitteleinsatzes zeigt sich darin, wie der Marketing-Manager das, was ihm zur Verfügung steht – nämlich Arbeitszeit, Geld und Personal – den auszuführenden Funktionen und Programmkomponenten zuteilt.
So müssen z.B. Industriegüterhersteller über die Einsatzaufteilung ihres Verkaufspersonals auf verschiedene geographische Regionen entscheiden. Geschick in der Einsatzaufteilung ist ebenfalls erforderlich, wenn z.B. bestimmt werden soll, wie viel man für Messen im Vergleich zur Medienwerbung
ausgibt oder wie viel Reparaturdienste für Randprodukte des Sortiments geleistet werden sollen.
26. Marketingsteuerung durch Controlling und Audit
Marketingvorhaben müssen nicht nur geplant, sondern auch bei ihrer Durchführung mit geeigneten
Prüf-, Kontroll- und Feedbackinstrumenten gesteuert und regelmäßig auf ihre Angemessenheit im
wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Umfeld überprüft werden. Der Einsatz solcher Steuerungsinstrumente ist notwendig, weil bei der Umsetzung von Marketingplänen viele Möglichkeiten zu
Fehlentwicklungen bestehen, die erkennt werden müssen und denen entgegengesteuert werden
muss. Die Prüfung auf Angemessenheit sowohl der zugrundeliegenden Strategie als auch der Pläne
und Maßnahmen ist notwendig, weil sich das Marketingumfeld ändert und das Unternehmen möglicherweise trotz effizientem Arbeiten die verkehrte strategische Richtung verfolgt. Ein systematisches
Vorgehen ist hierbei wichtig, um sicherzustellen, dass die Marketingmaßnahmen und Marketingprozesse wirkungsvoll durchgeführt werden. Im folgenden werden Instrumente des operativen Marketingcontrolling, des strategischen Marketingcontrolling sowie des Marketingaudit näher betrachtet.
26.1. Operatives Marketingcontrolling
Beim operativen Marketingcontrolling werden im voraus festgelegte Schlüsseldaten periodisch in SollIst-Vergleichen überprüft und daraufhin bewertet, ob und inwieweit die zugrunde liegenden Marketingaktivitäten richt und effizient waren. Planungsabweichungen bzw. Probleme und Chancen sollen
rechtzeitig erkennt werden, um darauf reagieren zu können. Es werden oft Toleranzgrenzen für diese
Schlüsseldaten gesetzt. Bei Unter- oder Überschreitung der Toleranzgrenzen sind Steuerungsmaßnahmen erforderlich und es müssen die Entscheidungsprämissen, wie z.B. vorausgesetztes wirtschaftliches Umfeld, geprüft werden. Viele der Controllingtätigkeiten lassen sich in wesentlichen Bereichen automatisieren.
26.1.1. Jahresplankontrolle
Mit Hilfe der Jahresplankontrolle soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen die im Jahresplan
festgelegten Ziele für Umsatz, Ertrag und andere Erfolgsmaßstäbe erreicht. In ihrem Kern ergibt sich
die Jahresplankontrolle aus dem Steuerungsprozesse des Management by Objectives. Dieser Prozess erfordert vier Schritte: Das Management legt die Ziele des Jahresplanes sowie Zwischenziele für
den monatlichen und vierteljährlichen Verlauf fest; das Management überwacht die Planerfüllung und
die im Markt erbrachte Leistung; das Management muss die Gründe für ernstzunehmende Leistungsabweichungen feststellen; das Management leitet ggf. Steuerungsmaßnahmen ein, um die Lücke
zwischen Leistungsziele und Leistungserfüllung zu schließen. Hier kann es erforderlich sein, neue
Maßnahmen zu ergreifen oder sogar die Ziele zu ändern. Dieses Kontrollmodell ist auf allen Ebenen
der Organisation anwendbar.
26.1.1.1. Umsatzvergleich
Im Umsatzvergleich werden die erreichten Ergebnisse mit den Umsatzzielen verglichen. Eine UmsatzVarianz-Analyse beispielsweise stellt fest, zu welchem Anteil einer Umsatzabweichung auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist.
