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Handbuch diagnostische Radiologie
Handbuch diagnostische Radiologie
Muskuloskelettales System 2
Bearbeitet von
A Stäbler, Jürgen Freyschmidt, K Bohndorf, K.-H Bühne, R Erlemann, J Freyschmidt, G Layer, K Wörtler
1. Auflage 2005. Buch. XII, 418 S. Hardcover
ISBN 978 3 540 41425 4
Format (B x L): 19,3 x 27 cm
Weitere Fachgebiete > Medizin > Sonstige Medizinische Fachgebiete > Radiologie,
Bildgebende Verfahren
Zu Inhaltsverzeichnis
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Knochentumoren
5
R. Erlemann, K. Wörtler
5.1
Diagnostik und Therapie
5.1.1
5.1.1.1
5.1.1.2
5.1.1.3
5.1.2
5.1.2.1
5.1.2.2
5.1.2.3
Aufgabe der Radiologie 126
Detektion und Diagnosestellung 127
Staging 155
Rezidivdiagnostik 164
Therapie 165
Chirurgisches Staging 165
Chirurgische Therapie 166
Chemotherapie 167
Literatur 168
Knochentumoren werden im Allgemeinen anhand
ihres histologischen Aufbaus und hier besonders
bezogen auf das Gewebe oder den Zelltyp, den sie
überwiegend imitieren, klassifiziert. Allerdings können eine Reihe von Knochentumoren mehrere Zelltypen aufweisen. Nach dem dominierenden oder die
Natur eines Tumors bestimmenden Zell- oder Gewebeanteil werden die Tumoren in unterschiedliche
Gruppen eingeordnet (Tabelle 5.1).
Knochentumoren können in echte Tumoren, die
benigne oder maligne sein können, und in tumorähnliche Läsionen unterteilt werden. Tumorähnliche
Läsionen sind keine echten Neoplasien, weisen jedoch eine ähnliche Morphologie und nicht selten ein
vergleichbares biologisches Verhalten wie echte Tumoren auf.
Knochentumoren sind insgesamt seltene Tumoren, wobei die genaue Inzidenz unbekannt ist. Man
rechnet mit 3–4 primären malignen Knochentumoren pro 100.000 Personen pro Jahr. Verglichen mit
dieser Zahl treten Knochenmetastasen und multiple
Myelome wesentlich häufiger auf. Die häufigsten
malignen Knochentumoren sind Osteosarkome gefolgt von Chondrosarkomen, Ewing-Sarkomen, malignen fibrösen Histiozytomen und Fibrosarkomen.
Letztere werden heute jedoch meist als maligne fibröse Histiozytome klassifiziert. Alle anderen sind sehr
selten und machen jeweils weniger als 1% aller primären Knochentumoren aus (vgl. Tabelle 5.6 letzte
Zeile).
Die Inzidenz der benignen Knochentumoren und
tumorähnlichen Läsionen ist weitgehend unbekannt.
Es ist davon auszugehen, dass nur diejenigen, die zu
einer klinischen Problematik in dem betroffenen
Knochen führen, und eine weitere unbekannte Anzahl als Zufallsbefunde erkannt werden. So werden
die überwiegende Mehrzahl der nicht-ossifizierenden Knochenfibrome und Osteochondrome als Zufallsbefunde auf Röntgenuntersuchungen entdeckt,
da sie üblicherweise keine Beschwerden verursachen.
Ähnliches gilt auch für die monostotische fibröse
Dysplasie, die Enchondrome der Hand und in einem
gewissen Rahmen auch für die klinisch stummen
kalzifizierten Enchondrome der langen Röhrenknochen, die nicht selten erst bei älteren Patienten im
Rahmen einer Röntgenuntersuchung aus anderen
Gründen entdeckt werden.
Unter den übrigen benignen Tumoren und tumorähnlichen Läsionen sind die häufigsten Riesenzelltumoren, aneurysmatische und solitäre Knochenzysten und Osteoidosteome (vgl. Tabelle 5.6 letzte
Zeile).
Knochentumoren und tumorähnliche Läsionen
bieten üblicherweise eine uncharakteristische Klinik,
gehen jedoch häufig mit Schmerzen und einer
lokalen Schwellung oder beidem einher. Diese Symptome erlauben keinen Rückschluss auf die Existenz
eines Knochentumors, schon gar nicht auf eine bestimmte Tumorentität. Die einzige Ausnahme ist das
Osteoidosteom, das mit recht typischen nächtlichen
Schmerzen, die auf Acetylsalicylsäuregabe ansprechen, einhergeht. Wichtiger ist die Information über
die Dauer und die Intensität der Schmerzen. Schmerzen, die seit einigen Tagen oder wenigen Wochen
bestehen, deuten eher auf eine entzündliche Genese hin. Bestehen die Schmerzen seit mehreren Wochen oder Monaten kann ein maligner Knochentumor die Ursache sein, besonders dann, wenn die Intensität des Schmerzes mit der Zeit deutlich zunimmt.
Bei benignen symptomatischen Knochentumoren
sind häufig erste leichte Schmerzen bereits viele Monate zuvor bemerkt worden. Der plötzliche Schmerzbeginn bei einem bisher asymptomatischen benignen Knochentumor kann Folge einer pathologischen
Fraktur sein. Bei einigen wenigen kann es jedoch das
126
Kapitel 5 Knochentumoren
Tabelle 5.1. Histologische Klassifikation von Knochentumoren
Ursprung
Maligner Tumor
Benigner Tumor
Tumorähnliche Läsion
Knochenbildende Zellen
Osteosarkom
Parossales Osteosarkom
Osteoidosteom
Osteoblastom
Osteom
Fibröse Dysplasie
Knorpelbildende Zellen
Chondrosarkom
Enchondrom
Osteochondrom
Chondroblastom
Chondromyxoidfibrom (CMF)
Bindegewebebildende
Zellen
Fibrosarkom
Malignes fibröses
Histiozytom (MFH)
Benignes fibröses Histiozytom
Desmoplastisches Fibrom
Hämangiom
Endothelzellen
Hämangioendotheliom
Hämangioendothelsarkom
Lymphangiosarkom
Hämangioperizytom
Knochenmark und
hämatopoetische Zellen
Ewing-Sarkom
(Multiples) Myelom
(Plasmozytom)
Non-Hodgkin-Lymphom
Hodgkin-Lymphom
Leukämie
Unbekannter Ursprung
Maligner Riesenzelltumor
Adamantinom
Nicht-ossifizierendes
Knochenfibrom (NOF)
Aneurysmatische
Knochenzyste (AKZ)
Lymphangiom
Eosinophiles Granulom
(Langerhans-Zell-Histiozytose)
Riesenzelltumor (RZT)
Chorda dorsalis
Chordom
Fettzellen
Liposarkom
Lipom
Nervenzellen
Malignes Schwannom
Neurofibrom
Neurilemmom
Zeichen einer malignen Transformation, z. B. eines
Enchondroms in ein Chondrosarkom, sein. Fieber
gehört nicht zu den typischen Symptomen, kann
jedoch bei einem Ewing-Sarkom und anderen hoch
malignen Knochentumoren auftreten.
5.1.1
Aufgabe der Radiologie
Die Radiologie hat in dem Management von Knochentumoren drei Aufgaben:
∑ die Detektion und die Diagnosestellung,
∑ das Staging und
∑ die Rezidivdiagnostik.
Hierzu stehen die konventionelle Röntgendiagnostik,
die CT, die MRT und die Skelettszintigraphie zur
Verfügung. Nur durch einen sinnvollen Einsatz der
verschiedenen Untersuchungsverfahren können die
Aufgaben adäquat gelöst werden. Die Detektion eines
Knochentumors und einer tumorähnlichen Läsion
basiert weitgehend auf der konventionellen Röntgendiagnostik in zwei Ebenen. Hiermit lassen sich nahezu alle Läsionen im peripheren Skelett sicher erfassen. In komplexen Skelettregionen wie dem Becken,
Solitäre Knochenzyste (SKZ)
Epidermoidzyste
Ganglion
der Wirbelsäule und der Schulter können allerdings
einige Läsionen der konventionellen Diagnostik entgehen. Hier ist häufig eine CT oder eine MRT für die
Detektion erforderlich.
Wegen der geringen Spezifität wird die Skelettszintigraphie eher zum Nachweis bzw. Ausschluss eines
multifokalen Befalls als zur primären Detektion eingesetzt. Hierfür ist sie weitgehend durch die MRT ersetzt worden. Jedoch kann mit der Skelettszintigraphie annäherungsweise die biologische Aktivität
einer entdeckten Läsion beurteilt werden.
!
Mit der Skelettszintigraphie können
biologisch inaktive reaktive sklerotische Veränderungen von biologisch aktiven neoplastischen und entzündlichen Knochenläsionen differenziert werden.
Merke
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass mit der
Skelettszintigraphie einige Läsionen, wie z. B. multiple
Myelome und eosinophile Granulome, im Knochen
nicht zuverlässig nachgewiesen werden können,da keine ausreichende Aktivierung der Osteoblasten vorliegt.
Für das Staging, die Ausdehnungsbestimmung,
von Knochentumoren ist die MRT das Untersuchungsverfahren der Wahl. Sie besitzt das größte
5.1 Diagnostik und Therapie
Potenzial, die exakte Ausdehnung eines Tumors innerhalb und außerhalb des Knochens darzustellen.
Vergleiche mit Makropräparaten haben gezeigt,
dass die in der MRT nachgewiesene Ausdehnung bis
auf wenige Millimeter mit dem Operationspräparat
übereinstimmte. Mittels konventionellem Röntgen
ist keine zuverlässige und mittels CT nur eine sehr
eingeschränkte Ausdehnungsbestimmung möglich.
Die Rezidivdiagnostik ist ebenfalls eine Domäne der
MRT, die ab etwa sechs Monate nach Operation in der
Lage ist, auch kleinste Rezidive nachzuweisen.
5.1.1.1
Detektion und Diagnosestellung
Die Röntgendiagnostik eines Knochentumors stützt
sich weitgehend auf die konventionellen Aufnahmen
in zwei Ebenen. Diese sind besonders für die Einschätzung der Aggressivität einer nachweisbaren Läsion hilfreich. In komplexen Skelettregionen muss
dagegen häufig die CT oder die MRT für eine zuverlässige Detektion eingesetzt werden. Für die Schnittbilduntersuchungen können die in der konventionellen Röntgendiagnostik verwandten Parameter zur
Einschätzung der Aggressivität nicht oder nur bedingt eingesetzt werden.
In der Röntgendiagnostik kann die Wachstumsgeschwindigkeit einer Läsion anhand der LodwickKlassifikation analysiert werden.
!
Die Einschätzung der Aggressivität ist
die wichtigste Aufgabe des Radiologen in der Diagnostik von Knochentumoren, da
von dieser sowohl die weitere Bildgebung als auch
das weitere Procedere abhängen.
Merke
So wird man bei einer Läsion, die primär als sehr
langsam wachsend angesehen wird, eher selten eine
weitere Bildgebung durchführen und falls erforderlich häufig primär eine definitive Operation anstreben. Dagegen ist bei einer Läsion, die das Bild eines
schnell wachsenden Tumors bietet, fast immer eine
weitere Bildgebung notwendig, um die wahre Ausdehnung zu ermitteln. Auch werden der definitiven
Operation meist eine offene Biopsie und bei vielen
malignen Tumoren eine präoperative Chemotherapie vorgeschaltet.
Der Versuch, anhand der Bildgebung eine Artdiagnose zu stellen, ist erst der zweite Schritt. Dazu werden die Röntgenmorphologie, die Wachstumsgeschwindigkeit, die Lokalisation im tumortragenden
Knochen, das Patientenalter und bis zu einem gewissen Grad der betroffene Knochen einbezogen. Da die
verschiedenen Tumoren und tumorähnlichen Läsionen eine bevorzugte Lokalisation im tumortragenden Knochen, meist ein Prädilektionsalter, eine
dominierende Röntgenmorphologie und eine eher
wenig variable Wachstumsgeschwindigkeit aufweisen, kann man aus den einzelnen Puzzlebausteinen in
bis zu 80% der Fälle eine richtige Artdiagnose stellen.
Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass der Radiologe
über einen breiten Erfahrungsschatz in diesem Spezialgebiet verfügt.
Auch der erfahrene Skelettpathologe hat nicht
selten Schwierigkeiten, aus dem Material einer Probeexzision eine korrekte Artdiagnose zu stellen, da
nicht immer gewährleistet ist, dass das gewonnene
Material für den gesamten Tumor repräsentativ ist.
So kann der Pathologe bei einem dedifferenzierten
Chondrosarkom Material aus der dedifferenzierten
Komponente erhalten und die Diagnose eines Rhabdomyosarkoms oder eines Fibrosarkoms stellen. Der
Radiologe wird dagegen den zugrunde liegenden intraossären Knorpeltumor erkennen. Erst durch eine
enge Zusammenarbeit von Pathologen und Radiologen kann die richtige Diagnose gestellt werden. Aus
diesem Grund existieren in Deutschland, Österreich,
den Niederlanden und der Schweiz Referenzzentren
für Knochentumoren, an denen Radiologen und Pathologen gemeinsam die Diagnose eines Knochentumors erarbeiten.
Für die Diagnose von Knochentumoren hat es sich
bewährt, das Operationsmaterial, die Röntgenbilder
und, soweit angefertigt, die Schnittbilder an ein Referenzzentrum zur konsiliarischen Begutachtung zu
senden.
Wachstumsmuster
Knochenremodellierung
Da Knochentumoren eine Aktivierung und gelegentlich eine Akzentuierung der normalen Knochenumbaumechanismen bewirken, sollen diese kurz rekapituliert werden.
Ein normaler Knochen besteht aus kortikalem
und spongiösem Knochengewebe. Die Spongiosa
setzt sich aus einem Netzwerk aus verflochtenen
Knochenbälkchen zusammen, die den Markraum
unterteilen. Sie ist die Hauptmasse der platten und
kleinen Knochen, wie z. B. der Skapula, des Kalkaneus und des Talus. In den langen Röhrenknochen
liegt die Spongiosa überwiegend nur in der Epiphyse
und Metaphyse vor. In der Diaphyse ist sie nur in geringer Menge an der inneren Oberfläche der Kompakta vorhanden (Abb. 5.1 a–c).
In den langen Röhrenknochen besteht die Funktion der Spongiosa in einer Unterstützung der subchondralen Knochenplatte und in einer Übertragung
der mechanischen Kräfte von der Gelenkoberfläche
auf die Kompakta. Die Menge und die Architektur
der Spongiosa wird entsprechend dem Wolff-Gesetz
an die Belastungssituation des Knochens angepasst.
In einem kranken Knochen spielen sich ähnliche
Anpassungsvorgänge ab, um die Stabilität so lange
127
128
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.1 a–c. Aufbau des
Knochens. a Die CT zeigt in der
Epiphyse ein dichtes trabekuläres
Netzwerk der Spongiosa und nur
eine dünne Kompakta. Hier ist die
Spongiosa für die Stabilität des
Knochens verantwortlich.
b Im metadiaphysären Übergang
ist die Kompakta dicker und das
trabekuläre Netzwerk der Spongiosa aufgelockerter. c In Schaftmitte ist die Kompakta sehr
dick und für die Stabilität des
Knochens verantwortlich. Es ist
nur ein dünner Spongiosasaum
an der Innenseite der Kompakta
vorhanden. Zentral liegt fast ausschließlich Fettmark vor
a
b
c
wie möglich zu erhalten. Die mechanisch wichtigsten
Strukturen werden möglichst lange erhalten oder
sogar verstärkt, während die weniger wichtigen Elemente verloren gehen. Dieser Adaptationsmechanismus erklärt zumindest teilweise die Ausbildung eines
sklerotischen Randes um eine langsam wachsende
Läsion.
Der kortikale Knochen ist in der Diaphyse der langen Röhrenknochen am dicksten und dünnt sich in
Richtung des epiphysären Knochenendes hin aus, wo
der spongiöse Knochen zunimmt und die Kraftaufnahme unterstützt. Somit hat der kortikale Knochen
dort, wo die Spongiosa ihre maximale Konzentration
aufweist, seine geringste Masse und umgekehrt. Kortikaler Knochen besteht aus vielen longitudinal ausgerichteten Knochenzylindern mit einem oder mehreren zentralen Gefäßen. Jede Zylindereinheit wird
als Havers-System oder Osteon bezeichnet. Die zentralen Havers-Kanäle der verschiedenen Osteone
sind durch senkrecht verlaufende miteinander kommunizierende Gefäßkanäle, Volkmann-Kanäle genannt, verbunden.
Eine Remodellierung des kortikalen Knochens
geht mit einem Umbau der Osteone einher. Dieser beginnt mit einer longitudinal ausgerichteten tubulären Resorption, die durch Osteoklasten erfolgt. Die
tubulären Hohlräume werden dann durch konzentrische Lagen aus lamellärem Knochen wieder ausgefüllt. Abbau und Anbau sind normalerweise simultan
ablaufende, ausbalancierte Prozesse, die nicht zu einer Dichteänderung des kortikalen Knochens im
Röntgenbild führen. Falls jedoch der Abbau den Anbau überwiegt, resultiert eine Abnahme des kortikalen Knochens. Diese imponiert radiologisch als tunnelierte Kompakta und kann Zeichen eines hoch aggressiven Wachstums einer Knochenläsion sein.
Die im Zusammenhang mit einem Knochentumor
auftretenden osteolytischen und osteoblastischen
Veränderungen werden durch Osteoklasten und Osteoblasten bewirkt und führen zu Grenzflächen und
Rändern. Eine Knochendestruktion ist kein direkter
Effekt der Tumorzellen, sondern tritt als Folge der
normalen biologischen Antwort des tumortragenden
Knochens auf den durch den Tumor erzeugten intraossären Druck oder die aktive Hyperämie auf.
Die auf dem Röntgenbild sichtbare Osteolyse ist
die Summation der osteoklastären resorptiven Aktivität an dem kortikalen oder spongiösen Knochen.
Sie besteht zunächst aus einem Abbau der mineralisierten Komponente der Knochenmatrix und dann
aus einem enzymatischen Abbau des Kollagengerüstes. Osteoklasten können den Knochen schneller abbauen als er durch Osteoblasten aufgebaut werden
kann. Bis zu einem gewissen Grade existieren beide
Prozesse immer gleichzeitig. So sieht man mikroskopisch häufig eine osteoklastäre Aktivität auf der Tumorseite eines Knochentrabekels und eine osteoblastäre Reaktion auf der abgewandten Seite. Das relative
Überwiegen eines der beiden Prozesse kann als Tumorrand auf dem Röntgenbild sichtbar sein.
Bei den meisten nicht sehr aggressiv wachsenden
Tumoren liegt ein glatter mehr oder minder scharf
abgrenzbarer Rand vor. Weisen verschiedene Tumorbezirke jedoch eine unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeit auf, entsteht ein polyzyklischer lobulierter Rand. Dieser wird meist bei eher langsam
wachsenden Tumoren beobachtet.Wächst der Tumor
schneller als ein geordneter Knochenabbau stattfinden kann, liegen unscharfe Ränder, breite Übergangszonen zwischen Tumor und Spongiosa und im
Extremfall nur eine uncharakteristische Osteopenie
vor.
5.1 Diagnostik und Therapie
Erkennbarkeit von Knochentumoren
Die Erkennbarkeit einer Osteolyse auf dem Röntgenbild hängt ab von
∑ der Struktur des betroffenen Knochens – kortikaler oder spongiöser Knochen –,
∑ dem Ausmaß des Knochenverlustes und
∑ der Menge an vorhandenem benachbarten Knochen, um einen Kontrast zu erzeugen.
Osteolytische Tumoren können an den Knochenenden, an denen die Menge des spongiösen Knochens
hoch ist, besser als in den Diaphysen erkannt werden
(Abb. 5.2). Ein gutartiger osteolytischer Tumor in der
Metaphyse wird durch den in der Nachbarschaft vorhandenen intakten spongiösen Knochen sichtbar. In
einem wachsenden Skelett kann dieser Herd durch
die Remodellierungsvorgänge als Folge des Umbaus
der metaphysären Region zur Diaphyse mit begleitendem Abbau des spongiösen Knochens auf dem
Röntgenbild verloren gehen.
