Entwurf einer Stellungnahme

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PARITÄTISCHE Stellungnahme zu den Eckpunkten zu einer Gesundheitsreform 2006
Grundsätzliche Anmerkungen
Die seitens der Regierungsfraktionen vereinbarten Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform
2006 enthalten weit reichende Empfehlungen und Absichtserklärungen für die künftige
Gesundheitspolitik.
Der
Deutsche
Paritätische
Wohlfahrtsverband
(DPWV)
erkennt
ausdrücklich an, dass die Eckpunkte zahlreiche Einzelvorschläge umfassen, die geeignet
sind, die gesundheitliche Versorgung zu verbessern und wirtschaftlicher zu gestalten. Er
begrüßt, dass die Eckpunkte nicht vorsehen, das Ausmaß von Zuzahlungen und
Selbstbehalten noch weiter zu erhöhen.
Es ist jedoch ebenfalls nicht zu verkennen, dass die in den Eckpunkten dargelegten
Empfehlungen insgesamt kein Beitrag sein können, um die grundlegenden Probleme des
Gesundheitswesens zu beseitigen.
Auf der Finanzierungsseite wäre die Einführung eines Gesundheitsfonds nicht nur mit
zusätzlicher Bürokratie verbunden, sondern würde auch beträchtliche finanzielle Risiken für
die Versicherten beinhalten. Es ist demgegenüber nicht ersichtlich, welcher Nutzen aus dem
Gesundheitsfonds
resultieren
könnte,
zumal
auf
die
gebotene
Ausweitung
der
Beitragsbemessungsgrundlagen verzichtet wurde. Die Einführung eines Gesundheitsfonds
wird deshalb abgelehnt.
Auf der Leistungsseite enthalten die Eckpunkte keine Vorschläge, die geeignet wären, die
Strukturen im Gesundheitswesen zu verbessern. Die einzelnen Ansätze zur Ausweitung
etwa der integrierten Versorgung bleiben zaghaft. Eine Überwindung der sektoriellen
Strukturen ist ebenso wenig geplant wie Schaffung eines echten Qualitätswettbewerbes im
Gesundheitswesen.
Die
Stellung
von
Ärzten,
Pharmaindustrie
und
Privaten
Krankenversicherungen bleibt im Grundsatz unangefochten.
Der DPWV sieht deshalb erheblichen Änderungsbedarf an den bestehenden Plänen für eine
Gesundheitsreform 2006.
Im Einzelnen nimmt der DPWV zu den Eckpunkten wie folgt Stellung:
Ad 1. Zur
grundsätzlichen
Notwendigkeit
weiterer
struktureller
Reformen
im
Gesundheitswesen
Der DPWV teilt in wesentlichen Punkten die den Eckpunkten vorangestellte Analyse der
Ausgangssituation. Das deutsche Gesundheitswesen ist durch eine qualitativ hochwertige
Versorgung gekennzeichnet. Gleichzeitig besteht ein erhebliches Maß an Über-, Unter- und
Fehlversorgung, das große Spielräume für eine weitere Effizienzsteigerung eröffnet. Viele
der in den Eckpunkten niedergelegten Ziele sind jedoch kein Beitrag, um diese
Effizienzsteigerungen
zu
erreichen.
So
bleibt
die
sektorale
Abschottung
der
unterschiedlichen Versorgungszweige weiter bestehen.
Neben notwendigen strukturellen Reformen ist es geboten, die Transparenz in der
Finanzierung des Gesundheitswesens zu verbessern und die weiter bestehenden
„Verschiebebahnhöfe“ zwischen den Systemen, aber auch zwischen Bundeshaushalt und
Gesetzlicher Krankenversicherung, zu beseitigen. Die stetig betriebene Absenkung der
pauschalen Mindestbeiträge für die Bezieher von Leistungen nach den SGB II führt dazu,
dass die Beiträge längst nicht mehr kostendeckend sind. Dies bedeutet eine Abschiebung
von Lasten der Allgemeinheit aus dem Bundeshaushalt auf die Beitragszahler. Die
beabsichtigte Einstellung der Weiterleitung von Einnahmen aus der Tabaksteuer an die GKV
wirkt sich ähnlich aus. Gleiches gilt für die Folgen der Umsatzsteuererhöhung. Durch die
Kostensteigerungen insbesondere im Bereich der Arzneimittel werden die Beitragszahler
spürbar belastet.
