Verbands-Management (VM) Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management VM 1/02 Purtschert, Robert Lobbying: Ein konzeptionellheuristischer Ansatz Verbands-Mangement, 28. Jahrgang, Ausgabe 1 (2002), S. 46-57. Herausgeber: Redaktion: Layout: Fotomaterial: ISSN: Kontakt: Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch, Universität Freiburg/CH Bettina Kaufmann/Guido Kaufmann Maxomedia, Bern Daniel Fuchs, Bern 1424-9189 [email protected] Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Fachartikel NPO-Kernaufgabe Lobbying: Ein konzeptionellheuristischer Ansatz Analyse der bisherigen Lobbying-Aktivitäten Für die Konzepterstellung ist es sinnvoll, eine Stärken-/Schwächenanalyse über die bisherigen Lobbying-Aktivitäten vorzunehmen, die laufenden Aktivitäten, die vorhandenen Mittel, Infrastruktur wie auch vorhandene Beziehungen usw. aufzulisten. Robert Purtschert Festlegen der Austauschpartner im politischen System Aus dem Marketing-Austauschsystem lassen sich die Zielgruppen im politischen System herauslesen. Diese sind hier noch zu präzisieren, es ist zu fragen, bei welchen Stellen/Personen Lobbying-Arbeit benötigt wird. Die Interessenvertretung ist eine Kernleistung der NPO, und zwar sowohl für die Selbsthilfe- bzw. Eigenleistungs- wie für Drittleistungs-NPO. Deshalb erhält diese Kernaufgabe auch im Freiburger Management-Modell (FMM) für NPO eine gebührende Verankerung. Ein wichtiger Teilbereich der Interessenvertretung ist die Beeinflussung des politischen Systems. Für die meisten NPO empfiehlt sich deshalb, ein Interessenvertretungs-/Lobbying-Konzept als Marketing-Teilkonzept zu erstellen. Diesem schliesst sich für die Bearbeitung von einzelnen Lobbying-Aufgaben die operative Lobbying-Planung an. Interessengruppen nehmen in politischen Systemen eine wichtige Funktion ein. Deren Wirken wird von der Politikwissenschaft und der Volkswirtschaftslehre in Bezug auf das Gesamtsystem beurteilt. Eine Zeitlang schien es, als ob die Macht der Verbände überschätzt wurde (Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, 1997, S. 384). Nicht die Bürger-, sondern Wirtschafts- und Verbandsinteressen würden in undurchsichtigen vor- und ausserparlamentarischen Verfahren eine Interessenaushandlung betreiben. Heute ist die ganze Problematik einer pragmatischen Betrachtungsweise gewichen. Viele Untersuchungen und Fallstudien haben gezeigt, dass die Macht der Verbände durch eine Vielzahl von weiteren Akteuren eingegrenzt wird. Zudem wäre die politische Arbeit ohne die Informationsaufbereitung durch Interessengruppen gar nicht machbar. Auch die Akzeptanz von politischen Beschlüssen ist auf der Basis einer breiten Abstützung durch Interessengruppen leichter erreichbar. Es zeigt sich immer wieder, dass die staatliche Verwaltung die Bildung von Interessengruppen sogar fördert, um geeignete Ansprech- und Verhandlungspartner zu haben. 46 Für uns ist die Tatsache wesentlich, dass praktisch alle NPO Lobbying-Arbeit verrichten (müssen), diese Aufgaben bilden nicht selten der primäre Grund für die Existenz der NPO. Deshalb steht nicht die Frage des «Ob», sondern die Frage des «Wie» im Vordergrund. Die Lobbying-Arbeit sollte nicht rein zufällig, sondern konzeptorientiert angegangen werden, um ein möglichst gutes «Rendement» zu erzielen. Weil heute Verbände und NPO in politischen Entscheidungsprozessen eine gewichtige Rolle (zu) spielen (haben), soll ein für NPO taugliches LobbyingPlanungssystem vorgestellt werden. Wir teilen die Aufgabe in drei Planungsschritte: Erstellen eines Lobbying-Konzeptes – als Rahmenplan für das gesamte Lobbying «Stand-by»-Lobbying als ein permanentes Monitoring und die laufende Kommunikation mit den einzelnen Gliedern der Organisation Die operative Lobbying-Planung als Planung der einzelnen Lobbying-Tätigkeiten Das Lobbying-Konzept Die Erarbeitung des Lobbying-Konzeptes erfolgt in folgenden Teilschritten. Vorgaben aus übergeordneten Führungsinstrumenten In den meisten Leitbildern/Verbandspolitiken sind klare Aufträge für die Interessenvertretung vorgegeben. Das Leitbild der Wirtschaftskammer Österreich fordert beispielsweise ein aktives Lobbying. Aus dem Marketing-Konzept ergeben sich die Gesamtpositionierung der Organisation und die Übersicht über die geplanten Marketing-Einsatzbereiche, was die Abstimmung für den Gesamtauftritt der Organisation erleichtert. Errichtung eines Monitoring-Systems Erfolgsreiches Lobbying erfordert eine kontinuierliche Beobachtung der Entwicklung politisch relevanter Themen und deren Umfeld. Hier geht es darum, über die Einrichtung eines solchen Monitoring-Systems zu beschliessen, die entsprechende Infrastruktur festzulegen und die entsprechenden Finanzen zu