Da in den Diaphysen nur wenig spongiöser Knochen vorhanden ist, existiert um einen osteolytischen
Tumor nur eine limitierte Grenzzonenmodifikation.
Sie besteht in einer enostalen Ausdünnung der Kompakta. Die Ränder der Läsion, die an den nichtspongiösen Markraum angrenzen, sind auf dem Röntgenbild nicht sichtbar. Somit kann die schaftseitige
Grenze eines metaphysären Tumors, der sich in die
Diaphyse ausbreitet, gelegentlich nicht bestimmbar
sein (Abb. 5.3, Abb. 5.4 a, b). Diese Tumoren sind jedoch in der MRT und meistens auch in der CT sicher
nachweisbar, da ein Signalintensitäts- bzw. Dichteunterschied zwischen Tumor und umgebendem Fettmark besteht.
Spongiöser Knochen wird wegen seiner wesentlich
größeren Oberfläche schneller als kortikaler Knochen abgebaut. Da die Resorption auf den kleinen
Trabekeloberflächen innerhalb des gesamten osteolytischen Areals abläuft, müssen mindestens 30–50%
der Trabekel abgebaut worden sein, bevor der Verlust
auf dem Röntgenbild sichtbar ist. Kortikaler Knochenabbau erfolgt langsamer, kann jedoch einfacher
und häufig früher erkannt werden, da ein hoher Kontrast zwischen der Lysezone und dem benachbarten
kortikalen Knochen besteht. Bei mehr diffus ablaufenden kortikalen Resorptionen ist jedoch ein umfangreicherer Knochenabbau erforderlich, bis sie auf
dem Röntgenbild sichtbar sind. Auch muss die absolute Menge an vorhandenem Knochen beachtet werden.
Dies gilt besonders für ältere Patienten, bei denen
ein physiologischer Knochenverlust existiert. Bei diesen sind destruktive Knochenläsionen wesentlich
schwieriger früh zu entdecken, und sogar ausgedehnte infiltrative Prozesse können dem radiologischen
Nachweis entgehen. Auch in dieser Situation sind die
MRT und meistens auch die CT der Röntgendiagnostik deutlich überlegen (Abb. 5.5 a, b). In der MRT
wird ein Tumor in den Röhrenknochen durch den
Kontrast zwischen Tumor und Fettmark abgebildet.
Hierzu bietet sich z. B. eine T1-gewichtete SpinEcho(SE)-Sequenz an, die die meisten Tumoren relativ signalarm und das Fettmark sehr signalintensiv
abbildet (Abb. 5.6).
In der CT können Tumoren in einem osteopenischen Skelett und im Markraum von Röhrenknochen nachgewiesen werden. Der Tumor, der positive
Dichtewerte besitzt, wird einerseits durch den Kontrast zu dem spongiösen und kortikalen Knochen
(Knochenfenster oder Hochkontrastalgorithmus)
und anderseits zum Fettmark des Markraumes, das
negative Dichtewerte aufweist (Weichteilfenster),
abgrenzbar.
Periostreaktionen
Anatomisch gesehen umkleidet das Periost die
Kompakta und grenzt den Knochen von den umgebenden Weichteilen ab. Es besteht histologisch
aus einer äußeren zellarmen fibrösen Lage und
einer inneren zellreichen Kambiumschicht. Das inaktive Periost des Erwachsenen ist nur wenig zellreich und überwiegend fibrös. Während einer Reaktion auf einen traumatischen oder tumorösen Reiz
kann das Periost dicker werden, und die beiden
Lagen können abgrenzbar werden. Eine Aktivierung
des Periosts führt zur Anlagerung von Knochen
an die Kompakta. Eine resorptive Reaktion des Periosts führt zu einem Abbau der Außenfläche der
Kompakta.
Die langsamste appositionelle Aktivität des Periosts wird normalerweise nicht als Periostreaktion
angesehen. Sie tritt bei der Umfangsvergrößerung
des Knochenschaftes während der Wachstumsphase
und bei einer Zunahme des Knochendurchmessers
z. B. im Rahmen eines Morbus Paget auf. Der Ausdruck periostale Reaktion, wie er gängigerweise benutzt wird, reflektiert eine deutlich stärkere Periostaktivität.
Periostreaktionen werden bei längeren Verläufen
von entzündlichen, traumatischen und tumorösen
Prozessen nahezu immer beobachtet. Sie sind allerdings kein Beweis für einen derartigen Prozess. Denn
sie können auch bei Änderungen der lokalen metabolischen Verhältnisse, wie z. B. bei Varizen, auftreten. Bei Tumoren und Entzündungen ist das Ausmaß
der periostalen Knochenneubildung nicht nur vom
Grad der Periostabhebung sondern auch von der Aktivität der aktivierenden Läsion abhängig. Jedoch
nicht alle Läsionen, die die Kompakta penetriert und
das Periost abgehoben haben, induzieren eine periostale Knochenneubildung.
129
130
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.2. Riesenzelltumor. Der epimetaphysär gelegene Tumor
kann innerhalb des dichten trabekulären Netzwerks der Spongiosa gut abgegrenzt werden
Abb. 5.3. Chondromyxoidfibrom. Der diaphysär gelegene
Tumor hat die gesamte hier vorhandene spärliche Spongiosa
destruiert und ist in die Kompakta eingewachsen. Daher ist er
deutlich abgrenzbar
Abb. 5.4 a, b. Enchondrom.
a Der diaphysär gelegene Tumor
wächst überwiegend im Markraum und ist daher schlecht
abgrenzbar. Es kommen nur kleinere osteolytische Areale
dort zur Darstellung, wo der
Tumor die ortsständige
Spongiosa destruiert hat.
b In der MRT ist die wahre
Tumorausdehnung sichtbar
a
b
5.1 Diagnostik und Therapie
a
Abb. 5.6. Enchondrom. Die T1-gewichtete SE-Sequenz stellt
deutlich die intraossäre Tumorausdehnung dar. Der Kontrast
beruht auf der unterschiedlichen Signalintensität zwischen
signalintensivem Fettmark und signalarmem Tumor. Der
spongiöse Knochen wird nicht abgebildet. Die Kompakta
kommt als signallose Außenkontur des Knochens zur Darstellung
b
Abb. 5.5 a, b. Riesenzelltumor. a Der Tumor im Fibulaköpfchen hat die Spongiosa noch nicht ausreichend destruiert, um
deutlich sichtbar zu sein. b In der CT ist dagegen der Tumor
klar abgrenzbar. Er breitet sich im Markraum aus und hat die
ventrale Kompakta partiell destruiert
Weitere Faktoren beeinflussen die Reaktion des
Periosts. Diese bestehen in einer mechanischen
Adaptation an die Schwäche des Knochens als Folge
einer Osteolyse, in dem Versuch, einen Tumor einzugrenzen, und in veränderten Mikrozirkulationsparametern, wie in einer passiven Hyperämie, und möglicherweise in einer direkten Stimulation durch Tumormetaboliten.
Folgende allgemeine Regeln zum Ablauf einer
Periostreaktion lassen sich aufstellen:
∑ Erst mineralisierte Periostreaktionen sind auf
dem Röntgenbild sichtbar, was 10–20 Tage dauert.
Je jünger der Patient, umso eher sind sie sichtbar.
∑ Die Periostreaktion ist ein biologischer Indikator
der Intensität und Aggressivität des zugrunde
liegenden aktivierenden Prozesses.
∑ Die Morphologie der Periostreaktion kann sich
mit zunehmender Dauer des aktivierenden Prozesses ändern.
∑ Periostreaktionen können die ersten auf dem
Röntgenbild sichtbaren Veränderungen eines sehr
aggressiv verlaufenden intraossären Tumors oder
einer Entzündung sein.
Die Periostreaktionen können in zwei verschiedene
Hauptgruppen unterteilt werden, in kontinuierliche
und unterbrochene Reaktionen (Tabelle 5.2).
Kontinuierliche Reaktionen werden meistens bei
einem langsam bis mittelschnell ablaufenden Knochenprozess angetroffen. In dieser Gruppe kann man
noch Periostreaktionen bei gleichzeitig komplett
ausgelöschter Kompakta von solchen bei vollkommen oder zumindest teilweise erhaltener Kompakta
differenzieren.
Unterbrochene Periostreaktionen sind meistens
Begleitreaktionen eines sehr aggressiv verlaufenden
Prozesses. Hier verläuft der aktivierende Prozess
schneller als geordnete Periostreaktion aufgebaut
werden können. Daneben können jedoch auch Kombinationen von beiden Reaktionsformen und als Sonderform eine überwiegend in Weichteilkomponenten
von Osteosarkomen anzutreffende divergierend spikuläre Reaktion auftreten (Abb. 5.7 a–c, Abb. 5.8).
131
132
Kapitel 5 Knochentumoren
Tabelle 5.2. Periostreaktionen
Kontinuierliche Periostreaktionen
mit Kompaktaauflösung
Periostschale
lobulierte Periostschale
septierte Periostschale
ohne Kompaktaauflösung
solide Reaktion
Einzellamelle
lamelläre Reaktion (Zwiebelschale)
parallel spikuläre Reaktion (Bürstensaum)
Unterbrochene Periostreaktion
Periosterker
Codman-Dreieck
unterbrochene Zwiebelschale
unterbrochene parallel spikuläre Reaktion
Komplexe Periostreaktionen
Kombinationen der oben genannten Reaktionsformen
Divergierend spikulär („sunburst“)
Periostschale.
Definition
Die nichtunterbrochenen Periostreak-
tionen mit begleitender kompletter
Kompaktaresorption werden auch als Periostschale
bezeichnet.
Jede Aufweitung der Knochenkontur repräsentiert
eine periostale Aktivität. Der Knochendurchmesser
kann nur dadurch zunehmen, indem die Kompakta
auf der enostalen Seite resorbiert wird, während auf
der periostalen Seite neue Knochenlagen gebildet
werden. Die Periostschale repräsentiert eine Balance
zwischen einem relativ langsam wachsenden Prozess, der mit einer enostalen Kompaktaresorption
und einer Apposition von neuen Knochen auf der äußeren Periostoberfläche einhergeht. Wenn die Resorption die Apposition überwiegt, wird die Kompakta dünner, oder sie wird komplett resorbiert, und
die neu gebildete Periostschale dient als Ersatz der
ursprünglichen Kompakta.
Als die Resorption aktivierende Faktoren kommen entweder der Druck eines wachsenden Prozesses oder eine aktive Hyperämie in Frage. Diese Reaktionsform des Periosts wird fast ausschließlich bei
Tumoren und tumorähnlichen Läsionen angetroffen.
Bei jüngeren Patienten handelt es sich nahezu ausschließlich um benigne Tumoren, während bei älteren Patienten einige maligne Tumoren, besonders
Plasmozytome und niedrig maligne Chondrosarkome, dieses Bild bieten können.
Eine Periostschale mit glatten Außenkonturen tritt
bei einer Läsion auf, die einen gleichförmigen expansiven Druck ausübt. Sie wird meistens bei benignen
Prozessen beobachtet und ist häufig exzentrisch lokalisiert. Exzentrisch lokalisierte Periostschalen werden bei einem Riesenzelltumor, einem Enchondrom,
Abb. 5.7 a–c. Schematische Darstellung der verschiedenen
Periostreaktionen als Reaktion auf eine Markraumläsion des
Knochens
einem Chondroblastom, einem Chondromyxoidfibrom, einer fibrösen Dysplasie und einer aneurysmatischen Knochenzyste beobachtet (Abb. 5.9). Eine
zirkulär ausgebildete Periostschale als Folge eines
zirkulär wirkenden hydrostatischen Druckes wird
bei einer solitären Knochenzyste angetroffen (Abb.
5.10). Insgesamt gilt, je länger die Läsion besteht und
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.8. Periostreaktionen als Indikator der Wachstumsrate einer Markraumläsion
Abb. 5.10. Zirkulär ausgebildete Periostschale bei einer solitären Knochenzyste des Humerus. Die neu gebildete Periostschale dient als Ersatz für die komplett resorbierte ursprüngliche Kompakta. Dadurch erscheint der Humerusschaft aufgetrieben
Abb. 5.9. Exzentrisch lokalisierte Periostschale (Pfeile) einer
aneurysmatischen Knochenzyste der distalen Tibia. Die Kompakta ist komplett resorbiert, und die Läsion wird von einer
mineralisierten Periostschale zu den Weichteilen abgegrenzt
je langsamer sie wächst, umso dicker ist die Periostschale (Abb. 5.11). Ein sehr rasches Läsionswachstum
führt zu einer kompletten Kompaktaresorption,
ohne dass die begleitende Periostreaktion im Röntgenbild sichtbar ist. Das Wachstum erfolgt derart
rasch, dass keine Mineralisation der neu gebildeten
Periostreaktion erfolgen kann. Aggressiv wachsende
Riesenzelltumoren und aneurysmatische Knochenzysten können dieses Bild zeigen (Abb. 5.12).
133
134
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.11. Zirkulär ausgebildete Periostschale bei einem langsam wachsenden Osteoblastom der distalen Fibula. Die ursprüngliche Kompakta ist komplett resorbiert, und der Tumor
wird durch eine dicke neu gebildete Periostschale umgrenzt
Eine lobulierte Periostschale tritt auf, wenn eine
Läsion fokal unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeiten aufweist. Um die aktivsten Komponenten
sind die am weitesten nach peripher reichenden Periostreaktionen vorhanden. Diese Reaktionsform wird
bei den gleichen Läsionen beobachtet, die auch das
Bild einer glatten Schale bieten können (Abb. 5.13).
Eine septierte Periostschale tritt auf, wenn ein proliferativer Prozess mit zuvor mittlerer Wachstumsgeschwindigkeit seine Wachstumsgeschwindigkeit
reduziert. Diese Form der Periostschale ist üblicherweise dicker und besser abgrenzbar als eine lobulierte Periostschale. Die aktivsten Herde werden durch
Septen begrenzt, die von der inneren Periostschale
ausgehen. Die Septen entsprechen Bezirken, in denen die Resorption geringer als in benachbarten Bezirken ist. An den Septen kann auch eine Knochenneubildung auftreten. Septierte Periostschalen werden häufig als Reaktion auf ein nicht-ossifizierendes
Knochenfibrom, ein Enchondrom, einen Riesenzelltumor, aber bei älteren Patienten gelegentlich auch
bei einem langsam wachsenden malignen Tumor,
wie einem Chondrosarkom, einem Plasmozytom
und einer Hypernephrommetastase angetroffen
(Abb. 5.14).
Abb. 5.12. Nichtmineralisierte exzentrisch lokalisierte Periostschale bei einem aggressiv wachsenden Riesenzelltumor.
Die ursprüngliche Kompakta (Pfeile) ist komplett resorbiert.
Der Tumor wächst derart schnell, dass keine Mineralisation
der Periostreaktion erfolgen kann. Bei der Operation wurde eine dünne komplett erhaltene Periostschale als äußere Tumorbegrenzung gefunden
Abb. 5.13. Lobulierte Periostschale bei einer solitären Knochenzyste des Humerus
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.14. Septierte Periostschale bei einem Enchondrom des
Os metacarpale I. Die ursprüngliche Kompakta ist komplett resorbiert, und das Enchondrom ist durch eine von verknöcherten Septen durchzogene Periostschale begrenzt
Abb. 5.15. Solide Periostreaktion bei einem Osteoidosteom
der Tibia. Die ursprüngliche Kompakta ist komplett erhalten,
erscheint jedoch durch die neu gebildete solide Periostreaktion spindelförmig verdickt. Im Zentrum ist der Nidus des
Osteoidosteoms sichtbar
Kontinuierliche Periostreaktionen mit erhaltener Kom-
bezeichnet. Sie wird bevorzugt bei einem Osteoidosteom, einem großen Enchondrom (proximales Femur) und einem gering aktiven eosinophilen Granulom beobachtet (Abb. 5.15).
Die Einzellamelle besteht aus einer Schicht neugebildeten Knochens. Sie weist in Höhe der Markraumläsion einen Abstand von 1–2 mm von der Kompakta
auf und kann proximal und distal mit dieser fusionieren. Die Lamelle umgibt den Knochen teilweise
oder ganz. Aus ihr kann sich eine solide Periostreaktion entwickeln. Sie weist, besonders wenn sie dick
ist, auf einen benignen Prozess hin. Sie tritt bei einem
eosinophilen Granulom, einer akuten Osteomyelitis,
einem subperiostalen Hämatom und einer Stressfraktur auf (Abb. 5.16 a, b). Nur selten wird sie bei
echten Knochentumoren beobachtet. Der Nachweis
einer nichtunterbrochenen Einzellamelle kann ein
entscheidendes Kriterium bei der Differenzierung
einer Osteomyelitis von einem Ewing-Sarkom sein,
da beide im Knochen ein ähnlich aggressives Wachstumsmuster bieten können.
Die lamelläre Periostreaktion (Zwiebelschale) besteht aus mehreren konzentrisch angeordneten ossifizierten Periostlamellen auf der Weichteilseite der
Kompakta und ist üblicherweise das Zeichen eines
pakta. Bei diesen Form ist die ursprüngliche Kompakta unter der Periostreaktion teilweise oder komplett erhalten. Man unterscheidet
∑
∑
∑
∑
eine solide Periostreaktion,
eine Einzellamelle,
eine lamelläre Reaktion und
eine parallel spikuläre Reaktion.
Es handelt sich um zusätzliche Periostreaktionen
und nicht um einen Ersatz der ursprünglichen Kompakta durch Periostverknöcherungen. Der Erhalt der
ursprünglichen Kompakta bedeutet jedoch nicht,
dass keine Penetration der Markraumläsion in die
Periostreaktionen vorliegt. Gerade bei der lamellären
und spikulären Form werden häufig Invasionen in
die Periostreaktionen beobachtet.
Die solide Periostreaktion repräsentiert multiple
nacheinander angelegte neue Knochenlagen auf der
Kompakta, die miteinander verschmolzen sind. Sie
weist auf einen benignen Prozess hin. Die Ursache
ist meistens ein chronischer, langsam verlaufender
Markraum-, Kompakta- oder Weichteilprozess. Diese
Reaktionsform wird ätiologisch nicht ganz korrekt
auch als Hyperostose oder Kompaktaverdickung
135
136
Kapitel 5 Knochentumoren
Durch diesen dynamischen Prozess werden mit
zunehmender Zeit die einzelnen Lamellen schlechter
abgrenzbar. Wenn bei nichttumorösen Prozessen das
zwischengelagerte Bindegewebe abgebaut worden
ist, kann aus der Zwiebelschale eine solide Periostreaktion entstehen. Sie tritt bei einem Ewing-Sarkom, einem Non-Hodgkin-Lymphom, einem Angiosarkom,einem primitiven neuroektodermalen Tumor,
einem aggressiven eosinophilen Granulom und seltener einer akuten Osteomyelitis auf (Abb. 5.17 a, b).
!
Die Zwiebelschale kann bei sehr aggressiv wachsenden intraossären Läsionen die erste auf dem Röntgenbild sichtbare Veränderung sein. Daher muss beim Nachweis einer
Zwiebelschale der aktivierende Prozess im Knochen
mit Nachdruck gesucht werden, wobei vorzugsweise
die MRT zum Einsatz kommen sollte.
