Financial Times Deutschland, 16. 01. 2007 Marktplatz Schule von Claudia May (Hamburg) Schüler sind für Werbung eine attraktive Zielgruppe. Reklame in der Schule ist zwar verpönt, den Unternehmen gelingt es aber zunehmend, ihre Produkte dort unterzubringen. Schulleiter greifen gern zu. Die Sturzhelme für den Skikurs der siebten Klassen hat Josef Kraus gerne genommen. "Da stand der Name der Firma nicht drauf", sagt der Schulleiter des Maximilian-von-MontgelasGymnasiums im bayerischen Vilsbiburg. Nichts deutete auf den Sportartikelhersteller hin, es gab kein Logo auf dem Helm, nur den Zuschuss für den Einkauf. Kraus will keine Werbung an seiner Schule. "Es ist nicht Aufgabe der Schule, Käufer zu gewinnen", sagt er. "Ich habe etwas gegen Pausengestaltung nach Wünschen von McDonald‘s." Trotzdem rufen sie ihn an. Wöchentlich. Mal ist es das Fotogeschäft, das zwei Laptops sponsern will, wenn Schüler Porträtserien bestellen. Mal ein Reiseveranstalter, der am liebsten das Ziel der Abiturfahrt vorschreiben würde. Kraus lehnt solche Anfragen alle ab. Nicht alle Direktoren sehen das so eng. Jungunternehmer André Mücke muss keine Schulen rekrutieren - sie rufen bei ihm an. Der 29-Jährige ist Chef der Deutschen SchulmarketingAgentur DSA Youngstar und platziert Werbung in 5000 öffentlichen Schulen deutschlandweit. "Wir bedienen alle Schulformen, je nach Kundenwunsch", sagt Mücke. Seine alte Schülerzeitung, der "Voyeur", war Türöffner. "Könnt ihr nicht einfach ein paar Flyer und Plakate von uns mitnehmen?", hätten einige Firmen gefragt, die in der Schülerzeitung inserierten. Heute setzt Mücke nach eigenen Angaben einstellige Millionenbeträge um. "Wir wachsen jedes Jahr um 100 Prozent." Schulmarketing ist eine Nische, in die sich noch nicht viele gedrängt haben. Denn Werbung in die Schule zu bringen ist aufwendig. "Wir müssen jede einzelne Kampagne mit dem Schulleiter abstimmen", sagt Mücke. Außerdem hat jedes Bundesland seine eigenen Gesetze, in denen geregelt ist, wann Sponsoring erlaubt ist. Offiziell ist Produktwerbung überhaupt nur in Berlin, Bremen und Sachsen-Anhalt an Schulen gestattet; toleriert wird sie aber auch andernorts. Millionenmarkt Taschengeld Werbung an Schulen ist eine rechtliche Grauzone, die Agenturen gerne zu ihrem Vorteil nutzen. Besonders gefragt bei den Schülern sind kostenlose Hefte und Collegeblocks. Auf dem Deckblatt und der Innenseite kann der Kunde seine Werbung platzieren, etwa die Landesbausparkasse LBS. "Ist einem Schüler im Unterricht langweilig, kann er sich über Bausparen informieren", sagt Mücke. Oder die Haustiere des Computerspiels "Die Sims 2" kennenlernen, die als Aufkleber in karierten Schreibheften für Grundschüler eingeheftet sind. Marketing im Klassenraum und auf dem Pausenhof wird bei den Unternehmen immer beliebter, die Branche wächst. Denn nur in der Schule sind alle Kinder und Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe zu finden. Allein die 6- bis 13-Jährigen konnten laut KidsVerbraucher-Analyse im vergangenen Jahr 1,44 Mrd. Euro Taschengeld ausgeben. Und sie beeinflussen das Kaufverhalten ihrer Eltern und Freunde. Bei Mückes ehemaliger Schule in Hamburg-Wandsbek kommen seine Reklamehefte allerdings nicht auf den Tisch. "Der Inhalt von Werbung muss einen Nutzen für unsere Schüler haben", sagt Schulleiter Ulrich Cain. Er hat im vergangenen Sommer ein Fußballturnier veranstaltet, gesponsert von Nike, der Schriftzug stand groß auf der Bande. "Die Schule ist kein Glashaus", sagt Cain, "auch Firmenvertreter, die zur Berufsorientierung kommen, tragen ja ihr Unternehmenslogo auf der Brust." Schüler könnten das durchaus einordnen. Davon ist auch Pedro Anacker überzeugt, Vorstandsvorsitzender der Edgar Medien AG, die bunte Werbepostkarten vor allem in Kneipen und Kinos auslegt. An Schulen hat Anacker bisher etwa zwei bis drei Millionen Exemplare verteilt. "Schule als werbefreier Raum, das ist Vergangenheit", sagt der Werbeprofi. Frühe Kundenbindung Einer der Schulleiter, über dessen Schreibtisch Anackers Gratispostkarten wandern, ist Ulrich Mumm vom Gymnasium Allee in Hamburg-Altona. "Witziges Marketing kommt bei den Schülern an", sagt er. Seine Schule finanziert ihre beiden Schulbusse komplett über Firmenwerbung. "Die sind kunterbunt vollgeklebt." Hildegard Mackert vom Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt hingegen, dass sich Kinder und Jugendliche besonders leicht von den verheißungsvollen Botschaften beeinflussen ließen. "Mir hat ein Anbieter gesagt, dass sich frühe Kundenbindung auszahlt, und eben darum geht es ", sagt sie. Genau auf Schüler zugeschnitten ist eine Aktion des Schulbuchverlags Cornelsen: Pünktlich zu den Halbjahreszeugnissen Ende Januar werden Plakate des Verlags an Schulen hängen mit Reklame für Lernhilfen - falls es mit den Schulnoten zum Halbjahr noch nicht ganz geklappt hat. Auf Schülerpulten geht es mittlerweile bunt zu. Schreibblöcke informieren über Bausparen oder Computerspiele Werbung und Wohltat Image Auch an Schulen soll Werbung schlicht Käufer gewinnen. Dabei ist Marketing nicht immer leicht vom Schulsponsoring zu trennen. Letzteres bringt eine Gewinnsituation für beide Partner. Häufig treten Bildungsmäzene gar nicht mit ihrem Logo in Erscheinung; sie hoffen darauf, mit Wohltätigkeit ihr Image zu verbessern. Wenn Unternehmen Busse mit ihren Namen bekleben oder bedruckte Blöcke verteilen, sprechen Verbraucherschützer von Produktwerbung. Großstädte Der Marketingboom beschränkt sich bisher auf Metropolen. Werbung für Kinofilme etwa lohnt sich auf dem Land nicht. Nischenjäger In der Schule erreichen Werbeprofis alle Kinder einer Altersgruppe, den Fußballfan genauso wie den Computerfreak. Zudem sind Schulen bisher vornehmlich werbefreie Räume, sodass Markenbotschaften auffallen.