NEWSLETTER 2013 | Nr. 8 16. und 23. April "Musik hat keine politischen Konsequenzen. Aber sie kann uns glücklich machen mit uns selbst." (Elliott Carter | 1908-2012) Liebe Freundinnen und Freunde zeitgenössischer Musik, die kommenden beiden Konzerte – spektakulär und baustellenadäquat - werden im frisch renovierten Foyer des BKA-Theaters stattfinden. Am Dienstag, 16. April: Die Städte Acht Terzette für 3 Baritone entstanden 2012 für ein halbszenisches Konzert des Festivals Pyramidale XI. Die Komponisten Katia Guedes, Martin Daske, Andreas F. Staffel, Gabriel Iranyi, Rainer Rubbert, Samuel Tramin, Hermann Keller und Henry Mex beziehen sich dabei in verschiedener Weise auf die gleichen beiden Texte von Marcus Wiebusch und Rainer Maria Rilke, s.u. Dazwischen erklingen 2 Text-Klang-Kompositionen von Susanne Stelzenbach. 21xTramin entstand als Performance für die Tram-Bahnfahrt zum Veranstaltungsort, die Stücke beziehen sich jeweils auf Stationsnamen und sind zeitlich genau auf die Fahrtzeiten von einer zur nächsten angelegt. Musikalisch sind es lockere Improvisationen über die immer gleiche 8-Ton-Skala. Die Namen und Fahrtdauer zwischen 21 Stationen einer Trambahnstrecke setzten Anknüpfungspunkte und Zeitvorgaben für ironische „Straßenmusiken“, von denen Auszüge zwischen den Terzetten im Programm geboten werden. Am Dienstag, 23. April spielt das junge Blechbläserquintett Apparat: non improvvisare Der Unterschied zwischen Improvisation und fester Notation ist in der zeitgenössischen Musik für den Zuhörer oft schwer zu unterscheiden. Doch gibt es eine dritte Variante, die weder als improvisiert noch als fest notiert bezeichnet werden kann. Diese Variante möchten wir für dieses besondere Konzert erkunden und untersuchen. Die graphischen und oft kunstvollen Partituren von Vinko Globokar und Cornelius Cardew bieten viel Raum für diese Erkundungen, die Klangwelt von Michaël Levinas spektrale Herausforderungen. We are Inhalt . You will be assimilated. Dienstag, 16. April 2013 | 3 Baritone und Tuba | DIE STÄDTE Dienstag, 23. April 2013 | Apparat | NON IMPROVVISARE Dienstag, 16. April 2013 | DIE STÄDTE Thorbjörn Björnsson, Bariton Phillip Mayer, Bariton Daniel Pannermayr, Bass Markus Nimmervoll, Tuba Die Städte Die Städte aber wollen nur das Ihre Die Städte aber wollen nur das Ihre und reißen alles mit in ihren Lauf. Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere und brauchen viele Völker brennend auf. Und ihre Menschen dienen in Kulturen und fallen tief aus Gleichgewicht und Maß, und nennen Fortschritt ihre Schneckenspuren und fahren rascher, wo sie langsam fuhren, und fühlen sich und funkeln wie die Huren und lärmen lauter mit Metall und Glas. Es ist, als ob ein Trug sie täglich äffte, sie können gar nicht mehr sie selber sein; das Geld wächst an, hat alle ihre Kräfte und ist wie Ostwind groß, und sie sind klein und ausgeholt und warten, dass der Wein und alles Gift der Tier- und Menschensäfte sie reize zu vergänglichem Geschäfte. Rainer Maria Rilke DEICHE Ein Volk steht wieder auf, na toll, Bei Aldi brennt noch Licht, Du weißt: Deiche brechen richtig, Oder eben nicht, Du hoffst: 1. Person, plural, Weißt: Aber nicht mit mir, Es ist schwer zu erlangen, Und leicht zu verlieren. Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, Ist es nicht normal, Nur weil man es nicht besser kennt, Ist es nicht, noch lange nicht, egal. Ich habe nicht davon gehört, Denn das ist, was passiert, Mir hat niemand was erzählt, Ich habe nicht davon gelesen, Das ist unsere Zeit, Ich bin dabei gewesen. "Niemand wird es schlechter...", Danke, keiner findet statt, Du weißt: Der Kuchen ist verteilt, Und spürst: Die Krümel werden knapp, Und alle um dich herum, Wer kann was wofür? Es ist schwer zu erlangen, Und leicht zu verlieren. Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, Ist es nicht normal, Nur weil man es nicht besser kennt, Ist es nicht, noch lange nicht, egal. Ich habe nicht davon gehört, Denn das ist, was passiert, Mir hat niemand was erzählt, Ich habe nicht davon gelesen, Das ist unsere Zeit, Ich bin dabei gewesen. Ein Volk steht wieder auf, na toll, Bei Aldi brennt noch Licht, Deiche brechen richtig, Oder eben nicht, Der Kuchen ist verteilt, Die Krümel werden knapp, Deiche brechen richtig, Oder eben nicht. Marcus Wiebusch Samuel Tramin 21x TramIn, 21 trashige Bagatellen zu einer Trambahnfahrt (2012) für 3 Baritone, Tuba und Synthesizerzuspiel 1. Hackescher Markt 2. Spandauer Straße 3. S+U Alexanderplatz Andreas F. Staffel Wer kann was wofür (2012, Text: M. Wiebusch) 4.Alexanderplatz Manoli Üben: „Die meisten“ 5.Mollstr./Otto-Braun-Str, Gabriel Iranyi Herbstfantasie (2012, Text: M. Wiebusch) Susanne Stelzenbach Eigentlich wollte ich mir nur ein wenig die Stadt ansehen (2005) Text-Klang-Komposition in 13 Teilen (Nr. 3) 6.Am Friedrichshain, Märchenbrunnen Rainer Rubbert Bei Aldi brennt noch Licht (2012, Text: M. Wiebusch) 7.Hufelandstr. Manoli-Üben:“Such dir mal wen“ 8.Greifswalder Str. Martin Daske Nur das Ihre (2012, Text: R.M. Rilke) 9. Arnswalder Str. 10.Kniprodstr. / Danziger Str. /Manoli-Üben:“Mensch, sieh dich um“ Pause 11.Paul-Heyse Str. 12.Landsberger Allee-Petersburger Str. l Katia Guedes ich nicht (2012, Text: M. Wiebusch) 13.Landsberger Allee Manoli Üben:“Sag mal“ 14.Oderbruchstr. Henry Mex Urbanaris (2012, Text: R.M. Rilke) Susanne Stelzenbach Eigentlich wollte ich mir nur ein wenig die Stadt ansehen (2005) Text-Klang-Komposition in 13 Teilen (Nr. 11) 15.Judith Auer-Str. 15.Judith Auer-Str. 16.Hohenschönhauser Str./Weissenseer Weg D: Hohenschönhausen P: ... Schönhausen T: Schön? P: hausen? D: Kann man P. dort? T: Wer kann schön? P: (Nix schön) D: ... hausen meine ich ... P: Man kann aber auch sehr unschön hausen. T: ... dafür hoch ... T: Hoch geht´s her in deren Haus ... P: ... (aber) das ist auch nicht schön ... D: schön hoch... T: ... hoch aber nicht schön ... D: besser als „niedrighässlich“ P: Wer hoch hinaus will muss schön sein! T: Das Hochhaus kommt vor dem Fall! D: Heisst das nicht (eigentlich): „zu“-haus´? P: Nicht zuhaus´, eher weit weg T: Höhenschönweitweg ...! P: immerhin „Hochschön“! T: Das war jetzt hoch aber nicht schön D: Ist das nicht ne Baufirma? P: Nein, das ist „Hochtief“ T: Das war schön, aber nicht hoch ... 