bewilligen. Festlegen der Grundsatzpositionen und interne Abstimmung Für die wichtigsten Lobbying-Themen sollen die eigenen grundsätzlichen Positionen festgelegt werden, z.B. in der Wirtschaftspolitik, der Steuerpolitik, der Sozialpolitik usw. Diese Grundsatzpositionen sind mit allen Gliedern der Organisation abzustimmen, z.B. Sektionen oder andere Untergruppen, weiter mit Nachbar- oder Dachverbänden, und selbstverständlich müssen diese Positionen von der eigenen (Mitglieder-) Basis getragen werden. Organisation des Lobbying Hier geht es um die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Miliz- und Profisystem, d.h. im Vorstand und in der Geschäftsführung. Es sind die entsprechenden personellen Ressourcen vorzusehen. Das Lobbying muss in der Organisationsstruktur verankert sein (z.B. ständiger Ausschuss für Sozialpolitik usw.). Weil Lobbying nichts Statisches, sondern etwas sehr Dynamisches ist, das dauernd stattfinden muss und ständige Feedback-Prozesse mit der Basis und andern Gliedern der Organisation erfordert, sind als nächs- tes die Lobbying-Bereitschaft und permanente Lobbying-Betreuung zu institutionalisieren. Wir nennen dies «Stand-by»-Lobbying. «Stand-by»-Lobbying Ein gutes Lobbying erfordert eine hohe Potenzialqualität und eine gute Dienstleistungsbereitschaft. Dazu gehören: Ein permanentes Monitoring. Eine laufende Beurteilung und Bewertung der Monitoring-Resultate und der entsprechende Transfer in die Gesamtorganisation. Das Formulieren von Aufträgen für die operative Lobbying-Planung. Permanenter Aufbau von Beziehungen zu relevanten Zielpersonen. Die umfassende und kontinuierliche Beobachtung über die Entwicklung von politisch relevanten Themen ist eine Grundvoraussetzung für ein gutes Lobbying. Dieses Monitoring hat eine Frühwarnfunktion, damit die eigenen Aktionen zeitgerecht eingeleitet werden können. Der grösste Teil der täglichen Lobbying-Arbeit entfällt auf diese Funktion (Buholzer, René, P., «Konzeptionelles Lobbying I», in: Verbands-Management VM (Nr. 2/1998), S. 14). In der Praxis gibt es immer wieder Probleme für das Management, der Basis diesen Sachverhalt verständlich zu machen. Zum Monitoring gehört auch eine laufende Gesetzes-, Verordnungs-«Durchforstung» bzw. Forschung (Helmes, Peter, Lobbying, 1999). Praktiker in Verbänden stellen immer wieder fest, dass vielfach ein den modernen Anforderungen des Polit-Managements entsprechendes Monitoring sowie fundierte Kenntnisse über die kollektiven Entscheidungsprozesse fehlen (Prugger, Ernst, Lobbyingkonzept, 1999, S. 29). Beurteilung und Bewertung, Transfer in die Gesamtorganisation Die Resultate aus dem Monitoring müssen beurteilt und bewertet werden. Dies geschieht einmal in der Geschäftsstelle, dann sind auch Beratungen im Vorstand oder in speziellen Lobbying-Ausschüssen sinnvoll. Stellt sich ein akuter Handlungsbedarf ein, 47 Fachartikel ist man gewillt, aktives Lobbying zu betreiben, so müssen Aufträge für die operative Lobbying-Planung formuliert werden. Vielfach ist es aber auch möglich, eine passive Strategie zu fahren, oder man versucht, andere Organisationen auf den Fall anzusetzen usw. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch der Transfer in die Gesamtorganisation, d.h. dass die einzelnen Glieder, Sektionen usw. und die Mitglieder über die Monitoring-Ergebnisse etc. informiert werden. Dazu gehört eine dauernde Mitgliederinformation sowie der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern. Hier kann auch ein länger dauernder interner Meinungsbildungsprozess stattfinden, bevor ein konkreter Auftrag zur operativen Lobbying-Planung gegeben werden kann. Denn eine erfolgreiche operative Lobbying-Planung muss sich auf die Legitimität des Anliegens stützen können. Nach Schmitter/Streeck unterliegt der Austausch zwischen Verband und Mitgliedern der sogenannten «Logic of membership», die auf Faktoren wie die Organisation und die Ressourcenausstattung einer Interessengruppe hinweist. Die Organisationsstruktur, der Organisationsgrad, die finanziellen Mittel und die Grösse der Organisation etc. bestimmen das Stärken-/Schwächenprofil der Interessengruppe. Die «Logic of membership» stimmt nicht immer mit der «Beeinflussungslogik» («Logic of influence») überein. Hier geht es um den Austausch zwischen Verbänden und der Aussenwelt. Dieser wird durch die institutionellen Besonderheiten des jeweiligen politischen Systems dominiert. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass die Mitglieder unrealistische Erwartungen und Forderungen an das Lobbying stellen. Die Zentrierung auf die eigenen Probleme versperrt eine realistische Gesamtoptik. Die NPO agiert deshalb als intermediäre Organisation zwischen der Organisationswelt der eigenen Mitglieder und der Welt des politischen Systems. Kirsch weist auf die Gefahr der «Verselbständigung korporativer Macht» hin, weil Verbände etwas einseitig gewisse Ziele verfolgen, die nicht von allen Mitgliedern getragen werden (Kirsch, Guy, Neue politische Ökonomie, 1993, S. 279). Das Lobbying einer 48 NPO sollte deshalb in einem ständigen Austausch mit den eigenen Reihen und mit den äusseren Umfeldern stehen. Auf der andern Seite nehmen die Umwelten die Vorkommnisse in der NPO ebenfalls wahr, und der Erfolg einer Lobbying-Aktion kann massgeblich davon abhängen, wie die Umwelt die Solidarität und das Durchstehvermögen einer NPO einschätzt. Um die Beeinflussbarkeit eines politischen Prozesses beurteilen zu können, ist die Checkliste in Abbildung 1 nützlich: die Phase der Entscheidungsfindung, in der sich die Vorlage befindet (je früher, desto besser) die Charakteristik der Vorlage (je fachspezifischer, desto besser) die verfügbaren Lobbying-Kapazitäten (je adäquater, desto besser) das nutzbare Beziehungsnetz (je grösser, desto besser) die Haltung der öffentlichen Meinung (je unterstützender, desto besser) der Grad der Übereinstimmung mit der generellen Doktrin der Politiker und Beamten (je identischer, desto besser) das Verhalten konkurrenzierender Interessengruppen (je desinteressierter, desto besser) das Verhalten unterstützender Interessengruppen (je engagierter, desto besser) die mögliche Bildung von Allianzen (je umfassender, desto besser) Abbildung 1: Beeinflussbarkeit eines politischen Prozesses (vgl. Buholzer, René, P., 1998, S. 15). Formulierung der Aufträge für die operative Lobbying-Planung Ergeben die Vorgaben aus dem Lobbying-Konzept oder aus den Aktiväten im Bereich des «Stand-by»Lobbying Handlungsbedarf für Lobbying-Tätigkeiten, werden diese im Rahmen der operativen Lobbying-Planung umgesetzt. Hier wird wieder nach einer heuristischen Planungssequenz gearbeitet. Operative Lobbying-Planung Um eine konkret gestellte Lobbying-Aufgabe zu lösen, wird der Planungsheuristik für die operative Marketing-Planung gefolgt, die für das Lobbying leicht modifiziert und ergänzt wird. Es werden alle Informationen aus den übergeordneten Konzepten bereitgestellt, die Ergebnisse des Monitoring eingespielt und die Angaben zum Lobbying-Auftrag ausgewertet. Lobbying-Ziele: Das Lobbying-Ziel soll klar und realistisch definiert werden und in der Gesamtorganisation breit abgestützt sein. Das Lobbying-Thema: An sich ist das Thema mit dem Auftrag vorgegeben, doch in der Praxis muss dieses für eine bestimmte Aktion eingegrenzt oder präzisiert werden. Zudem muss überlegt werden, unter welchem Titel das Thema «verkauft» werden soll, sowohl bei der Basis wie bei den Zielgruppen. Vielfach sind die LobbyingThemen relativ global formuliert wie Euro, Steuerrecht, Umwelt und Technik, Arbeit und Personal, Export und Internationalisierung usw. Eine konkrete Lobbying-Aktion in Bezug auf den Euro bezieht sich bspw. auf das wünschbare Wechselkursverhältnis zwischen Schweizer Franken und Euro aus der Sicht der exportorientierten Wirtschaft. In Lobbying-Prozessen versucht man, die Regierung und die Nationalbank für diese Vorgabe zu gewinnen. Analyse des politischen Prozesses: Bei diesem Punkt geht es darum, sich eine Übersicht über die Abläufe der politischen Willensbildung im jeweiligen politischen System zu schaffen (s. Abbildung 2, S. 50). Auf nationaler Ebene können meistens fünf wichtige Phasen bei der politischen Willensbildung unterschieden werden: die Initiativphase die vorparlamentarische Phase die parlamentarische Phase die Referendumsphase (in der Schweiz) die Vollzugs- oder Umsetzungsphase Die Initiativphase In dieser Phase besteht die wichtigste Aufgabe im Agenda-Setting. Das Thema muss sowohl in die öffentliche wie in die politische Agenda aufgenommen werden. Oft braucht es zuerst eine Sensibilisierung für das Thema, bevor die Problematik überhaupt im politischen Prozess einfliessen kann. Neben der Pressearbeit werden Denkschriften verfasst, Eingaben an Behörden gestartet, Eingaben an Parlamentarier vorbereitet, Kontakte zu andern Interessengruppen aufgenommen usw. Die vorparlamentarische Phase Der Übergang zur vorparlamentarischen Phase ist fliessend. NPO können eine Thematik vorstrukturieren, d.h. sie erarbeiten (kostenlos) Analysematerial bringen konzeptionelle Lösungsvorschläge bringen Vorbilder aus anderen Ländern. Weiter arbeiten Lobbyisten in Expertengruppen mit, lassen selber Expertengutachten erstellen, entsenden oder finanzieren Experten für Arbeitsgruppen. In vielen Fällen ist man auf das Expertenwissen der Verbände angewiesen. Nach Klöti (Klöti, Ulrich, Das Vernehmlassungsverfahren, 1987, S. 7) hat die