1 Strukturwandel der Demokratietheorien Demokratieverständnis in der Antike Besonderheiten/Unterschiede: Keine gewählte Regierung (sondern: alle Vollbürger=Volksversammlung=Regierung) Keine Parteienlandschaft (sondern: prominente Einzelpersonen=Demagogen=Redner des Volkes) keine großen Länder mit millionenfacher Bevölkerung (sondern: Stadtstaat) Ämtervergabe durch Los ( es ist Ausfluss des Misstrauens, die Aufgaben können einer elitären Gruppe in die Hände fallen, die unkontrollierbare Macht ausüben und die Souveränität der Volksversammlung untergraben nach der Prämisse: jeder Bürger ist gut genug über ein Amt Verantwortung zu übernehmen (außer: Strategen, Flottenbaumeister, Finanzexperten und Leiter der städtischen Wasserversorgung) Merkmale/Gemeinsamkeiten: Herrschaft des Volkes (im Sinne des Begriffes „Demokratie“) Selbstbestimmung des Volkes (jeder Bürger ist Herrscher und Beherrschter zugleich) Engagement der Bürger für das Gemeindewohl (Verbundenheit mit dem öffentlichen Wohl – im Gegensatz der privaten Nutzenmaximierung) Institutionalisierung (im Gegensatz zu chaotisch und willkürlicher Herrschaft) Institutionen Vollbürgerschaft=Vollbürger (männliche Athener/neide Eltern Athener) mit Beteiligungsrecht (Partizipationsrecht=Recht der Bürger auf freiwilligen Einfluss in politische Entscheidungen) Frauen, Sklaven und ortsansässige Fremde waren ausgeschlossen Volksversammlung als Souverän (souverän=Inhaber der Staatsgewalt=uneingeschrenkte Entscheidungsgewalt) Rat der Fünfhundert (Aufgaben: Gesetze formulieren, Tagesordnung vorbereiten, Empfang von Gesandten und Botschaftern) eingeschränkte Machtbefugnis durch die Volksversammlung Archontat = Exekutivausschuss der Volksversammlung eingeschränkte Machtbefugnis durch die Volksversammlung keine Gewaltenteilung wie in modernen Gesellschaften Geschworenengerichte als Ausfluss der uneingeschränkten und direkten Volkssouveränität Grundzüge nach Perikles: Gleichheit = Gleichheit vor dem Gesetz (unabhängig von Stand und Besitz) = Aufstiegsmöglichkeiten nach Maßgabe von Fleiß, Intelligenz und Verdienst in der Gesellschaft Weltoffenheit und geistige Freiheit = keine Furcht vor fremden Einflüssen und willkommenheißen von neuem und anderem 2 Verbindung von Politik und Privatleben = „Sorge um Haus und Stadt Zugleich“ (Politik ist Angelegenheit aller) Vielseitigkeit und Toleranz (jeder Mensch wird für die Freiheit und Vielseitigkeit erzogen (im Gegensatz zu Spartaner (Erziehung zum Krieg) Entscheidung durch Diskussion aller Vollbürger (gemeinsames Durchdenken und Aussprache von Problemen) Partizipation Argumente dagegen Fehlende Repräsentationsprinzip Eingeschränktes Rechtsstaatprinzip Fehlende Gewaltenteilung Platon vs. Aristoteles - Platon: kommunistische Eigentumsstrukturen (kein Eigentum bis hin zu Frauengemeinschaften - absolute Ablehnung der Volksherrschaft Aristoteles: Okiosdespoten monogamer Ehebeziehungen und privat Eigentum - „gute Volksherrschaft“ = Oligarchische Komponente mit demokratischen Elementen (Volksversammlung als beratende Funktion, die allerdings einem Zensus unterliegt) Gemeinsamkeiten Platon Aristoteles: Demokratie endet in Tyrannis Antike bis ins 15.Jahrhundert. Bis in das 15. Jahrhundert hinein, gab es in Europa keine „Partizipationsdiskussion“. Diese setzt erst ein, als sich herausstellte, dass der frühneuzeitliche Staat trotz wachsender Machtfülle seine Aufgaben nur in Kooperation mit den besitzbürgerlichen Oberschichten des „Dritten Standes“ erfüllen konnten. Der „Dritte Stand“ gewann gegenüber dem Feudaladel an Gewicht, durch den Einsatz von Kapital zur Produktion für regionale und überregionale Märkte mit dem Ziel der Gewinnmaximierung (=Frühkapitalismus). Bisher (=seit der Antike) war das Prinzip der Produktion zur Selbstversorgung üblich gewesen. Frühbürgerliche Autoren (Morus, „Utopia“ 1516) klagten zwar Mitbestimmungsrechte „im Namen des Volkes“, damit wahren aber nur besitzende Schichten gemeint, deren Ziel die Gleichheit mit dem Feudaladel war mit dem Ziel, die eigenen Geschäfte möglichst ungestört führen zu können. 