170 W I S S ENS CHAFT · S PECIA L : A N T IKÖ RP E RDE SIGN Antikörpereffektoren Monozyten als Vermittler Immunglobulin-G-abhängiger Effektorfunktionen MARKUS BIBURGER, FALK NIMMERJAHN LEHRSTUHL FÜR GENETIK AM DEPARTMENT FÜR BIOLOGIE, UNIVERSITÄT ERLANGENNÜRNBERG Antibodies carry out effector functions either directly or by binding of immune complexes to cellular Fc-receptors. Here we focussed on two mouse models: a model for immune-thrombocytopenia, where platelets are depleted by injection of anti-platelet antibodies, and a model for lymphoma treatment, where B-cells are depleted by CD20-specific antibodies. In both cases we found the activating Fc-receptors FcγRI and IV to be essential for IgG activity. DOI: 10.1007/s12268-012-0161-4 © Springer-Verlag 2012 ó Die Antikörper stellen einen der Hauptpfeiler der adaptiven Immunität dar. Dabei handelt es sich um annähernd Y-förmige Proteine, die aus zwei leichten und zwei schweren Ketten zusammengesetzt sind und von ausdifferenzierten B-Zellen, den Plasmazel- A B len, gebildet werden. Die Antikörper oder Immunglobuline liegen in Säugetieren in verschiedenen Isotypen vor, die sich in ihrer Wirkungsweise und dem Ort ihres hauptsächlichen Vorkommens im Körper unterscheiden. Neben ¯ Abb. 1: Beteiligung von Fcγ-Rezeptoren an IgG-vermittelten Effektorfunktionen. A, Während einige der Funktionen von Antikörpern FcRezeptor-unabhängig vermittelt werden können, ist die Bindung von Immunkomplexen an diese Rezeptoren für andere unabdingbar. Nur ein Teil der vielfältigen Antikörperfunktionen ist hier dargestellt. B, Fcγ-Rezeptoren in Maus und Mensch. Stimulatorische Signale werden über ITAM-Domänen (immunoreceptor tyrosinebased activation motif) vermittelt, inhibitorische Signale über ITIM-Domänen (immunoreceptor tyrosine-based inhibition motif). den stets als einzelnes Immunglobulin(Ig)Molekül vorkommenden IgG-, IgE- und IgDAntikörpern können andere Isotypen auch in dimerer (IgA) und pentamerer Form (IgM) auftreten. Die im Blut in der höchsten Konzentration vorliegenden Immunglobuline gehören der Gruppe der IgG-Antikörper an, die sich wiederum in vier Subklassen (IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4) untergliedert. Effektorfunktionen Die IgG erfüllen im Rahmen der adaptiven Immunantwort eine Vielzahl von Effektorfunktionen. Einige davon, wie z. B. die Neutralisierung von Viren oder Toxinen, können von Antikörpern direkt vermittelt werden (Abb. 1A). Andere Funktionen erfordern die Bindung von Antikörper/Antigen-Immunkomplexen an Fcγ-Rezeptoren, die auf der Oberfläche verschiedener Effektorzellen des angeborenen Immunsystems, wie etwa den Monozyten, Makrophagen und Neutrophilen, vorkommen. Hierzu gehören z. B. die Opsonisierung, bei der die Oberfläche zellulärer Antigene mit Antikörpern besetzt wird, sodass diese von phagozytierenden Zellen des angeborenen Immunsystems „aufgefressen“ werden, weiterhin die Modulation der Immunantwort sowie die Induktion einer Antikörper-abhängigen zellvermittelten Zytotoxizität (ADCC, antibody-dependent cellular cytotoxicity), das heißt der Eliminierung Antikörper-beladener Zielzellen durch Effektorzellen. Fcγ-Rezeptoren Sowohl im Menschen als auch in der Maus als immunologischem Modellorganismus findet sich mit FcγRI ein aktivierender Rezeptor, der aufgrund seiner hohen Affinität zu IgG-Molekülen in der Lage ist, diese als einzelne Moleküle zu binden (Abb. 1B). Alle anderen Fcγ-Rezeptoren binden Antikörper in der Form von Immunkomplexen, da sie eine geringe bis