Bronchialkarzinom: State of the art in Diagnostik und Therapie - Dr-Art

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ÖSTERREICHISCHE KREBSHILFE
Austrian Breast Cancer Study Group
HEFT 5:2009
Bronchialkarzinom: State of the
art in Diagnostik und Therapie
zusammengestellt von Prim. Univ.-Prof. Dr. Otto Burghuber und Univ.-Prof. Mag. Dr. Robert Pirker
III Zur Epidemiologie des Bronchialkarzinoms
von Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka
V Screening, bildgebendes Staging und Stadien­
einteilung
von Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck und Dr. Helmut Prosch
VIIKlinik und invasive Diagnostik des Bronchial­
karzinoms
von Dr. Maximilian Hochmair
XINeues zur Diagnostik und Therapieentscheidung
– eine „pathologische“ Betrachtung
XVStellenwert der Radiotherapie im Management
des Bronchialkarzinoms
von Univ.-Prof. Dr. Michael Müller
von Dr. Karl Wurstbauer
XVIAdjuvante und neoadjuvante Chemotherapie im
operablen Stadium I-IIIA
IXChirurgische Behandlungsoptionen beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom
von Univ.-Prof. Dr. Helmut H. Popper
von Dr. Klaus Kirchbacher
XVIIIChemotherapie und zielgerichtete Therapie des
fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms
von Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker
 EDITORIAL
Sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Das Bronchuskarzinom ist das am häufigsten zum Tode führende Malignom in der
westlichen Welt. Gerade in den letzten fünf Jahren ist es zu einem enormen Zuwachs an Wissen
in allen Bereichen des Managements des Bronchuskarzinoms gekommen.
Durch die rasante technische Entwicklung der Bildgebung hat sich zum Beispiel die Diagnostik
bzw. Stadieneinteilung signifikant verbessert. Vor allem die Kombination aus hochauflösender
Computertomographie und der Positronenemissionstomographie hat das nicht invasive Staging
des Bronchuskarzinoms revolutioniert. Zudem wurde in den letzten Jahren eine neue Stadien­
einteilung von IASLC erarbeitet, die noch besser die Prognose der Patienten abzubilden imstande
ist.
Auch die bronchologische Diagnostik ist durch die Einführung des endobron­
chialen Ultraschalls hinsichtlich Spezifität und Sensitivität deutlich verbessert worden. Mit dieser
Methode können praktisch alle Lymphknotenstationen des Mediastinums unter Ultraschallsicht
punktiert werden.
Während noch vor wenigen Jahren die adjuvante Chemotherapie beim Bronchuskarzi­
nom als nicht sinnvoll erachtet wurde, ist durch die Studien der letzten Jahre die Wer­
tigkeit einer adjuvanten Chemotherapie ab dem Stadium Ib als gesichert anzusehen. Der
Zuwachs an Fünf-Jahres-Überleben entspricht durchaus anderen Tumorentitäten wie
dem Kolonkarzinom oder dem Mammakarzinom.
In der zytostatischen Chemotherapie des fortgeschrittenen nicht-klein­
zelligen Bronchialkarzinoms haben sich neue innovative Substanzen etabliert bzw. ist
der Stellenwert der sogenannten „Targeted Therapies“ in der First- als auch in der Secondline-Therapie weitgehend etabliert.
Molekulare Untersuchungen der Lungentumoren (vor allem beim Adenokarzinom)
werden zunehmend in der Routine angewandt und erlauben in der Zukunft, prognosti­
sche Aussagen über individuelle Tumore zu machen, bzw. ermöglichen schon vor Appli­
kation einer systemischen Therapie Informationen über deren Wirksamkeit.
Auch die Strahlentherapie hat sich im Management des Bronchuskarzi­
noms sowohl im kurativen als auch im palliativen Ansatz etabliert. So hat sich z.B. die
nicht kranielle stereotaktische Bestrahlung im Sinne eines kurativen Ansatzes auch beim
Bronchuskarzinom etabliert. Auch wird die prophylaktische Ganzhirnbestrahlung nun
bei allen Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom, die auf die initiale Therapie
angesprochen haben, durchgeführt.
Schließlich ist auch die palliative Betreuung der Patienten mit Bronchuskarzinom weitgehend
standardisiert und Evidenz-basiert, wobei neben supportiven Maßnahmen (Schmerztherapie, Be­
einflussung von Fatigue und Blutarmut) auch psychoonkologische Betreuung der Patienten und
ihrer Angehörigen Standard im Management darstellen.
Es ist sehr zu begrüßen,
Fotos: Barbara Krobath
dass hervorragende und ausgewiesene Spezialisten für das
Bronchuskarzinom gefunden worden sind, diese Innovationen und Neuerungen im Management
des Bronchuskarzinoms darzustellen.
Univ.-Prof. Dr. Otto Burghuber
1. Interne Lungenabteilung, Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe, Wien
Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker
Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Wien
II
krebs:hilfe!
3:2009
 lungenkarzinom
Zur Epidemiologie des
Bronchuskarzinoms
Von Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka
Weltweit versterben pro Jahr etwa eine Million Menschen am
Bronchuskarzinom. Die Epidemiologie dieser Erkrankung ist
dadurch gekennzeichnet, dass die Inzidenz parallel zur Mortali­
tät verläuft, da die überwiegende Mehrzahl der Patienten daran
verstirbt. Das Bronchuskarzinom ist bei Weitem die häufigste
tödliche Krebserkrankung.
2007 verstarben in Österreich 2.386 Männer und 1.198 Frauen
an dieser Erkrankung; 18,4 Prozent aller Krebstodesfälle in
Österreich waren dem Bronchuskarzinom zuzuordnen. Der
Trend der letzten Jahre zeigt eine rückläufige Sterblichkeit bei
Männern, bei Frauen hingegen eine Zunahme (siehe Tabelle).

Bronchuskarzinom in Österreich: Todes-
fälle und altersstandardisierte Mortalitäts­
rate (Todesfälle/100.000 Einwohner)
Frauen
Männer
Todesfälle
Mortalitätsrate
Todesfälle
Mortalitätsrate
1980
640
8,6
2815
61,6
1990
767
0,1
2636
56,4
2000
1.002
13,4
2438
44,9
2007
1.198
14,9
2386
37,4
Quelle: Statistik Austria
Das Auftreten des Bronchuskarzinoms widerspiegelt die Prävalenz
des Zigarettenrauchens mit einer Verzögerung von etwa 20 Jahren.
Daher ist für Österreich zu erwarten, dass das Bronchuskarzinom
in den nächsten fünf Jahren auch bei Frauen, noch vor dem Mam­
makarzinom, die häufigste Krebstodesursache sein wird.
Zigarettenrauchen und Bronchialkarzinom
Zigarettenrauchen ist der entscheidende Risikofaktor für das
Bronchuskarzinom. Neben dem aktiven Zigarettenrauchen spie­
len andere Einflüsse wie Belastungen am Arbeitsplatz, Diät oder
Umwelteinflüsse ebenfalls eine Rolle, sind jedoch vor allem für
Nichtraucher von Relevanz.
Die Historie der Epidemiologie des Bronchuskarzinoms ist auch
eine Geschichte der Beschreibung des Zusammenhangs zwi­
schen Zigarettenrauchen und Bronchuskarzinom. So wurde die
erste Fall-Kontroll-Studie zu dieser Frage in den 1950er Jahren in
London durchgeführt. Als Doll und Hill diese Studie begannen,
war keineswegs klar, dass Zigarettenrauchen hier die wesentliche
krebs:hilfe!
5:2009
Rolle spielen sollte. Vielmehr wurde vermutet, dass die Belastung
durch Teer und Autoabgase entscheidend sei. Bereits im Jahr
1964 war die Datenlage jedoch so klar, dass dieser Zusammen­
hang von den amerikanischen Gesundheitsbehörden anerkannt
wurde. Umso unverständlicher ist es, dass sich die österreichische
Gesundheitspolitik – fast 50 Jahre später – noch immer diesen
Erkenntnissen verschließt und nur zögerlich Maßnahmen zur
Bekämpfung dieser Epidemie umsetzt.
Dosis-Wirkungs-Beziehung und Risiko
Für den Zusammenhang zwischen Bronchuskarzinom und Zi­
garettenrauchen besteht eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Je länger geraucht und je mehr Zigaretten pro Tag geraucht wur­
den, umso höher ist das Risiko zu erkranken. Die Dauer der Be­
lastung spielt hier offensichtlich eine größere Rolle als die Inten­
sität der Belastung: Eine Verdreifachung der pro Tag gerauchten
Zigaretten bringt eine Verdreifachung des Risikos mit sich, wäh­
rend eine Verdreifachung der Jahre des Zigarettenrauchens ein
um das Hundertfache erhöhtes Risiko bedeutet. Dies impliziert,
dass der gegenwärtige Trend zum früheren Beginn des Zigaret­
tenrauchens, zurzeit etwa im 13. Lebensjahr, auch zu einem An­
stieg der Karzinomfälle führen wird.
Das mittlere Lebenszeitrisiko eines Rauchers, an einem Bron­
chuskarzinom zu erkranken, liegt bei zehn Prozent; das heißt
jeder zehnte Raucher erkrankt! Das Risiko beim Raucher im
Vergleich zum Nichtraucher ist um das Zehn- bis 30-Fache hö­
her. Besteht gleichzeitig eine Arbeitsplatzbelastung durch Karzi­
nogene, so kann es noch zu einer weiteren Erhöhung dieses Ri­
sikos kommen, z.B. in der Kombination mit beruflicher Asbest­
belastung (auf das 60-Fache).
Auch das Rauchen von Zigarren und Pfeifen ist mit einem er­
höhten Risiko assoziiert. Diskutiert wird, ob Frauen eine höhere
Empfindlichkeit für diese Erkrankung aufweisen – eine Frage die
bis heute offen ist, da entsprechende Vergleiche schwer durchzu­
führen sind. In allen Daten finden sich geschlechtsspezifische
Kohorteneffekte: Das Rauchverhalten von Frauen und Männer
ist mitgeprägt durch Kultur und Rollenverständnis und ändert
sich in Abhängigkeit dieser Normen. So ist es z.B. in weiten Tei­
len Chinas bis heute so, dass Zigarettenrauchen eine „Domäne“
der Männer ist.
Passivrauchen, Außenluftschadstoffe und Radon
Neben dem aktiven Zigarettenrauchen spielen das Passivrau­
chen und die Belastung mit Luftschadstoffen auf einer populati­
III
 Bronchialkarzinom
Berufliche Belastung
Chromate, Arsen, Radon, Holzrauch und andere Belastungen
wurden mit dem Auftreten von Bronchialkarzinomen assoziiert.
An erster Stelle ist hier die berufliche Asbestbelastung zu nennen.
Der Häufigkeitsgipfel der asbestassoziierten Lungenerkrankun­
gen wird für die nächsten zehn Jahre erwartet – neben einem
weiteren Anstieg der Mesotheliomerkrankungen ist auch mit ei­
ner Zunahme der asbestassoziierten Lungenkarzinome zu rech­
nen. Diese werden auch bei entsprechend nachgewiesener Belas­
tung als entschädigungsrelevante Erkrankungen anerkannt.
Die genannten Karzinogene sind in der Regel nicht nur für ein­
zelne Berufe relevant. Der Verdacht auf ein arbeitsplatzassoziier­
tes Bronchialkarzinom bedarf oft einer genauen Erfassung des
Lebenszeitrisikos für eine Vielzahl von Belastungssituationen.
Das Auftreten einer Karzinomerkrankung beim Nichtraucher
oder einer Person mit einer geringen kumulativen Tabakrauch­
belastung sollte immer zur genauen Erfassung der Berufsanam­
nese führen. Mit der Ausnahme der Asbestbelastung sind jedoch
arbeitsplatzassoziierte Bronchialkarzinome in westlichen Indu­
strieländern seltene Erkrankungen – anders in Entwicklungslän­
dern, wo sie eine große Rolle spielen.
Ernährung und Sport
Der Konsum von Obst und Gemüse ist, wie bei einer Vielzahl
anderer Krebserkrankungen, mit einem verminderten Auftreten
des Bronchialkarzinoms assoziiert. Allerdings ist es schwierig,
diesen Effekt zu quantifizieren und klar darzustellen, da hier eine
IV
Für den Zusammenhang zwischen Bronchuskarzinom und Zigaretten­
rauchen besteht eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung.
inverse Relation zum Zigarettenrauchen besteht: Personen, die
mehr Obst und Gemüse essen, rauchen im Schnitt auch weniger
Zigaretten.
Eine „Chemoprävention“ des Bronchialkarzinoms wurde in vie­
len Studien versucht – hat jedoch keinen Eingang in die klini­
sche Praxis gefunden. Die alleinige Gabe von Vitaminen oder
Antioxidantien führt nicht zu einer Reduktion der Erkrankungs­
häufigkeit.
