Austro-Pop 5 10 15 20 25 Mit Austro-Pop wurde Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre das erfolgreiche Bestreben von Künstlern bezeichnet, in Österreich eine neue Musik für die Jugend zu etablieren. Ausgehend von der Revolution der 60-er Jugend in den USA wollten die Musiker kritische und politische Aussagen machen. Das führte in Österreich auch zu dem Wunsch, den hohen englischsprachigen Anteil an der Radiomusik etwas zurückzudrängen. Schließlich sollten die Texte ja verstanden werden. Auch das Spielen der damals populären deutschen Schlager sollte reduziert werden, einerseits wegen der banalen, schnulzigen und unkritischen Texte, und weil ein neues Österreich-Bewusstsein den Dialekt eher als Muttersprache identifizierte als Hochdeutsch. Ursprünge Die Ursprünge des Austro-Pop können bis in das 19. Jahrhundert mit dem satirischen Theater verfolgt werden. Wegbereiter dafür waren Johann Nestroy und Ferdinand Raimund, die mitunter als Vorväter in der Tradition des oft politisch und gesellschaftlich kritischen und im Dialekt vorgetragenen Gesangs genannt werden. War Raimunds Werk noch an die Biedermeier-Zeit angelehnt, gingen Nestroys Stücke bereits auf die gesellschaftlichen Umwälzungen des Vormärz ein. Weitere Einflüsse kommen aus dem Bereich Wienerlied. Ein berühmter, vor allem als Schauspieler, aber auch als Interpret bekannter Vertreter dieses Genres war Hans Moser, der zwischen Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts als Volksschauspieler tätig war. Das bekannteste von ihm gesungene Lied ist Die Reblaus. In den 1950er- und 1960er-Jahren entwickelte sich – kurz vor der Dialektwelle – der Schlager zu einer immer beliebteren Musikrichtung. Musiker wie Udo Jürgens oder Peter Alexander feierten mit ihrer Mischung aus Popmusik, Schlager und Chanson in Österreich und auch in Deutschland große Erfolge. Als Schlagerinterpreten werden sie aber gewöhnlich nicht zum Austro-Pop gezählt. 30 35 Die Dialektwelle der 1970er-Jahre Die Entstehung des Austro-Pop ging einher mit einer Reihe von Künstlern, die in ihrem Dialekt, anfangs vor allem dem Wienerischen, sangen. Ende der 1960er-Jahre und Anfang der 1970er-Jahre schufen dann einige Musiker neben Liedern auf Hochdeutsch auch zunehmend solche in ihrem Dialekt. Unter den ersten landesweit populären Aufnahmen waren The Worried Men Skiffle Group mit ihrem legendären Auftritt bei der Sendung ‚Wünsch Dir Was‘ am 8. Oktober 1970 und ihren umweltkritischen Text Der Mensch is a Sau, dem Zeitgeist der 1960er entsprechend. Die große Zeit des Austro-Pop begann dann mit Marianne Mendts Wia a Glock’n (1970) und Wolfgang Ambros’ Da Hofa (1971). 40 45 50 Zur Popularität der jungen Musiker trug auch ab 1969 vom österreichischen Rundfunk (ORF) geschaffene Sendung Showchance bei. Ungeachtet des gegen deutschsprachige Unterhaltungsmusik gerichteten „Schnulzenerlasses“ von ORF-Generalintendant Gerd Bacher wurde der Austro-Pop in der Anfangszeit des 1967 gegründeten ORF-Radiosender Ö3 von Radiomachern nachdrücklich gefördert. Die Entwicklung dieser Strömung war zum Teil auf die Dominanz englischsprachiger Musik in der Popkultur zurückzuführen. Die Unterstützung des Dialekts war aber auch Versuch, eine österreichische Identität zu entwickeln bzw. zu stärken. Die Sprache bildete dann auch die größte Hürde für viele der Künstler, die internationale, über den deutschsprachigen Raum hinausgehende Erfolge vielfach behinderte. 60 Von deutschsprachig zu Englisch, von Mundart zu New Wave Neben dem Dialekt wurde mit Ende der 1970er die englische Sprache in der Musik österreichischer Interpreten wieder populärer. Der Austro-Pop entwickelte sich somit zu einem vielfältigeren Genre. Die Dialektwelle ebbte zunehmend ab. Mit der aufkommenden New Wave-Szene kamen weitere neue Künstler zu Popularität. Zu Beginn der 1980erJahre feierte Falco, der mit vielen seiner Lieder den deutschsprachigen Raum eroberte, der auch als erster deutschsprachiger Rapper bezeichnet wurde (Der Kommissar), internationale Erfolge. Ein Jahr später führte Falco mit Rock Me Amadeus in zahlreichen Ländern die Hitparaden an. 65 Im Bereich des Hip-Hop und der elektronischen Musik konnten zwar einige österreichische Musiker und Formationen international Fuß fassen, diese werden in der Regel aber nicht zum Austro-Pop gezählt. Zabine, ehemalige Sängerin der Alpinkatzen, schuf eine Mischung aus Volksmusik und elektronischer Musik. 70 Erfolgreichste Musikerin der letzten Jahre ist Christina Stürmer, die Zweitplatzierte der ersten Staffel der ORF-Castingshow Starmania (2002/2003), die sowohl in Österreich wie auch in Deutschland und der Schweiz, vordere Hitparadenplätze erreichte. Daneben erlangten auch Formationen wie SheSays, Zweitfrau und Luttenberger&Klug national größere Bekanntheit. 55 75 80 Radiostationen - etwa FM4 mit dem FM4 Soundpark und Ö3 mit dem Ö3 Soundcheck bieten Nachwuchsbands Gelegenheit sich einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Um an den Erfolg Christina Stürmers anzuknüpfen startete Ö3, Teil des ORF, der die StarmaniaCastingshows produzierte, 2007 die Aktion Die neuen Österreicher um junge Bands und Musiker zu fördern; zu einem Teil jene, die zuvor schon bei Starmania angetreten waren. Der jeweilige Dialekt wurde von diesen Bands jedoch nur selten verwendet, meist wurde auf Hochdeutsch oder Englisch gesungen. Rückkehr des Dialekts im Mainstream Im Jahr 2010 gab es wieder mehrere österreichische Hits in den Charts, die im Dialekt gesungen wurden und hohe Platzierungen erreichten. Wenige Monate später erreichte Hubert von Goisern mit seinem Lied Brenna tuats guat die Nummer eins der österreichischen Charts. Bekannt wurden in den letzten Jahren auch die Bands Bilderbuch und Wanda.