Drehimpulse in der Quantenmechanik In der Atomphysik spielt der Drehimpuls eine zentrale, entscheidende Rolle. Für Potentiale mit V(r) = V(r), Zentralpotentiale ist der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße. Der Drehimpuls hat die Dimension Länge*Masse*Geschwindigkeit Die SI-Einheit ist: m·kg·m/s = m·s·kg·m/s2 = N·m·s = J·s Die Größe der Dimension Energie*Zeit nennt man Wirkung. Eine fundamentale Einheit der Wirkung ist ħ = h/(2π) = 1.0545726·10-34 Js Drehimpulse kommen in der Natur nur in Einheiten von ½ ħ vor! Weil ħ so klein ist, ist die Quantisierung des Drehimpulses bei makroskopischen Objekten praktisch nicht beobachtbar und der Drehimpuls erscheint klassisch als kontinuierliche Größe. Eine Masse von 1kg auf einer Kreisbahn mit Radius 1m und ω = 2π·1Hz hat einen Drehimpuls von m·r2·ω = 1.1916·1035 * ħ/2 ! 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 1 10.1 Der Drehimpuls (quantenmechanisch) L p r Klassisch: L = r x p = r x (mv) Quantenmechanisch: pˆ x = = ⋅ ∂ i ∂x 05.07.2004 (nicht-relativistisch) pˆ ⇒ = ∇ i pˆ y = = ⋅ ∂ i ∂y pˆ z = = ⋅ ∂ i ∂z Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 2 Lˆ x ⎞ = ⎛ ∂ ∂ = ⋅ ⎜⎜ y ⋅ − z ⋅ ⎟⎟ ∂y ⎠ i ⎝ ∂z Lˆ y = = ⎛ ∂ ⎞ ⋅⎜ z⋅ −x⋅ ∂ ⎟ ∂ z⎠ i ⎝ ∂x Lˆz = ⎞ = ⎛ ∂ ⋅ ⎜⎜ x ⋅ − y ⋅ ∂ ⎟⎟ ∂x ⎠ i ⎝ ∂y Quantenmechanische Operatoren für die Drehimpulskomponenten Für geladene Teilchen (wie Elektronen) ist mit einem Drehimpuls L immer ein magnetisches Dipolmoment µ verbunden. Es gilt: µ = γL D.h. µ zeigt immer entlang der Richtung von L, µ und L sind parallel (oder antiparallel). γ heißt „magnetogyrischer“ Faktor (oder auch gyromagnetisches Verhältnis). 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 3 Beispiel: Ladung q, Kreisbewegung in x-y Ebene Drehimpuls: L = m·r·v = m·r2·ω Strom: Pro Zeiteinheit läuft die Ladung q mit der Frequenz f = ω/2π im Kreis: z ω I = q·f = q· ω/2π r Magnetisches Dipolmoment: µ = I·π·r2 Strom µ = q ⋅ ω ⋅ π ⋅ r2 = 1 ω⋅ r 2⋅ q 2π 2 q,m Fläche µ = q ⋅L 2m Magnetisches Moment µ und Drehimpuls L sind parallel entlang der z-Richtung. Der „magnetogyrische“ Faktor γ ist für die Kreisbewegung also: γ= q 2m Für ein Elektron mit q = -e ist: γ = -e/2m = -8.7941·1010 1/(Ts) 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 4 Im Magnetfeld B hat ein magnetisches Moment µ folgende Wechselwirkungen: 1. Energie E = - µ·B B Der energetisch tiefste Zustand ist parallel zu B ϑ E = -µ·B·cosϑ 2. Drehmoment N=µxB Das Drehmoment N verändert den Drehimpuls L nach: µ B N µ dL = N = L dt 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 5 Da das magnetische Moment µ immer kollinear mit L ist, hat man durch µ = γL dL = µ x B = γ ⋅ Lx B dt Die Änderung des Drehimpulses steht immer senkrecht zu B und zu L ! d.h. der Drehimpuls im Magnetfeld ändert nur seine Richtung, aber nicht seinen Betrag! B Klassisch folgt aus dL/dt = γ·L x B eine Präzessionsbewegung des Drehimpulses um die Richtung von B mit der Kreisfrequenz ω = γ·B Diese Kreisfrequenz nennt man die Larmor-Frequenz ω ϑ L und die Präzession die Larmor-Präzession 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 6 Welche Beobachtungsgrößen bleiben bei dieser Präzessionsbewegung konstant? L = L⋅L = L2 1) Der Betrag von L , |L| , 2) Die Projektion Lz = |L| ·cosϑ auf die z-Achse, wenn man das Magnetfeld entlang der z-Achse anlegt. Man erwartet nun auch quantenmechanisch, daß L̂ und sind und sich auch messen lassen! L̂ z Konstante der Bewegung Da nur der Betrag und die Projektion Konstante sind, sollten die Operatoren L̂ 2 und L̂ z das Verhalten vollständig beschreiben. Wir verwenden für