Über die Koordination von Kohlenmonoxid an Bis

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Über die Koordination von Kohlenmonoxid
an Bis(dithiolato)-Eisen-Komplexen [1]
On the Coordination of Carbon Monoxide on Bis(dithiolato)-Iron Complexes [1]
D. Seilmann, P. Kreutzer und E. Unger
Laboratorium für Anorganische und Analytische Chemie der GH Paderborn
Z. Naturforsch. 33b, 190-196 (1978); eingegangen am 12. Dezember 1977
Dithiolato Iron Carbonyl Complexes
The reaction of CO with iron salts in the presence of benzene-dithiol depends on the
oxidation state of iron, pH of the solution, temperature and CO pressure. In alkaline EtOH
one obtains labile cis-[Fe(CO)2(C6H4S2)2]2~" complexes, which cannot be isolated in the
solid state. On acidifying, oxidizing with O2 or heating the solution, the CO ligands are
split off; after reduction with NaBHi, CO can be co-ordinated again at pH > 7 under
normal conditions. Reacting benzene-l-thiomethyl-2-thiol in alkaline medium with Fe2+
and CO yields the isolable [cis-Fe(CO)2(CH3S-C6H4-S)2], which is characterized by elemental
analyses, IR, XH NMR and mass spectra. It is a labile complex coordinating CO reversibly.
1. Einleitung
Während über die Wechselwirkung von Kohlenmonoxid mit Eisen-Porphyrin- und verwandten
makrozyklischen Komplexen umfangreiche Untersuchungen existieren [2], ist bislang nur wenig über
die CO-Koordination an Eisen-Schwefel-Zentren
bekannt. Eisen-Komplexe, die gleichzeitig CO- und
Schwefel-Liganden enthalten, gehören fast ausnahmslos zur Klasse der Dithiolen- bzw. DithiolatoMetall-Komplexe und werden meistens durch Reaktion von Eisencarbonylen, z. B. Fe(CO)s, mit den
entsprechenden Dithiolen-Metall-Komplexen, 1.2Dimercaptanen, 1.2-Dithioketonen oder 1.1-Dithiocarbamaten dargestellt. Beispiele dafür sind die
Umsetzungen von Fe(CO)s mit [Fe(S2C2R2)2] bzw.
[Ni(S2C2R2)2] (R = C 6 H 5 ) ZU [{Fe(CO) 3 } n S 2 C 2 R 2 ],
{n = 1,2) [3], mit Toluol-1.2-dithiol zu [{Fe(CO) 3 } 2
(S 2 C 6 H 3 CH 3 )] [4] oder
mit
[S2C2(CF3)2]
zu
[Fe(CO) 3 S 2 C 2 (CF 3 ) 2 ] [5, 6]. Ein weiterer Syntheseweg ist die Reaktion von Eisencarbonylhalogeniden
mit 1.1-Dithiocarbamaten; z. B. ergibt Fe(CO)4Br2
mit Na[S 2 CN(C 2 H 5 )2] den Komplex [Fe(CO) 2 {S 2 CN
( C 2 H Ö ) 2 } 2 ] [ 7 ] , der auch durch direkte Einwirkung
von CO auf wäßrige Lösungen von FeS04 und
Na[S 2 CN(C 2 H 5 ) 2 ] erhalten werden kann [8a]. Eine
solche direkte CO-Koordination läßt sich ebenfalls
mit [Fe{S2C2(CF3)2}2]
Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. D. Sellmann,
Laboratorium für Anorganische und Analytische Chemie der GH Paderborn, Warburger Str. 100, D-4790
Paderborn.
beobachten, wobei der thermisch sehr labile Komplex [Fe(CO){S 2 C 2 (CF 3 ) 2 } 2 ] entsteht [8b], Die Anlagerung gasförmigen Kohlenmonoxids an EisenSchwefel-Komplexe unter Normalbedingungen stellt
jedoch die Ausnahme dar; während z. B. die Komplex-Ionen [Fe(S 2 C 2 R 2 ) 2 ] e (R = CH 3 , CN, C 6 H 5 ),
[Fe(S 2 C 6 H 3 CH 3 ) 2 ]© oder [Fe(S2C6Cl4)2]E bereitwillig
Phosphin-, Amin- und insbesondere NO-Addukte
liefern, ist die Koordination von CO an diese Komplexe nicht bekannt [9].
