BAN Special II Jan 2015

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Erbschaftsteuerliche Privilegierung des
Betriebsvermögens: das Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes und seine
Konsequenzen
01/2015
sogenannten
I. Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
Optionsverschonung ergab sich sogar
eine 100 %ige Steuerbefreiung, wenn in
Am 17.12.2014 wurde das lang erwartete
Urteil
des
I.
Senats
Bundesverfassungsgerichts
den folgenden sieben Jahren 700 % der
des
Lohnsumme
verkündet.
Begünstigung
Das Bundesverfassungsgericht hat die
derzeitige
erbschaft-
verfassungswidrig
Gesetzgeber
in
Teilen
erklärt
und
dem
bis
zum
aufgegeben,
für
werden.
Die
wenn
das
entfällt,
sogenannte
und
schenkungsteuerliche Privilegierung des
Betriebsvermögens
erreicht
Verwaltungsvermögen
(Immobilien,
Kapitalvermögen)
Anteil
mehr
von
als
einen
50 %
(bei
Optionsverschonung 10 %) erreicht. Bei
Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten
entfällt die Lohnsummenregelung, d. h. bei
30.06.2016 eine Neuregelung zu treffen.
solchen
Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis?
Betrieben
muss
der
Betrieb
lediglich für die nächsten fünf bzw. sieben
Jahre aufrechterhalten bleiben.
II. Bisherige Privilegierung des
Betriebsvermögens
Die Regelung führte mit dem sogenannten
Cash-Modell auch zu Begünstigungen, die
Nach
der
seit
2009
geltenden
der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt
Gesetzeslage wird die Übertragung von
Betriebsvermögen
anlässlich
hatte, wobei das Cash-Modell durch eine
eines
Gesetzesänderung seit 08.06.2013 nicht
Todesfalles oder einer Schenkung unter
mehr möglich ist. Darüber hinaus ergeben
bestimmten
sich
Voraussetzungen
85 %
des
steuerlich
übertragenen
begünstigt.
von Verwaltungsvermögen.
die Lohnsumme in den nächsten fünf
400 %
Jahreslohnsumme
der
maßgeblichen
erreicht.
Mit
hinsichtlich
der Mitarbeiteranzahl und des Einbezugs
Vermögens
können steuerfrei gestellt werden, wenn
Jahren
Gestaltungsspielräume
der
1
Special
01/2015
Eine Kooperation unabhängiger Wirtschaftsprüfer
generell. Beides impliziert die Vermutung,
III. Grundsätzliche Bestätigung der
Privilegierung
dass es sich um kleine und mittlere
Unternehmen handelt. Diese Typisierung
Das
Bundesverfassungsgericht
hat
als
festgestellt, dass die erbschaftsteuerlich
begünstigte
Übertragung
Betriebsvermögen
bei
auch große Unternehmen begünstigt sein
können.
Verantwortung geführt werden, zulässig ist
über
Bezug;
einen
Großunternehmen
der
besondere
zum
anderen
fehlt
personale
stellt
das
Bundesverfassungsgericht den direkten
breiten Entscheidungsspielraum verfügt.
Zusammenhang mit einer Gefährdung der
Es geht um den Bestand und den Erhalt
Arbeitsplätze
von Arbeitsplätzen.
Der
Bei
einerseits
und der Gesetzgeber hinsichtlich der
Ausgestaltung
das
wohl aber, dass trotz dieser Eingrenzung
und
mittleren Unternehmen, die in personaler
konkreten
stellt
Bundesverfassungsgericht nicht in Frage,
von
kleinen
solche
aufgrund
unterstellter
vorhandener Liquidität der Gesellschafter
Entscheidungsspielraum
des
in
Frage.