26.1.1.2. Marktanteilsvergleich
Die Umsatzzahlen allein sagen noch nichts über die Stellung des Unternehmens im Wettbewerb aus.
Das Unternehmen muss auch die Entwicklung seines Marktanteils verfolgen. Steigt sein Marktanteil,
so stärkt das Unternehmen seine Position im Wettbewerb. Sinkt der Marktanteil, dann wird seine Position schwächer. Neben diesen Verallgemeinerungen müssen bei der Marktanteilsanalyse auch noch
andere mögliche Tatbestände berücksichtigt werden: Es stimmt nicht immer, dass externe Einflussgrößen alle Unternehmen einer Branche gleichermaßen treffen; Ein Leistungsvergleich mit der Durchschnittsleistung aller anderen Unternehmen sagt oft wenig über die Wettbewerbsstärke eines UnterGammelstudent Gratis Skripten Download auf HTTP://GO.TO/GAMMELSTUDENT
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nehmens aus; Dringt ein neuer Konkurrent in die Branche ein, kann dies den Marktanteil jedes Branchenmitglieds schmälern; Manchmal ist ein Marktanteilsrückgang das Ergebnis einer bewusst gesetzten, gewinn erhöhenden Maßnahme; Der Marktanteil kann aus vielerlei weniger bedeutsamen Gründen fluktuieren.
26.1.1.3. Aufwandsvergleich
Die Jahresplankontrolle erfordert weiterhin eine Überprüfung, ob das Unternehmen zur Erreichung
seiner Umsatzziele nicht zuviel ausgibt. Hier werden Kennzahlen des Marketingaufwands in Proportion zum Umsatz wichtig. In einem Unternehmen beträgt z.B. der Marketingaufwand in normalen Zeiten
30 % des Umsatzes und besteht aus den folgenden fünf Komponenten: Aufwand für die Vertriebsorganisation, Werbung, Marketingforschung und Marketing- und Vertriebsadministration. Das Management überwacht diese Kennzahlen, um sie steuern zu können. Kleinere Schwankungen sind dabei
normal
26.1.1.4. Finanzzahlenvergleich
Der Aufwandsvergleich gibt – in Verbindung mit einem umfassenden Finanzzahlenvergleich – Aufschluss darüber, wie und wo das Unternehmen verdient. In zunehmendem Maße werden Makler dazu
angehalten, mit Hilfe von Finanzanalysen nicht nur umsatzfördernde, sondern auch gewinnfördernde
Strategien zu formulieren. Durch den Finanzzahlenvergleich wird das Augenmerk des Managements
auf die Faktoren gelenkt, die di Eigenkapitalrendite des Unternehmens bilden.
26.1.1.5. Ausweis des Leistungsstands im Markt
Die oben beschriebenen Instrumente zur Jahresplankontrolle drücken den Leistungsstand in geldbezogenen Größen aus. Die meisten Kontrollsysteme laufen auf die Analyse und den Ausweis des finanziellen Leistungsstands hinaus. Sie vernachlässigen dabei andere Indikatoren, die zur Beurteilung
des Leistungsstandards mit herangezogen werden sollten. Deshalb sollten Unternehmen zusätzlich
zwei marktbezogene Scorecards erstellen, die den Leistungsstandard des Unternehmens vervollständigen und frühzeitige Warnsignal beinhalten. Die Kunden-Scorecard umfasst Indikatoren, die den
Leistungsstandard des Unternehmens bei den Kunden ausweisen.
26.1.2. Aufwands- und Ertragskontrolle
Eine Untersuchung der MAC-Gruppe über Verlust- und Ertragsquellen zeigte einige besorgniserregende Ergebnisse. Neben der Jahresplankontrolle sollten aufwand und Ertrag aus unterschiedlichen
Produkten, Gebieten, Kundengruppen, Absatzwegen und Auftragsgrößen festgestellt und überwacht
werden. Mit Hilfe dieser Informationen kann das Management entscheiden, ob bestimmte Produkte
oder Marketingaktivitäten erweitert, zurückgefahren oder beendet werden sollten.