Unser Interesse an solchen Komplexen beruht
darauf, daß Nitrogenasen neben Molybdän einen
hohen Gehalt an Eisen und Schwefel aufweisen und
diese Elemente möglicherweise Bestandteil der
aktiven Zentren sind. Wir haben daher F e - S - K o m plexe im Hinblick auf die Koordination von N 2 und
CO untersucht und dabei zunächst Eisen-Benzol1.2-dithiol-Komplexe und Derivate davon studiert.
Eine Koordination von N 2 an solche Komplexe ließ
sich bislang nicht beobachten, bei der Untersuchung
des zu N 2 isoelektronischen CO haben wir aber festgestellt, daß die CO-Koordination an Fe-S-Zentren
in überraschender Weise von Druck, Temperatur,
pH, Oxidationsstufe des Eisens und sterischen Eigenschaften der S-Liganden abhängt.
2. Ergebnisse
Die mit dem System Fe 2 +/Fe 3+ /C 6 H 4 (SH) 2 /CO
beobachteten Reaktionen sind in Schema 1 zusammengefaßt. Die Umsetzungen von a) FeCl 3 mit
Dinatrium-benzol-1.2-dithiolat, Na 2 S 2 CeH 4 , b) FeCl2
mit Benzol-1.2-dithiol, C 6 H 4 (SH) 2 , wie auch c) FeCl2
mit Na 2 S 2 C 6 H 4 in Ethanol, EtOH, führen jeweils zu
schwarzroten Lösungen. Beim Einleiten von CO in
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F*3* ^ 2
* *
C$
• 2
EtOHi
20°C
EtOH|
20°C
(.AJ
'S
•CO
keine Reaktion
S
-U H® ||+£H®
Fe?* • 2 C SH
SH
EtOH|
20°C
191
(X)
-CO ,. +R^NJ
[R/NHFetS S)-
2®
•CO
keine Reaktion
Schema 1. Reaktionen im
System
Fe2+/Fe3+/C6H4
(SH)2/CO.
rs•
diese Lösungen wird eine CO-Koordination an
Eisen aber ausschließlich im letzten Fall beobachtet. Die Reaktion läßt sich IR-spektroskopisch verfolgen und ist nach 30 min vollständig (Abb. 1).
Das Auftreten von 2vco-Banden bei 1995 und 1942
c m - 1 weist auf zwei cis-ständige CO-Liganden bzw.
die Bildung von [ F e f C O k ^ C e H ^ ] 2 " hin. Dieses
Komplex-Ion ist thermo-, säure- und oxidationslabil. Beim Erwärmen der Lösung auf 70 °C, beim
Versetzen mit HCl oder beim Einleiten von 0 2 werden die beiden CO-Liganden quantitativ abgespalten. Anschließendes Abkühlen auf 20 °C und erneutes Einleiten von CO im ersten Fall bzw. Versetzen mit NaOH und Einleiten von CO im zweiten
Fall führen zur Rückbildung von
100%
[Fe(CO) 2 (S2C 6 H4)2] 2 -.
Abb. 1. vco-Spektrum einer EtOHLösung von
Fe2+/2 Na2[C6H4S2]
nach 30 min COEinleiten.
Die oxidierte Lösung läßt sich mit NaBH* reduzieren, wobei ihre Farbe nach rotgelb bis gelb umschlägt. Die Natur der darin enthaltenen Spezies ist
bislang unbekannt, Einleiten von CO in diese Lösung führt jedoch wieder zum Farbumschlag nach
schwarzrot und dem gleichen IR-Spektrum im rcoBereich wie vor der 0 2 -Oxidation (s. Abb. 1).
