438 7 Intensivmedizin schädigung vor, so liegt meist eine Abweichung der Augäpfel auf die Seite der Hirnverletzung und nach oben vor (der Patient „schaut seine Hirnverletzung an“ = „Herdblick“). Kornealreflex (Lidreflex) Um den Kornealreflex auszulösen, wird mit einem sterilen Tupfer oder Wattebausch die Hornhaut (Kornea) berührt. Dadurch kommt es normalerweise über den Nervus trigeminus (afferenter, sensibler Schenkel) und dem Ner­ vus facialis (efferenter, motorischer Schenkel) zu einem reflektorischen Lidschluss. Fehlt der Kornealreflex beidseits, dann deutet dies auf ein Bulbärhirnsyndrom (▶ S. 443) (oder einen Hirntod) hin. Ein einseitiges Fehlen des Reflexes weist auf eine Schädigung im Bereich des Ner­ vus trigeminus und/oder des Nervus facialis hin. Falls der Kornealreflex ausgefallen ist, so ist die Kornea durch Austrocknen, Ulzerationen und Infektionen gefährdet. In diesen Fällen muss eine sorgfältige Augenpflege durchgeführt wer­ den (▶ S. 449). a b Abb. 7-10 Okulozephaler Reflex (Hirnstammreflex). a Geradeaus gerichtete Augäpfel. b Bei passiver Kopfdrehung durch den Untersucher bewegen sich bei einem bewusstlosen Patienten die Augen entgegen der Drehrichtung des Kopfes, falls der Hirnstamm Hustenreflex, Würgereflex, Schluckreflex Diese Reflexe sind maßgeblich an die Funktions­ tüchtigkeit der Hirnnerven IX (Nervus glosso­ pharyngeus), X (Nervus vagus) und XII (Nervus hypoglossus) gebunden. Okulozephaler Reflex (▶ Abb. 7-10) Um den okulozephalen Reflex auszulösen, wird der Kopf des Patienten von einer Seite zur ande­ ren gedreht sowie zurückgedreht. Ist bei einem komatösen Patienten der untere Hirnstamm noch intakt, das heißt der okulozephale Reflex noch intakt, dann bewegen sich die Augäpfel entgegen der Kopfbewegung (= Puppenau­ gen-[Puppenkopf-]Phänomen). Auch beim wachen Neugeborenen ist dieses Puppenphä­ nomen normalerweise auslösbar. Im späteren Lebensalter ist dieser Reflex beim wachen (oder somnolenten) Patienten durch entsprechende Willkürbewegungen der Augen unterdrückt. Ist der Hirnstamm geschädigt, das heißt der oku­ lozephale Reflex ausgefallen (oder der Patient wach), dann folgt die Blickrichtung der Kopf­ c noch intakt, das heißt der okulozephale Reflex noch auslösbar ist (= Puppenaugen-[Puppenkopf-]Phänomen). c Hirnstammschädigung; die Augen bewegen sich bei Kopfdrehung nicht entgegengesetzt – der okulozephale Reflex ist ausgefallen. Striebel: Anästhesie - Intensivmedizin - Notfallmedizin. ISBN: 978-3-7945-2995-7. © Schattauer GmbH 7.7 Überwachung des Intensivpatienten bewegung (das Puppenaugen-[Puppenkopf-] Phänomen ist erloschen). (Bei Patienten mit Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäu­ le darf der okulozephale Reflex nicht untersucht werden.) Okulovestibulärer Reflex (▶ Abb. 7-11) Um den okulovestibulären Reflex auszulösen, werden mit einer 50-ml-Spritze (an die ein kur­ zes Schlauchstück konnektiert wurde) ca. 30 ml kalte Kochsalzlösung in den äußeren Gehör­ gang injiziert. Ist der Hirnstamm intakt, dann kommt es zur Blickwendung beider Augen zum gespülten Ohr hin. Bleibt diese Blickwendung aus, dann liegt eine Schädigung des Hirnstamms vor. Der okulovestibuläre Reflex darf nur ausge­ löst werden, wenn das Trommelfell des Patienten intakt ist. 439 Muskeleigenreflexe (▶ Abb. 7-12) ●● Bizepssehnenreflex (= BSR) ●● Trizepssehnenreflex (= TSR) ●● Radiusperiostreflex ●● Knipsreflex und Trömner-Reflex (= Handre­ flexe): Dies sind Eigenreflexe der Fingerbeu­ ger. Bei seitengleicher Auslösung zeigen sie lediglich eine lebhafte Reflexaktivität an. Bei einseitiger Betonung stellen sie ein Pyrami­ denbahnzeichen dar. ●● Patellarsehnenreflex (= PSR) ●● Achillessehnenreflex (= ASR) Fremdreflexe Fremdreflexe können meist durch leichte Haut­ reizung ausgelöst werden. Oft muss jedoch wiederholt gereizt werden. Abgeschwächte, erlo­ schene oder seitendifferente Fremdreflexe sind Hinweis auf eine Pyramidenbahnschädigung. a Abb. 7-11 Okulovestibulärer Reflex (Hirnstammreflex). a Bei intaktem Hirnstamm kommt es zur Blickwendung zum gespülten Ohr hin. b Bei einer Hirnstammschädigung kommt es zu keiner Abweichung der Augen durch die Spülung. b Striebel: Anästhesie - Intensivmedizin - Notfallmedizin. ISBN: 978-3-7945-2995-7. © Schattauer GmbH