Frivole Stummfilmsoiree mit Livemusik Georg Wilhelm Pabst Die Büchse der Pandora (Lulu) Deutschland 1929 · 134 min · s / w · stumm Georg Wilhelm Pabst, geboren 1885 in Raudnitz (Böhmen), heute Roudnice nad Labem (Tschechien), verstorben 1967 in Wien. Mit F. W. Murnau und Fritz Lang der bedeutendste Filmregisseur des deutschen Sprachraums. Höhepunkte in der Stummfilmzeit und im beginnenden Tonfilm. Im Dritten Reich angefeindet und künstlerisch nicht mehr auf der früheren Höhe. Danach trotz zahlreicher Filme lange Zeit fast vergessen. Stummfilme 1925 Die freudlose Gasse 1926 Geheimnisse einer Seele 1927 Die Liebe der Jeanne Ney 1929 Die Büchse der Pandora 1929 Tagebuch einer Verlorenen 1929 Die weiße Hölle vom Piz Palü (Regie mit Arnold Franck) Tonfilme 1930 Westfront 1918 (Arbeitstitel: Vier von der Infanterie) 1931 Die Dreigroschenoper 1931 Kameradschaft 1943 Paracelsus 1955 Es geschah am 20. Juli 1956 Durch die Wälder, durch die Auen Inhalt Ladislaus Vajdas Drehbuch folgt frei Frank Wedekinds Theaterstücken „Erdgeist“ (1898) und „Die Büchse der Pandora“ (1903): Dr. Schön, Zeitungsverleger und Mitinhaber eines Revue-Theaters, erliegt den Reizen der Blumenverkäuferin Lulu. Nachdem Dr. Schöns Verlobung geplatzt ist, heiraten die beiden, doch schon die Hochzeitsnacht endet tragisch: Im Handgemenge löst sich ein Schuss – Dr. Schön stirbt. Lulu wird zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, doch gelingt ihr mit Dr. Schöns Sohn Alwa und drei Freunden die Flucht nach Paris. Hier gerät sie in die Hände eines Erpressers. Wieder muss Lulu fliehen, diesmal nach London, wo sie ihr Schicksal ereilt. Sie sinkt zur Straßendirne herab und fällt am Weihnachtsabend dem Lustmörder Jack the Ripper zum Opfer. Über den Film Zur Wahl von Louise Brooks Der Regisseur G. W. Pabst hatte lange nach einer Hauptdarstellerin gesucht. Die Besetzung mit der aufstrebenden Marlene Dietrich soll er mit der Begründung abgelehnt haben, daß sie zu eindeutig und aufreizend spiele. Tilly Wedekind, Lulu-Darstellerin der Theater-Aufführung, sah dies ähnlich. Einer Hauptforderung des Dramas, –“nämlich daß Lulu durchaus kein Vamp, kein Klischee-Dämon ist, sondern wirklich ein triebhaftes, kindliches Geschöpf, unbewußt in ihrem Tun und weder gut noch böse“ – so die Witwe des Autors im „Filmkurier“ (9.2.1929) – entsprach Pabst mit seiner Wahl des amerikanischen Revuegirls Louise Brooks. Von deren merkwürdig unbestimmter, lächelnder Natürlichkeit waren die Zeitgenossen bei der Uraufführung des Films angesichts der nur als Kunstfigur begreifbaren Lulu entsetzt. 2 Frivole Stummfilmsoiree mit Livemusik Die dramatische Fiktion der Femme fatale mit ihrer irritierenden Mischung aus Vitalität und Passivität, Triebbefriedigung und Unschuld, Leidenschaft und Kühle ist in Louise Brooks zu einer modernen Frau und gleichzeitig zu einer Ikone der Filmgeschichte geworden. Pabst hat eine besondere Begabung in der Inszenierung seiner häufig gegen die Star-Konventionen besetzten Hauptdarstellerinnen. Für die Aufnahmen mit Louise Brooks ließ er besonders weichzeichnendes Filmmaterial verwenden, um den Lichtgloriolen-Glanz, den er um ihr häufig im Halbprofil gezeigtes makelloses Gesicht legt, als Ausdruck vibrierender Erotik einzufangen … Jürgen Kasten, Metzler Film Lexikon Louise Brooks – Die Rebellin von Hollywood Kurze Zeit war sie ein Star in