Erkundungen Bilder u nd Texte Heinrich Steinemann Streifzug durch die Pflanzenwelt im Winter Alle Bilder sind in hochwertigem Fotodruck als Postkarten, Faltkarten oder in jedem gewünschten Format erhältlich Heinrich Steinemann Gerbistr. 5 8492 Wila [email protected] 2014 / 2015 Wolliger Schneeball Viburnum lantana Karl Blossfeld wurde mit seinem Buch "Urformen der Kunst" aus dem Jahre 1928 bekannt und berühmt. Es ging ihm darum, mit seinen Fotografien Anregungen und Vorbilder für plastisches Gestalten zu gewinnen. Sein Fachbereich war "Modellieren nach Pflanzen". Wäre diese den Winter durch wartende Knospe des wolligen Schneeballs nicht ein perfektes Beispiel dafür? Eine Vorlage der Natur, die auf künstlerische Umsetzung geradezu wartet? „VIBURNUM LANTANA“ Die Wörter "viburnum" und “lantana“ bedeuten beide „biegsam“. Die Zweige eignen sich zum Binden, und diese Eigenschaft war früher offenbar so geschätzt, dass es zu dieser doppelten Namengebung gekommen ist. Das weiche Mark füllt etwa 70% des Querschnitts aus. Die Rinde ist dünn und kaum zu knicken oder zu brechen. Gibt es noch andere Pflanzen bei uns, die ohne schützende Knospenhüllblätter auskommen? Viburnum lantana auf jeden Fall überlebt mit seiner Art des Kälteschutzes unsere strengsten Winter. Der Schutz besteht in einer dichten, filzigen Behaarung mit feinsten Sternhaaren, die alles Wasser abperlen lassen und vor Licht schützen. Immer wieder ist in der Beschreibung der Pflanzen von Sternhaaren die Rede. Hier sind sie nun einmal sichtbar gemacht. Die Gebärde der sich öffnenden Knospe... Die Pflanzenwelt, die nach aussen gekehrte Seele. Wir empfangen viel von den Pflanzen. Was können wir Ihnen geben? Im Gespräch sein, zugewandt, dankbar, das wäre schon viel. Aus dem letztjährigen Zweig entspringt das Neue. Hier das Bild des schon weitgehend vertrockneten Samenstandes. Die zuerst roten Beeren werden nach und nach schwarz, und zwar nicht alle gleichzeitig, so dass wir rote und schwarze nebeneinander sehen können. Im Volksmund heissen sie "Schwindelbeere. Die Pflanze ist leicht giftig, die reifen Beeren allerdings kaum noch. Die Beeren sind abgefallen oder wurden weggepickt. Übrig bleibt diese eindrückliche doldige Grundstruktur mit der dunkeln rötlichen Rinde. Mistel Viscum album Eine Pflanze, bei deren Wuchs es nicht oben und unten gibt! Die Gestalten fast aller Blütenpflanzen sind durch die Schwerkraft bestimmt, sie bilden sich aus, indem sie der Schwerkraft ihre lebendige Wuchskraft entgegensetzen. Die Mistel aber wächst in Kugelform. Sie hängt als Kugel zwischen Himmel und Erde, ihre Verbindung mit dem Licht wie mit dem Boden ist gering – das Wässrige und das Luftige sind ihre Elemente. Dazu passt, dass die Stengelstücke immer etwa gleich lang sind; ein lebendig variiertes Grundmass bestimmt ihre Gestalt. Die Misteln sind zweihäusig, sie tragen entweder weibliche oder männliche Blüten. Hier eine Beere aus der letztjährigen Befruchtung neben weiblichen Blüten, die sich bald noch mehr öffnen, um durch den Wind oder Insekten bestäubt zu werden. Die männlichen Blüten stehen dicht bei einander in doldigen, endständigen Blütenköpfchen. Die vier Blütenblättchen und einzelne Staubbeutel sind hier zu erkennen. Misteln sind Halbschmarotzer. Sie entziehen der Wirtspflanze Wasser mit darin gelösten Mineralstoffen. Die organische Substanz bauen sie mittels Fotosynthese in ihren immergrünen Blättern und Stengeln selber auf. Ob die Misteln der Wirtspflanze auch etwas zurückgeben, bleib vorerst eine Frage. Das Wachstum ist sehr langsam. Für ein Stengelstück von 50 cm braucht die Pflanze etwa 30 Jahre. Wenn Misteln sehr gross werden, kann es vorkommen, dass der Ast, auf dem sie wachsen, abstirbt. Dann hat sich die Mistel