Merke
a
b
Abb. 5.16 a, b. Einzellamelle des distalen Femurs bei einem
Patienten mit einer subakuten Osteomyelitis. a Die Kompakta
ist lateral destruiert, und eine solitäre mineralisierte Periostlamelle ist sichtbar. b Die CT zeigt, dass die Periostlamelle
(Pfeile) den Femur nur zu etwa 70% umgibt und im Randbereich mit der Kompakta fusioniert. Bei dem vorhandenen
Knochendestruktionsmuster spricht die nichtunterbrochene
Einzellamelle mehr für einen entzündlichen Prozess und eher
gegen einen malignen Tumor
aggressiv verlaufenden Prozesses. Bei nichttumorösen Prozessen treten die Periostlamellen als Folge
einer exzessiven kortikalen Tunnelierung bei einer
aktiven Hyperämie auf. Als Reaktion auf einen Tumor kann die Zwiebelschale infolge einer vermehrten regionalen Durchblutung oder einer direkten
Perioststimulierung entstehen. Zunächst befinden
sich erweiterte Gefäße und ein lockeres Bindegewebe
zwischen den Periostlamellen. Später können maligne Tumoren zwischen diese vordringen. Auf den einzelnen Lamellen beobachtet man histologisch eine
gesteigerte ostoblastäre Aktivität auf der Weichteilseite und eine gesteigerte osteoklastäre Aktivität auf
der Kompaktaseite.
Die parallele spikuläre Periostreaktion (Bürstensaum) repräsentiert einen rascher ablaufenden Prozess als die lamelläre Periostreaktion. Die Morphologie variiert zwischen uniformen dünnen multiplen
Spiculae (Samtaspekt) auf der einen und einzelnen
längeren Spiculae auf der anderen Seite. Die Spiculae
werden in allen Ebenen vom Zentrum der Markraumläsion zur Peripherie hin kürzer. Auf Schnittpräparaten, die parallel zur Knochenoberfläche angefertigt werden, zeigt sich, dass die wahre Grundstruktur ein Wabenmuster ist. Der auf dem Röntgenbild sichtbare spikuläre Aspekt entsteht durch die
alleinige Abbildung der parallel zum Röntgenstrahl
angeordneten Ossifikationen. Zwischen den einzelnen Ossifikationen liegen erweiterte periostale Gefäße. Mit zunehmender Zeit können Tumoren in die
Reaktionszone eindringen. Diese Periostreaktion
spricht weitgehend gegen einen benignen Tumor. Sie
tritt bei einem Ewing-Sarkom, einem Osteosarkom
und einem Chondrosarkom auf. Samtartige spikuläre Reaktionen werden auch bei der Thalassämie in
der Kalotte und dem Morbus Caffey beobachtet
(Abb. 5.18).
Unterbrochene Periostreaktionen. In einer Reihe
von Fällen ist die Penetration eines Tumors durch die
Kompakta mit Aktivierung des Periosts radiologisch
nicht erkennbar. Eine Durchwanderung durch erweiterte Volkmann-Kanäle oder die Havers-Räume lässt
die Kompakta radiologisch häufig intakt. Diese Form
der Tumorpenetration führt in den meisten Fällen zu
ausgedehnten, meist lamellären Periostreaktionen.
Das andere Extrem stellt eine komplette Kompaktadestruktion mit direkter Aktivierung des Periosts
dar. Das hierbei insgesamt geringere Ausmaß an Periostreaktionen kann auf zwei Mechanismen zurückgeführt werden.
5.1 Diagnostik und Therapie
b
a
Abb. 5.17 a, b. Lamelläre Periostreaktion (Zwiebelschale) des proximalen
Humerus bei einem Non-Hodgkin-Lymphom des Knochens. a Die konventionelle Aufnahme zeigt die multiplen parallel angeordneten Lamellen auf
der Weichteilseite einer erhaltenen Kompakta. b In der MRT (T2-gewichtete SE Sequenz) lässt sich ebenfalls eine komplett erhaltene Kompakta
(Pfeilspitzen) nachweisen. Die Periostreaktion (Pfeile) umgibt nahezu
ringförmig den Knochen, wobei zwischen den einzelnen abgrenzbaren
mineralisierten Lamellen ein protonenreiches Weichteilgewebe vorliegt
∑ Zum einen steht durch die Tumorausdehnung in
den Weichteilen weniger Raum für die Periostreaktionen zur Verfügung.
∑ Zum anderen kann der durch den Tumor ausgeübte Druck eine osteoklastäre Reaktion aktivieren, wodurch die mineralisierten Periostreaktionen abgebaut werden.
Abb. 5.18. Parallele spikuläre Periostreaktion bei einem
Chondrosarkom der Mittelphalanx D II. Neben einer durch
den parossalen Tumor hervorgerufenen weitgehenden Destruktion der Kompakta lassen sich mehrere unterschiedlich
lange spikuläre Periostreaktionen abgrenzen
Durch beide Mechanismen können unterbrochene
Periostreaktion entstehen, die in den zentralen Abschnitten durchbrochen und häufig nur im Randbereich der extraossären Tumorkomponente vorhanden sind. Diese Reaktionsform spricht mit höherer
Wahrscheinlichkeit für einen malignen Tumor. Für
eine zuverlässige Diagnosestellung müssen jedoch
weitere Wachstumsmuster des Tumors analysiert
werden.
Der Periosterker („buttress“) ist eine solide dreieckförmige Periostreaktion, die im Randbereich einer Läsion einer dort meistens intakten Kompakta
aufsitzt. Im Zentrum der Läsion ist die Kompakta
üblicherweise destruiert. Dieses Bild tritt bei malignen Tumoren, wie einem osteolytischen Osteosarkom, einem malignen fibrösen Histiozytom und einem Chondrosarkom auf (Abb. 5.19). Der Erker kann
der Rest einer kontinuierlichen Periostreaktion sein,
die zentral destruiert worden ist, was auf eine maligne Transformation einer lang bestehenden benignen
Läsion hindeuten kann. Dies wird z. B. bei einer ma-
137
138
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.19. Periosterker am distalen Femur bei einem Osteosarkom. Das Osteosarkom hat die Kompakta komplett destruiert. Als einzige Periostreaktion ist eine dreieckförmige
solide Ossifikation am oberen Tumorrand sichtbar (Pfeil)
lignen Transformation eines Enchondroms beobachtet. Ist der Erker jedoch im Randbereich einer intakten Periostschale lokalisiert, spricht dies eher für
einen langsam wachsenden Prozess. Periosterker
werden häufig bei Knochentumoren angetroffen, die
von der Knochenoberfläche ausgehen. In dieser Situation können sie nicht als Hinweis auf einen malignen Tumor gewertet werden, da sie sowohl bei malignen als auch bei benignen Tumoren entstehen können.
Bei dem Codman-Dreieck handelt es sich um eine
dreieckförmige Periostreaktion am Übergang zwischen äußerem Tumorrand und Kompakta.
Es kann sich um eine einzelne oder mehrere Lamellen handeln, die den dreieckförmigen Raum zwischen der Grenze der Weichteilkomponente eines osteolytischen oder eines juxtakortikalen Tumors und
der Oberfläche der benachbarten Kompakta einnehmen. Die äußerste Periostlage ist typischerweise die
dickste. Die Periostreaktion ist normalerweise tumorfrei, jedoch können Tumorzellen vom offenen
Rand oder durch die Kompakta in diese einwachsen.
Sie tritt meistens bei malignen Tumoren auf, wurde
aber auch bei einer akuter Osteomyelitis unter Antibiotikatherapie und einem subperiostalen Hämatom
beobachtet (Abb. 5.20).
Die unterbrochene lamelläre Periostreaktion tritt
auf, wenn eine vorbestehende lamelläre Periostreaktion durch eine Tumorinvasion destruiert wird. Sie
Abb. 5.20. Codman-Dreieck am distalen Femur bei einem
Ewing-Sarkom. Es ist deutlich eine gering mineralisierte
Weichteilkomponente des Tumors sichtbar, die durch eine
dreieckförmige, aus mehreren Einzellamellen bestehende
Periostreaktion kranial begrenzt wird
Abb. 5.21. Unterbrochene lamelläre Periostreaktion am Humerusschaft bei einem Ewing-Sarkom. Die laterale Kompakta
ist partiell destruiert und deutlich strukturaufgelockert, was
auf eine Tumorinvasion in die Weichteile hinweist. Die ehemals
lamelläre Periostreaktion ist in Höhe des Tumorzentrums komplett resorbiert und im oberen Randbereich multifokal penetriert
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.22 a, b. Sunburst des
distalen Femurs bei einem Osteosarkom. a Die Knochenneubildung in der dorsalen Weichteilkomponente ist unregelmäßig
und konvergiert auf das
imaginäre Tumorzentrum.
b Auf dem PD-gewichteten
MRT-Bild eines Osteosarkoms
der proximalen Tibia lassen
sich die Spiculae als signalarme
Strukturen in der Weichteilkomponente nachweisen
a
ist meistens das Zeichen eines malignen Tumors,
kann aber auch selten bei einem eosinophilen Granulom im frühen Kindesalter auftreten (Abb. 5.21).
Die unterbrochene spikuläre Periostreaktion kann
infolge einer zentralen Invasion und Destruktion einer spikulären Periostreaktion entstehen. Häufiger
handelt es sich um eine lokale reaktive Ossifikation
am lateralen Rand eines juxtakortikalen Tumors. Sie
deutet üblicherweise auf eine sich rasch entwickelnde extraossäre Tumorkomponente hin. Radiologisch
imponiert die Periostreaktion meistens solide und
seltener spikulär, da die einzelnen Spiculae zu klein
sind, um radiologisch dargestellt werden zu können.
Sie tritt infolge eines malignen Markraumtumors,
eines parossalen Tumors und seltener auch eines
benignen Tumors auf. Die Transformation einer lamellären zu einer unterbrochenen spikulären Periostreaktion deutet auf eine zunehmende Wachstumsgeschwindigkeit einer extraossären Tumorkomponente hin.
Die divergierende spikuläre Reaktion („sunburst“)
ist meistens Folge einer malignen Osteoidproduktion. Die einzelnen Ossifikationsstrahlen sind unterschiedlich dick und konvergieren auf ein Epizentrum
im Markraum. Sie bestehen aus sarkomatösem oder
reaktivem Knochen oder aus beidem, wobei die Zwischenräume durch Tumorgewebe ausgefüllt sind.
Diese Form der Periostreaktion spricht weitgehend
für ein Osteosarkom (Abb. 5.22 a, b). In seltenen Fällen kann sie aber auch bei Metastasen und Hämangiomen auftreten.
Kombinierte Periostreaktionen. Bei einzelnen Läsionen können mehrere verschiedene Periostreaktionen
vorhanden sein. Die Kombination aus einer Periostreaktion, die auf einen eher langsam wachsenden
Prozess hinweist, mit einer solchen, die einen rasch
b
wachsenden Prozess anzeigt, deutet auf eine Beschleunigung des Wachstumsprozesses hin. Dies tritt
z. B. bei der Transformation einer benignen in eine
maligne Läsion auf. Sie kann allerdings auch im Rahmen von Reparaturprozessen nach einer pathologischen Infraktion auftreten (vgl. Abb. 5.8).
Lodwick-Klassifikation
Das Wachstum eines Knochentumors induziert eine
normale osteoklastäre und osteoblastäre Reaktion
des tumortragenden Knochens, die die Knochenstruktur lokal, regional oder diffus modifiziert. Die
auf dem Röntgenbild sichtbaren Reaktionen sind ein
Index für die Wachstumsgeschwindigkeit eines Tumors oder eines entzündlichen Prozesses, sagen jedoch wenig über die Histologie aus. Nach Lodwick
(Lodwick et al. 1980 a) kann man die auf dem konventionellen Röntgenbild sichtbaren Destruktionsmuster in drei Hauptgruppen unterteilen:
∑ Grad I: rein geographische (umschriebene) Knochendestruktion, die eine langsame Wachstumsgeschwindigkeit widerspiegelt,
∑ Grad II: geographische Knochendestruktion mit
mottenfraßartiger/permeativer Komponente, die
eine intermediäre bis hohe Wachstumsgeschwindigkeit anzeigt,
∑ Grad III: rein mottenfraßartige oder permeative
Destruktion, die Zeichen einer sehr schnellen
Wachstumsgeschwindigkeit ist (Tabelle 5.3).
Diese Klassifikation ist bei der Lage eines Tumors in
einem Röhrenknochen und in einem kleinen Knochen wertvoll. Sie hat jedoch wegen des nur geringen
Durchmessers von platten Knochen und besonders
wegen der nicht überlagerungsfreien Darstellung
des Achsenskeletts in diesen Skelettabschnitten nur
einen geringeren Aussagewert (Abb. 5.23 a, b).
139
140
Kapitel 5 Knochentumoren
Tabelle 5.3. Lodwick-Klassifikation
Sehr langsam wachsend
Langsam wachsend
Mittlere Wachstumsgeschwindigkeit
Grad IA
Grad IB
Grad IC
–––––––––––––––––––––––––––––––Geographische Osteolyse –––––––––––––––––––––––––––––––––––
Immer sklerotischer und scharfer Rand
Knochenauftreibung >1 cm
und/oder kein sklerotischer Rand
Schnell wachsend
Sehr schnell wachsend
Grad II
Grad III
Geographisch mit mottenfraßartiger
und/oder permeativer Destruktion
Nur mottenfraßartige
und/oder permeative Destruktion
Immer totale Kompaktapenetration
nicht schneller als ein kompletter oder weitgehend
kompletter Knochenabbau in Wachstumsrichtung
erfolgen kann. Das Wachstum kann so langsam sein,
dass der tumortragende Knochen ausreichend Zeit
hat, eine reaktive Knochengrenze – einen sklerotischen Randsaum – auszubilden. Die geographische
Destruktion kann in drei Untergruppen – IA, IB, IC –
unterteilt werden, wobei die Wachstumsgeschwindigkeit vom Grad IA zu Grad IC zunimmt.
Abb. 5.23 a, b. Schematische Darstellung der unterschiedlichen
Wachstumsraten
Rein geographische Destruktion (Grad I). Dieser Destruktionstyp erzeugt eine gut abgrenzbare Läsion
mit einer schmalen Übergangszone zwischen Tumor
und normalem Knochen. Gelegentlich kann die Grenze bogenförmig, lobuliert oder muschelförmig sein.
Dieses Wachstumsmuster spiegelt eine niedrige
Wachstumsgeschwindigkeit wider. Der Tumor wächst
Grad IA: geographische Osteolyse mit sklerotischem
Randsaum. Dieses Destruktionsmuster wird nahezu
ausschließlich bei benignen Tumoren und tumorähnlichen Läsionen, wie z. B. bei solitären Knochenzysten, Enchondromen oder nicht-ossifizierenden
Knochenfibromen, beobachtet. Es repräsentiert ein
sehr langsames Wachstum, bei dem der tumortragende Knochen in der Lage ist, einen sklerotischen
Randsaum auszubilden. Die Dicke des sklerotischen
Randsaums kann variieren. Er ist besonders dick,
wenn langsam wachsende Läsionen in den Gewichtsbelastungszonen auftreten (Abb. 5.24 a, b).
Der sklerotische Randsaum ist eine mechanische
Adaptation, die die Belastungskräfte um die osteolytische Läsion leiten soll. Für den Operateur ist es
wichtig zu wissen, dass kleinere Tumorausläufer gelegentlich in den Randsaum einwachsen und diesen
selten sogar minimal überwachsen können.
Einige Läsionen zeigen typischerweise einen polyzyklischen lobulierten Rand.Hierzu zählt als typischer
Vertreter das nicht-ossifizierende Knochenfibrom.
Einzelne Grad-IA-Läsionen haben einen sklerotischen Randsaum, dessen Dichte zur Spongiosaseite
allmählich oder nur unmerklich abnimmt. Dies wird
bei der chronischen Osteomyelitis, dem Brodie-Abszess und gelegentlich beim eosinophilen Granulom
beobachtet. Bei diesem Destruktionsmuster werden
keine oder allenfalls solide Periostreaktionen oder
diskrete Periostschalen angetroffen.
Grad IB: geographische Osteolyse. Dieses Destruktionsmuster weist scharfe Grenzen zwischen dem Tumor und dem benachbarten (spongiösen) Knochen
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.24 a, b. Lodwick-IALäsionen. a Die fibröse Dysplasie
ist von einem komplett ausgebildeten sklerotischen Randsaum umgeben. b Das nichtossifizierende Knochenfibrom
ist allseits von einem feinen
Sklerosesaum umgeben
a
b
b
a
Abb. 5.25 a, b. Lodwick-IB-Läsionen. a Das Enchondrom der Ulna ist
allseits scharf begrenzt und hat die Kompakta nicht penetriert.
b Die solitäre Knochenzyste weist scharfe Grenzen auf, ist jedoch nur
partiell von einem Sklerosesaum umgeben
auf. Bis zur Tumor-Knochen-Grenze sind normale
Knochentrabekel vorhanden, die aber im Kontaktbereich komplett resorbiert sind. Dieses Destruktionsmuster repräsentiert ein etwas schnelleres Wachstum
als eines vom Grad IA. Die Geschwindigkeit des Tumorwachstums lässt dem tumortragenden Knochen
nicht genügend Zeit, einen kompletten sklerotischen
Randsaum auszubilden. Gelegentlich kann jedoch
ein inkompletter sklerotischer Randsaum vorhanden
sein (Abb. 5.25 a, b).
Das Destruktionsmuster wird in den meisten
Fällen bei benignen Tumoren und tumorähnlichen
Läsionen angetroffen. Typische Vertreter sind Riesenzelltumoren, Enchondrome, Chondroblastome,
Chondromyxoidfibrome und aneurysmatische Knochenzysten. Bei älteren Patienten können jedoch
auch einige maligne Tumoren so langsam wachsen,
dass dieser Destruktionstyp auftritt. Hierzu zählen
Plasmozytome (Myelome), Chondrosarkome und
selten auch Metastasen.
Bei diesem Destruktionsmuster wachsen die Läsionen expansiv und nicht permeativ, sodass nur sehr
selten Tumoranteile jenseits des sichtbaren Randes
im spongiösen Knochen gefunden werden. Rein
141
142
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.26 a, b. Lodwick-ICLäsionen. a Der Riesenzelltumor
weist eine schmale Übergangszone zwischen Tumor und
Markraum auf und hat die
mediale Kompakta an mehreren
Stellen komplett penetriert.
b Das Chondromyxoidfibrom
bietet zwar relativ scharfe
Grenzen zum Markraum, hat
die mediale Kompakta jedoch
komplett destruiert
a
b
osteolytische Tumoren, deren Ausbreitung auf den
diaphysären Markraum begrenzt ist, können auf dem
Röntgenbild „unsichtbar“ sein, da kein benachbarter
spongiöser Knochen vorhanden ist, der die Grenze
markieren kann. Sie sind erst dann sichtbar, wenn sie
eine enostale Resorption an der Kompakta induziert
haben.
Unter dem Grad IB werden auch geographische
Osteolysen mit einem kompletten sklerotischen
Randsaum subsumiert, wenn der Tumor als Folge
einer induzierten Periostreaktion (Periostschale)
den Knochen um mehr als einen Zentimeter aufgetrieben hat. Der Tumor wächst in diesem Falle
schneller als einer, der das Destruktionsmuster
Grad IA ohne begleitende Knochenauftreibung bietet. Bei diesem Destruktionsmuster werden entweder
keine oder kontinuierliche Periostreaktionen mit
Kompaktaauflösung (Periostschale, lobulierte Periostschale, septierte Periostschale) angetroffen.
Grad IC: geographische Osteolyse mit kompletter
Kompaktapenetration. Bei diesem Destruktionsmuster wächst die Läsion schneller als beim Grad IB.
Sie wächst im Randbereich lokal infiltrativ, sodass
auf dem Röntgenbild eine komplette Penetration der
Kompakta, zumindest fokal, sichtbar ist.Auch sind die
Ränder nicht so scharf wie bei einem Grad IB
abgebildet, da der Tumor in die umgrenzende Spongiosa vorwächst. Es existiert eine schmale Übergangszone zwischen Tumor und normalem spongiösen
Knochen, woraus ein verwaschener Rand resultiert.
Der Grad IC kann sowohl bei relativ aggressiv
wachsenden benignen Läsionen, besonders bei Kindern und Jugendlichen, als auch bei malignen Tumoren angetroffen werden (Abb. 5.26 a, b). Hier werden
keine oder kontinuierliche Periostreaktionen mit
(Periostschale) oder ohne begleitende Kompaktaauflösung (Einzellamelle, Zwiebelschale) oder unterbrochene Periostreaktionen (Periosterker, selten
Codman-Dreieck) angetroffen.
