Vorlesungsnotizen zu Theoretische Physik VI: Statistische Physik D. Bauer 10. Juli 2013 2 i Prof. Dr. Dieter Bauer AG Quantentheorie und Vielteilchensysteme Institut für Physik Universität Rostock 18051 Rostock Germany [email protected] www.physik.uni-rostock.de/qtmps Literatur Der in dieser Vorlesung behandelte Stoff wird in unzähligen Lehrbüchern und Vorlesungsskripten abgehandelt. Ob einem der jeweilige Stil zusagt oder nicht ist weitgehend Geschmacksache. Deshalb hier nur einige Werke, die ich öfter mal in die Hand nehme und auch zur Vorlesungsvorbereitung nutze: F. Schwabl, Statistische Mechanik (Springer) M. Toda, R. Kubo, N. Saitô, Statistical Physics I (Springer) L.E. Reichl, A Modern Course in Statistical Physics (Wiley-VCH, Weinheim) W. Brenig, Statistische Theorie der Wärme (Springer) K. Goeke, Statistik und Themodynamik (Vieweg & Teubner) G. Vojta, M. Vojta, Teubner Taschenbuch der Statistischen Physik (Teubner) J.M. Yeomans, Statistical Mechanics of Phase Transitions (Oxford) J.J. Binney et al., The Theory of Critical Phenomena (Oxford) ii Inhaltsverzeichnis 1 Einige Grundlagen 1.1 Elementare Wahrscheinlichkeitsbegriffe 1.2 Zentraler Grenzwertsatz . . . . . . . . 1.3 Klassische Statistik . . . . . . . . . . . 1.3.1 Liouville-Gleichung . . . . . . 1.4 Quantenstatistik . . . . . . . . . . . . 1.4.1 von-Neumann-Gleichung . . . 1.4.2 Dichtematrix von Teilsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Statistische Ensembles 2.1 Mikrokanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Phasenraumvolumen des klassischen idealen Gases . . . . . . . 2.1.2 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Chemisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7 Quantenmechanische harmonische Oszillatoren I . . . . . . . . 2.2 Kanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Freie Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Herleitung des kanonischen statistischen Operators aus der Extremalisierung der Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Virialsatz und Äquipartitionstheorem . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Quantenmechanische harmonische Oszillatoren II . . . . . . . 2.3 Großkanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Großkanonische Zustandssumme des klassischen idealen Gases 2.3.2 Mischentropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Ensemble-Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii 1 2 5 9 10 13 16 18 23 23 26 29 34 37 40 41 43 48 52 53 55 57 59 64 65 68 71 75 iv INHALTSVERZEICHNIS 3 Ideale Quantensysteme 3.1 Grundlagen aus der Vielteilchenquantenmechanik 3.1.1 Besetzungszahldarstellung . . . . . . . . . 3.2 Allgemeine ideale Bose- oder Fermi-Systeme . . 3.2.1 Klassischer Grenzfall . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Kontinuumslimes . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Semiklassische Entwicklung . . . . . . . . 3.2.4 Adiabatengleichungen . . . . . . . . . . . 3.3 Ideales Fermi-Gas bei T → 0 . . . . . . . . . . . 3.3.1 Sommerfeld-Entwicklung . . . . . . . . 3.3.2 Zustandsdichte . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Vernachlässigbarkeit der Wechselwirkung . 3.4 Bose-Einstein-Kondensation . . . . . . . . . . . 3.5 Photonengas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Plancksches Strahlungsgesetz . . . . . . 3.5.2 Schwarzer Körper . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Besonderheiten beim Photonengas . . . . . 3.5.4 Kosmischer Mikrowellenhintergrund . . . . 3.6 Phononen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Anharmonische Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 77 81 82 87 88 91 94 96 99 105 107 108 118 121 123 125 128 135 142 4 Reale Systeme 4.1 Berücksichtigung innerer Freiheitsgrade . . . . . . . . . 4.1.1 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Vibration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Elektronische Freiheitsgrade . . . . . . . . . . . 4.2 Gemische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Gleichgewicht in mehrkomponentigen Systemen 4.2.2 Massenwirkungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Virialentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Van der Waals-Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 147 151 157 159 160 163 165 168 174 5 Spezielle Kapitel 5.1 Eindimensionales Ising-Modell . . . . . . . . . . 5.1.1 Lösung mit Transfermatrizen . . . . . . . 5.1.2 Lösung mit Renormierungsgruppentheorie 5.2 “Mean-field”-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Bogoljubow-Ungleichung . . . . . . . . 5.2.2 Anwendung auf das Ising-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 179 180 181 186 186 188 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1 Einige Grundlagen • Die Statistische Physik – wurde historisch für Vielteilchensystemen entwickelt (z.B. Gase, Flüssigkeiten, Festkörper, ..., Sterne, schwarze Löcher, ..., Universum, ... ?); ihre Methoden werden heute auch auf “nicht-physikalische” Systeme angewendet (z.B. Gesellschaften, Wirtschaft, Verkehr, Internet, ...). – ist eine “übergeordnete Theorie” in dem Sinne, dass ihre Methoden weitgehend unabhängig von der zugrundeliegenden mikroskopischen Theorie anwendbar sind; sie kann jeder mikroskopischen Theorie “übergestülpt” werden, um makroskopische Eigenschaften zu berechnen. – bildet das auf mikroskopischer Physik und Wahrscheinlichkeitstheorie basierende Fundament der phänomenologischen Thermodynamik, die Sie im vergangenen Semester bereits gehört haben. • Wir unterscheiden – Mikrozustände, die z.B. klassisch durch die Kenntnis aller Teilchenkoordinaten und Geschwindigkeiten bzw. quantenmechanisch durch die Kenntnis des Vielteilchenzustands gegeben sind, und – Makrozustände, die durch wenige Größen (Druck, Volumen, Temperatur, ...) charakterisiert werden können. 1 2 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN • In der Regel kann ein Makrozustand durch viele verschiedene Mikrozustände realisiert werden (Ausnahmen?). • Es ist weder möglich noch wünschenswert (warum?), den Mikrozustand eines makroskopisch großen Systems auszurechnen oder zu messen. • Vorgehensweise in der Statistischen Physik: gewichte Mikrozustände entsprechend der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens (statistisches Ensemble); daraus lassen sich makroskopische Größen ableiten, deren Ungenauigkeiten im thermodynamischen Limes N → ∞, V → ∞, N/V =const. gegen null gehen. 1.1 Elementare Wahrscheinlichkeitsbegriffe • Seien x Werte, die von einer Zufallsvariablen X angenommen werden können, z.B. X = “Ergebnis beim Würfeln”, x ∈ {1, 2, 3, 4, 5, 6}. • Definition: Wahrscheinlichkeitsdichte w(x), Z ∞ w(x) dx = 1. (1.1) −∞ Beim Würfelbeispiel: w(x) = 1 6 P6 m=1 δ(x − m) (mit der Dirac-δ-Distribution). • Definition: Mittel- oder Erwartungswert der Zufallsvariablen X, Z ∞ xw(x) dx, (1.2) hXi = −∞ also werden die möglichen angenommenen Werte x wird mit w(x) gewichtet.1 Beim Würfelbeispiel: hXi = 1 6 P6 m=1 m = 7/2 = 3.5. Der Mittelwert muss also nicht unbedingt eines der möglichen x sein. 1 Hinweis zur Notation: innerhalb der den Erwartungswert kennzeichnenden spitzen Klammern h· · · i schreiben wir immer die Zufallsvariable (d.h. Großbuchstaben), unter dem Integral stehen die möglichen Werte (Kleinbuchstaben). 1.1. ELEMENTARE WAHRSCHEINLICHKEITSBEGRIFFE • Definition: n-tes Moment µn Z n hX i = µn = Beim Würfelbeispiel für n = 2: hX 2 i = 1 6 • Definition: Schwankungsquadrat ∞ xn w(x) dx. 3 (1.3) −∞ P6 2 m=1 m = 91/6 ≃ 15.17 6= hXi2 . (∆x)2 = hX 2 i − hXi2 . (1.4) Beim Würfelbeispiel: (∆x)2 = 35/12 ≃ 2.9. • ∆x heißt Schwankungsbreite. Beim Würfelbeispiel: (∆x) ≃ 1.7. • Man kann zeigen (→ Übung), dass auch (∆x)2 = (X − hXi)2 (1.5) gilt. • Definition: Charakteristische Funktion χ(k) Z ∞ e−ikx w(x) dx. χ(k) = (1.6) −∞ Beim Würfelbeispiel: χ(k) = 1 6 P6 m=1 eikm , also z.B. χ(0) = 1, χ(π) = 0. • Dies ist offenbar die Fourier-Transformation der Wahrscheinlichkeitsdichte, also ist die Umkehrung Z ∞ 1 eikx χ(k) dk. (1.7) w(x) = 2π −∞ • Es besteht ein Zusammenhang zwischen charakteristischer Funktion und Momenten, denn mit (1.6) und (1.3) folgt ! Z ∞ X ∞ ∞ n X (−ikx) (−ik)n n χ(k) = w(x) dx = hX i. (1.8) n! n! −∞ n=0 n=0 4 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN • Verallgemeinerung auf mehrere Zufallsvariable Xi , Funktionen von Zufallsvariablen F (Xi ), mehrere Komponenten der möglichen angenommenen Werte xi : X = (X1 , X2 , . . .), Z hF i = f (x)w(x) dx, x = (x1 , x2 , . . .), dx = dx1 dx2 . . . . (1.9) Beim Würfelbeispiel: erweitere zu zwei Würfeln, so dass x = (x1 , x2 ), x1 , x2 ∈ {1, 2, 3, 4, 5, 6} und w(x) = w(x1 )w(x2 ) (warum)? • F ist selbst Zufallsvariable, die Werte f annehmen kann, die gemäß einer Wahrscheinlichkeitsdichte wF (f ) verteilt sind, Z hF i = f wF (f ) df. (1.10) • Was ist wF (f )? Damit das Gleiche wie bei (1.9) herauskommt, muss Z wF (f ) = δ(F (X) − f ) = δ(f (x) − f ) w(x) dx (1.11) gelten (→ Übung). Beim Würfelbeispiel z.B. F (X) = X1 + X2 , f (x) = x1 + x2 , es werden also die Augen beider Würfe zusammengezählt. Dann ist f ∈ {2, 3, . . . 12}. Für die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Augensumme findet man dann (→ Übung) P6 1 P6 1 2 3 wF (f ) = 36 m=1 q=1 δ(m + q − f ) = 36 δ(2 − f ) + 36 δ(3 − f ) + 36 δ(4 − f ) + · · · + 6 36 δ(7 − f) + 5 36 δ(8 − f) + · · · + 1 36 δ(12 − f ). • Definition: Korrelationen Kij = (Xi − hXi i)(Xj − hXj i) (1.12) geben an, wie stark Schwankungen einzelner Zufallsvariablen um den Mittelwert voneinander abhängen (d.h. “miteinander korreliert” sind). • Gilt wtot (x1 , x2 ) = w(x1 )w̃(x2 ), so folgt (→ Übung) K12 = 0 und Kii = (∆xi )2 , i = 1, 2. Beim obigen Beispiel mit zwei Würfeln ist genau dies der Fall. 1.2. ZENTRALER GRENZWERTSATZ 1.2 5 Zentraler Grenzwertsatz • Betrachte eine Zufallsvariable der Form F = X1 + X2 + · · · + XN . (1.13) Man denke z.B. an N Würfel, wobei die Augen addiert werden oder an irgendeine extensive Zustandsgröße, z.B. die Energie. Dann wäre F die Gesamtenergie und Xi , i = 1, 2, . . . N wären die Einteilchenenergien oder die Energien von N Untersystemen. Ein anderes Beispiel ist der Random Walk, wo Xi der Wegzuwachs beim iten Schritt wäre und F die zurückgelegte Gesamtdistanz. • Die Gesamtverteilungsfunktion wtot (x1 , x2 , . . . , xN ) faktorisiere in unabhängige Verteilungen w(xi ), also wtot (x1 , x2 , . . . , xN ) = w(x1 )w(x2 ) · · · w(xN ). (1.14) Für die drei Beispiele bedeutet dies: N gleiche, unabhängige Würfel, N gleiche, unabhängige Teilchen bzw. N Schritte, wobei bei jedem Schritt mit gleichen Wahrscheinlichkeiten eine Distanz x zurückgelegt wird. • Man beachte, dass alle Zufallswerte gemäß der gleichen Verteilung w auftreten sollen, also können wir einfach hXi i = hXi schreiben. • Wir könnten nun wF (f ) direkt mit (1.11) auszurechnen versuchen, ahnen aber nach unserer Erfahrung mit dem Würfelbeispiel, dass dies bei großem N ausartet. • Betrachte daher zunächst die Zufallsvariable N 1 X F − N hXi √ G= √ . (Xi − hXi) = N i=1 N • Die zugehörige Verteilungsfunktion lautet mit (1.11) * + X1 + X2 + · · · + XN − N hXi √ −g . wG (g) = δ N (1.15) (1.16) 6 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN • Wir benutzen die Darstellung der Dirac-δ-Distribution Z ∞ 1 δ(x) = dk e−ikx 2π −∞ (1.17) und schreiben Z Z dk ikg−ik(x1 +···+xN −N hXi)/√N e wG (g) = dx w(x1 ) · · · w(xN ) 2π !N Z Z √ √ dk ikg+ik N hXi = e . dx w(x) e−ikx/ N 2π | {z√ } χ(k/ N ) • Da hier χN auftritt, entwickeln wir nun nicht direkt die charakteristische Funktion χ in eine Potenzreihe, wie in (1.8), sondern den Logarithmus von χ, also ! ∞ n X k (−iq) q=√ . Cn , (1.18) χ(q) = exp n! N n=1 Die Koeffizienten Cn heißen Kumulanten nter Ordnung. • Gelingt uns das, so folgt √ n ! Z ∞ √ X (−ik/ N ) dk ikg+ik N hXi exp N e Cn , wG (g) = 2π n! n=1 (1.19) die Potenz N steht also als schlicht als Faktor im Exponenten und bereitet keine Probleme. • Wegen (1.8), χ(q) = ∞ X (−iq)n n=0 muss ∞ X (−iq)n n=0 n! ∞ X 1 n hX i = m! m=0 n! hX n i, ∞ X (−iq)n n=1 n! Cn !m (1.20) gelten. Hier haben wir die Exponentialfunktion in (1.18) in eine Reihe entwickelt. 1.2. ZENTRALER GRENZWERTSATZ 7 • Koeffizientenvergleich: q 0 : linke Seite wird 1 für n = 0, rechte Seite wird auch 1 für m = 0, OK. q 1 : linke Seite wird −iqhXi für n = 1, rechte Seite wird −iqC1 für m = n = 1, also C1 = hXi. (1.21) q 2 : linke Seite wird (−q 2 /2)hX 2 i für n = 2, auf der rechten Seite steht q 2 wenn nm = 2; also für m = 1, n = 2 und m = 2, n = 1; man erhält 1 1 1 − hX 2 i = − C2 − C12 , 2 2 2 also und somit C2 = hX 2 i − C12 C2 = hX 2 i − hXi2 = (∆x)2 . (1.22) C3 = hX 3 i − 3hX 2 ihXi + 2hXi3 . (1.23) q 3 : Man findet (→ Übung) • Gleichung (1.19) wird also zu Z ikhXi k 2 (∆x)2 dk ikg+ik√N hXi exp N − √ e + ··· wG (g) = − 2π 2N N Z dk 1 2 2 = exp ikg − k (∆x) + · · · . (1.24) 2π 2 √ Die weggelassenen Terme + · · · gehen mindestens wie 1/ N mit N → ∞ gegen null. • Gleichung (1.24) ist die Fourier-Transformation einer GaussFunktion in k. Das Ergebnis ist eine Gauss-Funktion in g, 1 g2 wG (g) = p exp − . (1.25) 2(∆x)2 2π(∆x)2 8 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN • Eigentlich interessiert uns ja wF (f ). Es gilt wF (f ) df = wG (g) dg (1.26) und wegen (1.15) gilt für die möglichen Zufallswerte f und g g(f ) = also ist f − N hXi √ , N (1.27) dg 1 =√ df N und 1 wF (f ) = √ wG (g(f )). N Damit folgt der Zentrale Grenzwertsatz (f − N hXi)2 1 exp − . wF (f ) = p 2N (∆x)2 2πN (∆x)2 (1.28) • wF (f ) √ ist eine um N hXi zentrierte Gauss-Glocke, deren Breite durch N ∆x bestimmt wird. • Dies ist ein bemerkenswertes Resultat, denn es besagt, dass – unabhängig von der Einteilchenverteilungsfunktion w – bzw. unabhängig von der Wahrscheinlichkeitsverteilung w für Einzelschritte in bestimmte Richtungen (beim Random Walk) die Zufallsvariable F , d.h. – die extensive, makroskopische Zustandsvariable, – der insgesamt zurückgelegte Weg (beim Random Walk) für N → ∞ gaußverteilt ist. • Um dieses Ergebnis zu erhalten, brauchten wir als Voraussetzungen nur (1.13) und (1.14). 9 1.3. KLASSISCHE STATISTIK • Mit der Gauss-Verteilung (1.28) folgt (→ Übung) für den Erwartungswert hF i = N hXi, (1.29) die Schwankungsbreite √ ∆f = ∆x N (1.30) und somit für die relative Schwankung ∆x ∆f √ . = hF i hXi N (1.31) • Die relative Schwankung geht also für N → ∞ gegen null. Dies ist der Grund dafür, dass makroskopische Zustandsgrößen im thermodynamischen Limes scharfe Werte annehmen. 1.3 Klassische Statistik • Der Mikrozustand eines N -Teilchensystems im dreidimensionalen Ortsraum zu einem bestimmten Zeitpunkt t kann durch einen Punkt im Phasenraum Γ beschrieben werden. • Die Phasenraumkoordinaten sind die 3N Orte und die 3N Impulse, die wir jeweils in Vektoren mit 3N Komponenten zusammenfassen, q(t) = q1 (t), q2 (t), . . . q3N (t) ⊤ , ⊤ p = p1 (t), p2 (t), . . . p3N (t) . (1.32) • Einen speziellen Mikrozustand, der zur Zeit t vorliegt, kann man also durch (q(t), p(t)) angeben. • Die Dynamik des Systems wird durch eine Trajektorie im Phasenraum beschrieben (→ Übung). 10 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN • Wie schon oben bemerkt, führen in der Regel viele Mikrozustände zum gleichen Makrozustand (d.h. zum gleichen Druck, zur gleichen Temperatur, inneren Energie etc.). Daher wird ein Makrozustand durch eine Menge von Punkten in Γ gebildet. • Die Wahrscheinlichkeit, mit der das betrachtete System im Phasenraumpunkt (q(t), p(t)) vorliegt sei ZZ d(3N ) q d(3N ) p ρ(q, p, t) = 1. (1.33) ρ(q, p, t) ≥ 0, Γ ρ(q, p, t) heißt Verteilungsfunktion oder Wahrscheinlichkeitsdichte. • Der Mikrozustand (q(t), p(t)) kann sich mit der Zeit ändern, auch wenn der Makrozustand sich nicht ändert. Beispiel: Druck, Temperatur, Volumen, innere Energie etc. der Luft in einem Raum seien konstant. Das bedeutet nicht, dass sich die Luftmoleküle nicht bewegen. • Idee: Beschreibe den Makrozustand durch ein Ensemble von mikroskopischen Realisierungen (Mikrozuständen), die durch die Verteilungsfunktion ρ gewichtet werden. 1.3.1 Liouville-Gleichung • Ein System sei zur Zeit t = 0 im Γ-Punkt (q0 , p0 ) (Mikrozustand). • Zu einem späteren Zeitpunkt liegen die Orte und Impulse q(t; q0 , p0 ), p(t; q0 , p0 ), t>0 (1.34) vor. • Die zeitliche Entwicklung eines Mikrozustands wird durch (1.35) δ (3N ) q − q(t; q0 , p0 ) δ (3N ) p − p(t; q0 , p0 ) beschrieben. 11 1.3. KLASSISCHE STATISTIK • Die Anfangsbedingungen seien mit der Verteilungsfunktion ρ0 (q0 , p0 ) zu wichten. Dann folgt für die zeitliche Entwicklung der Verteilungsfunktion ZZ ρ(q, p, t) = d(3N ) q0 d(3N ) p0 ρ0 (q0 , p0 ) (1.36) ×δ (3N ) q − q(t; q0 , p0 ) δ (3N ) p − p(t; q0 , p0 ) . • Gegeben sei die (nicht explizit zeitabhängige) HamiltonFunktion des Systems H(q, p), sodass q̇i = ∂H , ∂pi ṗi = − ∂H , ∂qi i = 1, 2, . . . 3N. (1.37) • Wir definieren den 6N -komponentigen Vektor der Phasenraumgeschwindigkeit q̇ ∇p H = . (1.38) v= ṗ −∇q H • Da (→ Übung) ∇ · v = 0, wobei ∇ = (∇q , ∇p ) der 6N komponentige Nablaoperator sei, handelt es sich bei der Dynamik der Wahrscheinlichkeitsdichte um eine sog. inkompressible Strömung. • Da wegen (1.33) keine Wahrscheinlichkeit erzeugt wird oder verloren geht, gilt die Kontinuitätsgleichung (warum?) ∂ρ + ∇ · (ρv) = 0 ∂t (1.39) oder ∂ρ ∂ ∂ (ρq̇i ) + (ρṗi ) = 0 + ∂t ∂qi ∂pi (Summenkonvention, d.h. über in einem Produkt doppelt auftretende Indizes (hier i) wird summiert). 12 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN Dies lässt sich weiter vereinfachen: ∂ ∂ ∂ρ (ρq̇i ) + (ρṗi ) + ∂t ∂qi ∂pi ∂ρ ∂ρ ∂ρ ∂ q̇i ∂ ṗi ρ+ ρ, = q̇i + ṗi + + ∂t ∂qi ∂qi ∂pi ∂pi |{z} |{z} 2 ∂ 2H ∂ H − ∂qi ∂pi ∂pi ∂qi ⇒ ∂ρ ∂ρ ∂ρ q̇i + ṗi = − ∂t ∂qi ∂pi ∂ρ ∂H ∂ρ ∂H + . = − ∂qi ∂pi ∂pi ∂qi • Mit der Poisson-Klammer {a, b} = Liouville-Gleichung ∂a ∂b ∂qi ∂pi − ∂a ∂b ∂pi ∂qi folgt die ∂ρ = {H, ρ}. ∂t (1.40) • Da dρ ∂ρ ∂ρ ∂ρ q̇i + ṗi + , = dt ∂qi ∂pi ∂t kann man die Liouville-Gleichung auch dρ =0 dt (1.41) schreiben. • Die Liouville-Gleichung sagt aus, dass ρ q(t), p(t), t entlang einer Phasenraumtrajektorie konstant bleibt. Wahrscheinlichkeitsdichte bleibt konstant, daher inkompressible Strömung. ∆N • Stellen wir ρ(t0 ) = ∆Γ in ∆Γ0 durch ∆N Punkte dar und verfol0 gen diese Punkte in der Zeit, so bilden sie zur Zeit t ein Volumen ∆Γ. 13 1.4. QUANTENSTATISTIK p 111111111111 000000000000 000000000000 111111111111 ∆Γ 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 t 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 ∆Γ 000000 111111 0 000000 111111 111111 000000 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 t0 q Da ∆N konstant bleibt und wegen (1.41) gilt ρ(t0 ) = ∆N ∆N = ρ(t) = ∆Γ0 ∆Γ und somit ∆Γ0 = ∆Γ. Das Phasenraumvolumen bleibt also erhalten, es ändert lediglich seine Form. 1.4 Quantenstatistik • Ein Phasenraumpunkt (q, p) kann quantenmechanisch nicht “scharf” angegeben werden. • Ein reiner Mikrozustand wird quantenmechanisch durch den Zustand |Ψi angegeben, den wir normiert annehmen, hΨ|Ψi = 1. Beispiel “quantenmechanischer Münzwurf”: |Ψi = “Kopf”, − für “Zahl”. √1 (|+i 2 + eiϕ |−i), ϕ ∈ R, + für • Der Erwartungswert für eine Messung einer Observable, die durch den Operator  beschrieben wird, ist für den Fall eines reinen Zustands durch hAi = hΨ| |Ψi (1.42) 14 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN gegeben. Beispiel: hAi = 12 (h+| |+i+ eiϕ h+| |−i+ e−iϕ h−| |+i+h−| |−i) = 21 (h+| |+i+ 2Re{ eiϕ h+| |−i} + h−| |−i). Man beachte den ϕ-abhängigen Interferenzterm. • Definition: Dichtematrix oder Dichteoperator des reinen Zustands, ρ̂ = |Ψi hΨ|. (1.43) Beispiel: |Ψi hΨ| = 21 (|+i h+| + eiϕ |−i h+| + e−iϕ |+i h−| + |−i h−|). • Damit kann man den Erwartungswert auch schreiben als hAi = Sp (ρ̂Â), (1.44) wobei Sp X̂ die Spur des Operators X̂ bedeute, also die Summe über die Diagonalelemente, X hn|X̂ |ni . (1.45) Sp X̂ = n Hier sei {|ni} eine beliebige Orthonormalbasis. Die Spur ist unabhängig von der Wahl der Basis. Beispiel: Sp (ρ̂Â) = P 1 n hn| 2 (|+i h+| + eiϕ |−i h+| + e−iϕ |+i h−| + |−i h−|) |ni. Es ist bequem, als Basis {|+i , |−i} zu wählen. Dann läuft |ni über |+i und |−i, und es folgt Sp (ρ̂Â) = 21 (h+| + e−iϕ h−|) |+i + 12 ( eiϕ h+| + h−|) |−i = 21 (h+| |+i + e−iϕ h−| |+i) + 12 ( eiϕ h+| |−i + h−| |−i), wie oben. • Man kann leicht zeigen (→ Übung), dass Sp ρ̂ = 1, ρ̂2 = ρ̂, ρ̂† = ρ̂, (1.46) d.h. die Summe der Diagonalelemente des Dichteoperators eines reinen Zustands ist 1, und der Dichteoperator ist idempotent und hermitesch. • In der Klassischen Statistik ist in der Regel nicht bekannt, welchen Mikrozustand q, p das System einnimmt. In der Quantenstatistik ist in der Regel nicht bekannt, welchen reinen Zustand |Ψi das System gerade einnimmt. 15 1.4. QUANTENSTATISTIK • Definition: Gemischter Zustand. Die möglichen Zustände |Ψi i, hΨi |Ψi i = 1 seien (zu einem gegebenen Zeitpunkt) jeweils mit der Wahrscheinlichkeit pi besetzt. Dann folgt für den Erwartungswert eines Operators X X hAi = pi hΨi | |Ψi i , pi = 1. (1.47) i i • Wir führen den Dichteoperator eines Gemischs ein, X pi |Ψi i hΨi |. ρ̂ = (1.48) i Beispiel: p1 = p2 = 21 , ρ̂ = 1 2 |+i h+| + 1 2 |−i h−|. Man beachte, dass im Gegensatz zum obigen “quantenmechanischen Münzwurf” der Dichteoperator dieses speziellen Gemischs keine Nebendiagonalelemente ∼ |−i h+| und ∼ |+i h−| (sog. Kohärenzen) mehr hat. Die Verteilung ist wie beim “klassischen Münzwurf”: 50% Kopf, 50% Zahl. Im allgemeinen hat ein quantenmechanisches Gemisch jedoch auch Nebendiagonalelemente. • Man beachte: zusätzlich zu der ohnehin notwendigen statistischen Interpretation quantenmechanischer Messungen kommt nun noch die unvollständige Kenntnis des Beobachters hinzu. Unvollständige Kenntnis des Beobachters liegt auch in der Klassischen Statistik vor, die u.U. prinzipielle Unbestimmtheit bei Einzelmessungen jedoch nicht. • Mit (1.48) kann man den Erwartungswert wiederum schreiben als hAi = Sp (ρ̂Â), (1.49) denn Sp (ρ̂Â) = X n = X i hn|ρ̂ |ni = pi hΨi | = hAi, X XX n i hn|Ψi ipi hΨi | |ni |ni hn| |Ψi i = | n {z 1 } X i pi hΨi | |Ψi i 16 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN wegen (1.47). Beispiel: hAi = Sp (ρ̂Â) = h+| 21 |+i h+| + 21 |−i h−|  |+i + h−| 12 |+i h+| + 1 |−i h−|  |−i = 12 h+| |+i + 21 h−| |−i. Der ϕ-abhängige Interferenzterm tritt 2 bei dem hier gewählten Gemisch nicht mehr auf. • Wiederum gilt, wie beim reinen Zustand, Sp ρ̂ = 1 und ρ̂† = ρ̂, aber falls pi 6= 0 für mindestens zwei i, so ist (→ Übung) ρ̂2 6= ρ̂ und Sp ρ̂2 < 1. • Zusammenfassend gilt demnach Sp ρ̂2 ≤ 1, 1.4.1 (= 1 bei reinem Zustand). (1.50) von-Neumann-Gleichung • Die von-Neumann-Gleichung ist die “quantenmechanische Version” der Liouville-Gleichung. • Die Dichtematrix übernimmt in der Quantenmechanik die Rolle der klassischen Wahrscheinlichkeitsdichte. Wir suchen also nach einer Bewegungsgleichung für die Dichtematrix ρ̂. Bei der Herleitung der Liouville-Gleichung gingen die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen ein. An diese Stelle tritt nun die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung i~ ∂ |Ψ(t)i = Ĥ |Ψ(t)i , ∂t bzw. −i~ ∂ hΨ(t)| = hΨ(t)|Ĥ. ∂t (1.51) 17 1.4. QUANTENSTATISTIK • Damit folgt i~ ∂ ∂ X ρ̂(t) = i~ pi |Ψi (t)i hΨi (t)| ∂t ∂t i X = i~ pi (∂t {|Ψi (t)i}hΨi (t)| + |Ψi (t)i ∂t {hΨi (t)|}) i = X i pi Ĥ|Ψi (t)ihΨi (t)| − |Ψi (t)i hΨi (t)|Ĥ = [Ĥ, ρ̂(t)]. • Die von-Neumann-Gleichung lautet ∂ i ρ̂ = − [Ĥ, ρ̂]. ∂t ~ (1.52) • Im Gleichgewicht gilt ∂ i ρ̂ = 0 ⇒ − [Ĥ, ρ̂] = 0. (1.53) ∂t ~ Der Dichteoperator ρ̂ vertauscht also mit dem HamiltonOperator und kann daher nur von Erhaltungsgrößen abhängen. • Findet eine Dynamik statt, so sind Erwartungswerte u.U. zeitabhängig, hAit = Sp (ρ̂(t)Â), (1.54) mit ρ̂(t) gemäß von-Neumann-Gleichung. • Wir rechnen hier im Schrödinger-Bild, auch wenn die von-Neumann-Gleichung der Heisenbergschen Bewegungsgleichung (für Operatoren im Heisenberg-Bild) ähnelt. • Im Heisenberg-Bild sind die Operatoren, welche Observable beschreiben, zeitabhängig und Zustände sind konstant. Da der Dichteoperator aus Zuständen aufgebaut wird, sollte auch er im Heisenberg-Bild konstant sein. • Mit dem Zeitentwicklungsoperator Û (t, t0 ) gilt |Ψ(t)i = Û (t, t0 ) |Ψ(t0 )i . (1.55) 18 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN • Im Fall des reinen Zustands haben wir also ρ̂(t) = |Ψ(t)i hΨ(t)| = Û (t, t0 ) |Ψ(t0 )i hΨ(t0 )|Û † (t, t0 ). (1.56) • Dann folgt für (1.54) hAit = Sp ρ̂(t) = Sp Û (t, t0 ) |Ψ(t0 )i hΨ(t0 )|Û † (t, t0 ) = Sp |Ψ(t0 )i hΨ(t0 )| Û † (t, t0 )ÂÛ (t, t0 ) {z }| {z } | ρ̂0 ÂH = Sp (ρ0 ÂH ), wobei ÂH der Operator  im Heisenberg-Bild ist. Der Erwartungswert hAit ist also unabhängig davon, in welchem Bild er berechnet wird. 1.4.2 Dichtematrix von Teilsystemen • Wir betrachten den reinen Zustand eines Gesamtsystems, das aus zwei Teilsystemen bestehe. Man denke an zwei nicht-wechselwirkende Atome oder zwei “Quantenmünzen” √ |Ψi = {|1+i |2+i + |1+i |2−i + |1−i |2+i + |1−i |2−i}/ 4. • Messen wir nur an System 1, d.h. eine Observable Â1 wirke nur auf System 1, so gilt XX hA1 i = Sp (ρ̂Â1 ) = h1k|h2l|ρ̂Â1 |2li |1ki = k X h1k| X h1k|ρ̂1 Â1 |1ki = Sp1 (ρ̂1 Â1 ). k = k l X |l h2l|ρ̂ |2li Â1 |1ki {z Sp2 ρ̂=ρ̂1 } Hier bedeutet Spi die Spur bzgl. Teilsystem i = 1 oder 2. • Durch “Ausspuren” des Dichteoperators über Teilsystem 2 (auch “Ausreduzieren” genannt) gewinnen wir den Dichteoperator für das System 1. 