LILITH ( Nachtrag zum *Essay 28c , S. 531) (1) Erich Neumann, der „LILITH“ im Register als „babylonisch“ aufführt, benennt jene nackte Göttin mit Vogelfüssen auf Tafel 126 im Abschnitt „HERRIN DER TIERE“ als „LILITH" . Die Todesgöttin. Sumer etwa 2.000 v. Chr“., Das Letztere ist eindeutig historisch falsch; denn nichts kann zugleich "sumerisch" und "babylonisch" sein, weil zur Zeit der Sumerer "Babylon" nicht existierte. Im Text beschreibt Neumann, dass die „mesopotamische Lilith“ den „negativen Chrakter als verführende, orgiastisch-traumhafte Form der Weiblichkeit“ habe , eine Art „gespenstischer Inkubus“ sei. (S. 87, 146). Im Gegensatz zu solcher Lilith sind sowohl der sumerischen Göttin Inanna , als auch der ursprünglich akkadisch-sargonidischen Ishtar solche Charaktereigenschaften fremd. Das übersieht Neumann und erliegt deshalb einem gravierenden historischen Irrtum. (2) Jene „Nackte Göttin mit Hörnerkrone, Flügeln und Vogelfüssen“ aus der altbabylonischen Zeit von ISIN-LARSA ( wohl erst aus der Zeit des Hammurabi oder noch später: 1.600 v.Chr., so Wolkstein/Kramer) zu identifizieren mit der lüsternen, dämonischen LILITH , ist also mit Sicherheit falsch und eine spätere patriarchalische Kontamination: Wir haben hier eine dämonisirende „LILITHISIERUNG“ einer „Grossen Göttin“ aus Isin/Larsa (wahrscheinlich in ihrem Todesaspekt) vor uns, die auf der Abbildung als Himmels- und Todesgöttin erscheint und deren Namen wir nicht kennen. Jedenfalls ist es verfehlt, LILITH als "sumerishe" Göttin zu bezeichnen, wie Neumann es tut und wie es durch esoterische Bücher geistert. (3) Mit der abgebildeten „Vogelgöttin“ haben wir es allenfalls mit dem Todesaspekt der INANNA (oder der späteren Ishtar) zu tun, wie Elizabeth Williams-Forte annimmt, auch wenn sie jene abgebildete babylonische Vogelgöttin aus ISIN irrig als „ CHTONIC ASPECT OF INANNA“ bezeichnet ( so in Wolkstein, Kramer, S. 189). INANNA war ja für die Sumerer seit 3.200 v. Chr. die "Göttin des Himmels und der Erde" . INANNA und ISHTAR hatten als Himmelsgöttinnen Flügel wie NUT (vgl. * S. 409, 420 ). Da die Vogelgöttin von Isin-Larsa auch mit Flügeln dargestellt wird, weist dies eher auf ihren himmlischen als auf ihren chtonischen Aspekt hin. - 2 (4) Gleichermaßen unhaltbar ist es, (wie Wolkstein es tut) die im altbabylonischen Mythos vom „HULUPPU-Tree der Inanna“ (neben der Schlange und dem Anzu Bird) im Baum lebende „SCREECH OWL“ oder „DARK MAID“ mit dem hebräischen Namen „LILITH“ zu bezeichnen ( selbst der babylonische Name „LILITU“ wäre falsch). Diese Baumwesen haben mit einer „Göttin“ nichts gemein. Ferner: Dass jener Mythos nicht "sumerisch" ist, geht schon daraus hervor, dass GILGAMESCH, der die drei dämonischen Wesen auf Bitten Inannas aus dem Baum vertreibt, als „BRUDER DER INANNA“ bezeichnet wird, was zur Zeit der sumerischen Kultur undenkbar gewesen wäre. Inanna ist im besagten Myths ferner bereits zur UR-Enkelin des Himmelsgottes AN herab mythographiert worden und steht am untersten Ende des Pantheons, noch unter Enki und Ereshkigal, denn die TRENNUNG von Himmel und Erde durch ENLIL und deren Neu-Aufteilung (Erde: ENLIL, HIMMEL: AN) liegt, nach diesem Mythos, weit zurück in der Vergangenheit. Nur eine derartig herabgestufte Inanna kann als Schwester des Gilgamesch bezeichnet werden. Der Mythos stammt also frühestens aus der Zeit des Amoriter-Königs Hammurabi. (5) S.N. KRAMER erwähnt daher zu recht keine sumerische Göttin namens LILITH (auch keine babylonische namens LILITU). Eine weibliche Windgottheit (LIL = WIND) kommt in Sumer auch weder als Vorläuferin des EN.LIL noch als dessen spätere Gattin in Betracht; dies wird NIN.LIL, der, ebenso wenig wie der Inanna, Dämonisches zugeschrieben wird. Auch als TODESGÖTTIN kommt sie nicht in Betracht; denn das ist bei den Sumerern ERESHKIGAL. (6) Wenn Thomas Mann, der die dämonisierte Lilith zutreffend als "Nachtspuk, geboren aus virilen Albträumen" bezeichnete, sie mit Ishtar gleichsetzte, so begeht er den gleichen Irrtum: Zwischen der zur Hure herabgewürdigten Ishtar der spät-babylonischen Zeit und Lilith gibt es Ähnlichkeiten, die allerdings nichts gemein haben mit der ursprünglichen Ishtar des Sargonidenreiches AKKAD, vgl. den *Essay 20 , S. 398 ff. , sowie in diesem Blog "Sumerische" Göttergenealogien , Sumerer, Semiten, Indoeuropäer: Streitwagenkrieger ; Hyksos, Hurriter, Mitanni: Streitwagenkrieger . Gerhard Bott * *Die Erfindung der Götter. Essays zur politischen Theologie. ISBN 978-3-8370-3272-7