(Word Datei): "Zur Entstehung von Suchterkrankungen"

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Es ist nicht zu übersehen, dass Schülerinnen und Schüler unserer Schulen mit ernsthaften Problemen zu
kämpfen haben. Deshalb hat die Schulpflegschaft Dr. Selle zu einem Vortrag eingeladen zum Thema
„Zur Entstehung von Suchterkrankungen“: Was ist mit unseren Kindern los?
Erfreulicherweise konnte Rektor Stephan Vielhaber ca. 30 Väter und Mütter begrüßen, die sich über dieses
Thema informieren wollten.
Wir danken Herrn Dr. Selle, dass er uns seinen weitgehend mündlich gehaltenen Vortrag nun in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt hat.
Zur Entstehung von Suchterkrankungen
von
Dr. med.Joachim Selle
Arzt f. Innere Medizin
Suchtmedizin
I
Befunde
•
ca. 2.5 Mio. Alkoholabhängige
•
ca. 10 Mio Nikotinabhängige
•
ca. 1.4 Mio. Medikamentenabhängige
•
ca. 120 000 Abhängige von Drogen (= illegalisierten Substanzen)
•
ca. 50 000 Spielsüchtige und nicht Stoff gebundene Suchterkrankungen
II
Definition
Sucht im Sinne der internationalen Klassifikationen der Erkrankungen wird als eine
körperliche, seelische und soziale Folge des Gebrauches psychotroper (= die psychische Befindlichkeit betreffend) Substanzen verstanden. Der Gebrauch muss zwanghaft weitergeführt werden.
III
Verbreitete psychotrope Substanzen und Süchte

legale psychotrope Substanzen: Alkohol und Tabak

illegale psychotrope Substanzen: Heroin, Kokain, THC (Haschisch), Amphetamine
2

IV

nicht Stoff gebundene Süchte: Spielsucht, Computersucht
Psychische und körperliche Wirkungen
Nikotin und Alkohol haben einen beruhigenden Effekt. Tabak und Alkohol sind in jeder Menge und Art als schädlich (toxisch) für Körperorgane zu bewerten.

Kokain und Amphetamine haben einen »aufputschenden« Effekt. Sie haben einen
geringen toxischen Einfluss.

Heroin (Opiate) und Haschisch (Cannabiol) sind unterschiedlich starke Beruhigungsmittel. Sie sind nicht als toxisch zu bewerten.

V

Alle Substanzen bewirken nach längerem Gebrauch ein Entzugssyndrom.
Sucht als Angstberuhigung
Nicht Stoff gebundene Suchterkrankungen wie Spiel-, Ess-, Mager-, Computersucht,
wirken Angst beruhigend ohne Substanz.

Auch selbst schädigendes Verhalten wie »Ritzen«, Zwänge wie Waschzwang können
als Angst beruhigendes, süchtiges Verhalten angesehen werden.

VI
Alkohol- und Nikotinkonsum steigen bei schulischem Stress.
Ursachen
1. Tiefenpsychologisch-biografischer Ansatz
Sucht ist oft der Ersatz für die fehlende oder gestörte frühkindliche emotionale Bindung
an die Mutter oder die erste Bezugsperson. Anders formuliert:

Emotionale Bindung meint eine Angst beruhigende, verlässliche Beziehung zwischen
Kind und Erziehern.

In den ersten Lebensjahren ist diese emotionale Bindung an die Mutter oder die erste Bezugsperson gestört gewesen. Das bewirkt eine lebenslängliche Störung der
emotionalen Stabilität, des Selbstwertgefühls. Diese Störung versucht der Suchtkranke durch Einnahme von psychotropen Substanzen zu lindern.
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2. Neurobiologische Ursachenketten
•
Suchtmittel verschiedener Substanzklassen, Opiate wie Heroin, THC= Haschisch, Nikotin, Alkohol bewirken im Gehirn die Freisetzung bestimmter Neurotransmitter- und
Hormonsysteme.
•
Damit geht eine Veränderung der psychischen Befindlichkeit einher.
3. Genetische Ursachen
Die Zwillingsforschung zeigt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen genetischer
Ausstattung und Suchterkrankung. Sucht kann vererbt werden.
4. Ursachen im sozialen Umfeld
Der systemische Ursachenansatz sucht die Suchtursache auch im sozialen Umfeld.
4.1. Ursachen im familiären Umfeld
•
•
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•
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•
ständige Spannungen und Disharmonie in der Familie
Alkohol und Drogengebrauch von Eltern und Geschwistern
mangelnde Glaubwürdigkeit und Konsequenz in der Erziehung
Familienbeziehung ohne Wärme, Verständnis und Akzeptanz
ernsthafte chronische psychische Störung eines Elternteils
Scheidung oder Trennung von einem Elternteil
Erfahrung körperlichen und sexuellen Missbrauchs
4.2. Ursachen im sozialen Umfeld
•
Die Peer Group (Gruppe gleichaltriger Freunde) hat einen erheblichen Einfluss auf
den Drogenkonsum Jugendlicher.
•
Überforderung im Beruf und in der Schule
•
geringe nachbarliche Bindungen
•
Delinquenz (Straffälligkeit) im sozialen Umfeld
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V
Konsequenzen für Eltern und Schule
1. Sich kompetent machen
•
Bindungsforschung/ Neurobiologie
•
Suchtpräventionsprogramme in der Schule
•
Suchtprävention im Kindergarten
2. Regelmäßiger Austausch
•
Pädagogische Gesprächsrunden für Lehrer
•
Pädagogische Gesprächsrunden für Eltern
•
Gemeinsame Eltern-Lehrer-Konferenzen
3. Persönliche Konsequenzen des Erziehers/ der Erzieherin
Z e i t h a b e n für den Aufbau des Selbstwertgefühls:
• Gemeinsame Mahlzeiten
• Verzicht auf ständige Medienberieselung
• Gespräche
• Zuhören/Fragen
• Mut machen
• in Krisensituationen beistehen, nicht verurteilen
• Grenzen setzen
• die Würde des Kindes / Schülers, auch des schwierigen Schülers / der schwierigen
Schülerin respektieren
Literaturempfehlungen
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Gebauer, Karl / Hüther, Gerald, Kinder brauchen Wurzeln: Neue Perspektiven für eine gelingende Entwicklung. Düsseldorf 2001. (14,90 Euro)
Gebauer, Karl / Hüther, Kinder suchen Orientierung: Anregungen für eine sinn-stiftende Erziehung,
Düsseldorf 2002. (16, 90 Euro)
Gebauer, Karl / Hüther, Kinder brauchen Vertrauen: Erfolgreiches Lernen durch starke Beziehungen,
Düsseldorf 2004. (16 Euro)
Gebauer, Karl / Hüther, Neues vom Zappelphilipp. ADS: verstehen, vorbeugen und behandeln. Düsseldorf 2002. (14,90 Euro)
Wolfgang Bergmann, Das Drama des modernen Kindes: Hyperaktivität, Magersucht, Selbstverletzung,
Düsseldorf 2003. (18 Euro)
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