Mystik

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WPG PHILOSOPHIE
SCHULJAHR 2002/03
1. VERHÄLTNIS ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND RELIGION:
 METAPHYSIK + MYSTIK
Philosophische Gedanken als Basis sämtlicher Religionen
(psychologische Bedürfnisse) - Sinnfrage/ Tod
2. PHILOSOPHISCHE FRAGEN DER PSYCHOLOGIE:
Willensfreiheit, Existenz - Anthropologie, Wahrnehmung und
Wirklichkeit,
M Y S T I K:
MYSTIK: (griech. mystikos) =geheimnisvoll
Ursprünglich eine Bezeichnung für Geheimreligionen, schließlich das
Bestreben, das Übersinnliche, Transzendente, Göttliche durch Abkehr von
der Sinnenwelt zu erfassen.
Die philosophische Mystik bezieht sich auf die Einheit von ICH und
WELTGRUND. Eine Erfahrung, die allen anderen Einzelwissenschaften
zugrunde liegt.
METAPHYSIK: (griech. nach/hinter der Physik)
Titel der Schriften des Aristoteles. Das nach den konkreten Naturdingen
Erkennbare – diesen zugrundeliegend. Wurde von Aristoteles daher als
erste Philosophie bezeichnet.
Seit dem Mittelalter eine philosophische Disziplin. Metaphysik als
Grundwissenschaft, in der alle Disziplinen wurzeln.
Thema: das Seiende, die Elemente und die Bedingungen des Seienden.
„Eigentlicher Zweck allen Philosophierens ist
die intuitio mystica – die mystische Intuition.“
(Nietzsche)
Beispiel für mystische Intuition:
Thales von Milet: „Der Urstoff allen Lebens ist Wasser“
ARBEITSBLATT WPG PHILOSOPHIE
Thema: Religion und Mystik
Analysiere den Filmbeitrag zum Satanismus hinsichtlich folgender Begriffe bzw.
Fragestellungen!
o Definition von Gut und Böse:
o Was wird als „mystisch“ empfunden?
o Welche Rolle spielen Rituale – welche Funktion haben sie zu erfüllen?
o Welche Sehnsucht steckt dahinter?
o Welche Glücksvorstellung ist zu vermuten?
o Warum fühlen sich viele Jugendliche Satanismus, Sekten etc. angesprochen?
o Spielt Musik eine Rolle dabei?
WAS ZUM GLÜCKLICHSEIN GEHÖRT:
(Stephan Lermer)
1. GESUND SEIN:
Fühlen-Können - das sinnlich und seelisch-geistige Vermögen, das Glück wahrnehmen zu können;
2. PERSÖNLICHE IDENTITÄT:
"Werde der Du bist!" - Wer sich selbst gefunden hat, kennt seinen Platz auf dieser Welt und hat
damit den Sinn seiner Existenz gefunden.
3. GEFÜHL VON AUTONOMIE:
Freiwilligkeit einer Handlung vermittelt Stärke, die die Angst vertreibt.
4. SOZIALES ENGAGEMENT:
"Nicht im Nehmen erst im Geben fühlt man sich frei!" - Freude mit anderen teilen.
5. ANERKENNUNG:
eigene Stärken und Schwächen annehmen und anerkannt werden, sowie andere anerkennen.
6. BESCHEIDUNG:
Unabhängigkeit vom Besitzen-Müssen macht frei für das Glück (siehe Fromm - Weg vom HabenCharakter hin zum Sein-Charakter). Denn jeder Besitz verpflichtet und ist mit Angst um seinen
Verlust verbunden.
7. AKTIVITÄT:
"Mein eigentliches Glück war mein poetisches Sinnen und Schaffen!" (Goethe)
Was fehlt deiner Meinung nach auf dieser Liste?
GLÜCK DURCH SELBSTVERWIRKLICHUNG UND SINNFINDUNG
 Wie definiert Frankl "Glück"?
Was versteht Frankl unter existentiellem Vakuum, existentieller Frustration, Wille zum Sinn
und Selbst-Transzendenz?

Was ist nötig, damit der Mensch glücklich sein kann? - Vergleiche dazu Maslows
Motivationstheorie!


Wie wird von Lenz Sucht erklärt, was begünstigt ihre Entstehung?
Inwiefern ist Arbeitssucht Folge unbefriedigten Glücksstrebens?
Wieso ist sie als Krankheit so schwer erkennbar?
Vergleiche den Text "Konsumzwang und Glück" mit deinen Erfahrungen und nimm Stellung
zum Konsumzwang
VIKTOR FRANKL:
"Glück und Lust können nicht direkt angestrebt werden!"
- PARADOXIEN DES GLÜCKS !!
Paradoxie des Glücks: "Es entzieht sich uns genau in dem Maße, in dem wir es indentieren..." (Frankl) "Die
Tür zum Glück geht nach außen auf: je mehr einer durch sie hineinstrümen will, um so mehr verschließt sie
sich ihm auch schon." (Kierkegaard)
Glück und Lust sind nach Frankl untrennbar miteinander verbunden. Es handelt sich dabei um Effekte,
sie müssen auch Effekte bleiben, sollen sie nicht zunichte werden!
Wenn jemand das Glück, die Lust direkt anpeilt erweist sich die gedachte Abkürzung als Sackgasse Effekthascherei!!
