WVAO - Wissenschaftliche Vereinigung für Augenoptik und

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WVAO - Wissenschaftliche Vereinigung für Augenoptik und Optometrie e.V.
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Gute Sicht, unklare Aussicht
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Immer mehr Kurzsichtige setzen auf Lasertechnik - aber die Risiken sind noch
nicht abzusehen
Tiger Woods, der beste Golfspieler der Welt, kann seit einiger Zeit noch genauer
putten. Wie mehr als drei Millionen andere Menschen auch, hat er sich die Hornhaut
richten lassen, jenes durchsichtige Scheibchen, das die Pupille bedeckt. Eine Laserbehandlung dieser delikaten Struktur ersetzt immer häufiger Brillen oder
Kontaktlinsen. Die Nachfrage kündet von großen Erfolgen. Jedes Jahr lassen sich
mehr als eine Million Amerikaner die Hornhaut lasern. Nach zurückhaltendem Start
will man auch in Deutschland nicht mehr das Nachsehen haben. Die Zahl der
Operierten soll in diesem Jahr auf rund 60 000 wachsen. Im nächsten Jahr könnten
es schon 100 000 sein. Überwiegend sind die Kunden, wie man die Patienten wohl
nennen muss, kurzsichtig und jung, im Durchschnitt etwa dreißig Jahre alt: Die
meisten möchten wohl nicht nur gut sehen, sondern auch auf eine bestimmte Art
gesehen werden.
Das bevorzugte Verfahren heißt "Lasik", ist kurz und schmerzlos und geht fast
automatisch vonstatten. Im Liegen wird der Augapfel angesaugt, ein winziges
Messer, das Mikrokeratom, schneidet eine hauchdünne Kappe von der Hornhaut ab,
lässt aber am Rand noch eine Verbindung stehen. Die Kappe wird hochgeklappt, das
Innere der Hornhaut sodann von einem Präzisionslaser abgetragen, damit sich die
Wölbung der Hornhaut abflacht. Auf diese Weise lässt sich die Brechung der
Lichtstrahlen so verändern, dass sie nicht mehr vor, sondern genau auf die
lichtempfindliche Netzhaut im Innern des Auges fallen. Deshalb bieten sich den
meisten Kurzsichtigen schon unmittelbar nach dem Eingriff nie gekannte Ausblicke,
sie sehen ohne jegliches Hilfsmittel in der Ferne plötzlich scharf.
Bei näherer Betrachtung erweisen sich die Erfolge indes als nicht so ungetrübt, wie
es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn der Eingriff ist durchaus nicht
risikofrei. Der Schnitt kann zu tief geraten. Die Kappe kann sich auffalten oder
verlorengehen. Es kann das gefürchtete "Knopfloch" entstehen, wenn das
Mikrokeratom ein Loch in die Kuppe schneidet. Obgleich derlei Komplikationen selten
sind, können sie doch im Einzelfall das Sehvermögen drastisch beeinträchtigen.
Besonders düster sind die Aussichten, wenn der behandelnde Arzt ein
"Laserspezialist" ist, der zuvor nur an Schweineaugen geübt hat, über keinerlei
sonstige Operationserfahrung am Auge verfügt und auch keinen sterilen
Operationsraum zur Verfügung hat.
So aber sind oft die Verhältnisse in den Laserzentren, die wie Pilze aus dem Boden
sprießen. Aber selbst versierte Fachleute sind bei Komplikationen mitunter
machtlos. Schwerwiegende Entzündungen der Hornhaut oder des ganzen Auges
können sogar das Augenlicht gefährden. Bei länger dauernden Lasersitzungen
besteht die Gefahr, dass sich durch den Andruck des Mikrokeratoms der Druck im
Augeninnern um ein Vielfaches erhöht und währenddessen die Blutzufuhr der
Netzhaut stockt. Außerdem durchtrennt das Messer feinste Nerven, so dass als
Folge die Befeuchtung der Augenoberfläche gestört ist und die Betroffenen unter
trockenen Augen leiden, mitunter auf Dauer. Manchmal wachsen Deckzellen der
Hornhaut in den Spalt, der durch den Schnitt entstand. Die Wundheilung kann die
Hornhautwölbung gegen jede Vorhersage verändern. Der Erfolg bleibt auch dann
aus, wenn sich die Abtragung nicht genau am Zentrum der Hornhaut ausrichtet.
Es mangelt nicht an Ankündigungen, diese Schwierigkeiten würden in Kürze gelöst.
