Universitätsklinikum Gießen Hals-Nasen-Ohrenklinik Funktionsbereich Audiologie Praktikum Medizinische Physik: Objektive Audiometrie 1. Einführung Die moderne Audiologie bietet für die Diagnostik von Hörstörungen bei kooperativen Patienten eine breite Palette von Untersuchungsverfahren, die es gestatten, Art, Grad und Sitz einer Schwerhörigkeit abzuklären (subjektive Audiometrie; Abb. 1, rechts). Voraussetzung für den Einsatz dieser Methoden ist jedoch die aktive Mitarbeit der Patienten, was z. B. subjektive audiometrische Untersuchungen bei Kleinkindern unmöglich macht. Aus dieser Problematik resultiert unmittelbar die Forderung nach objektiven, audiometrischen Untersuchungsverfahren, die ohne die aktive Mitwirkung des Patienten auskommen. So haben sich in der klinischen Praxis insbesondere drei Gruppen von objektiven Untersuchungsverfahren durchgesetzt (objektive Audiometrie; Abb. 1, links): (1) Impedanzmessung am Mittelohr (2) Registrierung von Otoakustischen Emissionen (3) Ableitung akustisch evozierter Potenziale (ERA: Evoked Response Audiometry) Neben der Untersuchung von nicht-kooperativen Patienten werden die Untersuchungsverfahren der objektiven Audiometrie allerdings auch sehr häufig bei kooperativen Patienten eingesetzt, wenn es die jeweilige Problemstellung erfordert. Im Rahmen des Praktikums werden die Impedanzmessung und die ERA-Verfahren eingehend behandelt, während die Otakustischen Emissionen (OAE) aus Zeitgründen nur gestreift werden können. Die Impedanzmessung am Trommelfell dient in erster Linie der Funktionsprüfung des Mittelohres. Im Rahmen von ERA-Untersuchungen werden Potenziale des Innenohres, des Hörnerven (ECochG: Elektrocochleographie), des Hirnstamms (BERA: Brainstem Evoked Response Audiometry) oder der Hirnrinde (CERA: Cortical Evoked Response Audiometry) abgeleitet. ERA-Untersuchungen eignen sich für die objektive Hörschwellenbestimmung bei Kleinkindern, Mehrfachbehinderten, Simulanten usw. Zudem können sie zum Ausschluss von raumfordernden Prozessen (Tumoren) oder anderen Erkrankungen im Bereich der Hörbahn eingesetzt werden, damit also auch bei kooperativen Patienten. Entsprechend Abb. 1 erlaubt die objektive Audiometrie eine Funktionsprüfung auf verschiedenen Ebenen des auditorischen Systems und damit eine Lokalisation von Hörstörungen. Objektive Audiometrie Subjektive Audiometrie ERA: Hirnrindenpotenziale (SAEP) Sprachverständlichkeit in Ruhe & Störschall ERA: Hirnstammpotenziale (FAEP) Lokalisationsvermögen ERA: Cochleapotenziale (ECochG) Intensitäts-, FrequenzZeitauflösungsvermög. Otoakustische Emissionen Lautheitsempfindung Mittelohrimpedanz Tonschwellengehör in Luft- u. Knochenleitung Audiometer Untersucher Abb. 1: Überblick über die audiometrische Untersuchungsverfahren. 2 2. Impedanzmessung am Mittelohr Gegensand der Impedanzmessung am Mittelohr ist die Registrierung der Schwingungsfähigkeit der Schallleitungskette (Hammer, Amboss, Steigbügel). Das schwingungsfähige System des Mittelohrapparates kann als eine Kopplung von Elastizitäten, Massen und Reibungen aufgefasst werden. Beschallt man dieses schwingungsfähige System, so wird ein Teil der Schallenergie absorbiert, in Trommelfellschwingungen umgewandelt und zum Innenohr weitergeleitet, während die andere Schallkomponente reflektiert