Hollywood und in Europa, berüchtigt für ihre zügellose Sexualität und ihren Eigensinn. Dann wurde sie vergessen und zweimal wiederentdeckt: Louise Brooks, die in diesem Jahr hundert geworden wäre. Das Berühmteste an ihr ist die Frisur, der schwarzglänzende Pagenkopf mit den auf die Wangen gelegten Wellenspitzen. Dann der Mund, der so strahlend lächeln konnte, daß ihr Gesicht auch im Schatten leuchtete, und die weit auseinanderstehenden Augen, die durch Papier und Leinwand glühten. Danach kommt lange nichts. Und dann ihre Filme, jedenfalls fünf der vierundzwanzig, die sie gedreht hat, unter anderen mit Regisseuren wie Howard Hawks („A Girl in Every Port“, 1928) und natürlich G. W. Pabst, der sie mit der „Büchse der Pandora“ und dem „Tagebuch einer Verlorenen“ auch in Europa zum Star machte. Vorübergehend. Die Filmgeschichte ist kurz, ihr Gedächtnis um vieles kürzer. (…) Vergessen ist aber inzwischen offenbar auch, von wem sie wiederentdeckt wurde. Vielleicht ist es zu lange her. Es war 1955. Da hängte Henri Langlois, der legendäre Gründer der Cinémathèque Française, ein riesiges Standfoto von Louise Brooks in der Rolle der Wedekind‘schen Lulu aus der „Büchse der Pandora“ an den Eingang seiner Ausstellung zum sechzigsten Geburtstag des Kinos in Paris. Und hob damit diese rebellische Frau wieder ins Bewußtsein eines Publikums, das vom Stummfilm noch weniger wußte als das heutige. Rebellisch, weil sie sich immer geweigert hatte, nach den Regeln des Filmbetriebs zu leben und zu arbeiten. (…) Und diese Filme und diese Frau sah Jean-Luc Godard und setzte Anna Karina ein paar Jahre später in „Vivre sa vie“ eine schwarze Pagenkopf-Perücke auf. Seitdem treffen wir diesen Look in Kino und auch außerhalb immer wieder. Regie: G. W. Pabst Drehbuch: Ladislaus Vajda Vorlage: Frank Wedekind (Bühnenstücke „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“) Kamera: Günther Krampf Bauten: Andrej Andrejew, Bohumil Heš Kostüme: Bohumil Heš Schnitt: Joseph R. Fieseler Produzent: Seymour Nebenzahl Darsteller Louise Brooks (Lulu), Fritz Kortner (Dr. Schön), Franz Lederer (Alva Schön), Fritz Kortner (Schigolch), Krafft-Raschig (Rodrigo Quast), Gustav Diessl (Jack the Ripper) Verena Lueken, FAZ 9. November 2006 Frivole Stummfilmsoiree mit Livemusik 3 Die Musiker Die Musiker KÜSPERT & KOLLEGEN StummFilmLiveJazz Reeds: Till Martin Schlagzeug: Bastian Jütte Kontrabass: Dietmar Fuhr Gitarre: Werner Küspert Werner Küspert – Gitarre, Komposition Werner Küspert studierte u. a. bei den Gitarrengrößen Harry Pepl und John Abercrombie und ist den fränkischen Jazzliebhabern besonders auch als Gründer und langjähriger künstlerischer Leiter des Würzburger Jazzfestivals ein Begriff. Seine Liebe zum Film führte dazu, dass er nicht nur Projekte für Filmund Fernsehproduktionen leitet, sondern auch seit Jahren Musik für Stummfilme komponiert und in verschiedenen Besetzungen als LiveFilmbegleitung aufführt. Damit war und ist er auch immer wieder zu Gast beim Würzburger Filmwochenende, wo er dieses Jahr mit der „Büchse der Pandora“ und dem Laurel-und-Hardy-Programm gleich zwei Uraufführungen präsentiert. Till Martin – Saxophon & Klarinetten Till Martin stammt aus München, sein Musikstudium absolvierte er am Conservatorium Hilversum. Als freischaffender Jazz-Saxofonist hat er auf über 40 CDs und bei zahlreichen Rundfunkproduktionen im