3 „Republik als gemischte Verfasung“ nach Machiavelli und Morus „gemischte Verfassung“: monarchistische, aristokratische und demokratische Anteile Machiavelli Morus Funktionsprinzipien der Republik - - Privateigentum Ausschluss des Feudaladels Leistungsprinzip Gemäßigter Konflikt lebenslang gewählter Staatspräsident Senat mit legislativen Funktionen Volksversammlung, der alle Fragen von Wichtigkeit vorgelegt werden müssen nur Gemeinschaftseigentum keine Geburtsprivilegien einheitliche Erziehungsinstitutionen Arbeitspflicht - Gegensätze Gesellschaftlicher Konsens wird durch Konflikte a posteriori hergestellt Individualismus Freiheit Partizipation = Durchsetzung von Interessen Setzt den konfliktfreien Konsens a priori voraus Kollektivismus Starker Staat Partizipation = Bestätigung von Strukturen Die Rolle der absoluten Monarchie in der „gemischten Verfassung“ wird im Folgenden betrachtet. Bürgerliche Interessendurchsetzung im „starken Staat“ oder in der der Ständeversammlung? Jean Bodin (1529-1596), „Sechs Bücher über den Staat“. Herrscher hat das Recht Gesetze zu erlassen (ohne Zustimmung anderer) Krieg und Frieden zu erklären Höchste Beamte zu ernennen Höchstrichterliche Entscheidungsgewalt Unabhängig von vorherigen Urteilen oder vom Gesetz Gnade walten zu lassen. Der Herrscher übt Souveränität „permanent, absolut und unteilbar aus“. Bodin „Monarchomachen“ „absolute Fürst“ vertritt Interessen des Stände sind dem Fürsten übergeordnet Bürgertums Fürst ist Sachwalter der Interessen der Stände Schützt dessen Eigentum Fürst kann durch die Stände abgesetzt werden Gewährt begrenzte Mitspracherechte bei der Steuerbewilligung ist zentrales Machtmittel der Steuerfestlegung Stände Souveränität „permanent, absolut und unteilbar“ beim Volk ist Souverän (Volk = hierarchische Struktur aller Fürsten Amtsträger und Stände“ Teilhabe des wohlhabenden Bürgertums unter Ausschluss der Besitzlosen Die Partizipationsforderungen der calvinistischen Monarchomachen sprengten die Struktur der Ständegesellschaft nicht auf. Dennoch sind in ihrem Denken bereits Elemente enthalten, die der seit der Antike vorherrschenden Vorstellung widersprechen, politischer Herrschaft beruhend auf ständischer Hierarchie sei eine natürliche Größe. 4 Einen grundlegenden Paradigmenwechsel brachte erst die englische Revolution 1642-1649, die das Naturrecht des Menschen ins Zentrum der Überlegungen stellte. Modernes Naturrecht und Demokratietheorie in der Englischen Revolution Leveller Attische Demokratie Stellvertreterprinzip Der freie Mensch ist im Naturzustand keiner Herrschaft unterworfen. Herrschaft wird durch den Menschen durch einen Vertrag aller mit allen („Agreement“) erst geschaffen. Aufgabe des Staates ist der Schutz der „birth rights“ (z.B. Privatbesitz) des Bürgers. Direkte Demokratie „Herrschaft“ an sich ist als natürliches Phänomen anerkannt In dieser Form unbekannt. Die Konvergenz von Vertragsdenken und politischer Teilhabe macht den Weg frei für die Entfaltung der Demokratie jenseits der Ständegesellschaft! Leveller Monarchomachen Der „Vertrag“ ist herrschaftskonstitutiv. Vertragspartner sind „gleiche und freie Individuen“. Der „Doppelbund-Bund“ zwischen Gott, Herrscher und Volk setzt Herrschaft im traditionellen Sinne voraus Partner sind Fürst und Stände. Die „Leveller“ lösten Herrschaft als natürliche Größe auf und konzipierten eine Sphäre der Privatheit, die, die prinzipiell der dem Zugriff des Staates entzogen ist. Die ursprünglich freien und gleichen Individuen geben Ihre Rechte nicht auf, wenn sie einen Staat als Herrschaftsform konstituieren! Es ist vielmehr Aufgabe des Staates, die Rechte des Bürgers (insbesondere sein Privateigentum)zu schützen! Die demokratische, utopische, liberale und autoritäre Spielart politischer Teilhabe Es ist in der Literatur umstritten, ob die Leveller für ein „Nichtbedienstetenwahlrecht“ oder für