Grad II: geographische Osteolyse mit mottenfraßartiger/permeativer Komponente. Bei diesem Destruktionsmuster existieren im Randbereich der Läsion
multiple, verstreute, unscharf begrenzte unterschiedlich große Osteolysen. Diese können auch mehrere
Millimeter von der zentralen Läsion im Knochen entfernt auftreten.
Sind im spongiösen Knochen multiple kleine Osteolysen abgrenzbar, spricht man von einer Mottenfraßdestruktion. Sind nur im kortikalen Knochen kleinste
Osteolysen vorhanden und ist im spongiösem Knochen nur eine kaum erkennbare Strukturauflockerung sichtbar, spricht man von einem permeativen
Wachstum.
Läsionen, die dieses Wachstumsmuster aufweisen,
wachsen wesentlich schneller als solche mit einem
geographischen Destruktionsmuster (Abb. 5.27). Der
Knochen hat während der Tumorausbreitung nicht
genügend Zeit, einen kompletten Abbau durchzuführen. Daher bleibt zwischen den einzelnen Osteolysen
noch nicht oder nur teilweise abgebaute Spongiosa
stehen. In der Kompakta entstehen die Osteolysen
zunächst auf der enostalen Seite und dehnen sich
Richtung Weichteilseite aus. Dieser Prozess kann zu
einer kompletten Kompaktadestruktion fortschreiten, und der Tumor kann in die benachbarten Weichteile einwachsen.
Dieses Wachstumsmuster wird überwiegend bei
malignen Tumoren, wie Osteosarkomen, Chondro-
5.1 Diagnostik und Therapie
z. B. eosinophile Granulome, ein derartiges Wachstumsmuster bieten. Bei diesem Destruktionsmuster
werden häufig Periostreaktionen angetroffen. Diese
bestehen aus kontinuierlichen Periostreaktionen
ohne komplette Kompaktaauslöschung (Zwiebelschale, spikuläre Periostreaktionen) oder unterbrochenen Periostreaktionen (Codman-Dreieck, unterbrochene Zwiebelschale, unterbrochene spikuläre
Reaktion) oder einer divergierend spikulären Reaktion (Sunburst).
Grad III: alleinige mottenfraßartige/permeative De-
Abb. 5.27. Lodwick-II-Läsion. Das Plasmozytom hat zwar
noch eine geographische Osteolyse ausgebildet, jedoch liegen
im Randbereich multiple kleine mottenfraßartige Osteolysen
vor
sarkomen und Ewing-Sarkomen, beobachtet. Bei
Kindern und Jugendlichen können jedoch auch einige sehr aggressiv wachsende benigne Tumoren, wie
struktion. Dieses Wachstumsmuster repräsentiert das
schnellste intraossäre Wachstum eines Tumors. Bei
einem Mottenfraßmuster sind viele unterschiedlich
große, meist kleine Osteolysen im spongiösen und
kortikalen Knochen nachweisbar, ohne dass ein zentraler Tumorherd abgrenzbar ist. Der Tumor wächst
derart schnell durch den Markraum, dass nur fokale
Spongiosaresorptionen stattfinden können. Die Zeit
reicht nicht aus, zumindest im Zentrum des Tumors
einen kompletten Knochenabbau durchzuführen.
Bei einer permeativen Destruktion sind multiple,
meistens gleich große, kleinste Osteolysen oder Streifen in der Kompakta vorhanden, während der spongiöse Knochen nur eine uncharakteristische Strukturauflockerung aufweist. Die kortikalen Veränderungen werden durch eine kortikale Tunnelierung
durch eine massiv gesteigerte osteoklastäre Reaktion – der bei einem normalen Knochen zu beobachtenden Havers-Remodellierung – hervorgerufen
(Abb. 5.28 a, b). Sie können nicht nur durch Tumoren
sondern auch durch mechanische, entzündliche und
Abb. 5.28 a, b. Lodwick-III-Läsionen. a Das Angiosarkom wächst
derart schnell, dass nur einige
mottenfraßartige und permeative
Destruktionsherde in der Wachstumsrichtung ausgebildet worden
sind. b Auch das Osteosarkom
stellt sich nur anhand der ossifizierten Matrix und multiplen
kleinsten Osteolysen im Markraum und in der Kompakta dar.
Die laterale Periostreaktion weist
auf eine extraossäre Komponente
hin
a
b
143
144
Kapitel 5 Knochentumoren
metabolische Prozesse initiiert werden. In den Resorptionsbezirken können, müssen jedoch keine
Tumor-infiltrationen vorliegen. Die osteoklastäre
Reaktion wird häufig durch eine lokale Hyperämie
ausgelöst.
Ewing-Sarkome,Angiosarkome und hoch maligne
Chondrosarkome können dieses Wachstumsmuster
aufweisen.
!
Für die Detektion eines Tumors ist
problematisch, dass gerade die am
schnellsten wachsenden Tumoren die im Röntgenbild am schlechtesten erkennbaren Veränderungen
bieten.
Merke
Nicht selten lässt erst eine sichtbare Periostreaktion
den Befunder das permeative Wachstum erkennen.
In der MRT sind jedoch die Tumoren zumindest
im peripheren Skelett durch die Verdrängung des
Fettmarks sicher nachweisbar. Periostreaktionen,
die meistens entweder aus einer Zwiebelschale, einer unterbrochenen Zwiebelschale, einem CodmanDreieck oder einer unterbrochenen spikulären Reaktion bestehen, werden häufig angetroffen.
Abschätzung der Dignität. Mit der Lodwick-Klassifikation ist eine zuverlässige Abschätzung der Dignität eines Knochentumors möglich. In einer Studie
mit mehr als 1.000 Tumoren und tumorähnlichen
Läsionen der langen Röhrenknochen wurde nachgewiesen, dass bei einer Wachstumsrate vom Grad III
in allen Fällen maligne Tumoren und bei einer
vom Grad IA mit einer Ausnahme nur benigne Tumoren vorlagen. Bei einem Grad IB wurden in 91%
benigne Tumoren und bei einem Grad II in 90%
maligne Tumoren gefunden. Der Grad IC erlaubte
dagegen keine zuverlässige Beurteilung der Dignität, da etwa jeweils die Hälfte dieser Tumoren benigne und maligne waren (Erlemann et al. 1994;
Tabelle 5.4).
In einem anderen kleineren Kollektiv wurde
beobachtet, dass sämtliche intraossär lokalisierten
benignen Tumoren eine Wachstumsrate Grad IA bis
IC aufwiesen, während die intraossären malignen Tumoren eine Wachstumsrate IC bis III zeigten (Fotter
et al. 1988). Andererseits wies auch Lodwick nach,
dass einige maligne Tumoren auch eine Wachstumsrate vom Grad IA und IB und einige benigne Tumoren eine vom Grad II bieten können (Lodwick et al.
1980 a). Die Wachstumsrate Grad IC erlaubt nach den
bisher publizierten Ergebnissen keine zuverlässige
Abschätzung der Dignität.
Die zusätzliche Berücksichtigung des Patientenalters zeigte, dass benigne Tumoren bei jungen wesentlich häufiger als bei älteren Patienten ein aggressives Wachstum zeigen. So waren in den ersten drei
Lebensdekaden 17% der Tumoren mit einem Wachstum Grad II benigne. Hierbei handelte es sich vorzugsweise um eosinophile Granulome und Riesenzelltumoren. Dagegen waren in der 4. bis 8. Lebensdekade nur 6% der Tumoren mit dieser Wachstumsrate
benigne.
Andererseits stieg der Anteil der malignen Tumoren unter den Raumforderungen mit einer Wachstumsrate Grad IB oder IC mit dem Alter an. In den
ersten drei Lebensdekaden waren 3% der Tumoren
vom Grad IB und 23% derjenigen vom Grad IC maligne. Dagegen betrug in der 4. bis 8. Lebensdekade
der Anteil der malignen Tumoren beim Grad IB 18%
und beim Grad IC 58%. Dieser Anstieg beruhte
darauf, dass eine Reihe von Chondrosarkomen, malignen Lymphomen, Plasmozytomen (Myelomen)
und Metastasen ein Wachstumsmuster vom Typ IB
und IC zeigten (Erlemann et al. 1994). Das Destruktionsmuster erlaubt keinerlei Differenzierung zwischen einem tumorösen und einem entzündlichen
Prozess. Es spiegelt jedoch auch bei entzündlichen
Veränderungen die Aggressivität und die bestehende
Abwehrlage wider.
!
Die Lodwick-Klassifikation kann nicht
auf die CT und MRT angewandt werden, da in diesen Untersuchungsverfahren die Ränder einer Läsion nicht exakt genug (CT) oder auf
anderen Mechanismen beruhend (MRT) abgebildet
werden.
Merke
In der MRT wird der Rand eines Tumors zum normalen Fettmark und nicht zum spongiösen Knochen
und der Rand zur Kompakta mit zu geringer Ortsauflösung abgebildet. In der MRT kann man eingeschränkt ein aggressives Wachstum aus der Ausbildung eines deutlichen peritumoralen Ödems und der
einer Weichteilkomponente ableiten. Auch ist aus einer Analyse des Ausmaßes und der Geschwindigkeit
der Kontrastmittelaufnahme eines Tumors in einer
dynamischen Untersuchung begrenzt eine Aussage
über die Dignität einer Läsion möglich. Ein rasches
und starkes Enhancement sprechen für einen malignen oder seltener einen aggressiven benignen Tumor. Dagegen wird bei den meisten benignen Tumoren nur ein langsames und geringes Enhancement
beobachtet (Erlemann et al. 1989).
Morphologie
Das zweite Kriterium, das analysiert wird, ist die
Morphologie der Tumormatrix. Knochentumoren
und tumorähnliche Läsionen können im Röntgenbild als osteolytische, osteoblastische oder gemischt
osteolytisch-osteoblastische Läsionen imponieren
(Tabelle 5.5). Die meisten Tumorentitäten zeigen ein
osteolytisches Wachstum, wobei keinerlei Minerali-
5.1 Diagnostik und Therapie
Tabelle 5.4. Wachstumsrate der Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen in den langen Röhrenknochen. (Aus Erlemann
et al. 1994)
Tumor
Absolut
Lodwick-Grad (in %)
IA
Benigne Tumoren
Chondroblastom
Chondromyxoidfibrom
Enchondrom
Osteoidosteom
Osteoblastom
Riesenzelltumor
Hämangiom
Angiomatose
Lymphangiom
Desmoplastisches Fibrom
IB
27
21
62
70
6
48
4
6
1
2
26
49
12
90
30
4
Tumorähnliche Läsionen
Nicht-ossifizierendes Knochenfibrom
Solitäre Knochenzyste
Aneurysmatische Knochenzyste
Intraossäres Ganglion
Fibröse Dysplasie
Osteofibröse Dysplasie
Eosinophiles Granulom
224
91
73
7
77
8
13
97
50
19
100
50
88
Maligne Tumoren
Chondrosarkom
Osteosarkom
Ewing-Sarkom
Malignes fibröses Histiozytom
Fibrosarkom
Angiosarkom
Maligner Riesenzelltumor
Liposarkom
Leiomyosarkom
Adamantinom
Lymphom
Solitäres Myelom
Metastase
18
137
23
11
4
5
5
4
3
1
36
17
82
Anzahl
Benigne [n]
Maligne [n]
Benigne [%]
Maligne [%]
Osteomyelitis
Brodie-Abszess
Andere Osteomyelitiden
IC
49
29
85
10
60
53
50
70
100
50
II
18
19
3
33
25
30
III
7
3
10
10
25
50
3
47
63
3
18
50
12
23
31
46
11
5
3
40
56
41
4
50
50
60
20
28
1
3
5
25
60
25
5
52
90
5
25
40
20
75
100
100
14
24
6
22
24
8
31
24
83
33
28
23
1.088
743
345
68,3%
31,7%
423
422
1
99,8%
0,2%
278
254
24
91,3%
8,7%
87
50
37
57,5%
42,5%
164
17
147
10,4%
89,6%
136
0
136
0,0%
100,0%
66
19
47
17%
43%
9%
17%
31%
10%
20%
26%
19%
26%
20%
34%
27%
sation der Tumormatrix nachweisbar ist. Diese Läsionen bestehen entweder aus Geweben, die keine osteoblastären oder chondroblastären Zellelemente mit
der Fähigkeit zur Ausbildung von Knochengewebe
und Matrixverkalkungen besitzen, oder der wesentliche Bestandteil der Läsion ist Flüssigkeit, wie bei
solitären oder aneurysmatischen Knochenzysten.
In der Röntgendiagnostik ist keine Differenzierung
zwischen Läsionen, die Flüssigkeit enthalten, und solchen, die keine mineralisierte Matrix besitzen, möglich.
Bei den rein osteolytischen Läsionen ist das morphologische Bild für eine weitere artdiagnostische
Einordnung wenig hilfreich. Es hilft lediglich, knochen- und knorpelbildende Tumoren auf der Liste
der möglichen Differenzialdiagnosen weiter unten
einzureihen.
Für die Diagnose einzelner Entitäten kann es gelegentlich hilfreich sein, intratumorale Septierungen
zu bewerten (Abb. 5.29). So ist ein wichtiges radiologisches Kriterium in der Differenzialdiagnose zwischen solitärer und aneurysmatischer Knochenzyste
das Fehlen von Septen in der erstgenannten Läsion.Besitzt die solitäre Knochenzyste jedoch Pseudosepten,
die durch eine Überprojektion eines lobulierten sklerotischen Tumorrandes auf die Tumormatrix entstehen, ist anhand der Morphologie keinerlei zuverlässige
Differenzialdiagnose zwischen beiden möglich.
145
146
Kapitel 5 Knochentumoren
Tabelle 5.5. Morphologie der Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen
Osteolytisch
Mixed
Osteoblastisch
Maligne Tumoren
Osteosarkom
x
X
X
POS
Chondrosarkom
(x)
(x)
X
X
Ewing-Sarkom
X
x
(x)
Fibrosarkom
MFH
Angiosarkom
Adamantinom
Chordom
X
X
X
X
X
x
NHL
Solitäres Myelom
Metastasen
X
X
X
x
(x)
x
Fokale
Verkalkung
Fokale
Besonderheiten
Verknöcherung
Fast immer komplette, zumindest
fokale Kompaktadestruktion
Auf der Kompaktaaußenseite
Fast immer komplette, zumindest
fokale Kompaktadestruktion
Destruierter spongiöser Stiel,
große Knorpelkappe
Meistens durchbrochene
lamelläre Periostreaktionen
X
Peripheres ChSa
Benigne Tumoren und tumorähnliche Läsionen
Osteoidosteom
X1
Osteoblastom
Enchondrom
(x)
(x)
(x)
x
X
x
(x)
(x)
(x)
x
X2
X
X
Zentral osteolytischer Nidus,
ggf. verkalkt
X
X
Osteochondrom
Chondroblastom
CMF
Riesenzelltumor
X
X
X
Hämangiom
X
AKZ
X
SKZ
X
Ganglion
Fibröse Dysplasie
X
X
NOF
EG
X
X
Gelegentlich bizarre Randsklerose
Gelegentlich multifokale Herde
(Fast ausschließlich in der Tibia)
(Ausschließlich im Achsenskelett
und Klivus)
Häufig lamelläre Periostreaktionen
Gelegentlich Septierungen
Morphologie vom Primärtumor
abhängig
Teilweise nur massive
intraossäre Verkalkungen
Spongiöser ossärer Stiel,
ggf. Knorpelkappenverkalkung
x
x
(x)
X
x3
x3
Gelegentlich Septierungen
(Seifenblasenmuster)
Gelegentlich Septierungen
(Radspeichenmuster)
Gelegentlich Septierungen
(Seifenblasenmuster)
Häufig ovalär in Knochenachse,
gelegentlich Pseudosepten
Wie Arthrosezyste ohne Arthrose
Häufig Mattglas, gelegentlich
flammenartige Randsklerose
Lobulierter sklerotischer Randsaum
Häufig lamelläre Periostreaktionen
X = häufigstes, x = weniger häufiges, (x) = seltenes morphologisches Bild.
POS = parossales Osteosarkom, MFH = malignes fibröses Histiozytom, CMF = Chondromyxoidfibrom,
AKZ = aneurysmatische Knochenzyste, SKZ = solitäre Knochenzyste, peripheres ChSa = peripheres Chondrosarkom,
NOF = nicht-ossifizierendes Knochenfibrom, EG = eosinophiles Granulom, NHL = Non-Hodgkin-Lymphom.
1
In den Phalangen und im Schenkelhals.
2
In den langen Röhrenknochen und in der Wirbelsäule überwiegt die reaktive Sklerose.
3
In Ausheilungsstadien.
Osteoblastisch und gemischt osteolytisch-osteoblastisch imponierende Tumoren entstehen im Rahmen einer Knochenneubildung durch Osteoblasten,
die auf vier mögliche Mechanismen zurückgeführt
werden kann:
∑
∑
∑
∑
Bildung von Tumorknochen,
metaplastische Verknöcherung,
enchondrale Knochenneubildung und
reaktive Knochenneubildung.
Daneben können Verkalkungen in einer chondrogenen Tumormatrix auftreten.
Tumorknochen
Hierbei wird Osteoid durch neoplastische Osteoblasten produziert, wobei die Mineralisation des Osteoids der letzte Schritt ist. Erst wenn die Mineralisation
des Tumorosteoids einen bestimmten Grad erreicht
hat, ist sie auf dem Röntgenbild als dichtere Struktur
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.29. Intratumorale Septierungen: Der Riesenzelltumor
weist multiple grobe intratumorale Trabekel auf, die ihm ein
seifenblasenartiges („soap bubble“) Muster verleihen
Abb. 5.30. Knochenbildende Tumormatrix. Das osteolytische
Osteosarkom zeigt keinerlei makromorphologische Matrixmineralisationen, sodass die knochenbildende Tumormatrix
radiologisch nicht nachgewiesen werden kann
sichtbar. Das Ausmaß der Dichteanhebung kann zwischen einer eben erkennbaren diffusen, einer wolkenartigen oder einer elfenbeinartigen Verdichtung
variieren. So stellen sich viele Osteoblastome, obwohl
sie reichlich Osteoid bilden, als osteolytische Tumoren dar, da das Osteoid nicht mineralisiert. Dieses
Phänomen ist dafür verantwortlich, dass Osteoblastome radiologisch häufig schwierig als solche zu diagnostizieren sind.
Andere Osteoblastome weisen zentral eine homogene wolkenartige Mineralisation auf, während die
aktiven Bezirke in der Peripherie üblicherweise osteolytisch bleiben. Auch die atypische Osteoidproduktion im Nidus von Osteoidosteomen entsteht auf
ähnliche Weise, wobei aber die neoplastische Genese
kontrovers diskutiert wird. Die perifokale Sklerose
entsteht jedoch als Folge einer reaktiven Knochenneubildung.
Bei Osteosarkomen ist das entscheidende histologische Merkmal die Existenz von neoplastischem
Osteoid, das direkt von den Sarkomzellen gebildet
wird. Das radiologische Bild bietet dabei oft die Kombination einer osteolytischen Destruktion mit unterschiedlich großen Arealen aus diskreten, wolkenartigen oder sogar soliden, elfenbeinartigen Knochenneubildungen. Diese Bezirke sind üblicherweise inhomogen und haben unscharfe Ränder. Sie entstehen
durch die Bildung von mineralisiertem Tumorknochen während das Sarkom durch den Markraum
wächst. Der Nachweis von größeren inhomogenen Tumorknochenbezirken ist charakteristisch für
Osteosarkome und ist ein entscheidendes diagnostisches Kriterium. Allerdings existieren auch Osteosarkome, die keine Mineralisation des Tumorosteoids
durchführen. Diese werden in der radiologischen
Terminologie auch als osteolytische Osteosarkome
bezeichnet (Abb. 5.30, Abb. 5.31, Abb. 5.32).
