VL Bewegungswissenschaft 4. Die biomechanische Betrachtungsweise Biomechanik 1. 2. 3. 4. 5. Programm Biomechanik als Disziplin Kinematik in Beispielen Dynamik in Beispielen Biomechanische Prinzipien Bilanz Biomechanik Biomechanik Definition Biomechanik untersucht die Erscheinung und Ursachen von Bewegungen biologischer Systeme aus mechanischer Perspektive Gegenstand der Biomechanik des Sports sind sportliche Bewegungen Aufgaben 1. 2. Quantitative Beschreibung der Erscheinungen von Bewegungen und ihre Erklärung durch die Zurückführung auf mechanische Ursachen Biomechanik Das „Bio“ in Biomechanik Mechanik liefert deterministische physikalische Gesetze über die Beziehung von Masse, Kraft und Geschwindigkeit. Beispiel Kugel: Kraftstoß Anwendung auf eine sportliche Bewegung (bspw. Weitsprung) Biomechanik Das „Bio“ in Biomechanik … aber biologische Systeme sind nicht so „einfach“ (Knochen, Wabbelmassen, Wechselwirkungen, …) -> • Biomechanik erlaubt keine deterministischen, sondern nur stochastische Aussagen • Eher philosophische Frage: Ist das ein grundsätzliches oder vorübergehendes Problem? Biomechanik Anwendungsfelder Leistungsbiomechanik Technikanalysen Konditionsdiagnostik Anthropometrische Biomechanik Körpermodelle Eignung für Sportarten Präventive Biomechanik Erfassung mechanischer Belastungen Minimierung durch Modifikation von Bewegungen oder Material Biomechanische Modellbildung Erklärung von Bewegungen Simulation Biomechanik Biomechanische Teilgebiete Kinematik Beschreibung des räumlich-zeitlichen Ablaufes von Bewegungen durch Translationen = fortschreitende Bewegungen Rotationen = Bewegung um eine Drehachse Dynamik Beschreibung des Zusammenhang zwischen Kräften und Bewegungen Statik = Ruhezustand (Gleichgewicht von Kräften) Kinetik = Bewegung (Ungleichgewicht von Kräften) Biomechanik Biomechanische Beschreibungsgrößen Kinematische Merkmale Dynamische Merkmale Translatorische Merkmale Rotatorische Merkmale Translatorische Merkmale Rotatorische Merkmale • Position (Weg, Länge, Lage) • Zeit • Geschwindigkeit • Beschleunigung • Winkel • Zeit • Winkelgeschwindigkeit • Winkelbeschleunigung • Masse • Impuls • Kraft • Kraftstoß • Arbeit • Energie • Leistung • Massenträgheits moment • Drehimpuls • Drehmoment • Drehmomentstoß Kinematik Biomechanik Kinematische translatorische Merkmale Merkmal Einheit Golfbeispiel Position, Lage, Länge Meter [m] Haltung im Setup, Schlaglänge Geschwindigkeit (v) Meter pro Sekunde Schlägerkopf im Impact [m/s] Beschleunigung (a) Meter pro Sekunde2 Schlägerkopf im [m/s2] Abschwung Zeit (t) Sekunde [s] Relation Auf- /Abschwung Frequenz (v) Sekunde-1 [1/s] Spin des Golfballes Biomechanik Kinematische translatorische Merkmale Zusammenhang Weg-Zeit-Geschwindigkeit-Beschleunigung a Gleichförmige Bewegung 0 v s t t Gleichmäßig beschleunigte Bewegung a 0 v t s t t Gleichmäßig verzögerte Bewegung a 0 v t s t t t Biomechanik Beispiel: 100m-Lauf Maximalgeschwindigkeit v Geschwindigkeitsverlust Anfangsbeschleunigung Reaktionszeit/Latenzzeit 0 100 m Biomechanik Pro Haltungsmerkmale (Golf) Proette Biomechanik Schlaglängen (Golf) H1 H3 H5 E3 E4 E5 E6 E7 E8 E9 PW SW 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 Schlaglängen von Durchschnittsgolfern pro Schläger Biomechanik Geschwindigkeitsmerkmale (Golf) Biomechanik Kinematische rotatorische Merkmale Merkmal Einheit Golfbeispiel Winkel () Grad [°] Loft, Verwringung Winkelgeschwindigkeit () Grad pro Sekunde [°/s] Schwungbahn Winkelbeschleunigung (a) Grad pro Sekunde2 Schwungbahn [°/s2]: Biomechanik Winkel (Golf) Gliedmaßen und Schläger Biomechanik Winkel (Golf) Verwringung Oberkörper (qualitativ) 90 Vorspannung Rumpf 0 Hüftwinkel Schulterwinkel Impact t Biomechanik Winkel (Golf) Verwringung Oberkörper (quantitativ) Biomechanik Winkelgeschw./beschl. (Golf) Biomechanik Messmethoden der Kinematik 3. (Hochfrequenz-) Videoaufnahmen Digitalisierung Rekonstruktion der räuml.