mittlere Affinität aufweisen und somit nur Komplexe binden können, die mehrere Antikörpermoleküle beinhalten. In Maus und Mensch existiert darüber hinaus ein inhibitorischer Rezeptor, FcγRIIB. BIOspektrum | 02.12 | 18. Jahrgang 171 ˘ Abb. 2: Die Bedeutung Modellsysteme In unserer Arbeitsgruppe untersuchen wir in Mausmodellen die Bedeutung der Fc-Rezeptoren für verschiedene Antikörper-vermittelte Effektorfunktionen. Zwei wichtige Modelle sind (1) die Depletion von Thrombozyten (Blutplättchen) durch Injektion eines gegen Thrombozytenoberflächenproteine gerichteten Antikörpers als Modell für eine autoimmunvermittelte Thrombozytopenie, und (2) die Depletion von B-Zellen durch Injektion eines gegen das Oberflächenantigen CD20 gerichteten Antikörpers als murines Modell für die Behandlung z. B. von B-Zell-Lymphomen im Menschen durch entsprechende humane CD20-spezifische Antiköper. Die Thrombozytopenie ist durch sehr niedrige Thrombozytenzahlen im Blut charakterisiert und kann deshalb mit einem erhöhten Risiko für spontane Kapillarblutungen in der Haut bis hin zu schweren inneren Blutungen einhergehen. Die immunvermittelte Thrombozytopenie ist eine Autoimmunerkrankung, die durch Antikörper gegen die BIOspektrum | 02.12 | 18. Jahrgang einzelner Fcγ-Rezeptoren für IgG-Effektorenfunktionen und ihre zelltypspezifischen Expressionsmuster. A, Relevanz von FcγRI und IV. Die Injektion von Thrombozyten(6A6) bzw. B-Zell-spezifischen (IgG2a) Antikörpern führt innerhalb weniger Stunden zur Depletion der Blutplättchen bzw. der B-Zellen. In Mäusen, denen FcγRI und IV fehlen sind beide Effekte signifikant blockiert. B, zelluläres Fcγ-Rezeptorrepertoire. Mittels fluoreszenzmarkierten Antikörpern gegen die jeweiligen Fcγ-Rezeptoren wurde deren relative Expression mittels durchflusszytometrischer Messungen bestimmt. körpereigenen Blutplättchen ausgelöst wird. Die Behandlung mit AntiCD20-Antikörpern (wie Rituximab) stellt eine Standardtherapie für maligne Tumoren des lymphati- A B 172 W I S S ENS CHAFT · S PECIA L : A N T IKÖ RP E RDE SIGN A B C D schen Systems dar, bei denen eine deregulierte Proliferation von CD20-exprimierenden Zellen vorliegt. Anhand der genannten Mausmodelle möchten wir die der Antikörperaktivität zugrunde liegenden molekularen und zellulären Mechanismen besser verstehen und damit eine Grundlage für die mögliche Optimierung der jeweiligen Therapien schaffen. Bedeutung der Fcγ-Rezeptoren Durch die Verwendung von Mausstämmen, bei denen die Oberflächenexpression der Fcγ-Rezeptoren einzeln oder in verschiedenen Kombinationen ausgeschaltet ist, konnten die jeweils relevanten Fcγ-Rezeptoren, die für die Antikörperaktivität wichtig sind, eingegrenzt werden. Während die Injektion des Thrombozyten-spezifischen Antikörpers 6A6 vom IgG2a-Isotyp in Wildtyp-Mäusen mit normaler Ausstattung an Fcγ-Rezeptoren innerhalb von vier Stunden eine ca. 90prozentige Depletion der Thrombozyten bewirkte, waren Mäuse, denen alle aktivierenden Fcγ-Rezeptoren auf der Oberfläche fehlen, davor geschützt. Von Mäusen, bei denen einzelne Rezeptoren ausgeschaltet sind, zeigten nur diejenigen, denen FcγRIV fehlt, einen partiellen Schutz. Mäuse, denen die aktivierenden Rezeptoren FcγRI und FcγRIII fehlen, zeigten eine weitgehend normale Depletion. Im Gegensatz hierzu war in Mäusen ohne die beiden Rezeptoren FcγRI und FcγRIV die Depletion stark reduziert (Abb. 2A, links) [1]. Dies deutet darauf hin, dass als Effektor zelle am ehesten solche infrage kommen, die diese beiden Rezeptoren exprimieren, und