Phase der Expertenkommission an Bedeutung gewonnen. Viele Auseinandersetzungen zwischen Positionen von grösseren Verbänden finden bereits in der Expertenkommission statt. Dies hat verschiedene Vorteile: Erstens sitzen sich die Kontrahänten persönlich gegenüber, was das Gespräch erleichtert. Zweitens sind die Verhandlungen der Expertengremien nicht öffentlich. Dies erlaubt, Kompromissformeln auszutesten, die man im schriftlichen Verkehr nicht gerne als Versuchsballone steigen lassen würde. Drittens sind Expertenkommissionen relativ klein, was die Konsensfähigkeit ebenfalls fördert. Ein wichtiges Element in der vorparlamentarischen Phase ist das Vernehmlassungsverfahren (in Österreich Gesetzesbegutachtung, in Deutschland Anhörungsverfahren). Das Vernehmlassungsverfahren hat in der Schweiz seit 1947 eine kontinuierliche Ausweitung erfahren. Dieses Verfahren wird nicht nur auf Gesetzesstufe, sondern auch auf der Ebene von Verordnungen eingesetzt. Mit dieser Ausdehnung seiner Anwendung hat das Vernehmlassungs- 49 Fachartikel Impuls Bürger. Parteien. Verbände. Presse Andere Interessengruppen Volks- und Standesinitiative. Petitionen. Vorstösse der Parlamentarier Konkretisierung, Entwurf Verwaltung. Expertenkommission Ausarbeitung, Vorentwurf Interessengruppen (Verbände, Parteien) Vernehmlassung Bundesrat, Verwaltung Gesetzesentwurf und Botschaft Beratung, Beschlussfassung Kommissionen der eidg. Räte, Fraktionen Parlament (Nationalund Ständerat) «Initiativen» des Bundesrates Denkschriften Eingaben an Behörden Eingaben an Parlamentarier Lancierung einer Volksinitiative Beratung von Parlamentariern bei Ausarbeitung A R b e s f t e i r m e m n u d n u g m Ausführung Bundesrat, Bundesverwaltung Ausführungserlasse Stimmbürger NPO-Vertreter in Expertenkommission Teilnahmen Hearings Eingaben an Verwaltung und Kommissionen Vernehmlassung von Branchenverbänden und anderen Verbänden Eingaben und Stellungnahmen Teilnahme an Hearings Beratung der Behörden Eingaben an Parteien, Kommissionen und Fraktionen NPO-Vertreter im Parlament Teilnahme an Hearings Eingaben an Parlamentarier Interessenvertreter im Parlament Referendumsdrohungen Ergreifen oder Unterstützen von Referenden Vernehmlassungen, Eingaben Abstimmungsparolen NPOVertreter in Kommissionen Abstimmungskampagnen Verhandlungen mit Behörden Öffentlichkeitsarbeit – Kollektive Selbstbeschränkung – Verhandlungen – Politische Einflussnahmen Abbildung 2: Beeinflussung der politischen Willensbildung in der Schweiz auf Bundesebene. verfahren einen festen Platz im politischen Prozess der Schweiz gefunden. Neben den Kantonen und den politischen Parteien sind vor allem die Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs-, und Konsumentenverbände eingebunden. Generell werden immer mehr Stellungnahmen eingeholt. Regierung und Verwaltung verzichten somit immer häufiger darauf, selektiv vorzugehen und eine bewusste Auswahl der Vernehmlasser zu treffen. Da die Einleitung eines Vernehmlassungsverfahrens zudem öffentlich ausgeschrieben wird, lassen sich immer häufiger auch nicht angefragte Kreise vernehmen. 50 In der Schweiz hängt das Gewicht der vernehmlassenden Organisation sehr davon ab, ob diese in der Lage ist, ein Referendum zu ergreifen. Die potentielle Referendumsfähigkeit kann auf die Entwicklung von Gesetzesvorlagen Einfluss haben. Die parlamentarische Phase Vor der eigentlichen Beratung im Parlament werden Gesetzesvorlagen in Kommissionen vorbereitet. Interessentengruppen versuchen, die «richtigen» Parlamentarier in die Kommissionen zu bringen, die Kommissionsmitglieder mit Unterlagen zu beliefern usw. Wie bei den Expertengruppen ist auch hier ein breites Spektrum der Meinungen vertreten. In der eigentlichen parlamentarischen Beratung lassen sich nur noch Retouchen an den Vorlagen anbringen. Selbstverständlich versuchen NPO, auf ihre oder ihren nahestehenden Vertreter Einfluss zu nehmen. Die Referendumsphase Verfassungs- und Gesetzesvorlagen bzw. -beschlüsse unterliegen in der Schweiz dem obligatorischen oder fakultativen Referendum. Für das Ergreifen eines Referendums braucht es eine politische Organisation mit einer gewissen Mobilisierungskraft, um die entsprechenden Unterschriften zu sammeln. Wie erwähnt haben Gruppierungen, die referendumsfähig sind, einen stärkeren Einfluss auf den gesamten politischen Prozess als solche, die nicht referendumsfähig sind. Die Argumente von referendumsfähigen Gruppen werden in allen Phasen besser berücksichtigt. Deshalb genügt in vielen Fällen bereits die Referendumsdrohung, um einen Kompromiss zwischen den Kontrahenten herbeizuführen. Die Vollzugs- und Umsetzungsphase Der Vollzug oder die Umsetzung ist als eine sehr wichtige Phase einzustufen. Oft