Das [Fe(CO)2(S 2 C 6 H 4 )2] 2 --Ion spaltet die COLiganden auch schon bei 20 °C langsam ab. Dies
läßt sich beim Einleiten von N2 oder Argon in die
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192
Lösung IR-spektroskopisch beobachten; innerhalb
zol* 1.2-dithiol beobachten, aber ebenfalls keine CO1 h sind beide vco-Banden vollständig verschwun- Addukte in Substanz isolieren.
den. Einleiten von CO führt zur erneuten AnlageWesentlich stabilere und isolierbare CO-Addukte
rung von CO. Bei diesen Versuchen ist auf absoluten
lassen sich erhalten, wenn statt Benzol-1.2-dithiol
Ausschluß von O2 zu achten, um eine Oxidation
das einfach methylierte Derivat Benzol-1-thiozum [Fe(S2C6H4)2]~-Ion zu vermeiden.
methyl-2-thiol, CH 3 S-C 6 H 6 -SH, als Ligand verwendet wird.
Eine Isolierung des [Fe(CO)2(S 2 C 6 H 4 )2] 2 --Ions gelingt nicht; Versuche, es mit [N(C4Hg)4]I auszuBei der Umsetzung nach Gl. (1):
fällen, führen zur Abspaltung von CO und der BilCO]
dung von [N(C4H9)4][Fe(S2C6H4)2], das sich auch
I S-OH3
s I CO
2
nach der Oxidation der [Fe(CO)2(S2C 6 H 4 ) 2 ] --LöEtOH
x
(i)
FeCl 2 + 2 C H 3 S - C 6 H 4 - S H • 2 CO
2 NaOEt CH3-S | N:o
sungen durch O2 mit [N(C 4 H9) 4 ]I ausfällen läßt.
Ebensowenig gelingt es, durch Wechsel der Lösungsmittel, Einsatz anderer Kationen oder Fällung
bilden sich zunächst schwach gelbgrün bis hellunter 100 bar CO das [Fe(CO) 2 (S 2 C6H 4 ) 2 ]2--Ion in
braun gefärbte Lösungen, die bereits bei p H < 7
Substanz zu erhalten; einfaches Abziehen der
CO absorbieren, wobei die Farbe sofort nach tiefrot
EtOH-Lösungen von Na 2 [Fe(CO) 2 (S 2 C 6 H 4 ) 2 ] führt
umschlägt und das [as-Dicarbonyl-bis(benzol-lzu einem schwarzen, CO-freien Produkt, das nach
dem Wiederauflösen in EtOH kein CO mehr anlagert.
methylthio- 2 -thiolato) -eisen(II)],
Bei Einsatz von Toluol-3.4-dithiol oder 1.2.3.4[Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ] 2 ,
Tetramethylbenzol-dithiol als Liganden lassen sich
gebildet wird. Bei Zugabe der stöchiometrischen
weitgehend die gleichen Reaktionen wie mit BenMenge von NaOEt wird die CO-Absorption erhöht
100%
50%'
-1
1992 cm
a)
1992 cm
b)
2038 cm"
2038 cm-1
0%L
un
5,3 L,7
5,3 U,7
-1
Abb. 2. vco-Spektrum
a) einer gesättigten
Lösung von
[Fe(CO)2(CH3SC 6 H 4 -S) 2 ] in EtOH
bei 20 °C,
b) nach 10 min Erhitzen auf 78 °C und
c) nach erneutem Einleiten (10 min) von
5.3(i CO bei 20 °C.
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und ist nach 10 min praktisch vollständig. Die
Reaktionen sowie die Bildung des cis-Dicarbonylkomplexes lassen sich wieder IR-spektroskopisch
anhand der beiden vco-Banden von
193
v o n 0 2 läßt sich die abwechselnde CO-Abspaltung
und -Anlagerung beliebig oft wiederholen und jeweils IR-spektroskopisch beobachten (Abb. 2).
Die thermische Labilität von
[Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ]
[Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ]
cm-1
bei 2038 und 1992
verfolgen. Bessere Ausbeuten dieses Komplexes werden bei der Umsetzung
von Li[CH 3 S-C 6 H4-S] mit FeCl 2 • 4 H 2 0 in THF
und anschließende Reaktion mit CO erhalten.
[Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ] löst sich mit tiefroter
Farbe gut in CH2C12, T H F , Aceton sowie Alkohol. In EtOH ist [Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ] bei
20 °C gegenüber 0 2 und Säuren relativ beständig ; beim Erhitzen auf 78 °C werden die CO-Liganden jedoch rasch und quantitativ abgespalten. Man
erhält dabei gelbgrüne Lösungen, deren Farbe bei
20 °C und Einleiten von CO unter Rückbildung von
[Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 ^3) 2 ] augenblicklich
wieder
nach tiefrot umschlägt. Bei absolutem Ausschluß
läßt sich auch im Massenspektrometer beobachten.
Das Signal für das Molekülion bei m/e 422 ist wegen
der Zersetzlichkeit der Verbindung nur mit der
Felddesorptions-Methode zu erhalten; beim Aufheizen der Probe auf 50 °C wird außerdem ein sehr
intensiver CO-Peak registriert. Weitere intensive
Peaks werden bei m/e 310
(CH 3 S-C 6H4—S—S—C eH 4 -SCH 3 - + )
und m/e 155 (CH 3 S-C 6 H 4 -S-+) beobachtet.
[Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ] läßt sich bei raschem
Arbeiten gut aus CH2C12 Umkristallisieren; mehrstündiges Aufbewahren solcher CH2C12-Lösungen
bei 20 °C führt jedoch zu partieller Zersetzung; im
100 %
50%
0%
a)
4.7
b)
53
47
d)
5,3 4,7
53
4,7
Abb. 3. vco-Spektrum einer a) gesättigten Lösung von [Fe(CO)2(CH3S-C6H4-S)2] in CH2C12 bei 20 °C, b) nach
10 min Rückflußkochen, c) nach 30 min Rückflußkochen und d) nach erneutem Einleiten (60 min) von CO
bei 20 °C.
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5,3p.
194
D. Sellmann et al. • Über die Koordination von Kohlenmonoxid an Bis(dithiolato)-Eisen-Komplexen 194
1 H-NMR-Spektrum
kann dann neben der CH 3 Resonanz von [Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H4-S)2] bei 2,70
ppm ein weiteres Signal bei 2,53 ppm beobachtet
werden.
Beim Rückflußkochen einer CH2Cl2-Lösung von
[Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H4-S)2] wird unter partieller Zersetzung annähernd 1 mol CO abgespalten. Im IRSpektrum verschwinden die beiden vco-Banden bei
2038 und 1992 c m - 1 und es tritt eine neue Absorption bei 1950 c m - 1 auf; sie ist wahrscheinlich dem
Monocarbonylkomplex [Fe(CO)(CH 3 S-C 6 H 4 -S)2] zuzuordnen, da beim erneuten Einleiten von CO der
Dicarbonylkomplex [Fe(CO) 2 (CH 3 S-C 6 H4-S)2] zurückgebildet wird (Abb. 3). Umsetzung der Monocarbonyl-Spezies mit O2 führt zu Zersetzung und
dem Verschwinden der Bande bei 1950 c m - 1 .
3. Diskussion
Die Koordination von Kohlenmonoxid an die
Fe-S-Zentren der [Fe(S 2 C6H 4 )2] n ~-Komplexionen,
(n — 1,2), weist eine überraschende Abhängigkeit
von CO-Druck, Temperatur, p H des Reaktionsmediums und Oxidationsstufe des Zentralmetalles
auf; es entstehen dabei labile CO-Komplexe, die
gemäß Gl. (2) dissozieren:
EtOH
[Fe(CO)2(S2C6H4)2]2[Fe(S2C6H4)2]2-
+
X
X
2 CO
(2)
Das Gleichgewicht gemäß Gl. (2) erklärt die reversible CO-Abspaltung und Anlagerung bei verschiedenen Temperaturen sowie die langsame Verdrängung von CO durch Inertgase. Demgegenüber ist
die pH-Abhängigkeit der CO-Koordination eher
durch die partielle oder vollständige Protonierung
der S-Atome der Liganden gemäß Gl. (3) zu deuten:
+ 4H+
[Fe(CO)2(S2C6H4)2]2-
X
X
— 4H+
[Fe{(HS)2C6H4}2]2+ +
2 CO
(3)
Die Protonierung erniedrigt die Nucleophilie der SLiganden und damit die Elektronendichte am Zentralatom; die dadurch erfolgende Schwächung der
7r-Rückbindungen zwischen dem Zentralmetall und
den CO-Liganden führt zur Abspaltung von CO.