Metaplastische Knochenneubildung
Obwohl Knochen und Tumorknochen nur durch Osteoblasten produziert werden, kann Knochen gelegentlich als Folge einer vorangegangenen Konversion
von Fibroblasten in Osteoblasten entstehen. Dieser
Mechanismus kann in fibrösen Tumoren, wie er
charakteristischerweise in einer fibrösen Dysplasie
beobachtet wird, auftreten. Der neu gebildete geflechtartige Knochen ist üblicherweise weniger dicht
als Tumorknochen mineralisiert. Das typische radiologische Bild ist eine mattglasartige (milchglasartige) Dichte der Läsion und ist weitgehend typisch für
eine fibröse Dysplasie. Solide Knochenneubildungen
werden in einer fibrösen Dysplasie eher nur selten
beobachtet (Abb. 5.33 a, b).
Enchondrale Knochenneubildung
Enchondrome und Osteochondrome sind ebenso wie
die Wachstumsfuge in der Lage, einen kompletten
Knorpelreifungsprozess und die Induktion einer
147
148
Kapitel 5 Knochentumoren
enchondralen Knochenneubildung ablaufen zu lassen. Der lobuläre Aufbau der Tumoren führt zu ringoder bogenförmigen Knochenneubildungen.
Reaktive Knochenneubildung
Eine reaktive Knochenneubildung wird durch ortsständige Osteoblasten, die auf bestehenden lamellären oder kortikalen Knochenoberflächen vorhanden sind, bewirkt. Dieser Prozess erfolgt zur Verstärkung des Knochens, im Rahmen einer langsam
ablaufenden Periostreaktion, im Randbereich von
langsam wachsenden intraossären Tumoren oder in
schnell ablaufenden Periostreaktionen als Reaktion
auf einen aggressiven Tumor (Abb. 5.34).
Abb. 5.31. Knochenbildende Tumormatrix. Das langstreckig
im Humerus wachsende Osteosarkom zeigt eine deutliche
Mineralisation der Tumormatrix proximal, wobei der Mineralisationsgrad nach distal deutlich abnimmt
Abb. 5.32. Knochenbildende Tumormatrix. Das Osteosarkom
zeigt eine massive homogene Matrixmineralisation proximal
und einen deutlich geringeren Mineralisationsgrad distal
Verkalkungen der Knorpelmatrix
Physiologisch verläuft die Mineralisation von neoplastischem Knorpel ähnlich wie das normale Knorpelwachstum. Der Knorpelzellproliferation folgen
die Hypertrophie und der Tod der Knorpelzellen, die
vorläufige Verkalkung der Knorpelmatrix und der
Ersatz durch enchondralen Knochen. Jedoch verlaufen im Gegensatz zur Wachstumsfuge in Knorpeltumoren die verschiedenen Stadien nicht hintereinander, sondern, bezogen auf die vielen Tumorareale,
parallel und ungeordnet ab. Daher werden im Tumor
zufällig verteilte vorläufige Verkalkungszonen, die als
stippchenförmige, gelegentlich wolkenförmige Verkalkungen sichtbar sind, und ring- oder bogenförmige enchondrale Knochenneubildungen angetroffen.
Daneben kann aber auch der unreife hyaline Knorpel
stippchenförmige Verkalkungen aufweisen.
Dieses Verkalkungs- und Verknöcherungsmuster
ist charakteristisch für knorpelige Tumoren und
wird sowohl bei gutartigen Knorpeltumoren, wie
Enchondromen und Osteochondromen, als auch bei
Chondrosarkomen angetroffen. Es ist ein wichtiges
diagnostisches Kriterium, einen Knorpeltumor als
solchen zu identifizieren (Abb. 5.35).
Nekrotische Verkalkungen
Stippchenförmige oder fleckig-wolkige Verkalkungen können daneben auch in nekrotischen Arealen
des Fettgewebes angetroffen werden. Das dystrophe
Fettgewebe kalzifiziert und kann auch ossifizieren.
So werden bei Kalkaneuslipomen fast regelmäßig
zentrale fleckige Verkalkungen beobachtet, was ein
wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium zu
den im Röntgenbild ähnlich imponierenden solitären
Knochenzysten und zu der massiven Ausprägung der
dort physiologisch vorhandenen rarefizierten Trabekelzone (Ward-Dreieck) ist. Typisch für Knocheninfarkte sind scharf begrenzte Verkalkungen und
Verknöcherungen im Randbereich der Nekrose. Dagegen weisen chondrogene Tumoren Verkalkungen
und ggf. feine Verknöcherungen der Tumormatrix
5.1 Diagnostik und Therapie
b
a
Abb. 5.33 a, b. Metaplastische Knochenneubildung. a Die fibröse Dysplasie
stellt sich weder als rein osteoblastische noch als rein osteolytische Läsion
dar und bietet ein mattglasartiges Bild der Matrix. b Die CT einer anderen
Läsion stellt die charakteristische Morphologie der Matrix dar
Abb. 5.34. Reaktive Knochenneubildung. Um den Nidus eines
Osteoidosteoms ist es zu einer ausgedehnten spindelförmigen
reaktiven Knochenneubildung gekommen, die den kleinen
zentralen Nidus maskiert
Abb. 5.35. Knorpelverkalkungen. Das Enchondrom weist multiple ring- und bogenförmige Verkalkungen der Tumormatrix
auf. In Bezirken, in denen sie sich summieren wird die ursprüngliche Morphologie maskiert
149
150
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.36. Nekrotische Verkalkung. Das Lipom des Kalkaneus
zeigt im Zentrum der Osteolyse
eine rundliche Verkalkung,
die einer Nekroseverkalkung
entspricht
auf, wobei diese keine scharfe Grenzzone zum normalen Knochen definieren.
Nur anhand des unterschiedlichen Verkalkungsmusters ist in einer Reihe von Fällen die radiologische Differenzialdiagnose zwischen Knocheninfarkt
und verkalktem Enchondrom zu stellen (Abb. 5.36).
Die CT ist als einziges Untersuchungsverfahren in der Lage, bei einem
chondromatösen Tumor im Becken die Matrixverkalkungen zuverlässig abzubilden.
sen werden. In der CT weisen diese mäßig negative
Dichtewerte auf. In der MRT zeigen sie in allen Sequenzen eine identische Signalintensität wie das subkutane Fettgewebe und lassen sich durch eine fettgesättigte Sequenz signallos darstellen. In der MRT
können Flüssigkeits-Flüssigkeits-Spiegel aus Blut
und seröser Flüssigkeit innerhalb zystischer Tumoren zuverlässig nachgewiesen werden. Sie treten zwar
häufig bei aneurysmatischen Knochenzysten auf, sind
jedoch nicht für diese Läsion spezifisch. Sie werden
auch bei der fibrösen Dysplasie, der solitären Knochenzyste, dem malignen fibrösen Histiozytom, dem
teleangiektatischen Osteosarkom und dem Hämangiom angetroffen. In soliden Tumoren können sie
nach einer stattgefunden Einblutung auftreten.
Die transversale Darstellung ist dem konventionellen
Röntgenbild im Nachweis des Nidus eines Osteoidosteoms deutlich überlegen. Auch gelingt der Nachweis von Flüssigkeit in einer solitären Knochenzyste
in der CT, jedoch nicht mittels Röntgenaufnahmen.
In der MRT ist eine Differenzierung der unterschiedlichen Matrizes nur eingeschränkt – erst grobe
Verkalkungen können als Signalauslöschungen erkannt werden – oder gar nicht – die Binnenmorphologie einer fibrösen Dysplasie unterscheidet sich z. B.
nahezu nicht von der eines Riesenzelltumors – möglich. Allerdings gelingt auch mit der MRT der Nachweis von Flüssigkeit in aneurysmatischen und solitären Knochenzysten. Ein läppchenartiger Aufbau
einer Tumormatrix mit hoher Signalintensität im T2gewichteten Bild lässt Rückschlüsse auf einen Knorpeltumor zu.
Daneben können mit der CT und der MRT zuverlässig Fettkomponenten in Tumoren nachgewie-
Lokalisation
Die Lokalisation ist der dritte Baustein für die Erstellung einer Artdiagnose. Dabei ist in den meisten Fällen die Analyse der Lage im tumortragenden Knochen hilfreicher als die Wertung, welcher Knochen
überhaupt betroffen ist. Die meisten Tumoren finden
sich in den Regionen, in denen das stärkste Längenwachstum des Skeletts abläuft. Somit sind besonders
die proximale Tibia und das distale Femur gefolgt
vom proximalen Humerus, dem Beckenskelett, dem
proximalen Femur und der proximalen Fibula betroffen.Andererseits sind Tumoren in der Patella und
dem Carpus Raritäten (Tabelle 5.6).
Eine Reihe von Tumoren zeigen ein vergleichbares
bevorzugtes Auftreten in den erstgenannten Skelettregionen. Hierzu zählen Osteosarkome – mit jedoch
geringer Inzidenz im Becken –, maligne fibröse Histiozytome, Riesenzelltumoren und aneurysmatische
Knochenzysten. Auf der anderen Seite treten ein-
Schnittbilduntersuchungen
Die verschiedenen möglichen Ausprägungen einer
Tumormatrix lassen sich in der CT sicher erfassen.
Merke
!
<1
<1
51
<1
21
4
<1
1
9
1
1
<1
<1
2
1
1
4
1
3
2
OS
POS
100
67
1
15
4
54
16
3
6
1
ChSa
100
100
2
13
2
1
2
6
4
1
1
2
100
533
10
1
2
11
16
3
4
2
8
6
1
27
1
pChSa
3
3
23
4
8
1
2
12
3
2
16
4
1
2
1
Ewing
100
366
7
9
13
2
1
1
17
<1
4
10
2
2
1
1
11
4
2
20
<1
1
FibSa
100
138
3
1
1
100
164
3
16
2
1
54
3
12
1
1
1
1
2
1
1
1
1
MFH
7
2
43
1
3
10
2
2
4
1
1
12
1
4
8
Adam
100
21
<1
95
5
100
44
1
41
59
Chord1
2
2
Plasm
15
4
19
6
12
2
2
4
2
2
4
6
13
2
2
5
NHL
O-O
100
191
4
21
5
9
2
2
6
4
2
2
2
6
26
1
12
1
2
OB
100
104
2
5
2
16
3
2
1
2
2
3
13
1
5
1
4
33
1
4
1
3
Ench
6
13
6
1
5
24
4
21
2
1
3
5
<1
7
1
1
32
2
19
2
16
1
1
1
21
2
1
1
1
1
100 100 100
241 221 165
52
42
3
1
4
8
4
10
2
2
1
10
30
19
2
<1
1
6
Och
<1
CMF
100
64
1
31
6
11
5
11
2
14
2
3
9
5
2
RZT
100
463
9
2
1
28
<1
25
7
2
2
7
7
4
<1
1
7
3
3
1
<1
AKZ
100
259
5
4
2
13
1
15
12
3
3
2
1
8
4
3
5
2
8
5
7
1
1
SKZ
100
209
4
25
1
4
3
6
49
1
<1
<1
<1
8
<1
<1
FD
100
335
72
15
1
1
<1
1
26
<1
7
2
2
<1
6
1
14
1
11
6
5
NOF
6
22
2
9
2
100 100
292 140
62
3
49
11
1
36
3
<1
<1
16
4
11
9
3
16
EG
myxoidfibrom, RZT = Riesenzelltumor, AKZ = aneurysmatische Knochenzyste,
SKZ = solitäre Knochenzyste, FD = fibröse Dysplasie, NOF = nicht-ossifizierendes
Knochenfibrom, EG = eosinophiles Granulom.
1 Chordome der Schädelbasis nicht berücksichtigt.
2 In diesem Kollektiv verglichen mit einer Normalpopulation deutlich unterrepräsentiert.
100 100
59
52
12
1
3
24
7
8
8
3
10
19
5
8
OS = Osteosarkom, POS = parossales Osteosarkom, ChSa = Chondrosarkom, pChSa =
peripheres Chondrosarkom, FibSa = Fibrosarkom, MFH = malignes fibröses Histiozytom, Adam = Adamantinom, Chord = Chordom, Plasm = Plasmozytom, NHL = primäres
Non-Hodgkin Lymphom des Knochens, O-O = Osteoidosteom, OB = Osteoblastom,
Ench = Enchondrom, Och = Osteochondrom, Chbl = Chondroblastom, CMF = Chondro-
Summe
100
[n]
936
Prozent aller Tumoren 18
Peripheres Skelett
Skapula
Humerus
Radius
Ulna
Carpus
Metacarpalia
Phalangen Hand
Femur
Patella
Tibia
Fibula
Tarsus
Metatarsus
Phalangen Fuß
Axiales Skelett
Sternum
Klavikula
Rippen
Wirbelkörper
Sakrum
Becken
Schädel
Kalotte
Maxilla
Mandibula
Chbl
Tabelle 5.6. Prozentuale Verteilung eines Tumors in den verschiedenen Skelettregionen. (Berechnet aus Daten aus Mulder et al. 1993)
5.1 Diagnostik und Therapie
151
152
Kapitel 5 Knochentumoren
zelne Tumorentitäten in ansonsten eher selten betroffenen Skelettabschnitten gehäuft auf. So befallen
Osteoidosteome und Osteoblastome häufig die Wirbelsäule, fibröse Dysplasien und eosinophile Granulome die Kalotte und Enchondrome die Handphalangen. Die Hälfte aller solitären Knochenzysten sind im
Humerus, fast alle Adamantinome in der Tibia und
alle Chordome im Achsenskelett lokalisiert.
Diese Unterschiede in der bevorzugten Lokalisation führen dazu, dass in bestimmten Skelettabschnitten überproportional häufig einzelne Tumorentitäten angetroffen werden.Während im Einsendegut des niederländischen Knochentumorregisters
fibröse Dysplasien nur einen Anteil von 6% ausmachten, waren sie unter den in der Kalotte gelegenen Läsionen zu 44% vertreten. Chondroblastome
hatten einen Anteil von etwa 3% im Gesamtkollektiv
jedoch einen von 33% unter den Patellatumoren.
Chordome können außerhalb des Achsenskeletts –
die Klivuschordome sind in dem Material nicht erfasst worden – nicht auftreten, da sie von Chordaresten ausgehen. Sie machen jedoch etwa ein Viertel
aller Sakrumtumoren aus.
Tabelle 5.7 zeigt auf, welche Tumorentitäten in den
einzelnen Skelettabschnitten häufig und welche relativ selten auftreten. Die Kenntnis des Verteilungsmusters erlaubt es, in von Tumoren eher seltener betroffenen Knochen die in Frage kommenden Tumorentitäten deutlich einzugrenzen. In den von Tumoren
häufig betroffenen Skelettregionen können einzelne
Tumorentitäten auf der Liste der möglichen Läsionen
weiter unter eingereiht werden.
Bei den vorgestellten Daten muss jedoch berücksichtigt werden, dass sie eine Selektion repräsentieren. Sie entsprechen dem Material eines Knochengeschwulstregisters, in dem die nichtoperierten „leave
me alone lesions“ und typische multiple Myelome
und Metastasen nicht eingehen. Dadurch ist der
Anteil an nicht-ossifizierenden Knochenfibromen,
fibrösen Dysplasien, biologisch inaktiven Enchondromen, Osteochondromen, solitären Knochenzysten, multiplen Myelomen und Metastasen unterrepräsentiert.
In den langen Röhrenknochen ist das wichtigste
Kriterium der Lokalisation die Lage der Läsion innerhalb des tumortragenden Knochens, da die meisten
Läsionen eine charakteristische Lage aufweisen. Dabei unterscheidet man einerseits eine zentrale und
exzentrische Lage und andererseits eine epiphysäre,
epimetaphysäre, metaphysäre, metadiaphysäre und
diaphysäre Lage.
Die Epiphyse ist in den Röhrenknochen der Bezirk
zwischen der subchondralen Knochenoberfläche
und der (ehemaligen) Epiphysenfuge.
Gleichartig ist die Apophyse definiert. Die Metaphyse ist weniger genau definiert. Eine reproduzier-
bare Definition ist die Region zwischen Epiphysenfuge und dem Gebiet, in dem der gerade Bereich des
Schaftes beginnt.
Die Diaphyse ist die Region zwischen der proximalen und distalen Metaphyse.
In der Wirbelsäule wird unterschieden, ob der
Tumor den Wirbelkörper, die Anhangsgebilde oder
beide befällt.
Allein aus der Lage kann die Zahl der in Frage
kommenden Tumorentitäten häufig deutlich eingegrenzt werden (Tabelle 5.8). Während eine rein epiphysäre Lokalisation bei den meisten Knochentumoren eine Rarität darstellt, wird sie bei nahezu der
Hälfte aller Chondroblastome beobachtet. Läsionen,
die eine bevorzugte epimetaphysäre Lage aufweisen, sind Chondroblastome, Riesenzelltumoren und
Ganglien. Die metaphysäre und metadiaphysäre Lage
gehören zu den häufigsten Lokalisationen der verschiedenen Läsionen und sind lediglich zum Ausschluss einiger weniger Tumorentitäten geeignet. Zu
den Tumoren, die sich besonders häufig in der Diaphyse manifestieren, gehören das Ewing-Sarkom,
das Osteoidosteom, das Plasmozytom (Myelom), das
Adamantinom, das Osteochondrom, das Osteoblastom, das nicht-ossifizierende Knochenfibrom, das
Hämangiom und das eosinophile Granulom. Eine
epimetadiaphysäre Lage ist relativ charakteristisch
für einen Riesenzelltumor.
Patientenalter
Das letzte Kriterium, das in die Diagnosestellung einfließt, ist das Patientenalter. Die verschiedenen Tumorentitäten weisen in den meisten Fällen ein
charakteristisches Manifestationsalter auf (Tabelle 5.9). So treten etwa die Hälfte der Osteosarkome
und Ewing-Sarkome in der 2. Lebensdekade, dagegen
nahezu die Hälfte der Chondrosarkome, der malignen fibrösen Histiozytome, der Angiosarkome, und
mehr als zwei Drittel der Chordome, der Plasmozytome (multiplen Myelome) und Metastasen jenseits der
5. Lebensdekade auf. Unter den benignen Tumoren
treten mehr als drei Viertel der Osteoidosteome, der
Osteoblastome, der Osteochondrome, der Chondroblastome, der Chondromyxoidfibrome und der Enchondromatosen in den ersten drei Lebensdekaden
auf. Riesenzelltumoren, die sich vor Schluss der benachbarten Epiphysenfuge manifestieren, sind eine
Rarität. Dagegen weisen die Enchondrome mit Ausnahme der 1. Lebensdekade eine etwa gleich hohe
Inzidenz in den verschiedenen Lebensdekaden auf.