Der DPWV weist darüber hinaus darauf hin, dass der Zugang zu einer hochwertigen
Gesundheitsversorgung für größer werdende Personengruppen bereits heute eingeschränkt
ist. Er fordert die Parteien auf, sich für eine Verbesserung des Zugangs zu
Gesundheitsdienstleistungen einzusetzen.
Ad 2. Strukturelle Reformen im Ausgabenbereich
Der DPWV bekräftigt seine Position, dass eine grundlegende Reform der Gesetzlichen
Krankenversicherung neben einer Reform der Finanzierungsgrundlagen vor allem auch
strukturelle Reformen beinhalten muss, um Einsparungen auf der Ausgabenseite erzielen zu
können. Diese Reformen müssen sich jedoch am Wohl der Patientinnen und Patienten
orientieren und dürfen nicht zu Lasten der Versorgungsqualität erfolgen.
Gleichzeitig die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der gesundheitlichen Versorgung
sicherzustellen, ist kein Widerspruch. Der DPWV hat dazu unter dem Titel „Solidarisch,
leistungsfähig und gerecht - Wege zur Restrukturierung der sozialen Krankenversicherung“
ein umfassende Reformvorschläge vorgelegt.
Die zurückliegenden Reformen im Gesundheitswesen haben sich in der Regel darauf
beschränkt, akute Probleme durch kurzfristige Einsparungen und Leistungskürzungen zu
mildern. Durch Zuzahlungen, Selbstbehalte und die Herausnahme von Leistungen aus dem
Leistungskatalog der GKV wurden insbesondere einkommensschwache und chronisch
kranke
Menschen
deutlich
belastet,
ohne
dass
die
strukturellen
Probleme
im
Gesundheitswesen beseitigt worden wären. Dies ist jedoch erforderlich, wenn man die
gesundheitliche Versorgung nachhaltig sichern will. Der DPWV fordert dabei insbesondere
die bessere Verzahnung der einzelnen Versorgungsbereiche und den konsequenten Ausbau
von Präventionsstrukturen, durch den die Ausgaben im Gesundheitswesen deutlich sinken
könnten.
Reformen dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Die Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform
2006 müssen sich daran messen lassen, ob sie den Zugang zu einer umfassenden
gesundheitlichen Versorgung für die gesamte Bevölkerung erleichtern und dabei einen
Beitrag hin zu einer Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen sind.
Der DPWV hat in seinem Positionspapier „Solidarisch, leistungsfähig und gerecht. Wege zur
Restrukturierung
der Gesetzlichen Krankenversicherung“
strukturelle Probleme
des
Gesundheitswesens benannt und Alternativen vorgeschlagen. Die darin enthaltenen
Empfehlungen sind auch heute noch aktuell.
Ad 3. Ambulante ärztliche Versorgung
Die Bestrebungen, die sektorale Abschottung der einzelnen Versorgungssysteme zu
überwinden, werden begrüßt. Es wäre deshalb wünschenswert, dass die Möglichkeiten der
Krankenhäuser, sich für ambulante Leistungen zu öffnen, erweitert werden. Die Eckpunkte
sind an dieser Stelle nicht konsequent.
Die Verlängerung von Anschubfinanzierungszeiten und die beabsichtigte Einbindung der
Pflegeversicherung in die integrierte Versorgung werden unterstützt. Wie in Anlage 2 zu den
Eckpunkten dargelegt, sind entsprechende Finanzierungsformen zu schaffen.
Das
Bekenntnis
zur
Notwendigkeit
einer
Entbürokratisierung
im
Bereich
der
Qualitätssicherung wird ausdrücklich begrüßt.
Die im Rahmen einer Reform der Honorarsystematik der Ärzte geplante Übertragung des
Morbiditätsrisikos
auf
die
Krankenkassen
muss
mit
der
Sicherstellung
eines
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs einhergehen.
Der beabsichtigte Einsatz von 0,5 % der Krankenhausbudgets zur Anschubfinanzierung bei
der Förderung der Erbringung von hochspezialisierten Leistungen am Krankenhaus wird
abgelehnt.
Die
Krankenhausbudgets
sind
bereits
jetzt
stark
belastet.
