Thieme: Taschenlehrbuch Embryologie

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Muskelsystem
12 Muskelsystem
12.1 Überblick
Die Muskulatur entsteht aus dem Mesoderm. Die Skelettmuskulatur geht aus
dem paraxialen Mesoderm hervor, das die
Somiten und die Somitomeren umfasst:
● Aus den Somiten entstehen die Muskeln
des Achsenskeletts, der Körperwand und
der Extremitäten.
● Aus den Somitomeren entstehen die
Muskeln im Kopfbereich.
12
Die Vorläuferzellen für die quer gestreifte
Muskulatur stammen aus der ventrolateralen Lippe (VLL) und der dorsomedialen Lippe (DML) des Dermomyotoms. Die Zellen
aus beiden Regionen bilden das Myotom.
Einige Zellen aus der VLL überwandern die
laterale somitische Grenze und erreichen
die Somatopleura. Diese Grenze markiert
zwei mesodermale Bereiche im Embryo:
● Die primaxiale Domäne umgibt Neuralrohr und Chorda und besteht ausschließlich aus Zellen des paraxialen Mesoderms. Die Muskelvorläuferzellen dieser
Domäne entwickeln sich zur autochthonen Rückenmuskulatur.
● Die abaxiale Domäne besteht aus Zellen
der Somatopleura und eingewanderten
Somitenzellen; letztere haben die Grenze nach lateral überquert und sind in die
Somatopleura
eingedrungen
(▶ Abb. 6.11b). Abaxiale Muskelvorläuferzellen entwickeln sich
○ zur infrahyoidalen Muskulatur,
○ zur Bauchmuskulatur (M. rectus abdominis, M. obliquus externus et in-
M
●
○
○
○
○
ternus abdominis, M. transversus abdominis),
zu einzelnen Muskeln des Schultergürtels,
zur Interkostalmuskulatur,
zur Beckenbodenmuskulatur sowie
zu den Extremitätenmuskeln.
Die autochthone Rückenmuskulatur (epaxiale Muskulatur) wird von dorsalen Rami
der Spinalnerven segmental innerviert, die
Muskulatur der ventrolateralen Rumpfwand und der Gliedmaßen einschließlich
der Gürtelmuskulatur (hypaxiale Muskulatur) dagegen aus ventralen Rami.
Die molekularen Signale zur Induktion
der Muskeldifferenzierung entstammen
den Geweben in der Umgebung der prospektiven Muskelzellen. Auf diese Weise induzieren BMPs aus den Seitenplatten und
WNTs aus dem Oberflächenektoderm die
VLL-Zellen, während Signale aus dem Neuralrohr und der Chorda dorsalis die DMLZellen induzieren.
Das Bindegewebe stammt aus den Somiten sowie dem parietalen Mesoderm der
Leibeswand und in der Kopfregion aus der
Neuralleiste. Es bestimmt die Musterbildung, d. h. die Ausbildung einzelner Muskeln. Glatte Muskulatur und Herzmuskulatur stammen vom viszeralen Mesoderm
ab. Die Muskulatur der Pupille und die
Myoepithelzellen der Milchdrüse und der
Schweißdrüse entstehen aus dem Ektoderm.
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12.2 Quer gestreifte Muskulatur
12.2 Quer gestreifte
Muskulatur
Die Muskulatur des Kopfes (Kap. 18) entstammt sieben kranialen Somitomeren,
das sind teilweise segmentierte, wirbelartig angeordnete Zellgruppen des paraxialen Mesoderms (▶ Abb. 6.10). Die Muskulatur des Achsenskeletts, der Rumpfwand
und der Gliedmaßen entwickelt sich aus
den Somiten, die zunächst als Somitomeren vorgebildet sind und von der Hinterhauptregion bis zur Schwanzknospe reichen (▶ Abb. 12.1). Aus diesen gehen durch
Epithelialisierung die Somiten hervor, sodass epitheliale Kugeln entstehen, die einen kleinen, mit mesenchymalen Zellen
angefüllten Hohlraum, das Somitozöl, umschließen (▶ Abb. 6.11a).
Die ventrale Hälfte eines jeden Somiten
geht anschließend wieder in ein Mesenchym über, dem sich die Somitozölzellen
anschließen. Auf diese Weise entsteht das
Sklerotom (▶ Abb. 6.11b–d), aus dem die
Wirbelkörper und die Rippen entstehen.