ein allgemeines Männerwahlrecht eintraten. Leveller - Repräsentationsgedanke Monarchomachen Vertreter durch Wahl bestimmt Repräsentant muss das Vertrauen („trust“) bestätigen Ausübung des Amtes - gem. der im Kosmos verankerten Gesetzte Gottes - Repräsentation der zugeordneten Funktion vor dem Volk - Nutzung von Sybmolen, Insignien usw. Lockes Theorie der „moderated monarchy“ Sicherung des bestimmenden Einflusses des Bürgertums. Die Interessen des Bürgertums haben Aufgrund des Beistands des Bürgertums zur Gesamtheit des Staates ein „Recht, besonders vertreten zu werden“. Locke führt als erster den Begriff der Gewaltenteilung ein. Gewaltenteilung: Volk hat über die Entsendung von Vertretern ins Parlament das Legislativrecht. Der König kann allerdings die Zustimmung zu Gesetzen verweigern, ihm obliegt aber im wesentlichen die Exekutive. Überschreiten Legislative oder Exekutive Ihre Kompetenzen, so tritt hat das Volk das Recht zum Widerstand. 5 Kritik an Locke: Er bezieht sich lediglich auf das „besitzbürgerliche Interesse, die Armen bleiben weiter außerhalb des politischen Systems“ (Walter Euchner). Trotzdem gilt Locke als der erste Vertreter des Bürgerlichen Liberalismus, da im Zentrum seiner Theorie die angemessene Beteiligung des Bürgertums am politischen Entscheidungsprozess sowie die rechtsstaatliche Garantie seines Eigentums und seiner Freiheit standen. Locke hatte deshalb großen Einfluss auf die Demokratiediskussion des 18. Jahrunderts. Montesquieus Aufwertung der Demokratie im Schatten seines Aufgeklärten ReformModells im Ancien Régime Montesquieu: Funktionsprinzip der Demokratie die staatsbürgerliche Tugend. Voraussetzungen zur Entfaltung des tugendhafte Patriotismus der Bürger: Gleichheit der Bürger hinsichtlich der Vermögensverhältnisse und sozialer Rangordnung. Der Bürger soll ein Gewerbe ausüben, aber so, dass niemand wesentlich erfolgreicher ist als ein anderer. Gegensatz zu den antiken Denkern (Aristoteles+Platon), die der Ansicht waren, dass nur die Muße staatsbürgerliche Tugend hervorbringen könne, nicht die Arbeit. Ideal ist allerdings die Freiheit, nicht die Gleichheit. Freiheit der Bürger wird durch eine „soziale Gewaltenteilung“ gesichert:Legislative in zwei Kammern, der Bürger und des Adels, die Exekutive beim Monarchen (Schwächung absoluter Herrschaft). „Gewalten“ erweitert um die unabhängige Judikative. Er sieht die „Gewalten“ in einem System von „Checks and Balances“ zusammenarbeiten: Monarchie, Bürgertum und Adel sollten ein das Gemeinwesen stabilisierendes Gleichgewicht herstellen, um den Status quo der Ständegesellschaft zu festigen(Gewaltenteilung zur Sicherung von Freiheit in der Ständegesellschaft). Demokratie als Selbstbestimmung des Volkes: Jean-Jaques Roussau Rousseau Hält eine Reform der sozio-politischen Verhältnisse in der Monarchie nicht für möglich (Gegensatz zu Montesquieu) Ziel Befreiung des Bürgers von absolutistischer und feudaler Fremdbestimmung Widerspruch zwischen Herrschaft und Autonomie durch „Gesellschaftsvertrag“ auflösen (Einfluss der „Leveller“) stellt das Volk als „moralischen Körper“ die homogene volonté generale (allgemeiner Wille)dar. Wenn in den Staatsformen Demokratie, Aristokratie oder Moarchie nach rechtsstaatlichen Prinzipien regiert wird, sind diese Saaten Republiken, weil der Herrschaft der volonté generale Ausdruck verliehen wird. Sollte partikularen Interessen zur Triebfeder des Regierungshandeln werden, entwickelt sich Despotie und Tyrannei. Das Volk ist Souverän und die Souveränität des Volkes ist unteilbar (konträr zum Prinzip der Repräsentation und der Gewaltenteilung). Individuelle Menschenrechte sind in der volonté generale enthalten. Demokratie ist immer direkte Demokratie. 