Der Warenhaus-Standort Bahnhofstrasse 75-79, Zürich

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Copyright: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich
Copyright: Manor AG
Der Warenhaus-Standort Bahnhofstrasse 75-79, Zürich
Eine kulturgeschichtliche, städtebauliche und architektonische Würdigung
Zürich, 24. April 2014
Dr. Hans-Peter Bärtschi
ARIAS Industriekultur, Winterthur
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Übersicht
 Ausgangslage
 Bau- und Nutzungsgeschichte
 Das Warenhaus im Spiegel der Zeit
 Beurteilung der Schutzwürdigkeit
 Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt
 Zusammenfassung und Fazit
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Ausgangslage:
Mandat
 Anfrage von Manor an ARIAS Industriekultur im November 2013, vor dem
Hintergrund der Baueingaben von Swiss Life betreffend einer geplanten
«Revitalisierung» der Liegenschaften Bahnhofstrasse 75-79 ein Gutachten
zu erstellen
 Untersuchungsgegenstand:
 Würdigung der Gebäude sowie der Baugesuche aus städtebaulicher,
architektonischer und kulturhistorischer Sicht
 Dies speziell mit Blick auf die Vereinbarkeit der geplanten Umbauten und der
Umnutzung mit denkmalpflegerischen Schutzzielen
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Ausgangslage:
Hintergrund
 Bahnhofstrasse 75-79 prachtvolle Bauten an hervorragender Lage im
Herzen der Stadt Zürich
 Standort geht in die Pionierzeit der Warenhausarchitektur zurück
 Durchgehende Warenhausnutzung seit Ende des 19. Jahrhunderts:
Kaufhaus Brann, Oscar Weber, Manor
 Heute: a. 00 Mitar eite de, ru d 00’000 Produkte i
Preissegment
ittlere
 Mit mehr als 6 Millionen jährlichen Besuchern tägli h 20’000, davo
2’000 i Restaura t ist das Gebäude nicht das umsatzstärkste, aber eines
der am meisten frequentierten Warenhäuser der Schweiz
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Übersicht
 Ausgangslage
 Bau- und Nutzungsgeschichte
 Das Warenhaus im Spiegel der Zeit
 Beurteilung der Schutzwürdigkeit
 Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt
 Zusammenfassung und Fazit
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Bau- und Nutzungsgeschichte:
Warenhaus-Standort über drei Liegenschaften
 Bahnhofstrasse 75
 Südteil gegen Uraniastrasse
 1899 als Kaufhaus Brann erstellt, später umfassend erneuert
 Bahnhofstrasse 77
 Mittelbau, «Nörr-Haus»
 1929 erstellt, bis heute im Eigentum der Erbengemeinschaft Nörr
 Bahnhofstrasse 79
 Gegen Pestalozzi-Anlage, «Näfenhaus»
 1932 für Seiden-Textilunternehmen Näf erstellt
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Bau- und Nutzungsgeschichte:
Eigentümer und Nutzer
 1899: Kaufhaus Brann
– Bahnhofstrasse 75, später Erweiterung auf Bahnhofstrasse 77 und 79
 1939: Oscar Weber
– Erwerb des Standorts (Bahnhofstrasse 77 in Miete von Familie Nörr)
– Weiterführung als Warenhaus
 1984: Manor
– Übernahme des Standorts in 30-jährigem Mietvertrag (Bahnhofstrasse 77 in
Untermiete); vertragliche Verpflichtung, ein Warenhaus weiterzuführen
– Recht auf Offerte zur Vertragsverlängerung bis 2019 «zu dannzumal marktüblichen Vertragskonditionen»
 2001: Swiss Life
– Erwerb der Liegenschaften Bahnhofstrasse 75/79 (Bahnhofstrasse 77 in Miete)
– Übernahme Mietvertrag mit Manor
– Umbau/Umnutzung geplant