Absehbare
Kostensteigerungen – bspw. durch Tariferhöhungen - werden die Krankenhäuser zusätzlich
in erheblichem Umfang belasten. Die Mittel für eine Anschubfinanzierung sind deshalb
vollständig durch die Krankenkassen zu tragen.
Ad 4. Ambulante zahnärztliche Versorgung
Keine Stellungnahme.
Ad 5. Stationäre Versorgung einschließlich der stationären Rehabilitation
Der Krankenhaussektor in Deutschland war in den vergangenen Jahren Gegenstand
zahlreicher gesundheitspolitischer Reformen. Dazu zählt insbesondere die 2003 begonnene
Einführung von Fallpauschalen. Gerade frei-gemeinnützige Krankenhäuser, die auf einem
hohen qualitativen Niveau oftmals sehr spezifische Leistungen erbringen, waren dadurch
einem
besonderen
Reformdruck
ausgesetzt.
Die
sich
daraus
ergebenden
Herausforderungen wurden unter großen Anstrengungen gemeistert. Gerade vor diesem
Hintergrund ist es sachlich nicht zu begründen, dass die Krankenhäuser pauschal zu einem
Sanierungsbeitrag in Höhe von 1 % der Budgets herangezogen werden sollen.
Ad 6. Arzneimittelversorgung
Der DPWV begrüßt die genannten Maßnahmen, soweit sie dazu geeignet sind, die
Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens bei mindestens gleich bleibender Qualität zu
erhöhen. Flexiblere Preisvereinbarungen und die leichtere Abgabe einzelner Tabletten
können ein Beitrag dazu sein. Dies gilt auch für die Möglichkeit, nicht genutzte Präparate
weiterzugeben oder zurückzugeben.
Die Erweiterung der bestehenden Nutzen-Bewertung bei Arzneimitteln zu einer KostenNutzen-Bewertung ist grundsätzlich zu begrüßen. Diese Maßnahme soll keine zusätzliche
Zulassungsvoraussetzung darstellen. Aus Sicht des DPWV wäre es demgegenüber nur
konsequent, wenn der Gesetzgeber Möglichkeiten schafft, die Zulassung eines Arzneimittels
in besonders schwerwiegenden Fällen zu verweigern oder zurückzunehmen.
Das Erfordernis, bei besonders kostenintensiven Medikamenten künftig eine Zweitmeinung
einholen zu müssen, wird grundsätzlich begrüßt. Diese Maßnahme kann dazu beitragen, die
therapeutische Sicherheit von Ärzten und Patienten gleichermaßen zu erhöhen. Es muss
jedoch sichergestellt werden, dass es deshalb nicht zu Verzögerungen oder Engpässen bei
der Medikamentenversorgung kommt.
Ad 7. Versorgung mit Heil und Hilfsmitteln
Die Förderung des Wettbewerbs im Bereich der Heil- und Hilfsmittel wird begrüßt. Es muss
dabei jedoch sichergestellt werden, dass es deshalb nicht zu Verzögerungen in der
Versorgung kommt und die individuellen Bedürfnisse der Patienten im Mittelpunkt stehen.
Ad 8. Fahrtkosten
Ein pauschaler Ausgabenabschlag von 3 Prozent im Bereich der Fahrtkosten einschließlich
der Rettungsfahrten ist willkürlich. Schon in den vergangenen Jahren gab es deutliche
Kürzungen in diesem Bereich, die zu einer Verschlechterung des Zugangs zu medizinischen
Leistungen führen können. Eine pauschale Kürzung wird deshalb abgelehnt.
Ad 9. Schnittstellen zwischen Akutversorgung, Rehabilitation und Pflege
Das Bemühen, bestehende Schnittstellenprobleme zu beseitigen, wird begrüßt. Auch die
Umwandlung des Anspruchs auf ambulante und stationäre Rehabilitation im Bereich der
Geriatrie von einer Ermessens- in eine Pflichtleistung wird begrüßt.
Die geplante eindeutige Zuordnung der medizinischen Behandlungspflege in die
Finanzverantwortung der Pflegeversicherung wird hingegen abgelehnt.
Die Erweiterung des Haushaltsbegriffes wird ausdrücklich begrüßt. Ziel muss es sein,
Haushaltsbegriff und Lebensort möglichst in Einklang zu bringen.