Die Zellen des dorsalen Somitenanteils bilden das Dermomyotom und die beiden
muskelbildenden Ränder, die ventrolaterale Lippe (VLL) und die dorsomediale Lippe
(DML, ▶ Abb. 6.11b).
Schlundbogenmuskulatur
präotische
Myotome
okzipitale
Myotome
zervikale
Myotome
Achse der
Extremität
C1
IV III
II
I
Th1
thorakale
Myotome
Mesenchymverdichtung der
Extremitätenknospe
Die Zellen dieser beiden Gebiete proliferieren und bilden das hypaxiale (VLL) und
das epaxiale Myotom (DML, ▶ Abb. 6.11b, c,
▶ Abb. 6.12). Die VLL verlängert sich knospenartig und dringt in die Somatopleura
ein (▶ Abb. 6.11b). Dort bilden die VLL-Zellen die infrahyoidale, interkostale und
Bauchwandmuskulatur (M. rectus abdominis, M. obliquus internus et externus abdominis, M. transversus abdominus). Die
Extremitätenmuskulatur entsteht aus mesenchymalen Einzelzellen, die die ventrolaterale Dermomyotomkante zu einem frühen Zeitpunkt verlassen, den prämyogenen Zellen. Aus dem epaxialen Myotom
geht die autochthone Rückenmuskulatur
hervor.
Anfangs besteht eine gut definierte
Grenze zwischen einem jeden Somiten
und der Somatopleura („laterale somitische Grenze“, grüne Linie in ▶ Abb. 6.11b).
Diese definiert zwei mesodermale Domänen im Embryo:
● Die primaxiale Domäne umfasst die Region um Neuralrohr und Chorda dorsalis,
die nur Derivate des paraxialen Mesoderms enthält.
● Die abaxiale Domäne besteht aus dem
parietalen Blatt der Seitenplatten (Somatopleura) zusammen mit eingewander-
epitheliale
Randleiste
Auge
Abb. 12.1 Die Muskulatur im
Kopf-Hals-Bereich entsteht aus
Somitomeren und Myotomen.
7 Wochen alter Embryo. Muskelzellen der Gliedmaßen
stammen von Somiten spezifischer Segmente, etwa die der
oberen Extremität (Arme) von
C 5–Th 2 und die der unteren
Extremität (Beine) von L 2–S 2.
Letztlich entstehen die Muskeln
aus mehr als nur einem Segment, das ursprüngliche Segmentierungsmuster geht
jedoch verloren.
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12
Muskelsystem
ten somitischen Zellen, welche die laterale somitische Grenze überquert haben.
Bei den Muskelvorläuferzellen (aus der VLL
des Dermomyotoms), die diese Grenze
überqueren und ins Seitenplattenmesoderm einwandern, handelt es sich um hypaxiale Muskelvorläuferzellen, die zur
weiteren Differenzierung zahlreiche Signale aus der Somatopleura erhalten
(▶ Abb. 6.12). Diejenigen Muskelvorläuferzellen, welche im paraxialen Mesoderm
verbleiben (die Zellen der DML des Dermomyotoms und ein Teil der Zellen des zentralen Dermomyotoms) und die laterale
somitische Grenze nicht überschreiten,
stellen die primaxialen (epaxialen) Musepaxiale (Rücken-)Muskeln
Ramus dorsalis
Körperwandmuskeln
Extensoren
der
Extremität
12
Ramus
ventralis
Flexoren der Extremität
Abb. 12.2 Innervation der sich entwickelnden Muskulatur. Epaxiale Muskeln
(spätere autochthone Rückenmuskulatur)
werden von dorsalen (posterioren) primären Rami innerviert. Hypaxiale Muskeln
(Extremitäten und Körperwand) werden
von ventralen (anterioren) primären Rami
versorgt. Beachte die dorsale (Extensoren)
und die ventrale Muskulatur (Flexoren)
der Extremität.
kelprogenitorzellen dar, die die meisten
Signale aus dem Neuralrohr und der Chorda dorsalis erhalten (▶ Abb. 6.12). Epaxiale
wie hypaxiale Muskeln werden segmental
innerviert auf eine Weise, die der Ausgangsposition der Muskulatur im paraxialen Mesoderm entspricht (▶ Abb. 12.2).