Der Mensch befindet sich in einem Teufelskreis:
Er wird Opfer einer Intention nach Glück oder Lust - Hyperintention
- dazu gesellt sich meist die übermäßige Hinlenkung der Aufmerksamkeit auf das zu erstebende Ziel Hyperreflexion.
Die verkrampfte Hyperintention und die lähmende Hyperreflexion schließen sich dann zusammen zu einem
Teufelskreis und schließen den Menschen darin ein! (Im Sinne von Frankls Logotherapie).
EXISTENTIELLES VAKUUM:
Unsere Gesellschaft versucht zwar alle Bedürnisse im Sinne der Maslowpyramide zu befriedigen, der Wille
zum Sinn wird allerdings nicht erfüllt!
Dieses existentielle Vakuum kann sogar im Selbstmord enden!
Der WILLE ZUM SINN = gelebte SELBSTTRANSZENDENZ
FRUSTRATION = verschüttete Selbstranszendenz
D.h.: "Wirklich glücklich werden wir eigentlich nur im selbstvergessenen Hingegebensein an einen
Partner oder im selbstvergessenen Aufgehen in einer Sache! Aus alledem ergibt sich, dass der Sinn
ebenso von Situation zu Situation wie von Person zu Person wechseln muss! Aber er ist
allgegenwertig!?
Reimar Lenz: Das Glück des Süchtigen*
Wie komplex die Bedingungen für das Entstehen von Sucht im medizinischen Sinne sind, möge ein Beispiel
zeigen. Das britische Institut für Gesundheitsfragen hat einen Zusammenhang zwischen Drogenkonsum bei
Kindern und ihrer Wohnweise festgestellt. Eine der zu verfolgenden Ursachenketten:
5 In ungenügend schallisolierten Wohnungen (Neubauwohnungen) können die Kinder nicht einschlafen.
Schlaf
Zusammenhänge zwischen der Werktätigkeit von Müttern und dem Drogenkonsum ihrer Kinder sind zu
vermuten. Verlassene Kinder suchen Ersatzbefriedigung.
Zur Sucht gehört nicht nur das Suchtmittel, sondern auch der Suchtgefährdete. Nach Prof. Burchard,
Hamburg, stammten von 110 gesundheitlich geschädigten Dauerkonsumenten illegaler Rauschmittel 82
Prozent aus schwer gestörten Familienverhältnissen (16,5 Prozent unehelich geboren, 35 Prozent Scheidung
der Eltern, 46 Prozent Stiefvater oder
Der Hamburger Journalist Rolv Heuer hat es einmal ganz schlagend formuliert: Die Sucht kommt vom
Entzug! Was gefehlt hat und fehlt, an Lebensfülle und Glück, soll, mit ungeeigneten Mitteln, hereingeholt
werden.
Es gibt Fresslust aus Liebeskummer, und wir können froh sein, wenn nicht Tabletten gefressen werden. Das
Problem, das am Grunde aller Sucht steht, ist der Lebenshunger - aus Mangel geboren. Die manifeste
Drogensucht ist nur die Spitze eines Eisbergs aus Süchten - Auswuchs der Kälte.
Ein suchtartiges Verhältnis kann auch zur Politik, zur Arbeit, zur Sexualität, zu den Sensationen der
Massenmedien bestehen. Der Bauer Verlag nennt bezeichnenderweise in einer internen Broschüre die
Erzeugnisse seines Hauses "Antispasmatika mit sedativer Wirkung", also krampflösende Mittel mit
beruhigendem Effekt. Sucht ist mehr psychische oder mehr physische Abhängigkeit von einem Mittel der
Ersatzbefriedigung, das eben keinen Frieden schafft. Und in diesem Zusammenhang seien einige
theoretische Bemerkungen über die Struktur von Süchtigkeit erlaubt.
Sucht ist eine allgemeine psychische Kategorie von großer sozialer Mächtigkeit. Sucht ist Permanenz der
Suche, bei ausbleibender Befriedigung, womit Sucht und Suche nur gesteigert werden.
Sucht ist das falsch verstandene Prinzip Hoffnung, ein ständiger Anspruch an die Zukunft, der so, wie er
gestellt wird, nicht sinnvoll eingelöst werden kann. Jetzt ist kein Leben, sagt sich halbbewusst der latent
Süchtige, jetzt nicht, aber nachher, morgen, nächste Woche. In Zukunft wird Leben sein, wenn die vage
Unzufriedenheit, der Durst gelöscht sein wird: nach dem nächsten Bier, nach der nächsten Zigarette, nach
der nächsten Fernsehsendung, nach der nächsten Sensation. "Lustprinzip" und "Realitätsprinzip" stehen sich,
nach Freud, zunächst ganz unvermittelt gegenüber
Erzwingt eine Gesellschaft mehr Versagungen, als sozial notwendig ist, so entsteht Suchtbereitschaft als
generelles soziales Phänomen.
aus: Schwamberger, Volker: Grundkurs Ethik - Glück, Freising, Stark Verlag, 1986, S. 32f
Winfried Schneider: Konsumzwang und Glück*
Was ist passiert? Ich habe wieder einmal festgestellt, dass auch ich bereits konsumabhängig bin. Auch ich
ergreife das Angebot der Werbung, mich selbst und andere durch Waren neu zu entdecken. Welche Waren es
jeweils sind, schreibt mir die Konsumgüterindustrie vor, die ihre ganze Phantasie in die Entwicklung neuer
"Glücksangebote" steckt.