Ad 10. Transparenz und Bürokratieabbau
Im
Gesundheits-
und
Pflegebereich
bestehen
zahlreiche
unnötige
bürokratische
Verpflichtungen, unter denen Dienstleister und Patienten gleichermaßen zu leiden haben.
Der DPWV begrüßt deshalb die Absicht, bürokratische Anforderungen an Ärzte und
Pflegekräfte abzubauen und Chronikerprogramme zu entbürokratisieren.
Der DPWV unterstreicht, dass es bei der postulierten einfacheren und zielgenaueren
Ausgestaltung
des
Risikostrukturausgleiches
unumgänglich
ist,
die
Abbildung
der
tatsächlichen Risiken weiterzuentwickeln, um damit den Wettbewerb um eine qualitativ
hochwertige Versorgung von chronisch kranken Menschen zu verbessern und faire
Wettbewerbsbedingungen zwischen den Kassen zu schaffen.
Ad 11. Erweiterung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten
Die Erweiterung von Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten wird begrüßt, soweit eine
umfassende medizinische Versorgung in jedem Fall sichergestellt bleibt und soweit die
Erweiterung von Wahlmöglichkeiten nicht zu einem Mittelentzug aus der GKV führt.
Die Einführung von Kontrahierungszwängen und die Sicherung der Portabilität von
Altersrückstellungen innerhalb des Versicherungssystems der PKV werden begrüßt. Die
dadurch erreichte Verbesserung der Wahlmöglichkeiten betrifft jedoch nur Menschen, die
bereits jetzt privat versichert sind. Ein fairer Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen
Systemen ist weiterhin nicht beabsichtigt.
Ad 12. Prävention
Der
beabsichtigte
gesundheitlichen
Ausbau
Versorgung
der
Prävention
wird
ebenso
zu
einer
begrüßt
eigenständigen
wie
die
Säule
Schaffung
der
eines
Präventionsgesetzes. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde dabei bereits in der
vergangenen Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht. Die Schaffung eines
Präventionsgesetzes ist eine langjährige Forderung des DPWV, auch wenn der alte Entwurf
des Präventionsgesetzes aus der letzten Legislaturperiode weitgehender Überarbeitung
bedurfte. Die Politik ist gefordert, den postulierten Absichten Taten folgen zu lassen. Die
Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung und der Ausbau der Selbsthilfeförderung
sind dafür wesentliche Elemente. Bisher werden in diesem Bereich jedoch nicht einmal die
bereits
jetzt
vorgeschriebenen
Fördermittel
für
die
Selbsthilfe
aufgewandt.
Krankenversicherungen, Länder und Kommunen sind deshalb an die bereits bestehenden
Förderverpflichtungen gegenüber der Selbsthilfe zu erinnern.
Die in den Eckpunkten formulierte Absicht, dass 45- bis 55jährige Menschen, die chronisch
krank werden, künftig nur noch dann von einer Zuzahlungsbegrenzung in Höhe von 1
Prozent des Einkommens profitieren können, wenn sie medizinische Versorgungs- und
Früherkennungsleistungen in Anspruch genommen haben, wird abgelehnt. Eine solche
Maßnahme wäre der Einstieg in eine verschuldensabhängige Individualisierung von
Leistungsansprüchen. Als Alternative wird eine Bonus-Regelung empfohlen. Versicherte, die
regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen besuchen und an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
sollten von Zuzahlungen befreit werden.
Der DPWV lehnt eine Änderung der Definition des Begriffes der chronischen Krankheit ab.
Ad 13. Leistungskatalog und Zuzahlungen
Der DPWV begrüßt, dass in den Eckpunkten keine Ausweitung von Zuzahlungen und
Leistungsausgrenzungen gefordert werden. Dies reicht jedoch nicht aus. Die bestehenden
Zuzahlungsregelungen, die viele einkommensschwache Menschen spürbar belasten, ohne
dass dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand ein entsprechender Nutzen
gegenüberstehen würde, sind zu überarbeiten. Besonders einkommensschwache Menschen
müssen vollständig von Zuzahlungen befreit werden.
Die Aufnahme zusätzlicher Leistungen - wie bspw. der geriatrischen Rehabilitation und der
Palliativversorgung - in den Leistungskatalog wird ausdrücklich befürwortet. Dies gilt auch für
die Verbesserung des Anspruchs auf Mutter-Kind-Kuren sowie des Anspruchs auf
Impfungen.
