Gelungene Symbiose von Architektur und pädagogischem Konzept Wir tragen Sorge für das Wohlbefinden Wir fühlen uns verantwortlich dafür, dass sich die Menschen mit Behinderungen bei uns wohlfühlen, sicher und geborgen leben können sowie ihre Position im Leben finden. Mit pädagogischer Pflege und therapeutischen Hilfen entsprechen wir grundlegenden Bedürfnissen eines Menschen mit Behinderung und bereiten die Basis für weitere Entwicklungen beim Lernen, Arbeiten und Erholen. Gestaltung unser Räumlichkeiten In der Gestaltung unserer Gebäude, Innenräume und Freiflächen wollen wir den individuellen Bedürfnissen der hier lebenden Menschen entgegenkommen. Die Raumqualität soll Rückzug und Kontakte ermöglichen. Unsere Häuser wirken nach außen offen und unterstützen die von uns angestrebte Integration mit der Umwelt. (Aus dem Leitbild des Vereins Helfende Hände) Lebensmittelpunkt Die im Leitbild formulierten Grundsätze bestimmen auch das Wohnkonzept unseres Wohnpflegeheims in dem eine Symbiose zwischen Pädagogik und Architektur angestrebt und realisiert wurde - oder anders ausgedrückt: Das Leitbild manifestiert sich in der Architektur. Wir definieren den Begriff "Heim" radikal positiv als Heimstatt, als Heimat und Zuhause, nicht im leider oft verwendeten negativen Sinn des Wegschließens, des aus der Gemeinschaft Entfernens. "Heim" bedeutet für uns " ... jmds. Wohnung, Zuhause (unter dem Aspekt von Geborgenheit, angenehmer Häuslichkeit): ein behagliches, stilles H.; das H. schmücken; in ein neues H. einziehen." und nicht " ... öffentliche Einrichtung, die der Unterbringung eines bestimmten Personenkreises (z. B. Alte, Kranke, schwer erziehbare Jugendliche) dient: das H. wurde aufgelöst; aus einem H. entlassen werden; im H. leben; sie ist in drei -en gewesen; ..." (beide Zitate aus Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003) Die Bewohner - erwachsene mehrfach schwerstbehinderte Menschen zwischen 20 und 40 - haben hier ihren Lebensmittelpunkt. Sie und ihre unmittelbaren Mitbewohner bilden ihre Familie - der Familiencharakter wird auch durch die bauliche Struktur unterstützt - individuelle Rückzugszonen und das Gemeinschaftserlebnis sind gleichermaßen möglich. Die einzelne Wohngruppe wird damit zu WG, zur Wohngemeinschaft und Lebensgemeinschaft. Das Gruppenerleben wird geprägt durch den intensiven Austausch von Individualität und Kollektiv. Bei der Gestaltung der Wohngruppen (für je sechs Bewohnerinnen und Bewohner) wurde der Aspekt Individualität in den jeweils sechs Einzelzimmern, die nach persönlichem Geschmack gestaltet werden, realisiert. Für Paare können auch zwei Einzelzimmer zu einem Doppelzimmer zusammengelegt werden. Küche, Essbereich und Aufenthaltsraum - all drei ineinander übergehend - bilden den gemeinsamen Wohnraum für die Gruppe. Er ist Zentrum und Treffpunkt der Wohngemeinschaft und entsprechend in der Gestaltung herausgehoben: Man findet hier einen großen Esstisch am Licht und nahe am Freisitz und eine offene Küche, in der die Bewohner selbst aktiv werden können, aber auch eine geschützte Zone des Rückzugs mit Sofa und Liegemöglichkeit. Zum individuellen Bereich gehört die Möglichkeit zur Körperhygiene im eigenen Zimmer bzw. Pflegebett. Zusätzlich stehen großzügig dimensionierte und helle Pflegebäder, bei denen Toiletten- und Badbereich getrennt sind, zur Verfügung. Zum Alltag gehören auch das Waschen und Bügeln - die Pflege der persönlichen Lieblingsjeans oder des Lieblings-T-Shirts ist auch Teil des Alltags.Das mit der Zeit wachsende Gemeinschaftsgefühl gibt auch stark sehbehinderten oder autistisch geprägten Bewohnern Sicherheit und die Möglichkeit, sich selbst zu realisieren und gleichzeitig aktiv in die Gemeinschaft einzubringen. Architektur und Kommunikation - intern Ein wesentliches Element zur Förderung von Kommunikation und Interaktion ist das Prinzip der Erdgeschossigkeit. Die sechs Wohngruppen (zusammen mit der angeschlossen Förderstätte) sind alle ebenerdig angelegt, was gegenseitige Besuche fördert. Dadurch dass die Bewohner ohne Aufzug oder gar schwieriges Treppensteigen zu ihren Mitbewohnern gelangen können, wird das bauliche Ensemble zum erlebbaren Kommunikationsraum, der Bewegungsfreiheit, eine selbstständige Entwicklung und Interaktion gleichermaßen ermöglicht und unterstützt. Das Prinzip der Erdgeschossigkeit wirkt auch bei der Orientierung nach "draußen": Jede Wohngruppe und Förderstättengruppe hat die Möglichkeit, aus dem jeweiligen über eine Terrasse in die Natur zu kommen. Balkone oder Dachterrassen könnten dies nicht in dem gewünschten Ausmaß leisten. Die Erdgeschossigkeit nach draußen motiviert den Weg aus der Gruppe, die Kommunikation mit den Nachbarn. Erdgeschossigkeit nach innen macht den Gang "vor die Wohnungstür", um sich auf dem Gang mit Mitbewohnern zu treffen oder sich im Gebäude zu bewegen, zu einer einfachen Angelegenheit. Architektur und Kommunikation - extern Die Gebäude laden die Nachbarschaft durch die offene Bauweise und die Aufmerksamkeit erregende Gestaltung zur Begegnung ein. Eigens dafür wurde eine Begegnungsstätte in Form eines kleinen Cafés eingerichtet. Besonders bei festlichen Anlässen ist zu spüren, dass die in der Architektur ausgesprochene Einladung zum gegenseitigen Kennenlernen angekommen ist. In der Struktur des Ensembles ist zunächst keine strikte Ordnung zu erkennen, kein Rechts-LinksSchwarz-Weiß-Schema, wie es in vielen baulichen Vorgaben zu finden ist. Was realisiert wurde, war eine gewissermaßen höhere, sich nach Lebensqualität hin orientierende Ordnung. Erlebbar wird dies etwa an der Ausrichtung der Haustüren der einzelnen Wohngemeinschaften zum Licht hin: Ein Bewohner, der seine Wohnung verlässt, Blickt immer in hellen Grünbereich. Die Anlage ist nicht als Ganzes überschaubar, sie will schrittweise erlebt werden. Dabei weckt die Gestaltung die Neugier, welche Räume sich noch auftun, und bietet unverwechselbare Situationen. Die Gänge zwischen den Wohngruppen, gewissermaßen die Straßen des Ortes Helfende Hände, trennen nicht, sie sind vielmehr Ort der Begegnung, des Austauschs. So wirkt die Struktur nicht einschränkend, sondern gibt Raum zur persönlichen Entfaltung. In diesem Sinne wurde auch die Größe der Gesamten Wohnstätte mit 30 Bewohnern in fünf Wohngruppen bewährt. Sie ist für den Einzelnen noch als Gesamtes erlebbar und hat eine Dimension, in der bei Bedarf auch besondere Angebote möglich sind. Der erforderliche Anbau eines weiteren Wohnpflegeheims in ähnlicher Dimension wird an diesem bewährten Gesamtkonzept nichts ändern; es wird mit dem bestehenden Ensemble zwar verbunden, bildet aber eine in sich eigenständige Einheit. So wird sichergestellt, dass auch zukünftig pädagogisches Konzept und architektonische Umsetzung eine Symbiose zum Wohle der Menschen eingehen werden.