Für sportliche Aktivität gilt Ähnliches. Ein protektiver Effekt ließ
sich in einigen Studien beobachten. Dieser ist in Relation zum
Zigarettenrauchen gering und in seiner Auswirkung auf die Kar­
zinomhäufigkeit von diesem oft schwer zu trennen („residual
confounding“).
Familiäres und genetisches Risiko
Es besteht auch beim Bronchialkarzinom ein erhöhtes familiäres
Risiko. Daneben haben in den letzten Jahren auch Aberrationen
des EGFR-Pathways für das Erkrankungsrisiko und die Behand­
lung des Bronchialkarzinoms große Beachtung erlangt. Diese
Mutationen spielen vor allem bei Frauen, die ethnisch aus Asien
stammen, eine Rolle. Für Populationen mit anderem ethnischem
Hintergrund ist die Bestimmung des genetischen Risikos zurzeit
ohne Relevanz.
Vorerkrankungen
Vorbestehende Lungenerkrankungen wie COPD oder Lungenfi­
brose erhöhen das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu er­
kranken. Auch für die Tuberkulose wurde dieser Zusammenhang
berichtet. Der Zusammenhang zwischen COPD und Bronchial­
karzinom besteht auch beim Nieraucher. Eine eingeschränkte
Lungenfunktion ist in jedem Fall ein Marker für ein erhöhtes
Karzinomrisiko, und viele Patienten mit COPD versterben nicht
an der respiratorischen Insuffizienz, sondern am Karzinom.
Auch ein Status post Strahlentherapie, insbesondere wenn der
Thorax im Strahlenfeld lag, wie z.B. bei Morbus Hodgkin und
Mammakarzinom, wurde mit einem erhöhten Lebenszeitrisiko
krebs:hilfe!
5:2009
Fotos: Newscast/British american tobacco, Privat
onsbezogene Ebene sicherlich die größte Rolle. Für beide Risi­
kofaktoren ist die Zuordnung des individuellen Risikos schwie­
rig. Studien, die das Passivrauchen betreffen, beruhen in erster
Linie auf der Beobachtung von Frauen, die mit Rauchern zusam­
menleben. Diese Belastung führt im Mittel zu einer Erhöhung
des Karzinomrisikos um 25 Prozent. Die Größe dieses Effekts ist
wie beim Aktivrauchen davon abhängig, wie viele Jahre mit ei­
nem Raucher verbracht wurden und wie intensiv die Rauchbe­
lastung war.
Ähnliches gilt für die Belastung mit Außenluftschadstoffen – wo­
bei in dieser Diskussion wiederholt der Effekt der möglichen Be­
lastung durch Dieselabgase diskutiert wird. Das individuelle Belas­
tungsprofil durch Luftschadstoffe ist ebenfalls schwer zu erfassen.
Die individuelle Schadstoffbelastung wird meist von Messwerten
für Luftschadstoffe in geografischer Nähe abgeleitet.
Wie für das Passivrauchen gilt: Effekte, die auf der Ebene des
Individuums schwer nachweisbar sind, haben für die Gesamtpo­
pulation eine hohe Relevanz, da große Teile der Bevölkerung
durch Passivrauchen und die gesamte Bevölkerung durch Luft­
schadstoffe belastet sind. Dies erklärt, warum diese Faktoren
zwar ein kleines relatives Risiko aufweisen, jedoch für eine Viel­
zahl von Erkrankungen verantwortlich sind.
Neben Feinstaubbelastung und Passivrauchen sprechen auch
eine Vielzahl von Untersuchungen dafür, dass die Radonbelas­
tung in Innenräumen mit einer Risikoerhöhung einhergeht.
für Bronchialkarzinome in Verbindung gebracht. Auch die mit
HIV-Infektion assoziierte Immundefizienz führt zu einem er­
höhten Risiko für diese Erkrankung.
Prävention
Ziel der Epidemiologie ist die Prävention. Auf gesundheitspoli­
tischer Ebene sind all jene Maßnahmen umzusetzen, die zu einer
Reduktion des Zigarettenrauchens führen (z.B. Preisgestaltung
bei Zigaretten, Verbot des Rauchens in Lokalen, Werbeverbote
etc). Auch die gesundheitspolitische Unterstützung für Maßnah­
men zur Entwöhnung vom Zigarettenrauchen sind hier zu nen­
nen. Im EU-Vergleich ist Österreich bei diesen Maßnahmen eu­
ropäisches Schlusslicht. Entsprechend darf es nicht verwundern,
dass Österreich im OECD-Schnitt bei den jugendlichen Rau­
chern seit Jahren auf Platz eins liegt – mit 30 Prozent der weibli­
chen und 27 Prozent der männlichen 13-Jährigen.
Beim individuellen Patienten ist in erster Linie nach Beginn,
Dauer und Intensität des Zigarettenrauchens zu fragen. Sollte
dies keine ausreichende Erklärung liefern, ist nach der Passiv­
rauchbelastung oder einer beruflichen Belastung, anderen Vor­
erkrankungen mit erhöhtem Risiko oder nach dem familiären
Risiko zu fahnden.
Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka
Universitätsklinik für Pneumologie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg
Screening, bildgebendes Staging
und Stadieneinteilung
Von Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck und Dr. Helmut Prosch
Diese Übersicht hat das Ziel, den heutigen Wissensstand im bild­
gebenden Screening nach einem Bronchialkarzinom sowie die
Möglichkeiten des radiologischen Stagings und das neue Sta­
ging-System vor dem Hintergrund der raschen technischen Wei­
terentwicklung bildgebender und funktioneller Verfahren wie
Multidetektor-Computertomographie (MD-CT), Magnetreso­
nanztomographie (MR), Ultraschall (US) und Positronenemissi­
onstomographie (PET) mit FDG (18F-Fluordesoxyglucose), dar­
zustellen.
Screening
Es ist heute gesichert, dass mit einem jährlichen Niedrigdosis-MDCT Bronchuskarzinome in einem frühen Stadium (überwiegend
Ia, Ib) gefunden werden. Je nach Einschlusskriterien (hier geht es
vor allem um die Definition der Vortestwahrscheinlichkeit für ein
Bronchialkarzinom, sodass vor allem das Patientenalter und die
Raucheranamnese – Zahl der Pack Years – eine wesentliche Rolle
spielen) wurden in Studien in bis zu 2,7 Prozent einer Risikopo­
pulation ein Bronchialkarzinom nachgewiesen. Es ist gesichert,
dass diese Bronchuskarzinome bei entsprechender chirurgischer
Therapie eine gute Prognose aufweisen, da die Wahrscheinlichkeit
für das Vorliegen von Lymphknotenmetastasen oder Fernmetasta­
sen noch gering ist. Zu bedenken ist weiter, dass die Wahrschein­
lichkeit, ein Bronchialkarzinom in einer Risikopopulation zu
finden, mit bis zu 2,7 Prozent wesentlicher höher liegt als die
Wahrscheinlichkeit, im etablierten Screening nach einem Mam­
makarzinom bei Frauen zwischen 49 und 69 Jahren ein Mamma­
karzinom mit der Mammografie zu entdecken. Warum untersucht
krebs:hilfe!
5:2009
man dann nicht z.B. alle RaucherInnen älter als 50 Jahre mit mehr
als 20 Pack Years mit Niedrigdosis-CT?
Eines der Probleme des CT-Screenings von Risikopopulationen
liegt in der Tatsache, dass bis zu 50 Prozent „Gesunder“ älter als 50
Jahre einen oder mehrere kleine, benigne, pulmonale Rundherde
aufweisen. Dies hat die Konsequenz, dass CT-Verlaufskontrollen
und/oder invasive Verfahren notwendig sind, um das fehlende
Wachstum dieser Rundherde zu dokumentieren oder Rundherde
mit >8mm Durchmesser feingeweblich, z.B. durch gezielte perku­
tane Biopsie, minimalchirurgisch (videoassistierte Thorakoskopie,
VATS) oder durch Thorakotomie weiter abzuklären. Das heißt:
CT-Verlaufskontrollen in etwa jährlichen Abständen mit der damit
verbundenen Strahlenbelastung oder das Risiko minimalinvasi­
ver oder invasiver Eingriffe zur Abklärung eines dann benignen,
kleinen Rundherds können die Konsequenz dieser für Bronchial­
karzinom „falsch positiven“ Screening-CT-Befunde darstellen.
Als wichtigstes Argument gegen ein systemisiertes Screening
steht die Tatsache, dass eine Senkung der Mortalität derzeit nicht
oder noch nicht nachgewiesen werden konnte. Zur Beantwor­
tung dieser Fragestellung sind große Studien in den USA und in
den Niederlanden im Laufen, deren Ergebnisse schon 2009 er­
wartet wurden, aber derzeit noch nicht vorliegen. Bis dahin soll­
te ein CT-Screening Risikopopulationen (z.B. einem 62-jährigen
Raucher mit 30 Pack Years) nur unter kontrollierten Bedingun­
gen an etablierten Zentren und nach entsprechender Aufklä­
rung (bezüglich der Möglichkeit falsch positiver CT-Ergebnisse
mit der Notwendigkeit von CT-Verlaufskontrollen und/oder in­
vasiven Eingriffen) angeboten werden.
 Bronchialkarzinom
Bildgebendes Staging und Stadieneinteilung
Das bildgebende Staging erfolgt nach der TNM-Klassifikation
von 1997, deren Revision nun 2009 publiziert wurde, wobei die
Ausdehnung des Primärtumors (T-Stadium), eventuelle Lymph­
knotenmetastasen (N-Stadium) und Fernmetastasen (M-Stadi­
um) das Tumorstadium definieren.
Beim N-Staging hilärer, mediastinaler und supraklavikulärer
Lymphknoten sollte der Lymphknotenplan der American Tho­
racic Society nach AJCC-UICC 1997 berücksichtigt werden. Die
Wahrscheinlichkeit für befallene hiläre und/oder mediastinale

Stadieneinteilung nach dem neuen
TNM-Staging mit Subgruppen des T- und
M-Stagings
T/M
T1
T2
T3
T4
M1
Subgruppe
N0
N1
N2
T1a
Ia
IIa
IIIa
IIIb
T1b
Ia
IIa
IIIa
IIIb
T2a
Ib
IIa
IIIa
IIIb
T2b
IIa
IIb
IIIa
IIIb
T3 >7cm
IIb
IIIa
IIIa
IIIb
T3 Invasion
Thoraxwand
IIb
IIIa
IIIa
IIIb
T3 Satellitenläsion
IIb
IIIa
IIIa
IIIb
T4 Invasion
Mediastinum
IIIa
IIIa
IIIb
IIIb
T4 Ipsilateraler Lappen
IIIa
IIIa
IIIb
IIIb
M1a Kontralaterale Lunge
IV
IV
IV
IV
M1a Pleurale
Aussaat
IV
IV
IV
IV
M1b
IV
IV
IV
IV
Quelle: F.C. Detterbeck et al., Chest 2009; 136: 260-271
VI
N3
CT des Thorax eines asymptomatischen Rauchers mit unauffälligem
Thoraxröntgen: teils solide, teils milchglasartige Raumforderung in der
linken Unterlappenspitze. Histologie: Adenokarzinom. Tumorstaging:
T1bN0M0. Tumorstadium Ia.
Lymphknoten ist abhängig von der Lage und Größe des Tumors
und von der Histologie. Das wesentliche Kriterium zur Differen­
zierung zwischen Lymphknotenmetastasen und normalen
Lymphknoten liegt für CT und MR in der Beurteilung der
Lymphknotengröße. Ein Lymphknotenquerdurchmesser >1 cm
wird als suspekt gewertet. Die Treffsicherheit ist dabei limitiert,
da bis zu 20 Prozent der normgroßen Lymphknoten Mikrome­
tastasen enthalten und andererseits vergrößerte Lymphknoten
nicht neoplastisch bedingt sein können.
Die FDG-PET hat eine höhere Treffsicherheit im N-Staging als
CT und MR, wobei auch hier die Größe der befallenen Lymph­
knoten aufgrund der limitierten räumlichen Auflösung der PET
den limitierenden Faktor darstellt.
Die größte Treffsicherheit der bildgebenden Verfahren hat die
endobronchiale Sonographie, die allerdings nur an wenigen
Zentren zur Verfügung steht. US ist eine ausgezeichnete Metho­
de, um supraklavikuläre (N3) und zervikale (M1b) Lymphkno­
ten zu untersuchen und bei Verdacht auf Tumorbefall auch
gleich gezielt zu biopsieren. Der frühe Einsatz der Halssonogra­
phie bei bereits bildgebendem Verdacht auf fortgeschrittenes
N-Stadium kann somit eine primär nicht kurative Situation (N3,
M1) verifizieren und patientenfreundlich und ökonomisch die
spezifische Gewebsdiagnose liefern. Dieses Vorgehen könnte da­
zu beitragen, belastende und invasive Methoden (Bronchosko­
pie, transthorakale Biopsie) einzusparen.