Die beabsichtigten Leistungseinschränkungen für Folgen selbstgewählter Behandlungen
sind nachvollziehbar. Sie dürfen jedoch keinesfalls als Einstieg genommen werden, um
künftig ganze Leistungsbereiche – wie die sog. „privaten“ Unfälle - aus dem Leistungskatalog
der GKV hinauszunehmen.
Die in den Eckpunkten skizzierte Organisation des Gesundheitsfonds und der überaus enge
finanzielle Rahmen werden den Druck auf die Krankenversicherungen weiter erhöhen. Da
diese aus Wettbewerbsgründen nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, zusätzliche
Beiträge zu erheben, ist zu befürchten, dass die Kassen mit dem Streichen freiwilliger
Leistungen
reagieren
werden.
Dies
wird
insbesondere
wünschenswerte
Präventionsprogramme und Programme für chronisch kranke Menschen betreffen. Diese
absehbaren Entwicklungen wirken sich negativ auf die Versorgung der Betroffenen sowie auf
die Wirtschaftlichkeit des Systems aus.
Ad 14. Reform der Institutionen
Die Erleichterung von Fusionsmöglichkeiten und die Ausweitung des Wettbewerbs zwischen
den Krankenkassen werden begrüßt. Es ist sachlich nicht zu begründen, warum eine kaum
überschaubare Vielzahl von über 250 verschiedenen Krankenkassen mit einem gesetzlich
weitgehend festgeschriebenen und damit nahezu identischen Leistungsangebot auf dem
Markt tätig sein sollte.
Der DPWV unterstützt Bestrebungen, die Verwaltungsstrukturen der Krankenkassen
effizienter zu gestalten. Er erkennt und unterstützt jedoch auch die Legitimität pluraler
Strukturen, die auf unterschiedlichen Ausrichtungen und Angeboten beruhen. Der Zwang zur
Gründung eines einheitlichen Spitzenverbandes wird deshalb abgelehnt.
Die Eckpunkte enthalten das Bekenntnis, an der Patientenbeteiligung in der bisherigen Form
festzuhalten. Die Eckpunkte fallen damit hinter die Übereinkunft im Koalitionsvertrag zurück.
Dort war ein Ausbau der Patientenbeteiligung vorgesehen. Der DPWV unterstützt und
unterstreicht das im Koalitionsvertrag formulierte Anliegen.
Der DPWV lehnt das Vorhaben ab, den Gemeinsamen Bundesausschuss künftig nur mit
hauptamtlichen Mitgliedern zu besetzen. Ein solcher Schritt würde zahlreiche Fragen
bezüglich
der
Legitimation
der
Entscheidungsträger
aufwerfen.
Der
gemeinsame
Bundesausschuss darf nicht in eine dem BMG nachgeordnete Behörde umgewandelt
werden.
Die in den Eckpunkten enthaltene Tendenz, den Einfluss des Staates auf die Gestaltung der
Strukturen im Gesundheitswesen deutlich auszubauen, weist in eine falsche Richtung. Der
DPWV fordert stattdessen, dass Subsidiaritätsprinzip künftig stärker zu betonen.
Ad 15. Gesundheitsfonds
Die in den Eckpunkten postulierte Einführung eines Gesundheitsfonds wird abgelehnt. Die
Einführung eines Gesundheitsfonds ist mit keinerlei Vorteilen für die Bürgerinnen und Bürger
verbunden. Effizienzgewinne oder eine verbesserte Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems
sind nicht zu erwarten. Stattdessen ist die Einführung eines Gesundheitsfonds mit
schwerwiegenden Problemen und Risiken für die Versicherten verbunden. Die Einführung
eines Gesundheitsfonds konterkariert das Anliegen, durch Reformen auf der Ausgabenseite
eine verbesserte Wirtschaftlichkeit des Systems zu erreichen.
Es
war
ursprünglich
das
gemeinsame
Anliegen
der
regierenden
Parteien,
die
Beitragsbemessungsgrundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung zu erweitern. Die
SPD plädierte dabei für die Einführung einer Bürgerversicherung, während CDU/CSU für das
Modell einer pauschalen Gesundheitsprämie eintraten. Der mit dem Gesundheitsfonds
gefundene Kompromiss fällt deshalb hinter das gemeinsame Anliegen auch der beteiligten
Parteien zurück.