dass das Fehlen eines dieser Rezeptoren zumindest teilweise vom jeweils anderen kompensiert werden kann, wobei FcγRIV scheinbar die wichtigere Rolle zukommt. In analoger Weise verhinderte das Fehlen von FcγRI und FcγRIV auch die Depletion der peripheren B-Zellen durch CD20-spezifische IgG2a-Antikörper (Abb. 2A, rechts). Identifizierung potenzieller Effektorzellen Bei der Quantifizierung der Fcγ-RezeptorExpression in Blut, Knochenmark und Milz konnten wir zeigen, dass insbesondere eine Subpopulation von Monozyten eine deutliche Expression von FcγRI und insbesondere ¯ Abb. 3: Funktionelle Bedeutung von Ly6C10Monozyten für IgG-vermittelte Effektorfunktionen. A, Die spezifische Eliminierung der Ly6CloMonozyten durch Clodronat bewirkt eine signifikante Reduktion der Antikörper-vermittelten Thrombozyten-Depletion im Vergleich zu unbehandelten oder PBS-behandelten Mäusen. Die Anti-CD20-vermittelte B-Zell-Depletion wird hierdurch vollständig blockiert. B, Ly6Clo-Monozyten zeigen eine deutliche Befähigung zur Aufnahme von injizierten Polystyren-Partikeln mit einem Durchmesser von einem Mikrometer. C, Durch variierende Gaben von Clodronat liegen zum Zeitpunkt der Antikörper-Injektion unterschiedliche Zahlen an Monozyten im Blut vor. Für Ly6Clo-Monozyten korreliert deren Anzahl gut mit der jeweiligen Effizienz der Thrombozyten-Depletion. D, Ly6Clo-Monozyten exprimieren alle vier murinen Fcγ-Rezeptoren und erscheinen als wichtige Mediatoren für Antikörper-vermittelte Effektorfunktionen. FcγRIV aufweist (Abb. 2B). Hierbei handelt es sich um nicht-klassische (oder auch residente) Monozyten, die sich durch das weitgehende Fehlen des Oberflächenmarkers Ly6C (Ly6Clo für low) von den klassischen (oder auch inflammatorischen) Monozyten unterscheiden, welche eine ausgeprägte Expression von Ly6C zeigen (Ly6Chi für high). Ly6Chi-Monozyten zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie in entzündete Gewebe einwandern, während nicht-klassische Monozyten als patrouillierende Zellen beschrieben sind. Die Injektion von Liposomen, die mit dem Zellgift Clodronat beladen sind, erlaubt eine effiziente Eliminierung von Monozyten und Makrophagen, während andere Zelltypen unbeeinflusst bleiben. Nach entsprechender Vorbehandlung waren Mäuse weitgehend vor der Antikörper-vermittelten Depletion der Thrombozyten als auch der BZell-Depletion geschützt. Durch Titration der Liposomenmenge und eine kurze Vorbehandlungsdauer konnten wir Bedingungen etablieren, unter denen Ly6Clo-Monozyten weitgehend eliminiert waren, während andere Zellen (unter ihnen die klassischen Monozyten) nur geringfügig beeinflusst wurden (Abb. 3A). Bei derart vorbehandelten Mäusen war die Effizienz der ThrombozytenDepletion signifikant reduziert. In ähnlicher Weise war auch die Antikörper-vermittelte BZell-Depletion nach Eliminierung dieser Monozytenpopulation vollständig inhibiert (Abb. 3A). Im Gegensatz zu B-Zellen handelt es sich bei Thrombozyten nicht um vollständige Zellen, sondern um sehr viel kleinere Abschnürungen eines speziellen Zelltyps, der Megakaryozyten. Während also die Depletion von B-Zellen über eine klassische Antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität erfol- BIOspektrum | 02.12 | 18. Jahrgang gen dürfte, ist ein solcher Mechanismus bei der Depletion von Thrombozyten unwahrscheinlich. Naheliegend ist indessen die Aufnahme von Thrombozyten durch phagozytierende Zellen. Da die in der Literatur vorliegenden Daten zur endozytotischen Aktivität der Monozytensubpopulationen