wird. Das Größenverhältnis der beiden Komponenten hängt von der Mittelohrimpedanz ab, also dem Widerstand, den das Trommelfell der einfallenden Schallwelle entgegensetzt. Schließt man bei dieser Anordnung den äußeren Gehörgang durch die Messsonde luftdicht ab und misst den Schalldruckpegel im Volumen zwischen Sondenspitze und Trommelfell, so erhält man ein Maß für die reflektierte Schallenergie, und damit ein Maß für die Mittelohrimpedanz. Die Abb. 2 zeigt die praktische Realisierung dieses Messprinzips. Der äußere Gehörgang wird über eine dreifach durchbohrte Sonde mit einem Sinuston (meist 220 Hz) beschallt und der Schalldruckpegel mit Hilfe eines angekoppelten Mikrofons gemessen. Die Mikrofonspannung wird gleichgerichtet und einem Messgerät zugeführt. Jede Impedanzänderung in der Trommelfellebene bewirkt eine Zu- bzw. Abnahme der reflektierten Schallkomponente und damit eine Änderung des Schalldruckpegels im Gehörgang, die ihrerseits vom Messgerät angezeigt wird. Mit einer derartigen Untersuchungseinheit können also relative Änderungen der Mittelohrimpedanz ohne die aktive Mitarbeit des Patienten registriert werden. 1 / Impedanz Stapediusreflexmessung Reiz 90 dB Hörer kontralateral Reiztongenerator zum kontralateralen Ohr Hörer ipsilateral SteigbügelMuskel 80 dB 70 dB Sondentongenerator 60 dB MiniaturLautsprecher Zeit 1 / Impedanz Druckpumpe Tympanogramm Manometer Mikrofon Messgerät Druck Abb. 2: Prinzip der Impedanzmessung am Mittelohr. 2.1 Tympanometrie Mittelohrimpedanzänderungen lassen sich durch verschiedene Prozeduren gezielt herbeiführen. So kann der äußere Gehörgang mittels einer an die Sonde angeschlossenen Druckpumpe mit einem definierten Druck beaufschlagt werden (Abb. 2). Bei der Tympanometrie variiert man den Druck im äußeren Gehörgang im Bereich von ± 300 daPa (relativ zum Umgebungsdruck) und zeichnet die Trommelfellbeweglichkeit als Funktion des externen Drucks auf. Im Fall einer normalen Mittelohrfunktion beobachtet man ein Impedanzminimum, also ein Maximum der Trommelfellbeweglichkeit, bei 0 daPa relativ zum Umgebungsdruck. Logischerweise ist die Impedanzanpassung und damit die Schallweiterleitung dann optimal, wenn der Druck vor dem Trommelfell gleich dem Druck im Mittelohr (Paukenhöhle) ist. Ein Tympanogramm stellt also die Trommelfellbeweglichkeit, die sich umgekehrt 3 proportional zur Impedanz verhält, in Abhängigkeit vom Druck im äußeren Gehörgang dar. Wie in Abb. 3 dargestellt, können verschiedenen Mittelohrfunktionsstörungen typische Tympanogrammformen zugeordnet werden. 1 / Impedanz in rel. Einheiten 2.5 2.0 1.5 normale Mittelohrfunktion Versteifung der Schallleitungskette 1.0 1 / Impedanz in rel. Einheiten 2.5 2.0 1.5 Tubenfunktionsstörung (Unterdruck im Mittelohr) Mittelohrerguss 1.0 -300 -200 -100 0 100 Druck (daPa) 200 300 -300 -200 -100 0 100 200 300 Druck (daPa) Abb. 3: Typische Tympanogramme bei normaler Mittelohrfunktion, Versteifung der Schallleitungskette, Tubenfunktionsstörung(Unterdruck im Mittelohr) und Mittelohrerguss. 