Kapitel 14: GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN Einleitung

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Kapitel 14: GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Inhalt:
EINLEITUNG ............................................................................................................................ 223
EINIGE METHODEN ZUR CHARAKTERISIERUNG BIOLOGISCHER MAKROMOLEKÜLE ............................ 223
DEFINITION STOFFMENGE......................................................................................................... 224
DEFINITIONEN FLÜSSIGKEITEN ................................................................................................... 225
OSMOTISCHER DRUCK ............................................................................................................. 225
ZENTRIFUGATION .................................................................................................................... 227
ELEKTROPHORESE .................................................................................................................... 242
RÖNTGENSTRUKTURANALYSE .................................................................................................... 252
KERNRESONANZSPEKTROSKOPIE (NMR) ..................................................................................... 254
STRÖMUNG UND VISKOSITÄT.................................................................................................... 255
LITERATUR .............................................................................................................................. 265
Einleitung
Größe und Struktur bestimmen die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten chemischer
Reaktionen zwischen den Molekülen; sie bestimmen aber auch die Beweglichkeit der
Moleküle im umgebenden Medium, den Transport durch Membranen, und die Fähigkeit,
Information zu speichern und zu transportieren.
Es gibt zahlreiche Methoden, mit denen
unterschiedlichen Kriterien ermittelt werden.
die
Eigenschaften
der
Moleküle
nach
Einige Methoden zur Charakterisierung biologischer
Makromoleküle
Methode
Aussagen über
Osmotischer Druck
Diffusionskoeffizient
Sedimentationsgeschwindigkeit
Sedimentationsgleichgewicht
Elektrophorese
Elektronenmikroskopie
Elektronenbeugung
Lichtstreuung
Röntgenlichtstreuung
Ar oder Mr
molekulares Volumen
molekulares Volumen
Ar oder Mr
Ladung, Form und Größe
Form und Größe
zwischenmolekulare Räume
molekulare Anisotropie und Ar
Form und Größe
223
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Röntgeninterferenz
Viskosität
Strömungsdoppelbrechung
elektrische Doppelbrechung
dielektrische Dispersion
Rotationsdispersion
Kernmagnetresonanz (NMR)
Lage der Atome
Molekülform + gebundenes Wasser
Molekülform + gebundenes Wasser
Molekülform + gebundenes Wasser
Molekülform + gebundenes Wasser
Helixstrukturen
Molekülstruktur (Tomographie)
Definition Stoffmenge
Die Größe Stoffmenge mi beruht auf der "Abzählbarkeit" einzelner Teilchen (Atome, Moleküle,
Radikale, Ionen, Elektronen, Nukleonen, Photonen).
Die Einheit der Stoffmenge ist das Mol [mol].
Die Stoffmenge 1 mol enthält bei allen Stoffen die gleiche Anzahl von Teilchen (AvogadroKonstante):
L = 6,02205
× 1023 mol-1 (Moleküle / 1 mol idealen Gases)
Ein System mit der Stoffmenge 1 mol besteht aus ebenso vielen unter sich gleichen (oder als
gleich betrachteten) Individuen, wie Atome in 0,012 kg des Kohlenstoffnuklids 12C enthalten
sind.
Die Masse eines Moleküls oder Atoms wird immer relativ zum Bezugsnuklid 12C angegeben.
Die Angabe Atomgewicht oder Molekulargewicht ist daher nicht richtig, da nicht das Gewicht
eines Atoms oder eines Moleküls bestimmt wird, sondern nur Atom- bzw. Molekülmassen
miteinander verglichen werden. Man spricht daher von
(relativer) Atommasse Ar oder (relativer) Molekülmasse Mr.
Die Gesamtstoffmenge einer Mischung ergibt sich aus der Summation der einzelnen Stoffe.
Ar =
mi
12,000
m12C
mi: mittlere Masse des Atoms der Sorte i im natürlichen Elementgemisch.
Ar hat keine Einheit! Sie ist der Quotient aus zwei Massen! In der Molekularbiologie hat sich
dafür die Angabe Dalton (d) eingebürgert.
224
BIOPHYSIK DER ZELLE
Element
Ar
H
1,01
C
12,01
N
14,01
O
16,00
Beispiel: 3 M KCl Lösung enthält wieviel g KCl im Liter?
Relative Atommasse von K: 39; von Cl: 35,5
-> molare Masse für KCl: 74,5
-> In einem Liter 3 M KCl Lösung sind 223,5 g KCl enthalten.
Definitionen Flüssigkeiten
Lösungsmittel
Lösung
gesättigte Lösung
Mischung
Suspensionen
Emulsion
Löslichkeit
Konzentration
einmolare Lösung
einmolale Lösung
Wasser, Alkohol
Gemisch aus Lösungsmittel und gelöstem Stoff; echte Lösung,
wenn jedes Molekül des gelösten Stoffes gleiche Anzahl
Wassermoleküle anlagert
Lösung nimmt keine Substanz mehr auf, wird mehr Substanz
hinzugegeben, so fällt diese aus
Flüssigkeiten können entweder in beliebigen Mengenverhältnissen
(Wasser/Alkohol) oder nur in bestimmten Mengenverhältnissen
(Wasser Äther) gemischt werden (Schichtung). Bei Mischung kann
es zu starker Volumenänderung kommen (Wasser - Alkohol).
Molekularkräfte
innige Vermischung aber keine molekulare Verteilung der
Substanz im Lösungsmittel; Teilchengröße kann auch im Bereich
von kolloidalen Partikeln liegen. Blut
Zwei nicht mischbare Flüssigkeiten (Öl / Wasser) Milch
hängt von Druck und Temperatur der Lösung ab
Menge Substanz pro Lösung
Gewichtsprozente: (w/w) g Subst. / 100 g Lösung
Gewicht/Volumen: (w/v) g Subst. / Vol. Lösung
Volumenprozent: (v/v) ml Subst. / 100 ml Lösung
in 1 l Lösung ist 1 Mol Substanz gelöst
in 1000 g Lösungsmittel ist 1 Mol Substanz gelöst
Osmotischer Druck
Osmose ist die Diffusion von Molekülen durch eine semipermeable Membran. Trennt man
eine Zuckerlösung von reinem Wasser durch eine semipermeable Membran, die nur
Wassermoleküle passieren lässt, dann wird die Zuckerlösung im Laufe der Zeit durch die
eindiffundierenden
Wassermoleküle
verdünnt.
Mit
der
damit
verbundenen
Volumenzunahme
ist
eine
hydrostatische
Druckerhöhung
verknüpft.
Ein
225
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Gleichgewichtszustand stellt sich ein, wenn im zeitlichen Mittel keine Wassermoleküle mehr
in die Zuckerlösung gelangen. Der dem hydrostatischen Druck entsprechende Druck der
Lösungsmittelmoleküle, wie z. B. Wasser, heißt Osmotischer Druck.
∆p = ρ g ∆h
Lösungsmittel
impermeabler ∆h
Osmolyt
∆c
∆π = RT ∆c
Abb. 169: Pfeffersche Zelle
semipermeable
Membran
Da verdünnte Lösungen wie ein Gas behandelt werden können, wird der osmotische Druck
formal wie ein reales Gas beschrieben:
Ideales Gas nach Boyle-Marriotte:
pV=RT
wenn N Mol des Gases betrachtet werden:
pV=NRT
Bei einem realen Gas:
2


N
N
p V = N R T 1 + B   + C   + ....
V
V


wobei B und C als Virialkoeffizient bezeichnet werden.
226
BIOPHYSIK DER ZELLE
Unter Berücksichtigung der van der Waals Kräfte lautet die Gleichung:
a 

 p + 2  (V - b ) = N R T
V 

dabei ist V das Molvolumen, a/V2 der Innendruck und b das vierfache Eigenvolumen der
Gasmoleküle.
Der osmotische Druck π entspricht dem Druck p und die Konzentration der gelösten
Substanz c entspricht der Anzahl N der Gasmoleküle.
π =RTc
Van't Hoffsches Gesetz (1886)
Zentrifugation
Die Auftriebskraft (Gesetz des Archimedes)
Ein Körper, der in eine Flüssigkeit eingetaucht wird, zeigt einen scheinbaren Gewichtsverlust.
Die Ursache ist eine Kraft, die der Gravitationskraft FG (= Gewichtskraft) entgegenwirkt: die
Auftriebskraft FA. Mit zunehmender Tiefe nimmt der hydrostatische Druck in einer Flüssigkeit
zu, daher wirkt auf einen in die Flüssigkeit gebrachten Körper auf seine Oberseite ein
geringerer Druck als auf seine Unterseite. Diese Druckdifferenz bewirkt den Auftrieb, wie sich
an einem rechtwinkeligen Körper mit der Höhe ∆ h zeigen lässt (Abb. 170).
Allgemein gilt für den hydrostatischen Druck p:
p = h ρL g
h = Höhe, Entfernung von der Oberfläche
ρ L = Dichte der Flüssigkeit; g = Erdbeschleunigung (= 9,81 ms-2)
Abb. 170: Auftriebskraft FA
Auf die Oberseite des Körpers in Abb. 170 wirkt der hydrostatische Druck:
227
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
p oben = h 1 ρ L g
und auf die Unterseite:
p unten = h 2 ρ L g
Da h1 < h2 ist auch p oben < p unten.