Mit der Einführung eines Fondsmodells wird den Kassen faktisch die Beitragsautonomie
genommen. Zwar ist vorgesehen, dass die Kassen Mehrausgaben durch die Erhebung
zusätzlicher Beiträge decken können. Die Höhe dieser Beiträge ist jedoch gedeckelt.
Gleichzeitig müssen die Kassen aus Wettbewerbsgründen versuchen, anstelle von
zusätzlichen Beiträgen Leistungen in entsprechendem Umfang zu streichen. Dies wird zu
einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung führen.
Mit der Einführung des Fonds werden die bisherigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge
faktisch festgeschrieben,
Sonderbeitrags
von
0,9
wobei
der
Arbeitnehmerbeitrag
Beitragssatzpunkten
deutlich
wegen des bestehenden
höher
ausfällt
als
der
Arbeitgeberbeitrag. Die absehbaren Kostensteigerungen, die sich aus der Erosion des
Beitragsaufkommens, dem demographischen Wandel und den Kosten des medizinischen
Fortschritts ergeben, gehen künftig vollständig zu Lasen der sozialversicherungspflichtigen
Beitragszahler. Da das steuerlich relevante Einkommen der Versicherten weiter nicht
berücksichtigt
wird,
geht
die Verteilung
der
Beitragslasten an der
tatsächlichen
Leistungsfähigkeit der Versicherten vorbei. Außerdem drängt sich die Frage auf, ob die
paritätische Vertretung in der GKV noch zu rechtfertigen ist.
Der bürokratische Aufwand für den Beitragseinzug kann sich mit der Einführung eines
Gesundheitsfonds vervielfachen. Neue bürokratische Strukturen müssten geschaffen
werden, die die Aufgaben der bisher für den Beitragseinzug verantwortlichen Stellen
übernehmen. Zusätzlich müsste jede Krankenkasse eigene Strukturen vorhalten, um die von
den Versicherten zusätzlich zu zahlenden Zuschläge zu erheben. Dies wird zusätzlich
dadurch erschwert, dass die Höhe der Zuschläge durch das Einkommen der Versicherten
begrenzt wird. Während sich der Beitragseinzug am Bruttolohn bemisst, kann das
Haushaltseinkommen für die Bemessung der Zuschläge relevant werden. Eine Verwendung
unterschiedlicher Einkommensbegriffe führt zu einem erheblichen Mehraufwand.
Die künftige Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs bleibt unbestimmt. Geplant ist,
Risiken
wie
„beispielsweise
Alter,
Krankheit,
Geschlecht“
durch
risikoadjustierte
Zuweisungen aus dem Fonds auszugleichen. Bereits jetzt ist absehbar, dass ein
morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich nicht rechtzeitig institutionalisiert werden
könnte, da notwendige Datengrundlagen erst geschaffen werden müssen. Ein derart
ausgestalteter RSA ist jedoch eine unerlässliche Voraussetzung für einen Wettbewerb im
Sinne der Patientinnen und Patienten.
Der DPWV warnt vor den zahlreichen Implementationsproblemen, die mit einer Verlagerung
des Beitragseinzugs von den Kassen auf regional organisierte Einzugsstellen einhergehen.
Die unterschiedlichen Einzugssysteme der Kassen sind technisch nicht kompatibel. Die
Umstellung auf eine einheitliche Software wird erhebliche Kosten verursachen und ist
technisch bis zum 1.1.2008 nicht zu realisieren. Der DPWV verweist auf die bis heute nicht
erfolgte Softwareanpassung im Bereich der ARGEn. Obwohl dabei lediglich zwei
unterschiedliche Partner vernetzt werden mussten und lediglich etwa 7 Millionen
Leistungsempfänger betroffen waren, ist die Umstellung bis heute noch nicht vollzogen. Eine
Zusammenführung der Beitragseinzugssysteme von über 250 Krankenkassen mit über 72
Millionen Versicherten ist demgegenüber noch ungleich anspruchsvoller.
Mit der Verlagerung des Einzugs auf regionale Einzugsstellen können weit reichende
rechtliche Probleme verbunden sein. Es ist beispielsweise unklar, ob der Beitragseinzug auf
regionaler Ebene künftig ausgeschrieben werden muss. Der Gesundheitsfonds wirft mit Blick
auf die rechtliche Gestaltung noch viele ungelöste Fragen auf.