19 1.4. QUANTENSTATISTIK • Beipiel 1: Nehmen wir an, der Dichteoperator ρ̂ = |Ψi hΨ| des Gesamtsystems sei durch einen reinen Zustand der speziellen Form X cn |1ni |2ni (1.57) |Ψi = n gegeben. Im Beispiel der zwei “Quantenmünzen” liegt nicht diese Form vor! Dann folgt ρ̂ ρ̂1 z }| !{ X X X c∗m h2m|h1m| |2li cn |1ni |2ni = Sp2 ρ̂ = h2l| XX l m n X cn |1ni h2l|2ni c∗m h2m| h2m|2lih1m| | {z } | {z } n m l δln δml X X = cl |1li c∗l h1l| = |cl |2 |1li h1l|. = l (1.58) l Wir erhalten das Ergebnis, dass der Dichteoperator ρ̂1 des Teilsystems ein Gemisch beschreibt, obwohl der Dichteoperator des Gesamtsystems ein reiner Zustand ist. Dies liegt daran, dass wir durch eine Messung nur an System 1 den Zustand von System 2 nicht zur Kenntnis nehmen. • “Nicht zur Kenntnis nehmen” heißt in der mathematischen Behandlung “Ausreduzieren” oder “Ausspuren” (in der Quantenstatistik) bzw. “Ausintegrieren” (des entsprechenden Unterphasenraums in der Klassischen Statistik). • Beispiel 2: Nehmen wir nun an, der Dichteoperator ρ̂ = |Ψi hΨ| des Gesamtsystems sei durch einen reinen Produktzustand gegeben: X X a2m |2mi . (1.59) a1n |1ni |Ψi = |ψ1 i |ψ2 i = m n Es gelte hψi |ψi i = 1, i = 1, 2 ⇒ X n |ain |2 = 1. (1.60) 20 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN Dann folgt durch Ausspuren ρ̂1 = Sp2 ρ̂ = X h2l| l nq l = = XX X X nmpq a1n a2m |1ni |2mi h2p|h1q|a∗2p a∗1q ! |2li a1n a2l |1ni h1q|a∗2l a∗1q |a2l | 2 | l {z } 1 X nq a1n |1ni h1q|a∗1q = |ψ1 i hψ1 |. (1.61) In diesem Fall eines reinen Produktzustands des Gesamtsystems ist auch der ausreduzierte Dichteoperator ρ̂1 der eines reinen Zustands für Untersystem 1. Produktzustände beschreiben unkorrelierte Systeme, z.B. zwei Untersysteme, die nicht miteinander wechselwirken. Daher “vernichtet” man durch Ausspuren des einen Systems keine Informationen über das andere Systems, sodass dessen Dichteoperator ρ̂1 “rein” bleibt. Beispiel mit den zwei “Quantenmünzen”: ρ̂ = ρ̂1 = = = = 1 {|1+i |2+i + |1+i |2−i + |1−i |2+i + |1−i |2−i} 4 ×{h1 + |h2 + | + h1 + |h2 − | + h1 − |h2 + | + h1 − |h2 − |}, 1 h2 + |{|1+i |2+i + |1−i |2+i}{h1 + |h2 + | + h1 − |h2 + |} |2+i 4 +h2 − |{|1+i |2−i + |1−i |2−i}{h1 + |h2 − | + h1 − |h2 − |} |2−i 1 {|1+i + |1−i}{h1 + | + h1 − |} + {|1+i + |1−i}{h1 + | + h1 − |} 4 1 |1+i + |1−i}{h1 + | + h1 − | 2 1 |1+i h1 + | + |1+i h1 − | + |1−i h1 + | + |1−i h1 − | . 2 Dies ist der gleiche Dichteoperator wie im Beispiel einer “Quantenmünze” nach (1.43) (für den hier gewählten Fall ϕ = 0), so wie es sein muss (warum?). Wir erhalten hier also trotz Ausspuren den Dichteoperator eines reinen Zustands |Ψ1 i = √1 (|1+i + |1−i). 2 21 1.4. QUANTENSTATISTIK Starten wir hingegen mit einem reinem Zustand der Form (1.57) für das Gesamtsystem, z.B. |Ψi = √12 (|1+i |2+i+|1−i |2−i), so bekommen wir mit (1.58) ein Gemisch ρ̂1 = 12 (|1+i h1 + | + |1−i h1 − |), wie im Beispiel nach (1.48) angesetzt. • Falls ρ̂ = ρ̂1 ρ̂2 , (1.62) Sp2 ρ̂ = ρ̂1 Sp2 ρ̂2 = ρ̂1 . | {z } (1.63) folgt 1 Da im zweiten Beispiel ρ̂i = |ψi i hψi |, haben wir sofort (1.61). Im ersten Beispiel liegt nicht die Form (1.62) vor (es sei denn, nur eines der cn ist nicht-verschwindend). 22 KAPITEL 1. EINIGE GRUNDLAGEN Kapitel 2 Statistische Ensembles • Wie schon oben bemerkt, bilden viele Mikrozustände den gleichen Makrozustand, der im Gleichgewicht ∂t ρ̂ = 0 nurmehr von wenigen Erhaltungsgrößen abhängen kann. • Ein Mikrozustand ändert sich im allgemeinen auch im Gleichgewicht, die Verteilung der Mikrozustände, die den Makrozustand bestimmt, jedoch nicht. • Diese Verteilungen von Mikrozuständen nennen wir statistische Ensembles. • Je nachdem, was über den Makrozustand des Systems bekannt ist, empfiehlt es sich, verschiedene Ensembles zur Beschreibung des Systems heranzuziehen. 2.1 Mikrokanonisches Ensemble • Wir nehmen ein isoliertes System mit fester Teilchenzahl N , festem Volumen V und Energie E im Intervall [E, E +∆], |∆/E| ≪ 1 an. Klassisch • Durch E = H(q, p) 23 (2.1) 24 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES kann eine Phasenraumkoordinate eliminiert werden; die Mikrozustände bewegen sich bei vorgegebener Gesamtenergie E auf einer Hyperfläche. E + ∆ definiert eine zweite, dicht danebenliegende Hyperfläche. p 111111111111111111111111 000000000000000000000000 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 E 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 E+ ∆ 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 000000000000000000000000 111111111111111111111111 q • Da keine weiteren Informationen vorliegen, müssen wir annehmen, dass alle Zustände in der dünnen Energieschale E ≤ H(q, p) ≤ E + ∆ gleich wahrscheinlich sind. • Wir konstruieren daher die mikrokanonische Verteilungsfunktion gemäß 1 falls E ≤ H(q, p) ≤ E + ∆ . (2.2) ρMK = Ω(E)∆ 0 sonst • Für ∆ → 0 können wir dies schreiben als ρMK = 1 δ E − H(q, p) . Ω(E) (2.3) • Hierbei soll Ω(E) für die Normierung sorgen. Wir wählen es so, dass Z (3N ) d q d(3N ) p ρMK = 1 (2.4) h3N N ! 25 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE gilt. h3N und N ! sind Vorgriffe und sollten hier zunächst als Teil der Definition von ρMK akzeptiert werden. Wir werden bald sehen, dass der Faktor h3N im Nenner (h ist das Plancksche Wirkungsquantum) quantenmechanisch sinnvoll ist und N ! bei Ununterscheidbarkeit der Teilchen nötig ist. Man sieht, dass ρMK dimensionslos ist (warum?). • Wir kürzen das Phasenraumvolumenelement durch dΓ ab: d(3N ) q d(3N ) p dΓ = . h3N N ! (2.5) • Damit (2.4) erfüllt ist, muss Z Ω(E) = dΓ δ E − H(q, p) (2.6) Das Volumen innerhalb der Energieschale ist Z Ω̄(E) = dΓ Θ E − H(q, p) , (2.7) gelten. wobei Θ(x) = 1 für x > 0 und 0 sonst die Stufenfunktion ist. Daher folgt dΩ̄(E) . (2.8) dE • Erwartungswerte des klassischen mikrokanonischen Ensembles einer Größe A sind durch Z hAi = dΓ ρMK A (2.9) Ω(E) = gegeben. Quantenmechanisch • Quantenmechanisch kontruieren wir den mikrokanonischen Dichteoperator durch X p(En ) |ni hn|. (2.10) ρ̂MK = n 26 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Hierbei sind En Energieeigenwerte und |ni Energieeigenzustände, also Ĥ |ni = En |ni. • Analog zu (2.2) haben wir nun für die Wahrscheinlichkeiten p(En ) im Gemisch 1 falls E ≤ En ≤ E + ∆ . (2.11) p(En ) = Ω(E)∆ 0 sonst • Die Normierungsbedingung lautet quantenmechanisch 1 X Sp ρ̂MK = 1 ⇒ Ω(E) = 1. ∆ n (2.12) En ∈[E,E+∆] Hierbei “zählt” die Summe die Anzahl der Zustände, die energetisch zwischen E und E + ∆ liegen. • Analog zu (2.3) schreiben wir ρ̂MK = 1 δ E − Ĥ . Ω(E) (2.13) • Damit Sp ρ̂MK = 1 erfüllt ist, muss also — analog zu (2.6) — Ω(E) = Sp δ E − Ĥ (2.14) gelten. • Wir werden sehen, dass aus (der zwecks Normierung eingeführten Größe) Ω(E) bzw. dem Phasenraumvolumen Ω̄(E) die gesamte Gleichgewichtsthermodynamik des betrachteten Systems folgt! 2.1.1 Phasenraumvolumen des klassischen idealen Gases • Was ist in diesem Fall Ω(E) bzw. Ω̄(E)? • Der mikroskopische “Input” in die statistische Beschreibung des klassischen idealen Gases ist die Hamilton-Funktion N X p2i H= + VWand . (2.15) 2m i=1 27 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE • Laut (2.7) haben wir Ω̄(E) = 1 h3N N ! Z V d 3 q1 · · · d 3 qN Z N X p2i 3 3 d p1 · · · d pN Θ E − 2m i=1 zu berechnen. Dabei haben wir VWand schon durch Eingrenzen der Ortsraumintegrale berücksichtigt. Dadurch hängt der Integrand von den Ortskoordinaten nicht mehr ab, ! Z N 2 X VN p i Ω̄(E) = 3N d3 p1 · · · d3 pN Θ E − . (2.16) h N! 2m i=1 • Wir gehen nun zu Kugelkoordinaten im 3N -dimensionalen (Impuls-) Raum über. Dort gibt es 3N − 1 Winkel und einen Hyperradius p, 3N N X X 2 2 p = pi = p2i . (2.17) i=1 i=1 Schreiben wir das Raumwinkelelement als dΩ3N −1 , so folgt Z Z 2 p VN dΩ3N −1 dp p3N −1 Θ E − Ω̄(E) = 3N h N! 2m √ Z Z 2mE VN dp p3N −1 = 3N dΩ3N −1 h N! 0 Z N V 1 3N/2 = 3N (2mE) dΩ3N −1 . h N ! 3N • Die Oberfläche der d-dimensionalen Einheitskugel lautet (→ Übung) Z 2π d/2 . (2.18) dΩd−1 = Γ(d/2) R∞ Hierbei ist Γ(z) = 0 dt tz−1 e−t die Gammafunktion. Für ganze Argumente n ≥ 1 gilt Γ(n) = (n−1)!. Für n = 0, 1, 2, . . . gilt Γ(n+1/2) = R (2n)! √ dΩ1 = n!4n π. Also finden wir für d = 2 in der Tat den Einheitskreisumfang R 3/2 2π 3/2 2π 2π dΩ2 = Γ(3/2) = √π/2 = 4π. Γ(1) = 2π und für d = 3 die Einheitskugeloberfläche ! 28 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Wir rechnen also weiter 3N/2 VN 1 3N/2 2π Ω̄(E) = 3N (2mE) h N ! 3N Γ( 3N 2 ) = V N (2πmE)3N/2 V N (2πmE)3N/2 = 3N h3N N ! 3N h3N N !Γ( 3N 2 Γ( 2 ) 2 + 1) V N (2πmE)3N/2 . = )! h3N N !( 3N 2 Hierbei haben wir zΓ(z) = Γ(z + 1) ausgenutzt und im letzten Schritt angenommen, dass N gerade ist, sodass wir (3N/2)! anstatt Γ(3N/2 + 1) schreiben können. • Wir können weiter vereinfachen, indem wir die Stirlingsche Formel (→ Übung) N ! ≃ N N e−N (2πN )1/2 ≃ N N e−N verwenden, V N (2πmE)3N/2 Ω̄(E) = 3N N −N h N e (3N/2)3N/2 e−3N/2 N 3N/2 V 4πmE = e5N/2 2 N 3h N = Ω̄(E, V, N ). • Mit (2.8) folgt Ω(E) = dΩ̄(E) 1 3N = Ω̄(E) . dE E 2 (2.19) (2.20) (2.21) • Wir erinnern uns: Ω̄(E) ist das Phasenraumvolumen innerhalb der Energieschale, Ω(E)∆ ist das Phasenraumvolumen in einer dünnen Schale an der Oberfläche der Energieschale. Betrachten wir den Logarithmus beider Größen, so finden wir 1 3N log Ω(E)∆ = log Ω̄(E) + log + log ∆ E 2 ∆ . (2.22) = log Ω̄(E) + O log E/N 29 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE • Während log Ω̄(E) mit der Teilchenzahl ∼ N ansteigt, steigt ∆ log E/N schwächer oder garnicht mit N . Fast das gesamte Phasenraumvolumen der Hyperkugel H(q, p) ≤ E liegt also an deren Oberfläche (→ Übung), und es gilt in logarithmischer Genauigkeit log Ω(E)∆ = log Ω̄(E). (2.23) • Wir kommen auf den Ausdruck für Ω̄(E) im Fall des klassischen idealen Gases (2.20) in Abschnitt 2.1.6 zurück. Vorher noch ein paar allgemeinere Überlegungen. 2.1.2 Entropie • Wir definieren die Entropie S durch S = −k Sp (ρ̂ ln ρ̂) = −khln ρ̂i, (2.24) worin k eine Konstante sei und ρ̂ ein beliebiger Dichteoperator. • In klassischen Rechnungen ersetzen wir den Dichteoperator ρ̂ durch die Wahrscheinlichkeitsverteilung Rρ und die Spur Sp durch das entsprechende Phasenraumintegral dΓ. • Beispiel: Gemisch mit M orthonormierten Zuständen, alle mit gleicher Wahrscheinlichkeit p = 1/M realisiert: M X 1 ρ̂ = |mi hm|. M m=1 Damit folgt für die Entropie dieses Gemischs S = −k Sp (ρ̂ ln ρ̂) ! M ∞ M X X X 1 1 = −k |mi hm| ln |li hl| |ni hn| M M n=1 m=1 l=1 ! M M X X 1 1 hm| ln |li hl| |mi , = −k M M m=1 l=1 30 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES wobei wir die Spur bequemerweise in der vollständigen Basis bilden, zu der auch die in ρ̂ vorkommenden Zustände |mi gehören. 1 |mi aus. In Wir gehen schon von ρ̂ P in Diagonaldarstellung ρ̂ |mi = pm |mi = M P 1 1 diesem Fall ist ln ρ̂ = ln l M |li hl| = ln M l |li hl|. Denken wir uns den Logarithmus in einer Potenzreihe entwickelt, so erkennen wir, dass dort lediglich Potenzen von Dyaden !q X X 1 X 1 X |lq i hlq | |l2 i hl2 | · · · |li hl| |l1 i hl1 | = q M M l = l1 = lq l2 l1 X 1 XX |l1 i hl1 |l2 ihl2 | · · · hlq−1 |lq ihlq | · · · | {z } Mq | {z } l2 lq δl1 l2 δlq−1 lq 1 X |l1 i hl1 | Mq l1 vorkommen (funktioniert nur, wenn wir von orthonormierten Zuständen ausgehen). P 1 Dies gilt für jeden Term in der Potenzreihe, sodass in der Tat ln l M |li hl| = 1 P ln M l |li hl|. Es folgt M M X 1 ln M X 1 ln =k 1 = k ln M. S = −k M M M m=1 m=1 (2.25) Die Entropie ist also proportional zum Logarithmus der Anzahl der Zustände im Gemisch ρ̂. • Je mehr Zustände wir benötigen, um den Dichteoperator zu konstruieren, desto geringer ist unsere Kenntnis über das System. • Im Spezialfall des reinen Zustands: M = 1, also S = 0, liegt maximale Information über den Zustand des Systems vor. • Anderes Extrem: Wir wissen nichts über den Zustand eines Systems. Wie lautet in diesem Fall der Dichteoperator? (→ Übung). • Die oben durchgeführte Rechnung lässt sich leicht auf einen allgemeinen, diagonalisierten Dichteoperator1 , d.h. X pm |mi hm|, {|mi} orthonormierte Basis (2.26) ρ̂ = m 1 Ein Dichteoperator lässt sich wegen ρ̂† = ρ̂ immer diagonalisieren. Aus der “Hermitzität” folgt weiterhin, dass die Eigenwerte reell sind. 31 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE erweitern (→ Übung). Bildet man die Spur mit den orthonormierten Eigenvektoren |mi, so erhalten wir mit den zugehörigen Eigenwerten pm , also ρ̂ |mi = pm |mi sofort X pm ln pm , 0 ≤ pm ≤ 1, S = −k m also pm ln pm ≤ 0 und somit S ≥ 0. (2.27) Entropie des mikrokanonischen Ensembles • Wir kürzen in (2.12) X′ = n X n En ∈[E,E+∆] ab und schreiben ρ̂MK = X′ n 1 |ni hn|. Ω(E)∆ (2.28) Dies ist bereits die Diagonaldarstellung von ρ̂MK , denn die Energieeigenzustände |ni sind orthonormiert. • Damit folgt für die Entropie des mikrokanonischen Ensembles wegen (2.25) SMK = −kSp (ρ̂MK ln ρ̂MK ) = k ln Ω(E)∆ . (2.29) • Die mikrokanonische Entropie ist also proportional zum Logarithmus des vom mikrokanonischen Ensemble “beanspruchten” Phasenraumvolumens Ω(E)∆. • Wegen (2.23) gilt außerdem (in logarithmischer Genauigkeit) SMK = k ln Ω̄(E). (2.30) 32 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Extremaleigenschaft der Entropie • Es könnte ja sein, dass es einen Dichteoperator gibt, der bei Vorgabe des Erwartungswertes der Energie E eine größere Entropie liefert, als der mikrokanonische (2.28) mit den gleichverteilten Wahrscheinlichkeiten zwischen E und E + ∆. • Um zu zeigen, dass dem nicht so ist, beweisen wir zunächst eine Ungleichung: Sp (ρ̂ ln ρ̂) ≥ Sp (ρ̂ ln ρ̂1 ) (2.31) bzw. Sp [ρ̂(ln ρ̂1 − ln ρ̂)] ≤ 0, wobei ρ̂ = X m pm |mi hm|, ρ̂1 = X α jeweils in Diagonaldarstellung. (2.32) p1α |αi hα| Wir bilden die Spur mit Eigenzuständen |ni von ρ̂, X pn hn|(ln ρ̂1 − ln pn ) |ni Sp [ρ̂(ln ρ̂1 − ln ρ̂)] = n = X n = pn hn| ln XX n α ρ̂1 |ni pn pn hn|αihα| ln p1α |αi hα|ni. pn Zum letzten Ausdruck gelangt man, wenn man 1̂-Operatoren, dargestellt in der Basis von ρ̂1 , einschiebt. Man beachte, dass nicht hn|αi = δnα angenommen wird. Da ln x ≤ x − 1, gilt Sp [ρ̂(ln ρ̂1 − ln ρ̂)] ≤ XX n α p1α pn hn|αihα| − 1 |αi hα|ni. pn Geht man die vorangegangenen Rechenschritte rückwärts, folgt 33 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE auch Sp [ρ̂(ln ρ̂1 − ln ρ̂)] ≤ womit (2.32) bewiesen ist. X n ρ̂1 pn hn| − 1 |ni pn = Sp ρ̂1 − Sp ρ̂ = 1 − 1 = 0, • Nun können wir beweisen, dass ρ̂MK der vorurteilsfreieste Dichteoperator bei Kenntnis des Gesamtenergieerwartungswertes ist, indem wir zeigen, dass er die Entropie maximiert. Wir verwenden die eben bewiesene Ungleichung (2.31) und setzen ρ̂1 = ρ̂MK , Sp (ρ̂ ln ρ̂MK ) ≤ Sp (ρ̂ ln ρ̂), also und weiter −kSp (ρ̂ ln ρ̂MK ) ≥ −kSp (ρ̂ ln ρ̂) = S[ρ̂] S[ρ̂] ≤ −kSp ρ̂ ln ρ̂MK X X′ |li hl| ln = −k hm|ρ̂ m l = k ln(Ω(E)∆) X′ l 1 |mi Ω(E)∆ hl|ρ̂ |li , wobei wir die Spur wieder bequemerweise mit Energieeigenzuständen bilden. • Da wir zeigen wollen, dass alle anderen Dichteoperatoren, welche die gleiche Kenntnis über das System berücksichtigen (hier den Gesamtenergieerwartungswert) eine kleinere Entropie P ′ liefern, nehmen wir nun einen zweiten Dichteoperator ρ̂ = α pα |αi hα| an, der ebenfalls im Unterraum [E, E + ∆] wirkt, X ′ X ′ pα hl|αihα|li S[ρ̂] ≤ k ln Ω(E)∆ α l = k ln Ω(E)∆ X′ α pα hα| X′ |li hl| |αi | l {z P̂ ′ } 34 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES mit P̂ ′ als Projektionsoperator auf den Unterraum E ≤ El ≤ E + ∆. P′ • Da laut Annahme ρ̂ = α pα |αi hα| im gleichen Unterraum ′ wirkt, auf den P̂ projiziert, folgt X′ X′ pα hα|P̂ ′ |αi = pα = 1 α und somit α S[ρ̂] ≤ k ln Ω(E)∆ = SMK . D.h. von allen Dichteoperatoren, die im durch den vorgegebenen Erwartungswert der Energie E definierten Unterraum wirken, ist der mikrokanonische der mit der größten Entropie (und daher am vorurteilsfreiesten). 2.1.3 Temperatur • Für den mikrokanonischen Fall haben wir Ω = Ω(E, V, N ) berechnet. • Bisher sind andere Zustandsgrößen wie Temperatur T oder Druck P noch nicht aufgetaucht. • Betrachte ein aus zwei Teilsystemen bestehendes Gesamtsystem. Energieaustausch zwischen den Teilsystemen sei durch eine Wechselwirkung möglich, H = H1 + H2 + W. Ansonsten sei das Gesamtsystem nach außen vollständig isoliert. Die Wechselwirkung W sei klein gegenüber H1 , H2 . Sie dient lediglich dazu, dass sich überhaupt ein Gleichgewicht einstellen kann, soll aber ansonsten vernachlässigbar sein. 111111111111111111111 000000000000000000000 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 1 2 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 35 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE Die Gesamtenergie E = E1 + E2 sei vorgegeben. • Wir rechnen hier klassisch. Das Phasenraumvolumenelement des Gesamtsystems ist dΓ1+2 d(3N1 ) q1 d(3N1 ) p1 d(3N2 ) q2 d(3N2 ) p2 , = dΓ1 dΓ2 = N1 !h3N1 N2 !h3N2 denn die Teilchen in 1 seien von denen in 2 unterscheidbar. • Mit (2.6) haben wir Z Z Ω1+2 (E) = dΓ1 dΓ2 δ(H − E) Z Z Z = dΓ1 dΓ2 dE1 δ(H1 + H2 − E) δ(H1 − E1 ) Z Z Z dΓ1 dΓ2 δ[H2 − (E = dE1 | − {zE}1 )] δ(H1 − E1 ) = = Z Z dE1 Z dΓ1 δ(H1 − E1 ) Z dE1 Ω1 (E1 ) Ω2 (E − E1 ), E2 dΓ2 δ[H2 − (E − E1 )] (2.33) wobei wir die Wechselwirkung W vernachlässigt und (2.6), also hier Z Ωi (Ei ) = dΓi δ(Hi − Ei ), benutzt haben. Die Fläche der Energieschale des Gesamtsystems ist durch eine Faltung der entsprechenden Schalen der Systeme 1 und 2 bzgl. der Energieaufteilung E1 , E2 , E1 + E2 = E bei vorgegebener Gesamtenergie E gegeben. Man denke zurück an das Beispiel zweier Würfel: “E vorgeben” entsricht dort “Augensumme vorgeben”, z.B. E = 7. Das Integral über E1 entspricht der Summe über die möglichen Augenzahlen von Würfel 1, Ωi (Ei ) entspricht der Anzahl der Möglichkeiten, mit Würfel i die Augenzahl Ei zu würfeln. Da es nur eine Möglichkeit gibt, mit einem Würfel eine Augenzahl zwischen 1 und 6 zu würfeln, ist 36 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Ωi (Ei ) = 1 für Ei = 1, 2, 3, . . . 6 und 0 sonst. Daher ist in diesem Beispiel Ω1+2 (7) = Ω1 (1)Ω2 (6) + Ω1 (2)Ω2 (5) + Ω1 (3)Ω2 (4) + Ω1 (4)Ω2 (3) + Ω1 (5)Ω2 (2) + Ω1 (6)Ω2 (1) = 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 = 6. Die Hyperfläche im “Zweiwürfelphasenraum”, die durch die Summenaugenzahl 7 definiert wird, hat also den “Flächeninhalt” 6. • Mit (2.3) haben wir ρMK = Ω1+2 (E)−1 δ(H1 +H2 +W −E) ≃ Ω1+2 (E)−1 δ(H1 +H2 −E). • Die Wahrscheinlichkeit, dass Teilsystem 1 mit Energie E1 vorliegt, lautet ω(E1 ) = hδ(H1 − E1 )i ρMK 1+2 Z Z z }| { −1 = dΓ1 dΓ2 Ω1+2 (E) δ(H1 + H2 − E) δ(H1 − E1 ) Z Z = dΓ1 dΓ2 Ω1+2 (E)−1 δ[H2 − (E − E1 )] δ(H1 − E1 ) Z Z = Ω1+2 (E)−1 dΓ2 δ[H2 − (E − E1 )] dΓ1 δ(H1 − E1 ) = 1 Ω2 (E {zE}1 )Ω1 (E1 ). | − Ω1+2 (E) (2.34) E2 Beim Würfelbeispiel ω(Ei ) = 1/7. • Mit (2.33) überprüft man leicht, dass R dE1 ω(E1 ) = 1. • Beim wahrscheinlichsten Wert für E1 gilt dω ! = 0, dE1 also −Ω′2 (E − E1 )Ω1 (E1 ) + Ω2 (E − E1 )Ω′1 (E1 ) = 0, wobei ′ die Ableitung nach dem jeweiligen Argument bedeutet. • Mit (2.29), SMK (E) = k ln Ω(E)∆ , folgt ∂SMK k Ω′ (E) = Ω′ (E)∆ = k . ∂E Ω(E)∆ Ω(E) (2.35) 37 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE Daher können wir (mit E1 = Ẽ1 als wahrscheinlichstem Wert) schreiben ∂S2 ∂S1 −Ω2 (E − Ẽ1 ) Ω1 (Ẽ1 ) + Ω2 (E − Ẽ1 ) Ω1 (Ẽ1 ) = 0 ∂E2 E−Ẽ1 ∂E1 Ẽ1 und somit ∂S2 ∂S1 = . ∂E2 E−Ẽ1 ∂E1 Ẽ1 (2.36) • Definition: Temperatur T 1 = T ∂S ∂E . (2.37) V,N • Entspricht die Energieaufteilung unter den beiden Systemen der wahrscheinlichsten, so sind die Temperaturen wegen (2.36), ∂S2 ∂S1 1 1 = , = = T2 ∂E2 E−Ẽ1 ∂E1 Ẽ1 T1 gleich. Oder andersherum: im thermischen Gleichgewicht T1 = T2 ist die Energieaufteilung unter den beiden Systemen gleich der wahrscheinlichsten, und es gilt (2.36). 2.1.4 Druck • Wir nehmen nun an, die Hamiltonfunktion des betrachteten Systems hänge von einem äußeren Parameter a ab. • Betrachte das Phasenraumvolumen Z Ω̄(E, a) = dΓ Θ[E − H(a)] 38 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES und das totale Differential Z ∂Θ[E − H(a)] ∂Θ[E − H(a)] dE + da dΩ̄(E, a) = dΓ ∂E ∂a Z ∂H = dΓ δ[E − H(a)] dE − δ[E − H(a)] da ∂a Z ∂H da = Ω(E, a) dΓ ρMK dE − ∂a ∂H da . (2.38) = Ω(E, a) dE − ∂a Im vorletzten Schritt haben wir (2.3) benutzt, wo jedoch nun Ω neben E auch vom äußeren Parameter a abhängt. • Wir können (2.38) auch schreiben als ∂H dΩ̄ Ω = dE − d ln Ω̄ = da . ∂a Ω̄ Ω̄ • Mit (2.30), S = k ln Ω̄, gilt demnach mikrokanonisch ∂H Ω da . dE − dS = k ∂a Ω̄ • Andererseits ist dS = ∂S ∂E a dE + ∂S ∂a (2.39) da E und wegen (2.37), (∂S/∂E)a = 1/T , sodass wir an (2.39) ablesen ∂S Ω Ω ∂H 1 ∂H 1 ∂S =k = , = −k =− . ∂E a ∂a E T ∂a Ω̄ T Ω̄ ∂a • Wir betrachten nun den Fall a = V und definieren den Druck P durch ∂H (2.40) P =− ∂V (Druck soll i.A. mit abnehmendem Volumen V steigen, daher das negative Vorzeichen). 39 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE • Damit ist S = S(E, V ), und es folgen die aus der Thermodynamik bereits bekannten Beziehungen dS = also ∂S ∂E V 1 (dE + P dV ), T 1 = , T ∂S ∂V E (2.41) = P , T (2.42) sowie der erste Hauptsatz (bei konstanter Teilchenzahl) dE = T dS − P dV. (2.43) • Wir betrachten nun wie oben den Fall zweier Teilsysteme, allerdings seien nun durch eine verschiebbare Trennwand die Teilvolumina V1 und V2 , V = V1 + V2 veränderlich. Energieaustausch sei ebenfalls gestattet, E = E1 + E2 , Teilchenaustausch jedoch nicht, N1 , N2 fest. 111111111111111111111 000000000000000000000 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 1 2 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 Wie könnte ein Würfelanalogon hierfür aussehen? • Analog zu (2.34) interessiert uns nun die Wahrscheinlichkeit, dass Teilsystem 1 Energie E1 und Volumen V1 annimmt, Z Z ω(E1 , V1 ) = dΓ1 dΓ2 Ω1+2 (E, V )−1 δ(H1 + H2 − E) × δ(H1 − E1 ) Θ(q1 ∈ V1 ) Θ(q2 ∈ V2 ), wobei Θ(qi ∈ Vi ) bedeuten soll, dass die Teilchenkoordinaten in Teilsystem i auf das Volumen Vi beschränkt sein sollen. 40 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Dies führt mit Ωi (Ei , Vi ) = zu ω(E1 , V1 ) = Z dΓi δ(Hi − Ei ) Θ(qi ∈ Vi ) Ω1 (E1 , V1 ) Ω2 (E − E1 , V − V1 ) . Ω1+2 (E, V ) • Analog zu (2.33) gilt nun Z Z Ω1+2 (E, V ) = dE1 dV1 Ω1 (E1 , V1 ) Ω2 (E − E1 , V − V1 ). • Die wahrscheinlichste Energie und das wahrscheinlichste Volumen von Teilsystem 1 folgen nun aus ∂ω(E1 , V1 ) ! = 0, ∂E1 ∂ω(E1 , V1 ) ! = 0. ∂V1 Dies führt (wiederum) zu ∂S1 ∂S2 = ∂E1 V1 ∂E2 V2 ⇒ T1 = T2 , nun allerdings zusätzlich ∂S1 P1 ∂S2 P2 = = = ∂V1 E1 T1 ∂V2 E2 T2 ⇒ P1 = P2 . • Im wahrscheinlichsten Zustand sind also sowohl Temperatur als auch Druck in beiden Untersystemen gleich. Die verschiebbare Trennwand und die Energieaufteilung werden sich entsprechend einstellen. 2.1.5 Chemisches Potential • Gehen wir genauso vor wie im obigen Abschnitt zum Druck, aber fassen nun auch noch die Teilchenzahl als Variable auf, 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE 41 Ω = Ω(E, V, N ), S = S(E, V, N ), so folgen die aus der Thermodynamik bereits bekannten Beziehungen (→ Übung) 1 (dE + P dV − µ dN ), T ∂ ∂S µ = −k ln Ω̄(E, V, N ) = − , T ∂N ∂N E,V dS = dE = T dS − P dV + µ dN. (2.44) (2.45) Die zur Teilchenzahl konjugierte, intensive thermodynamische Zustandsgröße µ heißt bekanntlich chemisches Potential. • Für die Betrachtung mit den zwei Teilsystemen folgt im Gleichgewicht neben T1 = T2 , P1 = P2 auch µ1 = µ2 . 2.1.6 Zustandsgleichungen • Das folgende Vorgehen führt beim Rechnen mit dem mikrokanonischen Ensemble offenbar zu Beziehungen zwischen makroskopischen Zustandsgrößen wie T , S, E, P , V , N , µ ...: 1. Hamilton-Funktion bzw. -Operator aufschreiben. Dies ist der systemspezifische “Input”. 2. Phasenraumvolumen Ω̄(E, V, N ) oder Ω(E, V, N ) ausrechnen. 3. Entropie S = k ln Ω̄ hinschreiben. 4. Durch partielles Ableiten von S nach E, V , N gewinnt man explizite Ausdrücke für Temperatur, Druck bzw. chemisches Potential als Funktion von E, V , N . Daher nennt man die Entropie auch das thermodynamische Potential des mikrokanonischen Ensembles. 