Für eine solche Protonierung der Liganden spricht
auch die Beobachtung, daß bei der Umsetzung von
Fe(II)-Salzen
mit
dem
neutralen
Liganden
C6H 4 (SH) 2 und CO keine CO-Koordination erfolgt.
Die CO-Abspaltung bei dem Versuch, das
[Fe(CO)2(S2C6H 4 )2] 2- -Ion auszukristallisieren, könnte ebenfalls durch das Gleichgewicht gemäß Gl. (3)
bedingt sein; sie wird wahrscheinlich zusätzlich durch die große Dimerisationsneigung der
[Fe(S 2 C 6 H 4 )2] w --Ionen zu [Fe(S 2 C 6 H 4 )2] 2 2 *--Ionen
und dabei stattfindende Fe-S-Fe-Brückenbildung
begünstigt [6, 10]. Die gleichzeitig mit der Bildung
der [{Fe(S2C6Hi)2}2]2~-Ionen stattfindende Oxidation von Fe(II) zu Fe (III)-Zentren muß zur Reduktion eines anderen Reaktionspartners führen, dessen Natur allerdings bislang unbekannt ist.
Bei der Untersuchung der Benzol-l-thiomethyl-2thiolato-Fe-Komplexe stand der Gedanke im Vordergrund, die Dimerisierung der Fe-S-Einheiten
durch Einführung sperriger Gruppen am Liganden
zu unterbinden. Die größere Beständigkeit und
Isolierbarkeit von [Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H 4 -S) 2 ] deuten darauf hin, daß dies bereits mit CH 3 -Gruppen
erreicht werden kann. Wie die Umsetzungen mit
Säuren, die Einwirkung von O2 und das Erhitzen
in Lösung zeigen, bleibt bei der Methylierung jedoch
nur ein Teil der Eigenschaften des
[Fe(CO)2(S 2 C 6 H 4 )2] 2 --Ions
erhalten. Der neutrale Komplex
[Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H 4 -S)2]
ist verglichen mit dem [Fe(CO)2(S2C 6 H 4 ) 2 ] 2 --Ion
zwar ebenfalls thermolabil, aber wesentlich oxidations- und säurebeständiger.
Der Befund, daß das System Fe 2 +/CH 3 S-C 6 H 4 -SH
= 1 : 2 bereits im neutralen bis schwach sauren
Medium CO absorbiert, läßt sich am ehesten mit
dem Gleichgewicht nach Gl. (4) deuten:
x
Fe 2 + + 2 CH 3 S-C 6 H 4 -SH x
2
+
[Fe(CH3S-C6H4SH)2] ==^
+ 2 CO
[Fe (CH 3 S-C 6H4-S) 2] + 2 H +
>— 2H+
[Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H 4 -S)2]
(4)
Die Fe 2 + -Ionen und der neutrale Ligand ergeben
ein labiles Komplex-Ion, das partiell in den Neutralkomplex [Fe(CH 3 S-C 6 H 4 -S)2] und freie Protonen dissoziert; der Neutralkomplex lagert anschließend CO an. Da bei dieser Reaktion freie Protonen entstehen, wird die weitere Dissoziation erschwert und die CO-Anlagerung kommt zum Stillstand. Erst die Neutralisation der Protonen durch
Basen ermöglicht dann eine vollständige Carbonylierung von [Fe(CH 3 S-C 6 H4-S)2].
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195
Fe 2+ -Ionen bilden also sowohl mit (C6H4S2)2-als auch mit (CH3S-C6H4-S) - -Ionen Komplexe mit
zwei freien Koordinationsstellen, die reversibel
durch CO-Liganden besetzt werden können.
setzen der Lösung mit 1,36 g (20 mmol) NaOEt - es
tritt dabei keine Farbänderung auf - führt zur
Abscheidung von NaCl, das abfiltriert wird. Mit dem
erhaltenen Filtrat lassen sich die folgenden Reaktionen durchführen:
4. Experimentelles
4.2.2.