Es ergibt sich ein resultierender Druck ∆ p, der nach oben gerichtet ist
∆ p = p unten - p oben = (h 2 - h 1 ) ρ L g = ∆ h ρ L g
Die Fläche A des Körpers bestimmt mit dem Druck die resultierende Kraft FA
(Auftriebskraft, da nach oben gerichtet)
FA = A ∆ p = A ∆ h ρ L g
Das Volumen der verdrängten Flüssigkeit ist gleich groß wie das des eintauchenden Körpers,
nämlich V = A ∆ h . Die Masse der verdrängten Flüssigkeit ist daher m L = A ∆ h ρ L . Die
Gravitationskraft FG der verdrängten Flüssigkeit (FG = m L g) ist also dem Betrag nach, aber
nicht in der Richtung, gleich der statischen Auftriebskraft FA :
FA = V ρ L g = m L g
Sedimentation
Ein Körper sinkt (sedimentiert) in einer Flüssigkeit, wenn die auf ihn wirkende
Gravitationskraft FG größer ist als die Auftriebskraft FA. Eine solche Sedimentation erfolgt
immer dann, wenn die Dichte des Körpers größer ist als die Dichte des Lösungsmittels. Dieser
Zusammenhang lässt sich ebenfalls aus dem Archimedischen Gesetz herleiten: In der
Flüssigkeit wirkt auf eine Partikel der Masse m p die Gravitationskraft FG
FG = m p g
und die Auftriebskraft FA, die der Gravitationskraft entgegengesetzt ist:
FA = m L g
Da das Volumen VP =
mP
ρP
der eingetauchten Partikel und das Volumen VL =
von ihm verdrängten Flüssigkeit gleich sind, folgt:
228
mL
ρL
der
BIOPHYSIK DER ZELLE
mP
ρP
=
mL
ρL
mL = m P
ρL
ρP
Die Sedimentationskraft FS ergibt sich aus der Summe von Gravitations- und Auftriebskraft,
die einander entgegengerichtet sind.
FS = FG + FA
FS = m P g - m L g
Es folgt:
FS = m P g - m P
Diese
Sedimentationskraft
FS
 ρ 
ρL
g = m P g 1 - L 
ρP
 ρP 
bewirkt
das
Absinken
eines
Teilchens
mit
der
dx
. Anfänglich ist diese Bewegung beschleunigt, wobei
dt
dx
mit zunehmender Geschwindigkeit die Reibungskraft FR = f
proportional ansteigt.
dt
Sedimentationsgeschwindigkeit v =
Sobald die Reibungskraft gleich der Sedimentationskraft ist, stellt sich eine gleichförmige
Bewegung (Sedimentationsgeschwindigkeit) ein.
f
 ρ 
dx
= m P g 1 - L 
dt
 ρP 
Der Proportionalitätsfaktor f = 6 π η r ist der Reibungskoeffizient für kugelförmige
Moleküle mit dem Radius r (Stokes). η = Viskosität des Lösungsmittels.
 ρ
m P g 1 - L
dx
 ρP
=
dt
6π η r

 ρ
 ρ P V g 1 - L
=
 ρP
6π η r



dx
lässt sich also die mittlere Masse der
dt
Partikel ermitteln. Für das Verhalten einer Partikel im Lösungsmittel gilt daher:
Aus der Sedimentationsgeschwindigkeit
ρ L = ρ P FS = 0 Schweben (Gleichgewicht)
ρ L < ρ P FS > 0 Sinken
(Sedimentation)
229
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
ρ L > ρ P FS < 0 Steigen
(Auftrieb)
Partikel sedimentieren also immer dann, wenn sie eine relativ größere Dichte besitzen als das
Lösungsmittel, sie reichern sich also in Bodennähe an. Eine höhere Partikelkonzentration wird
durch Diffusionsbewegungen begrenzt, so dass mit der Sedimentation nur dann Material
angereichert wird, wenn die Diffusionsgeschwindigkeit v D wesentlich geringer ist als die
Sedimentationsgeschwindigkeit v S. Im Schwerefeld der Erde ist dies für große Partikel wie
z.B. bei der Blutsenkung der Fall, kleine Partikel können jedoch auch angereichert werden,
wenn die Gravitationskraft entsprechend vergrößert wird.
Zentrifugalkraft
Allgemeines
Ein mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω =
dϕ
dt
um ein Zentrum 0 im Abstand r
rotierender Körper der Masse m (Bahngeschwindigkeit v = ω r) erfährt eine zum Zentrum
hin gerichtete Radial- oder Zentripetalbeschleunigung a:
a =ω2 r
Für einen mit dem System rotierenden Beobachter bewegt sich der Körper beschleunigt radial
nach außen. Auf den Körper wirkt die radial nach außen gerichtete Zentrifugalkraft FZ:
Fz = m a = m ω 2 r
Zwischen der Bahngeschwindigkeit v und der Winkelgeschwindigkeit besteht folgender
Zusammenhang:
v =ω r
für ω = konst. gilt:
ω =2π ν =2π
Upm
60
Upm = Umdrehungen pro Minute,
ν = Umlauffrequenz
230
BIOPHYSIK DER ZELLE
Trennung von Teilchen in einer Zentrifuge
In
einer
Zentrifuge
bewegt
sich
eine
Partikelsuspension
mit
konstanter
Winkelgeschwindigkeit auf einer Kreisbahn. Dabei wirkt auf eine Partikel der Masse mP die
Zentrifugalkraft FZ :
FZ = m P ω 2 r
Die Partikel der Masse mP verdrängt Flüssigkeit der Masse mL. Dies bewirkt eine Auftriebskraft
FA, die dem Betrag nach gleich, der Richtung nach aber entgegengesetzt der Zentrifugalkraft
auf die verdrängte Flüssigkeitsmasse mL ist:
FA = m L ω 2 r
Die Sedimentationskraft FS ergibt sich wiederum aus der Summe von Zentrifugalkraft FZ und
Auftriebskraft FA.
FS = FZ + FA
 ρ
= m P ω 2 r 1 - L
 ρP
Unter der Wirkung der Resultierenden FZ + FA
Geschwindigkeit



bewegt sich die Partikel mit der
dr
in radialer Richtung und wird dabei durch den Reibungswiderstand der
dt
umgebenden Flüssigkeit abgebremst. Die Reibungskraft
FR = f
dr
ist wiederum der
dt
bewegenden Kraft entgegengerichtet.
Für stationäre Sedimentation lautet das Kräftegleichgewicht:
FZ + FA + FR = 0
ω 2 r mP - ω 2 r mL - f
ω 2 r (m P - m L ) = f
dr
=0
dt
dr
dt
231
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Der g-Wert
Fällt ein Körper frei, d.h. wirkt auf ihn lediglich die Gravitationskraft FG, so fällt er mit der
Fallbeschleunigung g, die durch die Erdanziehung hervorgerufen wird.
g=
FG
mP
In unseren geographischen Breiten ist g = 9,81 m s-2. In Zentrifugen werden durch Erhöhen
der Umlauffrequenz höhere Beschleunigungswerte erreicht, wodurch schnellere
Sedimentation erfolgt.
Die sich ergebenden Werte bezieht man auf 'ein g' und spricht von einer Zentrifugation bei
'xg'.
Beispiel:
ν = 100 Umdrehungen pro Sekunde
r = 0,1 m Abstand vom Drehzentrum
ω = 2 π ν = 2 × 3,14 × 100 s-1 = 6,28 × 102 s-1
a = ω 2 r = 39,44 × 104 × 10-1 m s-2 = 39,44 × 103 m s-2
Das entspricht: 39 440 : 9,81 = 4020 g
Die Svedberg-Konstante
Theodor Svedberg, ein schwedischer Chemiker, konstruierte 1925 erstmals als
Hilfsmittel für seine Untersuchungen über Kolloide eine Ultrazentrifuge. Mit ihr
bestimmte er die Masse von Riesenmolekülen. Bei der Bestimmung der relativen
Molekülmasse verwendet man seither eine Sedimentationskonstante (sK, Svedbergdr
und der
Konstante), die sich aus dem Quotienten der Absinkgeschwindigkeit
dt
Zentrifugalbeschleunigung ω 2 r ergibt und die die Einheit s hat:
sK =
232
dr 1
dt ω 2 r
BIOPHYSIK DER ZELLE
Mit der Angabe der Sedimentationskonstanten charakterisiert man Moleküle oder Partikel
bereits eindeutig, selbst wenn ihre Diffusionskonstante D und ihre Dichte unbekannt sind. In
der Molekularbiologie haben viele der untersuchten Moleküle Sedimentationskonstanten im
Bereich von 10-13 s. Man hat daher die Einheit "Svedberg" eingeführt:
1 Svedberg = 1 S = 10-13 s
und
charakterisiert
Moleküle
mit
ihrem
"S-Wert".