5. Durch ineinander Einsetzen ergeben sich auch Beziehungen zwischen diesen makroskopischen Größen, die sog. Zustandsgleichungen. 42 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Die weitere Gleichgewichtsthermodynamik (z.B. Berechnung von Wärmekapazitäten, Kreisprozessen etc.) erfolgt wie bereits in der Thermodynamikvorlesung erlernt. Klassisches ideales Gas • Wir probieren nun dieses Rezept beim klassischen idealen Gas aus. • Ω̄(E, V, N ) haben wir bereits ausgerechnet [s. (2.20)], N 3N/2 V 4πmE Ω̄(E, V, N ) = e5N/2 . 2 N 3h N • Die Entropie (d.h. das thermodynamische Potential) ist also " # 3/2 V 4πmE e5/2 S = k ln Ω̄ = kN ln (2.46) 2 N 3h N (Sackur-Tetrode-Gleichung). • Mit (2.37) folgt ∂S 1 = kN = T ∂E V,N V N also 4πm 3/2 5/2 3 1/2 e 2E 3h2 N V 4πmE 3/2 5/2 e N 3h2 N 3 1 = kN , 2 E 3 E = N kT (2.47) 2 (kalorische Zustandsgleichung des klassischen idealen Gases). • Aus (2.42) folgt P = T ∂S ∂V = kN E,N 1 , V also P V = N kT (2.48) (thermische Zustandsgleichung des klassischen idealen Gases). 43 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE • Mit (2.44) folgt für das chemische Potential des klassischen idealen Gases (→ Übung) V µ = −kT ln , (2.49) N λ3 wobei λ=√ h 2πmkT (2.50) die thermische Wellenlänge sei. 2.1.7 Quantenmechanische harmonische Oszillatoren I • Neben dem klassischen idealen Gas wollen wir nun als weiteres Beispiel für das Rechnen mit dem mikrokanonischen statistischen Ensemble N gleiche, ungekoppelte, quantenmechanische Oszillatoren betrachten. • Solche Oszillatorsysteme spielen bei der Beschreibung von Schwingungen in Festkörpern (Phononen, s. Abschnitt 3.6) oder elektromagnetischen Feldern (Photonen, s. Abschnitt 3.5) eine wesentliche Rolle. • Der Hamilton-Operator lautet Ĥ = N X i=1 1 ~ω â†i âi + 2 = N X i=1 1 ~ω n̂i + . 2 (2.51) Wir arbeiten hier bequemerweise in Besetzungszahldarstellung mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren â†i bzw. âi , welche im Oszillator i ein Schwingungsquant der Energie ~ω erzeugen bzw. vernichten. n̂i = â†i âi ist der Besetzungszahloperator, n̂i |ni i = ni |ni i, mit ni gleich der Anzahl angeregter Quanten in Oszillator i, d.h. ni = 0, 1, 2, 3, . . .. 44 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Nachdem wir den “Input” (d.h. den Hamilton-Operator) aufgeschrieben haben, müssen wir nun nach obigem Rezept Ω̄ oder Ω berechnen, nach (2.14) also Ω(E) = Sp δ E − Ĥ . Die folgende Rechnung ist völlig “geradeaus”, wenn auch mühsam. Wir werden in Abschnitt 2.2.6 und in Kapitel 3 sehen, dass die Berechnung mittels kanonischem bzw. großkanonischem Ensemble, die wir im Folgenden einführen, wesentlich einfacher ist. • Die Spur läßt sich in Besetzungszahldarstellung auswerten: Ω(E) = ∞ X ∞ X n1 =0 n2 =0 = = ∞ X n1 =0 ∞ X n1 =0 = Z ··· ··· ··· ∞ X ∞ X hn1 n2 · · · nN |δ E − Ĥ |n1 n2 · · · nN i nN =0 " δ E− nN =0 ∞ Z X N X i=1 1 ~ω ni + 2 # dq iq(Pi ~ω(ni +1/2)−E ) e 2π nN =0 | {z } Darstellung der δ−Distribution a(n ) i ∞ ∞ N nz }| {o X Y dq −iqE X e ··· exp iq~ω(ni + 1/2) . 2π n1 =0 nN =0 i=1 Die Dimension der Integrationsvariablen q ist 1/Energie. • Dieser Ausdruck hat die Struktur ! Z ∞ dq −iqE X a(n1 ) Ω(E) = e e 2π n1 =0 ∞ X n2 =0 ea(n2 ) ! ··· ∞ X ea(nN ) nN =0 • Alle die Faktoren sind gleich, nämlich ∞ X ea(n) = eiq~ω/2 n=0 • Damit folgt ∞ X n=0 eiq~ω n = eiq~ω/2 1 . 1 − eiq~ω N 1 dq −iqE iq~ω/2 e e Ω(E) = 2π 1 − eiq~ω !) ( Z dq eiq~ω/2 = . exp −iqE + N ln 2π 1 − eiq~ω Z ! . 45 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE • Mit ln eiq~ω/2 1 − eiq~ω ! = ln Ω(E) = Z dq E q~ω . exp N −iq − ln −2i sin 2π N 2 folgt 1 e−iq~ω/2 − eiq~ω/2 q~ω = − ln −2i sin 2 • Um das Integral über q näherungsweise für große N zu berechnen, wenden wir (wie bei der Herleitung der Stirling-Formel in den Übungen) die Sattelpunktmethode an. Sei q~ω E . f (q) = −iq − ln −2i sin N 2 Dann gilt es also Ω(E) = zu berechnen. Z dq N f (q) e 2π Entwickeln um q0 , f ′ (q)|q=q0 = f ′ (q0 ) = 0 liefert Z 1 ′′ 1 N f (q0 ) 2 Ω(E) ≃ e dq eN 2 f (q0 )(q−q0 ) . 2π • Die Forderung f ′ (q)|q=q0 = −i liefert tan (2.52) cos q~ω E ~ω ! 2 − =0 q~ω N 2 sin 2 ~ωN q0 ~ω =i . 2 | 2E {z } z • Mit 1 1 + iz ln 2i 1 − iz arctan z = folgt 1− 1 q0 ~ω = ln 2 2i 1+ also q0 = −i 1 ln ~ω E N E N ~ωN 2E ~ωN 2E , ~ω 2 ~ω 2 . − + (2.53) • Wir benötigen f (q0 ) und f ′′ (q0 )in (2.52). Man findet (→ Übung) N f (q0 ) = − = E ln ~ω E ln ~ω E N E N E N E N + − − + ~ω 2 ~ω 2 ~ω 2 ~ω 2 − N ln q 1 + N ln 2 E N ~ω 2 E 2 − ~ω N 2 E ~ω + ~ω 2 N − 2 . (~ω)2 (2.54) 46 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Für die zweite Ableitung gilt f ′′ (q) = ~ω 2 2 1 sin2 q~ω 2 . Da q0 nur über E/N von N abhängt und somit sicherlich schwächer als linear mit N steigt (wenn überhaupt), wird auch f ′′ (q0 ) als Funktion von N annähernd konstant bleiben, sodass Z 1 ′′ 1 2 dq eN 2 f (q0 )(q−q0 ) ∼ √ . N • Für log Ω(E)∆ = log Ω̄(E) ist also nur Ω̄(E) ∼ eN f (q0 ) relevant, ( E ~ω E ~ω E 1 E N + 2 N − N + 2 + N ln Ω̄(E) ∼ exp ln E ~ω ~ω 2 (~ω)2 N − 2 ~ω 2 ) . • Nach einigen einfachen Umformungen (→ Übung) erhalten wir ( !) ~ω ~ω ~ω ~ω E E E E + 2 + 2 − 2 − 2 Ω̄(E) ∼ exp N N ln N −N ln N . ~ω ~ω ~ω ~ω • Anmerkung: Die Dimension von Ω(E) ist 1/Energie. Beim Vernachlässigen des Integrals über q ist die Dimension “verloren gegangen”. Das macht nichts, denn wir benötigen lediglich das dimensionslose Ω̄(E) in logarithmischer Genauigkeit. • Das thermodynamische Potential des mikrokanonischen Ensembles — die Entropie — lautet in diesem Fall der N ungekoppelten, gleichen, quantenmechanischen Oszillatoren ! ~ω ~ω ~ω ~ω E E E E + 2 + 2 − 2 − 2 S(E) = kN N ln N −N ln N . (2.55) ~ω ~ω ~ω ~ω • Durch Ableiten des thermodynamischen Potentials gewinnt man wieder die Zustandsgrößen, z.B. die Temperatur (→ Übung): ∂S k 1 = = ln T ∂E ~ω oder e ~ω kT = E N E N E N E N + ~ω 2 . ~ω − 2 + ~ω 2 ~ω − 2 (2.56) 47 2.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE • Löst man (2.56) nach E auf, so folgt die kalorische Zustandsgleichung 1 1 E(N, T ) = N ~ω + . (2.57) e~ω/kT − 1 2 • Man sieht: für T → 0 gehen alle Oszillatoren in ihren Grundzustand mit der Energie ~ω/2 und daher E → 12 N ~ω (Nullpunktsenergie). Die Konsequenz davon ist, dass auch die Wärmekapazität CV = (∂E/∂T )V für T → 0 gegen null geht. • Für T → ∞ gilt E ≃ N kT , also nicht wie beim klassischen idealen Gas 3N kT /2 (warum?). Die Wärmekapazität ist in diesem Hochtemperaturgrenzfall CV = (∂E/∂T )V = N k (Dulong-Petit für eindimensionale harmonische Oszillatoren). • Die folgenden Abbildung zeigt E(N, T ) gemäß (2.57) (durchgezogen) und den Hochtemperaturfall E = N kT (gestrichelt). E N ~ω kT ~ω • Ausdrücke ∼ ( eǫ/kT − 1)−1 wie in (2.57), wobei ǫ eine typische Einteilchenenergie sei, also hier in unserem Beispiel ǫ = ~ω, werden uns noch öfter begegnen (Photonengas und Plancksches 48 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Strahlungsgesetz, Schwingungen im Festkörper, ideales BoseGas etc.). 2.2 Kanonisches Ensemble • Wir betrachten ein System 1, welches mit einem System 2 im thermischen Kontakt sei. Das Gesamtsystem sei vollständig abgeschlossen. 111111111111111111111 000000000000000000000 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 2 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 1 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 • Wiederum gelte H = H 1 + H2 + W ≃ H1 + H2 , d.h. die Wechselwirkung W soll klein sein. • Das Gesamtsystem werde durch die mikrokanonische Dichtematrix ρ̂MK beschrieben. Wir interessieren uns aber nur für System 1. • Wir wissen bereits aus Abschnitt 1.4.2, dass wir in diesem Fall Ausspuren müssen, ρ̂1 = Sp 2 ρ̂MK = Sp 2 δ(Ĥ − E) . Ω1+2 (E) Mit Ĥ − E = Ĥ1 + Ĥ2 − E = Ĥ2 − (E − Ĥ1 ) und Sp 2 δ(Ĥ − E) = Sp 2 δ(Ĥ2 − (E − Ĥ1 )) = Ω2 (E − Ĥ1 ) 49 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE können wir schreiben 0 z }| { Ω2 (E − Ĥ1 ) Ω2 (E −Ẽ1 + Ẽ1 −Ĥ1 ) = . ρ̂1 = Ω1+2 (E) Ω1+2 (E) (2.58) • Nun entwickeln ln Ω2 um E − Ẽ1 in Ordnungen von Ẽ1 − Ĥ1 , ln Ω2 (E − Ẽ1 + Ẽ1 − Ĥ1 ) ≃ ln Ω2 (E − Ẽ1 ) + (Ẽ1 − Ĥ1 ) • Mit (2.35), ∂S ∂E Ω′2 (E − Ẽ1 ) . Ω2 (E − Ẽ1 ) ′ (E) = k ΩΩ(E) , erkennen wir, dass im zweiten Term Ω′2 (E − Ẽ1 ) 1 ∂S2 1 = = Ω2 (E − Ẽ1 ) k ∂E2 E−Ẽ1 kT (2.59) ersetzt werden kann, sofern Ẽ1 der wahrscheinlichste Wert für die Energie des Systems 1 im thermischen Gleichgewicht T1 = T2 = T ist, also ln Ω2 (E − Ĥ1 ) ≃ ln Ω2 (E − Ẽ1 ) + Ẽ1 − Ĥ1 kT oder Ω2 (E − Ĥ1 ) ≃ Ω2 (E − Ẽ1 ) e(Ẽ1 −Ĥ1 )/kT . • Setzen wir dies in (2.58) ein, erhalten wir ρ̂1 = Ω2 (E − Ẽ1 ) Ẽ1 /kT −Ĥ1 /kT e e . Ω1+2 (E) {z } | 1 Z Hierbei wurde die Zustandssumme Z= eingeführt. Ω1+2 (E) e−Ẽ1 /kT Ω2 (E − Ẽ1 ) (2.60) 50 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Wir definieren den Dichteoperator ρ̂K = ρ̂1 des kanonischen Ensembles als 1 −Ĥ1 /kT ρ̂K = e . (2.61) Z • Da aus Normierungsgründen Sp 1 ρ̂K = 1 erfüllt sein muss, gilt für die Zustandssumme Z = Sp 1 e−Ĥ1 /kT . (2.62) • Im Gegensatz zu (2.60), wo noch Größen des eigentlich nicht interessierenden Systems 2 auftauchen, tritt in (2.62) nur noch die Temperatur T auf. System 2 dient nur dazu, System 1 auf Temperatur T zu halten (Wärmebad). • Wie im mikrokanonischen Ensemble aus Ω(E) bzw. Ω̄(E), folgt aus der Zustandssumme Z die gesamte Gleichgewichtsthermodynamik eines Systems, das durch den Hamilton-Operator Ĥ1 beschrieben wird. • Beim mikrokanonischen Ensemble waren E, N , V vorgegeben. Beim kanonischen Ensemble sind es T, V, N . Hierbei kam die Temperatur als “Regler” der wahrscheinlichsten Energieaufteilung Ẽ1 + Ẽ2 = E bei (2.59) ins Spiel. • Im klassischen Fall lautet die Wahrscheinlichkeitsverteilung des kanonischen Ensembles Z 1 −H1 (q1 ,p1 )/kT ρK (q1 , p1 ) = dΓ2 ρMK = e (2.63) Z mit Z Z = dΓ1 e−H1 (q1 ,p1 )/kT , (2.64) und (q1 , p1 ) seien die Phasenraumkoordinaten des Systems 1. Beispiel: Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung und barometrische Höhenformel • System 1 sei ein klassisches Teilchen in einem äußeren Potential V (r). 51 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE • System 2 sei die Umgebung am aktuellen Ort des Teilchens: Temperatur T , β = 1/kT . • Die Wahrscheinlichkeitsverteilung des kanonischen Ensembles lautet H z }|1 { 1 2 exp −β [p /2m + V (r)] . ρK (r, p) = Z • Integration über den Ortsraum des Teilchens liefert die Impulsverteilung 2 w(p) = C e−βp /2m R mit einer Normierungskonstanten C, sodass d3 p w(p) = 1. • Mit w(p) d3 p = w(p)p2 dp dΩ (dΩ ist hier das Raumwinkelelement) folgt in dem hier betrachteten isotropen Fall, wo w(p) = w(|p|) gilt, w(p)p2 dp dΩ = 4πp2 C e−βp | {z w̃(p) 2 /2m } dp = w̃(p) dp. w̃(p) ist eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung und gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Teilchen mit dem Impulsbetrag p im Intervall [p, p + dp] anzutreffen. • Integriert man über den Impulsraum, so bleibt w(r) = C ′ e−βV (r) mit einer Normierungskonstanten C ′ , sodass R d3 r w(r) = 1. • Für ein Schwerefeld mit z als Höhe gilt für nicht zu große z V (r) = V (z) = mgz. Nehmen wir ein klassisches ideales Gas an, so gilt mit der Dichte n = N/V wegen P = nkT und n ∼ w(r) P = C ′′ e−mgz/kT kT, C ′′ = const. 52 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Bei z = 0 herrscht der Druck P0 = C ′′ kT , also folgt die barometrische Höhenformel P = P0 e−mgz/kT . (2.65) • Hierbei wurde angenommen, dass T für alle z konstant bleibt. Die Formel macht also nur Sinn, wenn die Temperatur sich deutlich langsamer als Funktion der Höhe ändert als der Druck (auf der Erde ist dies der Fall). 2.2.1 Entropie • Wir lassen im Folgenden den Index 1 weg, da es klar ist, dass uns System 1 interessiert und nicht das Wärmebad. • Mit der allgemeinen Definition der Entropie (2.24) und ρ̂K = e−Ĥ/kT /Z haben wir SK = −k Sp (ρ̂K ln ρ̂K ) n o −Ĥ/kT = −k Sp ρ̂K (ln e − ln Z) ( ) Ĥ = −k Sp −ρ̂K − ρ̂K ln Z kT ( ) Ĥ = Sp ρ̂K + ρ̂K k | ln {zZ} T c−Zahl und somit wegen Sp ρ̂K = 1 SK (Ē, T ) = 1 Ē + k ln Z, T Ē = Sp (ρ̂K Ĥ) = hHi. (2.66) • Ē ist der Energieerwartungswert des betrachteten Systems. Er folgt aus der über das Wärmebad vorgegebenen Temperatur T . • Man kann nun wieder die Ungleichung (2.32) heranziehen, um zu beweisen, dass bei vorgegebener Temperatur und daraus resultierendem Energieerwartungswert Ē das kanonische Ensemble das mit der größten Entropie und daher das vorurteilsfreieste ist (→ Übung). 53 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE 2.2.2 Freie Energie • Ausgehend von der kanonischen Zustandssumme 1 Z = Sp e−β Ĥ , β= kT wobei Z = Z(T, V ), definieren wir die freie Energie F (T, V ) = −kT ln Z. • Mit (2.66), SK = (2.67) (2.68) 1 (Ē + kT ln Z) T folgt F = Ē − T SK . • Außerdem gilt Ē = hHi = − ∂ ln Z, ∂β (2.69) (2.70) denn ∂ 1 ∂ 1 −β Ĥ − = Sp (ρ̂K Ĥ) = hHi. ln Z = − Z = Sp Ĥ e ∂β Z ∂β Z • Mit ∂ ∂ ∂T ∂ = = −kT 2 ∂β ∂β ∂T ∂T folgt auch (2.71) ∂ ln Z. (2.72) ∂T • Das totale Differential der freien Energie ist 1 dF = −kdT ln Z − kT dZ Z " ! # 1 1 1 ∂ Ĥ = −kdT ln Z − kT Sp Ĥ dT − dV e−β Ĥ 2 Z kT kT ∂V ∂ Ĥ −β Ĥ Sp ∂V e 1 Sp (Ĥ e−β Ĥ ) dT + dV = −kdT ln Z − T Z Z 1 ∂H = − (kT ln Z + Ē) dT + dV, T ∂V Ē = kT 2 54 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES also dF (T, V ) = −SK dT − P dV. • Daran lesen wir ab: ∂F P =− ∂V und = kT T ∂F SK = − ∂T ∂ ln Z ∂V (2.73) (2.74) T . (2.75) V • Mit (2.69), F = Ē − T SK , gilt auch dF = dĒ − T dSK − SK dT, sodass der erste Hauptsatz auch mit dem Energieerwartungswert Ē und der kanonischen Entropie SK erfüllt wird: dĒ = T dSK − P dV (2.76) (vgl. (2.43) im mikrokanonischen Fall). • Im thermodynamischen Limes gilt wegen der immer kleiner werdenden relativen Schwankungen (s. zentraler Grenzwertsatz) Ē = E und SK = SMK . Beziehungen zwischen makroskopischen Größen (d.h. Zustandsgleichungen) sind dann unabhängig davon, mit welchem Ensemble man bequemerweise rechnet. • Für variable Teilchenzahl hat man Z = Z(T, V, N ) und anstelle von (2.73) ∂F dN (2.77) dF = −SK dT − P dV + ∂N T,V bzw. dĒ = T dSK − P dV + anstelle von (2.76). ∂F ∂N dN T,V (2.78) 55 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE • Wir identifizieren µ= ∂F ∂N (2.79) T,V als das chemische Potential [vgl. (2.45)]. • Wir bemerken, dass alle Zustandsgrößen durch (Ableitungen von) Z ausgedrückt werden können. Im kanonischen Ensemble spielt die Zustandssumme Z die gleiche Rolle wie Ω oder Ω̄ im mikrokanonischen. • Die Rolle des thermodynamischen Potentials wird im kanonischen Fall durch die freie Energie übernommen. Aus den partiellen Ableitungen von F (T, V, N ) gewinnt man S, P , µ. • Das Rezept aus Abschnitt 2.1.6 lautet nun beim kanonischen Ensemble: 1. Hamilton-Funktion bzw. -Operator aufschreiben. Dies ist der systemspezifische “Input”. 2. Zustandssumme Z ausrechnen. 3. Freie Energie F = −kT ln Z hinschreiben. 4. Durch partielles Ableiten von F nach T , V , N gewinnt man explizite Ausdrücke für Entropie, Druck bzw. chemisches Potential als Funktion von T , V , N (d.h. F ist das thermodynamische Potential des kanonischen Ensembles). 5. Durch ineinander Einsetzen ergeben sich auch Beziehungen zwischen diesen makroskopischen Größen (Zustandsgleichungen). 2.2.3 Wärme • Wir betrachten nochmal ganz allgemein den Erwartungswert der Energie Ē = hHi = Sp (ρ̂Ĥ) für eine beliebige Dichtematrix ρ̂. 56 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Wir bilden das totale Differential dĒ = Sp (dρ̂ Ĥ + ρ̂ dĤ). (2.80) • Mit S = −k Sp (ρ̂ ln ρ̂) haben wir 1 dS = −k Sp dρ̂ ln ρ̂ + ρ̂ dρ̂ . ρ̂ Da auch Sp (ρ̂ + dρ̂) = 1 gelten muss, damit ρ̂ + dρ̂ ein Dichteoperator ist, gilt Sp (dρ̂) = 0 (2.81) und demnach dS = −k Sp (dρ̂ ln ρ̂) . • Nun spezialisieren wir auf ρ̂ = ρ̂K = e−β Ĥ /Sp ( e−β Ĥ ), β = 1/kT , sodass ln ρ̂ = −β Ĥ − ln[Sp ( e−β Ĥ )] | {z } c−Zahl und dS = 1 Sp (Ĥ dρ̂) + k Sp (dρ̂ ln[Sp ( e−β Ĥ )]) | {z } T c−Zahl 0 wegen (2.81) also z }| { 1 Sp (Ĥ dρ̂) + k ln[Sp ( e−β Ĥ )] Sp (dρ̂) , = T Sp (Ĥ dρ̂) = T dS. • Das setzen wir in (2.80) ein, dĒ = T dS + Sp (ρ̂ dĤ). (2.82) 57 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE • Vergleich mit dem ersten Hauptsatz (2.76) zeigt, dass der zweite Term auf der rechten Seite ∂H dV Sp (ρ̂ dĤ) = −P dV = ∂V ist. Sollte Ĥ noch von anderen Parametern abhängen, kommen noch entsprechende Terme hinzu. • Wir verstehen nun die mikroskopische Interpretation von Wärme δQ = T dS. (2.83) Sie geht zurück auf den Term Sp (Ĥ dρ̂), in dem dρ̂ auftritt. D.h. Wärmeenergie wird erhöht oder verringert durch Änderungen in der Dichtematrix, also durch Änderungen in den Besetzungswahrscheinlichkeiten. • Hingegen geht der Druckterm −P dV auf Sp (ρ̂ dĤ) zurück, also Änderungen des Hamilton-Operators (bei z.B. Volumenänderung). Beim langsamen Ändern von äußeren Parametern im Hamilton-Operator verschieben sich die Energieeigenwerte, aber die Besetzungswahrscheinlichkeiten der Zustände bleiben davon unberührt, und daher ändert sich auch die Entropie nicht (reversible, isentrope Zustandsänderungen). 2.2.4 Herleitung des kanonischen statistischen Operators aus der Extremalisierung der Entropie • Es wurde wiederholt betont, dass der vorurteilsfreieste statistische Operator die Entropie maximieren muss, da ansonsten Kenntnisse über das System impliziert werden, die bei den vorgegebenen makroskopischen Größen garnicht vorliegen können. • Die Extremalisierung der Entropie unter vorgegebenen Randbedingungen (d.h. Kenntnissen) eröffnet eine allgemeine, sehr elegante Möglichkeit, einen statistischen Operator herzuleiten. 58 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Wir demonstrieren dies nun für den kanonischen Fall. Wir wissen: S = −k Sp (ρ̂ ln ρ̂), Ē = Sp (ρ̂Ĥ), Sp ρ̂ = 1. • Um das Extremum der Entropie zu suchen, führen wir eine Variationsrechnung mit den Lagrange-Parametern α, β für die “einzuarbeitenden” Randbedingungen durch: 0 = δ Sp (ρ̂ ln ρ̂) + α Sp ρ̂ + β Sp (ρ̂Ĥ) (2.84) = Sp ([ρ̂ + δ ρ̂) ln(ρ̂ + δ ρ̂)] + α Sp (ρ̂ + δ ρ̂) + β Sp [(ρ̂ + δ ρ̂)Ĥ] −[Sp (ρ̂ ln ρ̂) + α Sp ρ̂ + β Sp (ρ̂Ĥ)] 1 = Sp (δ ρ̂ ln ρ̂) + Sp ρ̂ δ ρ̂ + αSp δ ρ̂ + βSp (Ĥ δ ρ̂) ρ̂ n o = Sp δ ρ̂ (ln ρ̂ + 1 + α + β Ĥ) . Dies muss für alle δ ρ̂ gelten, also ! ln ρ̂ + 1 + α + β Ĥ = 0 und somit ρ̂ = e−(1+α)−β Ĥ . Der Lagrange-Parameter α wurde eingeführt, um die Normierung Sp ρ̂ = 1 zu garantieren, also ρ̂ = e−β Ĥ Sp e−β Ĥ . (2.85) Dies ist ρ̂K aus (2.61), wenn wir β = 1/kT setzen. • In der Variationsherleitung des kanonischen statistischen Operators kommt also die Temperatur formal über den LagrangeParameter β ins Spiel, der es ermöglicht, den vorgegebenen Energieerwartungswert Ē = hĤi zu erfüllen. 59 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE 2.2.5 Virialsatz und Äquipartitionstheorem • Wir berechnen nun unter Zuhilfenahme der kanonischen Verteilungsfunktion (zunächst klassisch) den Erwartungswert Z 1 ∂H −H/kT ∂H = e , dΓ xi xi ∂xj Z ∂xj wobei xi = qi oder pi . • Wir können auch Z ∂H kT ∂ e−H/kT xi =− dΓ xi ∂xj Z ∂xj schreiben. • Nach partieller Integration erhalten wir ) (Z Z ∂x kT ∂H i e−H/kT , dΣ · ej xi e−H/kT − dΓ =− xi ∂xj Z ∂xj ∂Γ |{z} δij (2.86) wobei ∂Γ dΣ das Integral über den Rand (d.h. Hyperfläche) des Phasenraums Γ mit Flächennormalenelement dΣ bezeichne und ej der Einheitsvektor in xj -Richtung. R • Wir nehmen an, dass xi e−H/kT hinreichend schnell abfällt, sodass der Oberflächenterm verschwindet. Dann bleibt lediglich Z ∂H kT xi = δij dΓ e−H/kT = δij kT. (2.87) ∂xj Z | {z } Z • Damit haben wir für xi = qi und H von der Gestalt H = T (p) + V (q) (hier ist T (p) die kinetische Energie und V (q) ein Potential) den klassischen Virialsatz ∂V qi = δij kT. (2.88) ∂qj 60 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES ∂V gilt demnach hqi Fj i = −δij kT . Mit der Kraft Fj = − ∂q j • Beispiel: Ansammlung gleicher harmonischer Oszillatoren mit insgesamt f Freiheitsgraden V = f X i=1 Vi = f X 1 i=1 2 mω 2 qi2 ⇒ ∂V = mω 2 qi δij , ∂qj also hqi mω 2 qi δij i = kT δij und somit kT . (2.89) 2 Wir erhalten kT /2 als Mittelwert für die potentielle Energie pro Freiheitsgrad. hVi i = • Wir bekommen also sowohl für einen isotropen, f = 3dimensionalen harmonischen Oszillator hV i = f kT /2 = 3kT /2, als auch für f = 3 gleiche, eindimensionale harmonische Oszillatoren. Was zählt ist die Anzahl der Freiheitsgrade f . • Für xi = pi und wieder H = T (p) + V (q) folgt mit der Annahme, dass die kinetische Energie die Gestalt Ekin = T (p) = f f X X aik pi pk , aik = aki i=1 k=1 hat, dass X X X ∂Ekin X = aik (δij pk +δkj pi ) = ajk pk + aij pi = 2 ajk pk . ∂pj i ik k • Damit erhalten wir X ∂Ekin X pj =2 ajk pj pk = 2Ekin ∂p j j jk k 61 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE sodass mit (2.87) für x = p, i = j und mit Summe über j X 2hEkin i = kT = f kT j und somit hEkin i = f kT 2 (2.90) gilt (Äquipartitionstheorem). • Im Beispiel der harmonischen Oszillatoren trägt der Oberflächenterm in (2.86) “automatisch” nicht bei, da exp(−H/kT ) schnell genug im Phasenraum abfällt (warum?). • Im Allgemeinen (z.B. beim idealen Gas) muss man explizit die “Wandterme” in H mitnehmen, da ansonsten der Oberflächenterm in (2.86) nicht null würde. • Die Wandterme stehen in V . Wir lassen außerdem noch eine Wechselwirkung V (|rmn |), rmn = rm − rn zwischen den Teilchen zu und spezialisieren auf den dreidimensionalen Ortsraum und N Teilchen (also f = 3N Freiheitsgrade), jeweils mit Masse m. • Die Hamilton-Funktion lautet also N N N X 1 XX p2i + V (|rmn |) + VWand H= 2m 2 n=1 m=1 i=1 (2.91) m6=n mit VWand = V∞ N X i=1 Θ(xi − Lx ) + Θ(yi − Ly ) + Θ(zi − Lz ) +Θ(−xi ) + Θ(−yi ) + Θ(−zi ) . 62 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Hierbei schränken die Stufenfunktionen und ein ausreichend hohes V∞ die Teilchen auf den Raumbereich 0 < x i < Lx , 0 < y i < Ly , 0 < z i < Lz ein. • Z.B. ist ∂VWand = V∞ δ(yj − Ly ) − V∞ δ(yj ), ∂yj so dass * N X j=1 yj ∂VWand ∂yj + = * N X j=1 yj V∞ δ(yj − Ly ) + (die Terme −yj V∞ δ(yj ) verschwinden bei der Integration über den Phasenraum). Dies können wir umschreiben in * N + * N + X ∂VWand X yj = Ly V∞ δ(yj − Ly ) ∂y j j=1 j=1 ∂VWand = − Ly ∂Ly ∂H = − Ly . ∂Ly • Andererseits wissen wir bereits [s. (2.40)], dass ∂H V. PV = − ∂V • Da V = Lx Ly Lz können wir auch schreiben V ∂H ∂H =− Ly PV = − ∂Ly Lx Lz ∂Ly oder 1 PV = − 3 ∂H ∂H ∂H + Ly + Lz . Lx ∂Lx ∂Ly ∂Lz (2.92) 63 2.2. KANONISCHES ENSEMBLE • Mit (2.92) folgt also + * X ∂ ∂ ∂ 1 xj + yj + zj VWand PV = 3 ∂x ∂y ∂z j j j j + * 1 X = rj · ∇j VWand 3 j * + X 1 = r j · ∇j H 3 j + * N X N X 1 X V (|rmn |) , − r j · ∇j 6 m=1 n=1 j m6=n wobei ∇j = ( ∂x∂ j , ∂y∂ j , ∂z∂ j )⊤ . • Mit (2.87) folgt f z}|{ 1 1 P V = kT 3N − |3 {z } 6 * kT N N X j r j · ∇j N X N X n=1 m=1 m6=n V (|rmn |) + N 1 XX 2 hrmn · ∇mn V (|rmn |)i . = hEkin i − 3 6 n=1 m=1 (2.93) m6=n Im letzten Schritt wurde das Äquipartitionstheorem (2.90)(hier 3N kT = 2hEkin i) verwendet. Im zweiten Term bezeichnet ∇mn = ( ∂(xm∂−xn ) , ∂(ym∂−yn ) , ∂(zm∂−zn ) )⊤ (→ Übung). • Der zweite Term in (2.93) heißt Virial. Er berücksichtigt die Wechselwirkung zwischen den Teilchen und kann in Potenzen der Teilchendichte N/V entwickelt werden (Virialentwicklung, s. Abschnitt 4.3). Lässt man ihn weg, erhalten wir wieder die thermische Zustandsgleichung P V = N kT des idealen Gases. • Gleichung (2.93) gilt auch quantenmechanisch, der klassische Virialsatz (2.88) sowie (2.90) allerdings nicht (warum?). 64 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES 2.2.6 Quantenmechanische harmonische Oszillatoren II • Wir haben in Abschnitt (2.1.7) bemerkt, wie mühsam die Berechnung des thermodynamischen Potentials S des mikrokanonischen Ensembles für N gleiche, ungekoppelte, quantenmechanische Oszillatoren war. • Wir werden nun sehen, dass die Rechnung mit dem kanonischen Ensemble wesentlich einfacher wird. • Ausgangspunkt gemäß unseres Rezepts ist wiederum der Hamilton-Operator (2.51) Ĥ = N X ~ω i=1 â†i âi 1 + 2 . • Als nächstes berechnen wir die Zustandssumme ( " N X 1 ~ω â†i âi + 2 #) 1 kT i=1 " # ∞ X N ∞ ∞ X X X 1 † |n1 n2 · · · nN i ~ω âi âi + = hn1 n2 · · · nN | exp −β ··· 2 n1 =0 n2 =0 nN =0 i=1 # " N ∞ ∞ X X X −βN ~ω/2 ~ωni exp −β = e ··· Z = Sp = exp −β e−βN ~ω/2 n1 =0 nN =0 ∞ X ∞ X n1 =0 ∞ X e−βN ~ω/2 " = e−βN ~ω/2 = " = ··· n1 =0 1 1 − e−β~ω #N e−β~ω/2 1 − e−β~ω β= i=1 N Y nN =0 i=1 e−β~ω , n 1 N i h exp −β~ωni #" ∞ X n2 =0 e−β~ω n2 # ··· " ∞ X nN =0 e−β~ω n N # . Wir sehen: Z(N ) = [Z(1)]N , wobei Z(1) die Zustandssumme eines harmonischen Oszillators sei. Dies macht Sinn, denn die Anzahl der möglichen Zustände (bei vernachlässigbarer Wechselwirkung zwischen den Oszillatoren) ist das Produkt der Anzahl der möglichen Zustände der einzelnen Oszillatoren. 65 2.3. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE • Die Energie berechnet sich gemäß (2.70) über ∂ ln Z ∂β ∂ 1 −β~ω = −N − β~ω − ln 1 − e ∂β 2 ~ω e−β~ω 1 ~ω + = N 2 1 − e−β~ω 1 1 = N ~ω + ~ω/kT , 2 e −1 Ē = − also in der Tat das gleiche Ergebnis wie in (2.57). 2.3 Großkanonisches Ensemble • Wir gehen wie in Abschnitt 2.2.4 vor und maximieren unter vorgegebenen Bedingungen die Entropie S = −kSp (ρ̂ ln ρ̂). • Im kanonischen Fall haben wir die Energie nicht mehr scharf vorgegeben, sondern lediglich einen Energieerwartungswert. • Im großkanonischen Fall verfahren wir ebenso mit der Teilchenzahl N . Wir kennen die Teilchenzahl N des Mikrozustands nicht exakt, sondern lediglich deren Erwartungswert. • Die Zwangsbedingungen für die Variationsrechnung lauten also Ē = Sp (ρ̂Ĥ), N̄ = Sp (ρ̂N̂ ), Sp ρ̂ = 1. Hierbei sei N̂ der Teilchenzahloperator. • Anstelle von (2.84) haben wir dann 0 = δ Sp (ρ̂ ln ρ̂) + α Sp ρ̂ + β Sp (ρ̂Ĥ) − νSp (ρ̂N̂ ) , wobei −ν der zusätzlich hinzugekommene Lagrange-Parameter sei. Die Wahl des Vorzeichens ist willkürlich. 66 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Ausführen der Variation führt zur Bedingung ! ln ρ̂ + 1 + α + β Ĥ − ν N̂ = 0, also ρ̂G = e−β Ĥ+ν N̂ Sp e−β Ĥ+ν N̂ = 1 −β Ĥ+ν N̂ e , ZG ZG = Sp e−β Ĥ+ν N̂ . • Für die Entropie finden wir SG = −kSp (ρ̂G ln ρ̂G ) = = −kSp [ρ̂G (−β Ĥ + ν N̂ − ln ZG )] 1 = Ē − kν N̄ + k ln ZG T 1 ln ZG}). (Ē − kT ν N̄ + kT = |{z} | {z T µ −Φ • Hierbei wurde µ = kT ν eingeführt (µ wird sich als chemisches Potential herausstellen), und Φ = −kT ln ZG = Ē − T SG − µN̄ (2.94) ist das großkanonische Potential. Es hat die gleiche Gestalt wie die freie Energie (2.68) im kanonischen Fall. • Der statistische Operator des großkanonischen Ensembles lautet also ρ̂G = 1 −β(Ĥ−µN̂ ) e , ZG ZG = Sp e−β(Ĥ−µN̂ ) . (2.95) • Man beachte, dass die Spur hier über alle Zustände einer Basis des sog. unitären Raums variabler Teilchenzahl läuft, also Sp = ∞ X Sp N , N =0 wobei Sp N die Spur für eine feste Teilchenzahl N bedeute. (2.96) 67 2.3. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE • Man erkennt an (2.95), dass ZG = ZG (T, µ, V ), denn T steht in β, und V (sowie womöglich weitere Systemgrößen) stehen in Ĥ. • Demzufolge ist auch Φ = Φ(T, µ, V ). • Das totale Differential lautet ∂Φ ∂Φ ∂Φ dΦ = dT + dµ + dV. ∂T V,µ ∂µ T,V ∂V T,µ • Man findet (→ Übung) ∂Φ = −SG , ∂T V,µ ∂Φ ∂H = = −P, ∂V T,µ ∂V ∂Φ ∂µ T,V = −N̄ , (2.97) dΦ = −SG dT − P dV − N̄ dµ. (2.98) • Mit (2.94), Φ = Ē − T SG − µN̄ , haben wir außerdem dΦ = dĒ − T dSG − SG dT − µdN̄ − N̄ dµ, was in Kombination mit (2.98) wiederum auf den ersten Hauptsatz dĒ = T dSG − P dV + µdN̄ (2.99) führt. Spätestens hier wird deutlich, dass wir µ mit dem chemischen Potential identifizieren können. • Den ersten Hauptsatz finden wir also mit jedem Ensemble immer wieder. Im thermodynamischen Limes gilt wegen der verschwindenden relativen Schwankungen (zentraler Grenzwertsatz) SG = SK = S, Ē = E, N̄ = N . 68 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Das zum kanonischen Fall analoge Bild mit “Badsystem 2” und interessierendem System 1 schaut folgendermaßen aus: 111111111111111111111 000000000000000000000 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 2 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 1 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 Der unterbrochene Rahmen um System 1 soll andeuten, dass neben Energieaustausch nun auch Teilchenaustausch möglich sei. • Das Badsystem stellt nun also nicht nur die Temperatur sondern auch das chemische Potential ein. Im thermischen und chemischen Gleichgewicht sind Ē und N̄ gerade so, dass T1 = T2 = T und µ1 = µ2 = µ (vgl. Abschnitte 2.1.3 und 2.1.5). 2.3.1 Großkanonische Zustandssumme des klassischen idealen Gases • Wir gehen ähnlich wie in Abschnitt 2.1.1 vor, müssen aber nun die Teilchenzahl offen lassen. Die “klassische Version” von (2.96) lautet Z dΓ = ∞ Z X N =0 dΓN , (2.100) 69 2.3. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE also rechnen wir Z Z ∞ X 1 dq1 · · · dq3N dp1 · · · dp3N e−β(H−µN ) ZG = 3N N !h N =0 VN = ∞ X N =0 1 N !h3N zZ }| { dq1 · · · dq3N (2.101) ) 3N 2 X pi eβµN × dp1 · · · dp3N exp −β 2m i=1 | {z } 3N/2 2mπ β ∞ 3N/2 X eβµN N 2mπ = V N !h3N β N =0 N ∞ X V βµN 1 = e N ! λ3 = N =0 ∞ X Z eβµN ZN . ( (2.102) N =0 Hier ist h 2πmkT die bereits in (2.50) eingeführte thermische Wellenlänge, und mit N 1 V ZN = (2.103) N ! λ3 λ=√ haben wir offensichtlich die kanonische Zustandssumme des klassischen idealen Gases (d.h. für feste Teilchenzahl N ) gleich mitberechnet. • Wir führen die lediglich durch die Badgrößen β und µ bestimmte Fugazität z = eβµ (2.104) ein. 70 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Damit gilt N ∞ X 1 zV zV /λ3 ZG = . = e N ! λ3 (2.105) N =0 • Das großkanonische Potential ist Φ = −kT ln ZG = −kT zV . λ3 (2.106) • Mit (2.97), (2.98) und N̄ = N folgen (→ Übung) ∂Φ V /N zV N =− ⇒ µ = −kT ln 3 , = 3 ∂µ T,V λ λ zV ∂Φ = −Φ = kT 3 = N kT, P V = −V ∂V T,µ λ (2.107) (2.108) also wiederum die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases. • Außerdem findet man (SG = S) (→ Übung) ∂Φ µ zV 5 S(T, µ, V ) = − k− = ∂T µ,V 2 T |{z} λ3 N bzw. S(N, µ, T ) = kN 5 µ − 2 kT oder, mit µ eingesetzt [s. (2.107)], V 5 S(N, V, T ) = kN + ln 2 N λ3 (2.109) (2.110) und natürlich (z.B. über E = Φ + T S + µN ) auch die kalorische Zustandsgleichung 3 E = N kT. 2 71 2.3. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE 2.3.2 Mischentropie • Wir hatten bereits in (2.1) prophylaktisch N ! in den Nenner des Phasenraumelements dΓ mit der Begründung hineindefiniert, dass ansonsten bei ununterscheidbaren Teilchen ein Widerspruch entsteht. Dies wollen wir nun genauer untersuchen. • Betrachte klassische, ideale Gase: Na Teilchen mit jeweils der Masse ma im Volumen Va und entsprechend Nb , mb , Vb . 111111111111111111111 000000000000000000000 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 a b 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 V V • Beide Systeme seien im Temperatur- und Druckgleichgewicht, Ta = Tb = T, Pa = Pb = P. • Dann gilt P Va = Na kT, P Vb = Nb kT ⇒ Na Va = Nb Vb (2.111) und mit (2.110) Va Vb 5 5 + ln + ln + Nb . S = S a + S b = k Na 2 Na λ3a 2 Nb λ3b (2.112) Hier müssen wir wegen der Massenabhängigkeit der thermischen Wellenlänge λa und λb unterscheiden. • Nun entfernen wir die Trennwand. 111111111111111111111 000000000000000000000 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 a 000000000000000000000 111111111111111111111 b 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 000000000000000000000 111111111111111111111 V +V 72 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES • Beide Teilchensorten können nun das gesamte Volumen Va + Vb einnehmen, 5 V + V V + V 5 a b a b . S ′ = k Na + ln + ln + Nb 2 Na λ3a 2 Nb λ3b (2.113) • Die sog. Mischentropie ist also Va + Vb Va + Vb ′ + Nb ln S − S = k Na ln Na λ3a Nb λ3b Vb Va + Nb ln −k Na ln Na λ3a Nb λ3b Va + Vb Va + Vb = k Na ln + Nb ln Va Vb " Na Nb # Va + Vb Va + Vb . = k ln Va Vb Mit (2.111) kann man auch schreiben " Na Nb # Na + Nb Na + Nb S ′ − S = k ln Na Nb " # (Na + Nb )Na +Nb = k ln . (2.114) NaNa NbNb • Wir sehen, dass S ′ − S > 0. Für z.B. Na = Nb , N = Na + Nb = 2Na folgt (2Na )2Na ′ = 2kNa ln 2 = kN ln 2. S − S = k ln Na2Na • Sind hingegen die Teilchen identisch, also prinzipiell ununterscheidbar, dann gilt λa = λb = λ, N = Na + Nb , V = Va + Vb , und 73 2.3. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE man hat mit (2.110) anstelle von (2.113) V 5 ′ + ln Sidentisch = kN 2 N λ3 Va + Vb 5 , + ln = k(Na + Nb ) 2 (Na + Nb )λ3 sodass Va + Vb ′ Sidentisch − S = k(Na + Nb ) ln (N + Nb )λ3 a Vb Va + Nb ln −k Na ln Na λ3 Nb λ3 (Va + Vb )Na (Va + Vb )Nb = kNa ln +kNb ln (N + N )V (N + N )V | a {z b a} | a {z b }b 1 wegen (2.111) 1 wegen (2.111) = 0. • Die Entropie ändert sich also im Fall von ununterscheidbaren Teilchen durch das Herausnehmen der Trennwand nicht. Dies ist aus informationstheoretischer Sicht sinnvoll, denn die Kenntnisse über das System verringern sich durch Herausnehmen der Trennwand nicht. • Oder mit Hilfe des Ordnungsbegriffs formuliert: im Fall der ununterscheidbaren Teilchen (z.B. alle Teilchen schwarz angemalt) ist das System nach Herausnehmen der Trennwand nicht “unordentlicher” als vorher. Im Fall von unterscheidbaren Teilchen (z.B. Teilchen ursprünglich in Va blau und in Vb rot) nach Durchmischung allerdings schon. Daher “Mischentropie”. • Stünde in (2.101) nicht wegen des entsprechend definierten Phasenraumvolumenelements N ! im Nenner, hätten wir einen anderen Ausdruck für die Entropie als (2.110), und dieser andere Ausdruck würde selbst bei ununterscheidbaren Teilchen eine endliche Mischentropie liefern (dies ist das sog. “Gibbssche Paradoxon”, → Übung), was nicht akzeptabel ist, sofern die Entropie ein Maß 74 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES für die fehlende Kenntnis über ein System (bzw. “Unordnung”) sein soll. physikalische Situation isoliert Energieaustausch mit Wärmebad Energie- und Teilchenaustausch Vorgaben, Lagrange-Par. Ĥ, E Ĥ, Ē = Sp (ρ̂Ĥ), β = 1 δ(Ĥ − E) Ω 1 −Ĥ/kT e Z Ĥ, Ē = Sp (ρ̂Ĥ), N̄ = Sp (ρ̂N̂ ), β, µ ρ̂ = Normierung Ω = Sp δ(Ĥ − E) Z = Sp e−Ĥ/kT ZG = Sp e−(Ĥ−µN̂ )/kT unabhängige Variable E, V , N T, V , N T, V , µ thermodyn. Potential S = k ln Ω̄ F = −kT ln Z Φ = −kT ln ZG Temperatur bzw. Energie Druck P =T ∂S ∂E ∂S ∂V Ē = N,V E,N ∂ ln Z − ∂β P =− ∂F ∂V ρ̂G = 1 −(Ĥ−µN̂ )/kT e ZG Dichteoperator 1 = T ρ̂ = 1 kT Ē = V,N T,N ∂ ln ZG − ∂β P =− ∂Φ ∂V 2.4. ENSEMBLE-ÜBERSICHT großkanonisch Ensemble-Übersicht kanonisch 2.4 mikrokanonisch + µN̄ V,µ T,µ 75 76 KAPITEL 2. STATISTISCHE ENSEMBLES Kapitel 3 Ideale Quantensysteme • Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln schon teilweise quantenmechanisch gerechnet (d.h. mit Hamilton-Operatoren anstatt Hamilton-Funktionen, statistischen Operatoren anstatt klassischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen, Zuständen anstatt Phasenraumpunkten, Spuren anstatt Phasenraumintegralen etc.). • Wir hatten sogar in den klassischen Rechnungen schon über N ! und h3 im Nenner von dΓ [s. (2.4)] die Ununterscheidbarkeit von identischen Teilchen und die Unschärfe von quantenmechanischen Zuständen im Phasenraum berücksichtigt. Was fehlt also noch? • Wie wir sehen werden, hat die Tatsache, dass sich Vielteilchenwellenfunktionen von identischen Teilchen entweder symmetrisch oder antisymmetrisch unter Teilchenaustausch verhalten, drastische, qualitative Konsequenzen. 3.1 Einige Grundlagen aus der Vielteilchenquantenmechanik • Betrachte N nicht-relativistische, identische Teilchen der Masse m in einem Volumen V = L3 , N X p̂2i Ĥ = . 2m i=1 77 78 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Die Einteilcheneigenfunktionen bei Annahme periodischer Randbedingungen lauten 1 ϕp (r) = hr|pi = √ eip·r/~ V mit p= 2π~ (νx , νy , νz )⊤ , L νx , νy , νz ∈ Z. • Die Einteilchenenergien in p̂2 ϕp (r) = ǫp ϕp (r) 2m lauten ǫp = p2 . 2m • Bei Hamilton-Operatoren, die Summen von Einteilchenoperatoren sind, also keine Wechselwirkung beinhalten, ist die Gesamtenergie die Summe der Einteilchenenergien (→ Übung). • Wir lassen nun auch Spinfreiheitsgrade zu. Sei s der Einteilchenspin (z.B. s = 1/2 bei Elektronen). Dann gibt es 2s + 1 mögliche Werte für die “magnetische Spinquantenzahl” ms = −s, −s + 1, . . . , s. • Als abkürzende Schreibweise für einen Einteilchenzustand wählen wir |pi = |pi |ms i . • Einen beliebigen N -Teilchenzustand können wir in Produktzuständen |p1 i |p2 i · · · |pN i entwickeln. In dieser Schreibweise seien die Teilchen von links nach rechts geordnet, also Teilchen 1 befinde sich in Zustand p1 , Teilchen 2 in Zustand p2 etc. 3.1. GRUNDLAGEN AUS DER VIELTEILCHENQUANTENMECHANIK 79 • Handelt es sich um ununterscheidbare Teilchen, so muss die Gesamtwellenfunktion symmetrisch oder antisymmetrisch unter Permutationen von Teilchen sein (warum?). • Wir schreiben (anti-) symmetrisierte Zustände als X |p1 p2 · · · pN i± = N (±1)σ(P ) P̂P |p1 i |p2 i · · · |pN i . (3.1) P ± Hierbei sei N der P Normierungsfaktor (sodass |p1 p2 · · · pN i auf 1 normiert ist), P laufe über alle möglichen Permutationen P , und P̂P sei der zur Permutation P gehörige Permutationsoperator. • σ(P ) soll angeben, durch wieviele Zweierpermutationen die Permutation P dargestellt werden kann. Man überzeuge sich davon, dass jede beliebige Permutation durch Hintereinanderausführung von Zweierpermutationen erzeugt werden kann. Es ist nicht eindeutig, wieviele Zweierpermutationen dafür nötig sind, jedoch ist es entweder eine gerade Anzahl oder eine ungerade. • Das obere Vorzeichen in (3.1) führt zu symmetrisierten Wellenfunktionen. Identische Teilchen, die durch symmetrische Wellenfunktionen beschrieben werden, heißen Bosonen. • Das untere Vorzeichen in (3.1) führt zu antisymmetrisierten Wellenfunktionen. Identische Teilchen, die durch antisymmetrische Wellenfunktionen beschrieben werden, heißen Fermionen. • Es stellt sich heraus1 , dass Teilchen mit ganzzahligem Spin s = 0, 1, 2, . . . Bosonen sind und Teilchen mit halbzahligen s = 1/2, 3/2, . . . Fermionen. • Beispiel: Dreiteilchenzustand |ai |bi |ci. Hierbei sei der Teilchenindex wieder durch die Position im Produkt gegeben, also Teilchen 1 ist in Zustand |ai, Teilchen 2 in Zustand |bi, Teilchen 3 in Zustand |ci. 1 Spin-Statistik-Theorem, folgt aus der Quantenfeldtheorie und wird in der Vorlesung “Quantenmechanik für Fortgeschrittene” behandelt. 80 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME Wir schreiben Permutationen symbolisch als z.B. 1 2 3 1 2 3 P̂1↔2 = , P̂1→2,2→3,3→1 = , 2 1 3 3 1 2 also steht in der ersten Zeile die Originalanordnung und in der zweiten die neue Anordnung nach der Permutation. P̂1↔2 ist eine Zweierpermutation (“Teilchenaustausch”), P̂1→2,2→3,3→1 nicht (sie ist vielmehr zyklisch, kann aber durch zwei Zweierpermutationen erzeugt werden, wie im Folgenden deutlich wird). Es gibt 6 Möglichkeiten, |ai |bi |ci anzuordnen: P̂P Anordnung elementare Zerlegung σ(P ) (±1)σ(P ) |ai |bi |ci 1 2 3 1 2 3 1̂ 0 1 |ai |ci |bi 1 2 3 1 3 2 P2↔3 1 ±1 |bi |ai |ci 1 2 3 2 1 3 P1↔2 1 ±1 |ci |bi |ai 1 2 3 3 2 1 P1↔3 1 ±1 |ci |ai |bi 1 2 3 3 1 2 P2↔3 P1↔3 2 1 |bi |ci |ai 1 2 3 2 3 1 P2↔3 P1↔2 2 1 In der elementaren Zerlegung sollen die Permutationsoperatoren von rechts nach links auf einen (rechts stehenden) Zustand wirken. Die symmetrisierte Wellenfunktion lautet |abci+ = N (|ai |bi |ci + |ai |ci |bi + |bi |ai |ci + |ci |bi |ai + |ci |ai |bi + |bi |ci |ai), die antisymmetrisierte |abci− = N (|ai |bi |ci − |ai |ci |bi − |bi |ai |ci − |ci |bi |ai + |ci |ai |bi + |bi |ci |ai). Man sieht: irgendeine Zweierpermutation auf |abci+ angewandt ändert nichts. Daher macht es bei der symmetrisierten Wellenfunktion keinen Sinn mehr, von Teilchen 1, 2 oder 3 zu sprechen. Z.B. P1↔2 auf |abci− liefert P1↔2 |abci− = N (|bi |ai |ci−|ci |ai |bi−|ai |bi |ci−|bi |ci |ai+|ai |ci |bi+|ci |bi |ai) = − |abci− . 3.1. GRUNDLAGEN AUS DER VIELTEILCHENQUANTENMECHANIK 81 Hier ändert sich also das Vorzeichen. Da jede Observable eine Bilinearform des Zustands ist, ist dieser Vorzeichenwechsel prinzipiell nicht messbar. Wir beschreiben also tatsächlich ununterscheidbare Fermionen. Man sieht außerdem: sind zwei Einteilchenzustände gleich, z.B. |ai = |bi, dann ist |abci+ = N ′ (|ai |ai |ci + |ai |ci |ai + |ci |ai |ai), aber |abci− = N ′ (|ai |ai |ci − |ai |ci |ai − |ai |ai |ci − |ci |ai |ai + |ci |ai |ai + |ai |ci |ai) = 0, und damit nicht normierbar. Zwei Fermionen können nicht im gleichen Zustand sein (“Pauli-Verbot”). 3.1.1 Besetzungszahldarstellung • Das Rechnen in Besetzungszahldarstellung mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren wird im Detail in der Vorlesung “Quantenmechanik für Fortgeschrittene” behandelt. Wir benötigen im Folgenden nur einen sehr kleinen Bruchteil davon. • Anstelle mit Produkten aus Einteilchenzuständen zu arbeiten, ist es bequemer anzugeben, wieviele Teilchen2 npi sich in einem Zustand |pi i befinden. • Wir schreiben also einen Vielteilchenzustand in Besetzungszahldarstellung in der Form ± Ψ = |np np · · · np i± . 1 2 ∞ Wir lassen im Folgenden ± weg, wenn aus dem Zusammenhang klar ist, ob wir mit identischen Bosonen oder Fermionen rechnen. • Das obige Beispiel wo |ai = |bi zeigte bereits, dass im Fall von Fermionen ein Zustand nur mit einem oder keinem Teilchen besetzt werden kann, npi = 0, 1 2 Bzw. Anregungen, Quanten ... bei Fermionen. (3.2) 82 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Bei Bosonen gibt es keine derartige Einschränkung, also npi = 0, 1, 2, 3, . . . bei Bosonen. (3.3) • Die Summe der Teilchen in den verschiedenen Zuständen soll die Gesamtteilchenzahl N ergeben, ∞ X npi = N. (3.4) i=1 Ist die Gesamtteilchenzahl nicht fest vorgegeben, soll Entsprechendes für die Erwartungswerte hnpi i und N̄ = hN i gelten. • Ist der Hamilton-Operator eine reine Summe aus EinteilchenHamilton-Operatoren, so erwarten wir, wie bereits oben angemerkt, für die Gesamtenergie E ∞ X ǫpi npi = E. (3.5) i=1 3.2 Großkanonische Behandlung allgemeiner idealer Bose- oder Fermi-Systeme • “Ideal” ist hier — analog zum klassischen, idealen Gas — als Synonym für “nicht-wechselwirkend” zu verstehen. • Wir lassen die Teilchenzahl N offen und berechnen die großkanonische Zustandssumme für Ĥ = ∞ X ǫpi n̂pi , N̂ = i=1 ∞ X n̂pi , (3.6) i=1 wobei n̂pi = â†pi âpi (3.7) der Teilchenzahloperator bzgl. Zustand |pi i sei, also n̂pi |np1 · · · npi · · · np∞ i = npi |np1 · · · npi · · · np∞ i (3.8) 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 83 mit npi als Anzahl Teilchen (Anregungen, Quanten, ...) im Zustand pi . Dies gilt sowohl für Bosonen als auch Fermionen, weshalb wir ± am Zustand weggelassen haben. • Der Hamilton-Operator (2.51) für harmonische Oszillatoren hatte eine ähnliche Gestalt wie (3.6), allerdings lief die Summe dort über die N vorgegebenen Oszillatoren (i = 1, 2, . . . N ) und nicht über die i.A. unendlich vielen ZustP ände (p1 , p2 , . . . p∞ ). AuN ßerdem taucht die Nullpunktsenergie i=1 ~ω/2 in (3.6) nicht auf. • Wir erhalten für die großkanonische Zustandssumme 1 ZG = Sp e−β(Ĥ−µN̂ ) , β= kT XX X = ··· hnp1 np2 · · · np∞ | e−β(Ĥ−µN̂ ) |np1 np2 · · · np∞ i = np1 np2 np∞ XX X np1 np2 ∞ X Y = i=1 npi ··· np∞ ( exp −β ∞ X i=1 (ǫpi − µ)npi exp {−β(ǫpi − µ)npi } . • Für Bosonen liefert dies mit (3.3) ZG = ∞ ∞ X Y i=1 npi =0 exp {−β(ǫpi − µ)npi } = ∞ Y i=1 • Für Fermionen gilt mit (3.2) ZG = ) 1 ∞ X Y i=1 npi =0 exp {−β(ǫpi − µ)npi } = 1 1 − e−β(ǫpi −µ) ∞ Y 1+ e −β(ǫpi −µ) i=1 • Für das großkanonische Potential (2.94) folgt somit ∞ X −β(ǫpi −µ) Φ = −kT ln ZG = ±kT ln 1 ∓ e . i=1 . (3.9) . (3.10) (3.11) 84 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME Hier gilt das obere Vorzeichen für Bosonen und das untere für Fermionen. • Hieraus folgen alle thermodynamischen Größen, z.B. der Erwartungswert der Teilchenzahl (wir lassen wieder den Strich über N weg, also N̄ = N ) ∞ X ∓β e−β(ǫpi −µ) ∂Φ N = − = ∓kT ∂µ T,V 1 ∓ e−β(ǫpi −µ) i=1 ∞ ∞ X X e−β(ǫpi −µ) 1 = . = −β(ǫpi −µ) β(ǫpi −µ) 1 ∓ e e ∓ 1 i=1 i=1 Andererseits muss wegen (3.4) N= ∞ X n pi i=1 gelten, also 1 n pi = . (3.12) eβ(ǫpi −µ) ∓ 1 Diese Verteilung von Besetzungen der einzelnen Zustände |pi i bezeichnen wir als Bose-Verteilung (oberes Vorzeichen) bzw. Fermi-Verteilung (unteres Vorzeichen). • Wir zeigen nun, dass nq = 1/[ eβ(ǫq −µ) ∓ 1] tatsächlich die mittlere Besetzungszahl des Zustands |qi ist. n̂q = â†q âq sei der Besetzungszahloperator bzgl. des Zustands |qi, |qi ∈ {|pi i}, i = 1, 2, 3, . . .. hnq i = Sp (ρ̂G n̂q ) X X e−β(Ĥ−µN̂ ) n̂q |np1 np2 · · · np∞ i hnp1 np2 · · · np∞ | ··· = Z G np∞ np1 ( ) ∞ X X X 1 exp −β = ··· (ǫpi − µ)npi nq ZG n np∞ i=1 p1 X X 1 X −β(ǫp −µ)np 1 ··· 1 e−β(ǫp∞ −µ)np∞ . e−β(ǫq −µ)nq nq · · · = e ZG n n n p1 q p∞ 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 85 Da ZG = X e −β(ǫp1 −µ)np1 np1 ··· X nq e −β(ǫq −µ)nq ··· X e−β(ǫp∞ −µ)np∞ , np∞ also das Gleiche bis auf den Extrafaktor nq in einer der Summen, kürzt sich fast alles weg, und es bleibt P −β(ǫq −µ)nq nq nq e hnq i = P −β(ǫq −µ)nq nq e " # X ∂ = − e−xn . ln ∂x n x=β(ǫq −µ) Wir spezialisieren auf Bosonen (Fermionen → Übung) und erhalten ∂ 1 , x = β(ǫq − µ) hnq i = − ln ∂x 1 − e−x ∂ = ln (1 − e−x ) ∂x 1 e−x = = nq . = 1 − e−x ex − 1 • Wir überzeugen uns nun noch am Beispiel der Fermionen (Bosonen → Übung), dass in der Tat (3.5), ∞ X ǫpi npi = E, i=1 gilt. Wir haben mit ZG gemäß (3.10) ∂ ln ZG + µN ∂β ∞ i ∂ X h = − ln 1 + e−β(ǫpi −µ) + µN ∂β E = − i=1 X − e−β(ǫpi −µ) (ǫp − µ) i + µN = − −β(ǫpi −µ) 1 + e i X X ǫpi − µ 1 + µ = β(ǫpi −µ) β(ǫpi −µ) +1 +1 e e i |i {z } P N= = X i ǫ p i np i . i npi 86 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • npi = n(ǫpi , T, µ) ist also eine Verteilungsfunktion, die angibt, wieviele Teilchen bei Temperatur T und chemischem Potential µ im Zustand |pi i mit Einteilchenenergie ǫpi wahrscheinlich anzutreffen sind. • Die folgenden Abbildungen zeigen die Funktion hn(ǫ̃)i = 1 e(ǫ̃−µ̃)/τ̃ ∓ 1 für µ̃ = 5 und τ̃ = 0.01 (durchgezogen), 0.2 (gepunktet) und 1.0 (gestrichelt). Der fermionische Fall (+-Zeichen) ist links, der bosonische (−) rechts dargestellt. • Im fermionischen Fall wird für kleines τ̃ = 0.01 (d.h. niedrige Temperaturen) die Verteilungsfunktion zu einer Stufenfunktion, die bei ǫ̃ = µ̃ von 1 auf 0 springt. Für T → 0 sind alle Zustände ǫ̃ < µ̃ gemäß Pauli-Verbot mit einem Teilchen pro Zustand besetzt. Oberhalb von ǫ̃ = µ̃ sind für T → 0 keine Zustände besetzt. Dieser scharfe Sprung wird bei endlichen Temperaturen “aufgeweicht”, denn die thermische Energie kann dazu verwendet werden, Teilchen in Zustände ǫ̃ > µ̃ anzuregen. Bosonen hn(ǫ̃)i Fermionen ǫ̃ ǫ̃ • Im bosonischen Fall, wissen wir noch nicht, was für Einteilchenenergien unterhalb von µ̃ passieren soll, denn dort ist e(ǫ̃−µ̃)/τ̃ < 1 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 87 und hn(ǫ̃)i wird negativ! Im Abschnitt zur Bose-EinsteinKondensation lernen wir dazu mehr. Für ǫ̃ = µ̃ geht hn(ǫ̃)i gegen unendlich. Für ǫ̃ > µ̃ fällt hn(ǫ̃)i ab; umso schneller, je niedriger die Temperatur. • Sowohl bei Fermionen als auch bei Bosonen geht die Verteilungsfunktion bei endlichen Temperaturen für ǫ̃ ≫ µ̃ in die klassische Boltzmann-Verteilung e−(ǫ̃−µ̃)/τ̃ über. • Bei unserer Diskussion tun wir so, als könnten wir das chemische Potential und die Temperatur unabhängig voneinander einstellen. I.A. hängt das chemische Potential von T ab [s. z.B. (2.107) beim klassischen, idealen Gas]. 3.2.1 Klassischer Grenzfall • Wir kommen nun auf das großkanonische Potential für Bosonen (oberes Vorzeichen) bzw. Fermionen (unteres Vorzeichen) (3.11) zurück, Φ = −kT ln ZG = ±kT ∞ X i=1 ln 1 ∓ e −β(ǫpi −µ) . • Mit y = e−β(ǫpi −µ) entwickeln wir für y ≪ 1 (d.h. bei endlicher Temperatur ǫpi > µ , ǫpi − µ hinreichend groß) den Logarithmus, ( ) X X ∓1 Φ = ±kT 0+ y + · · · = −kT e−β(ǫpi −µ) . 1 ∓ y y=0 i i • Der Unterschied zwischen Fermionen und Bosonen verschwindet in diesem Grenzfall! • Tatsächlich erhalten wir das bereits bekannte Ergebnis für das klassische, ideale Gas, wenn wir ǫpi = p2i /2m setzen und die Sum- 88 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME P durch ein Integral annähern, Z X gs V d3 p F (p). (3.13) F (pi ) −→ 3 (2π~) i me über die möglichen Zustände i Hier ist gs = 2s + 1 die Spin-Entartung und F (p) irgendeine Funktion von p. • Mit der bereits eingeführten Fugazität z = eβµ haben wir dann Z z gs V zgs V h 3 −βp2 /2m √ Φ=− d p e = − , λ = , β (2π~)3 βλ3 2πmkT d.h. für s = 0 bzw. gs = 1 (“spinlose” Teilchen) das Ergebnis für das klassische, ideale Gas (2.106). 3.2.2 Kontinuumslimes • Wir wollen nun den Kontinuumslimes (3.13) verwenden, aber keine weiteren Annahmen über y = e−β(ǫpi −µ) machen.3 • Mit dem Kontinuumslimes (3.13) und ǫ = p2 /2m ist der quantenmechanische Erwartungswert der Teilchenzahl (3.4) Z gs V N = d3 p n(ǫ) 3 (2π~) r Z 1 2ǫ gs V 2 4π dp p n(ǫ), dǫ = p dp = dp = (2π~)3 m m r Z m gs V 4π dǫ 2mǫ n(ǫ) = (2π~)3 2ǫ √ Z gs V m3/2 ∞ dǫ ǫ . (3.14) = √ 2π 2 ~3 0 eβ(ǫ−µ) ∓ 1 βµ • Mit x = √βǫ, der Fugazität z = e , der thermischen Wellenlänge λ = h/ 2πmkT und dem spezifischen Volumen v = V /N schrei3 D.h. wir rechnen zwar quantenmechanisch, sollten uns aber später noch überlegen, unter welchen Umständen der Kontinuumslimes anwendbar ist. 