Es ist nichts gegen Stiefel zu sagen. Warum soll ich mir nicht Stiefel kaufen, die mir gefallen und modisch
sind?
Misslich ist, was mir mit dem Kauf noch versprochen wird: nämlich dass ich durch meinen neuen Besitz
auch ein neuer Mensch werde. Attraktiver. sexuell ansprechender, glücklicher. Die Werbung setzt bei in mir
vorhandenen Bedürfnissen an
Für Menschen, die unglücklich sind, stellt Konsum kein Mittel dar, um ihre menschlichen Beziehungen
reicher gestalten zu können. Denn diese sind ja nicht vorhanden, und der Mangel wird deshalb durch
Konsum nur überspielt.
( ... ) Wir werden immer reicher und können uns immer mehr leisten. Der einzelne erfährt deshalb unsere
Gesellschaft nicht mehr als Klassengesellschaft. Und für sein Handeln ist das Bild einer Gesellschaft, in der
sich immer mehr Menschen Fernsehgeräte, Autos, Wohnungen leisten können, viel entscheidender.
Aber, was wir uns leisten, wird von außen bestimmt. Wir reagieren nur noch, bestätigen durch unseren
Kaufakt, was uns die Industrie als "gutes Leben" anbietet. Sah Marx noch die Chance, Menschen für
veränderndes Handeln zu gewinnen, indem man ihnen ihr Elend bewusst macht, so kann heute der Aufruf
zur Veränderung nicht mehr mit dem Hinweis auf materielles Elend begründet werden. Uns allen geht es
materiell immer besser. Der Konsum wird vom einzelnen nicht als Zwang, sondern als Befriedigung
erfahren. Wir alle profitieren von dieser unserer Gesellschaftsordnung und tragen zu ihrer Erhaltung bei.
Keiner ist an diesem Zustand schuld oder jeder. Ein Ausbruch ist für den einzelnen kaum möglich. Die
meisten von uns werden zugeben, dass Leben in mehr besteht als in Essen und Trinken. Aber wer von uns ist
schon in der Lage, aus dem Lebensrhythmus unserer Gesellschaft noch auszubrechen. Unsere Utopie von
gutem Leben gab das Wirtschaftsministerium bekannt. Es kündigte an, dass sich unser Lebensstandard
verdoppelt haben werde. Noch luxuriösere Autos, raffiniertere Fernsehgeräte, kompliziertere Stereoanlagen.
Mir gelingt kaum noch die Distanz zu dieser Entwicklung. Zu sehr schon habe ich die Wünsche dieser Zeit
in mir aufgesogen. Manchmal entdecke ich in mir Angst, Konsumdruck, manchmal auch noch den Wunsch
auszubrechen.
Arbeitsblatt zu religiöser Erfahrung in Zusammenhang mit Mystik und Glück:
o Welche der folgenden Glücksvorstellungen entsprechen deiner Meinung nach religiösen
Erfahrung bzw. religiösen Glücks?
o Welche Vorstellungen über Glück liegen im Einzelnen zugrunde?
o Gibt es Voraussetzungen für das Glück?
GLÜCKSBEGRIFF VERSCHIEDENER PHILOSOPHEN:

ARTHUR SCHOPENHAUER: Glück als "relative Größe"
"Die Zufriedenheit eines jeden beruht nicht auf einer absoluten, sondern auf einer bloß relativen Größe, nämlich
auf dem Verhältnis zwischen seinen Ansprüchen und seinem Besitz; daher dieser letztere, für sich allein betrachtet,
so bedeutungsleer ist wie der Zähler eines Bruches ohne Nenner. Jeder hat einen eigenen Horizont des für ihn
möglicherweise Erreichbaren: so weit wie dieser gehen seine Ansprüche."

VIKTOR E. FRANKL: Paradoxien des Glücks
"So oder so: Glück und Lust sind Effekte, kommen nur als solche zustande und müssen Effekte auch bleiben,
sollen sie nicht zunichte werden.
Was geschieht aber, wenn einer das Glück selbst zum Ziel macht, die Lust direkt anpeilt? Was als Abkürzung
gedacht war, erweist sich als Sackgasse; denn das Haschen nach dem was Effekt ist , stößt allemal ins Leere. Je
mehr einer nach dem Glück jagt, um so mehr verjagt er es auch schon. Die Tür zum Glück, meinte Kierkegaard,
geht nach außen auf: je mehr einer duch sie hineinstürmen will, um so mehr verschließt sie sich ihm auch schon."

CHINESISCHES SPRICHWORT: Was gehört zum Glücklichsein?
"Willst Du einen Tag lang glücklich sein, so betrinke Dich. Willst Du ein Jahr lang glücklich sein, so heirate, willst
Du ein Leben lang glücklich sein, so liebe Deinen Beruf!"

NICOLAI HARTMANN: Glücksstreben und Glücksfähigkeit
"Jedermann weiß, was es mit der Jagd nach dem Glück auf sich hat. Das mythologische Bild der launischen
Fortuna trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist das Wesen des Glücks, den Menschen zu necken und zu äffen, solange
er lebt, ihn zu locken, zu verführen und mit leeren Händen stehen zu lassen. Es verfolgt ihn eifersüchtig, solange er
danach hascht, flieht unerreichbar vor ihm her, wenn er es leidenschaftlich erstrebt. Wendet er sich aber ernüchtert
ab, so umschmeichelt es ihn schon wieder.
