Moderne Experimente der Kernphysik Wintersemester 2011/12 Vorlesung 15 – 09.01.2012 Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 1 Deformierte Kerne Nilssonmodell - deformiertes Schalenmodell Rotationen Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 2 Deformierte Kerne – Parametrisierung der Oberfläche • Entwicklung der Kernoberfläche nach Kugelflächenfunktionen (hier: nur Quadrupolterm) im Laborsystem • Wahl der Achsen des intrinsischen Koordinatensystems identisch zu den Hauptträgheitsachsen der Ladungsverteilung (a21 = a2-1 = 0) a0 cos a2 a2 1 sin 2 prolat : β 0, γ 0 oblat : β 0, γ 60 triaxial : β 0, γ 30 – Quadrupoldeformation – Grad der Abweichung von axialer Deformation prolat : β 0, γ 0 oblat : Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 β 0, γ 60 09.01.2012 3 Anisotroper harmonischer Oszillator Deformation bricht sphärische Symmetrie! Wir gehen vom 3-dim sphärischen (isotropen) harmonischen Oszillator (wx = wy = wz = w00) über zu einem anisotropen harmonischen Oszillator mit Axialsymmetrie um z-Achse (wx = wy wz ): wx w y w wx wy wz w w 1 w w0 1 13 0,95 w0 w00 1 4 3 10 8 2 3 0 w2 x 2 w2 y 2 6 2 wz m w2 x 2 y 2 w2z z 2 2m 2 2 2 wz2 z 2 V=m/2*w xi H z 3 0 2 16 27 1 3 6 4 2 0 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 xi Annahme: Kernmaterie ist inkompressibel ... Volumenerhaltung Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 4 Qualitative Folgerungen für Einteilchenorbitale Nukleonen, die sich in der x-y-Ebene bewegen haben eine höhere Energie (steileres Potenzial) als solche, die sich in der z--Ebene (flacheres Potenzial) bewegen. Einteilchenbild: Dies ist auch durch die kurzreichweitige anziehende NN-Wechselwirkung verständlich, da Orbitale in der z--Ebene mehr Überlapp mit der Dichteverteilung des prolaten Kerns haben und daher mehr angezogen werden. Dies bedeutet folgendes: • Aufspaltung der Einteilchenenergien • Aufspaltung hängt von der Orientierung des Drehimpulses ab • Aufspaltung hängt also von K, der Projektion von j auf die z-Achse, ab Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 5 Nilsson-Modell Schalenmodell mit einem anisotropen axialsymmetrischen harm. Oszi-Potenzial: Hamiltonian 2 2 m 2 2 2 2 2 H w x y wz z C L S D L 2m 2 Dies kann man auch schreiben als: 2 2 m 2 2 4 4 H w0 r C L S D L mw02 r 2 Y20 , m 2 35 2 Schalenmod ell mit H.O. Potential Hdef Quadrupoloperator Qˆ 2 r 2Y20 , .... Störungsrechnung Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 6 Energien des deformierten harmonischen Oszillators oblat prolat Neue Schalenabschlüsse bei Achsenverhältnissen 2:1 (Superdeformation) bzw. 3:1 (Hyperdeformation???) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 7 Klassifikation von Nilsson Orbitalen Da H von unabhängig ist, sind die Projektionen von Bahndrehimpuls L und auch Spin S Erhaltungsgrößen Im Nilsson-Modell werden die Eigenwerte von Lz und Sz mit L und S bezeichnet. K LS Die Eigenwerte des Nilsson-Hamiltonian werden für große Deformationen folgendermaßen bezeichnet: K Nnz L Für große Deformationen sind die Energien: • unabhängig von L, da die Terme L•S und L2 vernachlässigbar sind • abhängig von nz • unabhängig von K (im Gegensatz zum Verhalten bei kleinem ) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 8 Mittlere Deformationen Im mittleren Deformationsbereich kann man die Wellenfunktionen und Energien nicht einfach annähern, sondern muss den Hamiltonian vollständig diagonalisieren! K Nnz L ACHTUNG: • Bis auf K sind die anderen Quantenzahlen nur näherungsweise gut bei großen Deformationen. • Da nur K und die Parität gute Quantenzahlen sind, verbietet das Pauli-Prinzip die Kreuzung von Orbitalen mit gleichem K. • Daher kommt es zu vermiedenen Kreuzungen bzw. Zustandsabstoßung. Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 9 Nilsson Diagramm für N 20 Achtung, andere Nomenklatur! * [NnzLK] * Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 “Vermiedene Kreuzung” [110 1/2] und [101 1/2] bzw. [220 1/2] und [211 1/2] haben jeweils gleiche K-Quantenzahl und dürfen sich daher nicht kreuzen. 