M-Staging: Die häufigsten Orte der Metastasierung eines Bron­
chialkarzinom sind Knochen, Lunge, ZNS, Nebennieren und
Leber. Der hohe Stellenwert der FDG-PET (besser noch: FDGPET-CT) als umfassende Methode des M-Stagings (Ausnahme:
ZNS) ist etabliert. Standardmethode zur Diagnose von Skelett­
metastasen ist unverändert die Skelettszintigraphie. Die Röntgen­
untersuchung der Knochen erfolgt bei symptomatischen Läsio­
nen und gezielt dort, wo die Skelettszintigraphie suspekt ist.
Zum Nachweis oder Ausschluss von Hirnmetastasen hat die MR
eine höhere Treffsicherheit als die CT. Die FDG-PET ist für diese
Fragestellung nicht geeignet, sodass auch bei primärem Einsatz
der PET im NSCLC-Staging die Fragestellung nach Hirnmeta­
krebs:hilfe!
5:2009
Fotos: Mostbeck/WSP Wien, Privat
Bildgebendes Verfahren zum T-Staging ist heute die MD-CT.
Therapeutisch relevante Aspekte liegen insbesondere in der Un­
terscheidung T3 gegenüber T4, wobei das T4-Stadium durch
Tumorinvasion von Mediastinum, Herz, großen mediastinalen
Gefäßen, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper oder durch Lungen­
metastasen im selben Flügel wie der Primärtumor definiert ist.
Die CT wird in 54 Prozent das T-Stadium korrekt beurteilen, in
27 Prozent aber die Tumorausdehnung überschätzen und in 19
Prozent unterschätzen. Die CT zum Staging eines Bronchialkar­
zinoms sollte unter Applikation von i.v. Röntgenkontrastmittel
durchgeführt werden und sinnvollerweise den unteren Halsbe­
reich, den gesamten Thorax unter Einschluss der Nebennieren
und der Leber (somit den Oberbauch) umfassen.
Die MR ist bei spezifischen Fragestellungen indiziert. Diese sind
insbesondere die Frage nach Invasion von Herz und großen Ge­
fäßen sowie der Thoraxwand.
stasen mit Schnittbildverfahren beantwortet werden muss. Der
Stellenwert der „Ganzkörper-MR“ im Staging besonders zur Be­
urteilung der M-Situation ist etabliert, liefert ähnlich gute Resul­
tate wie die FDG-PET – ist aber noch nicht in den klinischen
Alltag eingegangen.
Das neue Staging-System der IASLC (International Associati­
on for the Study of Lung Cancer) ist bereits von UICC und AJCC
akzeptiert. Ohne auf Details eingehen zu wollen, verbessert es die
Stadieneinteilung unter dem Aspekt der Prognose und löst Pro­
bleme mit dem seit 1997 etablierten System. Das „neue“ System
beruht auf Prognoseberechnung eines großen, international ge­
sammelten Patientenkollektivs und hat folgende wesentliche
Änderungen:
Die subtilere Stratifizierung der Größe des Primärtumors, sodass
nun die Tumorstadien T1a ≤2cm, T1b >2cm und ≤3cm, T2a
>3cm und ≤5cm, T2b >5cm und ≤7cm definiert sind, ein Primär­
tumor >7cm wird als T3 definiert.
Ein weiterer Lungenherd im gleichen Lappen wird nun als T3
definiert, während ein weiterer Herd in einem ipsilateralen Lun­
genlappen als T4 definiert ist. Ein Herd in der kontralateralen
Lunge ist als M1a definiert, ebenso wie eine pleurale oder peri­
kardiale Metastasierung. Sonstige Fernmetastasen definieren ein
Tumorstadium M1b. Das kleinzellige Bronchialkarzinom wird
wie das nicht-kleinzellige gestagt, die bisherige Einteilung in „li­
mited“ und „extensive disease“ entfällt.
Aus diesem Stagingsystem ergibt sich die neue Stadieneinteilung
(siehe Tabelle). Diese ist nun Grundlage einer stadiengerechten
Therapie, deren Voraussetzung ein umfassendes, individualisier­
tes radiologisches Staging darstellt.
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck (Foto)
Dr. Helmut Prosch
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie
mit Ambulanz des Wilhelminenspitals und Röntgeninstitut am Otto-Wagner-Spital, Wien
Klinik und invasive Diagnostik
Von Dr. Maximilian Hochmair
Es gibt keine für das Lungenkarzinom spezifische Symptomatik.
Husten, Luftnot etc. sind unspezifische Beschwerden. Frühsympto­
me sind beim Lungenkarzinom selten, folglich wird es meist erst
in einem fortgeschrittenen Tumorstadium erkannt. Dennoch ha­
ben nur zwölf Prozent der neu diagnostizierten Lungenkrebs­
patienten keine Beschwerden. Bei endobronchialer Ausbreitung
sind bei der chronischen Bronchitis persistierender Husten, ins­
besondere eine Änderung des Hustencharakters oder neu aufge­
tretene Hämoptysen wesentliche Leitsymptome.
Leider werden Lungenkarzinome oft erst anhand ihrer Spätsymp­
tome wie Hämoptoe, Stridor, Rekurrensparese mit Heiserkeit,
poststenotische Pneumonie, Thoraxschmerz und obere Einfluss­
stauung erkannt. Schulter- und Armschmerzen können auf einen
Pancoast-Tumor in der Lungenspitze mit Invasion in die Zervikalund Thoraxnerven hinweisen. Das Horner-Syndrom mit der Trias
Ptosis, Miosis und Enophtalmus sind Ausdruck einer Invasion in
die paravertebralen Sympathikusstrukturen.
Mitunter können auch paraneoplastische Leitsymptome (z.B.
Schwindel bedingt durch Hyponatriämie im Zuge des SIADH,
Muskelschwäche beim Lambert Eaton Syndrom) ein Hinweis
sein. Weist der Patient bei der Erstdiagnose Hämoptysen oder eine
Rekurrensparese auf, so liegt seine Fünf-Jahres-Überlebensrate bei
null bis einem Prozent. Wird hingegen ein solitärer asymptomati­
scher Rundherd entdeckt, beträgt sie 50 bis 60 Prozent.
Extrathorakal können supraklavikuläre und zervikale Lymph­
knotenvergrößerungen (bis zu 30 Prozent bei Diagnosestellung)
krebs:hilfe!
5:2009
oder Knochenschmerzen als Folge von Skelettmetastasen (bis zu
20 Prozent) auftreten. Schwindel, Kopfschmerzen, morgendliche
Übelkeit oder eine anderweitige neurologische Symptomatik
weisen auf ZNS-Metastasen (bis zu zehn Prozent) hin, während
Nebennierenmetastasen (bis zu fünf Prozent) oder Lebermeta­
stasen initial selten symptomatisch sind.
Invasive Diagnostik
Für die tumorspezifische Therapie des Lungenkarzinoms ist die
histologische Sicherung grundlegend. Sollte diese nicht möglich
oder zweifelhaft sein, ist eine eindeutige Zytologie ebenso aussa­
gekräftig. Die wichtigsten Subtypen sind das Plattenepithelkar­

Symptome und Häufigkeit beim Lungen-
karzinom
Symptome
Häufigkeit
Husten
50 Prozent
Systemische Symptome
49 Prozent
Luftnot
34 Prozent
Thoraxschmerz
31 Prozent
Hämoptysen
30 Prozent
Symptomatische Metastasierung
24 Prozent
Infektion
20 Prozent
Asymptomatisch
12 Prozent
VII
 Bronchialkarzinom
CT-gezielte Punktion eines Rundherds im rechten Oberlappen
zinom (35 bis 45 Prozent), das Adenokarzinom (25 bis 35 Prozent)
und das großzellige Karzinom (<10 Prozent), die unter dem Be­
griff der nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome zusammengefasst
werden.
Die Bronchoskopie ist der Goldstandard für die Gewebegewin­
nung. Sie ist mühelos in Lokalanästhesie durchführbar. Je nach
Lokalisation des Tumors erfolgt die Materialgewinnung mittels
Katheter- oder Bürstenzytologie, transbronchialer Feinnadelaspi­
ration (TBNA), bronchoalveolärer Lavage (BAL), endobronchi­
aler oder peripherer transbronchialer Biopsie (TBB). Sie erlaubt
eine sichere histologische Diagnose von bis zu 95 Prozent der
zentralen und bis zu 75 Prozent der peripheren Tumore. Zusätz­
lich gestattet sie auch die Festlegung des endobronchialen Tu­
morstadiums und der Resektionsebene vor einem möglichen
operativen Eingriff und ist daher präoperativ obligat. Weiters
bietet sich die Möglichkeit zur endobronchialen Intervention
(z.B.: Stenting, Tumorabtragung, …)
Mediastinoskopie/EBUS. Bei der Behandlung des Lungenkar­
zinoms ist der Lymphknotenstatus sowohl von wichtiger pro­
gnostischer Bedeutung als auch das Therapiekonzept davon ab­
hängig. Daher ist die exakte Lymphknotendarstellung ein wich­
tiger diagnostischer Baustein. Zur Bestimmung der mediastina­
len Lymphknoten ist das CT unsicher (Sensitivität nur 50 Pro­
zent), und die Sensitivität des PET liegt bei 80 bis 90 Prozent,
daher müssen PET-positive Herde zytologisch oder histologisch
abgeklärt werden.
Die bisherige Standarduntersuchung, die zervikale Mediastino­
skopie zur Abklärung mediastinaler Lymphknoten, wird zuneh­
mend durch den endobronchialen Ultraschall (EBUS) ersetzt. Es
handelt sich dabei um die wichtigste Entwicklung der Broncho­
Obstruierender endobronchialer
Tumor im rechten Unterlappen in
der Bronchoskopie
VIII
Sonographisch gezielte Feinnadelbiopsie eines supraklavikulären
Lymphknotens
Mit der endoösophagealen Sonographie (EUS) können zusätz­
lich metastasenverdächtige Regionen im hinteren Mediastinum,
im aortopulmonalen Fenster und in der Umgebung der großen
Gefäße erreicht werden. Transösophageal können auch Lymph­
knoten, Nebennierenmetastasen und Leberherde punktiert wer­
den.
CT-gezielte Punktion. Bronchoskopisch nicht zugängliche Tumo­
re (periphere Lage oder der Thoraxwand anliegend) können mit
hoher Trefferquote (90 Prozent) mittels CT-gezielter Punktion hi­
stologisch gesichert werden – allerdings zum Preis einer etwas hö­
heren Komplikationsrate (Pneumothorax 20 bis 30 Prozent, bron­
chiale Blutung zehn Prozent, Tumorverschleppung <1 Prozent).
Pleuraerguss- und Lymphknotendiagnostik. Bei 15 Prozent
der Tumorpatienten wird ein begleitender Pleuraerguss gefun­
den. Erster diagnostischer Schritt ist die sonographisch gezielte
Pleurapunktion. Die Komplikationsrate ist niedrig. Im Falle ei­
nes malignen Ergusses ist die so gewonnene Zytologie jedoch
nur in etwa zwei Drittel der Fälle positiv. Bei unklaren Befunden
im Bereich der Brustwand sollte – bei therapeutischer Konse­
quenz – daher eine Thorakoskopie erfolgen.
Bei vergrößerten supraklavikulären oder zervikalen Lymphknoten
kann die Gewebesicherung ebenso sonographisch gezielt erfolgen.
Bei zyto-/histologisch gesichertem fortgeschrittenem Lungenkarzi­
nom kann dann auf eine Bronchoskopie verzichtet werden.
Die internistische Thorakoskopie (in Lokalanästhesie) oder die
chirugische Video-assistierte Thorakoskopie – VATS (in Vollnar­
kose) ist sinnvoll zur Diagnostik von Pleuraergüssen (beim Exsu­
dat) zum Ausschluss oder Beweis einer Pleurakarzinose. Der Vor­
teil der internistischen Thorakoskopie ist, dass in einer Untersu­
chung in Lokalanästhesie der Erguss beseitigt und in der Regel
die Diagnose durch Probenentnahmen aus der Brustwand und
Zwerchfell gesichert werden kann. Die VATS in Vollnarkose und
einseitiger Lungenbeatmung ist technisch aufwändiger, kann
aber gut zur Resektion/Diagnose kleiner Herde (eventuell nach
einer CT-gezielten Drahtmarkierung), zur genaueren Evaluation
des Mediastinums (aortopulmonales Fenster und paraaortale
Lymphknotenstationen) oder zur Darstellung des Pleuraspalts
bei Verwachsungen oder gekammerten Ergüssen dienen.
Dr. Maximilian Hochmair
1. Interne Lungenabteilung, Otto-Wagner-Spital, Wien
krebs:hilfe!