26.1.2.1. Methodische Schritte zur Aufwands- und Ertragsanalyse im Marketing
26.1.2.1.1. Erster Schritt: Zuordnung der Aufwendungen nach Funktionen
26.1.2.1.2. Zweiter Schritt: Zurechnung der funktionalen Aufwendungen, gegliedert nach Kostenbestimmungsfaktoren auf die Marketingeinheiten
26.1.2.1.3. Dritter Schritt: Aufwands- und Ertragsrechnung für jede Marketingeinheit
26.1.2.2. Festlegung geeigneter Korrekturmaßnahmen
Durch die Aufwands und Ertragsanalyse soll im Vergleich aufgezeigt werden, wie große der Nettoertrag ist, der durch verschiedene Absatzwege, Produkte, Verkaufsgebiete oder andere Marketingeinheiten erwirtschaftete wird. Diese Analyse beweist nicht, dass die beste Vorgehensweise darin besteht, ertragsschwache Einheiten zu eliminieren, und sie erfasst auch nicht, welche Ertragsverbesserungen durch Eliminierung ertragsschwacher Einheiten möglich wäre.
26.1.2.3. Teilkosten- oder Vollkostenrechnung
Die Aufwands- und Ertragsanalyse kann, ebenso wie andere Informationsinstrumente, den MarketingManager entweder zu korrekten oder falschen Entscheidungen führen, je nachdem, wie gut er das
Analyseverfahren und seine Grenzen kennt. Weitaus mehr an persönlichem Ermessen fließt in die
Entscheidung ein, ob der Marketingeinheit Vollkosten oder nur direkte und zurechenbare Kosten anzulasten sind. In der Praxis lässt sich bei der Ertragsanalyse eine Auseinandersetzung mit diesem
Problem nicht vermeiden. Es ist notwendig, zwischen drei Kostenklassen zu differenzieren: Einzelkosten, zurechenbare Gemeinkosten, nicht zurechenbare Gemeinkosten.
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26.1.3. Effizienzkontrolle
Nehmen wir an, eine Aufwands- und Ertragsanalyse hat gezeigt, dass das Unternehmen bei bestimmten Produkten, Gebieten, oder Märkten schwache Erträge erzielt. Dann stellt sich die Frage, ob ein
effizienteres Management im Verkauf, in der Werbung, der Verkaufsförderung und der Distribution für
diese leistungsschwachen Einheiten möglich ist. Auf Suche nach einer Antwort haben manche Unternehmen die Position eines Marketingcontrollers eingerichtet. Der Marketingcontroller gehört in der
Regel zur Controllingabteilung. Er spezialisiert sich auf Marketingprobleme.
26.1.3.1. Effizienz im Verkauf
Verkaufsleiter sollten auf jeder Ebene – Region, Distrikt und Bezirk – die Effizienz im Verkauf anhand
folgender Schlüsselindikatoren laufend beobachten: Anzahl der Kundenbesuche pro Verkäufer und
Tag, Besuchszeit pro Kontakt, erzielter Umsatz pro Besuch, Kosten pro Besuch, Bewirtungsspesen
pro Besuch, erwirkte Aufträge pro hundert Besuche, Zahl der neuen Kunden pro Periode, Zahl der
verlorengegangenen Kunden pro Periode, Kosten der Vertriebsorganisation als Prozentsatz des Gesamtumsatzes. Über diese Indikatoren werden Statistiken erstellt, die zu folgenden nützlichen fragen
führen: Ist die Anzahl der täglichen Besuche angemessen? Wird pro Besuch zu viel Zeit aufgewendet? Wird zuviel für Bewirtung ausgegeben? Werden genügend Aufträge pro hundert Besuche hereingeholt? Werden genügend neue Kunden gewonnen und vorhandene gehalten? Wenn ein Unternehmen seine Effizienz im Verkauf untersucht, so kann es oft Ansatzpunkte für Verbesserungen finden. General Electric konnte z.B. seine Vertriebsorganisation in einem Geschäftsbereich ohne Umsatzeinbußen verkleinern, nachdem man herausgefunden hatte, dass die Verkäufer dort viele überflüssige Besuche machten. Eine große Fluggesellschaft fand heraus, dass ihre Verkäufer neben ihrer
Verkaufsfunktion auch noch bestimmte Serviceleistungen wahrnahmen, für die sie überqualifiziert
waren.