erlässt das Parlament nur Rahmengesetze, der Vollzug geschieht über die Ausführungsdekrete (Vollzugsverordnung) der Verwaltung. Dies eröffnet wieder viele Möglichkeiten der Einflussnahme. Oft ist die Verwaltung für die Umsetzung wieder auf das Expertenwissen von Dritten angewiesen. In zahlreichen Beiräten und Kommissionen bei Ministerien und Ämtern sind Vertreter der Verbände beratend an Verwaltungsaufgaben beteiligt (Helmes, Peter, Persönliche Bemerkungen, 2000). Daumann (Daumann, Frank, Interessenverbände 1999, S. 216) zählt in der Umsetzungsphase die Vertreter der öffentlichen Verwaltung zu den massgeblichen Handlungsträgern, weil die zwangsläufig mangelnde Konkretisierung der Anweisungen durch Regierungspolitiker und ein unzureichend wirkendes Anreiz- und Kontrollsystem Handlungsspielräume eröffnen, die zur Verfolgung eigener Interessen genutzt werden können. Zielgruppen Aus der Analyse des politischen Prozesses sollten sich die Zielgruppe oder die Zielgruppen ergeben. Es liegt auf der Hand, dass der ganze politische Prozess beeinflusst werden muss. Deshalb gibt es meistens mehrere Zielgruppen in den einzelnen Phasen. Eine Kern-Zielgruppe ist die Verwaltung, denn sie hat auf alle Phasen Einfluss. Sie ernennt beispielsweise in der Vorphase die Experten, setzt Termine usw. Zielgruppen sollten möglichst klar erfasst sein: Genaue Beschreibung der Zielgruppe. Wie nahe sind wir in gewissen Sachfragen? Bestehen Gemeinsamkeiten, Überschneidungen? Besteht ein Beziehungsnetz? Wie ist das Verhältnis auf der Beziehungsebene? Was können wir der Zielgruppe zum Austausch bieten? (vgl. Lobbying-Leistungen). Jede Zielgruppenselektion ist immer auch das Resultat einer vertieften Analyse des politischen Entscheidungsprozesses. Im Prinzip sollte man bei der Zielgruppenbestimmung auf bewährte Austauschpartner zurückgreifen können. Mit potenziellen Ansprechpartnern sollte bereits ein Beziehungsnetz vorhanden sein. Die Anbahnung und Pflege von Kontakten braucht viel Zeit und Fingerspitzengefühl. Beziehungen sollten deshalb unbedingt etabliert werden, bevor man sie braucht (Buholzer, René, P., «Konzeptionelles Lobbying II», in: VerbandsManagement VM (Nr. 3/1998), S. 34). Mögliche Kooperationspartner Im Lobbying-Bereich wird meistens mit Kooperationspartnern gearbeitet. Diese können systemintern oder systemextern sein. Systeminterne Partnerschaften bilden Zentralverbände mit ihren Sektionen oder Dachverbände mit ihren Mitgliedern. Kleinere Organisationen delegieren die LobbyingArbeit meistens an Dachverbände. Systemexterne Kooperationen sind auch recht häufig, wie die Zusammenarbeit zwischen sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften (in Österreich zusätzlich die Arbeiterkammern) oder die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftskammern und der Industriellen-Vereinigung in Österreich. 51 Fachartikel Buholzer (vgl. Buholzer, René, P., «Konzeptionelles Lobbying II», in: Verbands-Management VM (Nr. 3/1998), S. 29) schlägt fünf Tauschgüter vor: 1. Informationen 2. Legitimität 3. Stimmen 4. monetäre Leistungen 5. Einsatz von oder Verzicht auf Macht Demonstrationsmacht Marktmacht Diese Leistungen dürfen aber nicht für sich isoliert betrachtet werden, ihre Qualität und Wirkung hängt stark von der Potenzialqualität der NPO ab. Bundesrat Bundesregierung Bundestag Ministerialbürokratie Landesregierung Politische Parteien Öffentliche Meinung Kontakte. Stimmenpakete. Eingaben. Information. Spenden. Information. Eingaben. Einfluss auf personelle Besetzung. Personelle Durchsetzung. Unterstützung/ Bekämpfung von Massnahmen. Information. Personelle Durchsetzung. Information. Sachverstand. Demonstration. Information. PR. Stellungnahme. Eigene Medien. Adressaten des WK-Einflusses Das Lobbying wird als Austauschprozess beschrieben. Um von den Lobbying-Zielgruppen (Politiker und Beamte) die gewünschten Austauschgüter wie Gesetze, finanzielle Transfers und öffentliche Güter etc. zu erhalten, setzen die Interessengruppen einen Gegenleistungs-Mix ein (siehe Abb. 3). pen angewiesen. Die Lieferung von Information kann durchaus positiv aufbauend verstanden werden. Sie liegt eindeutig auch im Interesse des politischen Systems. Da sich Interessengruppen ihrer Natur nach auf spezifische Probleme konzentrieren, erlangen sie eine hochspezialisierte Sachkompetenz. Vielfach erhalten die Interessengruppen zusätzliche Informationen von ihren Mitgliedern oder von nationalen oder internationalen Partnerorganisationen. Diese Sachkompetenz verschafft den Interessengruppen Zugang zum politischen Prozess und die Möglichkeit, diesen zum Teil in ihrem Sinne zu beeinflussen (dies kann sich für oder gegen das Gemeinwohl auswirken). Um als Experte