Ribosomenuntereinheiten bei Prokaryonten haben S-Werte von:
30 × 10-13s
sK = 30 S
50 × 10-13s
sK = 50 S
Beispiele:
Die
beiden
Da die Sedimentationskonstante unter verschiedenen Bedingungen bestimmt werden
kann, sind gewisse Vereinheitlichungen notwendig. Meist wird die
Sedimentationskonstante auf einen Wert korrigiert, den man erhalten würde, wenn
das Medium die Dichte und Viskosität von Wasser bei 20 o C hätte. Die Korrektur wird
mit folgender Gleichung vorgenommen.
s 20,W = s T, L
η T, L (ρ P - ρ 20,W )
η 20, W (ρ P - ρ T, L )
sT,L
: unkorrigierte Sedimentationskonstante in einem Medium bei der Temperatur T
η T ,L
: Viskosität des Mediums bei der Zeltrifugationstemperatur
η 20,W : Viskosität des Wassers bei 20 o C
ρP
: Dichte der Teilchen in Lösung
ρ T ,L
: Dichte des Mediums bei Zentrifugationstemperatur
ρ 20, W : Dichte des Wassers bei 20 o C
Beispiele für Anwendungen der Sedimentationskonstanten
(a) Bestimmung der relativen Molekülmasse
Für die Masse einer Partikel ergibt sich:
mP = f
dr
dt
1
1-
1
=
f sK
ρL ω r
ρ
1- L
ρP
ρP
2
233
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Für kugelförmige Partikel wird der Reibungskoeffizient f = 6 π η r angeben (Stokes, 1856). In
der Regel ist die Form eines Moleküls jedoch nicht bekannt. Man drückt daher den
Reibungskoeffizienten f durch den experimentell bestimmbaren Diffusionskoeffizienten D
aus.
f =
RT
ND
N = Lohschmidtzahl = 6,023 × 1023 mol-1
R = Allgemeine Gaskonstante
T = absolute Temperatur (Kelvin)
Die relative Molekülmasse Mr berechnet sich zu:
M r = mP N
Eingesetzt und umgeformt ergibt sich die Svedberg-Gleichung:
Mr =
RT
D
1
ρ
1- L
ρP
sK
(b) Bestimmung der Klärzeit
Die Klärzeit ist die Zentrifugationszeit, die benötigt wird um ein Teilchen mit einem
bestimmten Sedimentationskoeffizienten vollständig zu sedimentieren. Die Integration der
umgeformten Gleichung in den Grenzen t1 und t2 ergibt:
sK =
ln r2 - ln r1
ω 2 (t 2 - t 1 )
t2 - t1 ist die Zeitdauer, die die Teilchen benötigen, um von Position r1 bis zu r2 zu gelangen.
Daraus lässt sich weiterhin ableiten:
t sK =
ln r2 - ln r1
=K
ω 2 3600
t : Zentrifugationszeit in Stunden, K : Rotorkonstante
234
BIOPHYSIK DER ZELLE
Zentrifugationstechniken
Differentielle Zentrifugation
Die Trennung von Zellorganellen durch differentielle Zentrifugation ist eine der
grundlegendsten und gebräuchlichsten Zentrifugationsverfahren. Dabei wird ein Gemisch
von Partikeln (z.B. ein Zellhomogenat) stufenweise höheren Zentrifugalbeschleunigungen bei
schrittweise verlängerten Zentrifugationszeiten ausgesetzt. Dabei werden die Komponenten
mit großen S-Werten angereichert, während der Überstand langsamer sedimentierende
Partikel mit kleineren S-Werten enthält. Die Sedimente (Pellets), die man nach jedem
Zentrifugationsschritt erhält, sind jedoch stets mit langsamer sedimentierenden Komponenten
verunreinigt, so dass vor einer weiteren Untersuchung das Pellet mit frischem Lösungsmittel
resuspendiert und anschließend erneut zentrifugiert werden sollte.
Abb. 171: Differentielle Zentrifugation
(a) Vor der Zentrifugation enthält die Lösung Partikel zweier Größenklassen
(b) Während der Zentrifugation wandern die größeren Partikel schneller zum Boden des
Zentrifugenröhrchens
(c) Ausbildung eines Pellets aus großen Partikeln, das mit kleinen Partikeln verunreinigt ist.
Der Überstand ist rein und enthält nur kleine Partikel
235
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Abb. 172: Allgemeines Schema zur subzellulären
Fraktionierung eines Säugergewebes, z.B. der
Leber.
Die
Zahlen
geben
die
molare
Saccharosekonzentration im oberen bzw. unteren
Bereich
des
Gradienten
an.
PM
=
Plasmamembran; SER = glattes endoplasmatisches
Retikulum; RER = rauhes endoplasmatisches
Retikulum; Mito = Mitochondrien
Im Allgemeinen ist bei der differentiellen Zentrifugation die Verwendung eines
Festwinkelrotors vorteilhafter als die eines Ausschwingrotors.
236
BIOPHYSIK DER ZELLE
Abb. 173: Schnitt durch einen Festwinkelrotor
In Festwinkelrotoren befinden sich die Zentrifugenröhrchen in einem festen Winkel
(zwischen 14 o und 40 o ) zur Rotationsachse. Durch das Zentrifugalfeld bewegen sich
die Partikel nur über kurze Distanzen in horizontaler Richtung bis sie an die Wand des
Zentrifugenröhrchens stoßen. Unter geeigneten Bedingungen bildet sich an der
Außenwand des Zentrifugenröhrchens ein kompaktes Pellet.
Dichtegradienten-Zentrifugation
Bisher wurde vorausgesetzt, dass die Sedimentation in einem homogenen Medium stattfindet.
Die gleichmäßige Wanderung der Partikel in einer Ultrazentrifuge wird jedoch durch
mechanische Vibrationen, Wärmegradienten und Konvektionen gestört. Diese Störungen
können durch Zentrifugation in einem Dichtegradienten verringert werden. Geeignete
Substanzen zur Bildung eines Gradienten sind Saccharose, Glyzerin, Cäsiumchlorid,
Cäsiumsulfat und weniger gebräuchliche Stoffe wie Ficoll und Metrizamid. Der Gradient kann
entweder mit einem Gradienten-Mischer vorgeformt bzw. von Hand aufgetragen werden
oder bei der Zentrifugation selbst gebildet werden. Der Gradient ist am Boden des
Zentrifugenröhrchens am dichtesten und nimmt mit der Höhe an Dichte ab. Die Wahl der
Eigenschaften des Gradienten hängt vom gewünschten Verwendungszweck ab. Man kann die
Dichtegradienten-Zentrifugation in die Zonen-Zentrifugation und die isopyknische
Zentrifugation einteilen.
Dichtegradienten-Differential- oder Zonenzentrifugation
Das Charakteristische der Dichtegradienten-Differentialzentrifugation (rate zonal method) ist
die Wanderung der Partikel durch einen stabilisierenden, sehr flachen Gradienten, dessen
237
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
maximale Dichte nicht größer sein darf als die des am wenigsten dichten sedimentierenden
Materials. Während der Zentrifugation wandern die Partikel mit einer Geschwindigkeit durch
den Gradienten, die von Größe und Form der Partikel, Zentripetalbeschleunigung sowie
Dichte und Viskosität des Mediums abhängt. Enthält die Probe, die auf den vorgeformten
Gradienten aufgeschichtet wird, eine Mischung verschiedener Partikel, so wandert jede
Partikelklasse unabhängig von den anderen durch den Gradienten und eine Trennung der
Partikel kann selbst dann erzielt werden, wenn die Unterschiede in den S-Werten nur gering
sind.
Abb. 174: Zonen-Zentrifugation
Die Zentrifugation muss also abgebrochen werden, bevor die ersten Partikel den
Boden des Zentrifugenröhrchens erreicht haben. Diese Methode eignet sich gut für
Substanzen, die sich zwar in der Größe, aber nicht in der Dichte voneinander
unterscheiden.
Zonen-Zentrifugationen werden bevorzugt in Swing-out-Rotoren durchgeführt.
Swing-out-Rotoren zeichnen sich dadurch aus, dass sich die Zentrifugenröhrchen
(bzw. Becher) vor der Zentrifugation in vertikaler Position befinden und während der
Zentrifugation um 90 o (relativ zur Rotorachse) in die horizontale Lage ausschwenken.
Im Gegensatz zu Festwinkelrotoren ist die Konvektion von Flüssigkeiten in Swingout-Rotoren herabgesetzt (d.h. Verminderung von Wandeffekten). Zudem ist der
längere Weg, den die Partikel während der Sedimentation zurücklegen, vorteilhaft für
die Auftrennung. Die Isolierung der Chloroplasten im Praktikumsversuch erfolgt
ebenfalls nach dieser Methode. Zur Auftrennung des Materials verwendet man in
diesem Fall einen diskontinuierlichen Saccharosegradienten (30%, 35%, 50%).
Isopyknische Zentrifugation
Die Technik der isopyknischen Zentrifugation dient der Trennung von Partikeln
unterschiedlicher Dichte. Wie bei der Zonen-Zentrifugation ist ein Dichtegradient nötig, aber
238
BIOPHYSIK DER ZELLE
im Unterschied dazu übersteigt hier die maximale Dichte des Gradientenmaterials die der
Partikel.