26.1.3.2. Effizienz in der Werbung
Viele Manager glauben, dass es so gut wie unmöglich ist, zu messen, was die Werbeausgaben tatsächlich bewirken. Trotzdem sollten sie sich bemühen, die Entwicklung folgender Werte zu verfolgen:
Werbekosten pro Tausend erreichter Zielkunden, aufgegliedert nach Medienkategorien und Werbeträgern; Prozentsatz der angesprochenen Kunden bei jedem Werbeträger, die die Werbung wahrgenommen/gesehen/gelesen/gehört und die Werbung dem Objekt der Werbung richtig zugeordnet haben; Konsumentenmeinungen zum Werbeinhalt und zur Werbewirksamkeit; Einstellungen zum Produkt vor und nach einer Werbekampagne; Zahl der Anfragen, die durch eine Anzeige bewirkt wurden;
Kosten pro Anfrage. Zur Erhöhung der Werbeeffizienz kann das Management vieles unternehmen.
Dazu gehören eine verbesserte Positionierung des Produkts, klarere Werbeziele, Vortesten und Werbebotschaften, computergestützte Auswahl von Werbemeiden, Suche nach günstigen Medienangeboten und Nachtesten der Werbewirkung.
26.1.3.3. Effizienz in der Öffentlichkeitsarbeit
Auch die Effizienz der Öffentlichkeitsarbeit lässt sich nur schwer bewerten oder gar in Mark und Pfennig quantifizieren. Gleichwohl müssen PR-Manager ihr Handeln gegenüber der Unternehmensleitung
rechtfertigen. Der Expressfrachtanbieter TNT versucht mit zwei Methoden eine Erfolgskontrolle der
Öffentlichkeitsarbeit zu ermöglichen: der Medienresonanzanalyse und der Journalistenbefragung.
26.1.3.4. Effizienz in der Verkaufsförderung
Die Verkaufsförderung umfasst Dutzende von Maßnahmen, die darauf abzielen, bei den Käufern Interesse zu wecken und sie zum Ausprobieren des Produkts zu animieren. Zur Verbesserung der Effizienz dieser Maßnahmen muss das Unternehmen Aufzeichnungen über Kosten und Auswirkungen
seiner Verkaufsförderungskampagnen führen. Die folgenden Werte sollten beobachtet und festgehalten werden: Anteil der zu Sonderbedingungen verkauften Menge; Displaykosten; Anteil der verteilten
Gutscheine, die eingelöst wurden; Anzahl der Anfragen von Produktvorführungen. Wird ein Verkaufsförderungsmanager eingestellt, so kann dieser die Ergebnisse verschiedener Verkaufsförderungsmaßnahmen vergleichend analysieren und die Produktmanager über die kostenwirksamsten Verkaufsförderungsmaßnahmen unterrichten.
26.1.3.5. Effizienz in der Distribution
Das Management muss eine möglichst effiziente Warenverteilung anstreben. Zur Lagerbestandskontrolle, Standortsbestimmung von Verteilungszentren und Transportmittelauswahl gibt es nützliche
Bewertungsmodelle.
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26.2. Strategisches Marketingcontrolling
Von Zeit zu Zeit muss jedes Unternehmen die seinen Marketingaktivitäten zugrunde liegenden Prämissen, Ziele und Strategien kritisch überprüfen. Dazu sollte es neben einer Effektivitätsprüfung auch
sein Vermögen, Spitzenleistungen zu erbringen, beurteilen sowie bewerten, inwieweit das Unternehmen seiner ethischen und sozialen Verantwortung gerecht wird.
26.2.1. Effektivitätsprüfung
Tatsächlich aber wird effektives Marketing nicht unbedingt durch die im Augenblick erbrachte Marketingleistung angezeigt. Gute Ergebnisse einer Sparte können auch daraus resultieren, dass diese
einfach zur richtigen Zeit am richtigen Platz ist, ohne dass dabei ein effektives Marketing-Management
eine besondere Rolle spielt. Verbesserungen im Marketing können hier aus guten hervorragende Resultate machen. Ebenso könnte eine andere Sparte trotz eines ausgezeichneten strategischen Marketing schlechte Ergebnisse erzielen. In diesem Fall würde z.B. das Auswechseln des gegenwärtigen
Marketing-Managers die Lage nur verschlimmern.