uneinheitlich sind, führten wir dahingehende Untersuchungen der Ly6Chi- und Ly6Clo-Monozyten und anderer Leukozyten im Blut unter steady state-Bedingungen durch. Hierzu injizierten wir Polystyren-Kügelchen, die mit einem Mikrometer Durchmesser in der Größenordnung von Thrombozyten liegen, oder alternativ dazu fluoreszenzmarkierte Liposomen. Hinsichtlich der Polystyren-Partikel zeigten im Blut die Ly6Clo-Monozyten die ausgeprägteste endozytotische Aktivität (Abb. 3B), Liposomen wurden im Beobachtungszeitraum sogar ausschließlich von diesen Zellen aufgenommen. Zudem konnte eine deutliche Korrelation der Autoantikörper-vermittelten Thrombozyten-Depletionseffizienz mit der Anzahl von Ly6Clo-Monozyten im Blut nachgewiesen werden, während Ly6Chi-Monozyten nur eine Tendenz erkennen ließen (Abb. 3C). Interessanterweise scheinen bereits sehr geringe Zahlen an Ly6Clo-Monozyten für eine effektive Depletion auszureichen. Basierend auf diesen und weiteren Ergebnissen [1] nehmen wir an, dass die Ly6Clo-Monozyten, die auch das breiteste Repertoire an Fcγ-Rezeptoren aufweisen, eine zentrale Rolle sowohl bei der Antikörper-vermittelten Depletion von Blutplättchen als auch beim Wirkmechanismus der Anti-CD20-vermittelten B-Zell-Depletion spielen (Abb. 3D). Zumindest für die hier verwendeten IgG2a-Immunglobuline sind offensichtlich die Fcγ-Rezeptoren I und IV von zentraler Bedeutung, die das Fehlen des jeweils anderen wohl teilweise kompensieren können [1]. Zukünftige Experimente werden zeigen, ob auch in Modellen mit IgG1-vermittelten Effektorfunktionen, die nicht von FcγRIV, sondern von FcγRIII abhängig sind, die Monozyten eine zentrale Bedeutung haben, da insbesondere Natürliche-Killer-Zellen (NK-Zellen) in der Maus eine überraschend geringe BIOspektrum | 02.12 | 18. Jahrgang FcγRIII-Expression im Vergleich zu Monozyten aufweisen [2]. ó Danksagung Unsere Arbeiten werden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB 643) und das Bayerische Genomforschungsnetzwerk (BayGene) unterstützt. Literatur [1] Biburger M, Aschermann S, Schwab I et al. (2011) Monocyte subsets responsible for immunoglobulin gdependent effector functions in vivo. Immunity 35:932–944 [2] Biburger M, Nimmerjahn F (2012) Low level of FcγRIII expression on murine natural killer cells. Immunol Lett (im Druck) Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Falk Nimmerjahn Lehrstuhl für Genetik Department Biologie Universität Erlangen-Nürnberg Erwin-Rommel-Straße 3 D-91058 Erlangen Tel.: 09131-8525050 Fax: 09131-8528526 [email protected] AUTOREN Markus Biburger Jahrgang 1967. 1987– 1992 Biologiestudium und Promotion an der Universität Erlangen. 1998 Postdoc an der Klinik für Tumorbiologie, Universität Freiburg. 1999–2002 Chemotherapeutisches Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus, Frankfurt a. M. 2002–2007 Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Erlangen. Seit 2007 bei Prof. Dr. Nimmerjahn, LS Genetik der Universität Erlangen-Nürnberg. 2010 Habilitation. Falk Nimmerjahn Jahrgang 1972. 1993– 1998 Biologiestudium an den Universitäten Bayreuth und Erlangen. 1999–2002 Promotion an der LMU München und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum München. 2004–2007 Postdoc im Labor von Prof. Dr. Ravetch an der Rockefeller University, New York, USA. 2007–2010 W2Professor für Immunologie und Immuntherapie am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg. Seit 2010 Leiter des Lehrstuhls für Genetik am Department für Biologie der Universität Erlangen.