Ähnliches gilt auch für die tumorähnlichen Läsionen. Mehr als drei Viertel der aneurysmatischen
Knochenzysten, der solitären Knochenzysten, der
nicht-ossifizierenden Knochenfibrome und der eosinophilen Granulome werden in den ersten beiden
Lebensdekaden beobachtet. Dagegen treten die meis-
40
42
248
214
98
386
Axiales Skelett
Sternum
Klavikula
Rippen
Wirbelkörper
Sakrum
Becken
OS
3
1
31
11
23
14
2
7
15
8
8
8
5
7
3
8
9
7
35
26
POS
1
1
2
2
2
2
1
ChSa
4
7
5
15
16
22
12
8
24
8
6
11
27
7
12
22
53
6
15
9
pChSa
2
1
1
5
1
2
1
17
1
10
5
3
3
1
7
1
Ewing
4
17
5
5
7
4
1
17
7
8
11
5
7
16
6
8
19
1
3
FibSa
3
1
2
2
1
5
4
3
1
3
1
3
2
2
1
3
MFH
1
2
5
1
5
3
3
7
2
1
1
5
1
8
19
Adam
2
8
27
Chord
OS = Osteosarkom, POS = parossales Osteosarkom, ChSa = Chondrosarkom,
pChSa = peripheres Chondrosarkom, FibSa = Fibrosarkom, MFH = malignes fibröses
Histiozytom, Adam = Adamantinom, Chord = Chordom, Plasm = Plasmozytom,
NHL = primäres Non-Hodgkin Lymphom des Knochens, O-O = Osteoidosteom,
Peripheres Skelett
Skapula
95
Humerus
542
Radius
99
Ulna
73
Carpus
9
Metacarpalia
77
Phalangen Hand
133
Femur
1534
Patella
9
Tibia
862
Fibula
264
Tarsus
117
Metatarsus
41
Phalangen Fuß
56
86
71
68
n
Schädel
Kalotte
Maxilla
Mandibula
Plasm
1
4
1
13
5
2
5
3
1
1
1
NHL
O-O
5
3
15
7
7
2
7
4
33
5
8
3
11
1
1
OB
1
1
15
7
4
1
22
3
2
1
1
1
2
2
16
1
1
1
3
Ench
5
16
2
3
4
6
8
22
31
54
3
1
3
7
6
1
Och
25
3
5
4
9
3
9
8
4
4
2
5
1
4
1
Chbl
1
1
3
33
4
1
23
2
2
1
6
1
3
1
CMF
2
2
6
7
13
1
1
1
2
1
1
RZT
13
4
8
11
14
12
7
17
4
6
31
23
2
1
15
16
4
3
1
AKZ
13
4
2
22
5
11
7
22
7
3
4
10
12
33
2
9
14
5
2
3
SKZ
3
22
1
2
11
19
3
1
11
1
4
2
FD
6
2
3
2
2
6
1
4
6
10
11
5
5
19
2
44
27
25
NOF
16
13
2
7
2
1
1
1
2
3
2
3
6
14
6
6
6
27
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Summe
OB = Osteoblastom, Ench = Enchondrom, Och = Osteochondrom, Chbl = Chondroblastom, CMF = Chondromyxoidfibrom, RZT = Riesenzelltumor, AKZ = aneurysmatische Knochenzyste, SKZ = solitäre Knochenzyste, FD = fibröse Dysplasie,
NOF = nicht-ossifizierendes Knochenfibrom, EG = eosinophiles Granulom.
1
3
1
1
1
1
3
2
5
2
1
1
4
EG
Tabelle 5.7. Zusammensetzung der Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen in den einzelnen Skelettabschnitten (in %). (Berechnet aus Daten aus Mulder et al. 1993)
5.1 Diagnostik und Therapie
153
154
Kapitel 5 Knochentumoren
Tabelle 5.8. Lokalisation der Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen im tumortragenden Röhrenknochen (in %).
(Aus Mulder et al. 1993)
Tumor
Maligne
Osteosarkom
Parossales Osteosarkom
Chondrosarkom
Peripheres Chondrosarkom
Ewing-Sarkom
Fibrosarkom
MFH
Adamantinom
Solitäres Myelom
NHL
Benigne
Osteoidosteom
Osteoblastom
Enchondrom
Osteochondrom
Chondroblastom
Chondromyxoidfibrom
Riesenzelltumor
Hämangiom2
Desmoplastisches Fibrom2
Tumorähnlich
AKZ
SKZ
Ganglion
Fibröse Dysplasie
NOF
Eosinophiles Granulom
Epi-
Epimeta-
Epimetadia-
Meta-
Metadia-
Diaphysär
6
2
12
9
12
16
1
11
11
3
14
13
22
15
13
44
6
8
15
4
16
16
7
42
52
22
20
33
38
34
16
302
23
21
17
27
35
57
29
27
84
702
33
3
3
2
1
47
2
4
7
2
43
19
35
7
5
14
1
2
17
53
14
33
18
30
9
33
4
23
7
7
11
14
20
28
17
3
31
2
14
44
61
42
40
45
<1
8
2
58
11
7
2
45
2
11
1
6
5
7
22
21
5
22
14
47
45
6
47
27
18
28
30
11
39
51
64
2
1
11
4
MFH = malignes fibröses Histiozytom, NHL = Non-Hodgkin-Lymphom, AKZ = aneurysmatische Knochenzyste, SKZ = solitäre
Knochenzyste, NOF = nicht-ossifizierendes Knochenfibrom.
2 Schätzung.
ten intraossären Ganglien und die braunen Tumoren
erst jenseits der 3. Lebensdekade auf.
Für die Diagnosestellung ist es hilfreich, die annähernde Zusammensetzung der Tumoren in den
verschiedenen Lebensdekaden zu kennen. Aus dem
Material des niederländischen Knochentumorregisters lässt sich diese annäherungsweise berechnen
(Tabelle 5.10).
∑ In der 1. Lebensdekade sind die häufigsten malignen Tumoren Osteosarkome und Ewing-Sarkome
und die häufigsten benignen Läsionen aneurysmatische und solitäre Knochenzysten.
∑ In der 2. Lebensdekade dominieren unter den malignen Tumoren wiederum Osteosarkome und
Ewing-Sarkome, wobei erstere mehr als doppelt
so häufig wie letztere auftreten. Unter den benignen Läsionen werden am häufigsten nicht-ossifizierende Knochenfibrome angetroffen.
∑ In der 3. Lebensdekade werden unter den malignen Knochentumoren am häufigsten Osteosarkome und unter den benignen Läsionen Riesenzelltumoren beobachtet.
∑ Ab der 4. Lebensdekade dominieren unter den
malignen Tumoren die Chondrosarkome und unter den benignen Läsionen Riesenzelltumoren
mit abnehmender Häufigkeit und Enchondrome
mit in etwa gleichbleibender Häufigkeit.
Gleichzeitig verschiebt sich mit zunehmendem Alter
die Relation von benignen zu malignen Tumoren zu
Gunsten der malignen Tumoren. Auch hier muss berücksichtigt werden, dass gerade die nicht-ossifizierenden Knochenfibrome, die fibrösen Dysplasien, die
Metastasen und die multiplen Myelome unterrepräsentiert sind.
!
In höheren Lebensaltern sind bei einer neu entdeckten Knochenläsion
die Metastase eines unbekannten Primärtumors oder
ein Plasmozytom (Myelom) die wahrscheinlichsten
Diagnosen.
Merke
Mit sehr großem Abstand kommt ein Chondrosarkom in Frage, jedoch nur dann, wenn Matrixverkalkungen nachweisbar sind. Mit wenigen Ausnahmen,
wie der fibrösen Dysplasie und dem Enchondrom,
5.1 Diagnostik und Therapie
Tabelle 5.9. Altersverteilung der Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen (in %). (Berechnet aus Daten aus Mulder et al.
1993 und Dahlin u. Unni 1986)
Alter in Jahren
0–10
10–20
20–30
30–40
40–50
50–60
>60
Summe
Maligne Tumoren
Osteosarkom
Parossales Osteosarkom
Zentrales Chondrosarkom
Peripheres Chondrosarkom
Ewing-Sarkom
Fibrosarkom
Malignes fibröses Histiozytom
Angiosarkom
Adamantinom
Chordom
Non-Hodgkin Lymphom
Solitäres Myelom (Plasmozytom)
Metastasen
7
2
1
0
22
4
3
1
2
2
3
0
4
51
20
7
10
57
14
13
14
35
4
11
0
1
16
37
11
31
16
14
14
14
33
6
12
1
3
6
24
16
27
4
14
13
15
8
13
11
5
4
6
8
19
17
1
14
12
15
6
18
15
19
13
6
6
22
11
1
16
14
18
10
26
21
30
29
7
4
25
5
0
23
30
24
4
31
27
46
45
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Benigne Tumoren
Osteoidosteom
Osteoblastom
Enchondrom
Enchondromatose
Osteochondrom
Osteochondromatose
Chondroblastom
Chondromyxoidfibrom
Riesenzelltumor
Desmoplastisches Fibrom
Hämangiom
Benignes fibröses Histiozytom
13
18
8
46
12
0
2
16
1
4
8
0
51
45
23
24
46
33
67
42
15
27
9
10
25
25
18
8
20
24
15
22
36
23
14
20
8
5
15
5
10
19
7
9
23
8
18
20
1
1
16
2
6
14
2
8
13
12
24
30
1
4
12
8
4
9
5
4
8
19
17
10
1
2
9
7
2
0
2
0
4
8
11
10
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
31
47
0
46
36
13
12
7
8
4
5
38
4
3
17
2
1
17
1
1
6
100
100
100
18
33
21
46
0
31
31
74
26
0
22
10
5
15
0
12
13
0
9
17
9
3
0
3
22
4
3
0
1
28
4
6
0
0
33
100
100
100
100
100
Tumorähnliche Läsionen
Aneurysmatische Knochenzyste
Solitäre Knochenzyste
Intraossäres Ganglion
Fibröse Dysplasie
monostotisch
polyostotisch
Nicht-ossifizierendes Knochenfibrom
Eosinophiles Granulom
Brauner Tumor
Die häufigsten Manifestationsalter sind fett gedruckt.
die wegen der metaplastischen Knochenneubildung
einerseits und der Matrixverkalkung andererseits eine charakteristische Morphologie aufweisen, wird
man besonders bei rein osteolytischen Tumoren
kaum eine benigne Läsion in Erwägung ziehen.
Aus der Bewertung der verschiedenen Bausteine
lässt sich nun bei entsprechender Erfahrung die Artdiagnose eines Knochentumors in bis zu 80% der
Fälle richtig stellen. Die Grafiken in Kap. 7.9 sollen
dem Leser, besonders dann, wenn er bereits den speziellen Teil durchgearbeitet hat, einen Leitfaden an die
Hand geben, eine unbekannte, tumorverdächtige
Knochenläsion in den langen Röhrenknochen weiter
einzugrenzen. Das erste Selektionskriterium ist die
Morphologie und das zweite die intraossäre Lage. Für
die dann in Frage kommenden Tumoren sind die häufigsten Wachstumsmuster nach der Lodwick-Klassifi-
kation und die typischen Manifestationsalter angegeben. Diese Grafiken können nur ein grober Anhaltspunkt sein, da sie weitgehend unter dem Gesichtspunkt „was häufig ist, ist häufig“ aufgebaut worden
sind. Seltene Tumorentitäten und ungewöhnliche
Lokalisationen und Morphologien von häufigeren
Tumorentitäten sind nicht berücksichtigt worden.
Bei einem Tumor in anderen Skelettregionen können
Tabelle 5.5 und Tabelle 5.7 hilfreich sein, eine eingeschränkte Liste der Differenzialdiagnosen zu erstellen.
5.1.1.2
Staging
Das Ziel der heutigen Therapie eines malignen Knochentumors besteht in einem extremitätenerhaltenden chirurgischen Eingriff. Dieser sollte unter tu-
155
156
Kapitel 5 Knochentumoren
Tabelle 5.10. Häufigkeiten von Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen in der jeweiligen Altersdekade (in %). (Berechnet aus Daten aus Mulder et al. 1993)
Alter in Jahren
0–10
10–20
20–30
30–40
40–50
50–60
>60
Maligne Tumoren
Osteosarkom
Parossales Osteosarkom
Zentrales Chondrosarkom
Peripheres Chondrosarkom
Ewing-Sarkom
Fibrosarkom
Malignes fibröses Histiozytom
Angiosarkom
Adamantinom
Chordom
Non-Hodgkin Lymphom
Myelom
Metastasen
13
<1
<1
0
12
1
<1
0
0
<1
<1
0
1
26
<1
2
<1
10
1
<1
<1
<1
<1
<1
0
<1
14
3
6
3
6
3
2
<1
<1
<1
1
<1
<1
7
3
14
4
2
3
3
1
<1
1
2
1
2
8
1
22
3
0
6
4
1
<1
2
1
2
7
10
1
20
3
0
5
5
1
1
3
2
3
15
9
1
25
1
0
8
8
2
<1
4
2
5
18
Benigne Tumoren
Osteoidosteom
Osteoblastom
Enchondrom
Enchondromatose
Osteochondrom
Osteochondromatose
Chondroblastom
Chondromyxoidfibrom
Riesenzelltumor
Desmoplastisches Fibrom
Hämangiom
3
3
2
2
5
0
<1
1
<1
0
<1
5
2
3
<1
5
<1
6
2
4
<1
<1
6
2
5
<1
6
<1
3
1
17
<1
1
3
1
7
<1
4
1
2
1
20
<1
1
<1
<1
9
<1
4
1
<1
1
12
1
1
<1
1
9
1
1
<1
1
<1
9
1
1
<1
<1
4
<1
1
0
1
0
4
<1
1
10
12
0
6
4
<1
3
2
<1
2
2
2
2
1
1
1
<1
1
<1
<1
1
8
3
8
10
0
5
<1
11
2
0
8
1
<1
2
0
8
2
0
2
<1
7
<1
0
1
1
3
<1
0
<1
1
2
1
0
0
1
100
100
100
100
100
100
100
Tumorähnliche Läsionen
Aneurysmatische Knochenzyste
Solitäre Knochenzyste
Intraossäres Ganglion
Fibröse Dysplasie
monostotisch
polyostotisch
Nicht-ossifizierendes Knochenfibrom
Eosinophiles Granulom
Brauner Tumor
Summe
Prozentzahlen in der Spalte addieren sich zu 100%.
Die beiden jeweils häufigsten malignen oder benignen Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen in der jeweiligen
Lebensdekade sind fett gedruckt, soweit die Häufigkeit mindestens 5% beträgt.
Die kursiv gedruckten Tumorentitäten sind verglichen in diesem selektionierten Patientenkollektiv mit einer Normalpopulation
deutlich unterrepräsentiert.
morchirurgischem Gesichtspunkt so radikal wie
möglich sein, er sollte jedoch nicht mehr Gewebe als
notwendig entfernen. Die Art des operativen Eingriffs hängt von verschiedenen Parametern, wie der
Patientencompliance, dem Vorhandensein oder Fehlen von Metastasen, der Histologie, dem makroskopischen Staging und dem Ansprechen eines malignen
Tumors auf eine Chemotherapie ab.
Wird der operative Eingriff nicht radikal genug
durchgeführt, kommt es zu einem Rezidiv und häufig
auch zu einer Metastasierung. Dies macht eine sorgfältige Planung des operativen Eingriffes notwendig,
wofür ein exaktes präoperatives Staging erforderlich
ist.
Für benigne Tumoren ist normalerweise die konventionelle Röntgendiagnostik ausreichend. In einzelnen Fällen sind jedoch zusätzlich eine CT oder
MRT erforderlich. So kann der Nidus eines Osteoidosteoms in der CT und in der MRT sicherer als in der
Röntgendiagnostik lokalisiert werden. Bei aggressiven benignen Tumoren, wie bei einigen Riesenzelltumoren oder aneurysmatischen Knochenzysten,
können die intra- oder extraossären Grenzen teilweise nur mittels Schnittbilddiagnostik bestimmt werden. Auch in komplexen Skelettregionen, wie dem
Becken und dem Achsenskelett, ist eine zuverlässige
Ausdehnungsbestimmung nur mittels Schnittbilddiagnostik möglich.
5.1 Diagnostik und Therapie
Das Staging von malignen Tumoren erfordert in jedem Fall den Einsatz der Schnittbilddiagnostik.Wegen
der überlegenen Kontrastauflösung und der Möglichkeit der unbegrenzten multiplanaren Schnittführung
ist die MRT der CT vorzuziehen. Das Ziel das lokalen
Stagings ist eine exakte Bestimmung der intraossären
und extraossären Tumorgrenzen. Daneben muss die
Ausdehnung eines peritumoralen Ödems dargestellt
werden, da in bis zu 10% der Fälle Tumorzellnester in
diesem vorhanden sein können. Weiterhin muss für
eine geplante extremitätenerhaltende chirurgische
Therapie die Beziehung zwischen Tumor und den benachbarten Gefäßen ermittelt werden. Für die Beantwortung dieser Fragen ist der Einsatz von unterschiedlichen Untersuchungssequenzen in unterschiedlichen
Schnittebenen erforderlich. Die Spulen sollten für die
entsprechende untersuchte Körperregion optimiert
sein,wobei Oberflächenspulen der Vorzug zu geben ist.
Merke
!
Wichtig ist, dass das Staging vor einer
operativen Intervention durchgeführt
wird.
Bereits eine Biopsie verfälscht durch die induzierten
reaktiven Veränderungen das exakte Tumorstaging
mit der Folge, dass die Ausdehnung, besonders des
peritumoralen Ödems, überschätzt wird. Als kaum
lösbar ist die Situation anzusehen, in der unter der
Arbeitsdiagnose eines benignen Tumors eine intraläsionale Resektion durchgeführt worden ist und
anschließend verbliebene Tumorreste mittels MRT
lokalisiert werden sollen. Diese Einschränkungen
machen es somit erforderlich, dass bei der begründeten Verdachtsdiagnose eines malignen Knochentumors ein präoperatives Staging durchgeführt wird. Anhand der MRT-Untersuchung kann zusätzlich eine
Biopsie geplante werden, da Gewebe gezielt aus den
vitalen Arealen entnommen werden kann. In der
MRT ist durch den kombinierten Einsatz von nativen
und kontrastmittelverstärkten T1- und T2-gewichteten SE-Sequenz eine Differenzierung zwischen vitalem und nekrotischem Tumorgewebe möglich.
Tumoren, die nicht überwiegend sklerotisch sind,
zeigen in einer T1-gewichteten SE-Sequenz eine
niedrige und in einer T2-gewichteten SE-Sequenz
eine hohe Signalintensität. Stark sklerotische und
fibrotische Tumoren mit wenig Extrazellularraum
weisen in beiden Sequenzen niedrige Signalintensitäten auf. Häufig zeigen die Tumoren jedoch einen
mehr oder minder inhomogenen Aufbau, der durch
Matrixverkalkungen oder Matrixverknöcherungen
und durch nekrotische oder eingeblutete Areale bedingt ist. Vitales Tumorgewebe zeigt eine deutliche
und die Nekrose keine Kontrastmittelaufnahme.
!
Für das Staging ist es erforderlich,
Sequenzen einzusetzen, die einen hohen Kontrast zwischen dem Tumor und den benachbarten normalen Geweben bieten. GradientenechoSequenzen sind ungeeignet.
Merke
Ein hoher Kontrast zwischen Tumor und Fettmark sowie subkutanem Fettgewebe wird mit einer T1-gewichteten SE-Sequenz erzielt, da sich die Tumoren signalarm von dem signalintensiven Fettmark und Fettgewebe demarkieren. Untersuchungen haben gezeigt,
dass verglichen mit Makroschnitten mit dieser Sequenz
die intraossäre Tumorausdehnung bis auf wenige Millimeter exakt bestimmt werden kann. Ein vergleichbar
hoher Kontrast wird auch mit einer fettgesättigten
(FS) T2-gewichteten Fast-(Turbo-)Spinecho(FSE)-Sequenz erzielt. Die Tumoren kommen signalintensiv
in dem signallosen Fettgewebe und Fettmark zur Darstellung. Eine T2-gewichtete FSE-Sequenz sollte immer mit Fettsättigung durchgeführt werden, da ohne
Fettsättigung das Fettgewebe und das Fettmark zu signalintensiv zu Darstellung kommen.
Durch den Einsatz einer STIR-(„short-tau(inversion time)-inversion-recovery“-)Sequenz besteht die
Gefahr, die Tumorausdehnung zu überschätzen
(Abb. 5.37 a, b). Die STIR-Sequenz bietet sich jedoch
als Suchsequenz an, wenn bei klinischen Beschwerden die Röntgendiagnostik keinen pathologischen
Befund zeigt. Mit dieser Sequenz werden die meisten
intra- und extraossären Läsionen sehr signalintensiv
abgebildet. Eine Kombination aus
∑ normalem Röntgenbild,
∑ unauffälliger STIR-Sequenz (Nachweis nahezu
aller osteolytischen und osteolytisch-osteoblastischen intraossären und nahezu aller extraossären
Läsionen) und
∑ unauffälliger T1-gewichteter Sequenz (zusätzlicher Nachweis kleiner osteoblastischer Areale, die
der Röntgendiagnostik entgehen können, und
stark fibroblastischer Tumoren)ist für einen Tumorausschluss meist ausreichend.
