Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion Federführung: Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) unter Beteiligung der folgenden Fachgesellschaften: Österreichische AIDS-Gesellschaft (ÖAIG) Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG) Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) Gesellschaft für Virologie (GfV) Version 04_2012 Verabschiedung durch die AG ART Leitlinie am 22.02.2012 Annahme der aktuellen Version durch Mitgliederbeschluss der Deutschen AIDS Gesellschaft (DAIG) am 25.04.2012. Leitlinienkoordination: Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Stellbrink, Infektionsmedizinisches Zentrum Hamburg (ICH) c/o Sekretariat der Deutschen AIDS-Gesellschaft [email protected] Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 1 Graduierung Graduierung von Therapie-Leitlinien I II III Auf der Basis mindestens einer randomisierten Studie mit klinischen Endpunkten1 Auf der Basis von Surrogatmarkerstudien o. Kohortendaten Nach Expertenmeinung A Eindeutige Empfehlung AI A II A III B Im allgemeinen ratsam BI B II B III Vertretbar CI C II C III D Im allgemeinen abzulehnen DI D II D III E Eindeutige Ablehnung EI E II E III C Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 2 Therapiebeginn Klinik CD4+ TZusatzkriterien* TherapieLymphozyten/µl empfehlung HIV-assoziierte Symptome und Erkrankungen (CDC: C, B), HIV-Nephropathie, Alle Werte HAND AI < 200 - AI 200-350 nicht gegeben gegeben nicht gegeben AII BII BII CIII DIII Alle Werte - BII Alle Werte - CII Asymptomatische Patienten (CDC: A) gegeben 350-500 >500 Akutes retrovirales Syndrom mit schwerer/lang dauernder Symptomatik Asymptomatische/ gering symptomatische Serokonversion - Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 3 Zusatzkriterien für die Therapieeinleitung • Schwangerschaft • Alter >50 Jahre • HCV-Koinfektion • Therapiebedürftige HBV-Koinfektion • Hohes kardiovaskuläres Risiko (Framingham-Risiko >20%/10 J.) • Absinken der CD4+-Zellzahl • Plasmavirämie >100.000 Kopien/mL • Reduktion der Infektiosität Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 4 Bewertung einzelner Substanzen Hauptkriterien • Vergleich mit therapeutischem Standard in randomisierten Studien über mindestens 96 Wochen • Unterschiede in Wirksamkeit, Toxizität und Resistenzentwicklung • Anwendungseinschränkungen (z.B. CD4 bei NVP, HLA-B*5701 bei ABC) • Pharmakologische Vorteile (Koformulierung, fehlende Nahrungsrestriktion, geringe Medikamenteninteraktionen) Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 5 Bewertung Substanzen/Kombinationen Einstufung • „Empfohlen“ = Vorrangige/s Medikament/Kombination für die Primärtherapie. Es können Einschränkungen im Detail gemacht werden. • „Alternative“ = Mögliche Verwendung, falls eine der empfohlenen Optionen nicht sinnvoll erscheint oder nicht in Frage kommt. • „Nicht empfohlen“ = vertretbare Alternative in Einzelfällen, die Verwendung soll begründet erfolgen. • „Kontraindiziert“ = Verwendung ist nicht oder allenfalls in sehr sorgfältig begründeten Einzelfällen vertretbar. Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 6 Substanzwahl Efavirenz** Nevirapin*** NNRTI Rilpivirin**** Atazanavir/r Tenofovir + Emtricitabin Abacavir + Lamivudin* Tenofovir + Lamivudin + Darunavir/r Lopinavir/r PI/r Fosamprenavir/r Saquinavir/r Raltegravir empfohlen Alternative INI * nur für HLA-B*5701-Negative; Cave: evtl. erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, virologisch leicht unterlegen ** nicht bei Schwangerschaft und Frauen mit Kinderwunsch *** Cave: Hepatotoxizität erhöht bei Männer mit CD4+-Zellen >250,Faruen mit >400/µL **** Cave: Nicht bei HIV-RNA >100000 K/mL (keine Zulassung) Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 7 Substanzwahl Kombinationspartner 1 Kombinationspartner 2 NNRTI (empfohlen) - Efavirenz2 - Nevirapin3 - Rilpivirin4 Nukleosid-/ Nukleotidkombinationen empfohlen: - Tenofovir / Emtricitabin - Abacavir / Lamivudin1 Alternative: - Tenofovir / Lamivudin PI (empfohlen) + - Atazanavir/r - Darunavir/r - Lopinavir/r - Fosamprenavir/r Alternative - Saquinavir/r INI (empfohlen) - Raltegravir 1. 2. 3. 4. nur für HLA-B*5701-Negative; Cave: evtl. erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, virologisch leicht unterlegen nicht bei Schwangerschaft und Frauen mit Kinderwunsch Cave: Hepatotoxizität erhöht bei Männer mit CD4+-Zellen >250,Faruen mit >400/µL Cave: Nicht bei HIV-RNA >100000 K/mL (keine Zulassung) Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 8 Therapieerfolg und Therapieversagen • Therapieerfolg: Absinken der Plasmavirämie unter die Nachweisgrenze von 50 HIV-RNA-Kopien pro ml, sollte nach 3-4, max. 6 Monaten erreicht werden • Überprüfung der ART bei: • Abfall der HIV-RNA um weniger als 2 log10 nach vier Wochen oder • HIV-RNA >50 Kopien/mL nach sechs Monaten oder • Bestätigter Anstieg der Plasmavirämie auf >50 Kopien/mL Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 9 Resistenztestung Empfehlung Graduierung der Empfehlung Kommentare Bisher unbehandelte Patienten Primäre/ kürzliche Infektion Resistenztestung A II Meldung an das Serokonverterregister des RKI Resistenztestung empfohlen A II Wenn nicht schon vorher erfolgt Nach erstem Therapieversagen Resistenztestung generell empfohlen vor Therapiewechsel3 A II Abklärung der weiteren Ursachen des Therapieversagens unerlässlich Mit umfangreicherer antiretroviraler Vorbehandlung Resistenztestung2,3 generell empfohlen vor Therapiewechsel A II Abklärung der weiteren Ursachen des Therapieversagens unerlässlich In oder nach einer Therapiepause Resistenztestung u.U. sinnvoll, aber nicht zwingend D III Feststellung einer Reversion zum Wildtyp empfohlen Chronische Infektion, vor Beginn einer Therapie Behandelte Patienten Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 10 Therapie bei Versagen Initialtherapie NNRTI+ 2 NRTI PI/r+ 2 NRTI INI + 2 NRTI 1. Folgetherapie Diagnose des Therapieversagens (Viruslast, CD4, Resistenztest) und Klärung der Ursachen des Therapieversagens (Adhärenz, Resistenz, Wechselwirkungen , evtl. TDM) Bei NNRTI-Resistenz: PI/r+ 1-2 NRTI +/Etravirin* Bei PI-Resistenz: NNRTI+ 2 NRTI oder Altern. PI/r + 2 NRTI Bei NRTI-Resistenz: PI/r + altern. NRTI + Raltegravir und/oder Maraviroc* Weitere Folgetherapien Diagnose des Therapieversagens (Viruslast, CD4, Resistenztest) und Klärung der Ursachen des Therapieversagens (Adhärenz, Wechselwirkunge n, evtl. TDM, Resistenz) PI der 2. Generation, NRTI, Raltegravir, Maraviroc, Enfuvirtid, NNRTI der 2. Generation (Etravirine) ->mind. 2 gemäß Resistenztestung voll wirksame Substanzen; Hypersuszeptibilitäten berücksichtigen Bei INI-Resistenz PI/r +/- NNRTI +/- NRTI* Deutsch-Österreichische Letilinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion 4_2012 11