4.1. Alle Operationen wurden, soweit nicht anders
vermerkt, unter Ausschluß von Luft in N2- oder
argongesättigten,
absolutierten
Lösungsmitteln
durchgeführt. IR-Spektren wurden auf dem PE 21Spektrometer mit LiF-Prisma sowie dem PE 577Spektrometer der Firma Perkin-Elmer in KBr oder
CaF 2 -Küvetten vermessen. 1 H-NMR-Spektren wurden auf dem EM 390-Spektrometer der Firma
Varian aufgenommen. Die Massenspektren wurden
von HerrnProf. Dr. J. Müller, Berlin, mit einem MAT
311 A-Spektrometer der Firma Varian aufgenommen. Benzol-1.2-dithiol wurde nach I.e. [11] dargestellt, für die Synthese von Benzol-1-methylthio2-thiol wurde die in I.e. [12] angegebene Synthese
wie unten beschrieben modifiziert.
4.2.2.1. Abhängigkeit von Temperatur und pH
4.1.1. Darstellung von o-CH 3 S-C 6 H 4 -SH
27,8 g (0,2 mol) o-Methylthioanilin in 300 ml Et 2 0
werden vorsichtig mit 36 g (0,33 mol) konz. H2SO4
versetzt. In die auf 0 °C gekühlte Lösung werden
unter Rühren langsam 25 g (0,21 mol) iso-Amylnitrit zugetropft, wobei das gelbe Diazoniumsalz
ausfällt. Nach weiteren 10 min Rühren gibt man
100 ml Et20 hinzu, läßt absitzen und dekantiert die
überstehende Mutterlauge ab. Das Diazoniumsalz
wird zweimal mit je 20 ml Et20 gewaschen und anschließend unter Rühren bei 35 °C zu einer Lösung
von 115 g Natriumäthylxanthogenat in 300 ml H2O
gegeben. Unter heftigem Entweichen von Distickstoff scheidet sich ein rotes Öl ab; zur Vervollständigung der Reaktion wird noch 30 min auf 65 °C
erhitzt. Nach dem Abkühlen wird die Reaktionsmischung mit E t 2 0 extrahiert, das Et20 abgezogen
und das verbleibende rote ö l mit 60 g (1 mol) KOH
in 400 ml EtOH 1 h am Rückfluß gekocht. Der
Alkohol wird abgezogen und der Rückstand mit 1 1
H2O und konz. HCl bis zur deutlich sauren Reaktion
versetzt. Das sich abscheidende ö l wird mit Et20
extrahiert, die Ätherphase zweimal mit je 50 ml
H2O gewaschen und anschließend über Na2S0 4 getrocknet. Nach dem Abziehen des Äthers wird das
zurückbleibende rotbraune ö l im Vakuum destilliert. Man erhält 9 g hellgelbes ö l (Sdp. 90 °C/1 mm),
2 9 % d.Th. bezogen auf o-Methylthioanilin, das
unter Ausschluß von Luft gehandhabt wird.
Anlagerung und Abspaltung von CO
In die nach 4.2.1. erhaltene Lösung wird 1 h bei
RT CO eingeleitet; bei längerem Einleiten ist keine
Intensitätszunahme der vco-Banden im IR-Spektrum zu beobachten. Erwärmen der Lösung auf
70 °C führt innerhalb 20 min zur Entwicklung von
105 ml (4,7 mmol) CO, die über ein Hg-Ventil in
einer Gasbürette aufgefangen werden. Anschließend
wird erneut bei 20 °C 1 h CO eingeleitet, wobei die
gleiche Intensität der vco-Banden wie vorher erreicht wird.
Aus einem Tropftrichter mit Druckausgleich
werden 4 ml 5 N HCl zugetropft; es entwickeln sich
104 ml (4,7 mmol) CO. Bei erneuter Zugabe von
1,36 g (20 mmol) NaOEt in 4 ml EtOH wird wieder
NaCl abgeschieden; beim Einleiten von CO in die
Lösung wird im vco-Bereich dasselbe IR-Spektrum
wie oben beobachtet.
Während die Intensität der rco-Banden im geschlossenen System bei 20 °C über 3d nicht abnimmt, wird beim Durchleiten von N2 oder Ar
innerhalb von 1 h vollständiges Verschwinden der
vco-Banden beobachtet.