Mit Ausnahme von stark sklerosierten Tumoren ist
ein hoher Kontrast zwischen extraossärem Tumor und
umgebender Muskulatur in einer T2-gewichteten SEoder fettgesättigten T2-gewichteten FSE-Sequenz zu
erhalten. In diesen Sequenzen ist eine gute Abgrenzung zwischen dem überwiegend signalintensiven Tumor und der relativ signalarmen Muskulatur möglich.
Zeigt der Tumor eine deutliche Gadolinium-Aufnahme, kann auch eine kontrastmittelverstärkte T1-gewichtete SE-Sequenz, mit oder ohne Fettsättigung,
eingesetzt werden. Durch die Kontrastmittelaufnahme
stellt sich der Tumor wesentlich signalintensiver als
157
158
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.37 a, b. Teleangiektatisches
Osteosarkom der Fibula.
a Im T1-gewichteten sagittalen
SE-Bild zeigt der Tumor eine vergleichbare Signalintensität wie
die benachbarte Muskulatur.
Eine zentral gelegene signalintensive Zone entspricht einer
Einblutung. Es liegt ein hoher
Kontrast zwischen Tumor und
Fettmark vor, sodass die intraossäre Tumorausdehnung exakt
bestimmt werden kann. b Im FS
T2-gewichteten FSE-Bild ist der
Tumor deutlich signalintensiver
als die benachbarte Muskulatur,
sodass er gut von dieser abgrenzbar ist. Der Tumor stellt sich
deutlich inhomogener als im
T1-gewichteten Bild dar. Signalintensive flächenförmige Bezirke
in der Muskulatur entsprechen
einem peritumoralen Ödem.
Durch die durch die Fettsättigung
bewirkte signalarme Darstellung
des Fettmarks liegt auch ein
hoher Kontrast zwischen Tumor
und Knochenmark vor
a
b
die Muskulatur dar. Stark sklerotische Tumoren lassen
sich auf einer fettgesättigten T1-gewichteten SE-Sequenz von der Muskulatur zuverlässig abgrenzen, da
der Tumor wesentlich signalärmer als die Muskulatur
abgebildet wird (Abb. 5.38 a, b).
Der Nachweis eines peritumoralen Ödems in den
Weichteilen gelingt mit einer T2-gewichteten SE-, einer fettgesättigten T2-gewichteten FSE-Sequenz oder
einer (fettgesättigten) kontrastmittelverstärkten T1gewichteten SE-Sequenz. Das peritumorale Ödem
stellt sich als signalintensive fingerförmige Ausläufer
in der Muskulatur dar, ohne dass die betroffenen
Muskeln verlagert werden (Abb. 5.39 a–d). Die fettgesättigte T2-gewichtete FSE- und die kontrastmittelverstärkte fettgesättigte T1-gewichtete SE-Sequenz
bilden daneben noch ein peritumorales Ödem in
dem subkutanen Fettgewebe zuverlässig ab. Durch
die Fettsättigung wird das Fettgewebe in beiden
Sequenzen signalarm, und es besteht ein hoher Kontrast zu dem signalintensiven Ödem. Mit einer konventionellen T2-gewichteten SE-Sequenz gelingt dies
nicht befriedigend.
Mit diesen Sequenzen ist auch eine Abgrenzung
zwischen Tumor und peritumoralem Ödem häufig
möglich. Meistens lässt sich die Grenze durch eine
verglichen mit der Weichteilkomponente geringere
oder höhere Signalintensität im Ödem ermitteln.
Dies ist bei den meisten malignen Tumoren jedoch
eher von akademischem Interesse, da die Operations-
grenzen außerhalb der Ödemzone liegen müssen.
Durch die Möglichkeit einer adjuvanten Nachbestrahlung können z. B. beim Ewing-Sarkom die Operationsgrenzen gelegentlich durch die ehemalige
Ödemzone gelegt werden. Auch bei benignen Tumoren kann die Operation innerhalb der reaktiven peritumoralen Ödemzone erfolgen. Die Ausdehnung
eines intraossären peritumoralen Ödems gelingt mit
einer fettgesättigten T2-gewichteten FSE-Sequenz
oder einer fettgesättigten kontrastmittelverstärkten
T1-gewichteten SE-Sequenz. In beiden Sequenzen
kann das Ödem als signalintensive fingerförmige
Ausläufer innerhalb des signalarmen Fettmarks
(durch die Fettsättigung) abgegrenzt werden.
Die Abgrenzung zwischen malignem Tumor und
Knochenmarködem kann schwierig bis unmöglich
sein. Der Nachweis eines peritumoralen Ödems
darf nicht als sicheres Diagnosekriterium für einen
malignen Tumor angesehen werden, da eine Reihe
von benignen Tumoren peritumorale Ödeme induzieren können. Hierzu zählen das Chondroblastom, das Osteoidosteom, das Osteoblastom und das
eosinophile Granulom (Abb. 5.40). In diesen benignen
Tumoren wurden hohe Werte an Prostaglandinen
bestimmt, die wohl für die Induktion der Ödembildung verantwortlich sind.
Die Angrenzung zwischen Tumor und den benachbarten noch durchgängigen Gefäßen gelingt in
einer fettgesättigten kontrastmittelverstärkten T1-
5.1 Diagnostik und Therapie
a
b
Abb. 5.38 a, b. Teleangiektatisches Osteosarkom der Fibula.
a Verglichen mit dem nativen T1-gewichteten SE-Bild lässt sich
im b FS kontrastmittelverstärkten T1-gewichteten SE-Bild eine
deutliche mäßig inhomogene Kontrastmittelaufnahme des
Tumors (Enhancement) nachweisen. Durch die Fettsättigung,
die das normale Fettmark signalarm darstellt, liegt ein hoher
Kontrast zwischen Tumor und normalem Knochenmark vor.
Im distal des Tumors gelegenen Knochenmark lässt sich ein
diskretes Ödem als signalintensives Areal abgrenzen. Daneben
kommt eine über einige Zentimeter abgrenzbare dünne linienförmige Kontrastmittelanreicherung an der Innenseite der
Kompakta proximal zur Darstellung. Durch die signalintensive Darstellung des Tumors liegt ein hoher Kontrast auch zur
Muskulatur vor. Die signalintensiven flächenförmigen Bezirke
in der Muskulatur entsprechen einem peritumoralen Ödem.
Die Information dieser Sequenz entspricht mit Ausnahme des
Nachweis eines Enhancements der des FS T2-gewichteten
Bildes
gewichteten SE-Sequenz am besten, da in dieser die
Gefäße durch das im Blut vorhandene Kontrastmittel
wesentlich signalintensiver als die Weichteilkomponente abgebildet werden. Jedoch ist in allen Untersuchungssequenzen nicht zu klären, ob ein Tumor
die Gefäßwand infiltriert hat. Ein Encasement oder
eine Infiltration des neurovaskulären Bündels ist
jedoch eher selten und tritt nur bei etwa 10% der malignen Tumoren auf. Eine Verlagerung des neurovaskulären Bündels wird wesentlich häufiger beobachtet. An Osteosarkomen wurde gezeigt, dass die MRT
eine Infiltration des neurovaskulären Bündel sicher
ausschließen kann.
In allen Fällen, in denen in der MRT kein Kontakt
des Tumors oder des peritumoralen Ödems mit dem
neurovaskulären Bündel vorlag, wurde auch histologisch keine Infiltration nachgewiesen. In den Fällen,
in denen das peritumorale Ödem an das neurovaskuläre Bündel heranreichte, konnte in den meisten Fäl-
len noch ein extremitätenerhaltender Eingriff durchgeführt werden.
Neben dem Einsatz der optimalen Sequenz ist
auch eine Auswahl der besten Untersuchungsebenen
erforderlich. Die intraossäre Tumorausdehnung in
den langen Röhrenknochen lässt sich am besten mit
einer T1-gewichteten SE-Sequenz in einer longitudinalen (koronar oder sagittal, der Achse des Knochens angepasst) Schnittebene demonstrieren (vgl.
Abb. 5.37 a,b, Abb. 5.38 a, b). Ist mit einem intraossären peritumoralen Ödem zu rechnen, muss zusätzlich eine fettgesättigte T2-gewichtete FSE-Sequenz in
longitudinaler Schnittführung angefertigt werden
(vgl. Abb. 5.40). Für die Darstellung der extraossären
Tumorausdehnung inklusive ggf. vorhandenem peritumoralen muskulären Ödem haben sich eine T2-gewichteten SE- oder die fettgesättigte T2-gewichtete
FSE-Sequenz in axialer Schnittführung bewährt.
Hierdurch werden die Anatomie und besonders die
159
160
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.39 a–d. Teleangiektatisches
Osteosarkom der Fibula.
a, b Im FS T2-gewichteten FSEBild stellt sich ein ausgedehntes
signalintensives flächenförmiges
Areal um den Tumor dar, das
einem peritumoralen Muskelödem entspricht. c, d Das Ödem
wird in gleicher Weise in dem
FS kontrastmittelverstärkten
T1-gewichteten Bild abgebildet
a
b
c
d
verschiedenen muskulären Kompartimente übersichtlich abgebildet (Abb. 5.41 a–d). Für die Darstellung der Beziehung eines Tumors zur Epiphyse oder
zum benachbarten Gelenk sollte eine T1-gewichtete
SE-Sequenz in longitudinaler Schnittführung verwendet werden (Abb. 5.42 a, b). Dabei muss die
Schnittebene senkrecht zur Kontaktfläche zwischen
Tumor und Epiphyse oder Gelenk verlaufen. Dies bedeutet, dass bei einem vermuteten Einwachsen eines
Tumors von dorsal in das Kniegelenk eine sagittale
Untersuchungsebene gewählt werden sollte.
Bei einer vermuteten Gelenkbeteiligung sollte zusätzlich noch eine T2-gewichtete axiale SE-Sequenz
oder eine kontrastmittelverstärkte (fettgesättigte)
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.40. Intraossäres Ödem. In der fettgesättigten T2*-gewichteten GRE-Sequenz kommt um das kleine ventral gelegene sehr signalintensive Chondroblastom ein inhomogenes
fingerförmiges signalintensives Areal in der Epiphyse zur Darstellung, das einem peritumoralen intraossären Ödem entspricht
Abb. 5.41 a–d. Teleangiektatisches
Osteosarkom der Fibula. Während in der sagittalen Schnittführung die exakte intraossäre
Tumorausdehnung ermittelt werden konnte, war eine anatomisch
exakte Bestimmung der Lagebeziehung zwischen extraossärer
Komponente und umgebender
Muskulatur nicht oder nur schwer
möglich (vgl. Abb. 5.37 a,b,
Abb. 5.38 a,b, Abb. 5.39 a–d). In
dem T2-gewichteten axialen FSEBild kann dagegen die Beziehung
zwischen dem Tumor und der
umgebenden Muskulatur genau
ermittelt werden. Auch kann bestimmt werden, in welchen Muskeln ein peritumorales Ödem vorhanden ist. Daneben kann die
Lagebe-ziehung zwischen Tumor
und den benachbarten Gefäßen
zumindest teilweise geklärt werden (Pfeil: A. tibialis anterior)
T1-gewichtete axiale SE-Sequenz angeschlossen werden, um den Befund zu erhärten. Nahezu jede Tumorinvasion in das benachbarte Gelenk geht mit
einem Gelenkerguss einher. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass bei einem sichtbaren Gelenkerguss eine
intraartikuläre Tumorausbreitung vorliegen muss,
denn ein Gelenkerguss kann auch als Begleitreaktion
auf einen benachbarten Tumor auftreten. Für die
Beurteilung der Beziehung zwischen Tumor und
benachbarten Gefäßen sollte eine fettgesättigte kontrastmittelverstärkte axiale T1-gewichtete SE-Sequenz eingesetzt werden (Abb. 5.43; Tabelle 5.11).
In der Wirbelsäule kann die Tumorausdehnung im
Wirbelkörper mittels T1-gewichteter SE-Sequenz in
sagittaler Schnittführung und T2-gewichteter SEoder fettgesättigter T2-gewichteter FSE-Sequenz in
axialer Schnittführung übersichtlich dokumentiert
werden. Die erstgenannte Sequenz stellt die Ausdehnung im Wirbelkörper und die Beziehung zu den benachbarten Intervertebralräumen übersichtlich dar.
Die letztgenannte Sequenz bildet ein extraossäres
Wachstum und eine mögliche Kompression der nervalen Strukturen ab. Bei einer Lokalisation in den
Wirbelanhangsgebilden sollte zusätzlich eine T1-gewichtete SE-Sequenz in axialer Schnittführung zum
Einsatz kommen (Abb. 5.44 a, b).
a
b
c
d
161
162
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.42 a, b. Osteosarkome.
a Das koronare T1-gewichtete
SE-Bild zeigt, dass der Tumor
die Epiphysenfuge nicht überschritten hat. b Das sagittale
T1-gewichtete Bild eines anderen
Patienten stellt die Tumorinvasion
in das Gelenk mit Ausbreitung
zwischen den Kreuzbändern
eindeutig dar
a
b
Tabelle 5.11. Tumorstaging in der MRT
Frage
Sequenz
Ebene
Suchsequenz
STIR
Longitudinal
Intraossäre Ausdehnung
T1-gew. SE
Longitudinal1
T2-gew. SE
T2-gew. FS FSE
Axial
Axial
T1-gew. FS SE
Axial)
T2-gew. FS FSE
(T1-gew. FS SE + Gd)
Longitudinal
Extraossäre Ausdehnung
und peritumorales muskuläres Ödem
oder
(extraossäre Ausdehnung
bei stark sklerotischen Tumoren
Knochenmarködem
Epiphysenbeziehung
T1-gew. SE
Longitudinal
Gelenkbeziehung
T1-gew. SE
(Senkrecht zur Kontaktfläche
zwischen Tumor und Gelenk)
Bei Verdacht auf Gelenkinfiltration
zusätzlich T2-gew. SE oder (FS) T1-gew. SE + Gd axial
Longitudinal
Tumor/Gefäße
T1-gew. FS SE + Gd
(Nachweis bzw. Ausschluss
einer Gefäßwandinfiltration selten möglich)
Axial
DD vitales nekrotisches Gewebe
T1-gew. (FS) SE + Gd
Longitudinal
Skip lesions
T1-gew. SE + STIR
(Den gesamten tumortragenden Knochen darstellen)
Longitudinal
FS = Fettsättigung, Gd = Gadolinium, SE = Spinecho-Sequenz, FSE = Fast-(Turbo-)Spinecho-Sequenz.
1
Koronar oder sagittal.
In einem juvenilen Achsenskelett mit fast ausschließlich Blutbildungsmark, das sich im T1-gewichteten Bild signalarm und im T2-gewichteten Bild signalintensiv darstellt, ist die Abgrenzung eines Tumors
vom Knochenmark schwierig, gelegentlich unmöglich. Dann kann versucht werden, das Problem mit ei-
ner STIR-Sequenz zu lösen. Aber es kann auch erforderlich sein, eine CT durchzuführen, um die Destruktion des spongiösen Knochens nachzuweisen. Im Becken können eine T1-gewichtete axiale und eine T2gewichtete axiale SE-Sequenz die meisten Tumoren
übersichtlich darstellen. Bei einem Befall des Sa-
5.1 Diagnostik und Therapie
Abb. 5.43. Osteosarkom der distalen Ulna. In der FS kontrastmittelverstärkten axialen T1-gewichteten SE-Sequenz stellen
sich die vom Tumor entfernt gelegenen Gefäße sehr signalintensiv dar. Jedoch kann auch mit dieser Sequenz die A. ulnaris
nicht abgegrenzt werden
Abb. 5.45. Skipmetastasen. Die fettgesättigte kontrastmittelverstärkte T1-gewichtete SE-Sequenz stellt bei einem im distalen Humerus gelegenen malignen fibrösen Histiozytom in der
Ulna mehrere kontrastmittelaufnehmende kleine Herde dar,
die Skipmetastasen im benachbarten Knochen entsprechen
a
b
Abb. 5.44 a, b. Chondrosarkom. Im T1-gewichteten sagittalen
SE-Bild lässt sich der Tumor in den Wirbelanhangsgebilden
deutlich abgrenzen. Zusätzlich ist eine Kompression des Myelons sichtbar. b Im T1-gewichteten axialen Bild kann das exakte Ausmaß der Myelonkompression ermittelt werden
krums oder Kokzygeums bietet sich für eine Demonstration des zu erwartenden Operationssitus eine zusätzliche T1-gewichtete sagittale SE-Sequenz an. Bei
einem Befall des Acetabulums kann mit einer T1-gewichteten sagittalen SE-Sequenz die Beziehung zum
Hüftgelenk übersichtlich abgebildet werden.
Maligne Tumoren können gelegentlich vom Tumor entfernt gelegene Metastasen im tumortragenden Knochen ausbilden, die als Skipmetastasen bezeichnet werden. Diese können, wenn sie keine Matrixmineralisationen aufweisen, auf dem Röntgenbild nicht sichtbar sein und der MRT-Untersuchung
bei Verwendung einer Oberflächenspule entgehen.
Sie sind meist mittels Skelettszintigraphie nachweisbar. Bei einer MRT-Untersuchung sollte zum Nachweis von Skipmetastasen der gesamte tumortragende
Knochen mit einer T1-gewichteten SE-Sequenz
(und/oder STIR-Sequenz oder kontrastmittelverstärkten fettgesättigten T1-gewichteten SE-Sequenz)
in longitudinaler Schnittführung mit der Bodyspule
oder, falls vorhanden, einer Phased-array-Körperspule untersucht werden (Abb. 5.45).
Schwierig ist in der MRT jedoch die sichere Differenzierung zwischen Skipmetastase und fokalem
Blutbildungsherd. Jedoch gilt annäherungsweise:
Umso signalintensiver sich eine nichtmineralisierte
Läsion in der STIR Sequenz abbildet, umso eher liegt
eine Skipmetastase vor.
163
164
Kapitel 5 Knochentumoren
So wertvoll die MRT für das Tumorstaging ist, ist
mit dieser jedoch die Stabilität des tumortragenden
Knochens nicht befriedigend zu beurteilen. Für die
Beantwortung dieser Frage ist mit Ausnahme der
kleinen Röhrenknochen die CT die entscheidende
Untersuchung.
Für den Nachweis von Lungenmetastasen und
Lymphknotenmetastasen am Körperstamm wird die
CT eingesetzt. Die Suche nach Knochenmetastasen
oder einem seltenen multifokalen Auftreten erfolgt
bis auf wenige Ausnahmen, z. B. Myelom und eosinophiles Granulom, mittels Skelettszintigraphie.
Mit der MRT ist basierend auf der Signalcharakteristik keine zuverlässige Differenzierung zwischen
benignen und malignen Tumoren möglich. Zwar
zeigen viele maligne Tumoren ein ausgedehnteres
Wachstum mit Infiltration des Markraums, der Kompakta und der Weichteile. Doch auch aggressive benigne Tumoren, wie Riesenzelltumoren, können ein
vergleichbares Wachstum aufweisen. Maligne Tumoren weisen häufiger als benigne ein peritumorales
Ödem auf. Jedoch treten die peritumoralen Ödeme
z. B. auch bei Osteoidosteomen, Chondroblastomen
und Osteoblastomen auf. Auch aus dem Ausmaß der
Kontrastmittelaufnahme im statischen Bild können
keinerlei Rückschlüsse auf die Dignität gezogen werden.
Dynamische Kontrastmitteluntersuchungen erlauben dagegen in vielen Fällen die Abschätzung der Dignität. Allerdings ist auch hier die Differenzierung zwischen einem aggressiven benigen Tumoren und einem
niedrig malignen Tumor schwierig bis unmöglich.
5.1.1.3
Rezidivdiagnostik
Die Rezidivdiagnostik ist besonders bei malignen
und aggressiv wachsenden benignen Knochentumoren eine Domäne der MRT. Nach einer durchgeführten Operation ist innerhalb der ersten sechs Monate
keine zuverlässige Differenzierung zwischen einem
postoperativen gefäßreichen Granulationsgewebe
und einem Tumorrezidiv möglich, da sich beide Gewebe in der MRT in allen Sequenzen ähnlich darstellen. Mit zunehmender Zeit nehmen die Vaskularisation und der Flüssigkeitsgehalt des Granulationsgewebes ab, bis sich eine gefäßlose, nahezu flüssigkeitslose Narbe ausgebildet hat.