Das Glück hängt von der Empfänglichkeit des Menschen selbst, seiner GLÜCKSFÄHIGKEIT ab. Diese aber leider
unter dem Glücksstreben. Sie ist am größten, wo das betreffende Gut am wenigsten gesucht war, wo es dem
Überraschten ungeahnt in den Schoß fällt. Und sie ist am geringsten, wo es leidenschaftlich ersehnt und erstrebt
wurde."

EPIKUR:
"Darum behaupte ich, daß die Freude das A und O des glückselig gestalteten Lenbens ist. Sie kennen wir als unser
erstes angeborenes Gut, von ihr lassen wir uns bei unserem Streben und Meiden leiten und nach ihr richten wir uns,
alles andere Gut mit ihrem Maßstab messend. Und gerade weil sie unser allererstes, naturgegebenes Gut ist, darum
streben wir auch nicht nach jeder Freude, sondern übergehen bisweilen viele, wenn uns von ihnen nur ein desto
größeres Unbehagen droht. Ja viele Schmerzen bewerten wir mitunter sogar höher als Freuden, nämlich dann, wenn
auf eine längere Schmerzenszeit eine um so größere Freude folgt..
An allem Anfang aber steht die Vernunft, unser größtes Gut. Aus ihr ergeben sich alle übrigen Tugenden von
selbst, ja sie ist sogar wertvoller als das Philosophieren, weil sie uns lehrt, daß in Freude zu lehren unmöglich ist,
ohne daß man ein vernünftige, sittlich hochstehendes und gerechtes Leben führt, daß es umgekehrt aber auch
unmöglich ist, ein vernünftiges, sittlich hochstehendes und gerechtes Leben zu führen, ohne in Freude zu leben.
Denn die Tugenden sind mit dem freudevollen Leben eng verwachsen."

ARISTOTELES: Nikomachische Ethik - Teilziel und Endziel
".......Nachdem also jede Erkenntnis und jeder Entschluß nach einem bestimmten Gut zielt, setzen wir mit der Frage
ein: Was ist das höchste von allen Gütern, die man durch Handeln erreichen kann?
Das Glück - so sagen die Leute, wobei gutes Leben und gutes Handeln in eins gesetzt werden mit dem
Glücklichsein. Aber was das Wesen des Glückes sei, darüber ist man unsicher, und die Antwort der Menschen
lautet anders als die des Denkers.
Die Menge stellt sich etwas Handgreifliches und Augenfälliges darunter vor, z.B. Lust, Wohlstand, Ehre: jeder
etwas anderes. Bisweilen wechselt sogar ein und derselbe Mensch seine Meinung: wird er krank, so sieht er das
Glück in der Gesundheit, ist er arm, dann im Reichtum. Einige aber dachten, es gebe neben den vielen greifbaren
Gütern noch ein Gut, von selbständiger Existenz, das zugleich für all die genannten Güter die Ursache dafür sei,
daß sie Güter sind....................
Das oberste Gut ist zweifellos ein Endziel. Das oberste Gut genügt für sich allein. Den Begriff - für sich allein
genügend- wenden wir aber nicht an auf das von allen Bindungen gelöste Ich, sondern auf das Leben in der
Verflochtenheit mit Eltern, Kindern, der Frau, überhaupt den Freunden und Mitbürgern; denn der Mensch ist von
Natur aus bestimmt für die Gemeinschaft.............. Dieses oberste Gut ist GLÜCK!"
DAS MYSTISCHE DREIECK
o Interpretiere das dargestellte mystische Dreieck und integriere die Begriffe Absolutes und
Glück in deine Ausführungen!
o Vergleiche dieses Dreieck mit dem Platonischen Dreieck! Welche Gemeinsamkeiten sind
erkennbar?
o Lassen sich – deiner Meinung nach - mit dem mystischen Dreieck Religionen erklären?
o Lies den Text von Bochenski und kommentiere ihn!
Arbeitsaufgaben und Ausarbeitungen sind schriftlich zu erledigen und abzugeben! Das Ergebnis
wird beurteilt!
MYSTIK
Zitate:
Es handelt sich um eine Betrachtung, die Schritt für Schritt an die Grundeinsicht philosophischer
Mystik heranführt: an die Erkenntnis der Einheit des Seinsgrundes alles Seienden mit dem Ich des
Erkennenden.
Die Rede ist also von zwei Erkenntnisweisen: mit der einen blicken wir nach außen und das ist
die gewöhnliche, die wir im Leben des Alltags benutzen, mit der anderen aber richten wir den Blick
in unser Innerstes und entdecken da in uns selbst die Einheit von Ich und All –(in
Upanischadentexten1 auch „Atman“2 genannt.
Mystik findet man auch in der klassischen Philosophie Chinas. Das berühmte „Tao3-tê-ching“ z.B.,
als dessen Verfasser man Lao-tse vermutet. Karl Jaspers nannte dieses Werk „eines der
unersetzlichen Werke der Philosophie“.