5:2009
Fotos: Hochmair/OWS Wien (4), Privat
Endosonographisches Bild eines
vergrößerten Bifurkationlymphkno­
tens (LKK). Man erkennt die Punktion mit einer 22-Gauge-Nadel von
endobronchial.
skopie in den letzten Jahren. In den Händen eines erfahrenen
Bronchologen sind die Ergebnisse dieser minimalinvasiven Me­
thode der Mediastinoskopie ebenbürtig. Die klinische Anwend­
barkeit ist in vielen klinischen Studien nachgewiesen. Unter so­
nographischer Sichtkontrolle erfolgt die transbronchiale Punk­
tion von hilären und peribronchialen mediastinalen Lymphkno­
ten. Zusätzlich erlaubt der EBUS eine Aussage über die Tiefe der
Tumorausdehnug innerhalb der Bronchuswand.
Chirurgische Behandlungs­
optionen beim NSCLC
Von Univ.-Prof. Dr. Michael Müller
Die radikale Entfernung des Tumors mittels moderner thoraxchir­
urgischer Techniken stellt die therapeutische Maßnahme mit dem
höchsten kurativen Potenzial für diese Erkrankung dar. Eine adju­
vante Chemotherapie kann jedoch in den meisten Fällen einen
zusätzlichen Vorteil für Patienten auch nach kompletter Resekti­
on bieten. Die Kombination von Radiotherapie und Chemothera­
pie kann bei ausgewählten Patienten als kurativer Ansatz, bei den
meisten Patienten als Palliation eingesetzt werden. In fortgeschrit­
tenen Stadien kann eine palliative Chemotherapie eine moderate
Verbesserung des mittleren Überlebens bei insgesamt schlechter
Prognose ermöglichen.
Klinisches Stadium I
Fotos: Müller/OWS Wien
Die chirurgische Entfernung des Tumors zusammen mit einer
systematischen mediastinalen Lymphadenektomie ist die Be­
handlung der Wahl in diesem Stadium. Eine sorgfältige präope­
rative Beurteilung des Allgemeinzustands mit besonderer Be­
rücksichtigung der pulmonalen Reserve ist die Voraussetzung für
eine chirurgische Intervention. Die frühe postoperative Mortali­
tät liegt bei etwa drei Prozent und ist abhängig von Lungenfunk­
tion und Co-Morbiditäten. Bei sehr frühen Stadien und Tumoren
von weniger als 2cm Durchmesser sind anatomische Segmentre­
sektionen auch bei normaler Lungenfunktion einer Lobektomie
hinsichtlich Lokalrezidivrate und Gesamtüberleben ebenbürtig,
aber speziell bei eingeschränkter respiratorischer Reserve als on­
kologisch gleichwertige Verfahren akzeptiert. Die Wertigkeit ei­
ner kompletten mediastinalen Lymphknotendissektion hinsicht­
lich einer signifikanten Reduktion von lokalen oder distanten
Rezidiven wird heute weitgehend anerkannt. Neben dem in meh­
reren Studien gefundenen Überlebensvorteil ist die systematische
mediastinale Lymphadenektomie die Voraussetzung für eine kor­
rekte Stadienzuordnung und führt zu keiner Erhöhung der peri­
operativen Morbidität und Mortalität.
Pneumonektomie: nach rechtsseitiger intraperikardialer Pneumonektomie und systematischer
mediastinaler Lymphadenektomie
krebs:hilfe!
5:2009
Bei internistischen Kontraindikationen bei Patienten mit Lun­
genkrebs im Stadium I kann bei ausreichender respiratorischer
Reserve eine definitive Strahlentherapie mit kurativem Ansatz
vorgesehen werden, wobei hier die Strahlendosis durchschnitt­
lich 60Gy betragen sollte. Auf der Basis von Metaanalysen kann
eine postoperative adjuvante Chemotherapie bei Patienten mit
komplett resezierten Karzinomen im Stadium IA außerhalb von
klinischen Studien nicht empfohlen werden.
Klinisches Stadium II
Auch im Stadium II ist die chirurgische Behandlung die Thera­
pie der Wahl, wobei hier lappenerhaltende anatomische Resek­
tionen nur im Falle von Kontraindikationen gegen Lobektomie
und mit erhöhtem Risiko eines Lokalrezidivs akzeptabel sind.
Für die mediastinale Lymphadenektomie gelten dieselben
Grundsätze wie für das Stadium I.
Im Falle von Kontraindikationen gegen ein operatives Vorgehen
kann im Stadium II bei ausreichender respiratorischer Reserve
eine definitive Radiotherapie mit zumindest 60Gy mit kurativem
Ansatz vorgesehen werden, wobei die lokale Kontrolle und FünfJahres-Überlebensrate deutlich schlechter liegen, als bei vergleich­
barer Behandlung im Stadium I, respektive T1-Tumoren.
Auf der Basis von Metaanalysen der großen multizentrischen
Studien zu diesem Thema kann heute Patienten mit komplett
resezierten Bronchuskarzinomen im Stadium II eine adjuvante
Cisplatin-basierte Chemotherapie zur potenziellen Verbesserung
des Überlebens empfohlen werden. Der Vorteil einer präoperati­
ven neoadjuvanten Chemotherapie wird von manchen Autoren
postuliert, ist jedoch insgesamt nicht ausreichend abgesichert.
Klinisches Stadium IIIA
Patienten im Stadium IIIA befinden sich in einer sehr heteroge­
nen Gruppe. Einerseits kann die Erkrankung definiert sein durch
Nach Deckung des Bronchusstumpfes Trachealkarzinom: CT der oberen
Transthorakale Resektion: mittlere
mit perikardialem Fettlappen
Trachea mit hochgradiger Tumorste- Trachea
nose durch Plattenepithelkarzinom
IX
 Bronchialkarzinom
Sleeve-Lobektomie: bronchialer
Resektionsbereich nach zentraler
rechter OL-Manschette
Anastomose des Zwischenbronchus mit Trachealbifurkation
Anastomose der mittleren Trachea
Klinisches Stadium IIIB
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil von Patienten mit Lungen­
krebs wird erst in fortgeschrittenen Stadien symptomatisch. Et­
wa 20 Prozent aller Fälle mit Lungenkrebs werden im Stadium
IIIB entdeckt, wobei die Fünf-Jahres-Überlebensrate in diesem
Stadium zwischen drei und sieben Prozent liegt. Generell kann
gesagt werden, dass Patienten im Stadium IIIB von einer alleini­
gen chirurgischen Behandlung nicht profitieren und am besten
mit einer initialen Chemotherapie, kombinierten Radiochemo­
therapie oder Radiotherapie alleine gemanagt werden.
Eine Ausnahme stellen auch hier die lokal fortgeschrittenen Tu­
more ohne lymphogene Propagation dar, die bei entsprechender
chirurgischer Erfahrung mit geringer Begleitmorbidität kom­
plett reseziert werden können. In diese Gruppe fallen Tumore
mit Infiltration in das Herz, die großen Gefäße, die Trachealbi­
furkation, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper, aber auch separate
Tumorknoten in einem anderen ispilateralen Lappen. Auch im
Stadium IIIB wird die Überlebensprognose weitgehend davon
bestimmt, ob sich das Stadium aus der lymphogenen Streuung
oder dem lokal fortgeschrittenen Tumor definiert.
Klinisches Stadium IV
Das am weitest fortgeschrittene klinische Stadium eines Lungen­
krebs ist definiert durch das Auf­
treten von Fernmetastasen im
Bereich des Gehirns, der Kno­
chen, der Nebennieren, der Leber
bzw. der Lunge. Generell ist die­
ses Stadium der Erkrankung eine
Domäne der Chemotherapie, wo­
bei in Ausnahmefällen im Rah­
men eines onkologischen Konsils
auch eine Rolle für eine chirurgi­
sche Behandlung definiert wer­
Proximale Resektionslinie, Sleeve:
rechter Oberlappen vor Anastomose den kann.
Im Falle einer singulären solitä­
krebs:hilfe!
5:2009
Fotos: Privat, Müller/OWS Wien (4)
den Befall von ipsilateralen mediastinalen Lymphknoten, ande­
rerseits durch einen potenziell resektablen T3-Tumor mit Infil­
tration der Thoraxwand, jedoch ohne mediastinale Lymphkno­
tenbeteiligung. Generell kann gesagt werden, dass bei Erkran­
kungen im Stadium IIIA, die sich durch einen mediastinalen
Lymphknotenbefall definieren, die Prognose deutlich schlechter
ist, als bei lokal fortgeschrittenen Tumoren ohne lymphogene
Propagation. Abhängig von den klinischen Umständen sind im
Stadium IIIA sämtliche Therapieoptionen mit Radiotherapie,
Chemotherapie, Chirurgie und Kombinationen dieser Modali­
täten möglich.
Bei präoperativ nicht erkanntem mediastinalem Lymphknoten­
befall wird nach kompletter Resektion des Tumors eine adjuvan­
te Chemotherapie empfohlen. Bei präoperativem bekanntem
isoliertem Befall einer einzelnen mediastinalen Lymphknoten­
station (Ausnahme: „bulky disease“) kann ebenfalls primär die
Operation mit nachfolgender adjuvanter Chemotherapie vorge­
sehen werden. Bei gesichertem Befall mehrerer mediastinaler
Lymphknotenstationen bzw. bei „bulky disease“ im Mediasti­
num wird die präoperative neoadjuvante Chemo(radio)therapie
empfohlen, wobei im Falle eines Ansprechens auf die Chemothe­
rapie eine nachfolgende Resektion, evt. gefolgt von einer weite­
ren Chemotherapie, respektive Radio-/Chemotherapie erfolgen
kann. Im Gegensatz dazu gehört die chirurgische Behandlung
lokal fortgeschrittener Karzinome ohne mediastinale Lymph­
knotenbeteiligung heute zum Standardrepertoire einer moder­
nen Thoraxchirurgie. Infiltrationen der Thoraxwand, des Herz­
beutels, der mediastinalen Pleura sowie des zentralen Haupt­
bronchus sind ohne erhöhte Komplikationsraten chirurgisch
angehbar.
Eine besondere Situation stellt der Sulcus-superior-Tumor, oder
auch Pancoast-Tumor, dar. Diese Tumore der oberen Thoraxaper­
tur haben das Potenzial einer Infiltration der Pleura, der Thorax­
wand, des Plexus brachialis, der Subclaviagefäße bzw. angrenzen­
den Wirbelkörper. In Abhängigkeit der involvierten Strukturen
werden hier T3- bzw. T4-Tumore definiert, wobei nicht selten
eine lymphogene Beteiligung fehlt. Eine Induktionsradiochemo­
therapie sollte integraler Bestandteil der Behandlung des Pan­
coast-Tumors sein, wobei die Strahlendosis in dieser Indikation
mit 45Gy limitiert wird.
ren Fernmetastase in einem einzigen Zielorgan, die mit lokalen
Maßnamen komplett entfernbar erscheinen, ist eine thoraxchir­
urgische Resektion eines primären Lungenkrebses ohne media­
stinalen Lymphknotenbefall zu erwägen. Dies trifft besonders
auf Patienten mit isolierten Hirnmetastasen bzw. Nebennieren­
metastasen zu. Üblicherweise wird zunächst die Fernmetastase
entweder chirurgisch oder mittels stereotaktischer Radiothera­
pie, respektive Gammaknife-Behandlung bei Hirnmetastasen
angegangen und nach einer zu diskutierenden Induktions-/Che­
motherapie die thoraxchirurgische Resektion angeschlossen.
Die konsequente Besprechung sämtlicher Patienten mit Lungen­
krebs im Rahmen von interdisziplinären onkologischen Boards
an spezialisierten Zentren ist die Voraussetzung für ein standar­
disiertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen nach in­
ternational empfohlenen Richtlinien und die Garantie für die
bestmögliche Behandlung dieser Patienten.
Univ.-Prof. Dr. Michael Müller
Abteilung für Thoraxchirurgie, Otto-Wagner-Spital, Wien
Pathologie: Neues zu Diagnos­tik
und Therapieentscheidung
Von Univ.-Prof. Dr. Helmut H. Popper
1. Die Arten der Diagnostik, Vor- und Nachteile
dien, sodass keine sichere Aussage gemacht werden kann über
falsch negative und falsch positive Befunde. Hierzu müssen erst
zytologisch-histologische Korrelationsuntersuchungen durchge­
führt werden.
Die Sputumzytologie hat sich für die Tumordiagnostik nicht
bewährt, ein positiver zytologischer Befund wird im Regelfall
erst in weit fortgeschrittenen Fällen zu erheben sein, in der
Frühdiagnostik sollte diese Methode nicht mehr angewandt
werden.
