NRTI, NNRTI,PI, FI und ihre Kombinationen – wann was für wen? JÜRGEN K. ROCKSTROH, BONN Mit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) 1996 war erstmals eine erfolgreiche Therapie der HIV-Infektion möglich geworden, die nachfolgend in eine dramatische Abnahme HIV-assoziierter Morbidität und Mortalität eingemündet hat. Trotz der erfreulichen Therapiefortschritte zeigte sich jedoch, daß Kurz- und Langzeitnebenwirkungen der antiretroviralen Therapie ebenso wie die hohen Anforderungen an die Patienten Compliance den Langzeiterfolg der antiretroviralen Therapie deutlich beeinträchtigten. Nachfolgende Bemühungen in der Medikamentenentwicklung konzentrierten sich daher auf die Suche nach verbesserten Formulierungen und optimierten Substanzen, bei denen eine Reduktion der Tablettenzahl und Einnahmezeitpunkte bei gleichbleibender oder gar verbesserter antiretroviraler Wirksamkeit möglich war. Zusätzlich wurden Substanzen mit verbessertem Nebenwirkungsprofil entwickelt. Gegenwärtig stehen Präparate aus vier verschiedenen Wirkstoffklassen mit insgesamt 19 in Deutschland zugelassenen antiretoviralen Substanzen zur Verfügung. Zur Vermeidung einer Resistenzbildung wird eine antiretrovirale Therapie in der Regel nur als Kombinationstherapie verabreicht, wobei sich die Auswahl der Präparate am Stadium und Verlauf der HIV-Infektion sowie an den mentalen, psychischen, beruflichen und sozialen Voraussetzungen des Patienten orientieren sollte. Es sollten auch Begleiterkrankungen und Komedikationen und damit verbunden mögliche Medikamenteninteraktionen mit in die Entscheidung einbezogen werden. Für eine wirksame Initialtherapie steht eine Reihe von Optionen zur Verfügung. Die beiden wichtigsten Optionen sind die Kombination eines in der Regel geboosteten Proteaseinhibitors mit 2 nukleosidanalogen reverse Transkriptaseinhibitoren (NRTI) oder die Kombination eines NNRTI mit 2 NRTI. Bis vor kurzem war auch die Kombination von 3 NRTI als eine gleichwertige Option für die Initialtherapie angesehen worden. Bei inzwischen jedoch mehrfachen schlechterem virologischem Ansprechen in verschiedensten klinischen Studien bleibt diese Kombination als Initialtherapie nur einsetzbar, wenn eine PI- oder NNRTI-haltige Therapie nicht durchführbar ist, z. B. bei fortgeschrittener Lebererkrankung oder Interaktion mit verschiedenen Komedikationen, z.B. im Rahmen einer Tuberkulosebehandlung. Es ist darauf hinzuweisen, daß es in der Kombination von Tenofovir, Lamivudin und Abacavir sowie 2 Tenofovir, Lamivudin und Didanosin zu einer besonders hohen Rate an virologischem Versagen gekommen ist, so daß diese Dreifach-Nukleosidkombinationen grundsätzlich nicht eingesetzt werden sollten. Wenn eine Nukleosid/Nukleotidanaloga-Dreifachkombination initial eingesetzt wird, sollte sie auf jeden Fall einen Thymidinanalogon, also entweder Zidovudin oder Stavudin enthalten. Eine weitere Indikation oder Einsatzmöglichkeit für die 3 fach NRTI Therapie liegt in der Erhaltungstherapie, das heißt intial auf PI oder NNRTIhaltige Regime eingestellte Patienten mit nicht mehr nachweisbarer HI-Virusreplikation (< 50 HIV-RNA Kopien/ml) können bei Nebenwirkungen oder aus Vereinfachungsgründen entsprechend auf eine 3-fach NRTI-Therapie umgestellt werden. Therapienebenwirkungen oder virologisches Nichtansprechen können den Wechsel einer antiretroviralen Behandlung notwendig machen. Im wesentlichen wird ein virologisches Versagen definiert als persistierender Anstieg der HIV-RNA über 400 Kopien/ml. In der neu zu wählenden Kombination sollten möglichst viele noch wirksame Substanzen eingesetzt werden. Die neuen Medikamente sollten auf der Basis einer genotypischen Resistenzbestimmung ausgewählt werden. Im Rahmen der Behandlung von Patienten mit virologischem Versagen und bereits entstandenen Medikamentenresistenzen können die erst im letzten Jahr neu zugelassen Fusionsinhibitoren einen wirksamen Therapiebestandteil darstellen. Fazit Antiretrovirale Kombinationstherapien ermöglichen eine erhebliche Überlebenszeitverlängerung bei HIV-Patienten. Nach wie vor stellen jedoch die Langzeittoxizität und die notwendige konsequente Einnahme der Medikamente im Alltag eine erhebliche Herausforderung dar. Insbesondere die Beherrschung von Langzeitnebenwirkungen müssen angegangen werden. Bei einer kompletten Hemmung der Virusreplikation und Erreichen einer HIV-RNA < 50 Kopien/ml läßt sich jedoch bei anhaltender Verträglichkeit und unveränderter Therapietreue eine dauerhafte Suppression der Virusvermehrung erreichen. Die Suche nach vereinfachten Therapiestrategien und insbesondere nebenwirkungsärmeren Substanzen, aber auch nach neuen Substanzen mit Wirkung gegen resistente Virusstämme ist jedoch auch in der Zukunft weiterhin erforderlich.