In- und Ausland mitgewirkt und spielte auf zahlreichen internationalen Festivals (Singapore Arts Festival, Ruhrtriennale, European Jazzstival Elmau, Festival Camino de Santiago, Jazzline Festival, Alpenjazzfestival, Innovantiqua, Movimentos Festwoche, Musica Sacra Festival u.a.).. Für seine eigenen Projekte, für die er auch als Komponist verantwortlich zeichnet, wurde er u.a. mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik und dem Neuen Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet. „Früh hat Till Martin seinen höchst individuellen Personalstil in Komposition und Klangsprache entwickelt. Er ist einer der fixen, vielseitigen und höchst kreativen Größen der deutschen Jazzszene.“ B. Sampson, BR 4 Die Musiker Bastian Jütte - Schlagzeug ECHO Jazz-Preisträger Bastian Jütte studierte Jazzdrums an den Musikhochschulen München und Mannheim und ist inzwischen auch selber Hochschul-Dozent (an den Musikhochschulen Würzburg und München). Er ist Mitglied in zahlreichen Formationen und arbeitete unter anderem mit Musikern wie David Binney, Rick Margitza, Vincent Herring, Maria Schneider, Nguyên Lê, Don Friedman, Ack von Rooyen, Michael Wollny, Johannes Enders, Adrian Mears, Henning Sieverts, Frank Möbus, Klaus Doldinger, Jiggs Wiggham, der SWR und der HR Big Band zusammen. Inzwischen ist Bastian Jütte auf über 60 CDs zu hören und hat als Bandleader zwei eigene Alben veröffentlicht. Mit dem Tim Allhoff Trio gewann er 2010 den Neuen Deutschen Jazzpreis, für das Album „Hassliebe“ wurde er 2013 mit dem ECHO-Jazz ausgezeichnet und 2016 war er erneut (diesmal mit seinem eigenen Quartett) Gewinner des Neuen Deutschen Jazzpreises. Dietmar Fuhr – Kontrabass Dietmar Fuhr ist ein gefragter Musiker der europäischen Jazzszene und arbeitet kontinuierlich für Konzerte, Rundfunk- und CD-Aufnahmen mit nationalen und internationalen Jazzgrößen zusammen (Till Brönner, Enrico Rava , Tony Lakatos, Gerd Dudek, Richie Beirach , Dave Liebman, Kurt Rosenwinkel, Jochen Rückert, John Schröder, George Garzone, Wolfgang Muthspiel, Danny Gottlieb, Antonio Farao, Nils Wogram, Achim Kaufmann, Auryn Quartett u. v. a.). Dazu tourt er mit unzähligen Bands quer durch alle Länder und Kontinente. Seit 2009 unterrichtet Dietmar Fuhr als Dozent für Jazz-Kontrabass an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und seit 2012 am Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt a. M. Die Laurel-und-Hardy-Matinee Letztes Jahr stand unsere Sonntags-Stummfilmmatinee ganz im Dienst der Grusel-Retrospektive „100 Jahre Gänsehaut“ – dieses Jahr stellen wir sie in den Dienst des genauen Gegenteils, nämlich der Komödie. Genauer gesagt: sogar dreier Komödien. Alle drei zeigen das wohl bekannteste Komiker-Duo der Filmgeschichte: Stan Laurel und Oliver Hardy. Stan Laurel (1890 – 1965) stammte aus einer englischen Künstlerfamilie, verbrachte seine gesamte Kindheit in britischen „music halls“ und wurde in Folge selbst Musiker und Komiker. Nach einer USATournee im Jahr 1910 blieb er in Amerika, wo er im Vaudeville und ab und an im Film arbeitete. Sonntags-Stummfilmmatinee mit Livemusik 5 Stummfilmmatinee Oliver Hardy (1892 – 1957) stammte aus Norvell im US-Staat Georgia und sollte eigentlich eine Karriere beim Militär einschlagen. Stattdessen eröffnete er ein Kino. Danach wurde er erst Schauspieler bei einer Filmfirma in Florida und zog dann