7 P. (zu T) Tiefdoof, du Dödel! D: „hochtief“ geht gar nicht ... T: Welcher Sänger kann schon schön und hoch? (zum Publikum) Sie vielleicht? Oder Sie? D : Gehören die nicht jetzt Spaniern? T: ... eher schöntief (schöntief schon eher) D: Es heisst: tiefschön, wie tiefschwarz T: ... oder schon mal hochschwarz gehört? P: (zu T) Nee, aber du „tiefblond“? T: Weeste wat ick seh? P+D: (genervt)Weissensee! P: Weeste det, oder siehste det? D: Wer weiss was? T: Ick wess n See P: Ick wees och n See D: Ick och! T: Det seh ick nich ... D: Nur Weise sehen! T: Und weise Seher singen Seeweisen. P: Ich seh´ schwarz! D: Ich seh´ wer was weiss. P: Schwarzweiss! D: Was ich nicht weiss, seh ich nicht. T: Was weißt Du schon ! D: Nächste Strasse: hohe Strasse. P: Die schöne Straße. T: Die schöne weisse Straße. D: Eine Seestrasse. T: Schönweiss. P: Ich ... D: Du ... T: Er ... P: ... hab ein Haus am See! D: Seehaus. P: Ist ein weisses Haus. P: Hochweiss! T: Sing hohe Weisen! D: Sag bloß, der Kerl haust am See! P: Ich habs schön am am See. T: Sing schöne Weisen! D: Seht mal, wer da haust! T: Im Hochseehaus. D: Hochschönhaus in Weissensee. T: Im Hochseehaus in Weissenschön. P: Neidhammel! T: Ich weiss etwas, was du nicht siehst P: Ich seh etwas was du nicht weißt D: Es heisst „schneeweiss“ nicht „seeweiss“ 17.Altenhofer Str. / Manoli Üben:“Alle Refrains“ Hermann Keller Die Städte (2012, Text:R.M.Rilke) 18.Zechliner Str. Manoli Üben 6 oder Elektronik-Collage 19.Genslersttr. Samuel Tramin Du/hoffst/leicht/passiert/schwer/kennt/niemand (2012) 20.Arendsweg Manoli (Text: Tucholsky) 21.Schalkauer Str. Dienstag, 23. April 2013 | Apparat | NON IMPROVVISARE Samuel Stoll, Horn Max Murray, Tuba Fabian Schmidt, Posaune Matthew Conley, Trompete Nathan Plante, Trompete non improvvisare Vinko Globokar DISCOURSE VII (1987) "Spielt, als würdet ihr darüber reden." Dieser Zitat könnte eine Anweisung für viele Werke von Vinko Globokar (*1934) sein, darunter auf jeden Fall sein DISCOURS VII. "Discours VII verwendet nur fünf Buchstaben als Textgrundlage: F-R-E-U-D. Die fünf Buchstaben aus dem Namen werden mit je fünf Vortragsarten verknüpft und ergeben somit insgesamt 25 Arten, den Namen in Klang zu transformieren. Eine der fünf Varianten ordnet die Buchstaben "f", "e" und "d" den entsprechenden Tönen zu, während "r" über Flatterzunge (mit Ton) und "u" durch die Vokalfärbigung mit Dämpfer erreicht werden." (Sabine Beck, 2008) Cornelius Cardew TREATISE (1963-1967) Viele behaupten, Treatise sei das wichtigste Werk des britischen Komponisten Cornelius Cardew (1936-81). Die 193 seitigen graphischen Partitur ist ein Kunstwerk für sich. Cardew gibt den Spielern keinerlei Anweisungen zur Aufführung und erlaubt eine völlig freie, jedoch von den Spielern streng geplante, Performance. Keine zwei Aufführungen sind gleich. Michaël Levinas DIACLAS (1993) Mit Michaël Levinas (*1949) und seinem Werk "Diaclas" für Blechbläserquintett, haben wir einen Vertreter des französischen Spektralismus im Programm. In "Diaclas" geht er dem rhythmischen und räumlichen Phänomen auf die Spur. Der erste Satz, welche eine Hommage an Gluck ist, versucht er dies "vertikal", die Tuba und die Posaune spielen Trichter an Trichter, während die Trompeten und das Horn in sehr kleinen mikrotonalen Intervallen spielen. Im mittleren Satz "zeitlich", in welchem die Trompeten einen sehr virtuosen unisono-Kanon spielen und letzen Endes im dritten Teil auf "tonaler" Ebene. Alle Spieler haben dabei noch ein Snare Drum zur Seite, welche sie mit ihrem jeweiligen Instrumenten zum Klingen bringen, sodass elektronisch anmutende Klänge entstehen. Nathan Plante, ist in San Diego, Kalifornien aufgewachsen und lebt seit acht Jahren in Berlin. Seinen Bachelor of Music schloss er bei Mario Gaurneri an der San Francisco Conservatory of Music ab und