Die vorgesehene ergänzende Steuerfinanzierung wird den tatsächlichen Anforderungen
nicht gerecht. Die für 2008 und 2009 vorgesehenen Zuschüsse von 1,5 Mrd. Euro bzw. 3
Mrd.
Euro
sind
angesichts
des
Gesamtvolumens
von
nachrangiger
Bedeutung.
Demgegenüber ist es nicht hinnehmbar, wenn der Gesetzgeber die der GKV bisher aus den
Einnahmen der Tabaksteuer zur Verfügung gestellten Bundeszuschüsse von 4,2 Milliarden
Euro sukzessive zurückführt und vollständig in dem Bundeshaushalt fließen lässt. Diese
Politik ist inkonsistent; sie trägt zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten bei und zerstört das
Vertrauen der
Versicherten in die Verlässlichkeit
der
Finanzierungsstrukturen im
Gesundheitswesen.
In den Eckpunkten wird die Absicht formuliert, den Gesundheitsfonds künftig um steuerliche
Zuschüsse zu ergänzen, die sich langfristig an den Kosten für die Mitversicherung von
Kindern orientieren sollen. Der DPWV lehnt eine solche Bindung ab. Weder kann eine
steuerliche Zweckbindung festgeschrieben werden, noch ist die beitragsfreie Mitversicherung
von Kindern eine versicherungsfremde Leistung. Der DPWV hat in seinem Konzept
„Solidarisch, leistungsfähig und gerecht. Wege zur Restrukturierung der Gesetzlichen
Krankenversicherung“ umfangreiche Vorschläge für die Entlastung der Kassen von
versicherungsfremden Leistungen erbracht.
Es ist bereits heute absehbar, dass der geplante Gesundheitsfonds strukturell unterfinanziert
ist. Mit der Einführung eines Fonds droht eine weitere Beitragssatzsteigerung, die nach
Berechnungen der Kassen zu einem Beitragssatz von über 16 Prozent im Jahr 2008 führen
kann. Da die Bundesregierung eine weitere Erhöhung der Lohnnebenkosten ausschließt,
droht mittelfristig eine Ausgliederung von Leistungsbereichen aus dem Leistungskatalog der
GKV als Alternative zu weiteren Beitragssatzerhöhungen. Der DPWV lehnt eine solche
„Riesterisierung“ der sozialen Krankenversicherung entschieden ab. Der Leistungskatalog
der GKV muss auch künftig alle medizinisch notwendigen Leistungen umfassen.
Ad 16. Verhältnis der PKV zur GKV
Die Sicherstellung der Portabilität individueller Altersrückstellungen wird begrüßt. Die derzeit
praktizierte Regelung hat faktisch dazu geführt, dass ein Wechsel innerhalb des PKVSystems ab einem bestimmten Alter mit unverhältnismäßig großen finanziellen Belastungen
verbunden war. Portable Altersrückstellungen ermöglichen deshalb mehr Wettbewerb. Die
Einführung eines PKV-Basissystems wird ebenso begrüßt wie die beabsichtigte Öffnung der
PKV für alle freiwillig Versicherten.
Bei einem Wechsel zwischen den Systemen ist im Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu
tragen, dass keine zusätzlichen Lasten für die GKV entstehen. Ein „Rosinenpicken“, bei dem
Menschen in jungen Jahren von den niedrigen Beiträgen der PKV profitieren und später – im
Alter oder im Krankheitsfall – in das preisgünstigere Solidarsystem zurückkehren, muss
ausgeschlossen werden.
Die Beteiligung der PKV an den Ausgaben für die Primärprävention ist ausdrücklich zu
begrüßen. Dies muss die Förderung von Gesundheitsselbsthilfeorganisationen ausdrücklich
einschließen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob eine Einbindung der PKV in den
Risikostrukturausgleich rechtlich möglich ist. Es wäre dabei auch denkbar, dass sich die PKV
durch eine angemessene jährliche Pauschale an der solidarischen Lastenverteilung im
Gesundheitswesen beteiligt.
Berlin, den 25.08.2006
Der PARITÄTISCHE Gesamtverband
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