4.2.2.2. Abhängigkeit von Oxidation und Reduktion
In die CO-gesättigte Lösung wird 5 min bei R T O2
eingeleitet, wobei die vco-Banden im IR-Spektrum
vollständig verschwinden. Die Lösung wird halbiert ; die eine Hälfte wird mit 5 ml einer gesättigten
[N(C 4 H 9 ) 4 ]I/EtOH-Lösung versetzt. Es fallen
schwarze Kristalle von [N(C4H9)4][Fe(S2C6H4)2] aus.
Die andere Hälfte der Lösung wird mit 185 mg
(5 mmol) NaBHi versetzt; nach etwa 30 min bei
20 °C ist die ursprünglich schwarzrote Farbe der
Lösung nach gelb umgeschlagen. Beim Einleiten
von CO in diese Lösung tritt sofort Farbumschlag
nach rotviolett-schwarzrot auf und IR-spektroskopisch lassen sich wieder die beiden vco-Banden
bei 1995 und 1942 c m - 1 beobachten.
4.2.3. Versuche zur Isolierung von Na2[Fe(S2C6Hi)2]
500 mg (2,5 mmol) FeCl2 • 4 H 2 0 werden bei 20 °C
in 50 ml EtOH mit 780 mg (5,5 mmol) C 6 H 4 (SH) 2
und 1,43 g (21 mmol) NaOEt versetzt. Die schwarzrote Lösung wird a u f — 2 0 °C gekühlt und das ausgefallene NaCl abfiltriert. Das Filtrat wird zur
4.2.
Reaktionen des FeCl2/C6H4(SH)2-Systems
Trockne abgezogen, wobei ein schwarzer Rückstand
4.2.1. Darstellung von Na2[Fe(S2C6H4)2]-Lösungen erhalten wird, der noch NaCl enthält, das sich nicht
500 mg (2,5 mmol) FeCl2 • 4 H 2 0 werden in 50 ml abtrennen läßt. Beim Auflösen in H 2 0 / E t 0 H , FilEtOH mit 780 mg (5,5 mmol) C 6 H 4 (SH) 2 versetzt. trieren und Versetzen mit gesättigter [N(GiH9)4]I/
Beim Einleiten von CO in die tiefrote Lösung wird EtOH-Lösung fallen schwarze Kristalle aus, die als
keine Reaktion beobachtet. Anschließendes Ver[N(C4H9)4][Fe(S2C6H4)2] identifiziert werden. Ver-
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suche, das [Fe(S2C6H4)2]2~-Ion mit anderen Kationen auszufällen, schlugen ebenfalls fehl.
4.3.1. Darstellung von [Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H4-S)2]
a) Zu 1 g (5 mmol) FeCl 2 • 4 H 2 0 in 100 ml EtOH
wird eine Lösung von 1,6 g (10 mmol) Benzol-1methylthio-2-thiol in 20 ml EtOH getropft, wobei
eine dunkelgrüne Lösung entsteht. Nach Zugabe
von 700 mg (10,2 mmol) NaOEt in 10 ml EtOH
wird filtriert und in das Filtrat bei R T 2 h CO eingeleitet. Beim Einengen auf 30 ml am Wasserstrahlvakuum fällt ein braunroter Niederschlag aus, der
abfiltriert und getrocknet wird. Umkristallisation
aus Methylenchlorid bei 20 °C/—18 °C liefert tiefrote Kristalle von [Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H4-S)2]; Ausbeute: 0,87 g, 3 3 % d . T h . ; Zers.-Pkt. 108-110 °C;
Elementaranalyse: Gef. C 45,36; H 3 , 4 3 ; S 30,33;
Fe 1 2 , 9 4 % ;
Molmasse 437
(osmometrisch)
Ci6Hi 4 02S 4 Fe (422,4) ber.: C 45,50; H 3,34; S 30,36 ;
Fe 13,22%. i H - N M R (90 MHz, CD2C12, 36 °C, rel.
zu TMS in ppm); 7,3 (m, <5C6H4 (8)), 2,72 (s, dCH3 (6)).