6 Demokratie kann nach Rousseau nur unter bestimmten, schwer zu realisierenden soziopolitischen Bedingungen gelingen: Sehr kleiner Staat Große Schlichtheit der Sitten Gleichheit an Rang und Vermögen Wenig bis gar kein Luxus Amerikanische Unabhängigkeit: Federalists und Antifederalists Federalists Antifederalists Repräsentation: - bezogen auf den Ausgleich der Interessen Staat: - Zentralisierter, handlungsfähiger Staat Soziale Basis: - Großbürgertum, Großgrundbesitzer, freie Berufe Repräsentation: - Arithmetische Repräsentation der Interessen Staat: - Mehr Autonomie der Einzelstaaten (Förderalismus) - Ämterrotation in der Exekutive (Präsident) Soziale Basis: - Kleine und mittlerer Farmer, Handwerker Gemeinsamkeiten Republik, individuelle Menschenrechte, Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Widerstandsrecht, Ablehnung direkte Demokratie Die Differenzen wurden durch „Amendments“ abgemildert, die Federalists haben sich jedoch im wesentlichen durchgesetzt. Differenzen der Federalists zu Rousseau Rousseau Federalists Lehnt Repräsentation ab. (Das souveräne Volk kann sich nicht vertreten lassen1). Der Staat muss daher klein sein. Das Volkswille ist homogen, Gewaltenteilung daher nicht möglich. Gesellschaft ist sozial wenig differenziert und tugendhaft. Repräsentation bietet die Möglichkeit, den Staat zu vergrößern und so zu stabilisieren! Fordern Gewaltenteilung um Machtkonzentration zu verhindern! Handeln der Menschen ist geleitet von Ihren Interessen, dies führt zu einer sozial differenzierten Gesellschaft. Dem wirkt eine starke und unabhängige Justiz entgegen. Sieyés´ „Was ist der dritte Stand“ und die Verfassung von 1791 Sieyés Theorie der Entstehung eines legitimen Staates in drei Stufen: 1. Naturzustand: freies Spiel der Einzelwillen der Freien und Gleichen bring Vertrag über den allgemeinen Willen der Nation hervor (egalitäres Naturrecht) 2. Volonté generale Epoche gemeinschaftlichen Willens: die Gesellschafter wollen die Vereinigung Ihres Willens verstetigen( hier als regulatives Prinzip im Großflächenstaat verstanden). 3. Konstitution Repräsentativer Herrschaft: Die Gesellschafter sind zu viele und leben zu verstreut, um ihren gemeinschaftlichen Willen selbst auszuüben. Sie fassen deshalb Befugnisse zusammen und übertragen diese Personen ihres Vertrauens (Repräsentationsprinzip), die jedoch nur den Allgemeinwillen vertreten sollten. 7 Sieyés Faktionen und Partikularwillen sind nicht zugelassen Volonté Generale wird als Korrektiv von Partikularinteressen verstanden Amerikanische Verfassung Faktionen und Partikularwillen sind zugelassen Es besteht der Zwang zum Kompromiss. Sieyés Theorie wird vorgeworfen, dass sie Großbürgerlichen Interessen mehr entgegenkam, als Rousseau. Rousseau Radikale Ablehnung Repräsentationsprinzip Keine Gewaltenteilung (Volonté Generale ist homogen) Sozialpflichtigkeit des Eigentums Menschen- und Bürgerechte nicht kodifizert (Teil der Volonté generale) Sieyés Befürworter Repräsentation Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive. Gleichheit vor dem Gesetzt bedeutet nicht Gleichheit des Eigentums. Primäre Aufgabe des Gesetztes ist der Schutz des Privateigentums. Menschen- und Bürgerechte kodifizert Verfassungsentwürfe 1791 und 1973 und Demokratieverständnis Robbespierre Verfassung 1791 Gleichheit aller vor dem Gesetz Rechtsstaatsprinzip Gewaltenteilung Starke Legislative Parlament kontrolliert Finanzen König hat Vetorecht Meinungsfreiheit Eigentum unverletzlich Repräsentationsprinzip: Wahrnehmung von Partikularinteressen untersagt Mandat gilt für zwei Jahre Zensuswahlecht (aktive + passive Bürger) abhängig Beschäftigte haben kein Wahlrecht Änderungen der Verfassung 1973 Ziel ist auch soziale Gleichheit, Recht auf Arbeit wird formuliert Plebiszitäre Elemente: Gemeinden müssen vor Inkrafttreten eines Gesetztes zustimmen Exekutive wird auf einen „Vollzugsrat“ reduziert Jährlich wird am 01. Mai gewählt Allgemeines Männerwahlrecht, inkl. Ausländerwahlrecht (unter bestimmten Vorr.) Robbespierre: Exekutive nur in der Rolle eines Parlamentsausschusses Sozialpflichtigkeit des Privateigentums Allgemeines Männerwahlrecht Repräsentationsprinzip mit plebiszitären Elementen Robbespierre verwendet den Demokratiebegriff nicht mehr pejorativ sondern affirmativ! Burkes Kritik an der franz. Revolution Burke: Kleine Staaten können demokratisch regiert werden. Große Staaten nur mit „gemischter Verfassung“ nach engl. Vorbild Gemischte Verfassung verhindert Diktaturanfälligkeit der Massen, fördert Durchsetzung von Gesetzen, sichert Grundlagen des Privateigentums Burke versucht im Gegensatz zur Robbespierre die Wiederauflebung des pejorativen Demokratiebegriffs. 