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 89 ben wir 1/2 Z ∞ N 1 gs m3/2 1 dx x = = √ V v ex z −1 ∓ 1 2π 2 ~3 0 β β Z ∞ 1/2 2gs x dx = 3√ λ π 0 ex z −1 ∓ 1 gs g3/2 (z) bei Bosonen = 3 , f3/2 (z) bei Fermionen λ wobei gν (z) fν (z) 1 = Γ(ν) Z ∞ 0 xν−1 dx x −1 e z ∓1 (3.15) (3.16) verallgemeinerte ζ-Funktionen sind. Γ(ν) ist die Gammafunktion √ (s. Abschnitt 2.1.1). Γ(3/2) = π/2. • Mittels dieser Funktionen können wir auch das großkanonische Potential (3.11) im Kontinuumlimes ausdrücken. Man findet (→ Übung) gs V kT g5/2 (z) Φ=− . (3.17) f5/2 (z) λ3 Hier und im Folgenden steht immer das obere gν im Fall von Bosonen, das untere fν im Fall von Fermionen. • Aus (2.98) folgt ∂Φ ∂V T,µ V = −P V. Daher gilt mit (3.17) Φ(T, µ, V ) = −P V. (3.18) Dies ist die thermische Zustandsgleichung idealer Bose- oder Fermi-Gase im Kontinuumslimes, gs V /N g5/2 (z) N kT. (3.19) P V = −Φ = f5/2 (z) λ3 {z } | 6=1→ Quanteneffekte 90 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Der Unterschied zum klassischen, idealen Gas, wo P V = N kT gilt, besteht also in einem Vorfaktor 6= 1, der von der “Teilchensorte” (d.h. Fermionen oder Bosonen) abhängt. Dies ist ein quantenmechanischer Effekt, der zu (auch qualitativ) neuen Eigenschaften der Materie führt, die ohne eine quantenstatistische Behandlung unverständlich blieben. Dazu später mehr. • Die Gesamtenergie E = Übung) gs V m3/2 E(T, µ, V ) = √ 2π 2 ~3 P i ǫ pi n pi Z ∞ wird im Kontinuumlimes zu (→ ǫ3/2 dǫ 3gs V kT = 2λ3 eβ(ǫ−µ) ∓ 1 g5/2 (z) . f5/2 (z) 0 (3.20) Dies ist die kalorische Zustandsgleichung idealer Bose- oder Fermi-Gase, gs V /N g5/2 (z) 3 N kT. (3.21) E= f5/2 (z) 2 λ3 {z } | 6=1→ Quanteneffekte • Es gilt also auch im Quantenregime (im Kontinuumslimes) der für das klassische, ideale Gas bekannte Zusammenhang 2 P V = E, 3 (3.22) jedoch unterscheiden sich thermische und kalorische Zustandsgleichung einzeln betrachtet. Insbesondere hängen beide von der Statistik des betrachteten idealen Quantensystems ab, d.h. davon, ob wir Bosonen oder Fermionen betrachten. • Man mag sich fragen, ob die kontinuierliche Annäherung der Summe gemäß (3.13) immer gültig ist. In der Tat werden die Zustände nahe bei p = 0 nicht korrekt behandelt. Dies ist jedoch nötig, um Bose-Einstein-Kondensation beschreiben zu können. Dazu später mehr. 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 3.2.3 91 Semiklassische Entwicklung • Die Zustandsgleichungen (3.19) und (3.21) zeigen zwar die Unterschiede zum klassischen, idealen Gas auf, allerdings in Form eines nicht unmittelbar verständlichen “neuen” Vorfaktors. Im klassischen Grenzfall muss dieser Vorfaktor offenbar gegen Eins gehen. Wenn wir diesen Vorfaktor in einer geeigneten, im klassischen Grenzfall kleinen Größe entwickeln, können wir erkennen, “in welche Richtung” quantenmechanische Korrekturen wirken. • Wir hatten bereits in (3.2.1) den Fall y = e−β(ǫ−µ) ≪ 1 diskutiert und als klassischen Grenzfall identifiziert. Auf diese Art kamen wir ganz um die im quantenmechanischen Fall die Teilchenstatistik charakterisierenden Funktionen gν (z) und fν (z) herum. • y ≪ 1 erreicht man wegen y = e−βǫ z auch durch z = eβµ ≪ 1 alleine. Unser Ziel ist daher eine Entwicklung von gν (z) und fν (z) in Ordnungen der Fugazität z. Gelingt uns dies, so haben wir dann auch eine Entwicklung des großkanonischen Potentials in z, und damit auch aller anderen interessierenden Größen. • Wir schreiben gν (z) und fν (z) um: Z ∞ 1 xν−1 gν (z) = dx x −1 fν (z) Γ(ν) 0 e z ∓1 Z ∞ 1 xν−1 e−x z = dx Γ(ν) 0 1 ∓ e−x z Z ∞ ∞ X 1 ν−1 −x dx x e z (± e−x z)l = Γ(ν) 0 l=0 Z ∞ ∞ 1 X l l+1 = (±1) z dx xν−1 e−x(l+1) . Γ(ν) 0 l=0 • Da Γ(ν) = Z ∞ 0 dx̃ x̃ν−1 e−x̃ , 92 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME bietet es sich an, x̃ = x(l + 1) zu substituieren, gν (z) fν (z) ν−1 Z ∞ ∞ 1 X x̃ dx̃ = (±1)l z l+1 e−x̃ Γ(ν) l+1 l+1 0 l=0 ν ∞ X 1 l l+1 = (±1) z l+1 = l=0 ∞ X k=1 ∞ (±1)k−1 k X (±1)k+1 k z = z . kν kν k=1 Dies ist die gewünschte Entwicklung von gν (z) und fν (z) in Ordnungen der Fugazität z. • Mit (3.15) folgt gs 1 = 3 v λ g3/2 (z) f3/2 (z) ∞ gs gs X (±1)k+1 k z = = 3 λ λ3 k 3/2 k=1 z2 z ± 3/2 + O(z 3 ) 2 (3.23) also λ3 1 z= ∓ 3/2 z 2 + O(z 3 ). vgs 2 In niedrigster Ordnung gilt z = λ3 /(vgs ) ≪ 1, sodass 3 z= λ 1 ∓ 3/2 vgs 2 3 λ vgs 2 +O " 3 λ vgs 3 # . (3.24) 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 93 • Für das großkanonische Potential (3.28) folgt gs v g5/2 (z) N kT Φ = − 3 f5/2 (z) λ gs v 1 2 = − 3 N kT z ± 5/2 z + O(z 3 ) λ 2 ( " 3 2 3 2 3 #) λ λ λ3 1 1 λ3 gs v ∓ ± 5/2 +O = − 3 N kT λ vgs 23/2 vgs vgs vgs 2 {z } | | {z } z+O[(λ3 /vgs )3 ] z 2 +O[(λ3 /vgs )3 ] " ( 3 3 #) 3 2 gs v λ3 1 λ λ = − 3 N kT ∓ 5/2 +O λ vgs 2 vgs vgs " #) ( 2 λ3 λ3 +O . (3.25) = −N kT 1 ∓ 5/2 vgs 2 vgs • Mit P V = −Φ erhalten wir schließlich eine Entwicklung der thermischen Zustandsgleichung " ( 2 #) 3 3 λ λ +O P V = −Φ = N kT 1 ∓ 5/2 , (3.26) vgs 2 vgs anhand derer wir quantenmechanische Korrekturen ablesen können. • Wie groß quantenmechanische Effekte sind, hängt also davon ab, wie groß λ3 vgs ist. Diese Größe hat eine anschauliche physikalische Interpretation: Im Zähler steht das über die thermische Wellenlänge gegebene Volumen λ3 , das umso größer wird, je “ausgeschmierter” die Teilchen wegen der quantenmechanischen Unschärfe sind. Im Nenner steht das mittlere, pro Teilchen zur Verfügung stehende Volumen v = V /N (multipliziert mit dem Spinentartungsgrad gs , denn es passen gs mal mehr Teilchen (mit unterschiedlichen ms ) in ein Volumen V als für Spin 0). 94 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Ist λ3 /(vgs ) nicht ≪ 1, so können die Wellenfunktionen benachbarter Teilchen überlappen, und Quanteneffekte treten auf. • Gleichung (3.26) zeigt, dass sich im Fall von Bosonen (oberes Vorzeichen −) der Druck gegenüber dem klassischen, idealen Gas verringert. • Entsprechend das Gegenteil gilt für Fermionen (unteres Vorzeichen +), wo sich der Druck gegenüber dem klassischen, idealen Gas erhöht. • Bosonen neigen also eher zum “clustern”, Fermionen lassen sich hingegen schwerer zusammenpressen. • Dies ist ein ganz bemerkenswertes Resultat, denn ohne irgendeinen Wechselwirkungsterm im Hamilton-Operator beobachten wir trotzdem ein von der Teilchenstatistik abhängiges (d.h. je nachdem ob Fermionen oder Bosonen) Verhalten der thermodynamischen Größen!4 3.2.4 Adiabatengleichungen • Für das klassische ideale Gas (drei Freiheitsgrade) gelten die Adiabatengleichungen µ V T 3/2 , P T −5/2 , P V 5/3 , = const. (3.27) T Gilt dies auch für das ideale Bose- oder Fermi-Gas? • Wir bemerken, dass gs V /N Φ=− λ3 wegen λ=√ 4 g5/2 (z) f5/2 (z) N kT (3.28) h ∼ T −1/2 2πmkT Dass dies überhaupt möglich ist, liegt an der (in Abschnitt 3.1 geforderten) (Anti-) Symmetrie der Vielteilchenwellenfunktion. Mehr dazu wird in der Vorlesung “Quantenmechanik für Fortgeschrittene” im Detail behandelt; Stichwort “Austauschwechselwirkung”. 3.2. ALLGEMEINE IDEALE BOSE- ODER FERMI-SYSTEME 95 die Form Φ = V T 5/2 ϕ(βµ) hat, wobei ϕ(βµ) eine Funktion ist, die (über die Fugazität z) nur von βµ ∼ µ/T abhängt. • Damit folgt wegen Φ = −P V also P = −T 5/2 ϕ(βµ). • Außerdem haben wir mit (3.15), N gs g3/2 (z) 1 = , = 3 f3/2 (z) v λ V auch N = V T 3/2 η(βµ). (3.29) Die Funktion η(βµ) hängt, wie ϕ(βµ), ebenfalls nur von βµ ∼ µ/T ab. • Die Entropie ist ∂Φ ∂ 5 3/2 S = − = − V T ϕ + V T 5/2 ϕ′ (βµ) ∂T 2 ∂T V,µ 5 3/2 1 = −V T ϕ − T 5/2 ϕ′ βµ 2 T = V T 3/2 s(βµ), mit noch einer Funktion s(βµ), die ebenfalls nur von βµ ∼ µ/T abhängt. • Bei adiabatischen Zustandsänderungen gilt δQ = 0, und im reversiblen Fall auch dS = 0, also S = const. Bei fester Teilchenzahl gilt dann also s(βµ) S = = const. N η(βµ) 96 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Da η nicht einfach proportional zu s ist, d.h. s(βµ) 6= c η(βµ), c = const (→ Übung), folgt, dass βµ selbst konstant sein muss, also µ = const. T • Damit gilt ϕ, η, s = const und mit (3.29) folgt V T 3/2 = const, und analog die anderen aus (3.27). • Wir finden also für ideale Bose- oder Fermi-Gase die gleichen Adiabatengleichungen wie für das klassische, ideale Gas. 3.3 Ideales Fermi-Gas bei T → 0 • Für T → 0 wird jeder Zustand |pi i = |pi i |msi i gemäß PauliVerbot einfach besetzt. • Sind die Einteilchenenergien spinunabhängig, so ist jeder Zustand p mit gs = 2s + 1 Teilchen besetzt, bis zum “Fermi-Impuls” |p| = pF . • Die Teilchenzahl N ist also für T → 0 X N = gs 1. i |pi |≤pF Unter der Summe steht 1, da npi = 1 für |pi | ≤ pF wenn T → 0. 3.3. IDEALES FERMI-GAS BEI T → 0 97 • Im Kontinuumslimes bedeutet dies Z pF Z gs V g V s dp p2 , 4π N= d3 p Θ(pF − |p|) = 3 3 (2π~) (2π~) 0 also 1 3 g s V pF 3 gs V 4π pF = . N= (2π~)3 3 6π 2 ~3 • Für die Teilchendichte finden wir N g s pF 3 n= = 2 3, V 6π ~ (3.30) für den Fermi-Impuls pF = 6π 2 gs 1/3 ~ n1/3 (3.31) und für die Fermi-Energie pF 2 = ǫF = 2m 6π 2 gs 2/3 ~2 2/3 n . 2m (3.32) • Die Energie des Systems ist Z pF 2 X p2 gs V i 2 p dp p 4π = E = gs 2m (2π~)3 2m 0 i |pi |≤pF gs V 1 pF 5 g s V pF 5 = 4π = 2 3 (2π~)3 2m 5 π ~ m 20 3 2 g s V pF 6 3 pF = = 2 N ǫF . 2 ~3 20 6π 2m 5 | {z } |{z} N ǫF Mit (3.22), P V = 2E/3, folgt also 3 3 E = N ǫF = P V 5 2 (3.33) 98 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME und somit für den Druck des idealen Fermi-Gases mit (3.32) 2 2/3 2 2N 2 ~ 2/3 6π P = ǫF = n n , 5V 5 gs 2m also 1 P = 5 6π 2 gs 2/3 ~2 5/3 n . m (3.34) Dies ist der Grenzfall der thermischen Zustandsgleichung des idealen Fermi-Gases für T → 0. • Da für T → 0 alle Teilchen gemäß Pauli-Verbot die niedrigstmöglichen Einteilchenzustände einnehmen, sieht der Vielteilchenzustand für |p1 | ≤ |p2 | ≤ · · · wiefolgt aus: · ·}·i− . |np1 np2 · · ·i− = | 11111111111111111 {z } 0000000000000 {z | | besetzt bis zu |pi |=pF unbesetzt • Hierbei handelt es sich um einen reinen Zustand, kein Gemisch. Für reine Zustände gilt S = 0. Man spricht auch vom vollständig entarteten Fermi-Gas. • Da Φ = −P V und [s. (2.94)] Φ = E − T S − µN , folgt für das chemische Potential die Gibbs-Duhem-Relation µ= 1 (E + P V − T S). N (3.35) 3 2 ǫF + ǫF − 0 = ǫF . 5 5 (3.36) Für T → 0 wird daraus µ= Im Grenzfall T → 0 ist also das chemische Potential gleich der Fermi-Energie. Das macht Sinn, denn für T → 0 ist n(ǫ) = Θ(ǫF − ǫ), und man benötigt die Energie ǫF = µ, um ein weiteres Fermion dem System hinzuzufügen. 3.3. IDEALES FERMI-GAS BEI T → 0 3.3.1 99 Sommerfeld-Entwicklung • Nachdem wir den Grenzfall T → 0 betrachtet haben, wollen wir nun das ideale Fermi-Gas bei niedrigen (aber endlichen) Temperaturen untersuchen. • Wir wissen bereits, dass bei endlichen Temperaturen die FermiKante “aufgeweicht” wird (s. Darstellung von hn(ǫ̃)i in Abschnitt 3.2). Dieses Aufweichen geschieht über eine charkteristische Breite kT um µ. • Wir schreiben (3.17) für Fermionen, gs V kT 2 f (z) = −P V = − E, 5/2 λ3 3 als Integral über die Einteilchenenergie [s. (3.20)], Z gs V m3/2 2 ∞ ǫ3/2 Φ = −√ dǫ β(ǫ−µ) 3 3 e +1 2π 2 ~Z 0 ∞ −3/2 dǫ ǫ3/2 n(ǫ), = −N ǫF Φ=− n(ǫ) = • Mit (3.14), (3.37) 0 1 eβ(ǫ−µ) + 1 gs V m3/2 N= √ 2 3 | 2π {z ~ } . Z ∞ 0 √ ǫ eβ(ǫ−µ) + 1 dǫ −3/2 N 32 ǫF folgt 3 −3/2 1 = ǫF 2 Z ∞ dǫ ǫ1/2 n(ǫ). (3.38) 0 • Wir haben es also mit Integralen vom Typ Z ∞ dǫ f (ǫ) n(ǫ) I= (3.39) 0 zu tun. Die Sommerfeld-Methode erlaubt es, diese Integrale näherungsweise zu berechnen, indem man die Abweichungen von n(ǫ) von der Stufenfunktion Θ(µ − ǫ) klein annimmt. 100 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Wir schreiben I = ≃ Z µ dǫ f (ǫ) + Z0 µ dǫ f (ǫ) + Z ∞ Z0 ∞ −∞ 0 dǫ f (ǫ) [n(ǫ) − Θ(µ − ǫ)] dǫ f (ǫ) [n(ǫ) − Θ(µ − ǫ)]. Θ(µ − ǫ) n(ǫ) n(ǫ) − Θ(µ − ǫ) µ ǫ • Die Näherung besteht also darin, dass wir die Integration von 0 bis nach −∞ erweitern. Wie man an der Abbildung erkennt, ist der Integrand für ǫ < 0 sehr klein. Formal muss man noch definieren, was f (ǫ) für ǫ < 0 sein soll, z.B. f (ǫ) = f (|ǫ|). Praktisch ist dies irrelevant, da der Integrand dort sowieso fast nichts beiträgt. • Man sieht, dass n(ǫ) − Θ(µ − ǫ) nur um ǫ = µ nennenswert von null verschieden ist. • Mit x = (ǫ − µ)/kT haben wir I = Z µ dǫ f (ǫ) + 0 Z ∞ m(x) z }| { 1 − Θ(−x) . dx kT f [ǫ(x)] ex + 1 −∞ | {z } J 3.3. IDEALES FERMI-GAS BEI T → 0 101 • f (ǫ) Taylor-entwickeln wir um µ: 1 1 f (ǫ) = f (µ) + f ′ (µ)(ǫ − µ) + f ′′ (µ)(ǫ − µ)2 + f ′′′ (µ)(ǫ − µ)3 + · · · 2 3! 1 1 = f (µ) + f ′ (µ)kT x + f ′′ (µ)(kT x)2 + f ′′′ (µ)(kT x)3 + · · · 2 3! = f (x, T, µ). • m(x) ist eine ungerade Funktion, also m(−x) = −m(x) (→ Übung), sodass die geraden Terme in der Entwicklung von f (ǫ) zum Integral J nicht beitragen. Man findet daher Z ∞ Z µ f ′′′ (µ) ′ 2 4 3 dx m(x) f (µ)(kT ) x + (kT ) x + · · · dǫ f (ǫ) + I = 3! −∞ 0 Z ∞ Z µ ′′′ f (µ) dx m(x) f ′ (µ)(kT )2 x + dǫ f (ǫ) + 2 = (kT )4 x3 + · · · . 3! 0 0 • Da Θ(−x) = 0 für x > 0, ist dies auch Z ∞ Z µ x dx x dǫ f (ǫ) + 2(kT )2 f ′ (µ) I = e +1 0 Z ∞ 0 3 4 x (kT ) ′′′ dx x f (µ) + ··· , +2 3! e +1 0 also I = Z µ 0 π2 7π 4 2 ′ dǫ f (ǫ) + (kT ) f (µ) + (kT )4 f ′′′ (µ) + · · · . 6 360 (3.40) • Dieses Resultat wenden wir nun auf (3.38), Z 3 −3/2 ∞ dǫ ǫ1/2 n(ǫ) 1 = ǫF 2 0 an. Offenbar ist f (ǫ) = ǫ1/2 , also 1 f ′ (ǫ) = ǫ−1/2 , 2 1 f ′′ (ǫ) = − ǫ−3/2 , 4 3 f ′′′ (ǫ) = ǫ−5/2 . 8 102 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME Damit folgt Z µ 3 −3/2 7π 4 π2 2 1 −1/2 4 3 −5/2 1/2 1 = ǫF + (kT ) µ + ··· dǫ ǫ + (kT ) µ 2 6 2 360 8 0 4 1 7π 3 3 −3/2 2 3/2 π 2 µ + (kT )2 µ−1/2 + (kT )4 µ−5/2 + · · · = ǫF 2 3 6 2 360 8 " #) 3/2 ( 2 4 π 2 kT kT µ 1+ +O = ǫF 8 µ µ und somit µ≃ 1+ π2 8 ǫF 2 kT µ + ··· 2/3 . • Die kleine Größe ist hier im Niedrigtemperaturfall also 1 kT = , µ βµ (3.41) die für T → 0 gegen Null geht. • In niedrigster Ordnung ist µ = ǫF . Um zur nächsten Ordnung in kT µ zu gelangen, setzen wir die niedrigste Ordnung ein und Taylor-entwickeln, ǫF µ ≃ " #2/3 2 2 π kT +··· 1+ 8 ǫF | {z } y " # 2 2 π 2 kT = ǫF 1 − y + · · · = ǫF 1 − + ··· . 3 12 ǫF Unser Ergebnis für das chemische Potential des idealen FermiGases bei niedrigen Temperaturen lautet also " #) " 2 4 2 kT π kT . (3.42) +O µ = ǫF 1 − 12 ǫF ǫF 3.3. IDEALES FERMI-GAS BEI T → 0 103 • Wir erkennen: µ verringert sich mit steigender Temperatur. Dies ist verständlich, denn wenn immer mehr Zustände innerhalb der “Fermi-Kugel” aufgrund thermischer Anregungen unbesetzt sind, könnte ein hinzugefügtes Teilchen diese Zustände besetzen. Es braucht also im Mittel weniger Energie aufgewendet werden, um dem System ein Teilchen hinzuzufügen. • Die folgende Abbildung zeigt (3.42) bis zur zweiten Ordnung in kT /ǫF . Da kT /ǫF ≪ 1 gelten muss, ist der Plot für größere Werte gestrichelt. Das exakte Resultat für µ/ǫF fällt etwas schneller ab und schneidet die x-Achse leicht unterhalb der Eins. µ/ǫF kT /ǫF • Wenden wir die Sommerfeld-Entwicklung (3.40) auf das großkanonische Potential (3.37), Z ∞ −3/2 dǫ ǫ3/2 n(ǫ), Φ = −N ǫF 0 an, so erhalten wir wegen f (ǫ) = ǫ3/2 , 3 3 3 f ′ (ǫ) = ǫ1/2 , f ′′ (ǫ) = ǫ−1/2 , f ′′′ (ǫ) = − ǫ−3/2 , 2 4 8 Z µ 3 7π 4 π2 2 3 1/2 3/2 (kT )4 µ−3/2 + · · · dǫ ǫ + (kT ) µ − I = 6 2 360 8 0 2 4 2 5/2 π 3 3 7π = µ + (kT )2 µ1/2 − (kT )4 µ−3/2 + · · · 5 6 2 360 8 104 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME sodass Φ= −3/2 −N ǫF 3 2 5/2 π 2 µ + (kT )2 µ1/2 + · · · 5 6 2 . • Setzen wir hier noch µ aus (3.42) ein, so folgt (→ Übung) ( " #) 2 4 2 2 5π kT kT Φ = − N ǫF 1 + . (3.43) +O 5 12 ǫF ǫF • Wegen Φ = −P V ist die thermische Zustandsgleichung des Fermi-Gases bei niedrigen Temperaturen also ( " #) 2 4 2 2 5π kT kT P V = N ǫF 1 + . (3.44) +O 5 12 ǫF ǫF • Man sieht, dass für T → 0 ein endlicher Druck (der sog. “FermiDruck”) 2/3 2 ~ 5/3 2 6π 2 2 N n ǫF = P = 5 |{z} V 5 gs 2m n bleibt, da die Fermionen wegen des Pauli-Verbots nicht alle das niedrigste Einteilchenenergieniveau annehmen können. • Die kalorische Zustandsgleichung folgt aus E = 23 P V , ( " #) 2 4 2 5π kT 3 kT E = N ǫF 1 + = E(N, V, T ). +O 5 12 ǫF ǫF (3.45) Wir schreiben hier E = E(N, V, T ), da die Fermi-Energie ǫF von der Teilchendichte n = N/V abhängt [s. (3.32)]. • Die Wärmekapazität bei konstantem Volumen und konstanter Teilchenzahl ist π2 T ∂E , (3.46) = Nk CV = ∂T V,N 2 TF 3.3. IDEALES FERMI-GAS BEI T → 0 105 wobei die Fermi-Temperatur TF = ǫF k (3.47) eingeführt wurde. • Bei tiefen Temperaturen steigt die Wärmekapazität des idealen Fermi-Gases also zunächst linear mit der Temperatur an und läuft bei hohen Temperaturen gegen den konstanten Wert des klassischen, idealen Gases 32 N k. • Für die isotherme Kompressibilität des idealen Fermi-Gases im Niedrigtemperaturgrenzfall findet man (→ Übung) ( ) 2 2 π kT 3(V /N ) 1 ∂V 1− = + ··· . κT = − V ∂P T,N 2ǫF 12 ǫF (3.48) Sie wird also durch den Fermi-Druck geringer. • Für die Entropie des idealen Fermi-Gases im Niedrigtemperaturgrenzfall findet man (→ Übung) π2 T S = kN . 2 TF (3.49) Sie geht für T → 0 gegen Null, wie es sein muss. 3.3.2 Zustandsdichte • Es zeigt sich, dass im Tieftemperaturgrenzfall das Verhalten fermionischer Systeme durch die Zustandsdichte an der “FermiKante” bestimmt wird. • Die Zustandsdichte ν(ǫ) ist definiert durch Z V gs d3 p δ(ǫ − ǫp ). ν(ǫ) = 3 (2π~) (3.50) Sie beschreibt, wieviele Zustände mit Energie ǫ im Intervall [ǫ, ǫ+ dǫ] liegen. 106 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Damit lassen sich Integrale über den Impulsraum umschreiben: Z Z Z Z (2π~)3 3 3 d p f (ǫp ) = dǫ d p f (ǫ)δ(ǫ − ǫp ) = dǫ ν(ǫ)f (ǫ). V gs (3.51) • Z.B. ist die Teilchenzahl Z Z V gs 3 N= d p n(ǫp ) = dǫ ν(ǫ) n(ǫ). (2π~)3 • Für ǫp = p2 /2m folgt ν(ǫ) = = = = Z V gs m 4π dp p2 δ(ǫ − ǫp ), dp = dǫp 3 (2π~) p Z V gs 4πm dǫp p δ(ǫ − ǫp ) (2π~)3 Z √ V gs 4πm 2m dǫp ǫp1/2 δ(ǫ − ǫp ) 3 (2π~) 3/2 V gs 2m ǫ1/2 . 2 2 4π ~ Mittels ǫF kann man dies auch schreiben als 3 ǫ1/2 ν(ǫ) = N 3/2 . 2 ǫ (3.52) F • Man sieht, dass 3N , 2ǫF und man kann die Wärmekapazität bzw. die isotherme Kompressibilität auch schreiben als (→ Übung) ν(ǫF ) = 1 CV = π 2 ν(ǫF )k 2 T + O[(T /TF )3 ], 3 κT = V ν(ǫF ) + O[(T /TF )2 ]. 2 N (3.53) (3.54) 3.3. IDEALES FERMI-GAS BEI T → 0 107 • Es stellt sich heraus, dass diese Beziehungen allgemein für fermionische Materie gelten und nicht nur für das ideale FermiGas. Das Verhalten wird also maßgeblich durch die Zustandsdichte an der Fermi-Kante bestimmt. Dies ist einleuchtend, denn dort sitzen die Fermionen, die auf äußere Einwirkungen (z.B. Temperatur- oder Druckänderungen) “reagieren” können (indem sich z.B. ihre Niveaus verschieben oder sie in unbesetzte Zustände an- oder abgeregt werden). 3.3.3 Vernachlässigbarkeit der Wechselwirkung • Man könnte auf die Idee kommen, dass bei niedrigen Temperaturen die Teilchen derart dicht zusammenrücken, dass eine Vernachlässigung der Wechselwirkung zwischen den Teilchen, die bei idealen Gasen ja immer angenommen wird, nie statthaft ist. Dass dem nicht so ist, wollen wir uns nun kurz überlegen. • Wir gestatten eine (mit dem Abstand abnehmende Wechselwirkung), z.B. die Coulomb-Abstoßung von Elektronen in Metallen: H=− N X ~2 ∇2 1 X e2 , + 2m 2 rij i i=1 i6=j rij = |ri − rj |. (3.55) • Die charakteristische Länge des Systems ist der Radius r0 der Kugel, die von einem Teilchen im Mittel besetzt wird, 1/3 N 1 3V ⇒ r0 = = 4 3 . (3.56) V 4πN 3 πr0 • Führt man die skalierte Länge r′ = r r0 ein, also ∇′ = r0 ∇, 108 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME so folgt H= 1 − r02 2 X e 1 i . + r0 2m 2 rij′ X ~2 ∇′ 2 i i6=j Nun sieht man: für große Dichten ist r0 klein. Daher dominiert in der Klammer der Ausdruck für die kinetische Energie. Somit gilt für Fermionen: je dichter die Materie, desto vernachlässigbarer ist die Coulomb-Wechselwirkung.5 3.4 Bose-Einstein-Kondensation • Was passiert nun bei Bosonen für T → 0? • Bose-Einstein-Kondensation wurde 1924 von Albert Einstein vorhergesagt, inspiriert von einem Manuskript über Photonen (!), das ihm der indische Physiker Satyendranath Bose zugeschickt hatte. • Das Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation tauchte bei unserer bisherigen Behandlung idealer Quantengase nicht auf. Wir werden sehen, dass dies mit der Annahme, dass man den Kontinuumslimes (s. Abschnitt 3.2.2) durchführen darf, zusammenhängt. • Wir betrachten ein nicht-relativistisches Bose-Gas. Die Einteilchenenergien sind wieder p2 ǫp = . 2m • Mit (3.15) gilt 5 1 gs = 3 g3/2 (z), z = eβµ , v λ V h . v= , λ= √ N 2πmkT Wir werden sehen, dass diese Argumentation nicht für Bosonen funktioniert, da dort die kinetische Energie selbst mit T → 0 gegen null geht. 3.4. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION 109 • Nehmen wir der Einfachheit halber spinlose Teilchen, s = 0, an, so ist gs = 1, also λ3 = g3/2 (z). (3.57) v • Da für Bosonen n(ǫp ) = 1 eβ(ǫp −µ) − 1 und n(ǫp ) ≥ 0, muss also eβ(ǫp −µ) > 1 erfüllt sein. • Demzufolge muss also µ < min ǫp sein. • Füllen wir nicht-wechselwirkende Bosonen in eine Box mit Volumen V und schicken V → ∞, so geht min ǫp → 0. Also sollte ⇒ µ<0 z≤1 sein. • Wir tragen zunächst 2 g3/2 (z) = √ π Z ∞ 0 gegen z auf. g3/2 (1) = 2.612. ∞ X zk x1/2 dx x −1 = e z −1 k 3/2 k=1 110 λ3 v KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME = g3/2 (z) 2.612 z • Die Umkehrfunktion sieht wiefolgt aus: z 2.612 λ3 v = g3/2 (z) 3.4. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION 111 • Trägt man dies über dem Kehrwert v ∼ T 3/2 λ3 auf (wir nehmen V und N =const an, sodass auch v =const), so erhält man die folgende Abbildung. z 1 2.612 ? v λ3 0←T = 1 g3/2 (z) T groß 1 hört unser Plot einfach auf. Wir wissen nicht, was • Bei λv3 = 2.612 unterhalb der kritischen Temperatur Tc , die durch v 1 = λ3 2.612 definiert wird, also 2π~2 /m kTc = (3.58) (2.612v)3/2 stattfindet. Dies ist offensichtlich unphysikalisch, denn was sollte uns daran hindern, das System unterhalb von Tc abzukühlen? • Wir hatten den Kontinuumslimes (3.13) Z X gs V d3 p F (p) F (pi ) −→ 3 (2π~) i 112 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME angewendet. Dieser Kontinuumslimes ist angemessen, wenn die meisten Teilchen Zustände an der Oberfläche des Impulsraumvolumens bei großen p = |p| annehmen, denn dort wird der in (2π~)3 -”Würfeln” diskretisierte Phasenraum gut durch ein Kontinuum angenähert. Das Gegenteil ist bei p = 0 der Fall. Sollten also viele Teilchen im Zustand p = 0 sitzen, so werden diese durch den Kontinuumslimes nicht erfasst.6 • Wir betrachten daher p = 0 gesondert und schreiben mit ǫp=0 = 0 X 1 N = −1 + n(ǫpi ). (3.59) z −1 i pi 6=0 • Den Anteil pi 6= 0 behandeln wir wie gehabt mittels Kontinuumslimes,7 Z V 1 d3 p n(ǫp ). (3.60) + N = −1 3 z − 1 (2π~) • Dies führt zu 1 v g3/2 (z) + N z −1 − 1 λ3 oder, ausgedrückt durch Tc , 3/2 g3/2 (z) T 1 + N . N= −1 − 1 z T (v) g (1) c 3/2 | {z } | {z } N= N0 Teilchen im Grundzustand (3.61) (3.62) N ′ restliche Teilchen • Für T ≫ Tc ist z < 1 und N0 = 1 −1 z −1 endlich. In diesem Fall ist N0 vernachlässigbar gegenüber N ′ ≃ N . 6 Denken Sie an das Volumenelement in Impulsraumkugelkoordinaten. Der Anteil für kleine aber endliche pi wird dadurch im thermodynamischen Limes korrekt erfasst. 7 3.4. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION • Für T ≪ Tc ist 113 N≃ 1 , z −1 − 1 1≃ 1/N z −1 − 1 also und somit z≃ 1 N 1 ≃ 1 − O(1/N ). +1 (3.63) Im thermodynamischen Limes ist also bei und unterhalb Tc die Fugazität z = 1. • Sinkt die Temperatur unter Tc , so nehmen immer mehr Teilchen den Zustand p = 0 an. Man nennt diesen Effekt Bose-EinsteinKondensation. • Da um Tc herum z ≃ 1, gilt für die Teilchenanzahl im Kondensat mit (3.62) " 3/2 # T N0 = N 1 − . (3.64) Tc (v) • Der Kondensatanteil sei definiert durch ν0 = Nlim →∞ v fest • √ N0 = N ( 0 1− T Tc (v) falls T > Tc (v) 3/2 falls T < Tc (v) . (3.65) ν0 wird als Ordnungsparameter bezeichnet, da er die Ordnung des Systems beschreibt. Er spielt eine Rolle bei der Charakterisierung von Phasenübergängen. Die Bose-Einstein-Kondensation ist ein Phasenübergang (s.u.). 114 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME √ ν0 ν0 T /Tc • Mit (3.19) für spinlose Teilchen, V /N g5/2 (z) N kT, λ3 folgt mit g5/2 (1) = 1.342, die thermische Zustandsgleichung kT g5/2 (z), T > Tc . (3.66) P = 3 1.342, T < Tc λ P V = −Φ = • Da λ3 v = g3/2 (z) für T > Tc können wir auch P = kT g5/2 (z) , v g3/2 (z) T > Tc (3.67) schreiben. • Für kleine z ist g5/2 (z) ≃ g3/2 (z), sodass wieder der Grenzfall des klassischen, idealen Gases folgt, P V = N kT . • Das P T -Diagramm des idealen Bose-Gases sieht qualitativ wiefolgt aus: 3.4. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION P 115 T < Tc , P = 1.342 kT /λ3 ∼ T 5/2 kT /v2 kT /v1 T • In der Abbildung sind Isochore (v = const) eingezeichnet, wobei v1 > v2 . Die Isochore münden bei der entsprechenden kritischen Temperatur T = Tc in die Kurve P = 1.342 kT /λ3 ∼ T 5/2 . • Man beachte, dass — anders als beim Fermi-Gas — P → 0 für T → 0. • Wir berechnen nun die Entropie des idealen Bose-Gases. Mit (3.66) folgt für T > Tc ∂P V ∂Φ = S = − ∂T V,µ ∂T V,µ k kT ∂λ kT ∂g5/2 ∂z = V g5/2 (z) − 3 4 g5/2 (z) + 3 λ3 λ ∂T λ ∂z ∂T 3 k k g5/2 (z) + 3 k g5/2 (z) − βµ . = V λ3 2λ v Hierbei wurde im letzten Schritt g3/2 (z) = λ3 /v und ∂gν /∂z = 116 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME gν−1 /z ausgenutzt. Wir haben also 5 v S = Nk g5/2 (z) − ln z , 2 λ3 • Für T < Tc findet man S= T > Tc . 5 v Nk g5/2 (1) . 3 {z } | 2 λ |{z} 1.342 (3.68) (3.69) 1/g3/2 (z) • Für v =const gilt mit (3.57) λ3 (T ) λ3 (Tc ) = , g3/2 (z) g3/2 (1) sodass man auch schreiben kann 3 5 λ(Tc ) g5/2 (1) S = Nk , 2 λ(T ) g3/2 (1) bzw. 5 S = Nk 2 T Tc 3/2 g5/2 (1) , g3/2 (1) T < Tc T < Tc . (3.70) • Man sieht, dass auch hier S → 0 für T → 0, wie es sein muss. • Für die Wärmekapazität folgt 15 g5/2 (z) 9 g3/2 (z) − , T > Tc 4 g3/2 (z) 4 g1/2 (z) ∂S 3/2 = Nk CV = T . g (1) 15 T ∂T N,V 5/2 , T < Tc 4 g (1) T c 3/2 (3.71) • Die Wärmekapazität ist also unterhalb Tc proportional zu T 3/2 . • Für große Temperaturen wird z klein und g5/2 (z) ≃ g3/2 (z) ≃ g1/2 (z), sodass das Ergebnis für das klassische, ideale Gas, CV = 3N k/2 resultiert. 3.4. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION 117 • Die Ableitung von CV nach T springt bei T = Tc . Daher handelt es sich bei der Bose-Einstein-Kondensation tatsächlich um einen Phasenübergang. CV 3 2Nk T = Tc T • Schaut man sich den Ausdruck für die kritische Temperatur (3.58) an, 2π~2 /m kTc = , (2.612v)3/2 so würde man bei der experimentellen Verifikation von BoseEinstein-Kondensation es zunächst mit leichten Elementen (d.h. m klein) und hohen Dichten (d.h. v klein) versuchen, um Tc möglichst hoch zu treiben. • Bei 4 He würde man naiv Bose-Einstein-Kondensation bei Tc = 3.14 K erwarten. Allerdings ist bei Helium die Wechselwirkung zwischen den He-Atomen nicht vernachlässigbar. Es handelt sich also nicht um ein ideales Bose-Gas. Stattdessen beobachtet man bei Helium Superfluidität. 118 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Die erste experimentelle Realisierung eines Bose-EinsteinKondensats gelang erst 1995 mit Rb-Atomen. Die Schwierigkeit war, Kühlmethoden zu finden, die T ≤ Tc = 170 × 10−9 K erlaubten. 2001 ging der Nobel-Preis dafür an Eric A. Cornell, Wolfgang Ketterle und Carl E. Wieman. 3.5 Photonengas • Die Dispersionsrelation für Photonen lautet ǫp = c|p| = c~|k| = ~ωk , ωk = c|k|. (3.72) Hierbei ist k der Wellenvektor, ωk die Frequenz und p = ~k der Photonenimpuls. • Photonen haben Spin s = 1 (Bosonen), allerdings nur zwei Projektionen des Spins auf die Ausbreitungsrichtung (sog. Helizität). Daher ist gs = 2 (und nicht etwa 2s + 1 = 3). Diese zwei Freheitsgrade pro k entsprechen den beiden Polarisationsrichtungen ⊥ k, die wir auch von elektromagnetischen Wellen im Vakuum her kennen. • Photonen wechselwirken (in sehr guter Näherung) nicht untereinander. • Das Photonengas kommt durch Wechselwirkung mit Materie (Absorption und Emission) ins thermische Gleichgewicht. Dabei stellt sich die mittlere Photonenzahl N entsprechend T und V ein. • Die Quantisierung des Strahlungsfeldes8 liefert den HamiltonOperator X Ĥ = ǫp n̂p,λ , λ = 1, 2. (3.73) p,λ λ = 1, 2 indiziert die beiden Polarisationsrichtungen senkrecht zu p = ~k. 8 Wird in der “Quantentheorie für Fortgeschrittene” behandelt. 119 3.5. PHOTONENGAS • n̂p,λ ist wieder der Besetzungszahloperator, diesmal bzgl. einer Mode (p, λ). Jede Mode entspricht einem quantisierten harmonischen Oszillator, in dem eine gewisse Anzahl Quanten ~ωk angeregt sind. Diese Quanten interpretieren wir als Teilchen und nennen sie Photonen. • Wir führen die Berechnung im kanonischen Ensemble durch, Z = Sp e −β Ĥ = ∞ YX e−βǫp np . (3.74) p np =0 Hier haben wir die Spur wieder in Besetzungszahldarstellung ausgewertet und die Abkürzung p = (p, λ) verwendet. • Da wir diese Art von Rechnung nun schon mehrfach durchexerziert haben, können wir sofort das Ergebnis hinschreiben, !2 Y 1 Z= . (3.75) −βǫp 1 − e p Die Potenz 2 kommt von den beiden möglichen Polarisationsrichtungen. • Wir berechnen nun die freie Energie: 2X F (T, V ) = −kT ln Z = ln(1 − e−βǫp ) β p6=0 Z ∞ 2 V = 4π dp p2 ln(1 − e−βǫp ) 3 β (2π~) Z0 ∞ 2 V dx x2 = 4π ln(1 − e−x ), 3 2 2 β (2π~) βc β c 0 4 Z ∞ V (kT ) dx x2 ln(1 − e−x ). = 2 3 π (~c) 0 x = βǫp = βcp Hier benutzen wir den Kontinuumslimes.9 9 Eine mögliche Bose-Einstein-Kondensation von Photonen, die wir damit nicht berücksichtigen, ist ein aktuelles Forschungsgebiet, das wir allerdings hier nicht betrachten wollen. 120 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Das Integral lässt sich partiell integrieren. Das Ergebnis hängt mit der Riemann-ζ-Funktion zusammen: Z ∞ dx x2 ln(1 − e−x ) 0 ∞ Z ∞ 1 3 1 3 e−x −x = x ln(1 − e ) − dx x 3 3 1 − e−x 0 0 Z ∞ e−x 1 dx x3 = − 3 0 1 − e−x ∞ X 1 π4 = −2ζ(4) = −2 =− . 4 n 45 n=1 • Also lautet die freie Energie des Photonengases V (kT )4 π 2 4σ F (T, V ) = − = − V T 4. 3 45(~c) 3c (3.76) • σ ist die Stefan-Boltzmann-Konstante π2k4 . (3.77) 60~3 c2 Hier ist k die Boltzmann-Konstante (und nicht etwa die Wellenzahl |k|). σ= • Nach bekanntem Schema folgt aus dem thermodynamischen Potential (hier F ) der Rest, u.a. die Entropie ∂F 16σ S=− = V T 3, (3.78) ∂T V,N 3c die Energie (kalorische Boltzmann-Gesetz) Zustandsgleichung, 4σ V T 4, c der Druck (thermische Zustandsgleichung) 4σ 4 ∂F P =− T , = ∂V T,N 3c E = F + TS = Stefan- (3.79) (3.80) 121 3.5. PHOTONENGAS und die Wärmekapazität CV = T • Man sieht, dass ∂S ∂T = V,N 16σ V T 3. c E = 3P V, (3.81) (3.82) und nicht, wie bisher immer, E = 3P V /2 (s. Abschnitt 3.5.3). • Der Strahlungsdruck (3.80) spielt in unserer Erfahrungswelt keine Rolle, aber beispielsweise in Sternen. Plancksches Strahlungsgesetz 3.5.1 • Von unseren allgemeinen Betrachtungen zum Bose-Gas her (s. Abschnitt 3.2) wissen wir bereits die mittlere Besetzungszahl in einer Mode (p, λ): 1 hnp,λ i = βǫp . (3.83) e −1 • Die Anzahl der besetzten Zustände im Impulsraumintervall [p, p+ dp] (hier sei nun p = |p|) ist (mit gs = 2) hnp,λ i 2V V 2V 3 2 d p = hn i 4πp dp = hn i p2 dp. p,λ p,λ 3 3 2 3 (2π~) (2π~) π ~ • Mit p = ~ω/c wird dies zu 2V V ω 2 dω 3 hnp,λ i . d p = 2 3 ~ω/kT (2π~)3 π c e −1 • Da E= X p,λ folgt E X ~ω = hnp,λ i = V V p,λ Z (3.84) ǫp hnp,λ i, ~ ω3 dω 2 3 ~ω/kT . π c e − 1 {z } | u(ω) (3.85) 122 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • u(ω) heißt spektrale Energiedichte (d.h. Energie pro Volumen und Frequenzintervall [ω, ω + dω]), u(ω) = ω3 ~ . π 2 c3 e~ω/kT − 1 (3.86) • Für p → 0 geht ǫp → 0 und hnp,λ i → ∞. Da jedoch in der Zustandsdichte ω 2 steht bzw. in der spektralen Energiedichte ω 3 , ist diese “Infrarotdivergenz” unproblematisch. • Man kann sich leicht davon überzeugen, dass die spektrale Energiedichte ein Maximum bei ~ωmax = 2.82 kT (3.87) hat. Das Maximum verschiebt sich also mit steigender Temperatur hin zu höheren Frequenzen, also kürzeren Wellenlängen (Wiensches Verschiebungsgesetz). u(ω) T1 < T2 < T3 T3 T2 T1 ω 0 • Für ~ω ≪ kT finden wir das Rayleigh-Jeans-Strahlungsgesetz kT ω 2 uRJ (ω) = 2 3 π c (3.88) 123 3.5. PHOTONENGAS wieder. ~ kürzt sich heraus. Planck führte diskrete Energiequanten ~ω ein, um die sog. “Ultraviolettkatastrophe” im RayleighJeans-Strahlungsgesetz zu korrigieren. Für ω → ∞ sagt dieses R∞ nämlich das unsinnige Ergebnis 0 uRJ (ω) dω → ∞ voraus. • Für ~ω ≫ kT gilt ~ω 3 −~ω/kT uW (ω) = 2 3 e . π c (3.89) Dies ist das Wiensche Gesetz, das bereits vor Planck empirisch eingeführt worden war, um die Ultraviolettkatastrophe zu vermeiden (natürlich noch ohne ~ darin). 3.5.2 Schwarzer Körper • Ein schwarzer Körper sei ein Körper, der jegliche einfallende Strahlung absorbiert. Man denke an einen Hohlraum, dessen Innenwände schwarz sind. • Sperrt man in einen solchen Hohlraum Strahlung ein, so wird sich durch vielfache Absorption und Emission ein thermisches Gleichgewicht mit den Wänden einstellen. Die resultierende Hohlraumstrahlung ist isotrop, da es keine Vorzugsrichtungen gibt. • Wir betrachten ein Flächenelement dA und interessieren uns für die Anzahl Photonen einer Mode, die durch dA hindurchtritt. Dieses Flächenelement mag man sich als eine kleine Öffnung in der Hohlraumwand vorstellen. Wir interessieren uns also dafür, welche Wärmestrahlung der schwarze Körper emittiert. 124 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME θ θ z dA c dt • Man findet anhand der Abbildung für die Anzahl der in der Zeit dt durch die Fläche dA hindurchtretenden Photonen mit Impulsen ∈ [p, p + dp] c dt dA cos θ hnp,λ i d3 p (2π~)3 bzw. für die Energie pro Zeit und Fläche d3 p ~ω c cos θ hnp,λ i . (2π~)3 • Die Energie pro Zeit und Fläche im Frequenzintervall [ω, ω + dω], die durch die Fläche hindurch in das Raumwinkelelement dΩ emittiert wird, schreiben wir als d3 p I(p, λ) dΩ dω = ~ω c cos θ hnp,λ i , (2π~)3 wobei alle Impulse durch Frequenzen auszudrücken sind. 125 3.5. PHOTONENGAS • Mit p = ~k, k = |k| = ω/c folgt dω dΩ k 2 dk dΩ ~ω 3 = cos θhn i . I(k, λ) dΩ dω = ~ω c cos θ hnp,λ i k,λ (2π)3 c2 (2π)3 • Nun integrieren wir den Raumwinkel aus, Z Iλ (ω) dω = I(k, λ) dΩ dω Z 1 ~ω 3 dω η dη hnk,λ i = 2π 2 c (2π)3 | 0 {z } 1/2 3 ~ω 1 hnk,λ idω c2 8π 2 c = u(ω) dω. 8 = Hier haben wir η = cos θ gesetzt und nur über den Halbraum, in den die Strahlung aus der Fläche austritt, integriert. • Summieren wir noch über die Polarisationsrichtungen, erhalten wir den frequenzaufgelösten Energiestrom (Intensität) I(ω) = 2 X λ=1 Iλ (ω) = c u(ω). 4 (3.90) • Die gesamte abgestrahlte Intensität (Energie pro Zeit und Fläche) ist (Stefan-Boltzmann-Gesetz) Z ∞ Itot = I(ω) dω = σT 4 . (3.91) 0 3.5.3 Besonderheiten beim Photonengas • Wir können beim Photonenengas die Teilchenzahl N nicht fest vorgeben. Vielmehr stellt sie sich bei vorgegebener Temperatur T durch die Wechselwirkung mit der Umgebung (z.B. den Atomen 126 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME in den schwarzen Wänden des Hohlraums) selbst ein. Man findet für den Erwartungswert der Teilchenzahl Z ∞ X 1 dω ω 2 V N = 2 = eβcp − 1 π 2 c3 0 e~ω/kT − 1 p6=0 3 2ζ(3) kT = V , π2 ~c also N (T ) = 0.244 V kT ~c 3 . (3.92) • Die Tatsache, dass wir die Teilchenzahl nicht fest vorgeben können, bedeutet nicht, dass wir nicht kanonisch rechnen könnten, denn die Beziehungen zwischen Zustandsgrößen sind im thermodynamischen Limes unabhängig vom Ensemble. • Verwendet man (3.80), erhalten wir PV = 4σ V T 4 = 0.9 N (T ) kT. 3c (3.93) Im Gegensatz zu Gasen von Teilchen, bei denen für N ein Erhaltungssatz gilt, wird bei den Photonen N durch T bestimmt. Ansonsten ist der Druck pro Teilchen fast so, wie beim klassischen idealen Gas, P V ≃ N kT . • Verwendet man (3.78), erhalten wir S = 3.6 N (T ) k. (3.94) • Da Photonen die Ruhemasse m = 0 haben, √ können wir nicht die “übliche” thermische Wellenlänge λ = h/ 2πmkT heranziehen. Wir betrachten stattdessen λ= 2π 2π~ 2πc~ 2πc~ = = = . |k| p ǫp ~ω (3.95) 127 3.5. PHOTONENGAS • Die Frequenzen sind gemäß dem Planckschen Strahlungsgesetz verteilt. Das Maximum liegt laut Wienschem Verschiebungsgesetz bei ~ωmax = 2.82 kT. Eingesetzt in (3.95), definiert uns dies die thermische Wellenlänge des Photonengases λ̄ = 2π~c 0.510 = [cm]. 2.82 kT T [K] (3.96) • Der Erwartungswert für die Photonenzahl lässt sich damit auch als V N = 2.70 3 (3.97) λ̄ ausdrücken. • Wir unterscheiden zwischen klassischem Regime und Quantenregime je nachdem, ob λ3 ≪1 V /N → klassisch, oder nicht. Nun haben wir beim Photonengas λ̄3 = 2.70 > 1. V /N (3.98) Daher sind Photonen in diesem Sinne nie klassisch. • Wir haben beim Photonengas E = 3P V herausbekommen. Mit gs = 3 wären die üblichen E = 3P V /2 herausgekommen. Bei Photonen gilt gs = 2, da m = 0.10 Somit verrät uns die (experimentell überprüfte) Gültigkeit des Stefan-Boltzmann-Gesetzes, dass die Photonenruhemasse 0 ist bzw. aus irgendwelchen Gründen sog. “longitudinale Photonen” nicht mit unserer (bekannten) Materie wechselwirken. 10 Dies wird in der “Quantentheorie für Fortgeschrittene” diskutiert. 128 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Für das chemische Potential des Photonengases folgt (→ Übung) µ = 0. 3.5.4 (3.99) Kosmischer Mikrowellenhintergrund • Der kosmische Mikrowellenhintergrund (Penzias & Wilson 1964, Nobelpreis 1972) ist in sehr guter Näherung Schwarzkörperstrahlung, gehorcht also dem Planckschen Strahlungsgesetz mit einer Temperatur T0 = 2.728 ± 0.001 K. (3.100) • Aus dem Wienschen Verschiebungsgesetz (3.87) folgt mit ~ωmax = 2.82 kT0 und ωmax = 2πc/λmax die Wellenlänge λmax = 2 mm. Es handelt sich also tatsächlich um Mikrowellen. • Für die totale Energiedichte, die heute im kosmischen Mikrowellenhintergrund “steckt”, finden wir Z E = dω u(ω) = 4.17 · 10−14 J/m3 = 0.25 MeV/m3 . (3.101) V • Im Vergleich zu den anderen relevanten Energiedichten ist dies ein kleiner Wert, abgesehen vom Sternenlicht: Baryonische Materie Dunkle Materie Dunkle Energie Sternenlicht 4.1 · 10−11 J/m3 10 · 10−11 J/m3 64 · 10−11 J/m3 0.4 · 10−14 J/m3 . • Im frühen Universum (bis ca. 400.000 Jahre) hat hingegen Strahlung dominiert. 129 3.5. PHOTONENGAS Expansion des Universums • Wir führen einen zeitabhängigen Skalenparameter a(t) ein und schreiben das zeitabhängige Volumen des Universums als V (t) = a(t)3 V (t0 ), (3.102) wobei t0 “heute” sei, a(t0 ) = 1. • Wie ändert(e) sich die Temperatur im Universum? Da keine Wärme von außen zu- oder abfließen kann, gilt dE = δQ −P dV, |{z} 0 also dV dE = −P . dt dt • Mit (3.79) und (3.80), E= 4σ V T 4, c P = 4σ 4 T , 3c folgt dE dT dV 4σ dV 4 4σ dV ! = −P = T + 4V T 3 = − T4 . dt c dt dt dt 3c dt Trennung der Variablen führt zu − also − Da V ∼ a3 , gilt 1 dT 1 dV = , 3V dt T dt 1d d ln V = ln T. 3 dt dt − d d ln a = ln T, dt dt sodass T (t) = T (t0 ) . a(t) (3.103) 130 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Da E/V = 4σ 4 c T , folgt, dass sich die Energiedichte wie E 1 ∼ V a(t)4 (3.104) verhält. • Man könnte vermuten, die Energiedichte fällt wie ∼ a−3 ab. Wieso schneller? Dazu bemerken wir, dass λ(t) = λ(t0 )a(t), ω(t) = ω(t0 )/a(t), und wir schauen uns nochmal (3.101) explizit an: ∼a−3 z}|{ Z ω3 ~ E ∼ a−4 . = |{z} dω 2 3 V π c exp(~ω/kT ) − 1 ∼a−1 | {z } (3.105) ∼a0 Die funktionale Abhängigkeit von u(ω) ändert sich also nicht, aber die Amplitude ∼ ω 3 ∼ a−3 und ωmax ∼ a−1 . Früher war also die kosmische Hintergrundstrahlung heißer, intensiver und kurzwelliger. • Wir nehmen hier an, dass die Naturkonstanten tatsächlich konstant sind, waren und bleiben werden. Dies ist keineswegs selbstverständlich. Woher kommt der Mikrowellenhintergrund? • Aus (3.92) folgt für die Photonendichte 3 N kT nγ = = 0.244 . V ~c • Heute: nγ (t0 ) = 3.8 · 108 m−3 , also ca. 400 Photonen pro cm3 . (3.106) (3.107) 131 3.5. PHOTONENGAS • Im Schnitt gibt es mehr Photonen pro Volumen als Baryonen, nBM = 0.22 m−3 , (3.108) allerdings sind die Photonen weniger energetisch und die Baryonen kommen “geklumpter” vor. • Das Verhältnis von baryonischer Dichte zu Photonendichte bleibt erhalten, nBM ηBM/γ = = 5.8 · 10−10 . (3.109) nγ • Wir nehmen an, das frühe Universum bestand nur aus Photonen und Wasserstoff. Hinreichend energetische Photonen γ mit ~ω > 13.6 eV können neutralen Wasserstoff ionisieren, d.h. in ein Proton p und ein Elektron e− zerlegen. Dabei wird das Photon absorbiert. Rekombiniert ein Elektron mit einem Proton, so bildet sich wieder ein Wasserstoffatom, und ein Photon γ wird emittiert. Im Gleichgewicht gilt γ + H ⇋ p + e− . • Solange T hoch genug war, gab es viele energetische Photonen, sodass Materie hauptsächlich ionisiert vorlag, d.h. als sog. Plasma. • In dieser Phase machten die Photonen hauptsächlich ThomsonStreuung an den freien Elektronen, wegen der hohen Elektronendichte mit geringer freien Weglänge. Das Universum war also “undurchsichtig” für Photonen (“opak”). • Mit der Expansion des Universums sank die Anzahl der Photonen mit ~ω > 13.6 eV, wodurch die Anzahl der freien Elektronen sank und somit auch die Wechselwirkung zwischen Photonen und Atomen. Das Universum wurde “durchsichtig”, Strahlung und Materie entkoppelten sich. 132 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Jetzt mehr quantitativ. Für die massebehafteten Teilchen p, e und H betrachten wir die mittlere Besetzungszahl für klassische, verdünnte Gase, n(p) = e−β(p 2 /2m+Vm −µ) . (3.110) Vm ist eine typische innere Energie der Teilchensorte mit Masse m, da wir auch m = mH , also die Masse eines “zusammengesetzten” Teilchens wie das H-Atom, zulassen. • Die Gesamtteilchendichte ist 3/2 Z 1 mkT 2 n= 4πp n(p) dp = e−βVm eβµ . 3 2 (2π~) 2π~ • Lassen wir noch einen Entartungsfaktor gj zu, so hat man für jede Teilchensorte j die Dichte nj = gj • Wir haben mj kT 2π~2 3/2 e−βVmj eβµj . (3.111) j = p, e, H, also Protonen, Elektronen und Wasserstoffatome. Es gilt ge = gp = 2, da der Spin s = 1/2 ist für p und e. • Für das Wasserstoffatom haben wir gH = 4, da der Gesamtdrehimpuls J = 0 oder 1 ist, mit mJ = 0 bzw. mJ = −1, 0, 1. 133 3.5. PHOTONENGAS • Wir bilden nun 3/2 1 1/me da mp ≃mH }| { z 3/2 −3/2 z}|{ gH mH nH kT = np ne gp ge mp me 2π~2 " # Q=13.6 eV 0 }| { z z }| { × exp β(Vmp + Vme − VmH ) exp β(−µp − µe + µH ) . Q ist die Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms, und im chemischen Gleichgewicht gilt µ p + µe = µ H + µγ . |{z} 0 • Damit folgt die Saha-Gleichung −3/2 me kT nH = eβQ . 2 np ne 2π~ (3.112) • Wir bringen nun die Konstante ηBM/γ ins Spiel. Der Ionisationsgrad ist definiert als X= ionisiert vorliegende Materie . insgesamt vorliegende Materie (3.113) In unserem Fall also X= ne np np = . = np + nH nBM nBM | {z } (3.114) nBM Der letzte Schritt folgt aus der Ladungsneutralität np = ne . • Wir erhalten nH = 1−X np , X (3.115) 134 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME 1−X = np X Mit ηBM/γ = folgt me kT 2π~2 −3/2 eβQ . np nBM = nγ Xnγ −3/2 1−X me kT = Xnγ ηBM/γ eβQ . 2 | {z } 2π~ X (3.116) np • Wir definieren uns den Strahlungs-Materie-Entkopplungszeitpunkt t∗ durch 1 X(t∗ ) = , 2 d.h. die Hälfte aller Elektronen sind in atomarem Wasserstoff gebunden, die andere Hälfte ist (noch) frei. • Mit (3.116) gilt dann 1 1 = n∗γ ηBM/γ 2 me kT ∗ 2π~2 −3/2 ∗ eQ/kT , wobei die gesternten Größen jeweils zum Zeitpunkt t∗ gemeint sind. • Mit (3.106), folgt 3 N kT nγ = , = 0.244 V ~c 1 = 1.92 ηBM/γ kT ∗ me c 2 3/2 ∗ eQ/kT . (3.117) • Uns interessiert die Entkopplungstemperatur T ∗ . Gleichung (3.117) lässt sich nicht in geschlossener Form nach T ∗ auflösen, aber numerisch findet man kT ∗ = 0.323 eV ⇒ T ∗ ≃ 3700 K. (3.118) 135 3.6. PHONONEN • Mit a(t∗ ) = T0 /T ∗ [s. (3.103)] erhalten wir a(t∗ ) ≃ 3K ≃ 0.8 · 10−3 . 3700 K (3.119) Das Volumen des Universums war also zur Strahlungs-MaterieEntkopplungszeit a(t∗ )3 ≃ 5 · 10−10 mal kleiner als heute. • Die funktionale Abhängigkeit von a(t) von t bekommen wir durch diese Betrachtungen nicht heraus.11 • Messungen zeigen, dass t∗ ≃ 480 000 y (3.120) (Jahre) nach dem Urknall beträgt. • Die Mikrowellenphotonen, die wir heute “sehen”, waren also t0 − t∗ = (13 730 000 − 480) · 103 y zu uns unterwegs. 3.6 Phononen • Phononen sind quantisierte Gitterschwingungen. Wie bei den Photonen auch, kann man Phononen in erster Näherung als Anregungsquanten ~ωk,λ in einem harmonischen Potential auffassen. Bei den Photonen kommt man durch Quantisierung des elektromagnetischen Feldes (jede Feldmode entspricht einem harmonischen Oszillator)12 zu diesem Bild. Bei den Phononen werden die Normalschwingungen des Gitters quantisiert. 11 H(t) = ȧ(t)/a(t) ist die sog. Hubble-”Konstante”. Wäre die Expansion gleichförmig, also die Hubble-Konstante wirklich konstant, so würde ihr heutiger Wert auf ein Alter des Universums von Tu = 1/H(t0 ) ≃ 13.3 · 109 y schließen lassen. Durch den Materieinhalt des Universums gibt es eine Korrektur, und es gilt eher T̃u ≃ 13.73 · 109 y. 12 Wird in der Vorlesung “Quantentheorie für Fortgeschrittene” behandelt. 136 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Wie in der Abbildung dargestellt, denken wir uns einen Festkörper durch N Massen (Atome) aufgebaut, die miteinander wechselwirken (angedeutet durch “Federn”). • Durch den Übergang zu Normalkoordinaten, welche die möglichen Eigenschwingungen beschreiben, gelangt man nach zweiter Quantisierung13 zum Hamilton-Operator X 1 . (3.121) Ĥ = Ŵ0 (V ) + ~ωk,λ n̂k,λ + 2 k,λ Hierbei sei Ŵ0 (V ) die potentielle Energie in der Gleichgewichtslage, die von V abhängt. Z.B. erhöht sich bei Verkleinern des Volumens die Energie, die in den stärker gestauchten “Federn” steckt. n̂k,λ sei der Besetzungszahloperator für die Schwingungsmode (k, λ). • Im Gegensatz zum Photonengas haben wir nun λ = 1, 2, 3 Polarisationsmöglichkeiten. 13 Wird in der Vorlesung “Quantentheorie für Fortgeschrittene” behandelt. 137 3.6. PHONONEN • Schwingen die Massen parallel zum Wellenvektor, so sprechen wir von longitudinalen Phononen. Wir wählen dafür den Polarisationsindex λ = 1. • Schwingen die Massen senkrecht zum Wellenvektor, so sprechen wir von transversalen Phononen. Wir indizieren die zwei linear unabhängigen Möglichkeiten mit λ = 2, 3. • Die möglichen Wellenvektoren k sind bei N endlich vielen Massen diskret. Wir haben N Gitterpunkte im Ort, an denen die N Massen sitzen14 Beim Übergang in den k-Raum (“reziproker Raum”) bleibt diese Anzahl Gitterpunkte erhalten. Für unendlich ausgedehnte Systeme gilt N → ∞, und k wird kontinuierlich. • N Möglichkeiten für k und drei für λ liefert 3N Freiheitsgrade. • Da mehr als ein Quant in einer Mode angeregt werden kann, sind Phononen bosonisch. • Die Berechnung der kanonischen Zustandssumme läuft analog zum Photonengas. Wir nehmen hier (aus Gründen, die später klar werden) die Grundzustandsenergie mit. Die Mode sei wieder durch k = (k, λ) zusammengefasst. Die Spur bilden wir wieder in Besetzungszahldarstellung. Wir erhalten Z = Sp e −β Ĥ = e−βW0 = e Y −βW0 ∞ YX e−β~ωk /2 = e−βW0 k e−β~ωk nk =0 k Y k nk =0 ∞ X e−β~ωk (nk +1/2) e−β~ωk /2 1 . 1 − e−β~ωk nk • Die freie Energie F = −kB T ln Z lautet X ~ωk −~ωk /kB T . + kB T ln 1 − e F = W0 (V ) + 2 (3.122) k 14 Wir beschränken uns hier auf den einfachsten Fall von einem Teilchen pro Einheitszelle. 138 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME Hier haben wir zur besseren Unterscheidbarkeit ausnahmsweise kB für die Boltzmann-Konstante geschrieben. • Die innere Energie ist ∂ F ∂ ln Z = E = − ∂β ∂β kB T V,N V,N ∂ F ∂T ∂ F = −T 2 = ∂β ∂T kB T V,N ∂T T V,N ( ) X ∂ ~ωk W0 (V ) = −T 2 + + kB ln 1 − e−~ωk /kB T ∂T T 2T k = W0 + X ~ωk k also 2 E = W0 + 2 − T kB X ~ωk 2 | k {z } E0 X − k~ωTk2 e−~ωk /kB T B + 1 − e−~ωk /kB T k X |k ~ωk e~ωk /kB T − 1 {z } P k , . (3.123) ~ωk nk • Nicht überraschend gliedert sich die innere Energie in einen Anteil potentielle Energie in der Gleichgewichtslage W0 , die Nullpunktsenergie E0P und die gemäß Bose-Statistik besetzten Schwingungszustände k ~ωk nk . • Analog zur Zustandsdichte ν(ǫ) in Abschnitt 3.3.2 führen wir die auf Eins normierte Zustandsdichte g(ω), Z ∞ dω g(ω) = 1, (3.124) 0 ein: g(ω) = 1 X δ(ω − ωk ). 