Zwei Typen von Dichtegradienten sind möglich: vorgeformte und solche, die sich bei der
Zentrifugation unter dem Einfluss eines Zentrifugalfeldes ausbilden. In beiden
Gradiententypen werden die Partikel solange wandern, bis sie in den Bereich des Gradienten
gelangen, an dem die Dichte des Gradientenmaterials der Dichte der Partikel entspricht. Hier
sedimentieren die Teilchen nicht weiter, da sie praktisch auf einer Unterlage schwimmen, die
eine größere Dichte als sie selbst besitzt.
Abb. 175: Isopyknische Zentrifugation
Die so ermittelte Partikeldichte wird auch Buoyant-Dichte genannt. Buoyant-Dichten variieren
entsprechend dem Medium, in dem sie bestimmt werden, da verschiedene Medien die
Hydration unterschiedlich beeinflussen.
In der Praxis verwendet man als Gradientenmaterial Schwermetallsalzlösungen (z.B. CsCl,
Cs2SO4, KBr), die solange zentrifugiert werden, bis sich ein Sedimentations-DiffusionsGleichgewicht eingestellt hat. Gleichzeitig unterliegt auch die Verteilung der zu trennenden
Moleküle einem Sedimentations-Diffusions-Gleichgewicht. Damit sich dieses Gleichgewicht
einstellt, muss die Zentrifugation lange genug und mit höherer Geschwindigkeit durchgeführt
werden.
Nach der Auftrennung verschiedener Moleküle oder Organellen in einem Dichtegradienten
schließt sich die Gradientenfraktionierung an, entweder durch Austropfen (bottom
239
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
unloading), durch Auspumpen (top unloading) oder durch Unterschichten mit einer
Flüssigkeit hoher Dichte mittels einer Pumpe wobei, das verdrängte Gradientenmaterial ein
Spektralphotometer passiert, bevor es in Fraktionen gesammelt wird (upward displacement).
Abb. 176: Gradientenfraktionierung:(a) Austropfen
(b) Auspumpen
Analytische Ultrazentrifuge
Seit ihrer Entwicklung in den 30er Jahren spielte die analytische Ultrazentrifuge eine wichtige
Rolle bei der Betrachtung theoretischer Aspekte der Sedimentation, der Bestimmung der
Sedimentations-Konstanten und der Untersuchung von Makromolekülen. Moderne
analytische Ultrazentrifugen, gekoppelt mit Computersystemen, ermöglichen darüber hinaus
das Studium der molekularen und hydrodynamischen Eigenschaften von Partikeln.
Das zu untersuchende Material befindet sich in Messzellen, welche nur ein geringes
Fassungsvermögen von 0,4 bis 1 ml haben. Zudem besitzen sie zwei parallel angeordnete
Fenster, die den Durchgang von Licht ermöglichen. Die Zellen, die insgesamt aus sehr vielen
Einzelteilen bestehen, werden in den Rotor eingesetzt. Die Richtung der Sedimentation des
Materials ist senkrecht zum Lichtstrahl, wobei die Verteilung der Partikel durch die Änderung
der optischen Eigenschaften der Lösung festgestellt werden kann. Die für analytische
Ultrazentrifugen verwendeten optischen Systeme gliedern sich in drei Typen:
1. Absorption (das zu trennende Material absorbiert Licht einer bestimmten
Wellenlänge)
2. Schlierenoptische Systeme messen Änderungen im Brechungsindex des
Mediums, wie sie durch Änderung der Konzentration verursacht werden
3. Interferenz
240
BIOPHYSIK DER ZELLE
Abb.
177:
Schlierenoptisches
System
einer
Ultrazentrifuge
1 Lichtquelle
2 Linsen
3 Messzelle mit
Fenster
4 Linsen
5 Rotor
6 Vakuumkammer
Abb. 178:
7 Schlierendiaphragma
8 Kameralinsen
9 Zylindrische Linsen
10 halbdurchlässiger
Spiegel
11 Bildschirm
12 Photographische Platte
Schlierendiagramm während eines
Sedimentations-Geschwindigkeits-Laufes
241
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Elektrophorese
Proteine und Aminosäuren
Proteine sind Polypeptidketten, die aus einer Aneinanderreihung von Aminosäuren
(Primärstruktur) entstehen. Die Aminosäuren tragen immer eine Aminogruppe (NH2) und
eine Carboxylgruppe (COOH) und unterscheiden sich in ihrer Seitenkette (R1). Amino- und
Carboxylgruppen von aufeinanderfolgenden Aminosäuren werden durch eine Peptidbindung
verknüpft. Bei dieser Verknüpfung bleibt je eine endständige NH2- und eine COOH-Gruppe
erhalten.
Abb. 179: Verknüpfung von Aminosäuren
Ladungsverteilung in Aminosäuren bzw. Proteinen
Die Amino- und Carboxylgruppen sowie die Reste R können bei unterschiedlichem pH-Wert
ihre Ladung ändern.
Abb. 180: Ladungsverschiebung in Aminosäuren
(pIP: pH-Wert am isoelektrischen Punkt)
basisches Medium
saures Medium
hohe H3O + -Konz.
pH < pIP
pH = pIP
niedere H3O + -Konz.
pH > pIP
Die Amino- und Carboxylgruppen der Proteinenden und der Reste Rn sowie weitere
protonierbare/deprotonierbare Gruppen der Reste Rn sind durch ihre Dissoziationskonstanten
(pKs-Werte) charakterisiert. Entsprechend den pKs-Werten und dem aktuellen pH-Wert liegen
die Gruppen protoniert beziehungsweise deprotoniert vor und tragen dadurch eine positive,
negative oder gar keine Ladung. Für das elektrophoretische Verhalten ist die Summe dieser
Ladungen (Nettoladung) von Bedeutung. Vereinfacht lässt sich hieraus schließen, dass die
Proteine in stark saurem Milieu als Kation und in stark basischem Milieu als Anion vorliegen.
242
BIOPHYSIK DER ZELLE
Abb. 181: Beweglichkeiten von Aminosäuren bei
unterschiedlichen pH-Werten
Elektrophoretische Trennmethoden für Proteine
Die folgenden Trennmethoden werden ausschließlich für Proteine verwendet. Die gängigen
Methoden
nutzen
das
unterschiedliche
Molekulargewicht
bzw.
die
Aminosäurezusammensetzung dieser Makromoleküle aus. Man trennt also:
- nach Molekulargewicht:
SDS-Gel-Elektrophorese
- nach Ladung:
isoelektrischer Fokussierung (IEF)
- nach Ladung und Molekulargewicht: 2D-Gel-Elektrophorese
SDS-Gel-Elektrophorese
Um die Proteine ausschließlich nach ihrem Molekulargewicht zu trennen, werden sie in einem
(Laemmli-)Probenpuffer mit dem Detergenz SDS (sodium dodecyl sulfate) und dem
Reduktionsmittel 2-Mercaptoethanol aufgenommen. SDS bewirkt die Solubilisierung und
stark negative Aufladung der Proteine, so dass sie sich im elektrischen Feld bezüglich ihrer
Gesamtladung gleich verhalten. Mercaptoethanol bewirkt durch die Reduktion von
Schwefelbrücken zu Sulfhydrylgruppen eine Zerstörung der Quartär- und Tertiärstruktur
und damit eine ausschließliche Trennung nach dem Molekulargewicht und nicht nach der
räumlichen Struktur. Die Proben werden nach Aufnahme in Laemmli-Probenpuffer im
elektrischen Feld in 5% Sammelgel konzentriert, um dann in 12,5%igem Trenngel aufgetrennt
zu werden. Nach Beendigung der Gel-Elektrophorese werden die Proteinbanden in einer
Coomassie Blau R250-Lösung fixiert und gefärbt. Mit Hilfe von Eichproteinen lassen sich den
Proteinbanden die entsprechenden Molekulargewichte zuordnen.
Isoelelektrische Fokussierung (IEF)
Die Auftrennung von Proteinen nach ihrem Anteil an sauren und basischen Resten geschieht
mit der isoelektrischen Fokussierung. Durch Gel-Elektrophorese eines Gemisches von
Polyampholyten wird zunächst ein pH-Gradient hergestellt. In diesem werden die
Proteinproben anschließend elektrophoretisch aufgetrennt. Die Proteine werden hierbei an
243
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
dem pH-Wert nicht mehr weiterwandern, an dem ihre Nettoladung Null wird, das heißt die
Ladungen der NH2- und COOH-Gruppen sowie der in den Resten R vorhandenen anderen
Gruppen ausgeglichen sind. Dieser Punkt wird als isoelektrischer Punkt bezeichnet.
2D-Gel-Elektrophorese
Die 2D-Gel-Elektrophorese ist eine Kombination der IEF und SDS-Gel-Elektrophorese zur
Auftrennung der Proteine nach ihrem isoelektrischen Punkt und Molekulargewicht. Zunächst
werden sie mittels der IEF in einem Gelröhrchen aufgetrennt. Anschließend wird dieses auf
ein SDS-Gel überführt und die Auftrennung nach dem Molekulargewicht durchgeführt. Der
Nachweis der Proteine kann ebenfalls durch Coomassie Blau-Färbung erfolgen.