auf die Dauer akzeptiert zu werden, muss die Gruppe mit brauchbaren und zuverlässigen Informationen auftreten. Der Lobbyist wird zum Berater für Politiker und Beamte und sollte dabei auch die Anliegen der Politik irgendwie einbeziehen und keinesfalls Extrempositionen vertreten. Das grösste Kapital eines guten Lobbyisten ist seine Glaubwürdigkeit. Die Fähigkeit zur Lieferung kompetenter Information erfordert als Mittel und Methoden des WK-Einflusses Lobbying-Leistungs-Mix der NPO Verbände Unmittelbare Einflussnahme Mittelbare Einflussnahme der WK Abbildung 4: Möglichkeit der Einflussnahme der Verbände auf der Bundesebene in Deutschland. Leistungen der NPO (Tauschgüter) Potenzialqualität der NPO Bezeichnung Ausprägung Informationen aufarbeiten Informationspotenzial Beziehungspotenzial Sachkompetenz, Glaubwürdigkeit Legitimität vermitteln Repräsentativität Organisierbarkeit Grösse der Organisation Organisationsgrad Stimmen beschaffen Grösse der Organisation Mobilisierungsfähigkeit Finanzielle Mittel finanzielles Potenzial Disponibilität ermitteln Einsatz von oder Verzicht auf Macht • Marktmacht • Demonstrationsmacht Steuerbarkeit der Gesamtorganisation Steuerbarkeit der Mitglieder Sanktionsfähigkeit Solidarisierungsfähigkeit Abbildung 3: Lobbying-Leistungs-Mix der NPO. Die wichtigste Leistung ist die Aufbereitung von Information. Informationsmacht ist zu einem guten Teil Expertenwissen, wenn man bedenkt, dass die staatlichen Autoritäten Gesetze produzieren müssen, die auf eine breite Akzeptanz stossen und spezifisches Fach-Know-how erfordern, sind sie auf den Informations-Input der wichtigsten Interessengrup- 52 Grundlage ein vorhandenes Informationspotenzial mit einer Infrastruktur. So beschäftigen auch Umweltverbände hochspezialisierte Fachleute und vergeben Aufträge an renommierte Forschungsinstitute. Weiter kann die NPO Legitimität vermitteln; d.h. die Gruppe muss repräsentativ sein, damit sie glaubwürdig eine bestimmte Gruppe (z.B. die Behinder- ten) vertreten kann. Es wird ja immer als Argument für die Existenz der Wirtschafts- und Arbeiterkammern in Österreich verwendet, dass der Organisationsgrad von praktisch 100 % Legitimität vermittle. Allerdings wenden Kritiker der Kammerorganisation ein, dass einer durch Gesetz verordneten Mitgliedschaft nicht die gleiche Repräsentanz zukomme wie dies bei einer freiwilligen Gruppierung der Fall wäre. Bei freien Gruppen setzt dies die Organisierbarkeit voraus und auch eine gewisse Grösse der Organisation, um im Namen «der» Bauern oder «der» Arbeitnehmer zu sprechen. Gewisse Organisationen können auch Stimmen anbieten. Selbstverständlich können dies nur Gruppen, die eine namhafte Stimmkraft verkörpern oder die glaubhaft Stimmen mobilisieren können. Um finanzielle Mittel bereitstellen zu können, braucht es ein finanzielles Potenzial der Gesamtorganisation; d.h. der Verband selber muss nicht über sehr grosse Mittel, doch über eine grosse finanzielle Mobilisierungskraft verfügen. Die Verbände der Chemischen Industrie sind in der Lage, für Abstimmungskam- pagnen wesentliche Mittel bei ihren Mitgliedern freizusetzen. Aber auch auf der Arbeitnehmerseite sind Mobilisierungsfonds vorhanden, wie auch bei Umweltverbänden. Diese können durch geschicktes Fundraising und Mobilisierung von freiwilligen Helfern die schwächere Finanzkraft zum Teil kompensieren. Als letztes Instrument ist der Einsatz oder Verzicht auf Macht zu erwähnen. Dies kann Markt oder Demonstrationsmacht sein. Die Machtmittel der NPO müssen derart bedeutend sein, dass ein koordiniertes Verhalten der Mitglieder dieser Gruppe der Umwelt (Gesellschaft, Märkte, politisch-administratives System) empfindlichen Schaden zufügen kann. Ein wiederholt angewendetes Beispiel sind Streiks, z.B. von Fernfahrern, Tankstellenbetreibern oder Belieferern, Mitarbeitenden des öffentlichen Verkehrs usw. Die Marktmacht einer solchen Interessengruppe wirkt weit über den unmittelbar betroffenen Markt hinaus. Beispielsweise führte ein Streik der Lastwagenfahrer in Frankreich zu Versorgungslükken und brachte der Landwirtschaft grosse Export- 53 Fachartikel einbussen. Vielfach werden die Folgen solcher Handlungen nicht dieser Gruppe, sondern der staatlichen Politik zugeordnet, deshalb kommt das politische System unter Druck». Deshalb kann bereits die Drohung zu solchen Handlungen staatliche Stellen zum Berücksichtigen von Forderungen der Interessengruppe bewegen. Marktmacht besteht aber auch auf Arbeitgeberseite; bspw. wenn mit der Verschiebung von Arbeitsplätzen ins Ausland gedroht wird. Diese Ausführungen zeigen, dass die Lobbying-Instrumente nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern sie hängen sehr stark mit den vorhandenen