2. Die Klassifikation
Für die Diagnostik des Lungenkarzinoms stehen verschiedene
Gewebsgewinnungsmethoden zur Verfügung. Sie alle haben
Vor- und Nachteile, die hier kurz besprochen werden.
Die Bürstenzytologie ist eine gering invasive Screeningmetho­
de, die bei oberflächlich sich ausbreitenden Karzinomen, be­
sonders Plattenepithelkarzinom, in den meisten Fällen diagno­
stische Zellen liefert. Bei Karzinomen, die nicht vom Oberflä­
chenepithel ausgehen, z.B. Adenokarzinomen, ist die Treffer­
quote geringer, insbesondere bei den häufiger werdenden
Frühstadien.
Die bronchoalveoläre Lavage, die ihre Domäne in der Diagnos­
tik und Aktivitätsabklärung interstitieller entzündlicher Lun­
genprozesse hat, kann in der Tumordiagnostik zur Abklärung
besonders der peripheren Adenokarzinome eingesetzt werden.
Eine Kombination von Zytologie und Histologie in der Dia­
gnostik des Lungenkarzinoms ergibt die beste Trefferquote und
sollte daher angestrebt werden. Zytologisch gewonnene Zellen
sind derzeit für die molekulare Diagnostik nur beschränkt einsetz­
bar. Am besten geeignet ist zytologisch gewonnenes Zellmaterial
für Untersuchungen zu Genamplifikationen mittels FISH. Für
eine Mutationsanalyse auf EGFR fehlen derzeit kontrollierte Stu­
krebs:hilfe!
5:2009
Die Lungenkarzinome werden in vier große Hauptgruppen un­
terteilt:
a) Plattenepithelkarzinome,
b) Adenokarzinome ,
c) großzellige Karzinome und Sonderformen,
d) kleinzellige neuroendokrine Karzinome.
Eine erste therapierelevante Unterscheidung erfolgt zwischen
kleinzelligen (SCLC) und nicht-kleinzelligen Karzinomen
(NSCLC). Patienten mit SCLC werden primär einer Chemound/oder Strahlentherapie zugeführt. In den Therapiemodali­
täten hat sich bei diesem Karzinomtyp seit vielen Jahren nichts
Wesentliches geändert. Eine Targettherapie ist für die kleinzel­
ligen Karzinome derzeit nicht in Sicht. Für die NSCLC war bis
vor Kurzem eine weitere Differenzierung von onkologischer
Seite nicht gefordert. Das therapeutische Konzept orientierte
sich an chirurgischer Therapie für die Frühstadien und Chemo­
therapie für die fortgeschrittenen Stadien. Hier hat nun ein
großer Wandel eingesetzt.
Ausgehend von mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass
besonders Adenokarzinome ein besseres Ansprechen auf cispla­
tinhältige Chemotherapie zeigten und dass eine Anti-VEGFTherapie zu gefährlichen Blutungen bei zentralen Plattenepi­
thelkarzinomen führen kann – die histologische Klassifikation
der NSCLC wurde plötzlich wichtig. Dieser Trend, die Bedeu­
tung der histomorphologischen Klassifikation auch für das An­
XI
 Bronchialkarzinom
4. Prognostische morphologische Faktoren
Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom der Lunge
sprechen auf Therapien heranzuziehen, steht erst am Anfang. In
Zukunft wird auch die Subtypisierung der NSCLC zunehmend
Bedeutung erlangen (siehe unten).
3. TNM-Klassifikation und das Staging
Die NSCLC und demnächst auch die SCLC werden nach Tu­
morgröße (T), Lymphknotenstatus (N), Metastasierung (M),
Lymphgefäßinvasion (L), Blutgefäßinvasion (V) in Stadien ein­
geteilt. Derzeit noch nicht gebräuchlich, aber von prognosti­
scher Bedeutung ist auch die Invasion der viszeralen Pleura,
wobei eine Invasion (p1) des Stromas
von einer Invasion bis zur Oberfläche

Die aktuelle Klassifikation der Lungenkarzinome
(p2) unterschieden werden kann. Das
Bemerkungen
Grading hat bislang keine klinische
Zumeist
zentral; Blutungsrisiko
Relevanz erlangt, wohl weil es keine
Plattenepithelkarzinome
bei
großen
zentralen Tumoren
generell gebräuchlichen und akzep­
unter Bevacizumab-Therapie
tierten Kriterien gibt. Die bisher be­
Adenokarzinome
nutzten Kriterien sind unscharf und
Zu etwa 85% handelt es sich um gemischte Adenozeigen keine Assoziation zu biologi­
karzinome: tubulär, azinär, papillär
schen Parametern des Wachstums und
Weitere Einteilung (provisorisch) zentral (BronchialMorphologische negative
drüsentyp, enterisch), intermediär, peripher
der Antiapoptose.
Prognosefaktoren: LymphgefäßDas bronchioloalveoläre Karzinom wird verschwinWährend sich die klinische Stadienein­
invasion in einer zentralen
den und durch peripheres In-situ-Karzinom ersetzt
Narbe, mikropapilläres Muster,
teilung hauptsächlich auf die Radiolo­
- muzinöses
muzinöser Typ
gie stützt, wird in der Pathologie die
- kolloides
Tumorgröße am Operationspräparat
- fetales
- siegelringzelliges
gemessen, wodurch z.B. peritumoröse
- solides
Entzündungen mit gleichartigen Dich­
Großzellige
Karzinome und Sonderformen:
tewerten wie ein Tumor aufgrund
Die Therapie der großzellig
- großzellig neuroendokrine Karzinome
farblicher Unterschiede gut vom Tu­
neuroendokrinen ist nach wie
- hellzellige Karzinome
mor abgegrenzt werden können. Die
vor nicht geklärt!
- lymphoepitheliomaartige Karzinome
in der Radiologie gebräuchliche For­
- basalzellige Karzinome
mel, wonach Lymphknoten ≥1cm als
Primäre Chemo- und/oder
Strahlentherapie; demnächst ist
wahrscheinlich metastatisch besiedelt
Kleinzelliges neuroendokrines Karzinom
die Einführung der TNM-Klassifigelten, kann bestenfalls als Richtmaß
kation zu erwarten
gelten. Erst die histologische Untersu­
Sarkomatoide
Karzinome
chung kann klären, welche und wie
- pleomorphes (spindelzellig ± riesenzellig + NSCLC)
Diese Gruppe zeichnet sich
viele Lymphknoten tumorös besiedelt
- spindelzelliges
durch eine schlechte Prognose
sind.
- riesenzelliges
und rasche Progression aus
- Blastom
Faktoren, die klinisch-radiologisch
- Karzinosarkom
überhaupt nicht erfasst werden kön­
Adenosquamöses Karzinom
Überwiegend peripher
nen, sind die prognostisch bedeutsa­
men Lymph- und Blutgefäßinvasion
(siehe unten).
XII
Mukoepidermoidkarzinom
Ausschließlich zentral
Karzinoide: typisch, atypisch
krebs:hilfe!
5:2009
Fotos: Popper/MUG
Plattenepithelkarzinom der Lunge,
Bronchialschleimhautbiopsie
Bereits durch die Typendiagnose der Lungenkarzinome kann in
einigen Fällen eine Aussage zur Prognose gemacht werden. Be­
kannt ist die Aggressivität der kleinzelligen Karzinome. Klinisch
weniger bekannt ist, dass z.B. die riesenzelligen großzelligen Kar­
zinome noch wesentlich aggressiver sind, und den Patienten im
Regelfall innerhalb eines halben Jahres – auch bei aggressiver
Chemotherapie – zu Tode bringen. Basaloide Karzinome, eine
Sonderform der Großzeller, zeigen ebenfalls einen rapid progre­
dienten Verlauf mit ca. 60% Letalität innerhalb von acht Mona­
ten. Die Gruppe der sarkomatoiden Karzinome machen etwa
17% innerhalb der NSCLC aus und sind ebenfalls durch rapid
progredienten Verlauf und hohe Letalität ausgezeichnet. Darun­
ter fallen die pleomorphen, die spindelzelligen, die oben er­
wähnten riesenzelligen Karzinome, das pulmonale Blastom und
das Karzinosarkom.
Innerhalb der Gruppe der Adenokarzinome gibt es ebenfalls
deutliche Unterschiede im Verlauf. Generell gilt, dass muzinöse
Adenokarzinome per se aggressiver einzustufen sind, dass Ade­
nokarzinome mit mehr als drei verschiedenen Komponenten
einen schlechteren Verlauf zeigen, dass aber fetale (embryonale)
Adenokarzinome ein langsameres Wachstum und eine spätere
Metastasierung aufweisen. Eine besondere Bedeutung wird die
Subtypenanalyse noch in Hinblick auf die Targettherapie be­
kommen (siehe unten).
Die Gefäßinvasion in Lymph- und Blutgefäße wird von uns
seit 1992 kontinuierlich untersucht und im Befund vermerkt.
Retrospektiv konnten wir feststellen, dass insbesondere die Blut­
gefäßinvasion ein unabhängiger negativer Parameter für die Pro­
gnose ist. Patienten, deren Tumor eine Gefäßinvasion aufweist,
zeigen postoperativ signifikant vermehrt Komplikationen, dar­
unter Wundheilungsstörungen, vermehrt Rezidive und eine si­
gnifikant kürzere Überlebenszeit. Die Lymphgefäßinvasion zeigt
tendenziell ähnliche Befunde, diese sind aber nicht signifikant.
Neue negative prognostische Faktoren bei Adenokarzinomen
sind die Lymphgefäßinvasion in der zentralen Narbe und die
Ausbildung eines mikropapillären Musters. In diesen Fällen gibt
es auch bei lymphknoten-negativen Karzinomen eine erhöhte
Rezidivrate und einen signifikant schlechteren Verlauf.
Tumorgröße, Nodalstatus und Metastasierung sind nach wie
vor die wichtigsten Prognoseparameter. Die Tumorgröße ist da­
bei der wohl wichtigste prognostische Faktor, gefolgt vom
Lymphknotenbefall. Bei Letzterem spielt dann die Lokalisation
eine wesentliche Rolle, wobei die grobe Einteilung in N1 und
N2 längst einer mehr differenzierten Betrachtung der einzelnen
N1- und N2-Stationen gewichen ist. Derzeit wird in den meisten
thoraxchirurgischen Abteilungen die japanische Stationsklassifi­
kation verwendet (Station/Level 1-9 entsprechen N2-Lymphkno­
ten, Level 10-14 der N1-Lokalisation).
Prädiktive Marker sind bislang in der
Lungenpathologie nicht gefragt gewe­
sen. Auch dies hat sich mit der Tar­
gettherapie geändert. So sind Adeno­
karzinome eher für eine cisplatinhälti­
ge Chemotherapie geeignet. Plattenepi­
thelkarzinome sollten nicht mit Anti­
körpern gegen VEGF behandelt
werden. Bei Adenokarzinomen gibt es
eine signifikant höhere Ansprechrate
für Pemetrexed, da diese Karzinome
meist eine nur geringe Aktivität für
Thymidylatsynthase aufweisen. In Ade­
nokarzinomen, besonders wenn sie nur
wenige unterschiedlich differenzierte
Komponenten aufweisen, findet sich
gehäuft eine EGFR-Mutation.
5. Molekulare Marker
EGFR: Das System epidermaler Wachs­
tumsfaktorrezeptor und seine Ligan­
krebs:hilfe!
5:2009
Adenokarzinomformationen haben
diesen Pulmonalarterienast praktisch verschlossen
Muzinöses (verschleimendes) Adenokarzinom
den werden seit mehreren Jahren intensiv beforscht. Seit 2005
werden EGFR-Inhibitoren in der Therapie des nicht-kleinzelli­
gen Lungenkarzinoms eingesetzt. Zwei Technologien haben sich
etabliert: die Konkurrenz am Rezeptor durch humanisierte An­
tikörper, die eine Aktivierung des EGFR verhindern, und kleine
Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI), die an der Kinasedomain des
EGFR andocken und seine Aktivierung verhindern. 2009 wurde
nun erstmals ein TKI als Erstlinientherapie zugelassen, und zwar
bei Lungenkarzinompatienten mit aktivierenden Mutationen
des Rezeptors. Patienten mit aktivierenden Mutationen des
EGFR zeigen einen Überlebensvorteil. Bei einigen Patienten
konnte auch ein nahezu vollständiges Verschwinden des Karzi­
noms beobachtet werden. Allerdings ist eine vollständige Hei­
lung derzeit noch nicht möglich.
ERCC1 ist ein Reparaturenzym für die DNA. Wird dieses Repa­
raturenzym in einem Karzinom stark exprimiert, kann das Kar­
zinom die durch eine cisplatinhältige Chemotherapie zugefüg­
ten chromosomalen Schäden leichter reparieren und entgeht so
dem Untergang.