Proteinbestandteile am Beispiel des Serums
Proteinfraktion
Mr
IP beiAnteil
Bedeutung
pH
%
Reserve-Eiweiß
Albumine
61-69 k
4,9
60
a1-Globuline
a2-Globuline
b-Globuline
44-200 k 5,1
160-820 k 5,4
3-20 k
5,8
4
7
12
g-Globuline
150-960 k 7,3
17
kolloidosmot.
Druck
Lipidtransport
Oxidaseaktivität
Lipidtransport
Antikörper
Immunglobuline
M r = relative Molekülmasse, Ip = isoelektrischer Punkt
Tabelle: Serumproteine
Das Blut macht etwa 6 - 8% des Körpergewichtes aus. Es dient neben dem respiratorischen
Gastransport auch dem Transport von Nährstoffen, Exkreten, Hormonen, Vitaminen,
Enzymen, Elektrolyten und immunogenen Zellen. Es ist für die Wasser- und
Temperaturregulation im Körper ebenso wichtig wie für die Pufferung der
Körperflüssigkeiten. Aus der Blutflüssigkeit (Blutplasma) können die Zellen durch
Zentrifugation und das Fibrinogen durch Gerinnung abgetrennt werden, so dass Blutserum
übrig bleibt. Im Serum sind viele essentielle Substanzen enthalten, wie Kohlehydrate, Fette,
Ionen und Proteine. Serum wird Zellkulturen als wachstumsstimulierende Komponente
zugegeben.
244
BIOPHYSIK DER ZELLE
Nukleinsäuren
Nukleinsäuren sind fadenförmige Polymere, die aus einem Zucker-Phosphat-Rückgrat
und daran gebundenen Stickstoffbasen bestehen (siehe Abb. 182). Ein Monomer,
bestehend aus einem Zucker, einem Phosphorsäurerest und einer Stickstoffbase wird
als "Base" bezeichnet.
Kette
Desoxyribonukleotiden
Abb.
182:
von
vier
Liegen die Nukleinsäuren als Doppelhelix vor, so ergeben zwei gegenüberliegende Monomere
ein Basenpaar (bp). Ein DNA-Molekül mit einer Länge von 1000 Basen ist dann eine Kilobase
(kb) Nukleinsäuren. DNA und RNA sind unter physiologischen Bedingungen immer negativ
geladen. Extrem hohe pH-Werte spalten das Rückgrat der Nukleinsäuren. Ihre Ladung wird
durch die Phosphorsäurereste des Rückgrats geprägt, wobei jeder Rest eine negative Ladung
trägt. Zu niedrige pH-Werte führen zu einer Absättigung der negativen Phosphatgruppen.
Die Folge ist die Unbeweglichkeit und Ausfällung der Nukleinsäuren in einem Elektrolyten.
Elektrophoretische Trennmethoden für Nukleinsäuren
Die Methode für die Nukleinsäureauftrennung richtet sich nach der Größe der Moleküle und
dem angestrebten Auflösungsvermögen. Die am häufigsten verwendeten drei Methoden sind:
245
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
•
das Agarose-Gel mit der "Submarine"-Technik
•
das Agarose-Gel im "Pulsed Field"-Verfahren
•
das hochauflösende Polyacrylamid-Gel
Agarose-Gel mit der "Submarine"-Technik
Diese Methode ist die Standardmethode zur Trennung, Reinigung und Identifizierung von
Nukleinsäuren. Bei der "Submarine"-Technik befindet sich das Agarose-Gel in horizontaler
Lage und ist völlig mit dem Elektrophoresepuffer bedeckt. Dadurch wird das Gel vor dem
Austrocknen geschützt. Die Sichtbarmachung der Nukleinsäuren erfolgt über die Anfärbung
mit Ethidiumbromid. Dieses planare Molekül schiebt sich zwischen zwei Basen und verstärkt
damit sein Fluoreszenzverhalten unter UV-Anregung, so dass die angefärbten Molekülbanden
sichtbar werden.
"Pulsed-Field" Agarose-Gel-Elektrophorese
Diese modifizierte "Submarine"-Technik wird zur Trennung von sehr großen
Nukleinsäuremolekülen (meist Chromosomen) eingesetzt. Nukleinsäuremoleküle mit einer
Größe von über 20 kb richten sich in der herkömmlichen Agaroseelektrophorese der Länge
nach aus und wandern im elektrischen Feld mit gleichen Geschwindigkeiten. In der "PulsedField" Gel-Elektrophorese (PFG) ändert sich nun die Richtung des elektrischen
Gleichstromfeldes periodisch. Dadurch sind die Moleküle gezwungen, ihre Ausrichtung
ständig zu ändern. Kürzere Nukleinsäurestränge vollziehen diesen Prozess schneller, weshalb
sie dann auch eine höhere Beweglichkeit besitzen.
Hochauflösendes denaturierendes Polyacrylamid-Gel
Im Gegensatz zur PFG ist diese Methode besonders zur Auflösung von sehr kleinen
Unterschieden in der Größe der Moleküle geeignet. Das restriktive Polyacrylamid-Gel ist
vertikal angeordnet und enthält zudem noch hohe Harnstoffkonzentrationen. In Verbindung
mit einer zusätzlichen externen Erwärmung, bewirkt das eine Denaturierung der
Doppelstränge. Das hohe Auflösungsvermögen von Polyacrylamid-Gelen ermöglicht dann
eine Auftrennung von Molekülen, deren Längenunterschied nur eine Base beträgt. Deshalb
wird diese Technik meistens zur Sequenzierung oder zur Identifikation von Punktmutationen
eingesetzt.
Grundlagen der Trennmethode
Elektrolyte, Ionen, Elektrolyse
Elektrolyte sind Stoffe, deren Moleküle in einem Lösungsmittel zu Ionen dissoziieren können.
Eine Elektrolytlösung kann daher einen elektrischen Strom leiten. Taucht man Drähte oder
246
BIOPHYSIK DER ZELLE
Platten ("Elektroden") aus Metall (z.B. Platin, Silber) in eine Elektrolytlösung ein, so fließt beim
Anlegen einer Gleichspannung U ein elektrischer Strom I. Dieser Ladungstransport kommt
dadurch zustande, dass in der wässrigen Lösung positive Ionen (Kationen) zur einen
Elektrode (Kathode), negative Ionen (Anionen) zur anderen Elektrode (Anode) wandern. Im
Gegensatz zu dieser "Ionenwanderung" besteht im Innern der Metallelektroden der
Ladungstransport aus einer Wanderung von Elektronen (e-). An der Grenzfläche
Elektrode/Lösung findet also ein Übergang von einem "elektronischen" zu einem "ionischen"
Leitungsmechanismus statt. Dieser ist mit einer chemischen Reaktion an den Elektroden
("Elektrolyse") verbunden.
Kathode: 2 H + (Lösung) + 2 e- (Metall) → H 2 (gasförmig)
Anode: 2 Cl − (Lösung) → 2 e − (Metall) + Cl 2 (gasförmig)
Elektrisches Feld; elektrische Kraft; elektrische Arbeit und Leistung
Legt man an zwei Elektroden im Abstand d eine Spannung U, so erzeugt diese in einer
Elektrolytlösung ein elektrisches Feld mit der elektrischen Feldstärke E
E=
U
d
Die elektrische Feldstärke E ist stets vom Pluspol zum Minuspol gerichtet. Auf eine positive
Ladung q wirkt dann eine elektrische Kraft FE
FE = q E
in Richtung der Feldstärke, so dass sich ein positiv geladenes Teilchen in Richtung der
Kathode bewegt. Ein negativ geladenes Teilchen bewegt sich zur Anode. Die entgegengesetzt
geladenen Ionenwolken der Teilchen wandern stets in die entgegengesetzten Richtungen.
Geschwindigkeit, Beweglichkeit der Teilchen
Infolge der an den geladenen Teilchen oder Molekülen angreifenden elektrischen Kraft
erfährt das Teilchen eine beschleunigte Bewegung. Die Geschwindigkeit steigt so lange, bis
die dadurch ebenfalls größer werdende Reibungskraft des Teilchens genauso groß geworden
ist wie die antreibende elektrische Kraft FE. Diese Reibungskraft wird für kugelförmige
Teilchen durch das Stokessche Gesetz beschrieben:
FE = q E = 6 π η r v
247
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
η = dynamische Viskosität des Lösungsmittels
r = wirksamer Radius incl. Hydrathülle
v = Geschwindigkeit
Im Gleichgewicht der Kräfte bewegt sich das Teilchen mit gleichbleibender Geschwindigkeit v
weiter:
v=
qE
6π η r
Die Geschwindigkeit v ist proportional der angelegten Spannung U, alle anderen Größen sind
dagegen Materialkonstanten des interessierenden Teilchens bzw. Moleküls. Deshalb gibt man
als charakteristische Größe für das Teilchen oder Molekül die auf die elektrische Feldstärke E
bezogene Geschwindigkeit an. Dies ist die Beweglichkeit u:
u=
v
E
Man kann die Beweglichkeit eines Moleküls also durch die Messung der
Wanderungsgeschwindigkeit v und der vorgegebenen elektrischen Feldstärke E bestimmen.
Abb.