ihr eigenes Grab bereitet. Waldrebe Clematis vitalba Ganze Waldränder strahlen auf beim tiefen Sonneneinfall im Winter: das Licht verfängt sich in den lang behaarten Griffeln der Waldrebe und lässt sie wunderbar aufleuchten. Bei näherem Hinschauen entdeckt man die Samenstände, die mit ihrer Zentrierung von grossem Reiz sind. Als Flughilfe sind die behaarten Griffel nur wenig tauglich - es braucht schon einen kräftigen Windstoss, damit sie weggetragen werden. Dies geschieht meist erst im Frühling. Die Samen reifen im Laufe des Winters erst richtig aus. Die Waldrebe ist giftig wie fast alle Hahnenfussgewächse. Der Saft wurde früher von Bettlern eingerieben. Er reizt die Haut und lässt sie krank erscheinen, was die Bürger zum grosszügigeren Spenden verführte... Die Borke löst sich vom zentralen Holzteil und zerfällt in lange Streifen- es entsteht die Streifenborke vieler windender Pflanzen. Der Kern besteht aus weiten Gefäßen, durch die sich Luft blasen lässt. Man staunt, was geschieht, wenn man das eine Ende eines bis zu 40 cm langen Stücks ins Wasser taucht und auf der andern Seite hineinbläst! Brombeere Rubus fruticosus Das lateinische Wort „ frutex“ bedeutet Strauch, nicht zu verwechseln mit „fructus“ = Frucht. Es gibt in Mitteleuropa etwa 400 Kleinarten der Brombeere, dazu viele Züchtungen. Der Winter macht alles hart, kahl und trocken. Aber gerade dadurch entstehen neue Reize, Silbertöne, vielfaches Grau und Braun, und Strukturen treten hervor, die vorher nicht zu sehen waren. Die Beeren sind abgefallen, oder sie wurden von Vögeln weggepickt. Geblieben ist die Blütenscheibe mi t den vertrockneten Staubfäden. Auch die 5 Kelchblätter sind noch da, die weissen Blütenblätter sind längst abgefallen. Hasel Corylus avellana Früh im Jahr, manchmal schon im Dezember strecken sich die männlichen Kätzchen und streuen den Blütenstaub aus, etwa 2 Millionen Pollenkörner pro Kätzchen. Am Morgen fliegt noch kein Staub, erst nach 12 Uhr öffnen sich die Blüten. . Die Polen rieseln aus den Staubbeuteln auf das darunter liegende Deckblatt und werden von dort in die Welt hinaus geweht. Der frühe Blütenstaub der Hasel ist ein Wichtiges Futter für die Brut unserer Honigbienen. Ob wir eine Blattknospe oder eine Blütenknospe vor uns haben, zeigt sich erst, wenn die roten Narbenfäden aus der Knospe herausdringen. Im Herbst werden hier, wenn die Befruchtung erfolgreich war, die reizvollen Früchte mit ihren Mäntelchen stehen. Die roten Zünglein in Nahaufnahme. Jeweils zwei bilden die Narbe einer Blüte; diese Knospe enthält somit etwa 12 weibliche Blüten. Bergahorn Acer pseudoplatanus Wir kennen alle die zweiteiligen geflügelten Samenstände des Ahorns. In jeder der beiden Teilfüchte steckt ein glatter, kugelförmiger Samen. Hier hat er ausgetrieben. Bald werden die zwei Keimblättchen sich öffnen und das neue Pflanzenleben kann beginnen. Der Blick in die Samenhülle. Welchen Bedeutung mag diese anmutige Polsterung haben? Ist es der Schutz vor Frost und Hitze in der Zeit der Keimung? Oder ist an Feuchtigkeitsregulation zu denken und Schutz vor mechanischen Einwirkungen? Ein kleines Wunderwerk der Natur auf jeden Fall, diese Schutz bietende Hülle. Der Ahornpropeller dreht sich schnell, etwa 16 mal pro Sekunde. So werden die Samen bis zu 100 m rings um den Mutterbaum verbreitet – Wintersturm nicht eingerechnet. Die Samen sind sehr keimfreudig, überall erscheinen im Frühling die kleinen Ahornpflänzchen. In Grossbritannien ist der Baum dadurch zu einer Problempflanze geworden. Wechselblättriges Milzkraut Chrysosplenium alternifolium Chrysos heisst „Gold“. Im späten Winter leuchtet das Milzkraut in allen Abstufungen von Grün und Gelb zu Gold aus dem schattigen Dunkel des Waldes – eine Pflanze, bei der