ERCC1 kann immunhistochemisch in Karzinomen nachgewie­
sen werden. Durch den Nachweis einer starken Expression kann

Die neue TNM-Klassifikation
T1a
Tumor <2cm Größe
T1b
Tumor 2–3cm Größe
T2a
Tumor 3–5cm Größe
T2b
Tumor 5–7cm Größe
Weitere Faktoren für
das T2
Invasion der viszeralen Pleura, tiefe Pleurainvasion, Infiltration
des Hauptbronchus (>2cm von der Carina)
T3
Tumore >7cm, Invasion in Thoraxwand, Zwerchfell, mediastinale
Pleura, Perikard oder Tumore <2cm von der tracheobronchialen
Aufzweigung entfernt, Tumore mit Lungenatelektase; Satellitenknoten im selben Lappen bei gleicher Histologie
T4
Infiltration von Mediastinum, Herz, großen Gefäßen, Trachea,
Ösophagus, Wirbelsäule, Knoten mit gleicher Histologie in unterschiedlichen Lappen, aber gleiche Seite
N
Die N-Klassifikation nach der Naruke-Karte soll erhalten bleiben, die Mountain-Dresler-Nodal-Karte muss weiter überprüft
werden
M1a
Maligner Pleuraerguss und Pleuraknoten (Carcinosis pleurae),
weitere Knoten in der kontralateralen Lunge
M1b
Fernmetastasen
XIII
 Bronchialkarzinom
Fetales oder embryonales Adenokarzinom
Adenokarzinom, mikropapilläres
Muster als negativer prognostischer
Marker
ein schlechtes Ansprechen auf eine cisplatinhältige Chemothe­
rapie vorausgesagt werden.
P27 ist ein Protein, das in der Zellzyklusregulation eine wichtige
Rolle spielt. In einer großen Studie konnte nachgewiesen wer­
den, dass eine starke Expression von p27 in Lungenkarzinomen
ein weiterer negativer und von ERCC1 unabhängiger Prädiktor
für ein Ansprechen für eine cisplatinhältige Chemotherapie ist.
tellen Erforschung. Inhibitoren für cMET und Phosphoinositol­
kinase3 dürften eine Bedeutung erlangen für die Therapie EGFRTKI-resistenter Karzinome. Multikinase-Inhibitoren für IGFR1,
VEGFR1-3 könnten eine Rolle spielen bei anderen Formen der
Lungenkarzinome. Histondeacetylasehemmer werden derzeit in
einer klinischen Studie für Mesotheliome erprobt, könnten aber
auch bei Lungenkarzinomen durchaus eine Rolle spielen, even­
tuell sogar beim SCLC. Forschungen gibt es im Bereich der Bloc­
kade der Metastasierung durch Inhibitoren für die Gefäßneubil­
dung und Verhinderung der Gefäßinvasion durch den Tumor. In
allen diesen Fällen ist vorherzusehen, dass molekulare Tests von­
seiten der Pathologie geliefert werden müssen, anhand derer ein
Ansprechverhalten abgeschätzt werden kann.
7. Pathologische Untersuchung und
Kostenökonomie
TS: Die Thymidylatesynthase ist ein Enzym, das durch Pemetre­
xed gehemmt wird. Dieses Enzym wird in Adenokarzinomen der
Lunge zumeist weniger exprimiert als in Plattenepithelkarzino­
men. Dementsprechend zeigen Plattenepithelkarzinome zumeist
ein schlechteres Ansprechen auf diese Therapie. Allerdings ist
der immunhistochemische Nachweis von TS derzeit noch nicht
eindeutig mit dem Ansprechverhalten korrelierbar. Wahrschein­
lich muss vonseiten der Pathologie das Nachweisverfahren noch
verbessert, und spezifischere Antikörper für diesen Nachweis
erzeugt werden.
Das Argument, dass alle diese Untersuchungen sehr teuer sind,
und dass wir dies alles mit unserem Gesundheitssystem nicht
leisten können, kann sehr leicht widerlegt werden. Gerade eine
pathologische Untersuchung, die z.B. im Falle der EGFR-Mutati­
onsuntersuchung ca. 370 Euro kostet, kann verhindern, dass ein
Patient mit Medikamenten behandelt wird, die nicht nur ineffi­
zient sind (keine Mutation vorhanden), sondern auch pro Jahr
und Patient durchaus an die 20.000 Euro kosten. In anderen Fäl­
len können durch pathologische Untersuchungen schädliche
Nebenwirkungen aufgedeckt werden, wodurch erhebliche Kos­
ten für das Krankenhaus eingespart werden können. Pathologi­
sche Untersuchungen sind daher ein wertvoller Beitrag zur Kos­
teneffizienz im Krankenhaus.
6. Therapeutische Relevanz heute – morgen
Literatur beim Verfasser; kann bei Bedarf geschickt werden.
Univ.-Prof. Dr. Helmut H. Popper
Forschungseinheit für Molekulare Lungen- und Pleuraerkrankungen, Institut für Pathologie, Medizinische Universität Graz
Fotos: Popper/MUG (3), Privat
Viele neue Marker sind bereits in ersten klinischen Studien, eine
noch größere Anzahl befinden, sich im Stadium der experimen­
Riesenzelliges Karzinom, Operationspräparat
XIV
krebs:hilfe!
5:2009
Stellenwert der Radiotherapie
beim Bronchuskarzinom
Von Dr. Karl Wurstbauer
Nicht-kleinzelliges Bronchuskarzinom (NSCLC)
Die Aufgabe der Strahlentherapie als lokal wirksamer Behand­
lungsmethode ist naturgemäß das Erreichen einer möglichst
dauerhaften lokoregionalen Tumorkontrolle.
In den letzten Jahren wurde eine positive Dosis-Wirkungs-Bezie­
hung bezüglich Tumorkontrolle und Überleben beim NSCLC
nachgewiesen; dass also eine höhere Strahlendosis eine bessere
Tumorkontrolle und ein längeres Überleben ermöglicht. Außer­
dem wurde die Wichtigkeit einer kurzen Gesamtbehandlungszeit
erkannt: akzelerierte Strahlentherapie, die durch zweimal tägli­
che Behandlungen mit einem mehrstündigen Intervall oder
durch höhere Einzeldosen (Hypofraktionierung) realisiert wird.
Hohe Dosen in kurzer Zeit können nur mit Methoden appliziert
werden, die das den Tumor umgebende gesunde Gewebe mög­
lichst schonen. Konformal nennt man Techniken, die den Hoch­
dosisbereich möglichst gut dem Zielvolumen anpassen (und
eben nicht auch auf den gesunden Bereich ausdehnen). Die in
Salzburg entwickelte und initial eingesetzte „Target splitting“Technik ist beispielsweise eine effiziente konformale Technik. Zu
einer Verringerung des Sicherheitsrands um den Tumor („mar­
gin“), der ebenfalls mit einer hohen Dosis behandelt wird, füh­
ren alle Maßnahmen der Präzisionserhöhung in der längeren
Kette des Planungs-, Simulations- und Applikationsprozesses ei­
ner Strahlenbehandlung.
NSCLC, Stadium I bis II
Falls in den frühen Stadien eine Operation aus internistischen
Gründen nicht durchgeführt werden kann oder der Patient eine
solche ablehnt, können heute effiziente strahlentherapeutische
Möglichkeiten angeboten werden. Hochdosierte fraktionierte
Behandlungen oder, bei Tumoren <4cm im Stadium I, hypofrak­
tionierte stereotaktische Therapien mit beispielsweise drei- bis
fünfmal acht bis 15Gy ermöglichen lokale Tumorkontrollen um
90 Prozent.
NSCLC, Stadium III
Bis vor kurzem war bei diesen Patienten die alleinige Radiothe­
rapie mit der Applikation von 60 Gy in sechs Wochen Standard.
Damit wurden lokale Tumorkontrollen <20 Prozent und medi­
ane Überlebenszeiten um elf Monate erreicht.
Am Beginn der 1990er Jahre zeigten mehrere randomisierte Stu­
dien, dass zwei vorgeschaltete Chemotherapiezyklen die Ergeb­
nisse verbessern, indem sie signifikant das Auftreten von Fernme­
tastasen verringern (sequenzielle Chemoradiotherapie). Die
krebs:hilfe!
5:2009
Therapien waren gut verträglich, mediane Überlebenszeiten um
14 Monate wurden erreicht.
In der Folge versuchte man, sich die „radiotherapiesensibilisie­
rende“, also radiotherapieverstärkende, Wirkung der Chemothe­
rapie auf die lokale Tumorkontrolle zusätzlich zunutze zu ma­
chen, indem man sie simultan zur Strahlentherapie applizierte
(simultane Chemoradiotherapie). Das gelang, ging aber mit er­
höhter Toxizität, insbesondere des Ösophagus einher und war
deshalb nur bei Patienten in gutem Allgemeinzustand möglich.
Mehrere Phase-III-Studien etablierten danach Anfang des laufen­
den Jahrzehnts die simultane (platinhältige) Chemoradiothera­
pie als State of the art für Patienten in gutem Performance-Status.
Mediane Überlebenszeiten um 17 Monate wurden damit er­
reicht; über die lokale Tumorkontrolle wurde nicht explizit be­
richtet, sie dürfte um die 30 bis 40 Prozent liegen; bei allerdings
akuten Grad-3-Ösophagitiden (>15 Prozent Gewichtsabnahme,
parenterale Ernährung) von bis zu 50 Prozent der Patienten; die
Ösophagitis war in der Regel reversibel.
Als Alternative zur simultanen Chemoradiotherapie scheinen
sich konformale Strahlentherapien mit geänderten strahlenthe­
rapeutischen Parametern (Dosishöhe, Akzelerierung) erfolgreich
anzubieten. Mit unserem eigenen, nicht selektionierten Patien­
tengut erreichten wir zunächst mit der Applikation bis 96Gy auf
die Primärtumore in konventioneller Fraktionierung (Lymph­
knoten benötigen geringere Dosen) eine lokale Tumorkontrolle
von 49 Prozent bei einem medianen Überleben von 19,6 Mona­
ten und geringer Toxizität (n=124). In der Folge erzielten wir,
ebenfalls bei nicht selektionierten Patienten, mit akzelerierten,
zweimal täglichen Behandlungen eine lokale Tumorkontrolle
von 79 Prozent und ein medianes Überleben von 26 Monaten bei
ebenfalls sehr guter Verträglichkeit (n=171). Zwei Zyklen Che­
motherapie wurden jeweils sequenziell vor der Radiotherapie
gegeben. Das sind Ergebnisse von Phase-II-Studien, nicht rando­
misiert gegen ein simultanes Schema. Falls sich diese guten Re­
sultate in Zukunft bestätigen, erscheint es allerdings problema­
tisch, eine Randomisierung gegenüber einer simultanen Chemo­
radiotherapie durchzuführen.
Für Patienten im Stadium IIIA (ipsilaterale mediastinale Lymph­
knoten befallen) hat man versucht, mit einer zusätzlichen Resek­
tion die Ergebnisse zu verbessern. Zwei Phase-III-Studien (ein
US-amerikanischer Intergroup Trial und eine europäische
EORTC-Studie) haben nun die Strahlentherapie mit 60Gy (plus
Chemotherapie) mit Chirurgie (plus Chemotherapie, plus/mi­
nus Radiotherapie) direkt verglichen. Mit medianen Überlebens­
XV
 Bronchialkarzinom
Kleinzelliges Bronchuskarzinom (SCLC)
Im Stadium „limited disease“ (Tumorausdehnung auf eine Tho­
raxhälfte und Mediastinum begrenzt) ist die thorakale Strahlen­
therapie neben der Chemotherapie immer Bestandteil der pri­
mären Behandlung (Dauer drei bis fünf Wochen, je nach Frak­
tionierungsschema). Die Chemotherapie alleine kann in der
Regel keine länger dauernde thorakale Remission herbeiführen,
eine Voraussetzung für ein eventuelles Langzeitüberleben.
Sowohl bei „limited disease“ als auch bei „extended disease“ ist
im Falle eines Ansprechens der Erkrankung auf die initiale Be­
handlung eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung indiziert.
Sie verringert die Inzidenz des Auftretens von zerebralen Meta­
stasen und verlängert die Überlebenszeit.
Palliative Radiotherapie
Akzelerierte, differenzierte Hochdosistherapie bei NSCLC, Stadium IIIB.
A. Schema, Dosisangaben in Gray (Gy); B. Behandlungsplan Einzelfraktion; C
Plan Gesamtbehandlung; D. Dosis-Volums-Histogramm (Aus Radiation Oncology 2009, 4: 30).
zeiten um 22 Monate in den besten Therapiearmen zeigten sich
beide Methoden als gleichwertig. Chirurgisch sollte bei dieser
Patientengruppe allenfalls bei nur geringer Tumorausdehnung
und möglicher R0-Resektion (also kompletter Entfernung allen
Tumorgewebes) vorgegangen werden. Im Übrigen stehen heute
potentere Strahlentherapien zur Verfügung als die in den ge­
nannten Studien verwendeten Behandlungen mit 60Gy. Mit ei­
ner akzelerierten, differenzierten Hochdosistherapie (bis 90Gy
in fünf Wochen für den Primärtumor) erreichten wir beispiels­
weise bei Patienten in diesem Tumorstadium eine mediane
Überlebenszeit von 30,1 Monaten (n=67).