MS (70 eV, T q 76 °C): M+ bei m/e 422. I R (KBr) in
c m - 1 : 3050 m, 2995 w, 2920 w, 2035 ss, 1980 ss,
1570 ss, 1550 s, 1465 w, 1455 ss, 1423 s, 1358 vw,
1315 w, 1307 w, 1280 m, 1242 s, 1155 w, 1127 w,
1095 s, 1040 m, 1015 w, 965 s, 935 w, 852 vw, 742 ss,
[1] Reaktionen an komplexgebundenen Liganden, 24.
Mitteilung, 23. Mitteilung: D. Sellmann und W.
Weiss, Angew. Chem. 89, 918 (1977); Angew.
Chem. Int. Ed. Engl. 16, 880 (1977).
[2] Vgl. dazu V. L. Goedken, S. M. Peng, J. A. MolinNorris und Y. Park, J. Am. Chem. Soc. 98, 8391
(1976) und dort zitierte Literatur.
[3] G. N. Schrauzer, V. P. Mayweg, M. W. Fink und
W. Heinrich, J. Am. Chem. Soc. 88, 4604 (1966).
[4] R. B. King, J. Am. Chem. Soc. 85, 1584 (1963).
[5 a] J. Miller und A. L. Balch, Inorg. Chem. 10, 1410
(1971);
[5b] A. Davison, N. Edelstein, R. H. Holm und A. H.
Maki, Inorg. Chem. 3, 814 (1964).
[6] Vgl. dazu die Übersicht: J. A. McCleverty, Progr.
Inorg. Chem. 10, 49 (1968).
[7] F. A. Cotton und J. A. McCleverty, Inorg. Chem.
3, 1398 (1964).
700 w, 658 m, 630 s, 608 w, 567 s, 532 s, 483 w,
470 vw, 432 m, 385 m.
b) Bessere Ausbeuten lassen sich nach folgendem
Verfahren erzielen: Unter Argon werden in T H F
bei — 78 °C 1,6 g (10,2 mmol) Benzol-1-methylthio2-thiol mit 10,2 mmol ?i-Butyllithium metalliert.
Nach Aufwärmen auf R T und Wiederabkühlen auf
— 7 8 °C wird 1 g (5 mmol) FeCl 2 • 4 H 2 0 in fester
Form zugegeben und erneut auf R T erwärmt. Die
Lösung verfärbt sich gelbgrün bis bräunlich. (Geringste Spuren von O2 führen zu sofortiger Schwarzfärbung!) Beim Einleiten von CO erhält man eine
rotbraune bis tiefrote Lösung. Nach 2 h CO-Einleiten wird zur Trockne abgezogen, der Rückstand
bei 20 °C in 50 ml CH2CI2 aufgenommen, auf 25 ml
eingeengt und mit 25 ml Pentan überschichtet.
Beim Abkühlen a u f — 2 5 °C fallen 1,6 g (75% d.Th.
bezogen auf eingesetzten Liganden) tiefrote Kristalle von [Fe(CO)2(CH 3 S-C 6 H 4 -S)2] aus.
Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Verband der Chemischen Industrie - Fonds der Chemischen Industrie in großzügiger Weise unterstützt, wofür wir an
dieser Stelle noch einmal unseren herzlichen Dank
aussprechen möchten.
[8a] H. Büttner und R. D. Feltham, Inorg. Chem. 11,
971 (1972);
[8b] J. S. Miller, Inorg. Chem. 14, 2011 (1975).
[9a] J. A. McCleverty, N. M. Atherton, N. G. Connelly und C. J. Winscoin, J. Chem. Soc., Ser. A
1969, 2242;
[9b] J. G. Dance und Th. R, Miller, Inorg. Chem. 13.
525 (1974);
[9c] J. A. McCleverty, N. M. Atherton, J. Locke, E.
J. Wharton und C. J. Winscom, J. Am. Chem.
Soc. 89, 6082 (1967);
[9d] A. L. Balch, Inorg. Chem. 6, 2158 (1967);
[9e] A. L. Balch, Inorg. Chem. 10, 276 (1971).
[10] R. Eisenberg, Progr. Inorg. Chem. 12, 295 (1970).
[11] I. Degani und R. Fochi, Synthesis 7, 471 (1976).
[12] S. E. Livingstone, J. Chem. Soc. 1956, 438.
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