Neue Geräte berücksichtigen ungewollte Bewegungen des Augapfels unter dem
Laserstrahl. Eine entscheidende Verbesserung dürfte vor allem ein neuartiges
Mikrokeratom mit sich bringen, dem es gelingt, die Kappe der Hornhaut zu
schneiden, ohne gleichzeitig auf den Augapfel zu drücken. Darüber hinaus arbeitet
man daran, den Wundheilungsprozeß mit Hilfe von Medikamenten günstig zu
beeinflussen. Doch all diese Bemühungen zeugen in den Augen kritischer Fachleute
lediglich davon, dass man das Verfahren in großem Stil propagierte, bevor wichtige
Details der Behandlung verstanden waren und man sich über die möglichen Gefahren
im klaren war. Letztlich weiß niemand zu sagen, welche Schäden dieser
Freilandversuch an Millionen Hornhäuten erst in Zukunft offenbar werden lässt.
Vor allem, was das Ausmaß der Kurzsichtigkeit angeht, die man behandeln zu können
glaubte, haben die Anwender wenig Weitsicht bewiesen. Um die ursprüngliche
Hornhautkrümmung ausreichend abzuflachen, muss man um so mehr Gewebe
wegnehmen, je kurzsichtiger das Auge vorher war. Aber die Hornhaut ist nur rund
einen halben Millimeter dick. Bereits am Anfang der "Lasik"-Ära fehlte es nicht an
Warnungen vor einer übermäßigen Schwächung dieser dünnen Struktur. Trotzdem
hat man hochgradig kurzsichtige Patienten von mehr als minus 20 Dioptrien gelasert
und sogar in Fachzeitschriften stolz darüber berichtet. Aus dem Schaden der
Patienten ist man inzwischen klug geworden. Immer häufiger wurde nämlich
daraufhin berichtet, dass bei zu starker Ausdünnung der Hornhaut das Risiko
wächst, dass sie sich ausbeult. Derartige Keratektasien können noch nach Jahren
auftreten und normales Sehen unmöglich machen. Oft hilft nur noch eine
Hornhauttransplantation.
Deshalb sollte man zur Zeit nicht mehr als minus zehn Dioptrien angehen und beim
Aushöhlen mindestens einen Viertel Millimeter Restgewebe als Basis stehenlassen.
Allerdings weiß niemand, ob sich dadurch derartige Hornhautbeulen sicher
verhindern lassen. Denkbar ist nämlich, dass es nicht nur an der Dicke der Hornhaut
liegt, wenn sie sich ausbeult, sondern auch an der mangelhaften Fixierung der
angeschnittenen Kuppe.
Zwar wird die Komplikationsrate insgesamt auf nur etwa ein bis fünf Prozent
beziffert. Aber das will nicht viel besagen. Denn nicht selten stammen diese Zahlen
von versierten Fachleuten, die Fehler der Anfänger außer acht lassen. Dabei wiegt
jeder Misserfolg bei einem nur kosmetisch motivierten Eingriff besonders schwer:
Es ist eine Katastrophe, wenn jemand die Brille nicht mehr will und bei einer
Hornhauttransplantation endet.
Wegen des ungünstigen Ausgangs eines refraktiven Eingriffs brauchen zwischen
dreißig und vierzig Deutsche im Jahr eine neue Hornhaut. Es sind jedoch bei weitem
nicht solch spektakuläre Versager der Therapie, die nach der Behandlung beklagt
werden. In den USA haben sich die Betroffenen im Internet (www.surgicaleyes.org)
ein eindrucksvolles Forum geschaffen. Erst vor kurzem haben Laseropfer in
Deutschland eine ähnliche Gruppe gegründet (www.OperationAuge.org).
Bei "Surgicaleyes" haben sich mehr als 1400 Augenlaseropfer gemeldet und
zusammengetragen, wie die Folgen des Eingriffs das künftige Leben im wahrsten
Sinne des Wortes überschatten können. Schatten- oder Geisterbilder nämlich
zählen zu den vielen optischen Fehlern, die nach einer Behandlung der Hornhaut die
Qualität des Sehens herabsetzen. Manche sehen einzelne Objekte wie gedoppelt,
von einem Heiligenschein eingerahmt oder wie durch einen Schleier. Helle Objekte
können besonders grell erscheinen, von Lichtpunkten gehen Strahlen aus wie bei
einem Feuerwerk. Die Schwierigkeiten treten vor allem auf, wenn es dunkel wird und
Straßen oder Innenräume erleuchtet sind. Beim Abendbummel durch die Stadt, beim
Rendezvous bei Kerzenschein oder auch im Kino werden die Betroffenen von den
Folgen ihrer Operation eingeholt. Es gibt Patienten, die bei Dämmerung und nachts
nicht mehr Auto fahren können. Aber auch im hellen Sonnenlicht haben manche
Schwierigkeiten und können sich - Ironie des Schicksals - oft nur noch mit dunkler
Brille draußen aufhalten. Ständige Naharbeit bereitet vor allem dann
Schwierigkeiten, wenn - wie bei der Arbeit am Laptop - ungünstige Lichtverhältnisse
hinzukommen.