3N (3.125) k • Damit können wir die Energie (3.123) schreiben als Z ~ω E = W0 + E0 + 3N dω g(ω) ~ω/kT . e −1 (3.126) 139 3.6. PHONONEN • Die Dispersionsrelation von Phononen sieht in einfachen Fällen qualitativ so aus: long. ωkx ,λ ∼ | sin(kx a/2)| a trans. kx π/a • Hierbei haben wir beispielhaft ωk,λ in kx -Richtung gezeichnet. Ist die Gitterkonstante a, so läuft kx von −π/a bis π/a (erste Brillouin-Zone). kx setzt sich außerhalb der ersten BrillouinZone periodisch fort. Die longitudinale Mode und die zwei transversalen sind mit “long.” bzw. “trans.” gekennzeichnet. Bei perfekt kubischer Symmetrie sind die beiden transversalen Äste der Dispersionsrelation entartet. • Für kleine |k| gilt wegen des Sinus näherungsweise eine lineare Dispersionsrelation (wie bei Photonen), ωk,ℓ = cℓ |k|, ωk,t = ct |k|. (3.127) Hierbei steht cℓ für die longitudinale Schallgeschwindigkeit und ct für die transversale Schallgeschwindigkeit. Die beiden transversalen Moden fassen wir in einer Dispersionsrelation zusammen. • Bei niedrigen Temperaturen sind nur niederenergetische Phono- 140 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME nen mit kleinen ωk angeregt. Dann gilt 1 X δ(ω − cℓ |k|) + 2δ(ω − ct |k|) , k = |k| g(ω) = 3N k Z 1 V 2 = 4π dk k δ(ω − c k) + 2δ(ω − c k) ℓ t 3N (2π)3 Z 2 1 V 2 1 δ(ω/cℓ − k) + δ(ω/ct − k) , 4π dk k = 3N (2π)3 cℓ ct sodass V ω2 g(ω) = 6N π 2 2 1 + c3ℓ c3t ∼ ω2. (3.128) • Für niedrige Temperaturen, also ~ω ≫ 1, kT folgt für die innere Energie (3.126) Z ~ω E = W0 + E0 + 3N dω g(ω) ~ω/kT e −1 Z ∞ ~ω 3 2 1 V dω ~ω/kT . + = W0 + E0 + 3N 6N π 2 c3ℓ c3t e −1 0 • Man sieht, dass der Integrand gerade π 2 c3 u(ω) mit der bekannten spektralen Energiedichte für Photonen aus Abschnitt 3.5.1 entspricht. Wertet man das Integral aus, so erhält man V π2 1 2 E = W0 + E0 + (3.129) + 3 (kT )4 , 3 3 30~ cℓ ct also in der Tat ∼ T 4 , wie beim Photonengas. • Für hohe Temperaturen, also ~ω ≪ 1, kT 141 3.6. PHONONEN folgt E = W0 + E0 + 3N Z dω g(ω) = W0 + E0 + 3N kT = W0 + E0 + 3N kT, Z ~ω ~ω/kT |e {z } −1 ~ω ≃1+ kT dω g(ω) | {z } 1 (3.130) also das klassisch erwartete Ergebnis f N kT /2 mit f = 6 (warum?) +W0 + E0 . Man beachte, dass wir hier im Hochtemperaturgrenzfall keine Annahmen über g(ω) machen mussten. • Für die Wärmekapazität folgt dementsprechend 3 T falls ~ω/kT ≫ 1 (Debye) CV ∼ . (3.131) 3N k falls ~ω/kT ≪ 1 (Dulong-Petit) • Die normierte Zustandsdichte g(ω) hängt vom Kristall ab und sieht typischerweise wiefolgt aus: g(ω) van Hove Singularitäten ~ k ωk | = 0 |∇ Debye-Näherung ωD ω 142 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME • Wir hätten gerne eine Formel, die den gesamten Temperaturbereich abdeckt. • Debye schlug eine Interpolationsformel ∼ ω 2 vor, 3ω 2 gD (ω) = 3 Θ(ωD − ω). ωD R Die Normierung ist so, dass dω gD (ω) = 1. (3.132) • Damit dies im Niedrigtemperaturfall mit (3.128) konsistent ist, setzen wir die “Abschneidefrequenz” ωD so, dass 1 2 V 1 . (3.133) ωD−3 = + 18π 2 N c3ℓ c3t • Die innere Energie lautet damit Z ωD 3 ~ω ~ω 3 E = W0 + E0 + 3N 3 , y= dω ~ω/kT ωD 0 kT e −1 3 Z ~ωD /kT (kT ) kT ~y 3 ~3 9N dy = W0 + E0 + 3 ωD 0 ~ ey − 1 3 Z ~ωD /kT y3 kT dy y = W0 + E0 + 9N kT ~ωD e −1 0 (3.134) = W0 + E0 + 3N kT D(~ωD /kT ) . | {z } 6=1 → Quanteneffekte • Hier haben wir die Debye-Funktion Z 3 x y3 D(x) = 3 dy y x 0 e −1 (3.135) eingeführt. Sie wird Eins im Hochtemperaturgrenzfall. Für Abweichungen von Eins sind also Quanteneffekte verantwortlich. 3.6.1 Anharmonische Korrekturen • Nur für hinreichend kleine Auslenkungen ist das Wechselwirkungspotential der Atome im Kristall harmonisch. 143 3.6. PHONONEN • Ein realistischeres Wechselwirkungspotential sieht folgendermaßen aus (durchgezogen gezeichnet): V (r) r 7~ω/2 5~ω/2 3~ω/2 ~ω/2 • Für große Abstände nimmt die Anharmonizität zu. Der Gradient des Potentials (∼ der Kraft) wird kleiner als beim gestrichelt gezeichneten harmonischen Potential, welches das anharmonische Potential um die Gleichgewichtslage herum approximiert (man denke an eine überdehnte Feder, die keine Rückstellkraft mehr liefert). • Die Energieniveaus im gestrichelten, harmonischen Oszillatorpotential sind (gestrichelt) eingezeichnet. Die entsprechenden Niveaus im anharmonischen Potential sinken im Vergleich “nach unten” ab, und zwar umso mehr, je höher das Energieniveau ist, da das anharmonische Potential sich nach oben hin aufweitet. • Betrachten wir nun die Situation, wo N/V absinkt, d.h. der Abstand zwischen den Atomen ansteigt. 144 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME V (r) r • Die Gleichgewichtslage rückt hin zu größeren Abständen und das Potential weitet sich auf, wodurch die Energieniveaus absinken. • Diese Überlegungen motivieren dazu, ~ωk volumenabhängig zu machen, um anharmonische Effekte mit zu berücksichtigen. Die freie Energie (3.122) wird dann zu X ~ωk (V ) −~ωk (V )/kB T . + kB T ln 1 − e F = W0 (V ) + 2 k (3.136) • Der Druck lautet # " ~ −~ωk (V )/kB T X e ∂ωk ~ ∂F ∂W0 P = − =− − + kB T kB T −~ω (V )/k T B ∂V T ∂V 2 ∂V 1− e k k ∂W0 X 1 1 ∂ ln ωk = − − ~ωk (V ) + ~ω (V )/k T . k B ∂V 2 ∂V e − 1 k 145 3.6. PHONONEN ln ωk • Wir nehmen nun an, dass ∂ ∂V näherungsweise für alle Moden k gleich ist, 1 ∂ ln ωk 1 ∂ ln ωk = = −γ . (3.137) ∂V V ∂ ln V V • Die dimensionslose Materialkonstante ∂ ln ωk γ=− (3.138) ∂ ln V heißt Grüneisen-Parameter. • Für γ > 1 sinkt ωk bei zunehmendem Volumen, so wie oben diskutiert. • Für den Druck bekommen wir mit dem Grüneisen-Parameter γ X 1 1 ∂W0 + + ~ω (V )/k T ~ωk (V ) , P =− k B ∂V V 2 e − 1 {z } |k E−W0 wegen (3.123) und somit die Mie-Grüneisen-Zustandsgleichung P =− ∂W0 γ + (E − W0 ). ∂V V (3.139) • Der Beitrag der Phononen zur Energie ist EPhonon = E − W0 und somit ist der Beitrag der Phononen zum Druck γ PPhonon = EPhonon ⇒ PPhonon V = γEPhonon . V (3.140) (3.141) • Hier zwei Beispiele für γ: T [K] 0 20 65 283 LiF 1.70 1.60 1.59 1.58 NaCl 0.90 0.96 1.39 1.57 Wir sehen: materialabhängig kann γ mit sinkender Temperatur steigen oder fallen. 146 KAPITEL 3. IDEALE QUANTENSYSTEME Kapitel 4 Reale Systeme • Im Unterschied zu idealen Systemen gibt es in realen Systemen – Wechselwirkung zwischen den Teilchen, – evtl. innere Freiheitsgrade (d.h. keine Punktteilchen mehr), – Gemische. 4.1 Berücksichtigung innerer Freiheitsgrade • Wir betrachten ein Gas aus N Molekülen. Moleküle können sich, wie Punktteilchen auch, geradlinig gleichförmig bewegen (Translation), aber auch rotieren (Rotation) und vibrieren (Vibration). • Der Hamilton-Operator hat demnach die Gestalt N X p̂2n + Ĥ = 2m n=1 |{z} transl. Ĥinn,n | {z } innere Freiheitsgrade . (4.1) • Die kanonische Zustandssumme lautet bei klassischer Behandlung der Translation Z VN d3 p1 · · · d3 pN Sp inn e−β Ĥ . (4.2) Z(T, V, N ) = 3N (2π~) N ! Die inneren Freiheitsgrade werden also (quantenmechanisch) “ausgespurt”. 147 148 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Seien ǫinn,n die möglichen Energieeigenwerte für Teilchen n entsprechend der inneren Freiheitsgrade, dann liefert die Spurbildung mit den entsprechenden Energieeigenzuständen Z VN Z = d 3 p1 · · · d 3 pN 3N (2π~) N ! X XX hǫinn,1 |hǫinn,2 | · · · hǫinn,N | ··· × ǫinn,1 ǫinn,2 ( × exp −β ǫinn,N N X p̂2n /2m + Ĥinn,n n=1 ) × |ǫinn,N i |ǫinn,N −1 i · · · |ǫinn,1 i Z YX P VN 3 3 −β n p2n /2m = e−βǫinn,n . d p · · · d p e 1 N 3N (2π~) N ! n ǫ inn,n • Da die möglichen Einteilcheneigenenergien ǫinn,n für alle Moleküle gleich sind, folgt N Z X V 1 2 e−βǫinn . d3 p e−βp /2m Z = 3 N ! (2π~) | {z } |ǫinn {z } Ztrans (1)=V /λ3 Zinn (1) Hierbei sei V Ztrans (1) = V /λ = (2π~)3 3 Z d3 p e−βp 2 /2m mit der thermischen Wellenlänge λ die translatorische Zustandssumme für ein einzelnes Molekül und X e−βǫinn Zinn (1) = ǫinn die Zustandssumme bzgl. der inneren Freiheitsgrade eines Moleküls. Im Folgenden lassen wir das Argument (1) weg. 149 4.1. BERÜCKSICHTIGUNG INNERER FREIHEITSGRADE • Damit folgt N 1 V 1 N [Ztrans Zinn ] = Zinn Z = N! N ! λ3 N 1 V ≃ Zinn , N N e−N λ3 wobei im letzten Schritt die Stirling-Formel benutzt wurde. Wir erhalten also für die Zustandssumme N V e Zinn . (4.3) Z= N λ3 • Für die freie Energie gilt demnach V + ln Zinn . F = −kT ln Z = −N kT 1 + ln N λ3 (4.4) • Nimmt man an, dass die inneren Freiheitsgrade unabhängig von V sind (wann ist dies nicht mehr der Fall?), so folgt für den Druck ∂F P =− = N kT /V, ∂V T,N wie beim klassischen, idealen Gas. • Dies rechtfertigt, warum wir das ideale Gasgesetz auf zusammengesetzte Teilchen, wie z.B. Moleküle in der Luft, anwenden können, obwohl diese keine Punktteilchen sind. • Für die Entropie berechnen wir ∂F S = − ∂T V,N V = N k 1 + ln + ln Zinn N λ3 V ∂λ ∂ ln Zinn N λ3 −3 + +N kT V N λ4 |{z} ∂T ∂T = Nk λ − 2T 5 ∂ ln Zinn V + ln Z + T + ln inn 2 N λ3 ∂T . (4.5) 150 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Somit folgt für die innere Energie ∂ ln Zinn 3 . +T E = F + T S = N kT 2 ∂T (4.6) Wir sehen: im Vergleich zum klassischen, idealen Gas werden die innere Energie und die Entropie durch die inneren Freiheitsgrade modifiziert. Für Zinn = 1 erhalten wir das bekannte Ergebnis für das klassische, ideale Gas. • Für die Wärmekapazität findet man ∂E 3 ∂ 2 ∂ ln Zinn CV = = Nk T . + ∂T V,N 2 ∂T ∂T (4.7) • Das chemische Potential lautet (→ Übung, Zinn ist als Zustandssumme eines einzelnen Moleküls natürlich unabhängig von N ) ∂F V (4.8) Zinn . µ= = −kT ln ∂N T,V N λ3 Für Zinn = 1 erhalten wir das bereits bekannte Ergebnis (2.49). • Wir betrachten nun ǫinn bzw. Zinn . Wir nehmen an, dass die Moleküle undissoziiert vorliegen sollen, also ǫdiss ≫ kT. • Die Energie ǫinn besteht aus einem elektronischen Anteil ǫe , einem Rotationsanteil ǫrot und einem Vibrationsanteil ǫvib , ǫinn = ǫe + ǫrot + ǫvib . • Die Abbildung zeigt die Potentiale für Molekülvibrationen bei einem diatomischen Molekül. Der internukleare Abstand ist R. Gezeichnet ist das (bindende) Potential für den elektronischen (0) Grundzustand ǫe und einen angeregten, antibindenden elektronischen Zustand ǫ∗e . 151 4.1. BERÜCKSICHTIGUNG INNERER FREIHEITSGRADE V ǫ∗e R (0) ǫe ǫdiss (0) ǫvib (0) • Das Vibrationsgrundzustandsenergieniveau ist mit ǫvib gekennzeichnet. (0) • Wenn ǫdiss ≫ kT , dann typischerweise auch ǫ∗e − ǫe ≫ kT . Daher ist in guter Näherung das Molekül im elektronischen Grundzustand, und bei Vernachlässigung von Kopplungen zwischen Rotation und Vibration gilt (0) Zinn = e−ǫe 4.1.1 /kT Zrot Zvib . (4.9) Rotation Einschub: Rotator • Einfachstes Beispiel: diatomisches Molekül (“Hantel”, “starrer Rotator”). Klassisch beschreiben wir die Rotation wiefolgt: 152 KAPITEL 4. REALE SYSTEME m2 b θ ϕ R z a m1 r1 = −aR, r2 = bR, a + b = 1, cos ϕ sin θ cos ϕ sin θ r1 = −aR sin ϕ sin θ , r2 = bR sin ϕ sin θ , cos θ cos θ 1 1 L = m1 ṙ21 + m2 ṙ22 , 2 2 − sin ϕ sin θ cos ϕ cos θ ṙ1 = −aR ϕ̇ cos ϕ sin θ + θ̇ sin ϕ cos θ , 0 − sin θ ṙ21 = a2 R2 (ϕ̇2 sin2 θ + θ̇2 ), analog ṙ22 = b2 R2 (ϕ̇2 sin2 θ + θ̇2 ). Der Schwerpunkt sitze im Ursprung, m1 r1 + m2 r2 = 0, ⇒ −am1 + bm2 = 0. Mit a + b = 1 folgt b=1−a=a m1 , m2 a= m2 , m1 + m2 1 L = R2 (m1 a2 + m2 |{z} b2 ) ϕ̇2 sin2 θ + θ̇2 , 2 (1−a)2 und mit 1 − a = am1 /m2 1 1 2 2 m1 + m2 2 2 m21 2 2 2 2 2 L = R a m1 + ϕ̇ sin θ + θ̇2 , ϕ̇ sin θ + θ̇ = R a m1 2 m2 2 m2 {z } | 1/a also 1 L = R2 am1 ϕ̇2 sin2 θ + θ̇2 2 |{z} µ mit der reduzierten Masse µ= m1 m2 . m1 + m2 4.1. BERÜCKSICHTIGUNG INNERER FREIHEITSGRADE 153 Führen wir noch das Trägheitsmoment I = µR2 ein, so erhalten wir 1 L = I ϕ̇2 sin2 θ + θ̇2 . 2 Die kanonischen Impulse sind pθ = ∂L = I θ̇, ∂ θ̇ pϕ = ∂L = I ϕ̇ sin2 θ. ∂ ϕ̇ Mit H = pθ θ̇ + pϕ ϕ̇ − L folgt die Hamilton-Funktion des starren Rotators 1 H= 2I p2θ + p2ϕ sin2 θ !2 = L2ang 2I mit dem Drehimpulsvektor Lang . In quantisierter Form haben wir Ĥ = L̂2ang . 2I (4.10) • Die Eigenfunktionen von L̂2ang (und L̂ang,z ) sind die Kugelflächenfunktionen Ylm (Ω), wobei der “Raumwinkel” Ω die Winkel (θ, ϕ) zusammenfasse. Damit folgt ĤYlm (Ω) = ~2 l(l + 1) Ylm (Ω). 2I | {z } (4.11) ǫrot • Die Rotationsenergie ǫrot,l ~2 = l(l + 1) 2I (4.12) ist also unabhängig von der azimuthalen Quantenzahl m, sodass die entsprechenden Rotationsniveaus (2l + 1)-fach entartet sind. • Somit ist die Rotationszustandssumme Zrot = ∞ X l=0 (2l + 1) e−βǫrot,l = ∞ X l=0 2 ~ l(l + 1) . (2l + 1) exp − 2kT I 154 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Wir definieren uns die “Rotationstemperatur” Θrot ~2 = . kI (4.13) Damit wird Zrot zu Zrot = ∞ X (2l + 1) e−l(l+1)Θrot /2T . (4.14) l=0 • Bei niedrigen Temperaturen T ≪ Θrot sind nur Roationsniveaus mit kleinen Quantenzahlen l besetzt, also Zrot = 1 + 3 e−Θrot /T + 5 e−3Θrot /T + O( e−6Θrot /T ). (4.15) • Um den Hochtemperaturgrenzfall T ≫ Θrot auszuwerten, verwenden wir die Euler-MacLaurin-Summenformel Z ∞ n−1 ∞ X X (−1)k Bk (2k−1) 1 f (0) + Rn . dl f (l) + f (0) + f (l) = 2 (2k)! 0 k=1 l=0 (4.16) Hier ist Rn ein “Rest” (Integral über Bernoulli-Polynome), und für f (∞) = f ′ (∞) = · · · = 0 lauten die ersten beiden sog. Bernoulli-Zahlen B1 = 1/6, B2 = 1/30. f (2k−1) ist die (2k − 1)te Ableitung von f . • In unseren Fall ist f (l) = (2l + 1) e−l(l+1)Θrot /2T . • Der Integralterm in (4.16) liefert Z ∞ Z ∞ dl (2l + 1) e−l(l+1)Θrot /2T , dl f (l) = 0Z 0 ∞ T = 2 dx e−xΘrot /T = 2 . Θrot 0 Für T ≫ Θrot ist dies der Hauptbeitrag. x= l(l + 1) 2 4.1. BERÜCKSICHTIGUNG INNERER FREIHEITSGRADE • Der folgende Term ist 155 1 1 f (0) = . 2 2 • Dann der k = 1-Term 1 1 ′ Θrot 1 − 2 − (2l + 1) f (0) = − (2l + 1) e−l(l+1)Θrot /2T 6 2! 12 2T l=0 1 1 Θrot 1 Θrot = − = − + O[Θrot /T ]. 2− =− + 12 2T 6 24T 6 • Somit folgt für Θrot ≪ T Zrot = 2 1 T + + O[(Θrot /T )]. Θrot 3 (4.17) • In nächster Ordnung gilt (→ Übung) Zrot = 2 1 1 Θrot T + + + O[(Θrot /T )2 ]. Θrot 3 30 T (4.18) • Zur Berechnung des Rotationsbeitrages zur inneren Energie Erot benötigen wir ln Zrot . • Im Niedrigtemperaturfall T ≪ Θrot folgt aus (4.15) −Θrot /T −3Θrot /T ln Zrot = ln 1 + 3 |e {z } +5 |e {z } + · · · ε ε3 9 2 ε + O(ε3 ) 2 9 = 3 e−Θrot /T − e−2Θrot /T + O( e−3Θrot /T ). (4.19) 2 = 3ε − 156 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Im Hochtemperaturfall T ≫ Θrot folgt aus (4.18) mit der kleinen Größe ε = Θrot /T 1 2 1 + + ε + O(ε2 ) ln Zrot = ln ε 3 30 ε ε2 2 3 + O(ε ) = ln 1+ + ε 6 60 2 ε ε2 3 = ln + ln 1 + + + O(ε ) ε 6 60 2 ε 10ε2 = ln + + + O(ε3 ) (4.20) 2 ε 6 60 " 2 3 # Θrot Θrot Θrot 2T 1 . + = ln +O + Θrot 6T 360 T T • Für den Rotationsbeitrag zur inneren Energie folgt mit Erot = N kT 2 ∂ ln Zrot ∂T daher (→ Übung) −Θrot /T −2Θrot /T e − 3 e + · · · , 3N kΘ rot " # 2 Erot = Θrot 1 Θrot + ··· , N kT 1 − 6T − 180 T T ≪ Θrot T ≫ Θrot . (4.21) • Für den Rotationsbeitrag zur Wärmekapazität folgt mit ∂E CV = ∂T N,V (→ Übung) Θrot 2 −Θrot /T −Θrot /T 3N k e 1 − 6 e + · · · , T " (rot) # CV = Θrot 2 1 + ··· , Nk 1 + 180 T (rot) • CV T ≪ Θrot . (4.22) T ≫ Θrot /N k gegen T aufgetragen strebt für große T gegen 1 (warum?) und für T → 0 gegen Null. Die folgende Abbildung zeigt das Verhalten für kleine und große T (schwarz) und dazwischen (rot). 4.1. BERÜCKSICHTIGUNG INNERER FREIHEITSGRADE (rot) CV 157 /N k T /Θrot • Rotationsfreiheitsgrade sind bei Temperaturen deutlich unterhalb von Θrot nicht angeregt. • Typische Wellenlängen von Strahlung, die Rotationsfreiheitsgrade anregen sind λ = 0.1 - 1 cm (Mikrowellen), also entsprechend 0.1 - 1 meV. 4.1.2 Vibration • Nähern wir die Schwingungen durch einen harmonischen Oszillator an, so haben wir für die Eigenenergien 1 ǫvib = ~ω n + . (4.23) 2 • Wir nehmen vereinfachend an, dass Rotation und Vibration entkoppeln. Also ist ω unabhängig von l. • Wir führen wie bei der Rotation eine charakteristische Vibrationstemperatur ein, ~ω = kΘvib . (4.24) 158 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Damit folgt für die Zustandssumme Zvib = ∞ X e −(n+1/2)Θvib /T = e n=0 = und −Θvib /2T ∞ X e −Θvib /T n=0 −Θvib /2T e , 1 − e−Θvib /T Θvib − ln(1 − e−Θvib /T ). 2T • Die innere Vibrationsenergie ist daher ln Zvib = − ∂ ln Zvib ∂T ! −Θvib /T Θvib e Θ vib T2 = N kT 2 + 2 −Θ 2T 1 − e vib /T 1 1 . = N kΘvib + Θ /T 2 e vib − 1 n (4.25) (4.26) Evib = N kT 2 (4.27) • Die Wärmekapazität aufgrund von Vibrationsfreiheitsgraden lautet also Θvib Θvib /T ∂E vib (vib) T2 e CV = N kΘvib Θ = ∂T V,N ( e vib /T − 1)2 2 Θvib 1 = Nk T ( eΘvib /2T − e−Θvib /2T )2 2 Θvib 1 = Nk . (4.28) T 4 sinh2 (Θvib /2T ) • Für T ≪ Θvib liefert dies 2 2 (vib) CV Θvib 1 Θvib = = e−Θvib /T +· · · , Θ /2T −Θ /2T 2 vib vib Nk T T (e −e ) {z } | ≃ e−Θvib /T (4.29) d.h. bis auf den Vorfaktor das gleiche Tieftemperaturverhalten wie bei der Rotation in (4.22). 4.1. BERÜCKSICHTIGUNG INNERER FREIHEITSGRADE • Für T ≫ Θvib findet man (→ Übung) 2 (vib) CV 1 Θvib =1− , Nk 12 T 159 (4.30) d.h. ebenfalls (bis auf den Vorfaktor) wie im Hochtemperaturfall in (4.22). (vib) • Der Plot von CV /N k gegen T ist daher auch ähnlich dem für die Rotation, allerdings ohne den “Überschwinger” auf Werte CV > N k bei Temperaturen in der Nähe der charakteristischen Temperatur Θ. • Vibrationsfreiheitsgrade sind bei Temperaturen deutlich unterhalb von Θvib nicht angeregt. • Typische Wellenlängen von Strahlung, die Vibrationsfreiheitsgrade anregen sind λ ≃ 10−3 cm (Infrarot), also entsprechend 10−2 eV. 4.1.3 Elektronische Freiheitsgrade • Wir hatten bereits angenommen, dass Elektronen im Grundzustand bleiben, ǫe = ǫ(0) e , (0) Ze = e−ǫe /kT . • Daraus folgt Fe = −N kT ln Ze = N ǫ(0) e = Ee , Se = 0 und µe = ǫ e . • Finden chemische Reaktionen statt, so ändert sich der elektronische Beitrag. • Für die gesamte Wärmekapazität ergibt sich also folgendes Bild: 160 KAPITEL 4. REALE SYSTEME CV /N k Vibration 7/2 Rotation 5/2 Translation 3/2 T 4.2 Gemische • Wir betrachten n verschiedene Teilchensorten, j = 1, 2, . . . n in einem System mit insgesamt N Teilchen, also n X Nj = N (4.31) j=1 mit Nj Teilchen der Sorte j. • Die Gesamtzustandssumme ist ohne Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen Teilchensorten n Y Z= Zj , (4.32) j=1 also ein Produkt der Zustandssummen der Teilchensysteme Zj . • Damit folgt für die freie Energie F = −kT X j ln Zj . (4.33) 161 4.2. GEMISCHE • Für eine Teilchensorte hatten wir mit inneren Freiheitsgraden [s. (4.3) und (4.4)], Z= V e Zinn N λ3 also nun N F = −kT V F = −kT ln Z = −N kT 1 + ln + ln Zinn , N λ3 , X j Nj ! V + ln Zj,inn . 1 + ln Nj λ3j (4.34) Hier gehört der Index j an die thermische Wellenlänge, weil in p ihr die Masse mj vorkommt: λj = h/ 2πmj kT . • Zerlegen wir die inneren Freiheitsgrade für ein Teilchen der Sorte j gemäß [vgl. (4.9)] (0) Zj,inn = e−ǫe,j /kT Zj,inn′ , | {z } (4.35) Zrot Zvib so erhalten wir X F = −kT Nj j V + ln Zj,inn′ 1 + ln Nj λ3j ! • Mit P = −(∂F/∂V )T,{Nj } folgt N kT kT X . Nj = P = V j V + X (0) ǫe,j Nj . (4.36) j (4.37) Auch hier, bei Gemischen, finden wir wieder die “übliche” thermische Zustandsgleichung, sofern wir annehmen, dass die inneren Freiheitsgrade unabhängig von V sind.1 • Die chemischen Potentiale der einzelnen Komponenten sind wegen µj = (∂F/∂Nj )T,V " #! 3 V V Nj λj (0) ′ + Nj µj = −kT 1 + ln − + ǫe,j + ln Z j,inn 3 3 2 Nj λj Nj λj V = −kT ln 1 V Zj,inn′ (0) + ǫe,j 3 Nj λj (4.38) Luft, als Gemisch aus hauptsächlich Stickstoff- und Sauerstoffmolekülen, darf also auch mittels thermischer Zustandsgleichung des idealen Gases behandelt werden. 162 KAPITEL 4. REALE SYSTEME bzw. mittels (4.37) V durch P ausgedrückt, µj = −kT ln N kT Zj,inn′ kT Zj,inn′ (0) (0) + ǫ = −kT ln + ǫe,j , (4.39) e,j 3 3 P Nj λj P cj λj mit den Konzentrationen Nj cj = , N n X cj = 1. (4.40) j=1 • Dies können wir schreiben als 3/2 µj = (0) ǫe,j Zj,inn′ mj (kT )5/2 kT Zj,inn′ (2πmj kT )3/2 (0) = ǫe,j − kT ln − kT ln P cj (2π~)3 P cj (2π)3/2 ~3 • Nehmen wir an, dass ∀j Θj,rot ≪ T ≪ Θj,vib (4.41) (wieso?), dann gilt [s. (4.18)] Zj,inn′ = Zj,rot = 2T Θj,rot (4.42) und wir erhalten 3/2 µj = (0) ǫe,j mj (kT )7/2 . − kT ln P cj 21/2 π 3/2 ~3 kΘj,rot (4.43) Dies können wir aufsplitten in 3/2 µj = (0) ǫe,j mj 7 +kT ln P cj . − k T ln kT − kT ln 1/2 3/2 3 2 2 π ~ kΘ j,rot |{z} | {z } cP,j ζj (4.44) cP,j sind die spezifischen Wärmen bei konstantem Druck, ζj die chemischen Konstanten, welche in das Massenwirkungsgesetz eingehen (s. unten, Abschnitt 4.2.2). 163 4.2. GEMISCHE 4.2.1 Gleichgewicht in mehrkomponentigen Systemen Mehrkomponentige Systeme wurden ebereits in der ThermodynamikVorlesung behandelt. Hier zur Erinnerung: • Die Entropie, als thermodynamische Potential des mikrokanonischen Ensembles, hat für mehrere Komponenten die funktionale Abhängigkeit S(E, V, N1 , . . . Nn ). • Die Definition des chemischen Potentials der i-ten Komponente lautet ∂S µi = −T (4.45) ∂Ni E,V,{Nj6=i } und, wie bisher auch [s. (2.37), (2.42)], 1 P ∂S ∂S = = , . T ∂E V,{Nj } T ∂V E,{Nj } • Aus dem totalen Differential (4.46) n X µj P 1 dNj dS = dE + dV − T T T j=1 (4.47) erhalten wir den ersten Hauptsatz dE = T dS − P dV + n X µj dNj . (4.48) j=1 • Für homogene Gemische muss αN1 , . . . , αNn ) αV , |{z} αE = E(|{z} αS , |{z} S′ V ′ (4.49) N1′ ... gelten (alle extensiven Zustandsgrößen müssen mit α skalieren), und Ableiten nach α liefert E= ∂E ∂S ′ V ′ ,{Nj′ } ∂S ′ + ∂α ∂E ∂V ′ S ′ ,{Nj′ } n ∂V ′ X + ∂α i=1 ∂E ∂Ni′ S ′ ,V ′ ,{Nj6′ =i } ∂Ni′ . ∂α 164 KAPITEL 4. REALE SYSTEME Auswerten aller Ableitungen an der Stelle α = 1 liefert die Gibbs-Duhem-Relation für homogene Gemische X E = TS − PV + µi N i . (4.50) i • In differentieller Form lautet diese dE = T dS + SdT − P dV − V dP + X µi dNi + i X Ni dµi , (4.51) i und mit dem ersten Hauptsatz (4.48) folgt X 0 = SdT − V dP + Ni dµi . (4.52) i • Die freie Enthalpie ist definiert durch G = E − T S + P V. • Mit dem ersten Hauptsatz (4.48) folgt dG = −SdT + V dP + also S=− ∂G ∂T , P,{Nj } V = ∂G ∂P , n X (4.53) µj dNj , (4.54) j=1 µi = T,{Nj } ∂G ∂Ni . (4.55) T,P,{Nj6=i } • Da für homogene Gemische im Gleichgewicht (4.52) gelten muss, haben wir somit ! n X X X dG = Ni dµi + (4.56) N i µi , µj dNj = d i j=1 i also (abgesehen von einer irrelevanten Konstante, die wir null setzen) X G= N i µi . (4.57) i • Fasst man die µi s wie G in (4.54) als Funktionen von T, P, {Nj /N } (also T, P, {cj }) auf, so folgt daraus X ∂µi X ∂µi S=− Ni , V = Ni . (4.58) ∂T P,{cj } ∂P T,{cj } i i 165 4.2. GEMISCHE 4.2.2 Massenwirkungsgesetz • Wenn Gemische vorliegen, können im Allgemeinen Reaktionen stattfinden. Ein Beispiel tauchte bereits beim der Untersuchung des Ursprungs der Mikrowellenhintergrundstrahlung in Abschnitt 3.5.4 auf, wo atomarer Wasserstoff H oder Proton p und Elektron e− einzeln vorliegen konnten. • Andere Beispiele sind chemische Reaktionen, z.B. 2H2 + O2 ⇋ 2H2 O, (4.59) oder quantenelektrodynamische Prozesse, z.B. die ElektronPositron-Paarvernichtung oder -Erzeugung e− + e+ ⇋ γ. (4.60) • Solche Prozesse lassen sich immer in “stöchiometrischer” Form schreiben, n X νj Aj = 0, (4.61) j=1 wobei Aj für das jeweilige Symbol steht (H2 , O2 , H2 O, e± , γ, p, ...). Beispiel “Knallgasreaktion” (4.59): νH2 = 2, νO2 = 1, νH2 O = −2. (4.62) • Wir beschränken uns im Folgenden auf einphasige Systeme, in denen eine Sorte Aj nicht in mehreren Phasen (d.h. fest, flüssig, gasförmig, verschiedene Kristallformen etc.) vorliegt. • Wir nehmen dT = dP = 0 an, sodass aus (4.54) nur n X dG = µj dNj (4.63) j=1 übrig bleibt. Wenn die Reaktion(en) abgelaufen ist (sind), werden auch alle dNj = 0, und somit auch X dG = µj dNj = 0. (4.64) j 166 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Wird bei einer Reaktion die Menge dM umgesetzt, so gilt dNj = νj dM . Beispiel “Knallgasreaktion” (4.59): 0 = dM (νH2 µH2 + νO2 µO2 + νH2 O µH2 O ) . | {z } ! =0 Also muss X ν j µj = 0 (4.65) j für jede mögliche Reaktion im System erfüllt sein. Die chemischen Potentiale µj (P, T, {ci }) stellen sich im chemischen Gleichgewicht (über die Konzentrationen {ci }) gerade so ein, dass (4.65) erfüllt ist. • Wir kommen nun zurück auf unser Ergebnis für die chemischen Potentiale im Fall von Molekülgasen (4.44), 3/2 µj = (0) ǫe,j mj 7 +kT ln P cj , − k T ln kT − kT ln 1/2 3/2 3 2 2 π ~ kΘ j,rot |{z} {z } | cP,j ζj das die Form µj (P, T, cj ) = fj (T ) + kT ln P cj (4.66) hat. • Wegen (4.65) folgt X Y exp β νj [fj (T ) + kT ln P cj ] = exp {νj [fj (T )/kT + ln P cj ]} = 1. (4.67) j j • Setzt man nun (0) fj (T ) = ǫe,j − cP,j T ln kT − kT ζj (4.68) 167 4.2. GEMISCHE ein, folgt o n Y (0) 1 = exp νj (ǫe,j − cP,j T ln kT − kT ζj )/kT + νj ln P cj j = Y exp νj (−ζj + j = n Y j ν cj j ! exp ( (0) ǫe,j /kT ) X o (kT )−νj cP,j /k (P cj )νj νj (−ζj + (0) ǫe,j /kT ) j ) (kT ) − P j νj cP,j /k und somit das Massenwirkungsgesetz Y ν cj j = K(T, P ) P P j νj (4.69) j mit der Massenwirkungskonstanten ) ( X P P (0) νj cP,j /k − j νj j P . νj (ζj − ǫe,j /kT ) (kT ) K(T, P ) = exp j (4.70) • Ausgedrückt durch die Partialdrucke Pj = c j P (4.71) können wir auch Y j ν Pj j = KP (T ) = exp ( X j ) (0) νj (ζj − ǫe,j /kT ) (kT ) P j νj cP,j /k (4.72) schreiben (Massenwirkungsgesetz von Guldberg und Waage). • Beispiel “Knallgasreaktion” (4.59): Uns interessiert welcher Bruchteil des Wassers als Molekül H2 O vorliegt und welcher dissoziiert, also “zerlegt” in H2 und O2 . P X X P Y νj [H2 ]2 [O2 ] (0) ν c /k j P,j cj = exp − νj ǫe,j /kT T j νj cP,j /k P −1 = exp ν j ζj k j [H2 O]2 j j j {z } | {z } | q C=const mit (0) (0) (0) q = 2ǫe,H2 + ǫe,O2 − 2ǫe,H2 O > 0 168 KAPITEL 4. REALE SYSTEME und Konzentrationen cj = [Aj ]. Sei α der gesuchte Dissoziationsgrad (des Wassers), dann sind die Konzentrationen (warum?) [H2 ] = C ′ α, [H2 O] = ([H2 O] + [H2 ]) (1 − α), | {z } [O2 ] = C ′ α 2 =C ′ =([H2 O]+2[O2 ]) und C −q/kT Pj νj cP,j /k −1 α3 = e T P . 2(1 − α)2 C′ Daraus kann man α bei berechnen, wenn T und P gegeben sind. Wie erwartet sinkt der Dissoziationsgrad α mit sinkender Temperatur T , denn q > 0 (positive “Wärmetönung”). 4.3 Virialentwicklung • Im Gegensatz zum idealen Gas gestatten wir nun eine Wechselwirkung zwischen den Teilchen. Die exakte Lösung des allgemeinen Falls ist unbekannt, aber wir können in der Dichte entwickeln. Dies ist die sog. Virialentwicklung. • Wir betrachten die großkanonische Zustandssumme ZG = Sp e −β(Ĥ−µN̂ ) = ∞ X Sp N e−β(Ĥ−µN̂ ) , N =0 wobei Sp N wieder die Spur bei fester Teilchenzahl N sei [s. (2.96)]. • Die kanonische Zustandssumme ist Sp N e−β Ĥ = Z(T, V, N ) = ZN . • Bilden wir die Spur in Besetzungszahldarstellung, so wird N̂ zu N , und wir haben ZG = Sp e−β(Ĥ−µN ) = 1 + Z(T, V, 1) eβµ + Z(T, V, 2) e2βµ + · · · = 1 + Z1 z + Z2 z 2 + · · · (4.73) mit der Fugazität z = eβµ . 