8 Bandbreite der Demokratietheorien der frühen Neuzeit: Radikaldemokratisch interperpretiertes Repräsentationssystem (Robbespierre, Paine) Konservative Beteiligungsmodelle in der gemischten Verfassung (Burke) Kommunistische Partizipation mit etatistisch-autoritärer Überformung (Babeuf) 1847 „Reforme“ vs. „National“: Soziale vs. liberale Demokratie Demokratiekonzeption dieser Zeitungen bestimmen die Diskussion der Demokratietheorie bis ins 20. Jahrundert: Soziale Demokratie: Fortentwicklung der „alten Demokatie“ unter einschluss des Industrieproletariats und sozialer Reformen Liberale Demokratie: Bestätigung des Status Quo der Bürgerlichen Gesellschaft, Beschränkung auf Generierung staatlicher Normen und Marginalisierung der sozialen Dimension Tocqueville Liberal-Konservative Demokratieinterpretation Tocqueville: „Über die Demokratie in Amerika“ (1835) Gefahren der amerikanischen Demokratie: Zerstörung des Privateigentums (als Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft) Nivellierung der Gesellschaft durch die „Tyrannei der Mehrheit“ Vorteile der Amerikanischen Demokratie: System der „Checks and Balances“ welches die “heiligen Recht der Familie und des Eigentums schützt” Tyrannei der Mehrheit wird durch drei Dinge gebremst: bundesstaatliche Form, Gemeindeeinrichtungen, richterliche Gewalt Guizot: De la Democratie en France“ (1849) Soziale Hierarchie und Eigentum entsprechen der „natürlichen Ordnung“ Revolutionäres Bestreben der Arbeiterklasse kann sozialen Frieden gefährden Lösung: Gewaltenteilung nach Muster der engl./amerikanischen Verfass, welche durch alle „beharrenden Kräfte der Gesellschaft“ unterstützt wird und Interessen der Arbeiterklasse integriert Wahlrechtsreform 1832 in England Die Wahlrechtsreform von 1832 wurde ausgelöst durch die Forderungen der „Radicals“ (bürgerliche Republikaner) und des proletarischen Jakobinismus unter den Arbeitern: beide Fordern das allgemeine Männerwahlrecht als Voraussetzung für alle anderen Reformen. Von der Wahlrechtsreform 1832 profitierten jedoch im wesentlichen nur der industrielle Mittelstand, die Arbeiter blieben weiter größtenteils vom Wahlrecht ausgeschlossen. 9 Demokratisierung und Chartismus (1834-1848) Chartistenbewegung: hetrogene Zusammensetzung aus vorindustriellen Handwerkern, Fabrikarbeitern und abhängigen Heimarbeitern Forderungen: Allgemeines Männerwahlrecht Recht auf Arbeit und Bildung Angemessene Entlohnung Anhebung des Lebensstandards Reaktionen auf den Chartismus im bürgerlichen Lager: Stuart Mill und Walter Bagehot John Stuart Mill: „Considerations on representative Government“ (1861) Verteidigt die neue Macht der Industriellen Großbürger nach der Wahlrechtsreform von 1832 Gefahren für das Bürgertum in der Demokratie: geringer Bildungsstandard der Wähler (führt zur Herrschaft der kollektiven Mittelmäßigkeit) Klassengesetzgebenung (Gefahr für das Eigentum der Bürger) Verbinden sich beide Gefahren, besteht die Gefahr einer „Pedantokratie“ durch übermäßige Bürokratisierung der Regierung. Lösungsmöglichkeiten über das Wahlrecht: Zensuswahlrecht Bildungsnachweis (Pluralwahlrecht für Bürger mit hohen Bildungsabschlüssen) Walter Bagehot: „The English Constitution“ (1867) Pejorativer Demokratiebegriff: Demokratie nur in neu gegründeten Gemeinwesen ohne Strukturen möglich England ist jedoch eine „deferential nation“ mit eigener Struktur, in der Rangunterschiede legitim sind. Daher Absage an die Absicht der Chartisten, die Arbeiterklasse ins politische System zu integrieren. Demokratieentwicklung