2.2 Stapediusreflexmessung Unter den Mittelohrreflexen hat der Stapediusreflex, die reflektorische Kontraktion des Steigbügelmuskels, die größte audiometrische Relevanz. Der Stapediusreflex führt bei akustischer Reizung eines Ohres zu einer beidseitigen Kontraktion des Steigbügelmuskels, der am Steigbügelköpfchen ansetzt (Abb. 2). Dabei fungiert der Hörnerv des stimulierten Ohres als afferenter Schenkel, der Gesichtsnerv jeweils als efferenter Schenkel des Reflexbogens. Bei normaler Mittelohrbeweglichkeit bewirkt die Muskelkontraktion eine Verspannung der Schallleitungskette und damit eine Impedanzzunahme in der Trommelfellebene, die mittels Impedanzmessgerät registriert werden kann. Die Auslösung des Reflexes ist vom individuellen Lautheitsempfinden des Patienten, und damit nur indirekt vom Reizpegel abhängig. Bei Beschallung mit Sinustönen findet man beim ohrgesunden Menschen die Stapediusreflexschwelle (= Pegel bei dem sich die Impedanz gerade messbar ändert, s. Abb. 2, links oben) im Frequenzbereich von 500 bis 4000 kHz bei Reizpegeln von etwa 80 bis 90 dB. Folgende audiologischen Fragestellungen kann man mit Hilfe der Stapediusreflexmessung klären: - Abschätzung der Hörschwelle: die Hörschwelle liegt, außer bei den sehr seltenen Funktionsstörungen oberhalb des Reflexbogens, immer bei geringeren Pegeln als die Stapediusreflexschwelle, andernfalls würde der Reiz gar nicht (ausreichend laut) gehört werden, um den Reflex auszulösen. - Diagnose von Innenohrschwerhörigkeit durch Nachweis des so genannten Lautheitsausgleichs: 4 unter der Bezeichnung Lautheitsausgleich versteht man eine überproportionale Zunahme der Lautheitswahrnehmung mit wachsendem Beschallungspegel, was das für Vorliegen einer Innenohrschwerhörigkeiten symptomatisch ist. Da die Auslösung des Stapediusreflexes von der jeweiligen Lautheitsempfindung abhängt, ist folgender Schluss zulässig: Wenn der Abstand zwischen Hör- und Stapediusreflexschwelle signifikant reduziert ist (auf weniger als 60 dB), dann liegt ein Lautheitsausgleich und damit eine Innenohrschwerhörigkeit vor. Im Gegensatz zur Innenohrschwerhörigkeit findet man bei anderen Formen von Hörstörungen wie auch bei normalem Gehör einen deutlich größeren Abstand zwischen Hör- und Reflexschwelle. Prüfung der Mittelohrbeweglichkeit auf dem Ohr, auf dem die Sonde platziert ist: bei Vorliegen einer Versteifung der Schallleitungskette (z. B. bei einer Otosklerose), hat die Kontraktion des Stapediusmuskels keine Auswirkung auf die Trommelfellbeweglichkeit. In diesem Falle ist der Reflex zwar auslösbar, nicht aber registrierbar. Ausschluss von Tumoren entlang der Hörbahn: Hörbahntumore können den Ausfall des Stapediusreflexes zur Folge haben. - - 3. Ableitung akustisch evozierter Potenziale Man unterscheidet im wesentlichen drei Typen von Potenzialen (vgl. Abb. 1: ECochG, BERA und CERA), die sich hinsichtlich Entstehungsort und Latenz, also dem zeitlichen Auftreten nach Reizbeginn, unterscheiden. Daneben sind auch andere Potenzialtypen (Cochleäre Mikrofonpotenziale, Summationspotenziale, Amplitude Modulation Following Responses (AMFR) usw.) ableitbar, die in der klinischen Audiometrie allerdings (noch) keine praktische Bedeutung erlangt haben. 100 dB 80 F ilte r 60 V e r s tä r k e r 40 20 0 0 5 10 15 m s 11 0101 11101011 00110010101 3 oder 4 E le k tr o d e n A n a lo g /D ig ita l K o n v e r te r „ K lic k “ o d e r ä h n lic h e r R e iz R e iz e r z e u g e r ( A u d io m e te r ) Abb. 4: Blockschaltbild einer ERA-Anlage und eine Darstellung typischer Potenziale, die jedoch einzeln registriert werden müssen. Eine sequentielle Ableitung in einem einzigen Untersuchungsgang ist wegen der unterschiedlichen Ableitungs- und Reizparameter nicht möglich. 