Die laterale somitische Grenze markiert
auch die Grenzlinie zwischen der Dermis
des Rückens und Nackens, die aus den Dermomyotomen hervorgeht, und der Dermis
der seitlichen und ventralen Rumpfwand,
die aus der parietalen Seitenplatte entstammt. Sie bestimmt darüber hinaus für
die Rippenentwicklung die Grenze zwischen den knöchernen Anteilen der Rippen, die aus den primaxial gelegenen Sklerotomzellen entstehen, und den knorpligen, mit dem Sternum verbundenen Anteilen aus abaxialen Sklerotomzellen, die
die laterale somitische Grenze überquert
haben.
12.3 Innervation
der axialen Skelettmuskulatur
Die neue Beschreibung der Muskelentwicklung durch die Begriffe primaxiale
und abaxiale Domäne unterscheidet sich
vom älteren Konzept der Epimeren (Rückenmuskulatur) und Hypomeren (Gliedmaßenmuskulatur und Muskulatur der
ventrolateralen Körperwand), das auf dem
funktionellen Aspekt der Innervation beruhte: Die Epimeren wurden durch dorsalen Äste der Spinalnerven versorgt, die Hypomeren durch die ventralen Äste.
Die neue Beschreibung stützt sich auf
den eigentlichen embryonalen Ursprung
der Muskelzellen, der auf zwei verschiedene Populationen von Progenitorzellen zurückgeführt werden kann und nicht auf die
Innervation. Die Beschreibung ändert
nichts an folgender Tatsache: Die epaxiale
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12.6 Musterbildung der Muskulatur
Muskulatur (oberhalb der Körperachse,
Rückenmuskulatur) wird durch dorsale Äste der Spinalnerven innerviert, die hypaxiale Muskulatur (unterhalb der Körperachse, Muskulatur der ventrolateralen Körperwand und der Extremitäten) hingegen
durch ventrale Rami (▶ Abb. 12.2).
12.4 Skelettmuskeln
und Sehnen
Die Myoblasten für die Leibeswand und
die Gliedmaßen lösen sich von den Myotomen ab und wandern in ihre Zielregionen
aus. Dort nehmen sie ihre charakteristische spindelförmige Gestalt an und fusionieren zu langen, vielkernigen Muskelfasern. Anschließend werden die Myofibrillen im Zytoplasma sichtbar. Gegen Ende
des 3. Monats ist die typische Querstreifung zu erkennen. In den sieben Somitomeren, die sich in der Kopfregion rostral
an die okzipitalen Somiten anschließen,
verläuft die Entwicklung ähnlich. Die Somitomere teilen sich jedoch vor der Differenzierung nie in erkennbare Sklerotomund Dermomyotomsegmente.
Die Sehnen für die Befestigung der Muskeln an den Knochen stammen aus Sklerotomzellen in der Nachbarschaft der Myotome im vorderen und hinteren Abschnitt
der Somiten. Der Transkriptionsfaktor
SKLERAXIS reguliert die Entwicklung dieser Zellen.
12.5 Molekulare
Steuerung der Muskelentwicklung
plattenmesoderm, zusammen mit WNTProteinen aus dem darüberliegenden Ektoderm, induzieren die Expression des muskelspezifischen Gens MyoD in der ventrolateralen Lippe des Dermomyotoms
(▶ Abb. 6.12). BMP4 aus den Ektodermzellen induziert die Sekretion von WNT-Proteinen im dorsalen Neuralrohr, während
gleichzeitig niedrige Konzentrationen von
SHH-Proteinen aus Chorda und Bodenplatte des Neuralrohrs die dorsomediale Lippe
des Dermomyotoms erreichen. Zusammen
induzieren sie dort die Expression von
MYF5 und MyoD. (SHH spielt bei der Spezifizierung der ventrolateralen Lippe keine
Rolle.) MyoD und MYF5 sind Mitglieder
einer Familie von Transkriptionsfaktoren,
die als myogene regulatorische Faktoren
(MRFs) bezeichnet werden und die Entwicklung von Muskelzellen in Gang setzen.
12.6 Musterbildung der
Muskulatur
Die definitive Gestalt der Muskeln wird
vom lokalen Bindegewebe bestimmt, in
das die Myoblasten einwandern:
● In der Kopfregion stammt dieses Bindegewebe von Neuralleistenzellen ab.
● In der zervikalen und okzipitalen Region
stammt das Gewebe aus dem Somitenmesoderm.
● In der Leibeswand und in den Extremitäten geht das Bindegewebe aus der parietalen Mesodermschicht hervor
(▶ Abb. 12.1b).