studierte anschließend weiter in Berlin bei Bill Forman an der Hochschule für Musik “Hanns Eisler”. Seit seinem Studienabschluss 2007 ist Nathan sehr aktiv als Solist und Ensemble-Spieler in der zeitgenössischen Musikszene Deutschlands. Er spielt als regelmässiger Gast beim Ensemble Mosaik, Kammerensembe Neue Musik Berlin und musikFabrik NRW in Köln. Er hat mehrere wichtige Solo-Werke uraufgeführt, darunter “Wild winged-one” von Liza Lim in 2007 und im Herbst 2009 die Uraufführung von “t.aAmiper für Trompete und Orchester” von Aleksandra Gryka mit dem Polnischen Rundfunk Orchester im Rahmen des Warschauer Herbst Festivals. Nathan ist auch auf CD-Aufnahmen von Elena MendozaLopez, Benjamin Schweitzer und Helmut Zapf zu hören. Matthew Conley wurde 1986 in Cincinnati, OH geboren. Dort machte er am University of Cincinnati College-Conservatory of Music seinen BM und an der McGill University sein Master’s degree in solo Performance, letzteres bei dem renommierten Pädagogen Edward Carroll. Zusätzlich hat Mattew Conley intensiv mit Markus Stockhausen und Stephen Burns studiert sowie vier aufeinanderfolgende Sommer im Center for Advanced Musical Studies in Chosen Vale verbracht. Im Sommer 2010 nahm er an der Lucerne Festival Academy unter der musikalischen Leitung von Pierre Boulez teil. Matthew Conleys besonderes Interesse gilt der zeitgenössischen, klassischen Musik und er hat bereits mit zahlreichen, nennenswerten Komponisten auf diesem Gebiet gearbeitet, darunter unter anderen Matthias Pintscher, Martin Matalon und Johannes Maria Staud. Samuel Stoll studierte Horn bei Jakob Hefti an der Musikhochschule Luzern, Experimentelles Musiktheater bei Georges Aperghis und Musikpädagogik bei Markus Oesch an der Hochschule der Künste Bern. Er ist freiberuflicher Musiker, Performer und Musiklehrer. Samuel Stoll ist regelmäßiger Gast in den Ensembles Klangforum Wien (A), Kammerensemble Neue Musik Berlin (D), Collegium Novum Zürich (CH), MusikFabrik Köln (D), Ensemble Adapter (D) und Ensemble Chronophonie (D) sowie Mitglied im ensembleTzara (CH) und im Ensemble Linea (F). Der Komponist und Tubist Max Murray schloss sein Diplom im Fach Komposition an der University of Victoria British Columbia Canada mit Auszeichnung ab. Danach führte er sein Studium an der Musikhochschule Berlin und an der Musikhochschule Leipzig weiter. Max Murray arbeitete beim Experimentalstudio des SWR, an der Staatskapelle Berlin und beim Lucerne Academy Orchestra. Schriften über Musik publizierte er in der Zeitschrift Kunstmusik. Fabian Schmidt wurde 1986 in Celle geboren und begann im Alter von elf Jahren Tenorhorn zu spielen. Im Jahr 2000 erhielt er seinen ersten Posaunenunterricht an der Musikschule in Celle. Nach einem 1. Bundespreis bei Jugend musiziert und der Mitgliedschaft im Niedersächsischen Jugendsinfonieorchesters begann er sein Studium in Mannheim bei Prof. Ehrhard Wetz. Danach folgten intensive Studien in London, an der Guildhall School of Music and Drama und an der Universität für Musik in Wien. Während dieser Zeit erhielt er Unterricht von Eric Crees, Simon Wills und Otmar Gaiswinkler. Zurzeit absolviert er sein künstlerisches Masterstudium an der Hochschule für Musik und Theater, Leipzig, bei Thomas Leyendecker. ensembleapparat.com We are . You will be assimilated... Herzliche Grüße! Ihre Rainer Rubbert und Martin Daske