"Surgicaleyes" bietet im Internet zahlreiche Abbildungen an, die zeigen, wie das
Sehen nach dem Eingriff beeinträchtigt ist. Dazu gehört nicht zuletzt die
Unfähigkeit, schwache Kontraste - also einen weißen Hasen im Schnee - wahrnehmen
zu können. Auch deswegen tragen Betroffene wieder Brillen, die den Kontrast
verschärfen.
Vornehmlich beklagen die Opfer jedoch, dass ihre Beschwerden von den Ärzten
nicht ernst genommen werden. Immer wieder halte man ihnen vor, dass schließlich
ihre Kurzsichtigkeit behoben sei. Aber "weit sehen" heißt nicht unbedingt "gut
sehen". Diese Lektion haben die Opfer schon lange lernen müssen. Denn der Eingriff
behebt zwar die Kurzsichtigkeit, aber feine Unebenheiten, die eine irreguläre
Hornhautoberfläche zurücklassen, mindern unweigerlich die Sehqualität. Derartige
Aberrationen, wie sie in der Fachsprache heißen, kommen zwar auch bei gesunden,
nichtgelaserten Augen vor. Aber nach einer "Lasik" nehmen sie um das Vierfache zu.
Die neue Entwicklung der "wellenfrontgeführten Lasik" ist ein Versuch, jene feinen
Irregularitäten der Hornhaut zu vermeiden, wie sie bei der herkömmlichen "Lasik"
entstehen. Erste Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass das bei mehr als
der Hälfte der Patienten gelingen könnte. Bei jedem vierten verschlechterte sich
der Zustand aber wieder. In 15 bis 20 Prozent der Fälle ließ sich die Optik sogar
verbessern. Doch ist man weit davon entfernt, dem Menschen ein Adlerauge
herbeilasern zu können, wie es mancherorts schon angekündigt wird.
Angesichts des wohlaustarierten Gleichgewichts des Sehapparates nimmt sich der
Versuch, das kurzsichtige Auge durch Hornhautschliff zu überlisten, ohnehin
vergleichsweise primitiv aus. Aberrationen ändern sich mit dem Alter und mit der
Entfernung, auf die wir unser Auge scharf stellen. Das alles lässt sich bislang bei
der Bearbeitung der Hornhaut nicht berücksichtigen. Sogar die
"wellenfrontgeführte Lasik" kann die Hornhaut nur für einen Wellenlängenbereich
verbessern. Um diesen auszunutzen, müsste man stets einen Filter benutzen.
Ebenso sind jene Schlagzeilen Augenwischerei, die vorgaukeln, man könne nach dem
Lasereingriff auf Dauer ohne Brille auskommen. Spätestens wenn das Auge
alterssichtig wird, braucht man wieder eine Brille. Nur jene Kurzsichtigen, die in
weiser Voraussicht auf die Laserbehandlung verzichtet haben, brauchen im Alter
gerade wegen ihrer Kurzsichtigkeit keine Lesebrille. Der Brille entgeht man deshalb
so schnell nicht. Es sei denn, man besitzt ein kurzsichtiges und ein normalsichtiges
Auge - wie es zum Beispiel Goethe und Adenauer nachgesagt wird. In der Jugend
sahen sie mit dem normalsichtigen Auge scharf, im Alter ersparte ihnen das
kurzsichtige Auge die Lesebrille. Der moderne Versuch, diese Variante der Natur
nachzuahmen, scheint indes weniger erfolgreich zu sein. "Monovision" heißt das
Angebot, das ein Auge bis zu einem gewissen Grad kurzsichtig belässt, das andere
indes auf normales Niveau bringt. Dabei geht jedoch das räumliche Sehen verloren,
das gleiche Qualität beider Augen voraussetzt. Das stört nicht nur Sportler. Die
meisten wünschen eine Nachbehandlung, weil sie mit dieser Vision nicht
zurechtkommen.
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