Die
Inhaberschaft
von
Gesetzgebers geht soweit, dass auch eine
Großbetrieben wird als vom Unternehmen
vollständige Steuerbefreiung durch die
mehr oder weniger abgekoppelt betrachtet
Verfassung gedeckt ist. Somit sind weder
und
die
Gesellschaftern genügend freies Kapital
Höhe
der
Freistellung
grundsätzliche
noch
der
Gesetzesmechanismus
zudem
zur
verfassungswidrig.
vermutet,
dass
bei
Deckung
den
der
Erbschaftsteuerverbindlichkeiten
vorhanden ist.
IV. Verfassungswidrige Bestandteile
Die
Ausgestaltung
widerspricht
jedoch
des
in
grundgesetzlich
Da dies sein kann aber nicht sein muss,
postuliert das Bundesverfassungsgericht
Gesetzes
Teilen
eine sogenannte Bedürfnisprüfung. Damit
dem
ergeben sich zwei zentrale Fragen:
verankerten
Gleichheitsgrundsatz.
Bundesverfassungsgericht
Das
a)
benennt
Bei
welchen
es als ein großes?
1. Große Unternehmensvermögen
b)
von
Anteilen
Wie
lassen
handhabbare
an
ein
sich
Kriterien
präzise
und
für
eine
gibt
das
Bedürfnisprüfung festlegen?
Kapitalgesellschaften sind erst ab einer
Beteiligungsquote von 25 % begünstigt,
Zu
Anteile
Bundesverfassungsgericht
an
endet
mittleres Unternehmen und ab wann gilt
folgende Elemente.
Übertragungen
Kriterien
Personengesellschaften
2
beiden
Punkten
keine
Special
01/2015
Eine Kooperation unabhängiger Wirtschaftsprüfer
3. Verwaltungsvermögen
konkreten Vorgaben, sondern überlässt
diese Definition dem Gesetzgeber.
Das Bundesverfassungsgericht stört sich
Einen Anhaltspunkt für die Einordnung
daran, dass das begünstigte Vermögen
eines Großbetriebs könnte die Definition
bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen
der Europäischen Union bieten. Danach
bestehen darf. Der hohe Anteil führt zu
liegt kein mittleres Unternehmen mehr vor,
einer Verlagerung von Privatvermögen in
wenn
Betriebsvermögen.
entweder
Arbeitnehmer
mehr
beschäftigt
Umsatzerlöse € 50 Mio.
oder
die
als
250
sind,
die
Verwaltungsvermögen
überschreiten
Bilanzsumme
€ 43
Ansicht
Mio.
Ein
Arbeitnehmer, 40 Mio. Umsatzerlöse, 20
aufweisen,
Gerichtes
nicht
lässt
Produktivvermögen
Querverweis
auf
die
85
die
Spekulation
zu,
dass
von
anscheinend aufgrund des Querverweises
Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten
für eine mögliche Größenordnung.
Das Bundesverfassungsgericht verweist
4. Missbräuchliche Gestaltungen
darauf, dass weit über 90 % aller Betriebe
nicht
mehr
als
Das Bundesverfassungsgericht hält das
20
Erbschaftsteuergesetz auch insoweit für
Beschäftigte haben und insoweit aus der
verfassungswidrig, als es Gestaltungen
Ausnahme eine Regel wird. Es lässt auch
gelten,
dass
zulässt, die ausschließlich dem Zweck
der
dienen, die Begünstigung zu erreichen.
Verwaltungsaufwand zum Nachweis der
Lohnsummen
für
das
Grenze zwar nicht vor, aber hält sie
Lohnsummenbefreiung
nicht
%ige
% betragen sollte. Das Gericht gibt diese
erfüllt sein müssen.
Deutschland
als
Verwaltungsvermögen nicht mehr als 15
an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen
in
nach
Freistellung bei der Regelverschonung
wobei
dabei gleichzeitig zwei von drei Kriterien
2.
können
subsummiert werden.
HGB ab 01.07.2015 (Entwurf BilRUG, 250
Bilanzsumme)
des
begünstigtes
übersteigt. Ähnliche Kriterien wird das
Mio.