Manche Philosophen verbinden den Begriff des Tao sowohl mit altindischer Weisheit als auch
mit dem abendländischen Gottesbegriff:
„Tao deckt sich fast mit Brahman oder Atman, dem obersten Weltprinzip der Upanischaden, welches als das Jenseitige,
Unaussprechliche …. Definiert wird.“ (Alfred Forke)
„Im Grunde genommen bedeutet Tao bei Lao-tse das ewige, ursprüngliche, absolute Sein, die Existenz schlechthin,
entspricht also unserem Gottesbegriff.“ (André Eckardt)
Kommentiere oben stehende und folgende Zitate:
„Tao erzeugte Einheit,
Einheit erzeugte Zweiheit,
Zweiheit erzeugte Dreiheit
Dreiheit erzeugte die zehntausend Wesen.“
(Tao-tê-ching, Kapitel 42)
„Ohne aus der Tür zu gehen, kannst du die
Welt erkennen.
Ohne aus dem Fenster zu blicken, kannst du
das Tao des Himmels sehen.
Je weiter du hinausgehst, desto geringer wird
dein Erkennen.“
(Tao-tê-ching, Kapitel 47)
Upanischaden: „in der Nähe des Meisters sitzend“ – altindische philosophische bedeutende Schriften der
„Geheimlehren“; die Grundstimmung ist die Bewertung alles Daseins als Leiden
2
Atman: (sanskrit: Selbst, Seele) – in der indischen Philosophie der Upanischaden, der ewige, unwandelbare geistige
Kern des Individuums; - im Zusammenhang zum „Brahman“ zu sehen
Brahman: (sankrit: heilige Macht) schöpferisches und erhaltendes Prinzip der Welt
3
Tao: Weg
1
MYSTISCHE ERFAHRUNG
Laut Karl Alberts Werk „ Einführung in die philosophische Mystik“ gibt es fünf miteinander eng
zusammen hängende Momente der Erfahrung, die für das Verständnis philosophischer Mystik von
grundlegender Bedeutung sind:
1. Einheit
2. Gegenwart
3. Glück
4. Liebe
5. Tod
Es sind dies Begriffe, mit denen wir starke (emotionale Erlebnisse) verbinden und in denen der
mystische Gehalt besonders deutlich zum Ausdruck kommt, die außerdem jedermann zugänglich
sind.
Was heißt Erfahrung eigentlich?
Von großer Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Erfahrung. Bei innerer
Erfahrung denken wir vor allem an Gefühle wie Freude, Trauer, Liebe Hass, Sehnsucht und
Erfüllung oder ganz allgemein Lust und Unlust.
Ob äußere oder innere Erfahrung – immer werden wir in der Erfahrung auch uns selbst bewusst:
„ich weiß, dass ich es bin, der die betreffende Erfahrung hat oder macht!“
Icherfahrung ist daher immer auch Seinserfahrung – siehe Descartes cogito ergo sum
(=cartesische Metaphysik)!!
1. EINHEIT
Textanalyse: aus Hölderlins „Hyperion“ 4
TEXT
KOMMENTAR
o Vergleich mit Aussagen in Religionen:
4
Hölderlin: 1770 – 1843, deutscher Lyriker , Theologe und Philosoph – Vertreter des deutschen Idealismus
2. GEGENWART
Mit der Erfahrung der Einheit des Seienden im Sein, hängt die Erfahrung der Gegenwart
zusammen.
Wie schon Nietzsche sagte: „Eigentlicher Zweck alles Philosophierens ist die intuitio mystica“ Aber was hat es damit auf sich und inwiefern handelt es sich um eine Erfahrung der Einheit und
Gegenwart?
Ausschnitt aus einem Roman des finnischen Schriftsteller Frans Eemil Sillanpää5 – „Sonne des
Lebens“
o Erkläre anhand dieses Romanausschnitts den mystischen Gegenwartsbegriff!
o Welche Rolle spielt hierbei der Begriff der ständigen Wiederkehr (schon von Nietzsche
formuliert)?
o Was hältst du von der Aussage: „Es gibt nur eine einzige Gegenwart für alles Seiende!“ ?
o In Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ geht es an einer Stelle ebenfalls um das
Thema der Gegenwartserfahrung, das bei vielen Mystikern (Bsp.: Meister Eckhart) als Ziel der
Mystik beschrieben wird – nämlich das Ablegen aller Ichhaftigkeit, aller Eigenheit und aller in
diesem Sinne verstandenen Eigenschaften! – Was hältst du davon?
o Analysiere den Gegenwarts – und Einheitsbegriff im Spannungsfeld von Raum und Zeit, von Hier
und Jetzt auf der Basis folgender Textausschnitte von Eugen Fink6!
5
Sillanpää erhielt für diesen Roman 1939 den Nobelpreis für Literatur.
Fink: 1905 – 1975, Phänomenologe und Ontologe – Werk: Nachdenkliches zur ontologischen Frühgeschichte von Raum Zeit -Bewegung
6
Besonders wichtig aber war für ihn, wie er später immer wieder betonte, der Moment, als er nach einem Sommerregen still unter
dem herbduftenden Strauch schwarzer Johannisbeeren lag, wo dem etwa zehnjährigen in der Intensität von Dunst und Duft zum
erstenmal zum Bewußtsein kam: das bin ich! Er hat diesen intensiv erlebten Moment immer als den Beginn seines
Philosophenlebens angesetzt.