Potenzialen der anbietenden Organisation zusammen. Wichtig ist hier auch die vorhandene Organisationsstruktur, die beispielsweise eine Mobilisierung der Basis zulässt. Alle diese Lobbying-Instrumente müssen durch Kommunikation transportiert, unterstützt oder begleitet werden. Die Erfahrung von erprobten Lobbyisten zeigt, dass die zielgerichtete persönliche Präsentation von Argumenten und Fakten nach wie vor die effizienteste Technik darstellt. Das persönliche Expertengespräch gilt demnach als die akzeptierteste Methode des Lobbying, gefolgt von persönlich überbrachten schriftlichen Informationen. Aber auch die indirekte Kommunikation über Zielpersonen, den Zielpersonen naheliegende Dritte, ist zu erwähnen. Das ganze wird durch Begleitkommunikation unterstützt. D.h. das Thema wird über öffentliche Medien aktuell gehalten und soll von der Öffentlichkeit als wichtig und dringlich eingestuft werden. Absichern der Instrumente bei der eigenen Basis Zeichnet sich der Einsatz eines bestimmten Leistungs-Mixes ab, muss dieser auch glaubwürdig vertreten werden. Deshalb ist eine Rückkoppelung zur eigenen Basis unabdingbar (Urabstimmungen über Streiks, speziell einberufene Delegiertenversammlungen, um ein Referendum zu beschliessen, Sitzung eines politischen Ausschusses, um eine Abstimmungskampagne zu finanzieren). Es wäre für die langfristige Glaubwürdigkeit der Organisation ungünstig, wenn die eingenommenen Standpunkte nicht von allen Gliedern der Organisation vertreten 54 würden. Weil NPO demokratisch strukturierte Gebilde sind, ist dieser Konsens nicht immer leicht herzustellen. Gerade bei verkehrspolitischen Abstimmungen entstand in der Schweiz das Paradox, dass Wirtschaftsverbände konträre Positionen eingenommen haben, in einem Fall sogar innerhalb des gleichen Verbandes. Kombination der Instrumente mit dem politischen Prozess und Zeitplan Die Instrumente können nicht unabhängig vom ablaufenden politischen Prozess bestimmt werden. Deshalb sind die Beeinflussungschancen/-möglichkeiten in den Phasen des politischen Prozesses immer mit den entsprechenden Instrumenten zu kombinieren. Damit einher geht auch die zeitliche Planung, der zeitliche Einsatz der Instrumente hängt wieder stark vom Ablauf der Prozesse ab. Lobbying-Organisation Um das «Stand-by»-Lobbying zu betreiben, braucht es eine permanente Organisationsstruktur im Profisystem. Meistens handelt es sich um eine spezielle Abteilung (politische Abteilung) des Verbandes. Diese Organisation wird im Milizsystem meistens ergänzt durch einen Verantwortlichen im Vorstand (Resssortprinzip) und durch einen permanenten Ausschuss oder eine Kommission, damit die politischen Aktionen durch Milizer (mit)bestimmt werden können, der Kontakt zur Basis hergestellt ist und laufend Inputs aus Mitgliederkreisen verarbeitet werden können. In grösseren NPO mit heterogener Mitgliederstruktur und zahlreichen regionalen und fachlichen Mitgliedersubsystemen kann es empfehlenswert sein, einen Konsens auf breiterer Basis anzustreben, bevor die Dokumente an die Mitglieder gehen. Dazu kann z.B. ein Projektkollegium gebildet werden, welchem der Vorstand, die Projektgruppe und sämtliche Vorsitzende der regionalen und fachlichen Subsysteme angehören. Dokumente, die sich auf die Zustimmung eines solchen Kollegiums abstützen, haben grössere Chancen zur Annahme durch die Mitglieder. zur Mitarbeit gewonnen werden, an die man vielleicht im ersten Augenblick nicht gedacht hätte. Solche Foren lassen sich auch einsetzen, um eine operative Lobbying-Planung begutachten zu lassen. Um interessierten Mitgliedern die Beteiligung am Lobbying-Prozess zu ermöglichen, führen Wirtschaftskammern sogenannte Industrieforen durch. Es handelt sich um Arbeitskreise mit LobbyingSchwerpunkten. Diese Foren werden jährlich dreibis viermal abgehalten. Die teilnehmenden Vertreter der Industrieunternehmungen sind meistens Fachexperten. Auf diese Weise können Mitglieder Allerdings sollte Abschied genommen werden vom Mythos des Superlobbyisten (Buholzer, René, P., «Konzeptionelles Lobbying I», S. 17), der überall Türen öffnet. Die Lobbying-Arbeit ruht heute auf mehreren Schultern, das Monitoring wird meistens von Referenten im Verband übernommen und z.T. an spezialisierte Unternehmen abgegeben. Die Kontakte zu politischen Stellen, insbesondere Behörden/ Weiter kann in einer Projektgruppe auch ein spezialisierter Berater eingebunden oder gewisse Aufträge können an einen etablierten Lobbyisten vergeben werden. Allerdings ist hier grosse Vorsicht geboten, denn schlechte Leute bringen mehr Schaden als Nutzen. Hingegen ist es möglich, dass zum Beispiel in Brüssel dieselbe Person für mehrere komplementäre Auftraggeber arbeitet. Für die operative Lobbying-Planung kann nun entweder auf diese permanente Organisation zurückgegriffen werden oder es wird eine spezielle Projektorganisation aufgezogen. Dies empfiehlt sich insbesondere bei grösseren aussergewöhnlichen Projekten. Die Projektorganisation erhält ihren Auftrag vom Vorstand und wird durch ein Mitglied aus der Geschäftsleitung des Verbandbetriebes oder ein Vorstandsmitglied geführt. Wichtig ist, dass die Projektgruppe möglichst über jene Spezialisten verfügt, die für das zu bearbeitende Problem ein besonderes Fachwissen haben. Vielleicht ist dies in der permanenten Organisation nicht gegeben; jedoch lassen sich Spezialisten aus Mitgliederfirmen beiziehen. 