nach Hollywood, wo er bald schon in den Hal-Roach-Studios als Komiker fest angestellt war. Laurel und Hardy spielten zwar beide schon 1921 miteinander in einem Film („The lucky dog“), aber erst fünf Jahre später wurden sie offiziell ein Team. Damit begann ihre große Karriere, der auch der Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm keinen Abbruch tat. Für ihren Kurzfilm „Das verrückte Klavier“ („The Music Box“) erhielten sie den Oscar und auch ihre Langfilme erfreuten sich weltweit größter Beliebtheit. Ihr Erfolg stagnierte jedoch, als sie 1940 die Hal-Roach-Studios verließen und bis 1945 für 20th Century Fox und Metro-Goldwyn-Mayer arbeiteten. Danach gingen beide mit gemeinsamen Bühnenshows auf Tourneen, bevor sie 1950 ihren letzten Film drehten, die französisch-italienische Koproduktion „Dick & Doof erben eine Insel“ („Atoll K“). Die Auswahl der drei Kurzfilme für unsere Matinee steht dabei unter einem ganz besonderen Leitgedanken: Um den Umzug des Filmwochenendes und seines Festivalkinos „Central“ aufs Bürgerbräu-Gelände gebührend zu feiern, haben wir drei Laurel-und-Hardy-Komödien ausgewählt, in denen das Thema „Hausbau / Neubau / Umzug“ eine Rolle spielt. Wir freuen uns sehr, dass Jazz-Komponist Werner Küspert auch dieses Jahr wieder extra für unsere Stummfilmaufführungen neue Musik geschrieben hat und sie als Weltpremiere mit seinem Ensemble „Küspert & Kollegen“ live präsentiert. James W. Horne, Leo McCarey Big Business Das große Geschäft USA 1929 · ca 20 min · s / w Regie: James W. Horne, Leo McCarey Produzent: Hal Roach Inhalt Laurel und Hardy ziehen von Tür zu Tür, um Weihnachtsbäume zu verkaufen. Als sie allerdings bei einem potenziellen Kunden klingeln, der nicht gerne Besuch von Hausierern bekommt, ist bald von einer weihnachtlichen Stimmung nicht mehr viel zu spüren. Über den Film „Big Business“ aus dem Jahr 1929 wird als das genuine Kurzfilm-Meisterwerk der beiden Komiker bezeichnet, und die seltene Gelegenheit, den Two-Reeler einmal im Kino zu sehen, sollte man keineswegs versäumen. www.filmzentrale.com 6 Sonntags-Stummfilmmatinee mit Livemusik Leo McCarey Liberty Die Sache mit der Hose USA 1929 · ca 20 min · s / w Inhalt Laurel und Hardy sind flüchtige Zuchthausinsassen. Mit Mühe und Glück können sie der Polizei entkommen – doch nachdem sie sich ihrer Gefangenenkleidung entledigt haben, bringt sie ein deplatzierter Hummer in gefährliche Höhen. Regie: Leo McCarey Produzent: Hal Roach Über den Film Dieser ungewöhnliche und sehr gelungene Ausflug in die Domäne von Harold Lloyd, den Fassadenkletterer-Comedy-Thriller, enthält einige der komischsten Laurel & Hardy-Momente. William K. Everson in „Laurel und Hardy und ihre Filme“ In diesem schreiend komischen Stummfilm beweisen Laurel und Hardy ihr unglaubliches Können im Variieren und Ausreizen eines Gags bis zur Grenze des Möglichen. www.prisma.de Clyde Bruckman, Leo McCarey The Finishing Touch Das unfertige Fertighaus USA 1928 · ca 20 min · s / w Inhalt Laurel und Hardy verdingen sich als Bauarbeiter – und als ihnen eine Bonusprämie in Aussicht gestellt wird, stürzen sie sich in die Arbeit, um ein Haus innerhalb von einer Woche fertigzustellen. Regie: Clyde Bruckman, Leo McCarey Produzent: Hal Roach Über den Film Exzellentes Timing, kein überflüssiges Bild. www.films.blog.lemonde.fr Sonntags-Stummfilmmatinee mit Livemusik 7