3. GLÜCK
Die Gegenwart ist in dieser Sicht von Fink also reines Sein ohne das „Noch-nicht-Sein“ der Zukunft
und ohne das „Nicht-mehr Sein“ der Vergangenheit
Die „mystische Intuition“ der Einheit des Seienden im Sein erscheint nicht nur als Erfahrung der
Gegenwart, sondern auch als in der Gegenwart erfahrenes Glück. Gemeint ist Glück als innerer
Zustand.
Berühmt wurde die Beschreibung einer mystischen Gegenwarts- und Glückserfahrung als das
„Ostia-Erlebnis“ der Augustinischen7 „Confessiones“. Augustinus berichtet dort über ein
Gespräch mit seiner Mutter, in welchem Rede und Erkenntnis immer höher emporsteigen – die
Gegenwart wird dabei mystisch als Ewigkeit erfahren.
„Und während wir so redeten von dieser ewigen Weiheit, voll Sehnsucht nach ihr, berührten wir sie leicht in einem
vollen Schlag des Herzens.“
Augustinus beschreibt hier eine Gotteserfahrung – eines Schöpfergottes des biblischen Glaubens
– als Berührung. Die Trennung von Mensch und Gott – oder verallgemeinernd gesagt – von
Seiendem und Sein wird für einen Moment aufgehoben. Dieses mystische Erlebnis von Ostia hat
den Charakter äußersten Glücks und höchster Erfüllung. (für Augustinus ist es ein Vorgeschmack
des ewigen Lebens bei Gott)
Ein anderes Beispiel des mit der Erfahrung der Gegenwart verbundenen Glücks – von J.J. Rousseau8
o Kommentiere dieses Zitat!
o Welche Rolle spielen die Begriffe
Wunschlosigkeit,
Zufriedenheit,
Friede,
Ekstase,
Freiheit,
Selbstvergessenheit,
Ichlosigkeit
dabei?
o Vergleiche diese Glücksbegriffe von Augustinus und Rousseau mit den bereits erarbeiteten
Glücksvorstellungen!
Augustinus: 354 – 430; Kirchenvater und Philosoph der Scholastik
Rousseau: 1712 – 1778; Staats- und Rechtsphilosoph
„Religion gründet sich nur auf das Gefühl. Das Gefühl sagt mir, dass ein Gott ist. Mehr ist nicht notwendig und mehr zu
wissen ist auch nicht möglich. Rousseau lehnt kirchlichen Offenbarungsglauben, Vernunftreligion und Atheismus
gleichermaßen ab.“
7
8
4. LIEBE
Ein Begriff, der eng mit dem der Einheit zusammenhängt ist der der Liebe. Liebe ist ja Streben nach
Vereinigung – dies gilt sowohl für die erotische als auch für die Liebe im geistigen Sinne.
„Die Frau will geliebt werden ohne Grund, ohne Warum; nicht weil sie hübsch ist oder gut oder
wohlerzogen oder intelligent, sondern weil sie ist.“ In eben diesem Maße gilt dies natürlich auch für
den Mann!
o Analysiere folgendes „Märchen“ von Platon – hinsichtlich Liebe und Einheit! Wie lässt
sich dies auf die geistige Liebe übertragen?
„Ein antikes Märchen??“
Unsere ehemalige Naturbeschaffenheit nämlich war nicht dieselbe wie jetzt, sondern von ganz anderer Art. Denn
zunächst gab es damals drei Geschlechter unter den Menschen, während jetzt nur zwei, das männliche und das
weibliche; damals kam nämlich als ein drittes noch ein aus diesen beiden zusammengesetztes hinzu, von welchem jetzt
nur noch der Name übrig ist, während es selber verschwunden ist. Denn Mannweib war damals nicht bloß ein Name,
aus beidem, Mann und Weib, zusammengesetzt, sondern auch ein wirkliches ebenso gestaltetes Geschlecht; jetzt aber
ist es nur noch ein Schimpfname geblieben. Ferner war damals die ganze Gestalt jedes Menschen rund, indem Rücken
und Seiten im Kreise herumliefen, und ein jeder hatte vier Hände und ebenso viele Füße und zwei einander durchaus
ähnliche Gesichter auf einem rings herumgehenden Nacken, zu den beiden nach der entgegengesetzten Seite
voneinander stehenden Gesichtern aber einen gemein-schaftlichen Kopf, ferner vier Ohren und zwei Schamteile, und so
alles übrige, wie man es sich hiernach wohl vorstellen kann. Man ging aber nicht nur aufrecht wie jetzt, nach welcher
Seite man wollte: sondern, wenn man recht schnell fortzukommen beabsichtigte, dann bewegte man sich, wie die
Radschlagenden die Beine aufwärtsgestreckt sich überschlagen, so, auf seine damaligen acht Glieder gestützt, schnell
im Kreise fort. Es waren aber deshalb der Geschlechter drei und von solcher Beschaffenheit, weil das männliche
ursprünglich von der Sonne stammte, das weibliche von der Erde, das aus beiden gemischte vom Monde, da ja auch der
Mond an der Beschaffenheit der beiden anderen Weltkörper teil hat; eben deshalb waren sie selber und ihr Gang
kreisförmig, um so ihren Erzeugern zu gleichen. Sie waren daher auch von gewaltiger Kraft und Stärke und gingen mit
hohen Gedanken um, so daß sie selbst an die Götter sich wagten;
Zeus nun und die übrigen Götter hielten Rat, was sie mit ihnen anfangen sollten, und sie wußten sich nicht zu helfen;
denn sie wünschten nicht, sie zu töten und ihre ganze Gattung zugrunde zu richten, gleichwie sie einst die Giganten mit