im Zusammenhang der 1848-Revolution Liberale Rechtsstaat und konstitutionelle Monarchie Grundlagen: Egalitäres Naturrecht Rechtsgleichheit Vertragsfreiheit Freies Eigentum Aufhebung der Vorrechte des Adels und der Klöster Zensuswahlrecht Vorbild: franz Verfassung 1791 Basis: liberales Besitz- und Bildungsbürgertum Demokraten Rechtsstaatlichkeit Grundlagen: Egalitäres Naturrecht Soziale Reformen Arbeitsministerium Sicheres Eigentum Aufhebung der Vorrechte des Adels und der Klöster Allgemeines Männerwahlrecht Vorbild: franz Verfassung 1793 Basis: Kleinbürgertum, Handwerker, z. T. Arbeiter Kleinster gemeinsamer Nenner: Forderung nach einem geeinten deutschen Nationalstaat Grundsätzlicher Konflikt: Wahlrecht Kompromisse wurden aufgrund der heterogenen Basis der beiden Lager erschwert. Die 1848-Verfassung war zwar grundsätzlicher Kompromiss, wurde aufgrund der sozialen Heterogenität der Lager kaum anerkannt.Die Ablehnung der Kaiserwürde durch Friedrich Wilhelm IV. vollendetet daher das Scheitern der Revolution. 10 Lassale und Bismarck Lassale Allgemeines Männerwahlrecht: Soziale und politische Emanzipation der Industriearbeiter Möglichkeit der sozialen Veränderungen Demokratie als politische Organisationsform zur Durchsetzung von Interessen der Arbeitnehmer Bismarck Allgemeines Männerwahlrecht: Instrument zur Manipulierung der Massen Dient damit zur Stabilisierung der Monarchie Zusätzliche Legitimation der Monarchie Parlament und freie Presse als Korrektiv gegen unkontrollierte Einflüsse auf den König Negative Demokratiebewertung nach antikem Vorbild Antwort des linksliberalen Bürgertums auf das Erbe Bissmarcks Hugo Preuß: „Das deutsche Volk und die Politik“ (1915) Das Erbe Bismarcks verhindert die Herausbildung fähiger politische Eliten durch defizitäre Strukturen des Konstitutionalismus in Gestalt der Machtlosigkeit des Parlaments. Max Weber: „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“ (1917) Obrigkeitsstaat verhindert durch Ausgrenzung der Arbeiterklasse Entwicklung einer politischer Führungsschicht Korrelation von Kapitalismus und Bürokratie: Regierung exekutiert Ihre Politik zweckrational mit Hilfe der Bürokratie, wie der Einzelkapitalist zweckrational sein Kapital einsetzt. Gegenmittel: herausbilden bewährter politischer Führerschaft (vgl. Tocqueville und Magehot) Parlamentarismustheorie: Redeparlament: Debatte und negative Kritik (Reichstag) Arbeitsparlament: Arbeit an Gesetzen, Budget und Kontrolle der Verwaltung in Ausschüssen (House of Commons) Weber hält den britischen Parlamentarismus für überlegen, weil im Konkurrenzkampf der Parteien nur Männer mit Machtinstinkt und Führungsqualitäten in Spitzenpositionen gelangen. Demokatie ist nach Weber eher eine Machttechnik als eine Möglichkeit zur Selbstbestimmung des Volkes! Der rätedemokratische Ansatz Karl Marx: „Der Bürgerkrig in Frankreich“ Lassale Allgemeines Männerwahlrecht zur Durchsetzung der Interessen der Arbeiterschaft in der Demokratie. Marx Bürgerliche Staat kann auch in der parlamentarischen Form nicht durch die Arbeiterklasse übernommen werden. Der Staat und seine Organe müssen zerschlagen werden. - Selbstbewaffnung des Volkes - Kommunale Selbstverwaltung durch Delegierte - Aufhebung von Repräsentation und Gewaltenteilung Sowohl in Politik als auch in Produktionssphäre Das System der Räte vereinigt Gesetzgebung und Verwaltung uns steht somit im schafren Kontrast zum Prinzip der Gewaltenteilung. 