50 %
derartige
Die bereits abgeschaffte Cash-GmbH ist
kleinere
hier das Extrembeispiel. Es soll aber auch
Betriebe unverhältnismäßig hoch sei.
unzulässig sein, durch Aufspaltung auf
Hier gibt das BVerfG eine deutlichere
mehrere
Vorgabe:
der
Mitarbeiteranzahl von 20 Mitarbeitern zu
Lohnsummenpflicht muss auf Betriebe „mit
unterschreiten. Auch wird der sogenannte
einigen wenigen Beschäftigten“ begrenzt
Kaskadeneffekt
bleiben.
genannt, der durch die Verteilung von
Die
Freistellung
von
Betriebe
bei
die
maßgebliche
Konzernstrukturen
Verwaltungsvermögen auf mehrere Stufen
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Special
01/2015
Eine Kooperation unabhängiger Wirtschaftsprüfer
einen weit
über
50 %igen Anteil an
Vergünstigungen tatsächlich nicht mehr
Verwaltungsvermögen zulässt. Wird eine
möglich sind; hierzu bedarf es einer
GmbH mit 45 % Verwaltungsvermögen als
entsprechenden
„produktiv“
als
gesetzgeberischen Anwendungsregelung,
der
womit allerdings wohl auch zu rechnen ist.
gewertet,
verbundenes
gilt
sie
Unternehmen
Muttergesellschaft
insgesamt
Produktivvermögen,
so
dass
rückwirkenden
als
diese
VI. Fazit
ihrerseits wiederum Verwaltungsvermögen
bis zur zulässigen Grenze einsteuern
Die gute Nachricht für die kleinen und
kann.
mittleren
Unternehmen
ist,
dass
die
umfangreichen Verschonungsregelungen
V. Übergangszeit
Der Gesetzgeber ist aufgerufen, bis zum
30.06.2016
eine
verfassungskonforme
Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt
das Gesetz anwendbar. Betriebsvermögen
kann daher nach wie vor nach den
geltenden
werden,
Regelungen
auch
soweit
Großbetriebe
übertragen
es
sich
handelt,
um
der
Lohnsummennachweis bei Betrieben unter
20
Personen
entfällt
Verwaltungsvermögen
und
bis
zu
das
50 %
beträgt.
Es gibt aber eine wichtige Einschränkung.
Keinen
Vertrauensschutz
Gestaltungen,
Ausnutzung
die
der
einer
genießen
exzessiven
gleichheitswidrigen
Bestimmungen
gleichkommen.
Kaskadeneffekte in Konzernstrukturen und
Aufspaltungen auf mehrere Betriebe zur
Erreichung
der
Mitarbeitergrenze
sind
Beispiele für solche Gestaltungen. Damit
ist
noch
nicht
gesagt,
dass
diese
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Special
01/2015
Eine Kooperation unabhängiger Wirtschaftsprüfer
vermutlich
dauerhaft
erhalten
bleiben,
mindestens jedoch bis zum 30.06.2016.
Bei Gestaltungen, die infolge einer vom
gesetzgeberischen Willen abweichende
Fallkonstellation
ermöglichen
die
Begünstigung
sollen,
ist
Vorsicht
angebracht.
Man
darf
gespannt
sein,
welche
Maßnahmen der Gesetzgeber ergreifen
wird, insbesondere hinsichtlich der Anzahl
der
Mitarbeiter
zur
Lohnsummenfreistellung, der Kriterien zur
Einstufung zum Großbetrieb und der
sogenannten
Bedürfnisprüfung
bei
Großbetrieben. Auch die Änderung der
jetzigen „Alles oder nichts“-Regelung bei
der
Bemessung
Verwaltungsvermögens
Möglicherweise
wird
des
wird
das
spannend.
Gesetz
diesbezüglich grundlegend dahingehend
geändert, dass das nicht begünstigte
Verwaltungsvermögen zumindest teilweise
normal besteuert wird, so dass es einer
prozentualen Begrenzung nicht bedarf.
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