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Bau- und Nutzungsgeschichte:
Renommierte Architekten, Ingenieure, Künstler
 Otto Pfleghard (1869-1958)
– Gehörte zu erfolgreichsten Architekten in Zürich
– Entwarf Kaufhaus Brann 1910, Erweiterung 1930
 Otto Honegger (1876-1934)
– Entwarf Häuser im Übergang vom Heimatstil zu Moderne
– Baute das Näfenhaus 1930 und ersetzte die Vorläuferbauten
 Hans Merkli (1903-1988)
– Renommiertes Büro, besteht noch heute in dritter Generation
– Neubau Nörr-Haus
 Bernhard Terner (1874-1960)
– Bekannt für Bau von Hallen und Brücken
– Spezialisiert auf Betonskelettbauweise, wie 1910 für Kaufhaus Brann entwickelt
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Otto Morach (1887-1973), Kunstmaler, Buntglasfenster für Kaufhaus Brann
Copyright: Hans-Peter Bärtschi, Arias Industriekultur
Copyright: Hans-Peter Bärtschi, Arias Industriekultur
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Bau- und Nutzungsgeschichte:
Mehr als 100 Jahre Nutzungskontinuität
 Durchgehende Nutzung des Standorts als Warenhaus; dies ist auch heute
noch an den Gebäuden baulich unmittelbar ablesbar
 Nur bescheidene Anzahl von Objekten in Zürich mit derartiger
Nutzungskontinuität
 Keinem anderen Warenhaus in der Schweiz kann durchgehende
Warenhausnutzung nachgewiesen werden
 Nutzungskontinuität dürfte auch im internationalen Vergleich eine seltene
Ausnahme sein
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Übersicht
 Ausgangslage
 Bau- und Nutzungsgeschichte
 Das Warenhaus im Spiegel der Zeit
 Beurteilung der Schutzwürdigkeit
 Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt
 Zusammenfassung und Fazit
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Das Warenhaus im Spiegel der Zeit:
Entwicklung der Warenhäuser
 Paris als Entstehungsort erster moderner Warenhäuser
 «Kaufhaus des Westens» (KaDeWe) als Prototyp des Warenhauses des
20. Jahrhunderts
 Warenhäuser entwickelten sich zu «Konsumtempeln»
 Erlebnisraum «Konsumtempel» wird auch architektonisch umgesetzt
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Das Warenhaus im Spiegel der Zeit:
Historischer Zeuge der Warenhaustypologie
 Bahnhofstrasse 75-79 als einzigartiges Beispiel und Zeitzeuge der
klassischen Warenhaustypologie
 Enthält die für Warenhäuser typischen:
 tragenden Säulenstrukturen
 weiten und offenen Raumfolgen
 Akzentuierung durch die farbigen Fensterfronten von Otto Morach
 Einheit von Architektur und Nutzung!
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Das Warenhaus im Spiegel der Zeit:
Bauliche Merkmale reflektieren soziale Bedeutung
 Offener Empfang und freie Zugänglichkeit für jedermann
 Einladende Erschliessungen
 Innenhöfe und Verpflegungsräume
 Breites Warenangebot
 Deckung der Grundbedürfnisse grosser Teile der Bevölkerung
 Treffpunkt für Jung und Alt, Menschen aus allen sozialen Schichten
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Übersicht
 Ausgangslage
 Bau- und Nutzungsgeschichte
 Das Warenhaus im Spiegel der Zeit
 Beurteilung der Schutzwürdigkeit
 Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt
 Zusammenfassung und Fazit
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Beurteilung der Schutzwürdigkeit:
Amt für Städtebau, Zürich
Die Liegenschaften Bahnhofstrasse 75-79 sind im
Denkmalpflege-Verzeichnis der Stadt Zürich
eingetragen.