11 Sozialdemokratische Alternativen zum „reinen Rätemodell“ Hugo Sinzheimer „Rätekonzeption des MSPD-Parteitags 1919 in Weimar“ Rätekonzeption mit integrativem Charakter: Gegensatz von Kapital und Arbeit mit einer Wirtschaftsverfassung Rechnung tragen, die Institutionen dieses Gegensatzes abbildet. Ausgangspunkt: Demokratieverständnis Lassale (Allgemeines Wahlrecht) Ziel: Sozialisierung der Schlüsselindustrien durch demokratische Mehrheit im Parlament Arbeiterräte: vertreten die Interessen der Arbeiter Wirtschaftsräte: vertreten gemeinsame Produktionsinteressen von Arbeitnehemern und Arbeitgebern Linksliberales Demokratieverständnis im bürgerlichen Lager „reduzierter Demokratiebegriff“ bei Hans Kelsen Radikaldemokratisches theoretisches Element: Identität von Herrschern und Beherrschten In der Realität ist Gewaltenteilung nötig, diese verhindert „Expansion und Willkür“ in der Ausübung der Staatsgewalt Demokratie ist Möglichkeit der „Auslese der Führer unter den Geführten“. Notwendigkeit einer effizienten zentralisiertren Verwaltung bringt autokratische Elemente mit sich Kelsen löst damit den Demokratiebegriff von seinen Wurzeln, die auf Selbstbestimmung und Autonomie des Volkes sind. In Realität reduziert er den Demokratiebegriff zu einer Methode der Generierung staatlicher Ordnung (in einer parlamentarischen Demokratie). Demokratie als faschistisches Legitimationsmuster Carl Schmitt „Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus“, 1923 Gegenüberstellung von Demokratie und Parlamentarismus Demokratie: Identitätsprinzip (Herrscher und Beherrschte, Volk und Repräsentanten, Staat und Gesetz usw.) Parlamentarismus: 1. Prinzip der Diskussion 2. Postulat der Öffentlichkeit 3. Unverzichtbarkeit der Gewaltenteilung Diese Prinzipen sind nach Schmitt in der Weimarer Rpublik außer Kraft gesetzt. Nach Schmitt ist die Epoche liberaler Demokratie annähernd beendet, statt dessen tritt der „nationale Mythos als Kraft“ auf. (Hinweis auf „Führerstaat“) Carl Schmitt „Verfassungslehre“, 1928 Versuch, den Begriff der Demokratie in ein autoritäres Führer-Gefolgschaftsverhältnis umzuinterpretieren. Schmidt völkisch-rassisch aufgeladenes Identitätskonzept der Herrscher und Beherrschten Politischer Führer artikuliert volonté generale und setzt ihn um. Rousseau Soziale Homogenität des kleinen Eigentums Funktionsbedingung demokratischer Partizipation Identität von Herrschern und Beherrschten in der volonté generale ermöglicht Partizipation des Volkes. Bezugnahme Schmitts auf Rousseau ist nicht gerechtfertigt! 12 Die Wirtschaftliche Katastrophe der Jahre 1923 und 1929 hatte eine tiefgreifende Krise des politischen Denkens zur Folge: das zum Mythos erhobene Kollektiv der Klasse/des Volkes dominierte die Gedanken des freiheitlichen Individualismus und des politischen Liberalismus. Dies führte zur Krise der Demokratie zwischen den Weltkriegen. Karl Mannheims Konzept der „formierten“ Demokratie Mannheim vertritt 1940 die These, das die Zerstörung des westlichen Verfassungstyps und die Errichtung totalitärer Herrschaftsformen nicht nur vorrübergehende Symptome einer auf ein paar Länder beschränkte Krise ist. Drei Gründe für den Aufstieg des Faschismus und Kommunismus 1. Prinzip der Fundamentaldemokratisierung Mangel an Bildung der Massen schlägt durch Emotionalisierung auf die Demokratie zurück (vgl. Toqceville und Mill). 2. Prinzip der zunehmenden Interdependenz Die Gesellschaft ist in Ihrer Struktur interdependent geworden, radikale Veränderungen eines Teils gefährden daher leicht die Gesamtheit. 3. Ersetzung der substantiellen Rationalität durch funktionelle Realität Die funktionale Rationalität der Massen führt Sie in eine Abhängigkeit von Technokraten und damit in die Hilflosigkeit. Therapie: Planung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens (unter Berücksichtigung der Normen der Demokratie) Dabei werden allerdings auch Methoden eingesetzt, die im ursprünglichen Sinne nicht demokratisch sind: Zentral gelenkte Propaganda Beratung der Regierung durch geschlossene Gesellschaften (Brain-Trusts) Weitere Maßnahmen: Stärkung des Leistungsprinzips Vermeidung von Plebisziten (nur Wahlen) Auswahl der politisch führenden Schichten (wie Weber) Mannheim gibt der Formung der Gesellschaft einen hohen Stellenwert um dem Totalitarismus ein Gegengewicht zu geben. Schumpeters Modell der Konkurrenzdemokratie Joseph A. Schumpeter „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ (1942) Kritik der Klassischen Demokratie nach