ein Teilchen Kleinbuchstaben: lˆ 2 und lˆ z In der quantenmechanischen Beschreibung suchen wir also nach gleichzeitigen Lösungen (Eigenfunktionen) der beiden Operatoren lˆ 2 und lˆ z 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 7 ⎛ ⎞ lˆ z = = ⋅ ⎜⎜ x⋅ ∂ − y ⋅ ∂ ⎟⎟ i ⎝ ∂y ∂x ⎠ lˆ 2 = ( lˆx⋅lˆx + lˆy⋅lˆy + lˆz ⋅lˆz ) Für die Lösungen des Drehimpulses geht man besser zu Polarkoordinaten r, ϑ, ϕ über. Die Drehimpulsoperatoren sind nur eine Funktion von ϑ, ϕ : Man kann von den kartesischen Koordinaten x , y , z die Differentialoperatoren umrechnen und erhält: lˆ z = = ⋅ ∂ i ∂ϕ { lˆ 2 = −= 2 ⋅ } 1 ⋅ ∂ ⋅ (sin ϑ ∂ ) + 1 ∂ 2 sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ sin 2 ϑ ∂ϕ2 Den Operator von lˆ haben wir in dieser Form schon bei der Behandlung des Wasserstoffatoms kennengelernt. Die Lösungsfunktionen sind die Kugelflächenfunktionen Yl m (ϑ, ϕ) 2 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 8 Wir hatten: Und deshalb: 1 ∂ ⎛⎜ sinϑ ∂Y ⎞⎟ + 1 ∂2Y = −l(l +1) ⋅Y sinϑ ∂ϑ ⎝ ∂ϑ ⎠ sin2 ϑ ∂ϕ2 ˆl 2 ⋅ Yl m(ϑ, ϕ) = = 2 ⋅ l (l + 1) ⋅ Yl m(ϑ, ϕ) Die Ylm(ϑ,ϕ) sind die Eigenfunktionen des Drehimpulsoperators l2 zum Eigenwert l(l+1)ħ2. Aus der Darstellung Yl m (ϑ, ϕ) ∝ Pl m (ϑ) ⋅ eimϕ erkennt man, daß: ˆl z ⋅ Yl m(ϑ, ϕ) = m⋅= ⋅ Yl m(ϑ, ϕ) d.h. die Ylm(ϑ,ϕ) sind gleichzeitig auch Eigenfunktionen zu lz mit dem Eigenwert m·ħ 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 9 Physikalische Interpretation: Ist ein atomares System im Zustand mit einer Wellenfunktion Ψn , l , m (r , ϑ, ϕ) = Rnl (r ) ⋅ Ylm (ϑ, ϕ) ⎛0⎞ ⎜ ⎟ B = so hat man für dieses Atom im Magnetfeld ⎜ 0 ⎟ folgende möglichen ⎜ B⎟ Meßwerte des Drehimpulses: ⎝ ⎠ l = l 2 = = ⋅ l (l + 1) lz = m ⋅ = „Größe“ (Betrag) des Drehimpulses Projektion auf die z-Achse Für ein festes l ≠ 0 ist im Magnetfeld die Projektion lz entlang der Richtung von B quantisiert in Einheiten von ħ. Nur Meßwerte m·ħ , m = -l, -l+1 ,..., l-1 , l sind möglich! m heißt deshalb magnetische Quantenzahl. Die z-Richtung ist beliebig, man dreht einfach das Koordinatensystem mit der z-Achse in die Richtung von B. 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 10 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 11 Energiequantisierung des magnetischen Momentes im Magnetfeld B Da klassisch µ = γ·L ist, so liegt folgende Definition des quantenmechanischen Operators für das magnetische Moment µˆ = γ ⋅ lˆ µ̂ nahe: Für eine Ladung q , Masse m ist dabei γ = q/(2m) Klassisch ist die Energie im Magnetfeld: Energie = -µ·B Quantenmechanisch hat man dann den folgenden Energieoperator: Hˆµ = −µˆ ⋅ B = −µˆ z ⋅ B = − γ ⋅ B ⋅ lˆz Die Eigenwerte und die Eigenfunktionen dieses Energieoperators sind: Hˆµ ⋅ Yl m (ϑ, ϕ) = − γ ⋅ B ⋅ lˆz ⋅ Ylm (ϑ, ϕ) = − γB= ⋅ m ⋅ Yl m (ϑ, ϕ) Die Energieeigenwerte Em sind also: Em = -ħ·γ·B·m 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 12 Für das Elektron ist q = -e und damit hat man die Eigenwerte: Em = =e ⋅ B ⋅ m = (µB⋅ B ) ⋅ m 2m µ B = =e 2m = 9.274015·10-24 J/T ist die fundamentale Einheit: Bohrsches Magneton +1 Beispiele: l=1: l (l + 1) = 2 Die Projektionen entlang z sind dann: 0 1·ħ , 0·ħ , -1·ħ -1 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 13 l=2: l (l + 1) = 6 +2 Die Projektionen entlang z sind dann: 2·ħ , 1·ħ , 0·ħ , -1·ħ , -2·ħ +1 0 -1 -2 Andere Energieeigenwerte als µB·B·m , m = -l , -l+1 , ... , l-1 , l kommen in den Messungen nicht vor! Magnetische Momente und ihre Quantisierung bilden die Grundlage der magnetischen Resonanz und auch von Methoden wie Kernspintomographie. 05.07.2004 Teilchen & Wellen SS2004 Denninger Drehimpuls 14