5 3.1 Messtechnik Bei allen ERA-Untersuchungen befindet sich der Patient in einer schallgedämmten Kabine, die bei Auftreten von elektromagnetischen Störungen auch als Faraday-Käfig zur Abschirmung dieser Störfelder ausgeführt sein muss (Abb. 4). Die akustische Reizung erfolgt über einen Reizgenerator, der vom Computer angesteuert wird. Die Reizung erfolgt, je nach Untersuchungsmethode, entweder mit Klicks (ECochG, BERA), kurzen gaußförmig modulierten Sinusreizen (ECochG, BERA) oder längeren Sinustonreizen von 300-500 ms Dauer (CERA). Zur synchronisierten Entladung möglichst vieler Nervenfasern ist speziell für die ECochG und die BERA ein besonders steilflankiger Reizanstieg erforderlich. Diese Forderung wird am besten durch elektrische Rechteckimpulse (Dauer ca. 100 Mikrosekunden) erfüllt, die über einen Kopfhörer hörbar gemacht werden. Diese so genannten Klicks weisen ein breites Frequenzspektrum auf, so dass eine frequenzspezifische Prüfung des Gehörs mit Klicks grundsätzlich nicht möglich ist. Gauß-Töne stellen bezüglich Flankensteilheit und Frequenzspezifität einen Kompromiss dar, der eine frequenzspezifische Prüfung oberhalb ca. 1,5 kHz erlaubt. Mit der so genannten „Notched Noise BERA“ versucht man durch gleichzeitige Darbietung eines breitbandigen Verdeckungsrauschens mit Kerbfilter bei der jeweils getesteten Frequenz eine verbesserte Frequenzspezifität der BERA zu erreichen, was jedoch nur bedingt funktioniert. Möglicherweise ist in Zukunft mittels AMFR eine frequenzspezifische Prüfung auf Hirnstammebene möglich. Zum Ausschluss von elektromagnetischen Einstreuungen wird das Biosignal meist differentiell (z. B. Stirn/Warzenfortsatz) gegen ein Referenzpotenzial abgeleitet. Die Übergangswiderstände sollten durch Vorbehandlung der Haut auf unter 3 kOhm minimiert werden. Das vorverstärkte Signal wird geeignet gefiltert (Tabelle 1) und nachverstärkt. Da das Signal-Rauschverhältnis z. B. bei der BERA etwa bei 1:100 liegt, würden die Antwortpotenziale bei nur einmaliger Registrierung im Rauschen untergehen. Zur Verbesserung des Signal-Rauschabstandes digitalisiert man das Signal, führt es einem Computer zu und mittelt die Einzelantworten. Mit zunehmender Mittelungszahl kompensieren sich die Rauschkomponenten, die um den Nullwert normalverteilt sind, während sich die reizbezogenen Signalanteile aus dem Rauschuntergrund herausheben. Das Signal-Rauschverhältnis wächst mit der Quadratwurzel von n an, wobei n für die Anzahl der Mittelungen steht. Die meisten ERA-Untersuchungseinheiten ermöglichen zudem eine software-gesteuerte Ausschaltung von Antwortepochen mit extrem hohen Amplituden, die als störende Muskelartefakte zu werten sind. Die wichtigsten Untersuchungsparameter sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Tabelle 1: Typische Ableitungs- und Reizparameter ECochG BERA CERA Latenz bis 4 ms bis 10 ms 50 - 500 ms Frequenzbereich 100 - 3000 Hz 100 - 3000 Hz 1 - 30 Hz Reizform Klick, Gauß-Ton Klick, Gauß-Ton Sinus, 300 - 500 ms Reizfolgefrequenz 10 - 50 Hz 10-50 Hz < 0,5 Hz Mittelungszahl n 100 - 500 1000 - 4000 50 - 100 Aufmerksamkeitsgrad