in beeindruckender Weise die gelbe Blütenfarbe das Blattwerk ergreift und es dadurch zur anziehenden Erscheinung werden lässt , anziehend nicht nur für die bestäubenden Fliegen und Käfer, sondern auch für uns als erstaunte Betrachter. Bei genauerem Hinschauen entdeckt man die beiden Griffel, die aus dem zweiteiligen Fruchtknoten emporsteigen. Damit wird die Familienzuordnung zu den Steinbrechgewächsen offensichtlich, denn bei ihnen entdecken wir ja immer jenen charakteristischen doppelten Fruchtknoten, der an ein Ziegeneuter erinnert. Die vier umgebenden, etwas fleischigen Blättchen bilden den Kelch, die Krone fehlt für gewöhnlich. In jedem Körbchen des Mauerlattichs sitzen genau fünf Blüten. Damit bekommen diese Körbchen eine strenge Form, was bei den Körbchenblütlern eine Besonderheit darstellt. Die fünf Einzelblüten bilden zusammen einen zentralsymmetrischen Stern, den wir im Sommer wieder sehen werden. Hier sind die winzigen Samen mit dem schneeweißen Pappus zu sehen. Schmerwurz Thamus communis Manchmal leuchten grosse rote Beeren aus dem Gebüsch am Waldrand - sie sitzen an langen, windenden Stängeln - es ist die Schmerwurz. Die herzförmigen Blätter sind jetzt nicht zu sehen. In Frankreich nennt man die Schmerwurz "herbe aux femmes batues“, Kraut der geschlagenen Frauen. Die leicht giftige Pflanze wirkt eben bei Rheuma und Prellungen... Waldweidenröschen Epilobium angustifolium Die Samen dieses späten Individuums wurden im Herbst nicht mehr vom Wind in die Welt hinaus getragen. An den Blüten des Waldweidenröschens hat Christian Konrad Sprengel im Jahr 1890 die Fremdbestäubung entdeckt, mithin die Tatsache, dass viele Blüten für die Befruchtung auf Insekten angewiesen sind, die den Blütenstaub zu den Narben anderer Pflanzen tragen. Welche neuen Einsichten warten wohl auf uns noch - Einsichten, die in hundert Jahren ebenso selbstverständlich sein werden, wie für uns heute die Fremdbestäubung? Skabiosen-Flockenblume Centaurea scabiosa Es geht die Sage, der Centauer Chiron, halb Pferd, halb Mensch, habe Herkules mit der Blüte einer Pflanze aus der Gattung der Centaureen geheilt - daher also der botanische Name. Hier sehen wir das vertrocknete Blütenkörbchen der SkabiosenFlockenblume . Die Hüllblättchen des vertrockneten Blütenkörbchens sind nun alle zurückgebogen, und ihre schwarzen Anhängsel sind weiß und hart geworden. In der Mitte sitzen noch die Samen, die mit Pappusborsten gekrönt sind. Sie scheinen eher geeignet, sich irgendwo anzuhängen als wegzufliegen. Stechapfel Datura stramonium Bei unserm Hauseingang wächst diesen Sommer eine kräftige Pflanze empor. Viele Jahre lang wuchs dort ein Giftbeere - aber dieses Jahr ist es erstaunlicher Weise eine anderes Nachtschattengewächs: der Stechapfel. Der kahle Stängel verzweigt sich in dem für viele Nachtschattengewächse charakteristischen Winkel. Wir treffen auf diesen auch bei den Tollkirschen in Waldschlägen. Ob es in beiden Fällen der gleiche Winkel ist? Im Sommer wird es sich nachprüfen lassen. Im Herbst springt die mit Stacheln bewehrte, kräftige Kapsel auf und die schwarzen, glänzenden Samen werden sichtbar. Die Scheidewand wird als "falsche" Scheidewand bezeichnet, da sie nicht zwei Fruchtanlagen trennt, wie dies bei den Schoten der Fall ist, sondern sich innerhalb einer Frucht ausbildet. Falsch ist dabei allerdings nichts. Die Samen können jahrelang im Boden überdauern und plötzlich steht ganz überraschend die kräftige Pflanze da. Der Stechapfel ist in allen Teilen höchst giftig. Von Anwendungsversuchen als Halluzinogen Ist abzuraten! In alten Zeiten aber flogen die Hexen über die Berge damit. Und zum Schluss Pinus sylvestris Die Waldföhre Hier spenden ihre Zapfen glühende Wärme in einer kalten Winternacht.