Die Rezidivdiagnostik beginnt mit einer T2-gewichteten SE- oder einer fettgesättigten T2-gewichteten FSE-(oder STIR-)Sequenz. Ist in dieser kein Areal
mit einer hohen Signalintensität vorhanden, kann bis
auf wenige Ausnahmen – rein sklerotischer Tumor –
ein Rezidiv ausgeschlossen werden.
Findet man ein signalintensives Areal, muss eine
kontrastmittelverstärkte T1-gewichtete SE-Sequenz
vorzugsweise mit Fettsättigung durchgeführt wer-
Tabelle 5.12. Rezidivdiagnostik
• Zeitabstand von mindestens 3, besser 6 Monaten
nach Operation!!!
• 1. T2-gew. SE-Sequenz oder T2-gew. FS FSE-Sequenz
(STIR-Sequenz)
hohe Signalintensität auf T2-gew. Bildern?
nein: kein Rezidiv, Stop
ja: Gd-DTPA-Gabe
• 2. Kontrastmittelverstärkte fettunterdrückte
T1-gew. SE-Sequenz
(alternativ T1-gew. SE-Sequenz vor und nach
Gd-DTPA-Gabe)
Anreicherung?
nein: kein Rezidiv, postoperatives Serom,
Lymphozele o. Ä.
ja:
hohe Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs
(umso höher, je länger OP zurückliegt)
• Innerhalb der ersten 3–6 Monaten nach OP ist keine
Differenzierung zwischen Rezidiv/Resttumor
und gefäßreichem Granulationsgewebe möglich
• Algorithmus gilt nicht für Tumoren mit rein
sklerotischer Matrix. Hier vorzugsweise Röntgen
und/oder CT einsetzen.
FS = Fettsättigung, SE = Spinecho, FSE = Fast-(Turbo-)Spinecho.
den. Ist in dieser keine Kontrastmittelanreicherung
nachweisbar, kann ein Rezidiv weitgehend ausgeschlossen werden. Bei dem signalintensiven Areal im
T2-gewichteten Bild handelt es sich dann um ein
Serom, eine Lymphozele o. Ä.
Ein Areal mit einer Kontrastmittelaufnahme deutet mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Rezidiv hin,
und eine weitere histologische Abklärung ist erforderlich (Vanel et al. 1994; Tabelle 5.12).
Nach Rezidiven von rein osteoblastischen Tumoren wird mittels Röntgendiagnostik und CT gefahndet. Dabei kann jedoch die Differenzierung zwischen
neoplastischer und reaktiver Ossifikation unmöglich
sein.
Bei nichtaggressiv wachsenden benignen Tumoren wird die Rezidivdiagnostik primär mittels Röntgendiagnostik durchgeführt. Das neue Auftreten
eines osteolytischen Herdes eines primär osteolytischen Tumors oder eines osteoblastischen Herdes
eines primär osteoblastischen Tumors deuten auf ein
Rezidiv hin. Ist die Aussagefähigkeit der Röntgendiagnostik nicht eindeutig, kann eine weitere Abklärung mittels CT oder MRT erfolgen. Mit Rezidiven ist
besonders bei Riesenzelltumoren zu rechnen, wenn
sie lediglich mittels Kürettage therapiert worden
sind. Ähnliches gilt auch für die aneurysmatische
Knochenzyste.
Bei malignen Knochentumoren ist mit einem gewissen Prozentsatz an Rezidiven zu rechnen, wenn
die definitive Operation nicht in einer Amputation
sondern in einem extremitätenerhaltenden Eingriff
bestand.
5.1 Diagnostik und Therapie
!
Sind Tumorprothesen implantiert
worden, ist, soweit sie nicht aus Titan
bestehen, die Aussagefähigkeit der MRT stark eingeschränkt und die Rezidivdiagnostik muss mittels
Röntgendiagnostik durchgeführt werden.
Merke
5.1.2
Therapie
5.1.2.1
Chirurgisches Staging
Zum therapeutischen Staging von Knochentumoren
wird das Stagingsystem von Enneking (1985) benutzt, das von der Musculoskeletal Tumor Society und
dem American Joint Committee for Cancer übernommen worden ist. Dieses System basiert auf
∑ der Tumorausdehnung (T),
∑ der Metastasierung (M) und
∑ dem histologischen Grad und den radiologischen
und klinischen Aggressivitätsmerkmalen (G).
Die Tumorausdehnung „T“ wird unterteilt
∑ in ein Wachstum innerhalb einer Kapsel (T0),
∑ in ein Wachstum innerhalb des Kompartiments
(T1) und
∑ in ein extrakompartimentelles Wachstum (T2).
Die T0-Läsion wächst innerhalb ihrer Kapsel und verbleibt in ihrem Kompartiment. So durchbricht die Läsion nicht die Kompakta, kann jedoch durch Ausbildung einer Periostschale den Knochen auftreiben. Die
T1-Läsion breitet sich außerhalb der Kapsel in der reaktiven peritumoralen Zone kontinuierlich oder mit
Satellitenherden aus. Sowohl die Läsion als auch die
reaktive Zone verbleiben in ihrem Kompartiment. Die
T2-Läsion dehnt sich außerhalb des Kompartiments
aus. Dies liegt vor, wenn ein primär intraossär wachsender Tumor eine Weichteilkomponente ausgebildet
hat oder in das benachbarte Gelenk eingebrochen ist.
Auch wenn ein periostaler Tumor die benachbarte
Kompakta destruiert hat und sich im Markraum ausdehnt, liegt ein extrakompartimentelles Wachstum
vor. Breitet sich nur die reaktive Zone extrakompartimentell aus, wird auch diese Situation als extrakompartimentelles Wachstum eingestuft. Die Tumorausdehnung hat einen direkten Einfluss auf die Prognose
und die Wahl des chirurgischen Eingriffs.
Der Grad „G“ ist eine Abschätzung der biologischen Aggressivität einer Läsion. Er basiert auf einer
Kombination des histologischen Grades, der radiologisch sichtbaren Wachstumsgeschwindigkeit (Lodwick-Klassifikation) und der klinischen Wachstumsparameter (Größe,Verdoppelungszeit, Gewebedruck,
Fieber). Der Grad wird in drei Gruppen unterteilt.
∑ G0 ist durch benigne histologische Merkmale und
durch den Lodwick-Grad IA, IB oder IC charakterisiert.
∑ G1-Läsionen sind niedrig maligne, gut differenzierte Tumoren, die einen Lodwick-Grad II aufweisen.
∑ G2-Läsionen sind hoch maligne und weniger gut
differenziert. Sie wachsen unter dem LodwickGrad III.
„M“ beschreibt die Existenz von regionalen Metastasen und/oder Fernmetastasen, wobei M0 keine und
M1 das Vorhandensein von Metastasen bedeutet. Im
Gegensatz zu den Karzinomen wird nicht zwischen
Tabelle 5.13. Chirurgisches Stagingsystem für Knochentumoren. (Nach Enneking 1985)
Grad
Benigne
1 Latent
2 Aktiv
3 Aggressiv
Lokalisation
Metas- Röntgenbild
tasen Lodwick
Therapie
G0
G0
G0
T0
T0
T1–2
Maligne
Ia: niedrig maligne
G1
T1
intrakompatimentell
Ib: niedrig maligne
G1
T2
extrakompartimentell
IIa: hoch maligne
G2
T1
und Chemotherapie
intrakomartimentell
IIb: hoch maligne
G2
T2
extrakompartimentell
IIIa: maligne
G1–2
T1
intrakompartimentell, Metastasen
IIIb: maligne
G1–2
T2
extrakompartimentell, Metastasen
M0
M0
M0–1
IA
IB
IC, II
Intraläsional
Marginal
Weit im Gesunden
M0
(IB) IC–II
Weit im Gesunden
M0
II
Weit im Gesunden
M0
II–III
Weit im Gesunden oder Kompartimentresektion
M0
III
M1
Weit im Gesunden oder Amputation
und Chemotherapie
Thorakotomie und radikale Resektion oder palliativ
M1
Thorakotomie und radikale Resektion oder palliativ
165
166
Kapitel 5 Knochentumoren
regionalen Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen differenziert. Metastasen treten wesentlich
häufiger in der Lunge als in den Lymphknoten oder
in den Knochen auf. Die aus der Kombination der
Parameter resultierenden Stadien eines Tumors und
die dann erforderliche Therapie sind in Tabelle 5.13
aufgeführt.
5.1.2.2
Chirurgische Therapie
Das entscheidende Kriterium eines chirurgischen
Tumoreingriffs ist eine komplette Resektion des Tumors mit adäquaten Rändern. Die Ränder können als
intraläsional, marginal, weit oder radikal definiert
werden.
Ein intraläsionaler Rand entsteht dadurch, dass
bei der Operation in den Tumor eingegangen oder
eingeschnitten wird. Nach der Operation verbleiben
makroskopische Tumorreste.
Ein marginaler Rand entsteht, wenn bei der Operation die Schnittführung durch das peritumorale reaktive Gewebe geführt wird. Dieses Gewebe umgibt
den Tumor, ist jedoch kein originäres Tumorgewebe.
Nach einem derartigen Eingriff können Satellitenherde im reaktiven Gewebe oder Skipmetastasen im
Knochen zurückbleiben.
Ein weiter Rand wird dadurch erzielt, dass die
Schnittführung außerhalb der reaktiven peritumoralen Gewebeschicht gehalten wird und eine Manschette aus normalem Gewebe den Tumor allseits umgibt.
Jedoch können bei einer derartigen Operation Skipmetastasen im tumortragenden Knochen verbleiben.
Ein radikaler Rand entsteht dadurch, dass der
Operateur das gesamte Knochen- oder Muskelkompartiment entfernt, das den Tumor enthält. Bei einem
derartigen Eingriff verbleiben keinerlei Tumorreste
oder Skipmetastasen im Knochen oder in den Weichteilen.
Früher wurden die meisten malignen Knochentumoren durch Amputation behandelt. Durch die
Einführung einer effektiven Chemotherapie und die
Entwicklung einer präzisen Bildgebung, besonders
der CT und der MRT, wurde die Entwicklung der extremitätenerhaltenden („limb salvage“) Chirurgie
möglich. Sie umfasst alle chirurgischen Eingriffe, die
entwickelt worden sind, einen malignen Tumoren zu
entfernen und die Gliedmaße mit einem akzeptablen
onkologischen, funktionellen und kosmetischen Ergebnis zu rekonstruieren. Heute werden etwa 85%
der malignen Knochentumoren der Extremitäten
derartig behandelt. Dies setzt jedoch voraus, dass
bereits von Beginn an der spätere Operateur in das
klinische Management mit einbezogen wird.
Wenn ein maligner Knochentumor vermutet wird,
muss die Biopsie so geführt werden, dass der Biopsiekanal in dem Gewebe liegt, das bei der definiti-
ven Operation entfernt wird. Somit sollte bereits die
Biopsie durch den Operateur erfolgen, der auch den
definitiven Eingriff durchführt. Es wurde mehrfach
gezeigt, dass durch eine falsch durchgeführte Biopsie
die Option eines extremitätenerhaltenden Eingriffs
verbaut worden ist und statt dessen eine Amputation
durchgeführt werden musste. In Abhängigkeit von
dem Ergebnis der Biopsie und der Bildgebung wird
das Stadium gemäß der Enneking-Klassifikation
festgelegt.
Ein extremitätenerhaltender Eingriff sollte bei
allen malignen Tumoren in Betracht gezogen werden, bei denen der Tumor mit einem ausreichend
weiten Sicherheitsabstand entfernt werden kann und
die daraus resultierende Gliedmaße rettenswert ist.
Ein ausreichender Sicherheitsabstand bewirkt, dass
die Rate an Lokalrezidiven niedrig ist. Eine rettenswerte Gliedmaße bedeutet, dass der Funktionsgrad
und das kosmetische Ergebnis akzeptabel sind, dass
die Gliedmaße den täglichen Aktivitäten standhält
und die Schmerzintensität niedrig ist. Diese Eingriffe
werden u. a. durch eine falsch geführte Biopsie, eine
Invasion des Gefäß-Nerven-Bündels und eine pathologische Fraktur erschwert.
Die „three strikes rule“ ist eine einfaches, effektives Verfahren, die Möglichkeit eines extremitätenerhaltenden Eingriffs abzuschätzen. Jeder „strike“ repräsentiert den Befall einer der vier lebenswichtigen
Komponenten, die für eine vitale Extremität benötigt
werden: Knochen, Nerven, Gefäße und Weichteilmantel. Müssen für den Eingriff nur ein oder zwei
Komponenten entfernt werden, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu erhalten, kann der
Eingriff wahrscheinlich durchgeführt werden. Müssen mehr als zwei Komponenten geopfert werden, ist
diese Art des Eingriffs wahrscheinlich unmöglich.
Bei malignen Knochentumoren ist in den allermeisten Fällen eine Resektion mit weiten Rändern
ausreichend, um den Tumor zu kontrollieren. Marginale oder gar intraläsionäre Ränder führen in einem
hohen Prozentsatz zu Lokalrezidiven und zu einer
schlechten Prognose. Bei niedrig malignen oder malignen Knochentumoren nach präoperativer Chemotherapie kann ein marginaler Rand ausreichend sein.
Viele Knochentumoren treten in der Metaphyse eines
Knochens auf, sodass bei der Resektion der gesamte
proximale oder distale Knochenabschnitt entfernt
werden muss.Wenn der Tumor das Gelenk nicht kontaminiert hat, wird eine intraartikuläre Resektion
durch das Gelenk durchgeführt. Ist das Gelenk jedoch kontaminiert, erfolgt eine extraartikuläre Resektion durch die benachbarten nichtbefallenen
Knochenabschnitte, und das gesamte Gelenk einschließlich Kapsel wird entfernt. Tumoren, die im
Schaft liegen, können durch eine Segmentresektion
unter Schonung der Gelenke entfernt werden.
5.1 Diagnostik und Therapie
Nach durchgeführter Tumorresektion muss ein
rekonstruktiver Aufbau der Gliedmaße erfolgen. Bei
kleinen Tumoren kann eine autologe Beckenkammplastik durchgeführt werden. In den meisten Fällen
müssen jedoch größere Knochensegmente ersetzt
werden. Dies kann durch Tumorprothesen (Megaprothesen), durch Allografts oder eine Kombination
von beiden erfolgen. Tumorprothesen sind so konstruiert, dass sie das entfernte Knochensegment und
das benachbarte Gelenk ersetzen. Modulare Prothesen, die während der Operation den Belangen des
Patienten angepasst werden können, sind für Femur,
Tibia und Humerus verfügbar. Daneben sind Einzelanfertigungen nach Maß und Spezialprothesen erhältlich. Die Prothese wird meistens einzementiert
und muss als Scharniergelenk gebaut sein, da sie die
Funktion der geopferten Ligamente übernehmen
muss. Vorteile der Tumorprothese sind, dass sie gut
anzupassen ist und durch die Einzementierung sofort stabil ist, wodurch der Patient früh mobilisiert
werden kann. Jedoch kann sich die Prothese mit der
Zeit lockern, und die Fixierung der Muskelsehnen an
der Prothese ist schwierig.
Eine Alternative ist der Ersatz des geopferten Knochens und ggf. auch des entfernten Gelenks durch einen großen Allograft. Es bestand die Hoffnung, dass
der Allograft durch die körpereigenen Knochenzellen besiedelt und in vitalen Knochen umgebaut
wird. Jedoch zeigte sich, dass nur ein geringer Prozentsatz der Allografts komplett revitalisiert wurde.
Somit stellt der Allograft keinen biologischen Ersatz
sondern einen Platzhalter dar. Allografts können
frakturieren und sich infizieren, wobei eine postoperative Chemo- und/oder Strahlentherapie das Risiko
erhöhen.
Daneben wird gelegentlich eine Kombination aus
Allograft und Prothese zur Rekonstruktion verwendet. Der Allograft ersetzt den geopferten Knochen
und die Prothese das entfernte Gelenk. Ein Segmentresektat des Schaftes kann durch ein vaskularisiertes
freies Fibulainterponat oder eine Distraktionsknochenneubildung, die auf dem Prinzip von Ilizarov
beruht, ersetzt werden.
5.1.2.3
Chemotherapie
Trotz eines adäquaten chirurgischen Eingriffs ist
nach alleiniger chirurgischer Behandlung die Prognose von vielen hoch malignen Knochentumoren
schlecht. So wurde in den 1980er Jahren in kontrollierten Studien mit Osteosarkomen beobachtet, dass
nach alleiniger chirurgischer Therapie bei mehr als
der Hälfte der Patienten innerhalb von sechs Monaten Lungenmetastasen auftraten und bei mehr als
80% innerhalb von zwei Jahren ein Lokalrezidiv
entstand. Ähnlich schlechte Ergebnisse sind auch
für Ewing-Sarkome bekannt, die bei alleiniger chirurgischer oder strahlentherapeutischer Behandlung eine Fünfjahresüberlebensrate von nur 10% aufweisen.
Diese enttäuschenden Ergebnisse führten dazu,
dass in den letzten 20 Jahren immer mehr dazu übergegangen wurde, chemosensible Tumoren mittels
adjuvanter Chemotherapie zu behandeln. Heute werden alle konventionellen Osteosarkome, Ewing-Sarkome und die meisten malignen fibrösen Histiozytome chemotherapiert. Dabei erhalten die meisten Patienten eine präoperative (neoadjuvante) Chemotherapie, der der definitive chirurgische Eingriff
folgt, dem sich eine postoperative Chemotherapie
anschließt. Deutschlandweit werden identische Chemotherapieprotokolle eingesetzt, die von Studienzentralen vorgegeben, stratifiziert, modifiziert und
ausgewertet werden. Diese Vorgehensweise hat den
Vorteil, dass das Ansprechen auf die Chemotherapie
am Resektat beurteilt werden kann, wobei man davon ausgeht, dass okkulte Metastasen ein identisches
Ansprechen wie der Primärtumor zeigen.
Der Grad des Ansprechens wird durch eine umfassende histologische Aufarbeitung des Resektats
ermittelt. Sind im Resektat weniger als 10% vitale Tumorzellen vorhanden, spricht dies für ein gutes Ansprechen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Tumoren bereits vor Chemotherapie
ausgedehnte Nekrosen enthalten können. Es konnte
mehrfach gezeigt werden, dass ein gutes Ansprechen
mit einer wesentlich besseren Prognose als ein
schlechtes Ansprechen einhergeht. Dieses Therapiekonzept erlaubt nach der definitiven Operation auch
eine Modifikation der Chemotherapie bei den Patienten, die ein schlechtes Ansprechen zeigen.
Durch die Einführung der Chemotherapie konnte
beim Osteosarkom die Fünfjahresüberlebensrate von
etwa 20% auf nahezu 80% bei gutem Ansprechen und
auf etwa 50% bei primär schlechtem Ansprechen verbessert werden. Auch bei Ewing-Sarkomen beträgt
die Fünfjahresüberlebensrate etwa 70%, wenn der
Tumor primär gut auf die Chemotherapie anspricht.
Allerdings gibt es eine Reihe von malignen Tumoren,
die nicht chemosensibel sind. Hierzu zählen u. a. die
klassischen Chondrosarkome und die Chordome.
Seit Jahren wird versucht, den Grad des Ansprechens eines präoperativ chemotherapierten Tumors
vor der Resektion abzuschätzen, da – zumindest theoretisch – bei einem guten Ansprechen der definitive
Eingriff ggf. weniger radikal als bei einem schlechten
Ansprechen durchgeführt werden kann. Für die Lösung dieser Aufgabe wurden die Möglichkeiten sämtlicher bildgebender Verfahren evaluiert. Es zeigte
sich, dass nur die Dreiphasenskelettszintigraphie und
die dynamische kontrastmittelverstärkte MRT eine
begrenzte Abschätzung des Ansprechens erlauben.
167
168
Kapitel 5 Knochentumoren
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