169 4.3. VIRIALENTWICKLUNG • Wir entwickeln nun das großkanonische Potential nach z (→ Übung) und erhalten Φ = −kT ln ZG = −kT ln(1 + Z1 z + Z2 z 2 + · · · ) 1 2 2 = −kT Z1 z + (2Z2 − Z1 )z + · · · . (4.74) 2 • Damit folgt für die mittlere Teilchenzahl ∂Φ N̄ = − = kT Z1 + (2Z2 − Z12 )z + · · · ∂µ T,V = Z1 eβµ + (2Z2 − Z12 ) e2βµ + · · · , sodass e βµ ∂z ∂µ |{z} βz=β eβµ (4.75) 2Z2 − Z12 βµ 2 N̄ − (e ) + ··· , = Z1 Z1 und rekursives Einsetzen liefert 2 2Z2 − Z12 N̄ N̄ βµ − + O[(N̄ /Z1 )4 ]. e =z= Z1 Z1 Z1 (4.76) • Man beachte, dass beim idealen Gas ja N 1 V ZN = , N ! λ3 also Z1 = V ∼ V. λ3 (4.77) • Da es bei einem Teilchen noch keine Wechselwirkung zwischen den Teilchen gibt, gilt (4.77) auch hier in diesem Zusammenhang, und (4.76) ist in der Tat eine Entwicklung in der Teilchendichte, N̄ N̄ ∼ . Z1 V 170 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Setzt man (4.76) in (4.74) ein, so erhält man (→ Übung) # " 2 N̄ 1 + ··· (4.78) Φ = −kT N̄ − Z2 − Z12 2 Z1 (Virialentwicklung). • Da −Φ = P V folgt mit ρ = N̄ /V P = kT ρ 1 + Bρ + Cρ2 . (4.79) Der sog. erste Virialkoeffizient ist also 1, der zweite Virialkoeffizient ist gegeben durch 2 1 2 N̄ 2 V Bρ = − Z2 − Z1 , 2 Z1 also V Z2 − 12 Z12 B=− . (4.80) Z12 Man sieht: im zweiten Virialkoeffizient taucht die Zustandssumme für zwei Teilchen auf, in die das Wechselwirkungspotential eingeht. • Für eine Hamiltonfunktion der Form N X p2i H= + v(r1 , r2 , . . . , rN ), 2m i=1 wobei v(r1 , r2 , . . . , rN ) die Wechselwirkungen und evtl. ein äußeres Potential beinhalte, haben wir (klassisch) Z Z Z Z P 1 3 3 −β( i p2i /2m+v) 3 3 ZN = . d p · · · d p e d r · · · d r 1 N 1 N N !h3N • v hängt nur von den räumlichen Koordinaten ab, sodass die Impulsraumintegration wie gehabt ausgeführt werden kann und die thermische Wellenlänge ins Spiel bringt, Z Z 1 d3 r1 · · · d3 rN e−βv(r1 ,r2 ,...,rN ) . ZN = N !λ3N 171 4.3. VIRIALENTWICKLUNG • Ohne äußeres Potential und eine Wechselwirkung, die nur vom Teilchenabstand ri − rj abhängt, folgt Z 1 V Z1 = 3 d 3 r 1 e 0 = 3 , (4.81) λ λ Z2 Z Z 1 3 d r1 d3 r2 e−βv(r1 −r2 ) = 6 2λ Z V = d3 y e−βv(y) . 6 2λ (4.82) Im letzten Schritt wurde y = r1 − r2 substituiert (→ Übung) . • Damit folgt für den zweiten Virialkoeffizienten Z12 Z z}|{ z Z }|2 { V2 1 V λ6 3 −βv dye − B = −V 2 V 2λ6 2 λ6 |{z} 1/Z12 Z 1 1 d3 y e−βv + V 2Z 2 1 d3 y ( e−βv(y) − 1) . = − | {z } 2 = − (4.83) f (y) f v −1 y 172 KAPITEL 4. REALE SYSTEME Beispiel: “Harte Kugeln” • Qualitativ ist das Wechselwirkungspotential v(y) = v(|y|) = v(y) in vielen Fällen repulsiv für kleine Abstände y und (leicht) anziehend für größere Abstände. Folglich verläuft f (y) wie in der Abbildung gestrichelt dargestellt. • “Harte Kugeln” mit Radius r0 = σ/2: f (y) = −1 falls y < σ . − v(y) falls y ≥ σ kT (4.84) Hier nehmen wir an, dass v(y) kT ≪ 1 für y ≥ σ. • Damit finden wir für den zweiten Virialkoeffizienten Z σ Z ∞ v(y) 1 d3 y d3 y − B ≃ − − 2 kT 0 Z ∞σ 1 4 3 2 v(y) πσ + 4π = dy y 2 3 kT σ a . = b− kT (4.85) • Wir identifizieren 2 2 4 b = πσ 3 = π(2r0 )3 = 4 πr03 3 3 3 mit dem vierfachen Eigenvolumen der Kugel. • a schreiben wir Z ∞ Z 1 2 dy y v(y) = − a = −2π d3 y v(y)Θ(y − σ). 2 σ (4.86) Da für anziehende Potentiale a > 0 ist, folgt, dass B(T ) = b − a/kT wiefolgt verläuft: 173 4.3. VIRIALENTWICKLUNG B(T ) b T • Anhand von (4.79), erkennt man P = kT ρ(1 + Bρ + · · · ), – für niedrige T bewirkt B < 0 eine Verringerung des Drucks wegen des anziehenden Teils des Potentials (“Klumpen”), – für hohe T bewirkt B > 0 eine Druckerhöhung wegen des repulsiven Teils des Potentials, – für T → ∞ sollte wieder das ideale Gas-Gesetz herauskommen. Dies ist der Fall, wenn der repulsive Teil des Potentials endlich ist und somit für T → ∞ überwunden werden kann (also nicht “unendlich harte” Kugeln; daher B(T ) → 0 nach dem ’//’-Symbol für sehr hohe T ). • Für den zweiten Virialkoeffizienten des Lennard-Jones-Potentials " 6 # σ σ 12 − v(y) = 4ǫ y y findet man (→ Übung) mit T ∗ = kT /ǫ 2π 3 1.73 2.56 0.87 ∗ B(T ) = σ − − − ··· . 3 T ∗ 1/4 T ∗ 3/4 T ∗ 5/4 (4.87) (4.88) 174 4.4 KAPITEL 4. REALE SYSTEME Van der Waals-Zustandsgleichung • Wir betrachten ein klassisches, reales Gas mit Wechselwirkung v(y) = vhK (y) + w(y). (4.89) Hier soll vhK (y) ein für y < σ repulsives harte Kugel-Potential zwischen zwei Teilchen sein und w(y) ein anziehender Teil. • Das klassische, kanonische Zustandsintegral lautet Z Z P 1 3 3 −β i<j v(ri −rj ) (4.90) d r1 · · · d rN e Z(T, V, N ) = 3N λ N! P P P mit i<j = 12 i j6=i , wie üblich bei Zweiteilchenwechselwirkungen. • Betrachte zunächst nur vhK . Im Grenzfall σ → 0 erhalten wir Z Z 3 d r1 · · · d 3 rN e 0 = V N . Was passiert bei endlichen σ? • Wir greifen ein Teilchen heraus. Sei V0 das von den anderen N −1 Teilchen eingenommene Volumen. Für das betrachtete Teilchen bleibt also nur noch ein Volumen V − V0 . Diese Betrachtung gilt für alle Teilchen, also Z Z P 3 d r1 · · · d3 rN e−β i<j vhK (ri −rj ) ≃ (V − V0 )N . Dies ist nur eine Näherung. Z.B. ist V0 für Teilchen 3 in der folgenden Abbildung links größer (und damit V − V0 kleiner) als rechts. 3 3 4.4. VAN DER WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG 175 • Das kleinste V0 liegt bei einer dichtesten Kugelpackung vor (N ≃ N − 1): √ (min) V0 = 4 2 r03 N = 5.65 N r03 , r0 = σ/2. • Das größte V0 liegt vor, wenn alle Kugeln mindestens 2σ = 4r0 voneinander getrennt sind: (max) V0 4 4 = π(2r0 )3 N = 8 πr03 N = 33.51 N r03 . 3 3 • Das V0 mit dem höchsten statistischen Gewicht muss irgendwo dazwischenliegen. • Wir schreiben nun das gesamte Zustandsintegral in der Form z ≃1 }| { 1 (V − V0 )N R Z(T, V, N ) = R 3 d r1 · · · d3 rN ehK λ3N N ! Z Z P × d3 r1 · · · d3 rN ehK e−β i<j w(ri −rj ) , wobei wir ehK = e−β abgekürzt haben. P i<j (4.91) vhK (ri −rj ) • Den anziehenden Wechselwirkungsterm mitteln wir: X 1 XX 1 1 w(ri − rj ) = w(ri − rj ) ≃ N (N − 1)w̄ ≃ N 2 w̄ 2 i 2 2 i<j j6=i mit Z 1 2a w̄ = d3 y w(y) = − . V V Hier haben wir (4.86) benutzt. • Damit wird (4.91) zu (V − V0 )N βN 2 a/V (V − V0 )N βN 2 a/V . (4.92) Z(T, V, N ) = e ≃ 3N N −N e λ3N N ! λ N e 176 KAPITEL 4. REALE SYSTEME • Die freie Energie lautet also e (V − V0 ) N 2 a − . F = −kT ln Z = −kT N ln λ3 N V (4.93) • Für die innere Energie E = −T 2 [∂T (F/T )]V,N = −∂β ln Z findet man (→ Übung) N 2a 3 (4.94) E = N kT − 2 V (kalorische Zustandsgleichung). Man sieht: ein endliches V0 geht hier nicht ein, allerdings der anziehende Teil des Potentials über a schon. • Für den Druck P = −(∂V F )T,N folgt kT N N 2a P = − 2 V − V0 V (4.95) (thermische Zustandsgleichung). • Entwickelt man nach V0 /V , so folgt " 1 kT N − P = V 1 − VV0 V0 kT N = 1+ − V V Na kT V # Na + ··· . kT V • Andererseits haben wir die Virialentwicklung (4.79), P = kT ρ 1 + Bρ + Cρ2 , sodass mit ρ = N/V und B = b − a/kT kT N a N P = 1+ b− + ··· V kT V gilt. (4.96) 4.4. VAN DER WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG 177 • Wir identifizieren durch Vergleich mit (4.96) b= V0 . N b ist also das mittlere, von einer Kugel besetzte Volumen, das somit den anderen Kugeln nicht mehr zur Verfügung steht. Wir erinnern uns: b kam durch den abstoßenden Teil des Potentials (b = 2πσ 3 /3). • Mit dem spezifischen Volumen v = V /N folgt aus (4.95) N 2a kT N kT a − 2 = P = − 2. V − |{z} Nb V v−b v V0 Dies kann man auch schreiben als a P + 2 (v − b) = kT v (4.97) (van der Waals-Zustandsgleichung). • Die Korrekturen gegenüber dem idealen Gas P = kT /v lassen sich anschaulich interpretieren: – Die Ersetzung v → v − b (das “freie Volumen” wird kleiner) kommt vom abstoßenden Term des Wechselwirkungspotentials; für v = b wird P → ∞. – Die Druckverminderung um −a/v 2 kommt vom anziehenden Teil des Potentials. • In der folgenden Abbildung ist das Phasendiagramm für ein van der Waals-Gas dargestellt. 178 KAPITEL 4. REALE SYSTEME P Tc Pc T < Tc T > Tc vc v • Aus der Bedingung, dass die zweite Ableitung verschwindet, findet man den kritischen Punkt vc = 3b, kTc = 8a , 27b Pc = a , 27b2 8 kTc = . Pc v c 3 • In der Abbildung zeigt die rote Kurve einen Verlauf für T < Tc , die grüne T = Tc und die schwarze T > Tc . • Für die rote Kurve gilt in einem Bereich ∂P ∂v T > 0, sodass sich die Frage nach Stabilität stellt. In der Tat hat für T < Tc ein Gemisch aus Gas und flüssiger Phase eine geringere freie Energie, ∂P sodass ∂v T = 0 bleibt, aber Gas und Flüssigkeit bei konstantem Druck P0 koexistieren (→ Maxwell-Konstruktion). Kapitel 5 Spezielle Kapitel In diesem Kapitel werden einige interessante Anwendungen und (auch modernere) Methoden diskutiert. Die Abschnitte können weitgehend unabhängig voneinander gelesen und bearbeitet werden. Zurückgegriffen wird lediglich auf das Basiswissen aus den vorangegangenen Kapiteln. 5.1 Eindimensionales Ising-Modell Das Ising bzw. Lenz-Ising-Modell beschreibt ein idealisiertes Modellsystem, mit dessen Hilfe Ferromagnetismus untersucht werden kann. Der Hamilton-Operator lautet Ĥ = −j N X i=1 σ̂i σ̂i+1 − h N X σ̂ |σi = σ |σi , σ̂i , i=1 σ = ±1. (5.1) Er beschreibt N aufgereihte Spins, die jeweils mit ihren nächsten Nachbarn (durch den ersten Term) wechselwirken. Wir nehmen hierbei periodische Randbedingungen σN +1 = σ1 an. Der zweite Term beschreibt die Wechselwirkung mit einem extern angelegten Magnetfeld ∼ h, in dem sich die Spins ausrichten können. Er wurde in den Übungen behandelt. Bei Abwesenheit des ersten Terms handelt es sich offenbar um ein nichtwechselwirkendes, ideales Quantensystem. Das Ising-Modell ist jedoch eines der wenigen Systeme, das auch mit Wechselwirkung, zumindest in 1D und 2D, exakt lösbar ist. Wir wollen nun zwei Methoden diskutieren, wie man diese exakte Lösung erhalten kann. 179 180 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL 5.1.1 Lösung mit Transfermatrizen • Die kanonische Zustandssumme lautet1 ZN = X ··· X ··· σ1 =±1 = σ1 =±1 X hσ1 σ2 · · · σN | σN =±1 N X Y N Y i=1 H eK σ̂i σ̂i+1 + 2 (σ̂i +σ̂i+1 ) |σ1 σ2 · · · σN i H eKσi σi+1 + 2 (σi +σi+1 ) (5.2) σN =±1 i=1 mit K = βj, H = βh. (5.3) • Wir führen nun einen Transferoperator ein derart, dass H hσi |T̂ |σi+1 i = eKσi σi+1 + 2 (σi +σi+1 ) . In Matrixdarstellung bedeutet dies K+H e e−K T = . e−K eK−H • Damit wird (5.2) zu X X ZN = ··· hσ1 |T̂ |σ2 i hσ2 |T̂ |σ3 i · · · hσN |T̂ |σ1 i . σ1 =±1 (5.4) (5.5) (5.6) σN =±1 Hier ist nun offensichtlich, warum T̂ “Transferoperator” heißt. • Die Summen über die dazwischenliegenden |σ2 i hσ2 | etc. liefern jeweils 1̂, sodass X ZN = hσ1 |T̂ N |σ1 i = Sp 1 T̂ N . (5.7) σ1 =±1 • Es seien die beiden Eigenwerte der Transfermatrix λ1 , λ2 . Dann gilt N ZN = λN (5.8) 1 + λ2 . 1 Spurbildung mit den Zuständen |σ1 σ2 · · · σN i. 5.1. EINDIMENSIONALES ISING-MODELL • Die Eigenwerte lauten λ1,2 = eK cosh H ± e−2K + e2K sinh2 H 181 1/2 . (5.9) • Die freie Energie pro Spin im thermodynamischen Limes N → ∞ lautet 1 F (T, N, h) = −kT lim ln ZN . (5.10) f (T, h) = lim N →∞ N N →∞ N N • Für N → ∞ dominiert in ZN = λN 1 + λ2 der größere der beiden Eigenwerte λ1 ≥ λ2 , also f (T, h) = −kT ln λ1 . (5.11) • Bei Abwesenheit eines externen Magnetfeldes B ∼ H ∼ h = 0 gilt λ1 = eK + e−K = 2 cosh K, (5.12) also j . (5.13) f (T, 0) = −kT ln 2 + ln cosh kT Diese Funktion ist für T > 0 “glatt”, die spezifische Wärme Ch = −T ∂ 2 f /∂T 2 |h=0 gegen j/k aufgetragen zeigt kein nichtdifferenzierbares Verhalten. Im eindimensionalen Ising-Modell tritt kein Phasenübergang bei endlichen Temperaturen auf. Es gibt keine spontane Magnetisierung, hsz i|h=0 = 0, bei einer endlichen kritischen Temperatur. In höherdimensionalen IsingModellen tritt ein solcher Phasenübergang auf. 5.1.2 Lösung mit Renormierungsgruppentheorie • Ziel dieser Methode ist es, durch wiederholtes (iteratives) Umparametrisieren eine effektive Theorie zu generieren, die einfacher (wegen z.B. kleinerer Kopplungskonstanten) zu behandeln ist. • Im Idealfall hat diese iterative Prozedur Fixpunkte, die als kritische Punkte interpretiert werden können. An den Fixpunkten ändert sich durch weiteres Umparametrisieren nichts mehr. Man spricht dann von Skaleninvarianz und kritischen Phänomenen. 182 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL • Als Beispiel betrachten wir wieder das 1D Ising-Modell, von dem wir schon wissen, dass es keinen Phasenübergang zeigt. Allerdings kann die Renormierungsgruppentheoriemethode benutzt werden, um die Kopplungskonstante zu verkleinern. • Der Hamilton-Operator ist schon in [s. (5.1)] gegeben. Wir lassen nun den Einteilchenteil (mit dem konstanten externen Magnetfeld) weg, N X H = −j σ̂i σ̂i+1 . (5.14) i=1 • Die Zustandssumme lautet X X P K i σi σi+1 . ZN = ··· e σ1 =±1 (5.15) σN =±1 • Wir starten nun die sog. Dezimierungsprozedur, indem wir die Summe im Exponenten über jeden zweiten Gitterpunkt laufen lassen, ZN = X eK P i=1,3,5,... σi+1 (σi +σi+2 ) σ1 ,σ2 ...σN XXX σi−1 σi σi+1 eK P i=2,4,6,... σi (σi−1 +σi+1 ) . σ1 ,σ2 ...σN • Damit folgt ZN = · · · X = eKσi (σi−1 +σi+1 ) · · · = · · · XX σi−1 σi+1 2 cosh K(σi−1 + σi+1 ) · · · , wobei wir nur einen “Ausschnitt” für eines der geraden is aus all den Produkten zeigen. • Diesen Ausdruck zwingen wir nun wieder in eine Exponentialform, XX ′ ! e2g+K σi−1 σi+1 · · · . ZN = · · · σi−1 σi+1 • Gelingt dies, dann ist X ′ e2g+K σi σi+2 = eN g ZN = {σi } i odd X {σi } i odd ′ eK σi σi+2 = eN g ZN/2 (K ′ ). (5.16) 5.1. EINDIMENSIONALES ISING-MODELL 183 Dieser Ausdruck schaut aus wie der ursprüngliche Ausdruck (5.15), aber die Summe läuft nur noch über jeden zweiten Gitterpunkt und es gibt einen abseparierenden, gemeinsamen Faktor eN g , der spinunabhängig ist. • Zur Bestimmung von g und K ′ betrachten wir für ! ′ 2 cosh K(σi−1 + σi+1 ) = e2g+K σi−1 σi+1 die beiden Fälle 2 = e2g−K ′ falls σi−1 = −σi+1 , 2 cosh 2K = e2g+K ′ falls σi−1 = σi+1 . • Daraus folgt durch Produkt- und Quotientenbildung 4 cosh 2K = e4g , cosh 2K = e2K ′ und g und K ′ sind bestimmt: K′ = 1 ln cosh 2K, 2 1 1 g = (ln 4 + ln cosh 2K) = (ln 2 + K ′ ). 4 2 (5.17) (5.18) • Die folgende Abbildung zeigt die Funktion K ′ (K) = 1 ln cosh 2K, 2 in rot und K ′ = K in grün. Wie man sieht, ist für einen Startwert der Kopplungskonstanten K = K0 K ′ (K0 ) < K0 . (5.19) 184 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 0.5 1 1.5 2 2.5 K’(K0) K0 3 K • Wiederholt man das ganze Prozedere, ergibt sich eine Rekursionsbeziehung. Beim kten Schritt gilt 1 1 (k) (k−1) K = ln cosh 2K , g(K (k) ) = [ln 2+K (k) ], (5.20) 2 2 und es ergibt sich immer wieder ein neues Ising-Modell für eine neue (renormierte) Kopplungskonstante K (k) und einem spinunabhängigen Faktor mit g(K (k) ) im Exponenten. In der Abbildung wird deutlich, dass K (k) immer kleiner wird, d.h., die Wechselwirkung wird durch wiederholte Dezimierungsprozedur effektiv eliminiert. • Wo liegen die Fixpunkte K ∗ ? Dazu fordert man, dass sich bei weiteren Anwendungen der Transformation “nichts mehr ändert”, also ! 1 K ∗ = ln (cosh 2K ∗ ) . (5.21) 2 • Im hier vorliegenden Fall findet man lediglich K ∗ = 0 (Tc → ∞), K ∗ → ∞ (Tc = 0), (5.22) also keine endlichen K ∗ bzw. kritischen Temperaturen Tc , bei denen ein Phasenübergang aufträte. Dies ist in Einklang mit unserer 5.1. EINDIMENSIONALES ISING-MODELL 185 anderen Lösung des Problems aus Abschnitt 5.1.1. Lediglich bei T → 0 erwarten wir, dass alle Spins (auch ohne äußeres Feld) ausgerichtet vorliegen können. • Wir hatten in (5.16) ZN = eN g ZN/2 (K ′ ). Dies können wir weiterführen, ′ N ′′ ZN = eN g(K )+ 2 g(K ) ZN/22 (K ′′ ), und nach dem kten Schritt, " # k X 1 ZN (K) = exp N g(K (n) ) + ln ZN/2k (K (k) ) . n−1 2 n=1 (5.23) • Die freie Energie pro Gitterplatz und kT ist 1 f = − ln ZN (K). f¯ = kT N (5.24) • Da die effektive Wechselwirkung mit jedem Iterationsschritt schwächer wird, können wir ZN/2k (K (k) ) in (5.23) durch die Zustandssumme nichtwechselwirkender Spins ZN = 2N ersetzen. • Dies führt zu (→ Übung) ¯(k) f k X 1 1 (n) g(K ) − ln 2. (K) = − n−1 k 2 2 n=1 (5.25) • Dieser Ausdruck konvergiert sehr schnell gegen den aus Abschnitt 5.1.1 bekannten Ausdruck f¯(K) = − ln(2 cosh K) (→ Übung). 186 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL 5.2 “Mean-field”-Theorie • Renormierungsgruppenmethoden (s. Beispiel aus Abschnitt 5.1.2) sind sehr “mächtig”, die Dezimierungstransformation ist jedoch nicht immer leicht zu finden und systemabhängig, d.h. bei jedem System muss man neu überlegen, wie die Transformation wohl aussehen könnte. • Die Methode des mittleren Feldes ist allgemeiner, aber in der Regel weniger genau. • Historisch wurde sie von P.E. Weiss zur Beschreibung von Magnetismus eingeführt (“Molekularfeldmethode”), später von Landau und Landau & Ginzburg weiter entwickelt. • “Mean-field”-Theorie ist prinzipiell in der Lage, Phasenübergänge zu beschreiben, jedoch im Allgemeinen nicht mit hoher Genauigkeit; sie funktioniert am besten für viele räumliche Dimensionen (ja, D > 3 kann Sinn machen) und unendlichreichweitige Wechselwirkungen. • Im Abschnitt zum van der Waals-Gas 4.4 haben wir bereits “mean-field”-Theorie betrieben (ohne es sonderlich zu betonen). 5.2.1 Bogoljubow-Ungleichung • Die Bogoljubow-Ungleichung in der hier relevanten Form lautet F ≤ F := F0 + hH (5.26) | − {zH}0 i0 . H1 Hier sei F die (eigentlich gesuchte) freie Energie des betrachteten Systems mit Hamilton-Operator Ĥ = Ĥ0 + Ĥ1 = Ĥ0 + (Ĥ − Ĥ0 ), (5.27) F0 die freie Energie des durch Ĥ0 beschriebenen Systems, und h· · · i0 sei der Erwartungswert, der mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung (bzw. dem Dichteoperator) des Systems Ĥ0 berechnet 187 5.2. “MEAN-FIELD”-THEORIE wird, also z.B. quantenmechanisch und kanonisch hAi0 = Sp ( ρ̂0 ), e−β Ĥ0 , ρ̂0 = Z0 Z0 = Sp 0 e −β Ĥ0 . (5.28) • Die Ungleichung (5.26) ist sehr nützlich, denn mit ihr haben wir ein Variationsprinzip: F = min{F}. (5.29) Setzen wir also ein Ĥ0 an, für das wir die Erwartungswerte h· · · i0 berechnen können und das von einem (oder mehreren) Variationsparameter(n) ηi abhängt, so können wir durch Minimierung gemäß F ≤ min{F[{ηi }]} (5.30) {ηi } eine obere Grenze für die gesuchte freie Energie F finden. • Für dieses optimale Ĥ0 [{ηi }] erfasst das “mean-field” “am besten” die Wechselwirkung in der freien Energie über den Term hH1 i0 in (5.26). • Beweis der Bogoljubow-Ungleichung. Sei ˜ Ĥ = Ĥ0 + hH1 i0 , (5.31) hHi0 = hH̃i0 , (5.32) dann gilt denn hHi0 = hH0 i0 + hH1 i0 = hH0 i0 + hhH1 i0 i0 = hH̃i0 . | {z } Zahl ˜ Da sich Ĥ und Ĥ0 nur um die Konstante hH1 i0 unterscheiden, gilt auch2 hHi∼ = hH̃i∼ , (5.33) wobei h· · · i∼ der Erwartungswert, berechnet mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung ˜ (bzw. dem Dichteoperator) des Systems Ĥ sei. Wir haben bereits früher die Ungleichung (2.31) Sp (ρ̂ ln ρ̂) ≥ Sp (ρ̂ ln ρ̂1 ) 2 Man zeige: konstante Enegieverschiebungen heben sich im Dichteoperator weg. 188 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL für zwei Dichtematrizen, die zum gleichen Energieerwartungswert führen, bewiesen. Wir setzen nun in unserem Fall ˜ e−β Ĥ ρ̂ → ρ̂˜ = , Z̃ ρ̂1 → ρ̂ = e−β Ĥ Z (5.34) mit Z, Z̃ den entsprechenden kanonischen Zustandssummen zu den beiden Hamil˜ tonians Ĥ und Ĥ. Dann gilt ˜ ˜ ˜ Sp [ρ̂(−β Ĥ − ln Z̃)] ≥ Sp [ρ̂(−β Ĥ − ln Z)], (5.35) ˜ h−β Ĥ − ln Z̃i∼ ≥ h−β Ĥ − ln Zi∼ (5.36) − ln Z̃ ≥ − ln Z (5.37) −kT ln Z̃ ≥ |−kT{zln Z} . (5.38) also und mit (5.33) bzw. F Da Z̃ hz F̃ = −kT ln Sp e }| −β(Ĥ0 +hH1 i0 ) i{ h i = −kT ln e−βhH1 i0 Sp e−β Ĥ0 = −kT ln Z0 +hH1 i0 , | {z } F0 | ist somit (5.26) F ≥F {z F } bewiesen. 5.2.2 Anwendung auf das Ising-Modell • Der Hamiltonian lautet [s. (5.1)] Ĥ = −h N X i=1 σ̂i − j N X σ̂i σ̂i+1 . i=1 • Wir müssen nun ein “bequemes” Ĥ0 wählen, so dass sich die Erwartungswerte bzgl. des Dichteoperators zu diesem Ĥ0 leicht berechnen lassen. Wir setzen N X Ĥ0 = −η σ̂i . (5.39) i=1 η ist unser Variationsparameter. 189 5.2. “MEAN-FIELD”-THEORIE • Für diesen Hamiltonian kennen wir bereits die Zustandssumme [Hausübung und λ1 in (5.8), (5.9) für K = 0], Z0 (η) = (2 cosh βη)N . (5.40) Damit wäre F0 = −kT ln Z0 für die Bogoljubow-Gleichung “erledigt”. • Wir benötigen noch hH1 i0 . Da Ĥ1 = Ĥ − Ĥ0 = −(h − η) N X i=1 σ̂i − j N X σ̂i σ̂i+1 , (5.41) i=1 müssen wir hσi i0 , hσi σi+1 i0 berechnen. • Wir finden (wie schon in der Hausübung) P eβησi σi P 1 σ βη N σ̂l l=1 hσi i0 = Sp e σi = Pi βησ = tanh βη = hσi0 . i Z0 σi e (5.42) • Die Abhängigkeit vom Index i verschwindet, denn es muss für alle Spins das Selbe herauskommen. m = hσi0 ist die mittlere Magnetisierung, m = hσi0 = tanh βη. (5.43) • Für den Spin-Spin-Erwartungswert, gebildet mit ρ̂0 , bekommen wir entsprechend hσi σi+1 i0 = • Damit folgt P P eβησi σi σi+1 eβησi+1 σi+1 P P = tanh2 βη = hσi20 . βησi+1 βησi σi+1 e σi e σi hH1 i0 (5.44) F }| { z }|0 { z 2 F = −kT ln Z0 − (h − η) N tanh βη − jN tanh βη (5.45) = N −kT ln(2 cosh βη) − j tanh2 βη + (η − h) tanh βη . 190 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL • Gemäß (5.30) suchen wir nun das η, welches F minmiert, dF 2β sinh βη 2β tanh βη β (η − h) 0= + + tanh βη = N −kT −j dη ηmin 2 cosh βη cosh2 βη cosh2 βη ηmin 2β tanh βη β (η − h) sinh βη −j + + tanh βη ⇒0= − cosh βη cosh2 βη cosh2 βη ηmin | {z } tanh βη ⇒ ηmin − h = 2j tanh βηmin . (5.46) • Dies ist eine implizite Gleichung für das gesuchte ηηmin , welches das System “mean-field”-mäßig am besten beschreibt. Zusätzlich zum extern angelegten Feld B ∼ h gibt es nun einen weiteren effektiven Beitrag aufgrund der “spontanen” Ausrichtung der Spins (auch ohne externes Feld). • Mit (5.43) können wir (5.46) schreiben als β −1 arctanh m − h = 2jm • ⇒ m = tanh β(2jm + h). (5.47) Man kann nun überprüfen, dass (5.43) auch aus der hergeleiteten freien Energie folgt: 1 dF 1 ∂F 1 ∂F ∂F ∂η m=− =− = tanh βηmin . =− + N dh ηmin N ∂h ∂η ∂h ηmin N ∂h ηmin • Wir wollen nun überprüfen, was die “mean-field”-Methode beim 1D Ising-Modell liefert. Ohne externes Feld, h = 0, haben wir für (5.45) mit (5.43) und (5.46) F = N −kT ln(2 cosh βη) − j tanh2 βη + η tanh βη = N −kT ln(2 cosh βη) − jm2 + ηm η=2jm = N −kT ln[2 cosh(β2jm)] − jm2 + 2jmm = N −kT ln[2 cosh(2βjm)] + jm2 . • Die freie Energie pro Spin ist demnach fmf = F = −kT ln[2 cosh(2βjm)] + jm2 . N (5.48) 191 5.2. “MEAN-FIELD”-THEORIE • Dies könnten wir mit dem exakten Resultat (5.13), f (T, 0) = −kT ln (2 cosh βj) vergleichen, wenn wir m für eine konkrete Situation (d.h. für gegebene Werte T, j) aus der impliziten Gleichung (5.47) für h = 0, m = tanh 2βjm (5.49) (z.B. graphisch) ermitteln. • Wir interessieren uns hier hauptsächlich für die qualitative Vorhersage der “mean-field”-Behandlung: m T < Tc T = Tc tanh 2βjm T > Tc m • Für T > Tc gibt es nur die Lösung m = 0. Die Spins sind also für T > Tc ungeordnet, sodass keine Nettomagnetisierung übrigbleibt. Ab der kritischen Temperatur Tc (für die die Steigung von tanh 2βjm an der Stelle m = 0 gerade m ist) gibt es dann einen weiteren Schnittpunkt bei endlichem m. Es gibt also schon bei endlichen Temperaturen T < Tc eine Nettomagnetisierung. Man kann sich davon überzeugen, dass diese Lösung für m zu einem Minimum von F gehört. Für T ≪ Tc liegt der Schnittpunkt sehr dicht bei m = 1, da der tanh für große positive Argumente gegen 1 geht. Erst im Limes T → 0 werden also alle Spins ausgerichtet sein. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Phasenübergang. 192 KAPITEL 5. SPEZIELLE KAPITEL • Die “mean-field”-Theorie sagt also für das 1D Ising-Modell eine stabile ferromagnetische Phase voraus. Dies ist inkorrekt, wie wir aus der exakten Behandlung in Abschnitt 5.1.1 wissen. In 2D und 3D gibt es tatsächlich einen ferromagnetischen Phasenübergang. Die wahren Tc liegen allerdings unterhalb jener von der “meanfield”-Methode vorhergesagten. “Mean-field”-Behandlung des Ising-Modells allgemeiner • Allgemeiner lautet der Ising-Hamiltonian für mehrdimensionale Gitter oder kompliziertere Gitterformen Ĥ = −h wobei P {i,l} N X i=1 σ̂i − j X σ̂i σ̂l , (5.50) {i,l} die Summe über nächste Nachbarn i, l (i 6= l) bedeuten soll. • Beim Aufsummieren kommt es also darauf an, wieviele Paarbindungen pro Gitterplatz vorkommen (und dass man nicht Paare doppelt zählt). • Gibt es auf N Gitterplätzen z Bindungen jeweils zwischen zwei Spins, dann ist N z/2 die Anzahl der Bindungen auf dem Gitter. • Anstelle der freien Energie (5.45) findet man dann einen Ausdruck (→ Übung), der von der Koordinationszahl z abhängt: 1 F = N −kT ln(2 cosh βη) − zj tanh2 βη + (η − h) tanh βη . (5.51) 2