183:
Elektrophorese
Schema
einer
trägerfreien
Elektrophorese
Die Wanderung geladener Moleküle im elektrischen Gleichstromfeld (siehe Abb. 183) nennt
man Elektrophorese. Aufgrund unterschiedlicher Ladung und Masse bewegen sie sich mit
unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Meistens wird die relative Beweglichkeit einer
Substanz zu einem mitaufgetrennten Standard angegeben. Dadurch lassen sich nicht nur
Stoffe auftrennen, sondern auch durch ihr Wanderungs-Verhalten charakterisieren. Man
unterscheidet drei grundsätzlich verschiedene elektrophoretische Trennmethoden:
248
BIOPHYSIK DER ZELLE
•
Zonen-Elektrophorese (eigentliche Elektrophorese): Homogenes Puffersystem
mit stabilem pH-Wert. Auftrennung nach Masse, Gestalt und Ladung. Das
Maß für die elektrophoretische Beweglichkeit wird anhand der
zurückgelegten Strecke in einer bestimmten Zeit gemessen.
•
Isoelektrische Fokussierung (kurz IEF): Ein permanenter pH-Gradient entlang
des elektrischen Feldes verursacht bei amphoteren Substanzen eine
Änderung der Ladung während des Durchwanderns des Gradienten. Das
hat zur Folge, dass die Substanz bei einem bestimmten pH-Wert eine
Nettoladung von Null aufweist und damit nicht mehr im elektrischen Feld
wandert. Die Substanz wird an dieser Stelle fokussiert.
•
Isotachophorese (kurz ITP): Hier sorgt ein diskontinuierliches, mitwanderndes
Puffersystem mit einem schnellen Leitionenelektrolyt und einem langsamen
Folgeionenelektrolyt
für
eine
stapelförmige
Anordnung
nach
der
elektrophoretischen Mobilität der Substanzen. Diese Methode wird hauptsächlich
in der quantitativen Analyse eingesetzt.
Man unterscheidet elektrophoretische Trennmethoden in freier Lösung (WanderndeGrenzschichten-Elektrophorese,
kontinuierliche
trägerfreie
Elektrophorese,
Kapillarelektrophorese) von der Auftrennung in stabilisierenden Medien (Agarose-Gel,
Polyacrylamid-Gel).
Puffersysteme
Der pH-Bereich und die Ionenstärke sind die wichtigsten Merkmale eines Puffers und sind
der Probenart anzupassen. Der pH-Wert sollte während der Elektrophorese stabil bleiben und
den pH-Wert der Proben überdecken. Da die Pufferionen im elektrischen Feld ebenfalls
mitwandern, müssen ausreichend große Puffervorräte vorhanden sein. Die Ionenstärke sollte
bei stabiler Pufferkapazität gerade so hoch liegen, dass die zur Trennung benötigte Leistung
möglichst gering ausfällt. Höhere Leistung führt zu einer Erwärmung des Trägermaterials und
der Probe, was zu Veränderungen im Verhalten führen kann.
Trennmedien
Die Wahl eines Trennmediums richtet sich nach der Art der zu untersuchenden Substanz. Die
Medien müssen chemisch inert sein, ihre Struktur sollte weitgehend homogen und hitzestabil
sein und ihr Vernetzungsgrad muss reproduzierbar eingestellt werden können. Die in der
Biologie am häufigsten verwendeten polymeren Trägermaterialien sind die Agarose und das
Polyacrylamid.
249
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Polyacrylamid-Gele
Polyacrylamid-Gele erhält man durch Polymerisation von Acrylamid mit dem
quervernetzenden N,N'-Methylendiacrylamid. Zum Starten der Reaktion wird ein
Radikalstarter benötigt. Der Vernetzungsgrad wird durch die Konzentration der
quervernetzenden Substanz eingestellt und ist in hohem Maße reproduzierbar. Die geringe
Porengröße des Gels verhindert die Diffusion der Probenmoleküle und ermöglicht eine sehr
genaue Auftrennung. Solche Gele werden auch als restriktive Gele bezeichnet. Vor
Reaktionsbeginn sind die Gelbestandteile giftig. Der Prozess ist nicht reversibel, eine
Rückgewinnung von Substanzen aus dem Gel ist daher schwierig. Die Konzentration
(=Vernetzungsgrad) c des Gels lässt sich mit folgender Formel berechnen:
c=
b 100
[ %]
a+b
a = Masse Acrylamid in g,
b = Masse Methylendiacrylamid in g
Abb. 184: Polymerisation von Acrylamid
und Methylendiacrylamid
250
BIOPHYSIK DER ZELLE
Agarose-Gele
Agarose ist ein Polysaccharid (siehe Abb. 185), das aus roten Meeresalgen gewonnen wird.
Abb. 185: Agarose
Es wird in Elektrophoresepuffer aufgenommen und dann durch Erhitzen in Lösung gebracht.
Die vielen Hydroxy-Gruppen (R-OH) ermöglichen die Ausbildung von WasserstoffbrückenBindungen, wodurch die großporige Gelmatrix ihre Festigkeit erhält.
251
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Abb. 186: Ausbildung der Gelstruktur eines
Agarose-Gels
Während des Abkühlens lagern sich Doppelhelices parallel aneinander und binden dann an
andere Helices. Agarose-Gele sind großporige so genannte nicht restriktive Gele, bei denen die
Molekülgröße eine geringere Rolle spielt. Mit ihnen wird allein nach Ladung getrennt. Der
Nachteil ist ein geringeres Auflösungsvermögen, da die Diffusion nicht unterbunden wird.
Vorteile der Agarose sind die einfache Herstellung und die Möglichkeit, nach Auftrennung
aus dem Gel Stücke mit angereicherter Substanz herauszuschneiden. Aus diesen Stücken kann
man dann durch Erhitzen die Substanzen leicht freisetzen.
Röntgenstrukturanalyse
Röntgenstrahlung ist eine Form der elektromagnetischen Strahlung mit einer typischen
Wellenlänge von ca. 0,1 nm (= der Durchmesser eines H-Atoms). Lenkt man
Röntgenstrahlung auf eine kristalline Substanz, so wird ein Teil der Strahlung gestreut. Die
gestreuten Wellen werden sich an bestimmten Stellen verstärken und auf einem speziellen
Detektor als Beugungsflecken erscheinen. Diese Flecken in einem bestimmten
252
BIOPHYSIK DER ZELLE
Röntgenbeugungsmuster geben Informationen über die Lage der Atome im Kristall. Die
Analyse der Röntgenbeugungsanalyse ist heute weitgehend automatisiert.
Aus der Aminosäure-Sequenz eines Proteins lässt sich in der Regel die dreidimensionale
Struktur nicht voraussagen. Durch Kristallisieren von Proteinen ist es gelungen, auch die
räumliche Gestalt von Proteinen aufzuklären. Allerdings gibt es viele Proteine, die noch nicht
kristallisiert werden konnten.
Abb.
187:
Schema
einer
Röntgenbeugungsapparatur (aus: H. Lodish, A.
Berk, S.L. Zipursky, P. Matsudaira, D. Baltimore, J.
Darnell: "Molecular Cell Biology" Scientific
American Books, New York, 1999)
253
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Abb. 188: Beugungsdiagramm (aus: H. Lodish, A.
Berk, S.L. Zipursky, P. Matsudaira, D. Baltimore, J.
Darnell: "Molecular Cell Biology" Scientific
American Books, New York, 1999)
Kernresonanzspektroskopie (NMR)
Die Kernresonanzspektroskopie dient der Strukturaufklärung kleiner Moleküle. Der Vorteil
der NMR gegenüber der Röntgenstrukturanalyse liegt darin, dass keine kristalline Probe
benötigt wird. Man braucht nur ein kleines Volumen konzentrierter Probenlösung. Diese wird
in ein starkes Magnetfeld gebracht. Einige Atomkerne (z.B. die der Wasserstoffatome) haben
ein magnetisches Moment (Spin). Dieser Spin richtet sich in einem magnetischen Feld parallel
zu diesem aus. Mit Hilfe von Pulsen elektromagnetischer Strahlung im Radiowellenbereich
kann man den Spin in einen nicht-parallelen Zustand versetzen. Kehrt das magnetische
Moment in den parallelen Zustand zurück, emittieren die angeregten Wasserstoffkerne
Strahlung mit Radiowellenfrequenz. Die Frequenz und Intensität dieser emittierten Strahlung
hängen von der Umgebung der Wasserstoffatome ab; je nachdem, ob die Kerne in der
Umgebung angeregt sind oder nicht. Eine Weiterentwicklung dieser Technik – die
zweidimensionale NMR – ermöglicht es, die Signale der Wasserstoffkerne in
unterschiedlichen Aminosäureresten zu unterscheiden und zu identifizieren. Auch
Rückschlüsse auf die Entfernung zwischen Wasserstoffatomen können gezogen werden.
Damit kann dann schließlich die dreidimensionale Struktur eines Moleküls dargestellt
werden.
In vielen biologisch wichtigen Molekülen ist Phosphat enthalten (ATP, DNA, Phospholipide),
daher wird in Medizin und Biologie häufig die 31P-NMR-Spektroskopie eingesetzt. Dies ist
eine nicht-invasive Untersuchungsmethode für physiologische Parameter in lebendem
Gewebe, die als NMR-Tomographie dargestellt werden.