● In der ventrolateralen Rumpfwand und
den Extremitäten entstammen sie dem
parietalen Seitenplattenmesoderm.
Inzwischen konnten einige Gene, die die
Muskelentwicklung regulieren, identifiziert werden. Bone morphogenetic protein
BMP4) und wahrscheinlich Fibroblastenwachstumsfaktoren (FGFs) aus dem Seiten-
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Muskelsystem
12.7 Kopf- und Gesichtsmuskulatur
Alle willkürlichen Muskeln im Kopfbereich
stammen vom paraxialen Mesoderm (Somitomere und Somiten), einschließlich der
Muskulatur der Zunge, der äußeren Augenmuskeln (die inneren Augenmuskeln der
Iris stammen vom Ektoderm des Augenbechers ab) und der den Schlundbögen zugeordneten Muskeln (▶ Tab. 12.1). Die Gestalt der individuellen Muskeln wird von
der bindegewebigen Komponente bestimmt, die von Zellen der Neuralleiste gebildet wird.
12.8 Extremitätenmuskulatur
12
Die Anlage der Extremitätenmuskulatur ist
in der 7. Entwicklungswoche als Kondensation an der Wurzel der Extremitätenknospe erkennbar (▶ Abb. 12.1). Das Mesenchym stammt von dorsolateralen Zellen
der Somiten ab, die in die Extremitätenknospe einwandern und dort die Muskeln
bilden. Wie in anderen Regionen diktiert
das Bindegewebe das Muster der Muskelbildung, und dieses Gewebe leitet sich von
der parietalen Schicht des Seitenplattenmesoderms ab, das auch den Ursprung der
Extremitätenknochen darstellt (Kap. 13).
12.9 Herzmuskulatur
Die Herzmuskulatur entwickelt sich aus
der viszeralen Mesodermschicht, die den
endothelialen
Herzschlauch
umgibt
(▶ Abb. 14.4, ▶ Abb. 14.5; Kap. 14). Die
Myoblasten sind durch Kontaktzonen miteinander verbunden, aus denen sich die
Glanzstreifen entwickeln. Die Myofibrillen
zeigen Querstreifung wie in der Skelettmuskulatur, die Myoblasten fusionieren jedoch nicht. Die fibrillenarmen spezialisierten Muskelzellen des Erregungsleitungssystems (Purkinje-Fasern) werden erst
später sichtbar.
Tab. 12.1 Herkunft und Innervation der kraniofazialen Muskeln
Mesodermale Herkunft
Muskeln
Innervation
Somitomere 1, 2
Mm. recti sup., med. und inf.
N. oculomotorius (III)
Somitomer 3
M. obliquus superior
N. trochlearis (IV)
Somitomer 4
Kaumuskulatur (Kiefergelenkschließer)
N. trigeminus (V)
Somitomer 5
M. rectus lateralis
N. abducens (VI)
Somitomer 6
Kiefergelenköffner, Muskeln des
2. Schlundbogens
N. facialis (VII)
Somitomer 7
M. stylopharyngeus
N. glossopharyngeus
(IX)
Somiten 1, 2
innere Kehlkopfmuskeln
N. vagus (X)
Somiten 2–5*
Zungenmuskulatur
N. hypoglossus (XII)
* Die Somiten 2–5 sind okzipitale Somiten. (Somit 1 bildet sich zum größten Teil zurück.)
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12.10 Glatte Muskulatur
12.10 Glatte Muskulatur
Die glatten Muskelzellen der Aorta und der
großen Arterien stammen aus dem Seitenplattenmesoderm und der Neuralleiste. In
den Koronararterien entstehen die glatten
Muskelzellen aus Proepikard (Kap. 14) und
in den proximalen Abschnitten aus Neuralleistenzellen. Das glatte Muskelgewebe des
Gastrointestinaltrakts und seiner Anhangsorgane entsteht aus dem viszeralen Mesoderm, das die Anlagen umgibt. Die glatte
Muskulatur der Iris (innere Augenmuskeln,
M. sphincter und M. dilatator pupillae),
stammt aus dem Ektoderm des Augen-
Klinischer Bezug
Muskuläre Fehlbildungen
Das partielle oder vollständige Fehlen eines
Muskels ist ein häufig auftretendes Phänomen und normalerweise nicht mit Behinderungen verbunden. Hierzu gehören beispielsweise das Fehlen des M. palmaris longus, M. serratus anterior oder M. quadratus
femoris.