-zeitl. Parameter Biomechanik Messmethoden der Kinematik 4. Direkte Messungen z.B. LAVEG, Laserentfernungsmesser alle 0.01 s Abstand zum anvisierten Objekt Dynamik Biomechanik Dynamische translatorische Merkmale Merkmal Einheit Golfbeispiel Masse (m) Kilogramm [Kg] Gewichtsverteilung beim Schwung Kraft (F) Newton [N] Impact Kraftstoß (P) Kraft * Zeit [Ns] Impact Biomechanik Dynamische translatorische Merkmale Zusammenhang Masse-Kraft-KraftstoßGeschwindigkeit • Eine Masse übt durch die Gravitation eine Gewichtskraft auf den Boden aus. • Ein Kraftstoß ist ein Produkt einer Kraft F und der Zeit t ihrer Einwirkung auf einen Massenpunkt • Wirkt ein Kraftstoß auf eine Masse, so ändert sich ihre Geschwindigkeit m F g P F dt P v m Biomechanik Masse (Golf) Gewichtsverteilung beim Golfschwung (Isobarendarstellung) Biomechanik Kraft und Kraftstoß (Vertikalsprung) Sprunghöhe • Flugzeit 1 1 h g * 2 2t 2 • Absprunggeschwindigkeit 1 v2 h * 2 g Biomechanik Kraft und Kraftstoß (Golf) Schlaglänge (Schräger Wurf) 2 v0 2h0 g 2 W * (sin 0 sin 0 2 ) g v0 Biomechanik Rotatorische dynamische Merkmale Merkmal Einheit Beispiel Trägheitsmoment Kilogramm * m² Salto Drehmoment Newtonmeter [Nm] Halten einer Hantel Drehimpuls Newtonmeter * s [Nm * s] Pirouette beim Eislaufen Biomechanik Messmethoden der Dynamik Messung durch Kraftmeßplattformen, Druckmesssohlen, Kraftaufnehmer, Beschleunigungsaufnehmer Die biomechanischen Prinzipien Hochmuth, 1974 (ergänzt durch Wiemann, 1984; Baumann, 1989) Biomechanik Definition Biomechanische Prinzipien sind… allgemeine Kenntnisse über das rationelle Ausnutzen von mechanischen Gesetzen bei sportlichen Bewegungen … aber keine allgemeingültigen Gesetze oder Vorschriften ! 1. Prinzip der Anfangskraft 2. Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges 3. Prinzip der optimalen Tendenz im Beschleunigungsverlauf 4. Prinzip der zeitlichen Koordination von Teilimpulsen 5. Prinzip der Impulserhaltung 6. Prinzip der Gegenwirkung Biomechanik 1. Prinzip der Anfangskraft „Eine Körperbewegung mit der eine hohe Endgeschwindigkeit erreicht werden soll, ist durch eine entgegengesetzte (Aushol-)Bewegung einzuleiten“ Begründung Zielbewegung beginnt auf höherem Kraftniveau, wenn die Ausholbewegung abgebremst wird -> Kraftimpuls wird größer Biomechanik F Anfangskraft (Beispiel Vertikalsprung) t0 t1 t2 Counter Movement Jump Squat Jump t3 t4 t Biomechanik 2. Optimaler Beschleunigungsweg „Das Erreichen einer maximalen Endgeschwindigkeit einer Bewegung hängt von der optimalen Länge und Geometrie des Beschleunigungsweges ab. Länge Optimal heißt: Maximierung des Kraftimpulses Kurzer Weg –> Hohe Maximalkräfte, kurze Impulsdauer Langer Weg -> Geringere Maximalkräfte, längere Impulsdauer Geometrie Optimal heißt: geradlinig (Kugelstoßen) oder stetig gekrümmt (Diskuswurf) Biomechanik 3. Opt. Tendenz Beschleunigungsverlauf Die optimale Tendenz im Beschleunigungsverlauf ist von dem Ziel der Bewegung abhängig Beim Ziel hohe Endgeschwindigkeit • Größte Beschleunigungen am Ende der Strecke! • Beispiele: Kugelstoßen, Speerwerfen geringer Zeitverbrauch • größte Beschleunigung zu Beginn der Strecke! • Beispiele: Boxen, Fechten Biomechanik 4. Koordination von Teilimpulsen Die Geschwindigkeit des letzten Bewegers einer Bewegungskette wird maximal, wenn die Geschwindigkeitsmaxima der einzelnen Beweger sequenziell eintreten Mechanik Neuer Impuls, wenn vorheriger Beweger maximale Geschwindigkeit erzielt hat Begründung: Teilimpulse sind unabhängig - resultierende Geschwindigkeit ist additiv Biomechanik Neuer Impuls kurz nach Maximum des Vorherigen! Begründung: Teilimpulse sind nicht unabhängig. Abbremsen des vorherigen Bewegers verbessert die Beschleunigung des nächsten (Trägheitstiming, „Peitscheneffekt“) Biomechanik Koor. Teilimpulse (Beispiel Golfschwung) „Peitscheneffekt“ durch Handgelenkseinsatz Biomechanik Biomechanische Prinzipien Bilanz • Beschreibung der Optimalitätseigenschaften erfolgt qualitativ – keine quantitativen Aussagen • Nützlich um die Zweckmäßigkeit von Bewegungen zu bewerten • Keine Gesetze • Empirisch teilweise in Frage gestellt! Bilanz Biomechanik Biomechanische Betrachtungsweise • Objektive Erfassung des Außenbildes von Bewegungen • Kräfte sind keine „Ursachen“ im sportmethodischen Sinne • Ergebnisse müssen in die Praxis übersetzt werden (z.B. Morphologie) • Abhängigkeit von Messapparatur • Dilemma der Modellbildung Entweder: einfach, abstrakt, mit wenig Erklärungsgehalt Oder: mit viel Erklärungsgehalt, konkret, genau, dann sehr schwierig