09.01.2012 10 Nilsson Diagramm für die 50-82 Schale Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 11 Nilsson Diagramm für die 82-126 Schale Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 12 Konfigurationsmischung N11 j1K1 r 2Y20 N2 2 j2 K2 Die nichtdiagonalen Matrixelemente der Quadrupolwechselwirkung sind groß zwischen Zuständen, die sich im Drehimpuls j um 2 Einheiten unterscheiden und die die gleiche Spinrichtung haben. Beispiele: 50-82 Schale: d5/2 s1/2 g7/2 d3/2 Ein Intruderorbital mischt nicht!! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 13 Die Ursache für Deformation Konfigurationsmischung N11 j1K1 r 2Y20 N2 2 j2 K2 Theoretische Untersuchungen zeigen: • pn Quadrupolwechselwirkung stark • pp und nn Quadrupolwechselwirkung erheblich schwächer Proton-Neutron-Quadrupolwechselwirkung verursacht Deformation!! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 14 Erweiterung des Modells der Einteilchenbewegung Nilsson Modell H.O. + L2 + L•S Entartung Quantenzahlen Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 15 Kernrotation Phänomenologische Betrachtung Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 16 Programm • Experimentelle Beobachtung ”Rotationsbanden” - Fusions-Evaporations-Reaktionen - Coulombanregung Kern mit vielen Valenzprotonen und –neutronen ist deformiert (p-n Quadrupol-Restwechselwirkung) • Phänomenologische Betrachtung der Kernrotation • Kopplung an intrinsischen Zustand (Coriolis WW) Wie kann man das deformierte Schalenmodell testen? Betrachte Anregungen deformierter Kerne und suche nach Hinweisen auf die Einteilchenstruktur, z.B. Effekte der Intruderorbitale Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 17 Kerneaktionen Zeitskala in Sekunden Transfer,Knockout Lgr “grazing collision” Kerne “streifen” sich gerade L<Lkrit Kerne fusionieren zu Compoundkern Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 18 Wirkungsquerschnitt für Kernreaktionen Drehimpuls ist mit Stoßparameter b korreliert! L=bxp Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 19 Rotation in Fusionsreaktionen Yrast – energetisch niedrigster Zustand bei gegebenen Drehimpuls Anregungsenergie und Drehimpuls wird Durch Emission von Teilchen (Neutronen bevorzugt, da keine Coulombschwelle) und Gammaquanten abgegeben Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 20 Berechnung von Wirkungsquerschnitten Berechnung mit statistischem Modell Verwendung eines Monte Carlo Codes, z.B. PACE (im LISE-Paket) (a) Kern wird gebildet mit Anregungsenergie E* und Drehimpuls L* (a1) Spaltung ODER (a2) Bildung von Compoundkern Wenn (a2) (b) Energie/Drehimpuls verteilt sich auf Nukleonen in Compundkern (Thermalisierung) Solange (E*>0, L*>0){ (c) Emission eines Teilchens mit Energie E’ und Drehimpuls L’ Emissionswahrscheinlichkeit f(E’,L’,Barriere(?), Phasenraum, ...) E* = E* - E’ L = L* - L’ } (d) Grundzustand ist erreicht Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 21 Wahl der Einschussenergie 124Sn(48Ca,xn)AYb Klassische Abschätzung: R( 48Ca) 1.2 481/ 3 fm 4.4 fm R(124Sn) 1.2 1241/ 3 fm 6 fm Z1Z 2 e 2 20 50 1.44 MeV fm VC 138.5 MeV R 10.4 fm 124 48 E Lab VC 192 MeV 124 Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 22 Wirkungsquerschnitte in [mb] aus PACE-Rechnung 124Sn(48Ca,xn)AYb Strahlenergie (Labor) in [MeV] 200 180 160 170 190 A=169 0 3.7 0 14.5 0 A=168 17.9 241 0 204 88.6 A=167 329 200 0 18 447 A=166 390 0.9 0 0 75.2 A=165 5.7 0 0 0 0 ... 180 MeV ist optimal für 4n-Kanal (höchster Wirkungsquerschnitt). Bei 170 MeV ist der 4n-Kanal allerdings “sauberer” (weniger 5n-Reaktionen) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 23 Ausgabe PACE (I) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 24 Ausgabe PACE (II) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 25 Ausgabe PACE (III) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 26 Ausgabe PACE (IV) Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 27 Typisches Rotationsspektrum 124Sn(48Ca,4n)168Yb Gamma-Energie Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 28 Anregungsspektrum von 168Yb Rotationsbanden Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 29 Anregungsspektrum von 168Yb • Fragen: - Rotationsbanden? – Warum gibt es viele Rotationsbanden in 168Yb? – Warum ist das Spektrum nicht das eines perfekten Rotors? – Wie kann man das Nilsson Modell hiermit testen? • Zunächst: –Betrachtung des idealen Rotors als Referenz Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 30 Ideale Rotationsspektren Klassisch: E rot L2 2 Quantenmechanik: E rot : Trägheitsmoment J J 1 2 2 192Hg E2 2 E E J 2 E J 2 J 3 2 4 E ( J 2 J , J J 2) const. Konstante Differenz der Gammaenergien ist ein Hinweis auf Rotation! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 31 Axialsymmetrischer Kern Warum kann axialsymmetrischer Kern quantenmechanisch nicht um seine Symmetrieachse rotieren? 1 3 2 Hamiltonian 3 2 R 1 2 H rot H rot Erot mit R i M R I J 3 K= Axialsymmetrie bedeutet: 0 R 3 Achse 3 ... also, Rotation um Symmetrieachse mit keinem Drehimpuls verbunden! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 32 Adiabatische Näherung Annahme: Durch die langsame kollektive Bewegung wird die intrinsische Bewegung nicht gestört!! Ψ Φkollektiv χ intrinsisc h H H koll H int H ww =0 in adiabatischer Näherung Die Adiabatenhypothese geht von folgender Annahme aus: ωkoll ωint 1MeV ~ 40 MeV 6 MeV A1 / 3 Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 33 Wellenfunktion in Labor und intrinsischem System z • Quantisierungsache im intrinsischen System fällt mit der Symmetrieachse zusammen: • intrinsischer Drehimpuls J mit Projektion auf Symmetrieachse • Rotationsdrehimpuls R • Totaler Drehimpuls I = R + J M R I J K • Projektion von I auf intr. Quantisierungsachse: K • Projektion von I auf Quantisierungsachse im Labor: M Gute Quantenzahlen: I, M, K Struktur der Wellenfunktion: I * 1,2 ,3 ,, IMK IMK DMK I * 1,2 ,3 IM ei3I z e DMK Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 i2 I y i1I z e 09.01.2012 IK 34 Axial symmetrischer prolater gg-Kern M R I J Alle Nukleonen zu J=0 abgepaart, also insgesamt intrinsisch J=0 (K=0) IMK K= 2I 1 I * I K DMK K 1 DMI *K K 8 J=0, =K=0 IMK 0 für ungerade I Nur Zustände mit geradem I möglich Falls K0: • minimales I = K • gerade und ungerade I: I = K, K+1, K+2, K+3 ... Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 35 Trägheitsmomente von Kernen Trägheitsmoment eines starren Rotationsellipsoiden rigid 2 Kugel 1 AMR02 1 13 5 1 3 Rlang Rkurz R0 Trägheitsmoment eines wirbelfreien flüssigen Rotationsellipsoiden („Oberflächenwelle“) irr. flow 2 AMR02 2 rigid 2 5 Trägheitmoment von Kernen liegt zwischen den betrachteten Extremen Grund: PaarungsWW produziert superfluide Phase aus korrelierten Cooper-Paaren Anschaulicher Vergleich: Rotation eines hartgekochten bzw. rohen Eis Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 36 Übergangswahrscheinlichkeit in Rotationsbande Ti f 8 1 E 2 2 1!! c 2 1 B , J i J f 1 B , I i I f I i Mˆ I f 2 Ii 1 2 Reduzierte Übergangswahrscheinlichkeit 1 1,22 109 E5 B E 2, I i I f Für einen axial symmetrischen Rotor: Matrixelemente im Laborsystem hängen mit denen im intrinsischen System über die Drehmatrizen zusammen: 2 M int E 2, M lab E 2, D Anfangs- und Endzustand haben gleiche intrinsische Struktur und damit gleiches K I i K Mˆ E 2, I f K 2 I i 1 I i K 20 I f K K er 2Y20 K ~ Quadrupolmoment Q Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 37 Quadrupolmoment eines deformierten Kerns eQkoll B E 2, I i 0 I f 0 16 K er 2Y20 K 5 5 2 2 e Q I i 020 I f 0 16 2 1 1,22 109 E5 B E 2, I i I f Zusammenhang zum Deformationsparameter : 3 eQ0 ZeR02 1 0,16 5 Die Messung der Übergangswahrscheinlichkeiten (z.B. über Coulombanregung) oder der Lebensdauern von Rotationszuständen ergibt ein direktes Maß für die Deformation des rotierenden Kerns!! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 09.01.2012 38 B(E2)-Werte in einer Rotationsbande Beispiel: Grundzustandsbande eines gg-Kerns (K=0) B E 2, I i 0 I f 0 5 2 2 e Q I i 020 I f 0 16 2 1 2 0 2 0 00 0,44721 2,0 B(E2;I -> I-2) / B(E2; 2 ->0) 1,22 109 E5 B E 2, I i I f 4 0 2 0 2 0 0,53452 1,5 6 0 2 0 4 0 0,56097 8 0 2 0 6 0 0,57394 1,0 10 0 2 0 8 0 0,58168 0,5 0,0 2 4 6 8 10 I Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 15 ClebschGordanKoeffizienten 09.01.2012 • • • 3 8 39