kein Einfluss kein Einfluss starker Einfluss 6 3.2 Elektrocochleographie (ECochG) Bei der ECochG werden Summenaktionspotenziale des Hörnerven registriert. Um ein günstiges Signal-Rauschverhältnis zu erzielen, leitet man entweder mittels Nadelelektrode von der knöchernen Wand des Innenohres (Promontorium) oder mit einer speziellen Elektrode von der Gehörgangswand im Bereich des Trommelfells ab. Bei Ableitung vom Promontorium wird die Nadelelektrode unter mikroskopischer Sicht durch das Trommelfell geführt. Dieses Verfahren wird üblicherweise in lokaler oder in besonderen Fällen in allgemeiner Anästhesie durchgeführt, was einen hohen Personalbedarf bedingt. Eine frequenzspezifische Untersuchung ist mit der ECochG wegen des Dilemmas, dass sich Flankensteilheit und Frequenzspezifität gegenseitig ausschließen, nur bedingt möglich (s. oben). Die besonderen Vorzüge und Nachteile der ECochG können der Tabelle 2 entnommen werden. 3.3 Hirnstammaudiometrie (BERA) Die Ableitung von Hirnstammpotenzialen mittels Hautelektroden von der Kopfhaut (Vertex bzw. Stirn gegen Mastoid) ist derzeit die verbreitetste ERA-Methode. Die BERA ist gegenüber der ECochG nicht-invasiv und ermöglicht neben der Beurteilung der Hörnervenfunktion eine Hörbahndiagnostik bis zur Hirnstammebene. Ebenso wie die ECochG sind die BERA-Befunde nicht abhängig vom Aufmerksamkeitsgrad, und damit von der Schlaftiefe. So kann die BERA im Bedarfsfall im Schlaf, in Sedierung oder auch in Narkose durchgeführt werden. Dieser Aspekt gewinnt für die Untersuchung von Kleinkindern und Mehrfachbehinderten besondere Bedeutung, da die Ableitungsbedingungen bei diesen Patientengruppen wegen zu starker Bewegungsaktivitäten im Wachzustand zu ungünstig sind. Die altersbedingte Hirnreifung beeinflusst die BERA-Befunde in bekannter Weise und kann bei der Interpretation der Befunde berücksichtigt werden. Da der Signal-Rauschabstand bei der BERA wesentlich geringer ist als bei der ECochG, ist die Untersuchungsdauer entsprechend länger. Hinsichtlich der frequenzspezifischen Prüfung gelten dieselben Feststellungen wie bei der ECochG. Tabelle 2: Vorzüge und Nachteile der ERA-Verfahren Vorzüge ECochG BERA CERA Nachteile - gutes Signal-Rauschverhältnis - invasiv - auch in Schlaf, Sedierung und Narkose durchführbar - personalaufwendig - - Reifungseinfluss kann berücksichtigt werden es wird nur die Funktion von Innenohr und Hörnerv erfasst - nur bedingt frequenzspezifisch - nicht-invasiv - nur bedingt frequenzspezifisch - Funktionsprüfung von Hörnerv und Hirnstamm - die kortikale Funktion wird nicht erfasst - auch in Schlaf, Sedierung und Narkose durchführbar - Reifungseinfluss kann berücksichtigt werden - nicht-invasiv - - Funktionsprüfung bis zur kortikalen Ebene - frequenzspezifische Prüfung möglich Befunde stark abhängig von der Hirnreifung und dem Aufmerksamkeitsgrad, d.h. bei Kleinkindern nicht anwendbar 7 3.4 Hirnrindenaudiometrie (CERA) Die akustisch evozierten Hirnrindenpotenziale werden mit Hautelektroden über der, relativ zum gereizten Ohr, kontralateralen Hirnhälfte abgeleitet. Die wesentlichen Vorteile der CERA bestehen darin, dass die Funktion der gesamten Hörbahn am Ende der Verarbeitungskette erfasst werden kann, und das zudem frequenzspezifisch. Die CERA-Ergebnisse sind allerdings in unkontrollierbarer Weise vom Vigilanzstadium (Aufmerksamkeitsgrad), vom Alter und dem Grad der Hirnreifung abhängig. Insofern sollte die CERA nicht im Schlaf, in Sedierung oder Narkose durchgeführt werden, so dass CERA-Untersuchungen von Kleinkindern und Mehrfachbehinderten aus diesem Grund nicht sinnvoll sind (Tabelle 2). 