dem Blitze zerschmettert halten - denn damit wären ihnen auch die Ehrenbezeugungen und Opfer von den Menschen
gleichzeitig zugrunde gegangen -, noch auch durften sie sie ungestraft weiter freveln lassen. Endlich nach langer
Überlegung sprach
Zeus: »Ich glaube ein Mittel gefunden zu haben, wie die Menschen erhalten bleiben können und doch ihrem Übermut
Einhalt geschieht, indem sie schwächer geworden. Ich will nämlich jetzt jeden von ihnen in zwei Hälften zerschneiden,
und so werden sie zugleich schwächer und uns nützlicher werden, weil dadurch ihre Zahl vergrößert wird, und sie
sollen nunmehr aufrecht auf zwei Beinen gehen. Wenn sie uns aber dann auch noch fernerhin fortzufreveln scheinen
und keine Ruhe halten wollen, dann werde ich sie von neuem in zwei Hälften zerschneiden, so daß sie auf einem Beine
hüpfen müssen wie die Schlauchtänzer.« Nachdem er das gesagt, schnitt er die Menschen entzwei, wie wenn man
Beeren zerschneidet, um sie einzumachen, oder Eier mit Pferdehaaren. Wen er aber jedesmal zerschnitten hatte, dem
ließ er durch Apollon das Gesicht und die Hälfte des Nackens umkehren nach der Seite des Schnittes zu, damit der
Mensch durch den Anblick seiner Zerschnittenheit gesitteter würde, und befahl ihm dann, das übrige zu heilen. Apollon
kehrte also das Gesicht um, zog die Haut von allen Seiten nach dem, was jetzt Bauch heißt, hin und band sie dann,
indem er eine Öffnung ließ, welche man jetzt bekanntlich Nabel nennt, wie einen Schnürbeutel mitten auf demselben
zusammen. Und die meisten übrigen Runzeln glättete er und fügte so die Brust zusammen, indem er sich dabei eines
ähnlichen Werkzeuges bediente, wie der Holzfuß der Schuhmacher, auf welchem sie die falten des Leders ausglätten:
einige wenige aber ließ er zurück, nämlich eben die um den Bauch und den Nabel, zum Denkzeichen der einst erlittenen
Strafe.
Als nun so ihr Körper in zwei Teile zerschnitten war, da trat jede Hälfte mit sehnsüchtigem Verlangen an ihre andere
Hälfte heran, und sie schlangen die Arme um einander und hielten sich umfaßt, voller Begierde, wieder
zusammenzuwachsen, und so starben sie vor Hunger und Vernachlässigung ihrer sonstigen Bedürfnisse, da sie nichts
getrennt von einander tun mochten. Und wenn etwa die eine von beiden Hälften starb und die andere noch übrig blieb,
dann suchte diese sich eine andere und umfaßte sie, mochte sie dabei nun auf die Hälfte eines ganzen Weibes, also das,
was wir jetzt Weib nennen, oder eines ganzen Mannes treffen, und so gingen sie zugrunde. Da erbarmte sich Zeus und
erfand einen andern Ausweg, indem er ihnen die Geschlechtsglieder nach vorne versetzte; denn bisher trugen sie auch
diese nach außen und erzeugten und gebaren nicht in einander, sondern in die Erde wie die Zikaden. So verlegte er sie
also nach vorne und bewirkte dadurch die Erzeugung in einander, nämlich in dem Weiblichen durch das Männliche, zu
dem Zwecke, daß, wenn dabei ein Mann auf ein Weib träfe, sie in der Umarmung zugleich erzeugten und so die Gattung
fortgepflanzt würde; wenn dagegen ein Mann auf einen Mann träfe, sie wenigstens von ihrem Zusammensein eine
Befriedigung hätten und so, von dieser gesättigt, inzwischen ihren Geschäften nachgingen und für ihre übrigen
Lebensverhältnisse Sorge trügen. Seit so langer Zeit ist demnach die Liebe zu einander den Menschen eingeboren und
sucht die alte Natur zurückzuführen und aus zweien eins zu machen und die menschliche Schwäche zu heilen.
Jeder von uns ist demnach nur eine Halbmarke von einem Menschen, weil wir zerschnitten, wie die Schollen, zwei aus
einem geworden sind. Daher sucht denn jeder beständig seine andere Hälfte. Soviele nun unter den Männern ein
Schnittstück von jener gemischten Gattung sind, welche damals mannweiblich hieß, die richten ihre Liebe auf die
Weiber, und die meisten Ehebrecher sind von dieser Art, und ebenso wiederum die Weiber, welche mannsüchtig und
zum Ehebruch geneigt sind. Soviele aber von den Weibern ein Schnittstück von einem Weibe sind, die richten ihren Sinn
nur wenig auf die Männer, sondern wenden sich weit mehr den Frauen zu, und die mit Weibern buhlenden Weiber
stammen von dieser Art. Die Männer endlich, welche ein Stück von einem Mann sind, die gehen dem Männlichen nach,
und solange sie noch Knaben sind, lieben sie, als Schnittlinge der männlichen Gattung, die Männer und haben ihre
Freude daran, neben den Männern zu ruhen und von Männern umschlungen zu werden, und es sind dies gerade die
trefflichsten von den Knaben und Jünglingen, weil sie die mannhaftesten von Natur sind.