«Identische Fassadenpfeilerabstände, durchgehende
Gesimsbänder und ein einheitliches Walmdach über
dem durchgehenden Attikageschoss fassen die
stilistisch unterschiedlichen Bauten zu einer
architektonischen Einheit zusammen. Sie ergeben
einen städtebaulich markanten Gebäudekomplex,
der nicht nur den Kreuzungsbereich von Bahnhofund Uraniastrasse dominiert, sondern mit der
Nordfassade auch eine wichtige Platzfront gegen
die Pestalozzi-Anlage bildet. Die Südfassade fügt
sich in die Häuserflucht der sogenannten JugendstilAchse an der Uraniastrasse ein»
«Die architektonische behutsame Abstimmung der
verschiedenen Bauetappen kam auf Initiative von
Stadtbaumeister Hermann Herter zu Stande und
darf um 1930 in Zürich als einmalig gelten»
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Beurteilung der Schutzwürdigkeit:
Zeitgemässer Denkmalschutz
 Früher: Unterschutzstellung von Bauten überragender Schönheit oder von
Altertümern, häufig reiner Fassadenschutz
 Aktuell: Schutz auch von Objekten der neueren Zeit und von Gebäuden,
die für ihre Entstehungsgeschichte charakteristisch sind
 Grundsatz: Schutzwürdigkeit dann besonders gegeben, wenn die gleiche
Nutzung unverändert Bestand hatte
 Beispiele für einen behördlichen Schutz von Nutzungselementen:
 «Café Odeon» in Zürich (1983)
 «Variété Theater Küchlin» in Basel (1992)
 «Badischer Bahnhof» in Basel (1994)
 Restaurant «Le Relais de l'Entrecôte» in Genf (2012)
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Beurteilung der Schutzwürdigkeit:
Würdigung
 Die Liegenschaften Bahnhofstrasse 75-79 sind aus Sicht von ARIAS als
Ganzes als «Denkmal» zu betrachten:
 Lage
 Fassaden
 Weite, offene Innenräume
 Nutzung als Zeuge der Warenhauskultur, in mehr als 100-jähriger Kontinuität
 Fassaden, Warenhausnutzung, öffentlich zugängliche grosszügige Innenräume,
Erschliessung und ab 1910 gebaute Tragkonstruktion bilden eine Einheit
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Übersicht
 Ausgangslage
 Bau- und Nutzungsgeschichte
 Das Warenhaus im Spiegel der Zeit
 Beurteilung der Schutzwürdigkeit
 Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt
 Zusammenfassung und Fazit
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Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt:
Illustratives Beispiel
2. Obergeschoss: aktuell
2. Obergeschoss: geplant
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Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt:
Würdigung
 Die heute vorliegenden Pläne lassen aus Sicht von ARIAS eine vertiefte
Auseinandersetzung mit dem kulturhistorischen Erbe der Liegenschaften
vermissen
 Die kleinteilige Nutzungsstruktur widerspricht der (offenen, frei
zugänglichen) Warenhaustypologie
 Nach erfolgtem Umbau bzw. erfolgter Umnutzung liesse sich von der
pionierhaften Bedeutung des Warenhaus-Standorts nichts mehr erkennen
 Die Gebäude würden ihrer Zwecksetzung vollständig entfremdet
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Übersicht
 Ausgangslage
 Bau- und Nutzungsgeschichte
 Das Warenhaus im Spiegel der Zeit
 Beurteilung der Schutzwürdigkeit
 Kritik am Umbau-/Umnutzungsprojekt
 Zusammenfassung und Fazit
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Zusammenfassung und Fazit
 Es besteht ein grosses öffentliches Interesse am Erhalt des Zusammenspiels zwischen «Innen und Aussen» und der seit über 100 Jahren
kontinuierlichen Nutzung der Liegenschaften Bahnhofstrasse 75-79
 Das Bauwerk ist lebendiger Zeuge des gesellschaftlichen Wandels und
nimmt in Zürich aus städtebaulicher und kulturhistorischer Perspektive
einen Sonderplatz ein
 Ein zeitgemässes Schutzverständnis erschöpft sich nicht in der Fassade,
sondern umfasst auch Aspekte der Einheit von Gestalt und Nutzung
 Das Umbau-/Umnutzungsprojekt würde wesentliche Strukturelemente
zerstören, was mit denkmalpflegerischen Schutzzielen nicht vereinbar ist
 Eine Baugenehmigung würde aus Sicht von ARIAS Auflagen hinsichtlich der
Bauweise und der fortgesetzten Nutzung als Warenhaus erfordern
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