3.5 Interpretation von BERA-Befunden Das Praktikum muss sich aus Zeitgründen auf die Beschäftigung mit BERA-Befunden beschränken. Dabei wird deutlich, dass die BERA nicht allein eine Bestimmung des Hörverlusts (Hörschwelle) gestattet, sondern auch Hinweise auf den Ort einer auditorischen Funktionsstörung liefert. Unter diesem Aspekt werden neben Normalbefunden (Abb. 5) folgende Hörstörungen an Hand von Latenz-Pegel-Kennlinien demonstriert und diskutiert. Die Fallbeispiele zeigen jeweils als Insert das zugehörige Latenz-Pegel-Diagramm: - Schallleitungsschwerhörigkeiten, die sich durch eine Verschiebung aller Hirnstammpotenziale (Wellen I bis V) in Richtung der Pegelachse um den Betrag des Schallleitungshörverlustes gekennzeichnet sind (Abb. 6). - Schallempfindungsschwerhörigkeiten, die sowohl mit Latenzverkürzungen wie auch Latenzverlängerungen einhergehen können. Hochtonabfälle im Tonaudiogramm äußern sich durch eine zunehmende Latenzverlängerung gegenüber der Norm mit abnehmendem Pegel. - Hirnstammtumoren (z.B. Akustikus Neurinome, Abb. 7) oder andere Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose) im Bereich der Hörbahn, die durch eine Verlängerung der Inter-Peak-Latenz also der Laufzeitdifferenz zwischen den Wellen I (bzw. III) und V - auffallen. . 100 dB I III V 100 dB I III I 100 dB V III V 80 60 40 20 80 80 0 0 5 10 15 ms 60 60 40 40 I III V 80 60 40 20 20 20 0 0 10 5 15 ms Schallleitungsschwerhörigkeit normales peripheres Gehör 0 0 0 5 10 15 ms Abb. 5 BERA-Befund einer normalhörenden Person. 0 5 10 15 ms Abb. 6: BERA-Befund bei Vorliegen einer Schallleitungsschwerhörigkeit. 8 I 100 dB V 100 dB III V 80 80 I 60 60 40 I III 40 V 80 80 60 60 40 20 I III V 100 dB 100 dB 40 20 20 20 0 0 0 5 10 0 15 ms 5 10 15 ms Akustikusneurinom links 0 0 0 5 10 rechts 15 ms 0 5 10 15 ms links Abb. 7: BERA-Befund bei Vorliegen eines Akustikus-Neurinoms auf der linken Seite. Wie die Latenz-PegelDiagramme ausweisen ist die Inter-Peak-Latenz zwischen den Wellen I und V links gegenüber der Norm (höchstens 4,4 ms) deutlich verlängert. 4. Literatur 1. Böhme, G, Welzl-Müller, K (1998): Audiometrie - Hörprüfungen im Erwachsenen- und Kindesalter. 4. Auflage. Hans Huber Verlag, Bern Stuttgart Wien 2. Daetz, P, Kießling, J, Helle, R (1990): Audiologische Technik. In Hutten, H (Hrsg.): Biomedizinische Technik, Band 3, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 3. Hoth, S, Lenarz, T (1994): Elektrische Reaktions-Audiometrie. Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 4. Lehnhardt, E, Laszig R (2000): Praxis der Audiometrie. 8. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 5. Kießling, J (1987): Akustisch evozierte Potenziale in der Gehördiagnostik. Medizintechnik 107, S. 48 – 52 6. Maurer, K, Leitner, H, Schäfer, E (1982): Akustisch Evozierte Potenziale (AEP). Enke Verlag, Stuttgart 7. Scherg, M (1991): Akustisch evozierte Potenziale. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart Berlin Köln