55 Fachartikel Ämter, werden meistens von Mitgliedern der Geschäftsleitung wahrgenommen; für Treffen mit Politikern werden grossenteils repräsentative Vertreter der Mitglieder (Milizer) zugezogen. auftreten, um bei ihren Mitgliedern zu punkten. «Many associations perceived the need to make their representativity very high profile and critical of government in order to please their members». (Trade Association performance, 1997). Lobbying-Budget Innerbetrieblich wird die Lobbying-Aktion sinnvollerweise im Sinne eines Lobbying-Audits überprüft und aus eventuellen Fehlern werden Verbesserungen abgeleitet. Selbstverständlich sind immer auch Rückzugs- oder Kompromisspläne bereitzustellen, um auf besondere Entwicklungen reagieren zu können. Die «Stand-by»-Lobbying-Arbeit ist normalerweise im üblichen Verbandsbudget enthalten. Für eine spezielle Aktion kann ein Sonderbudget aufgestellt werden, insbesondere, wenn ein Wahlkampf oder ein politischer Abstimmungskampf zu überstehen ist. Viele NPO verfügen über spezielle Fonds, die zur Finanzierung solcher Aktionen beigezogen werden können. In den deutschsprachigen Ländern sind bspw. die Streikfonds der Gewerkschaften gut dotiert; nicht zuletzt, weil relativ wenig Streikaktionen stattfinden. Lobbying-Erfolgskontrolle Der Erfolg im Lobbying ist sehr schwer messbar, da dieser von vielerlei Einflüssen und Faktoren abhängt, die längst nicht alle von der eigenen NPO beeinflusst werden können. Wichtig ist, dass alle Gremien über die Lobbying-Arbeit stufengerecht informiert werden, angefangen beim Ausschuss über den Vorstand zur Delegierten-/Hauptversammlung bis hin zu den einzelnen Mitgliedern, die mittels Rundschreiben etc. auf dem Laufenden gehalten werden. Eine wichtige Kontrolle besteht in der Information über die aktuellen Tätigkeiten. Dabei werden die Resultate automatisch ersichtlich. Abzuraten ist von gross angelegten Verkündigungen über Lobbying-Erfolge; denn solche Verlautbarungen rufen bei der Gegenseite und dem politischen System nur negative Reaktionen hervor. Interessanterweise dürfen sich auf diesem Gebiet die Gewerkschaften mehr erlauben als Unternehmerverbände, weil die Arbeitnehmerorganisationen intuitiv als potenziell schwächer angesehen werden. Eine englische Studie zeigt, dass sehr erfolgreiche Lobbying-Kontakte auf völlig unscheinbare Weise (low profile) ablaufen und zwar oft sehr frühzeitig, bevor irgendwelche Probleme oder Schwierigkeiten auftauchen. Leider meinen viele Verbände, sie müssten sehr hart und kritisch gegenüber der Regierung 56 Literatur Buholzer, René, P., Legislatives Lobbying in der Europäischen Union, Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1998. Buholzer, René, P., «Konzeptionelles Lobbying I», in: Verbands-Management VM (Nr. 2/1998), S. 17, S. 10 – 20. 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Schmitter, Philipp/Streeck, Walter, The Organization of Business Interest, A Research Design to Study the Associative Action of Business in the Advanced industrial Societies of Western Europe, IIM/LMP 81–13, Wissenschaftszentrum, Berlin, 1981. Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, Kräftefeld, Selbstverständnis und politische Arbeit deutscher Interessengruppen, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1997. Trade Association Performance, Report of a Benchmarking Exercise of Trade Associations, Prepared for a Group of 135 Trade Associations by the Compass Partnership, a Leading Management Consultancy in the UK not-for-profit-sector, London, 1997. Helmes, Peter, Lobbying, Manuskript Diplomlehrgang Verbands-/NPO-Management, Freiburg, 1999. Helmes, Peter, Persönliche Bemerkungen an den Autor, 2000. 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Ab 1980 beratend für Unternehmungen und NPO tätig. 1985 Privatdozent an der Universität Freiburg/CH, seit 1993 ausserordentlicher Professor, 1986 bis 2000 Geschäftsführer der ehemaligen Forschungsstelle für Verbands- und GenossenschaftsManagement (vorerst nebenamtlich). Seit 2001 Direktor des VMI. 57