254
BIOPHYSIK DER ZELLE
Strömung und Viskosität
Strömung
Im Allgemeinen sind Flüssigkeiten inkompressibel, d.h. sie haben eine konstante Dichte ρ ,
unabhängig von dem auf sie wirkenden Druck. Strömt nun eine Flüssigkeit durch ein Rohr,
das nicht überall denselben Durchmesser hat, so kann man beobachten, dass die
Strömungsgeschwindigkeit nicht überall im Rohr konstant ist:
Abb. 189: Abhängigkeit der Fliessgeschwindigkeit
vom Rohrquerschnitt
Man misst hier drei verschiedene Geschwindigkeiten, die scheinbar abhängig von dem Radius
des Rohres sind. Die Stromdichte ergibt sich hier aus:
r
j = nν
ν
= Geschwindigkeitsfeld
n
= Teilchendichte
Und damit ergibt sich für den Teilchenstrom:
I=
j
A
A
= Rohrquerschnitt
Der Teilchenstrom ist also abhängig von dem Rohrquerschnitt und nimmt mit zunehmender
Fläche ab. Dies wird auch deutlich, wenn man die Massenerhaltung beachtet. Diese besagt,
das weder Masse verloren geht, noch neu entsteht, es muss also dieselbe Masse aus dem Rohr
rausfließen, wie reingeflossen ist. Da Flüssigkeiten inkompressibel sind, gilt dies auch für die
Volumina. Ist dies aber der Fall, dann muss bei einem engeren Rohrquerschnitt die Flüssigkeit
schneller strömen, um in derselben Zeit das gleiche Gesamtvolumen zu transportieren, die
Flüssigkeit wird also an der Stelle der Verengung beschleunigt. Das Verhältnis der
Geschwindigkeiten entspricht dem Verhältnis der Querschnittsflächen:
255
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
ν2 =
A1
ν1
A2
Diese Gleichung nennt man auch Kontinuitätsgleichung. Betrachtet man nun die Drücke im
Rohr, so kann man beobachten, dass der Druck umso kleiner ist, je weiter das Rohr ist. Der
Druck berechnet sich ganz allgemein aus:
p=
F
⇒F=pA
A
Betrachten wir zunächst ein Rohr, das sich nach rechts verengt. Links ist ein Kolben
angebracht. Durch eine Bewegung des Kolbens mit der Kraft F1 in das Rohr hinein wird eine
Strömung erzeugt. Es wirkt also ein Druck p1. Nun kann man die Arbeit berechnen, die beim
Drücken des Kolbens verrichtet wird:
W1 = p1 A1 ν 1 ∆t
Befindet sich an der rechten Seite des Rohrs ebenfalls ein Kolben, dann wird dieser aus dem
Rohr heraus gedrückt. Dabei wird ebenfalls Arbeit verrichtet:
W2 = p 2 A 2 ν 2 ∆t
Man kann nun beobachten, dass der Druck p1 > p2 ist. Da A × ν = konst. ist
(Kontinuitätsgleichung), ist W2 < W1. Es gilt aber außerdem der Energieerhaltungssatz, d.h.
die Summe der verrichteten Arbeiten muss 0 sein. Die Differenz zwischen W1 und W2 ist
genau die Arbeit die benötigt wird, um die Flüssigkeit an der Verengung zu beschleunigen.
Außerdem gilt, dass die Summe aller Kräfte 0 ist:
(
)
Flin ker Kolben − Frechter Kolben + FVerengung = 0
Ersetzt man hier die Kräfte durch die Drücke, so erhält man:
p links p rechts
=
+ FVerengung
A links A rechts
Hier sieht man deutlich, dass der Druck prechts < plinks. Betrachten wir nun noch die kinetische
Energie eines Volumenelements:
Wkin =
256
1
ρ A1 ν 1 ∆tν 12
2
BIOPHYSIK DER ZELLE
Alle Größen außer der Geschwindigkeit sind konstant. Da die Geschwindigkeit nach der
Verengung größer geworden ist, nimmt auch die kinetische Energie zu. Die Differenz
zwischen den kinetische Energien entspricht genau der Differenz der Schubarbeit am linken
und am rechten Kolben. Die Summe aller Arbeiten ist also 0 (Energieerhaltung). Aus dieser
Betrachtung folgt die Bernoulli Gleichung:
p1 +
1
1
ρ ν 12 = p 2 + ρ ν 22 = konst.
2
2
Strömungen in Form des Blutkreislaufs spielen bei Tieren und Menschen eine lebenswichtige
Rolle. Das Blut verlässt das Herz durch die Aorta, und verzweigt sich anschließend in Arterien
bis hin zu den feinen Kapillaren (z.B. in der Lunge). Dabei nimmt der Gesamtquerschnitt und
somit auch die Gesamtfläche stark zu. In der Aorta des Menschen strömt das Blut mit einer
Geschwindigkeit von ca. 100 mm/s. Aufgrund der Flächenvergrößerung nimmt die
Geschwindigkeit bis auf 1 mm/s in den Kapillaren ab. Anschließend münden die Kapillaren
wieder in die Venen, die Geschwindigkeit nimmt wieder zu.
Viskosität
Betrachten wir zwei durch Flüssigkeit getrennte Platten, die sich relativ zueinander bewegen:
Abb. 190: Kraftwirkung auf zwei bewegte Platten
in einer viskosen Flüssigkeit.
Die Viskosität η der Flüssigkeit ist konstant. Die Molekülschicht der Flüssigkeit, die direkt an
die obere Platte angrenzt, bewegt sich mit der selben Geschwindigkeit wie die Platte, die
Molekülschicht, die direkt an die untere Platte angrenzt, bewegt sich mit der Geschwindigkeit
der unteren Platte. Beides hat etwas mit der Wechselwirkung der Moleküle der Flüssigkeit
und der Platte zu tun, und in beiden Fällen wird ein Teil dieser Bewegungsenergie an die
nächste Schicht weitergegeben. Geht man nun von der oberen bewegten Platte in Richtung
der unteren langsameren Platte, so kann man beobachten, dass die Geschwindigkeit langsam
abnimmt, weil der Einfluss der schnell bewegten Platte auf die Moleküle immer stärker ab-,
und der Einfluss der langsam bewegten Platte immer stärker zunimmt. Der
Geschwindigkeitsverlauf ist linear. Man bezeichnet eine solche Strömung auch als laminare
Strömung, weil die Molekülschichten parallel strömen, es findet keine Bewegung in vertikaler
257
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Richtung statt, es wirken lediglich Kräfte zwischen den Schichten. Im Gegensatz dazu gibt es
Strömungen, bei denen dies nicht der Fall ist, sie werden als turbulente Strömungen
bezeichnet. Hier treten Verwirbelungen der Molekülschichten auf, eine genauere Betrachtung
erfolgt weiter unten.
Betrachtet man eine laminare Strömung zwischen zwei ruhenden planparallelen Platten, so ist
auch hier die Strömungsgeschwindigkeit nicht an jeder Stelle gleich:
Abb. 191: Geschwindigkeitsverteilung in einem
Rohr.
Die Viskosität der Flüssigkeit sei auch hier konstant. Da aber die Strömungsgeschwindigkeit
zur Mitte zunimmt, entsteht ein Druckgefälle von außen nach innen. Bei z = + d oder z = - d
ist die Geschwindigkeit der Moleküle 0. Die Moleküle haften an den Platten. Die nächste
Molekülschicht bewegt sich bereits langsam, sie wird jedoch von er vorherigen Schicht durch
die Wechselwirkungen gebremst. Genau zwischen den zwei Platten ist die Entfernung zu den
„stehenden" Molekülschichten am größten, und damit die Geschwindigkeit am größten. Die
Form der Parabel des Geschwindigkeitsverlaufes ist abhängig von der Viskosität. Steigt die
Viskosität, so steigen auch die Wechselwirkungen der Molekülschichten, und die
Geschwindigkeit nimmt von einer Schicht zur nächsten um einen großen Wert zu. Die Parabel
wird relativ spitz. Lässt man z.B. eine schleimige Substanz zwischen zwei Platten laufen, so
erreicht diese keine hohe Strömungsgeschwindigkeit, aber der Geschwindigkeitsgradient wird
sehr groß, Wasser dagegen fließt fast ungebremst. Idealisiert man die Strömung und geht
davon aus, das sich alle Moleküle unabhängig von ihrer Lage zwischen den Platten mit der
gleichen Geschwindigkeit bewegen, so spricht man von einer Kolbenströmung.
Zwischen zwei ruhenden planparallelen Platten ist die Geschwindigkeit eine parabelförmige
Funktion von z. Betrachtet man ein Volumenelement aus der strömenden Flüssigkeit, so
wirken hier tangentiale Reibungskräfte Fx. Diese Reibungskräfte greifen auf einer Fläche:
A=bl
an. Daraus ergibt sich ein Druck:
px =
258
F F
=
A bl
BIOPHYSIK DER ZELLE
Der Druck px ist aber nicht an allen Stellen entlang der z-Achse gleich, denn er hängt
wiederum von der Strömungsgeschwindigkeit und der Viskosität ab:
p x = -η
dν z
dz
Je größer die Viskosität, desto größer die Druckdifferenz zwischen den Schichten. Das
negative Vorzeichen ergibt sich aus der Lage des 0 Punktes, entscheidend sind die
Druckdifferenzen, die unabhängig vom absoluten Druck und damit vom Vorzeichen sind.