Ein schwerer Defekt ist bei der PolandSequenz zu finden, die bei 1:20.000 Individuen vorkommt. Sie ist durch einseitiges
Fehlen des M. pectoralis minor und Teilen
(meist der sternale Kopf) des M. pectoralis
maior gekennzeichnet (▶ Abb. 12.3). Auf
der betroffenen Seite fehlen die Brustwarze
und die Areola, oder sie sind verschoben.
Hinzu kommen Fehlbildungen der Finger,
typischerweise Syndaktylie (Fusion der Finger), auf derselben Seite. Die entstellende
Wirkung des Syndroms kann Probleme verursachen, insbesondere bei Frauen wegen
der Brustentwicklung.
bechers.
Die
Myoepithelzellen
der
Schweißdrüsen und der Milchdrüse entstehen ebenfalls aus der epithelialen, zum
Ektoderm gehörenden Komponente der
Drüsen.
Für die Differenzierung der glatten Muskelzellen ist der Transkriptionsfaktor SRF
(serum response factor) verantwortlich.
Er wird durch andere Wachstumsfaktoren
induziert. Myocardin und myocardin-related transcription factors (MRTFs) sind Kofaktoren, die die Aktivität von SRF erhöhen
und so die Genkaskade für die Differenzierung von glatten Muskelzellen in Gang setzen.
b
●
12
Abb. 12.3 Junge mit Poland-Sequenz.
Links fehlen M. pectoralis minor und
ein Teil des M. pectoralis major. Beachte die Verlagerung von Brustwarze
und Areola.
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Muskelsystem
Abb. 12.4 Neugeborenes
mit Prune-Belly-Syndrom.
Das Abdomen ist aufgrund
einer Atrophie der Bauchwandmuskulatur ausgeweitet.
Das teilweise oder vollständige Fehlen der
Bauchwandmuskulatur führt zum PruneBelly-Syndrom (▶ Abb. 12.4). In der Regel
ist die Bauchwand so dünn, dass die Organe hindurchscheinen und leicht zu palpieren sind. Der Defekt geht in der Regel mit
Fehlbildungen der Blase und des Urogenitalsystems einher, die ihrerseits mit einer
Verlegung der Urethra kombiniert sind.
Durch die Vergrößerung der Harnblase
wird das Abdomen aufgebläht. Dies führt
zur Atrophie der Bauchwandmuskulatur.
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Muskeldystrophie
Muskeldystrophie ist die Bezeichnung für
eine Gruppe erblicher Muskelerkrankungen, die fortschreitenden Muskelabbau
und Schwäche zur Folge haben. Es gibt
eine große Anzahl derartiger Muskel-
Alles klar?
1. Aus welchen beiden Regionen des Somiten entstehen überwiegend Muskelzellen? Welche Region trägt zur abaxialen Domäne bei? Welche Muskeln entstehen in der primaxialen und in der
abaxialen Domäne?
2. Bei der Untersuchung eines neugeborenen Mädchens ist die rechte Brustwarze
in Richtung Achsel versetzt. Die rechte
erkrankungen, von denen die DuchenneMuskeldystrophie (DMD) die häufigste ist
(1:4 000 männliche Neugeborene). Die Erkrankung wird X-chromosomal vererbt,
sodass Jungen häufiger betroffen sind als
Mädchen.
Die DMD und die Becker-Muskeldystrophie (BMD) werden durch Mutationen
im Dystrophingen auf dem X-Chromosom
hervorgerufen. Bei DMD wird jedoch kein
funktionelles Dystrophin-Protein mehr hergestellt, und der Krankheitsverlauf ist
schwerer mit frühkindlichem Ausbruch der
Krankheit (jünger als 5 Jahre gegenüber
8–25 Jahren bei der Becker-Muskeldystrophie). Dystrophin ist ein zytoplasmatisches
Protein, das einen Dystrophin-assoziierten
Proteinkomplex bildet, der das Zytoskelett
mit der extrazellulären Matrix verknüpft.
X
●
vordere Achselfalte ist verstrichen. An
welche Diagnose muss man denken?
3. Von welchem Gewebe hängt die Ausgestaltung der einzelnen Muskelindividuen ab?
4. Wie ist es zu erklären, dass der N. phrenicus, der aus den Halssegmenten C 3,
C 4 und C 5 entspringt, das viel weiter
kaudal gelegene Zwerchfell innerviert?
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