In palliativer Intention wird die Strahlentherapie an verschiede­
nen „Orten der Not“ eingesetzt. Beispielsweise bei symptomati­
scher Progredienz des Primärtumors im Stadium IV (bei Diagno­
sestellung bereits Fernmetastasen vorhanden, deshalb primär
systemischer Therapieansatz). Oder bei ossären Metastasen
(Schmerz, Frakturgefährdung, drohender Querschnitt) oder bei
zerebralen Metastasen. Die Behandlungsdauer beträgt ein bis
drei Wochen.
Dr. Karl Wurstbauer
Klinik für Radiotherapie und Radio-Onkologie, Paracelsus
Medizinische Privatuniversität Salzburg
Adjuvante und neoadjuvante
Chemotherapie, Stadium I–IIIA
In den letzten Jahren hat sich in der Behandlung des nicht-klein­
zelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) die adjuvante Chemothe­
rapie in den Stadien II und IIIA etabliert. Der Stellenwert der
neoadjuvanten Chemotherapie ist weiterhin experimentell. Eine
besondere Position nimmt die Therapie bei bereits primär nach­
gewiesenem ipsilateralem, mediastinalen Lymphknotenbefall
(IIIA-N2) ein, wobei dieses Thema hier nicht abgehandelt wird.
Adjuvante Chemotherapie
Zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei etwas mehr als 30 Prozent
der Patienten ein primär zu resezierender Tumor (Stadium IA bis
XVI
IIIA-N1) vor. Betrachtet man die Fünf-Jahres-Überlebenszeiten, so
sind diese äußerst unbefriedigend. Dementsprechend wurden in
der Vergangenheit zahlreiche Studien unternommen, um die
Überlebensraten durch eine an die radikale Operation anschlie­
ßende, das heißt, adjuvante Chemotherapie zu verbessern. Im Jahr
1995 publizierte die „NSCLC Collaborative Group“ eine Meta­
analyse der adjuvanten Therapiestudien mit insgesamt 4.357 Pati­
enten. Etwa die Hälfte der Patienten erhielt lang wirksame Alky­
lantien (Cyclophosphamid, Nitrosurea) und ein Drittel Cisplatinhältige Kombinationstherapien. Die lang wirksamen Alkylantien
führten sogar zu einer Verminderung des Fünf-Jahres-Überlebens
krebs:hilfe!
5:2009
Fotos: Privat, Wurstbauer/PMU Salzburg
Von Dr. Klaus Kirchbacher
um fünf Prozent, die Cisplatin-Kombinationen erbrachten dage­
gen eine fünfprozentige Verbesserung. Es folgten weitere rando­
misierte Phase-III-Studien. In der ALPI-EORTC-Studie konnte mit
der Kombination von Mitomycin/Vindesin/Cisplatin keine signi­
fikante Verbesserung des Gesamtüberlebens erzielt werden.
In der IALT-Studie zeigte sich bei einer medianen Nachbeobach­
tungszeit von 56 Monaten ein signifikanter Überlebensvorteil von
4,1 Prozent durch die adjuvante, Cisplatin-basierte Chemothera­
pie. Der Überlebensvorteil war aber in einem späteren Follow-up
nach 7,5 Jahren bedingt durch eine Zunahme der nicht Lungen­
krebs-assoziierten Mortalität im Chemotherapie-Arm leider nicht
mehr statistisch signifikant. Die Ursachen dafür konnten nicht
eindeutig angegeben werden. Das rezidivfreie Überleben, die Lo­
kalrezidivrate und das Auftreten von Fernmetastasen waren in der
Chemotherapiegruppe aber weiterhin signifikant besser.
In den später durchgeführten Studien (JBR.10 und ANITA)
konnte für die Stadien II und IIIA der Vorteil einer adjuvanten
Chemotherapie (Vinorelbin/Cisplatin) schlussendlich doch ein­
drucksvoll und auch nachhaltig in längeren Nachbeobachtungen
belegt werden. In JBR.10 wurden 482 Patienten mit Stadium IB
oder II (keine T3-Tumore) nach kompletter chirurgischer Resek­
tion randomisiert in eine Nachbeobachtung oder zu einer adju­
vanten Therapie mit Cisplatin (50mg/m , jeweils am Tag 1 und 8,
Wiederholung alle vier Wochen, vier Zyklen) und Vinorelbin
(25mg/m , wöchentlich durch 16 Wochen). Nach einer medianen
Nachbeobachtungszeit von etwas mehr als fünf Jahren zeigte sich
insgesamt ein Überlebensvorteil von 15 Prozent (54 vs. 69 Pro­
zent) im Chemotherapie-Arm. In der Subgruppenanalyse war der
Unterschied aber nur für das Stadium II und nicht für das Stadi­
um IB signifikant besser. Eine 2009 präsentierte längere Nachbe­
obachtung nach median 9,3 Jahren bestätigte den Überlebensvor­
teil durch die adjuvante Chemotherapie für das Stadium II.
2
2
chirurgischer Resektion im Stadium IB bis IIIA (inklusive N2Befall) ebenfalls Vinorelbin (30mg/m , wöchentlich, 16-mal) und
Cisplatin (100mg/m , alle vier Wochen, vier Zyklen) oder Plazebo
verabreicht. Auch in dieser Studie zeigte sich im Stadium IB kein
Vorteil der adjuvanten Chemotherapie, sehr wohl aber in den
Stadien II und IIIA.
Ausschließlich in komplett resezierten Patienten im Stadium IB
untersuchte eine nordamerikanische Studie (CALGB 9633) den
Stellenwert von adjuvantem Paclitaxel/Carboplatin. Die Chemo­
therapie zeigte nach anfangs erfolgversprechenden Daten in der
längerer Nachbeobachtung keinen signifikanten Vorteil mehr
im Überleben im Vergleich zu alleiniger Operation. Eine Sub­
gruppenanalyse fand aber bei Tumoren mit einem Durchmesser
von 4cm und mehr einen signifikanten Überlebensvorteil für die
adjuvante Chemotherapie.
Die oben angeführten Studien wurden anschließend in der LACEMetaanalyse zusammengefasst. Hierbei wurden die Daten von
4.584 Patienten aus randomisierten Cisplatin-basierten adjuvanten
Therapiestudien ausgewertet. Nach einer medianen Nachbeobach­
tungszeit von 5,2 Jahren zeigte sich quer durch die Stadien im
Fünf-Jahresüberleben ein absoluter Benefit von 5,4 Prozent. Umge­
legt auf die einzelnen Stadien verbessert die adjuvante Chemothe­
rapie das Fünf-Jahres-Überleben im Stadium IB von 64 auf 67 Pro­
zent, im Stadium II von 39 auf 49 Prozent und im Stadium IIIA von
26 auf 39 Prozent. Der Stellenwert der adjuvanten Chemotherapie
mit Vinorelbin/Cisplatin im Stadium II und IIIA des NSCLC ist
damit eindeutig belegt. Für einen Vorteil in speziellen Patienten
mit Stadium IB (z.B. Tumor ≥4cm) gibt es Hinweise, eine Therapie­
empfehlung kann aber nicht routinemäßig gegeben werden.
Ergänzend ist zu erwähnen, dass in Japan positive Studienergeb­
nisse für eine adjuvante Therapie mit Uracil/Tegafur vorliegen.
Da es aber keine Daten dazu für die westliche Bevölkerung gibt,
wird wegen fehlender Relevanz nicht darauf eingegangen.
2
2
In einer weiteren großen randomisierten Phase-III-Studie
(ANITA) erhielten insgesamt 840 Patienten nach kompletter
Neoadjuvante Chemotherapie

NSCLC, Verteilung und Prognose

Adjuvante Chemotherapiestudien
Häufig­
keit
Stadium
Fünf-Jahresüber­
leben (in Prozent)
Die neoadjuvante, das heißt präoperative Chemotherapie wurde
Stadium
Patienten Stadium
Ergebnis
ALPI (2003)
1.088
I–IIIA (N2)
negativ
1.867
I–III (T4, N2) negativ
IA
T1 N0 M0
67
IALT (2004)
IB
T2 N0 M0
57
JBR.10 (2005)
482
IB-II (T2N1)
IIA
T1 N1 M0
positiv im
Stadium II
ANITA (2005)
829
IB–IIIA (N2)
positiv im
Stadium II
und IIIA
CALGB (2008)
344
IB
negativ
IIB
IIIA
IIIB
IV
krebs:hilfe!
25–30
55
T2 N1 M0
39
T3 N0 M0
38
T3 N1 M0
25
T1-3 N2 M0
23
T4 N0–3 M0
30
T1–4 N1–3 M1
5:2009
Bitte beachten Sie, dass sich die Stadienangaben in diesen
7–15
T1–4 N3 M0
40
4.610
Tabellen noch auf die alte Einteilung beziehen.
<1
XVII
 Bronchialkarzinom
in mehreren Studien untersucht. Die möglichen Vorteile einer
präoperativen Chemotherapie sind eine deutlich höhere Com­
pliance im Vergleich zur adjuvanten Gabe (90 versus 60 bis 70
Prozent), eine frühzeitige Eradikation von Mikrometastasen, die
Erfassbarkeit der Wirkung der Chemotherapie und eine mögliche
Reduktion der Tumormaße (Downstaging) mit eventueller Opti­
mierung der Operationsmöglichkeiten. Der wesentlichste Nach­
teil ist die Tatsache, dass das Staging klinisch erfolgt. Aus Studien
ist bekannt, dass ein klinisch durchgeführtes Staging in bis zu 20
bis 40 Prozent nicht korrekt ist, vor allem dann, wenn weder PET
noch Mediastinoskopie zur Abklärung verwendet werden.
Burdett fasste 2006 in einer Metaanalyse sieben randomisierte
Studien mit insgesamt 988 Patienten zusammen. Die präopera­
tive Chemotherapie zeigte dabei nach fünf Jahren einen signifi­
kanten Vorteil im Überleben von absolut sechs Prozent (14 auf
20 Prozent). Allerdings basierte diese Metaanalyse nicht auf den
einzelnen Patientendaten, sondern nur auf die in den Publikatio­
nen angegebenen Werte.
Eine später (2007) im „Lancet“ publizierte Studie (MRC LU 22/
NVALT 2/EORTC 08012) mit 519 primär operablen Patienten
im Stadium I bis III, in der eine sofortige Operation gegen Che­
motherapie gefolgt von einer Operation verglichen wurde, zeig­
te keinen Vorteil der neoadjuvanten Chemotherapie. Die Ergeb­
nisse dieser Studie wurden in einem Update der oben erwähnten
Metaanalyse berücksichtigt und führten dazu, dass der zuvor si­
gnifikante Überlebensvorteil einer neoadjuvanten Chemothera­
pie im Vergleich zu einer alleinigen Operation nun nicht mehr
nachweisbar war.
Anschließend wurden noch zwei relevante Studien zu dieser
Thematik präsentiert. Im CHEST-Trial wurde bei letztlich 270
Patienten (700 waren geplant) im Stadium IB bis IIIA (T3N1)
drei Zyklen Gemcitabin/Cisplatin gefolgt von der Operation mit
einer alleinigen Operation verglichen. Es fand sich insgesamt im
Drei-Jahres-Überleben kein signifikanter Vorteil für die neoadju­
vante Chemotherapie (OP 60 Prozent vs. Chemo+OP 67 Pro­
zent). Die NATCH-Studie verglich Paclitaxel/Carboplatin neo­
adjuvant versus adjuvant versus alleinige Operation in insgesamt
624 Patienten im Stadium I, II und IIIA(N1). Von April 2000 bis
März 2007 konnte die geplante Patientenanzahl behandelt wer­
den. Es zeigte sich im Fünf-Jahres-Überleben kein Unterschied
zwischen den einzelnen Therapiearmen (Operation 44 Prozent,
adjuvante Chemotherapie 45,5 Prozent, neoadjuvante Chemo­
therapie 46,6 Prozent).
Zusammenfassung
Zusammengefasst gilt, dass eine adjuvante Chemotherapie mit
Vinorelbin/Cisplatin in entsprechender Dosierung und Intensi­
tät einen signifikanten Überlebensvorteil in den Stadien II und
IIIA mit sich bringt und eine Standardtherapie darstellt. Die neo­
adjuvante Chemotherapie ist weiterhin als eine experimentelle
Behandlung anzusehen, da bis jetzt keine der großen randomi­
sierten Studien einen signifikanten Überlebensvorteil zeigen
konnte.