Manche nennen sie freilich schamlos, aber mit Unrecht: denn nicht aus Schamlosigkeit tun sie dies, sondern aus
mutigem, kühnem und mannhaftem Geistestriebe, mit welchem sie dem ihnen Ähnlichen in Liebe entgegenkommen. Ein
Hauptbeweis hierfür ist der, daß solche allein, wenn sie herangewachsen sind, Männer werden, die sich den
Staatsgeschäften widmen. Sind sie aber Männer geworden, dann pflegen sie die Knaben zu lieben; auf Ehe und
Kindererzeugung dagegen ist ihr Sinn von Natur nicht gerichtet, sondern sie werden nur vom Gesetze dazu gezwungen;
vielmehr würde es ihnen genügen, ehelos mit einander das Leben zuzubringen. Kurz, ein solcher wird jedenfalls ein
Knabenliebhaber, sowie ein Freund seines Liebhabers, indem er immer dem ihm Verwandten anhängt. Wenn nun dabei
einmal der liebende Teil, der Knabenliebhaber sowie alle andern, auf seine wirk liche andere Hälfte trifft, dann werden
sie von wunderbarer Freundschaft, Vertraulichkeit und Liebe ergriffen und wollen, um es kurz zu sagen, auch keinen
Augenblick von einander lassen. Und diese, welche ihr ganzes Leben mit einander zubringen, sind es, welche doch auch
nicht einmal zu sagen wüßten, was sie von einander wollen. Denn dies kann doch wohl nicht die Gemeinschaft des
Liebesgenusses sein, um dessen willen der eine mit dem andern so eifrig zusammenzusein wünscht: sondern nach etwas
anderem trachtet offenbar die Seele von beiden, was sie nicht zu sagen vermag, sondern nur ahnend zu empfinden und
in Rätseln anzudeuten.
Und - wenn zu ihnen, - während sie dasselbe Lager teilten, Hephaistos mit seinen Werkzeugen hinanträte und sie
fragte: »Was wollt ihr Leute denn eigentlich von einander?« und, wenn sie es ihm dann nicht zu sagen vermöchten, sie
von neuem fragte: »Ist es das etwa, was ihr wünscht, möglichst an demselben Orte mit einander zu sein und euch Tag
und Nacht nicht von einander zu trennen? Denn wenn es euch hiernach verlangt, so will ich euch in eins verschmelzen
und zusammenschweißen, so daß ihr aus zweien einer werdet und euer ganzes Leben als wie ein Einziger gemeinsam
verlebt, und, wenn ihr sterbt, auch euer Tod ein gemeinschaftlicher sei, und ihr dann wiederum auch dort im Hades
einer statt zweier seid. Darum seht zu, ob dies euer Begehr ist, und ob dies euch befriedigen würde, wenn ihr es
erlangtet«; - wenn sie, sage ich, dies hörten, dann würde gewißlich kein Einziger es ablehnen oder zu erkennen geben,
es sei etwas anderes, was er wünschte; sondern jeder würde gerade das gehört zu haben glauben, wonach er schon
lange Begehr trug: vereinigt und verschmolzen mit seinem Geliebten aus zweien eins zu werden.
Der Grund hiervon nämlich liegt darin, daß dies unsere ursprüngliche Naturbeschaffenheit ist, und daß wir einst
ungeteilte Ganze waren. Und so führt die Begierde und das Streben nach dem Ganzen
den Namen Liebe. Und vor Zeiten, wie gesagt, waren wir eins; nun aber sind wir um unserer Ungerechtigkeit willen
getrennt worden von dem Gott.
[Platon: Das Gastmahl, S. 41 ff. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 973 (vgl. Platon-SW Bd. 1, S.
681 ff.)]
5. TOD
Neben der Liebe ist die Erfahrung des Todes die mächtigste Erfahrung des Menschen. So ist es
nicht verwunderlich, dass das Thema des Todes in der Philosophie von Anfang an eine bedeutende
Rolle gespielt hat.
Da Mystik eine Sache des Erfahrens – Empfindens ist, stellt sich bei diesem Kapitel also die Frage
nach einer Todeserfahrung.
Die erste Überlegung wäre für uns dann:
o Gibt es so etwas wie Todeserfahrung überhaupt?
o Was versteht man unter Todesangst?
Hermann Broch9
Die Trostlosigkeit des Todes ergibt sich aus der Getrenntheit des Ich vom Universum, vom
Seinsganzen. Das Ich aber, das sich uns Universum aufgelöst hat und so mit ihm eins geworden ist,
erfährt sich als ebenso dauerhaft und unberührt von aller Vergänglichkeit. Der Tod hat dann keinen
Schrecken mehr = Grundannahme eines mystischen Todes, der bereits zu Lebzeiten erreicht werden
sollte!
o Welche Möglichkeiten der Einswerdung mit dem Universum kann es geben?
o Bieten Religionen derartiges an?
9
Hermann Broch: 1886 – 1951; österreichischer Schriftsteller und Philosoph
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