Badische Zeitung - "Musik kann nicht begrifflich antworten"

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Badische Zeitung
03.11.2007
"Musik kann nicht begrifflich antworten"
BZ-Interview: Wolfgang Rihm über seine neue Komposition
Wolfgang Rihm(FOTO: DPA)
Der Universität Freiburg zufolge ist es der "krönende
Abschluss" ihres 550-jährigen Jubiläums: die
Uraufführung der Kantate für Chor und Orchester
"Quid est Deus? — Was ist Gott?" von Wolfgang Rihm
am Sonntag. Alexander Dick hatte am Rande einer
Probe mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden
und Freiburg und dem SWR-Vokalensemble Stuttgart
unter der Leitung von Sylvain Cambreling Gelegenheit
zum Gespräch mit dem Komponisten.
BZ: Herr Rihm, wie ist es Ihnen ergangen, als Sie Ihr Werk heute das erste Mal
interpretiert hörten? Werden die Klänge im Innersten erweckt, die man erdacht
hat? Oder gibt es auch Überraschungen?
Wolfgang Rihm: Ich kann nur prosaisch als Handwerker antworten: Es hat
"wunderbar" funktioniert. Dass dem so ist, ist aber immer wieder überraschend.
BZ: Warum gerade die Frage nach Gott zu diesem Anlass? Worin bestanden die
Berührungspunkte, die Stoff und Komponisten zusammenbrachten?
Rihm: Bei diesen 24 Antworten handelt es sich — einer Theorie zufolge — um
eine universitäre Kompilation aller damals verfügbaren Gottesdefinitionen der
nichtchristlichen Kulturen. Ich hatte diese Texte schon lange im Auge. Als die
Freiburger Universität mich um ein Werk bat, war mir sofort klar — intuitiv,
wenn Sie so wollen: Dies ist der richtige Text.
BZ: Welcher Antwort auf die Frage "Was ist Gott?" neigen Sie am meisten zu?
Rihm: Keiner. Ich neige der Frage zu.
BZ: Welche Funktion kommt der Musik in diesem durchkomponierten Werk zu?
Man kann immer wieder heraushören, dass sie mit dem Text korrespondiert.
Oder gibt sie eine 25. Antwort auf die zentrale Frage?
Rihm: Musik kann nicht begrifflich antworten. Sie stellt einen Raum vor, in
welchem Texte in ihrer Schwingung vernehmbar werden können. Auf sehr
verschiedene Arten und Weisen.
BZ: Sie stellen einer dunklen Orchestersprache einen häufig ganz überirdischen,
kosmischen Chorklang gegenüber, und auch im Metrum halten sich gerade und
ungerade Taktarten — tempus imperfectum und perfectum — die Waage.
Verbirgt sich hinter dieser Ausgewogenheit die Antwort des Komponisten auf
die Frage nach dem Göttlichen?
Rihm: Sollte eine Ausgewogenheit entstanden sein, dann auf intuitivem Weg.
Ich kann die Frage nach dem Göttlichen nur immer erneut stellen, niemals aber
beantworten.
BZ: Und wie würde Wolfgang Rihm die Frage nach dem Menschsein
musikalisch beantworten? "Quid est homo?"
Rihm: Diese Frage beantwortet sich für mich nun seit 55 Jahren, indem sie sich
immer dringlicher stellt.
INFOBOX
"Quid Est Deus?"
Werk: Der Karlsruher Komponist Wolfgang Rihm setzt sich in seiner "Cantata
Hermetica für Chor und Orchester" mit 24 Gottesdefinitionen von der Spätantike
bis zum Mittelalter auseinander. Sie werden Hermes Trismegistos
zugeschrieben, einer literarischen Fiktion, die im Mittelalter als Repräsentant
uralter Menschheitsüberlieferung galt.
Uraufführung: Sonntag, 4. November, 19 Uhr, zusammen mit Werken von
Mozart, Haydn. Einführungsvortrag: 18 Uhr, Konzerthaus Freiburg.
adi
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