Kapillar-Viskosimeter
Abb. 192: Kapillar-Viskosimeter.
Dieses Gerät dient der Bestimmung von Viskositäten. Die zu messende Flüssigkeit wird in den
oberen Behälter eingefüllt und das Volumen gemessen, das in einer bestimmten Zeit vom
oberen Behälter in den unteren fließt. Je höher die Viskosität ist, desto langsamer fließt die
Flüssigkeit. Betrachtet wir zunächst nur das Rohr:
259
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Abb. 193
Gehen wir davon aus, die Flüssigkeit in der Kapillare würde sich mit geringer
Geschwindigkeit bewegen, dann ist die Reibungskraft der Antriebskraft entgegengesetzt:
dν
= pπ r2
dr
p
- dν =
r dr
2η l
−η 2 π r l
ν=
R
(R
r dr =
2η l ∫
4η l
p
p
2
− r2
)
0
2 π r l = Innen-Umfang der Kapillare
Da die Strömungsgeschwindigkeit im Rohr nicht gleich ist (am Rand ist sie 0, in der Rohrmitte
ist sie maximal, ähnlich wie bei zwei Platten), eignet sie sich nicht als Messgröße. Deshalb ist es
einfacher, das Volumen als Messgröße zu verwenden:
R
dV
= (2 π r )ν dr
dt ∫0
setzt man die Gleichung für ν ein, ergibt sich:
πp 3
πp 4
−p 2
dV
= ∫ (2 π r )
r dr = −
r dr =
R
∫
dt 0
4η l
8η l 0
8η l
R
R
Der Druck p ergibt sich aus der Höhe h, die konstant ist, wenn die beiden Volumina der
Gefäße gleich sind. Man misst nun die Zeit, die der Meniskus benötigt, um von „0" zu „1" zu
kommen. Mit Hilfe der Zeit lässt sich nun die Viskosität bestimmen, indem man die Gleichung
nach η auflöst.
260
BIOPHYSIK DER ZELLE
Viskosimeter
Abb. 194: Rotationsviskosimeter.
Rotationsviskosimeter: Die zu messende Flüssigkeit wird in einen Stahlzylinder eingefüllt und
ein zweiter Stahlzylinder wird so in die Flüssigkeit getaucht, dass nur ein Spalt von einigen
Millimetern zwischen den beiden Zylindern bleibt und sie sich an keiner Stelle berühren.
Dreht sich der äußere Zylinder, so wird der innere Zylinder mitgenommen, was zu einem
Drehmoment führt, das man messen kann. Je größer die Viskosität der Flüssigkeit im
Zwischenraum der beiden Zylinder, desto höher das Drehmoment, das auf den inneren
Zylinder wirkt, denn die Kraftübertragung zwischen den einzelnen Molekülschichten ist in
diesem Fall sehr groß. Eine Messreihe besteht oft aus verschiedenen Drehgeschwindigkeiten
des äußeren Zylinders, denn die Viskosität kann sich mit der Rotationsgeschwindigkeit
ändern. In einem solchen Fall erhält man eine nicht lineare Funktion wenn man die
Geschwindigkeit gegen die Schubspannung (Kraft zwischen zwei Molekülschichten in der
Flüssigkeit) bzw. gegen das Drehmoment aufträgt.
261
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Abb. 195
Die rote Kurve zeigt den Verlauf der Messung einer Nukleinsäure-Lösung. Hier nimmt die
Schubspannung nicht linear mit der Drehgeschwindigkeit zu. Die Viskosität ist also nicht
konstant.
Die grüne Kurve zeigt den Verlauf der Messung von Wasser (Newtonsche Flüssigkeit). Die
Viskosität ist konstant.
relative Viskosität:
η rel =
η
η0
reduzierte Viskosität:
η red =
η - η0
η0
Viskositätszahl:
Is =
Grenzviskosität:
I 0 = lim I s
1 η - η0
c η0
c,s → 0
Beispiele:
Viskosität
Luft, Gas
Wasser
Öle
Bitumen
0,01-0,02 mPa s
1 mPa s
150-800 mPa s
105 mPa s
Denaturierung und Viskosität
Misst man die relative Viskosität einer DNA Lösung mit steigender Temperatur, dann erhält
man folgenden Verlauf:
262
BIOPHYSIK DER ZELLE
Abb. 196: Viskositätsverlauf beim Schmelzen von
DNA in Lösung.
Die Denaturierung setzt bei einem charakteristischen Wert, dem TM – Wert ein (temperature of
melting). Kurz vor dieser Temperatur beginnt die Viskosität der Lösung schlagartig
abzunehmen. Erst wenn die DNA vollständig denaturiert ist, nähert sich die Viskosität wieder
einem konstanten Wert.
Zusammenhang zwischen Viskosität und relativer Molekülmasse
Die Gleichung, die diesen Zusammenhang beschreibt, wurde empirisch aus Messergebnissen
ermittelt:
η = K A ar
K und a sind Konstanten, die vom Molekül und vom Lösungsmittel abhängen.
Blutsenkung
Mit Hilfe der Blutsenkung können Infektionen nachgewiesen werden. Hierzu wird eine
Blutprobe des Patienten genommen. Lässt man diese einige Zeit stehen, so sedimentieren die
Blutzellen, d. h. überwiegend Erythrozyten. Beim Blut eines gesunden Menschen sinken diese
mit einer Geschwindigkeit von 3-8 mm/h. Männer haben einen Hämatokrit-Wert von ca. 45%,
Frauen von ca. 40%. Der Hämatokrit-Wert beschreibt das Verhältnis von Blutzellen zum
gesamten Volumen. Bei einer Infektion können Plasmaeiweiße an die Erythrozyten angelagert
sein, wodurch die Sinkgeschwindigkeit abnimmt.
Man kann die Sinkgeschwindigkeit mit dem Stoke’sche Gesetz berechnen:
2 R2 g
(ρ − ρ fl )
νs =
9 η
263
GRÖßE UND STRUKTUR VON MOLEKÜLEN
Erythrozyten sind zwar normalerweise scheibenförmig abgeflacht (7,5 mm Durchmesser, 1,5
mm Dicke), man kann sie aber als grobe Näherung als Kugeln mit dem gleichen Volumen
annehmen (Radius 2,75 mm). Setzt man nun noch die Dichten der Erythrozyten und der
Flüssigkeit sowie die Viskosität des Blutplasmas (1,73 mPa × s) ein, so erhält man einen Wert
von ungefähr 2,4 mm/h. Sind Plasmaeiweiße an die Erythrozyten gebunden, so nimmt der
Radius zu und die Sinkgeschwindigkeit ab.
Man kann die Sinkgeschwindigkeit des Blutes durch Entfernen des Calciums im Blut
verändern, da dadurch die Blutgerinnung verhindert wird. Die Blutzellen setzen sich daher
leichter ab. Ändert sich das Verhältnis von Albumin zu Globulin, nimmt die Viskosität des
Plasmas ebenfalls ab. Bei Erhöhung der Agglomerine im Blut, aggregieren vermehrt
Erythrozyten und sinken ebenfalls schneller ab.
Strömungswiderstand
Der Strömungswiderstand FW ist die Kraft, die auf einen Gegenstand wirkt, wenn dieser von
einer Flüssigkeit umströmt wird.
FW = c W A
A
2
Stirnfläche des Gegenstandes
ρ ×ν
2
cW
ρν 2
2
dynamischer Druck
Widerstandsbeiwert
Will man den Strömungswiderstand berechnen, so muss man beachten, dass reale
Flüssigkeiten beim Umströmen von Gegenständen Wirbel ausbilden, wenn eine bestimmte
Geschwindigkeit erreicht wird.
Abb. 197: Laminare Strömung um einen Ball.
Ideale Flüssigkeit, keine Wirbel.
264
BIOPHYSIK DER ZELLE
Abb.
198:
Turbulente
Strömung
mit
Wirbelschleppe. Reale Flüssigkeit, mit Wirbeln.
Ob nun eine laminare Strömung oder eine Strömung mit Wirbeln auftritt, wird durch die
Reynoldszahl festgelegt. Bei einer laminaren Strömung verlaufen die Molekülschichten
weitgehend parallel. Bei einer turbulenten Strömung beobachtet man Verwirbelungen in den
Molekülschichten, sie laufen nicht mehr parallel. Erreicht die Reynoldszahl einen kritischen
Wert, so geht die ideale laminare Strömung in eine turbulente über.
Re =
ην
ρν l ν l
=
η
ην
=
kinematische
Viskosität
= Länge der Strömung
Die Strömungsform hängt also von der Viskosität der Flüssigkeit und von der
Strömungsgeschwindigkeit ab.
Literatur
1. Physikalische Chemie und Biophysik
G. Adam, P. Läuger, G. Stark
Springer-Verlag, Berlin - Heidelberg - New York, 1995 (3. Auflage)
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