Dr. Klaus Kirchbacher
2. Medizinische Abteilung – Lungenabteilung, Wilhelminenspital, Wien
Systemische Therapie des fortge­
schrittenen Bronchialkarzinoms
Von Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker
Foto: Privat
Palliative Chemotherapie des NSCLC
Für die Chemotherapie des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzi­
noms sind mehrere Zytostatika etabliert (Tabelle rechts). Die pal­
liative Chemotherapie des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms erfolgt bei Patienten mit gutem Allgemein­
zustand und adäquaten Organfunktionen mit einer Zweierkom­
bination (Doublet), bestehend aus einem Platin (Cisplatin oder
Carboplatin) und einem Zytostatikum der 3. Generation (Tabelle
XVIII

Wirksame Zytostatika beim nicht-klein­
zelligen Bronchialkarzinom
Seit vielen Jahren
etablierte Zytostatika
Zytostatika der
3. Generation
Cisplatin
Carboplatin
Etoposid
Ifosfamid
Vindesin
Vinblastin
Mitomycin C
Vinorelbin
Gemcitabin
Paclitaxel
Docetaxel
Pemetrexed
krebs:hilfe!
Foto: Privat
Die systemische Therapie des fortgeschrittenen Bronchialkarzi­
noms umfasst vor allem die palliative Chemotherapie und zu­
nehmend auch zielgerichtete Therapien.
5:2009
Palliative Erstlinienchemotherapie des
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms
Patienten
Standardtherapie
Therapieziele
Patienten mit Platinhältige Zweierkom- Symptom­
linderung
gutem Allge- bination mit Zytostatimeinzustand kum der 3. Generation
Verbesserte
Patienten mit Monotherapie mit Zyto- Lebens­qualität
statikum der 3. Genera- Verlängerte
reduziertem
Allgemeinzu- tion oder gut verträgliÜberlebensstand
che Zweierkombination
zeit
Ältere
Patienten
Monotherapie mit Zytostatikum der 3. Generation oder gut verträgliche Zweierkombination
oben). Cisplatinhältige Protokolle sind etwas wirksamer als car­
boplatinhältige Protokolle und werden deshalb bei Patienten mit
gutem Allgemeinzustand bevorzugt eingesetzt. Pemetrexed in
Kombination mit einem Platin wird bei Patienten mit nichtsquamösen Karzinomen zunehmend eingesetzt, da bei diesen
Patienten in einer Phase-III-Studie Cisplatin plus Pemetrexed
wirksamer als Cisplatin plus Gemcitabin war. Die Patienten er­
halten vier bis maximal sechs Chemotherapiezyklen. Bei stabiler
Erkrankung unter Chemotherapie werden nur vier Zyklen verab­
reicht, und bei Progression wird die laufende Chemotherapie
beendet.
Die Chemotherapie führt zu einer Linderung tumorbedingter
Symptome in ca. 50–60 Prozent der symptomatischen Patienten,
einer Steigerung der Ein-Jahres-Überlebensrate um absolut etwa
zehn Prozent und meist auch zu einer Verbesserung der Lebens­
qualität. Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand und ältere
Patienten profitieren auch von einer palliativen Chemotherapie,
wobei aber meist eine Monotherapie oder gut verträgliche Zwei­
erkombinationen eingesetzt werden.
Nach Abschluss der First-line-Chemotherapie kann eine Erhal­
tungstherapie eingesetzt werden. In einer Phase-III-Studie
konnte bei Patienten, die nach vier Zyklen einer platinhältigen
Chemotherapie zumindest eine stabile Erkrankung aufwiesen,
durch eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed im Vergleich
zu Plazebo eine Verlängerung des Überlebens erzielt werden,
wobei dieser Vorteil auf Patienten mit nicht squamösen Karzi­
nomen beschränkt war. Nachdem im Plazeboarm nur ein Teil
der Patienten Pemetrexed als Second-line-Therapie erhalten
hat und Pemetrexed überdies zunehmend bereits in der Erstli­
nientherapie eingesetzt wird, kann eine Erhaltungstherapie
mit Pemetrexed derzeit nur für selektionierte Patienten emp­
fohlen werden. Dasselbe gilt auch für eine Erhaltungstherapie
mit Erlotinib.
Als Therapie bei mit Chemotherapie bereits vorbehandelten Pa­
tienten eignen sich Docetaxel, Pemetrexed oder Erlotinib. Peme­
trexed wird dabei nur bei Patienten mit nicht squamöser Histo­
logie eingesetzt.
krebs:hilfe!
5:2009
Zielgerichtete Therapie des NSCLC
Mehrere zielgerichtete Therapien sind beim fortgeschrittenen
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom untersucht worden (Ta­
belle nächste Seite oben). Zielgerichtete Therapien haben be­
reits die Behandlungsmöglichkeiten des nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms erweitert und werden in Zukunft weiter an
Bedeutung gewinnen.
Im Vordergrund stehen derzeit gegen den EGF-Rezeptor gerich­
tete Therapien und die Hemmung der Angiogenese. Bei vielen
epithelialen Tumoren, so auch beim nicht-kleinzelligen Bronchi­
alkarzinom, spielt der EGF-Rezeptor eine wichtige Rolle. Die
Aktivierung des EGF-Rezeptors führt zu Tumorproliferation,
Metastasierung und auch Therapieresistenz. Eine Blockade des
EGF-Rezeptors durch monoklonale Antikörper oder Tyrosinki­
naseinhibitoren sollte deshalb zu einer Verbesserung der Pro­
gnose führen. Dies konnte inzwischen beim fortgeschrittenen
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom einerseits für Cetuximab
in Kombination mit palliativer Erstlinienchemotherapie und
andererseits für Erlotinib bzw. Gefitinib bei bereits mit Chemo­
therapie vorbehandelten Patienten gezeigt werden. Gefitinib
kann überdies bei Patienten mit aktivierenden EGFR-Mutatio­
nen in der Erstlinientherapie eingesetzt werden.
Cetuximab in Kombination mit Cisplatin/Vinorelbin führte
in einer randomisierten Phase-III-Studie (FLEX) bei Patienten
mit fortgeschrittenem EGFR-positiven nicht-kleinzelligen Bron­
chialkarzinom zu einer signifikanten Verlängerung des Überle­
bens im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie: median 11,3
versus 10,1 Monate, Ein-Jahres-Überlebensrate 47 versus 42 Pro­
zent, Hazard Ratio 0,87. Auch die Ansprechrate war höher im
Cetuximab-Arm (36 versus 29 Prozent).
Eine zweite Phase-III-Studie untersuchte Carboplatin/Taxan ±
Cetuximab bei unselektionierten Patienten mit fortgeschritte­
nem NSCLC. Cetuximab führte zwar zur keiner Verlängerung
des progressionsfreien Überlebens, doch zu einer signifikant hö­
heren Ansprechrate und einer nicht signifikanten Verlängerung
des Gesamtüberlebens.
Die Hauptnebenwirkungen von Cetuximab sind akneähnliche
Hautausschläge und gelegentliche Durchfälle.
Erlotinib und Gefitinib. Bei mit Chemotherapie vorbehandel­
ten Patienten konnte für Gefitinib und Erlotinib eine Linderung
tumorbedingter Symptome gezeigt werden. In Phase-III-Studien
führten Erlotinib zu einer signifikanten und Gefitinib zu einer
nicht signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit bei mit
Chemotherapie bereits vorbehandelten Patienten. Aufgrund die­
ser Tatsache ist Erlotinib für die Therapie bei mit Chemotherapie
bereits vorbehandelten Patienten zugelassen. Insbesondere Frau­
en, Nieraucher, Asiaten, Patienten mit Adenokarzinomen und
Patienten mit aktivierenden EGF-Rezeptor-Mutationen profitie­
ren von einer Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren. Diese Pa­
rameter werden deshalb auch für die Patientenselektion berück­
sichtigt.
XIX
 Bronchialkarzinom
spiele für Substanzen in Phase-III-Studien)
Cetuximab
EGFR-Inhibitoren
Erlotinib
Gefitinib
Angiogenese-Inhibitoren
Bevacizumab
Thalidomid
Vandetanib
Duale und Multikinase-Inhibitoren
Motesanib
Sorafenib
Tumorvakzine
BLP25 Liposomales Vakzin
(Stimuvax)
MAGE-A3
In der INTEREST-Studie konnte die Nichtunterlegenheit und
gleichzeitig bessere Verträglichkeit von Gefitinib im Vergleich zu
Docetaxel bei mit Chemotherapie vorbehandelten Patienten ge­
zeigt werden.
Tyrosinkinaseinhibitoren zeigen eine besonders gute Wirkung
bei asiatischen Patienten, wobei dies auf die hohe Inzidenz von
aktivierenden EGF-Rezeptor-Mutationen bei diesen Patienten
zurückgeführt wird. Deshalb wurde Gefitinib in der First-lineTherapie mit Carboplatin/Paclitaxel bei asiatischen Patienten
mit Adenokarzinomen in einer Phase-III-Studie verglichen. 60
Prozent der Patienten hatten eine EGFR-Mutation im Tumor.
Bei diesen Patienten führte Gefitinib als Dauertherapie bis zur
klinischen Progression im Vergleich zu bis zu sechs Zyklen Car­
boplatin/Paclitaxel zu einer Verlängerung des progressionsfrei­
en Intervalls. Bei Patienten mit EGFR-Wildtyp war allerdings die
Chemotherapie dem Gefitinib überlegen. Gefitinib ist deshalb
für die palliative Therapie des nicht-kleinzelligen Bronchialkar­
zinoms bei Patienten mit nachgewiesenen aktivierenden EGFRezeptor-Mutationen im Tumor zugelassen.
Bevacizumab. Bei selektionierten Patienten (nicht squamöse
Karzinome, guter Allgemeinzustand, keine Hirnmetastasen, kei­
ne Tumorinvasion zentraler Blutgefäße, keine Blutungsneigung,
keine schweren Hämoptysen, keine therapeutische Antikoagula­
tion) führte der Anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab in Kombi­
nation mit Carboplatin/Paclitaxel (ECOG-Studie) bzw. Cispla­
tin/Gemcitabin (AVAiL) zu einer Verbesserung des Überlebens
(ECOG) bzw. des progressionsfreien Überlebens (ECOG, AVAiL).
Das Gesamtüberleben als sekundärer Studienendpunkt war al­
lerdings in der AVAiL-Studie nicht verlängert.
Aufgrund dieser positiven Studienergebnisse ist Bevacizumab in
XX
Kombination mit platinhältiger Erstlinienchemotherapie für
selektionierte Patienten mit fortgeschrittenem nicht squamösen
NSCLC zugelassen.
Chemotherapie des kleinzelligen Bronchial­
karzinoms
Patienten mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen erhalten vier
bis sechs Zyklen einer Kombinationschemotherapie (Tabelle un­
ten), wobei bei limitierter Erkrankung bevorzugt Cisplatin/Eto­
posid wegen sowohl höherer Aktivität als auch besserer Kombi­
nierbarkeit mit der lokalen Strahlentherapie eingesetzt wird. Die
Chemotherapie führt zu einer eindeutigen Linderung tumor­
bedingter Symptome, einer Verbesserung der Lebensqualität
und einer vier- bis fünffachen Verlängerung der medianen Über­
lebenszeit. Ältere Patienten erhalten bei adäquatem Allgemein­
zustand ebenfalls eine palliative Kombinationschemotherapie,
doch sind häufig Dosisreduktionen und verstärkte supportive
Therapien notwendig.
Chemotherapieprotokolle beim klein­
zelligen Bronchialkarzinom
Cisplatin/Etoposid
Carboplatin/Etoposid
Cyclophosphamid/Adriamycin/Vincristin
Cyclophosphamid/Epirubicin/Vincristin
Cyclophosphamid/Adriamycin/Etoposid
Adriamycin/Ifosfamid/Vincristin
Die thorakale Strahlentherapie zusätzlich zur Chemotherapie ist
bei Patienten mit limitierter Erkrankung indiziert und steigert
die Drei-Jahres-Überlebensrate um absolut fünf Prozent. Alle
Patienten mit Ansprechen auf die Therapie erhalten abschlie­
ßend eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung, die zu einer
Steigerung der Drei-Jahres-Überlebensrate um absolut fünf Pro­
zent führt.
Die primäre Operation ist in den Anfangsstadien durchaus indi­
ziert, doch sollte postoperativ eine adjuvante Chemotherapie
angeschlossen werden.
Als Zweitlinienchemotherapie bei Progression der Erkrankung
ist Topotecan als neuer Standard etabliert.
Literatur beim Verfasser
Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker
Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für
Innere Medizin I, Wien
krebs:hilfe!
5:2009
Foto: Barbara Krobath

Zielgerichtete Therapien beim NSCLC (Bei­
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