26.2.2. Selbstprüfung auf Spitzenleistungsvermögen
In der Selbstprüfung auf Spitzenleistungsvermögen vergleicht das Unternehmen seine Leistungen und
einzelne Leistungselemente mit Spitzenkönnern. Das heißt, hier wird festgestellt, was ei best practice
ist, die bei Spitzenkönnern vorgefunden wird. Das Unternehmen prüft, ob und inwieweit es ein solches
Leistungsvermögen erreichen oder übertreffen kann. Das Management kann selbst prüfen, wo es im
Vergleich zu Spitzenleistungen anderer bei den unterschiedlichen Leistungsmerkmalen steht. Es kann
diese Stellung durch ein Häkchen in jeder Zeile kenntlich machen.
26.2.3. Selbstprüfung auf ethische und soziale Verantwortung
Unternehmen brauchen weiterhin ein Instrument zur Selbstprüfung und zur Bewertung, ob sie ihrer
ethischen und sozialen Verantwortung in der Praxis gerecht werden. Wir sind der Meinung, dass der
geschäftliche Erfolg und die Fähigkeit, langfristig Kunden und andere Interessengruppen zufriedenzustellen auch damit verknüpft ist, wie weit da Unternehmen sich einem hohen ethischen und sozialen
Standard verpflichtet fühlt und danach handelt. Unternehmen, die Anerkennung und Bewunderung
finden, zeigen sich in hohem Maße verantwortungsbewusst. Verantwortlichkeit beinhaltet, dass eine
Kongruenz von Wertvorstellungen zwischen Unternehmen und betroffenen Interessengruppen besteht. Hierin liegt bereits ein Dilemma, das nicht leicht zu lösen ist, an dessen Lösung aber gearbeitet
werden muss.
26.3. Marketingaudit
Zur Vorbeugung oder vielfach aufgrund von ihm Rahmen des Marketingcontrolling entdeckten Schwächen im Marketing eines Unternehmens oder einer Unternehmenssparte solle ein Marketingaudit
durchgeführt werden, um Probleme und Chancen zu diagnostizieren und Hinweise auf Lösungsmöglichkeiten zu finden. Das Marketingaudit definieren wir wie folgt: Das Marketingaudit ist eine umfassende, systematische, nicht weisungsgebundene und regelmäßige Untersuchung von Marketingumwelt, -zielen, -strategien und -aktivitäten eines Unternehmens oder einer strategischen Geschäftseinheit. Es dient der Aufdeckung von Problembereichen und Chancen sowie der Erstellung eines Maßnahmenplans, der auf eine Verbesserung der Marketingleistung abzielt. Beim Marketingaudit sind vier
Anforderungen besonders zu beachten: umfassend, systematisch, nicht weisungsgebunden, regelmäßig.
26.3.1. Vorgehensweise beim Marketingaudit
Das Marketingaudit beginnt mit einer Besprechung zwischen einem oder mehreren Managern und
einem oder mehreren Auditoren, in der viele geklärt werden muss: Ziele des Audits, Umfang und Tiefe, Informationsquellen Form des Berichts und Durchführungszeit. Um die Durchführungszeit möglichst kurz und die Kosten des Audits möglichst niedrig zu halten, wird ein Plan erarbeitet, der im Detail darlegt, wer befragt und was hinterfragt werden soll, wann und wo Interviews stattfinden, usw.
Wohl die wichtigste Regel bei der Datensammlung lautet: Nutze – außer den eigenen Managern und
Mitarbeitern – auch noch andere Informationsquellen für Fakten und Meinungen. Kunden, Partner im
Handel und andere externe Gruppen müssen ebenfalls in die Befragung einbezogen werden. Viele
Unternehmen haben keine realistische Vorstellung davon, wie Kunden und Handel sie und ihre Konkurrenten beurteilen; viele wissen nicht einmal gut genug, was ihre Kunden wünschen und wertschätzen.
26.3.2. Komponenten des Marketingaudits
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