Rousseau: ein eindeutig bestimmbares Gemeinwohl existiert nicht selbst wenn es existieren würde, wäre es zweifelhaft, ob daraus Antworten für konkrete Fragestellungen ableitbar wären Nach Schumpeter ist die volonté generale Rousseaus daher ein „haltloses rationalistisches Konstrukt“. Vielmehr gebe es einen „fabrizierten Gemeinwillen“, der nach der Art moderner Reklametechniken produziert werde. Konkurrenzdemokratie nach Schumpeter: Demokratie als Methode zur Generierung des politischen Personals und der politischen Ordnung, wobei es durch Wahl/Abwahl konkurrierender politischer Eliten zur Bildung politischer Führung auf Zeit kommt. 13 Politiker werden von Schumpeter modellhaft zu „Unternehmern, die mit Stimmen handeln“. Gründe (Vorteile gegenüber der „klassischen Demokratie“): Klare Abgrenzung der Staatsform Eindeutige Führung Akzeptanz von Partikularinteressen Unfaire Konkurrenz ist leicht erkennbar Kontrolle der herrschenden Elite Favorisierung des Mehrheitswahlsystems (ergibt stabilere Mehrheiten) Voraussetzungen: Politisch interessierte sozialen Klasse vorhanden Begrenzung der Politikfelder der Methode Demokratie (Ausgeschlossen: richterliche Unabhängigkeit, Landeszentralbanken, Wirtschaft) Gut ausgebildete Demokratie Selbstbeschränkung der Wähler auf den Akt der Wahl Anthony Downs „Ökonomische Theorie der Demokratie“, 1959 Konsequenter Versuch der Analogisierung von ökonomischer und politischer Konkurrenz im Zeichen individueller Nutzenmaximierung (homo oeconomicus-politicus) Downs Marktmodell der Demokratie: Politik als Markt mit den Prinzip der Nutzenmaximierung, dabei fokussiert auf den Eigennutz. Parteien: Wollen Wahl gewinne, müssen daher Geld und Zeit investieren, um die Vorteile ihrer Politk gegenüber der Konkurrenz zu verdeutlichen. Bürger: Grundsätzlich eher passiv, wollen aber ihren eigenen Nutzen maximieren, sind daher bereit sich vor der Wahl mit den Argumenten der Parteien zu befassen. Parteien bedienen sich „Informationsagenturen“ um den „begrenzt Aufnahmebreiten“ Bürger mit Informationen zu versorgen Kritik an Schumpeters Modell der Konkurrenzdemokratie: 1. Fehlender Minderheitenschutz 2. Abwertung des Partizipationsgedanken 3. Scheinbare Konsistenz des Marktmodells Daher sind „normative Ressourcen“ als Basis für die liberale Demokratie vonnöten (z.B christliche Werte) Das Modell Schumpeters war insbesondere im anglo-amerikanischen Bereich sehr erfolgreich. Mit der Wahrnehmung in Deutschland nach dem 2. WK beschäftigt sich das (Gott sei Dank!) letzte Kapitel. 14 „Nachholende“ Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland In der angloamerikanischen Welt ließ sich unter dem bestimmenden Einfluss der Philosophie von Locke und der prinzipiellen Vereinbarkeit von Repräsentation und organisierten Partikularinteressen das Modell Schumpeters mit der Struktur der geschriebenen und ungeschriebenen Verfassung zwanglos verbinden. In Deutschland wurde die Rezeption des pluralistischen Modells demokratisch gewählter Eliten durch jene Kräfte behindert, die in ihm eine Kolonisierung der öffentlichen Gewalt durch grundsätzlich privat organisierter Interessen ausmachten. Im Folgenden werden die Akteure betrachten die dem Modell Schumpeters in Deutschland zum Durchbruch verhalfen. Otto Stammer Hält Besinnung auf die Denkweise von Rousseau für anachronistisch, daher müsse die Demokratie heute effizienten Eliten einen weiten Handlungsspielraum einräumen. Übereinstimmung mit Schumpeter Demokratie als Methode Demokratie als Herrschaftssystem Elitenherrschaft Konkurrenz der Eliten - - Ergänzung zu Schumpeter Rolle von Parteien und Verbänden zur Formulierung des politischen Willen Leitbild des „mündigen Bürgers“, der über Politische Bildung demokratische Werte verinnerlicht und an einer Rückkopplung zwischen den politischen Eliten und dem Volk festhält Stammer betont die Demokretischen Elemente im Modell der Konkurrenzdemokratie. Leibholz: Politische Parteien sind unverzichtbar, um diffuse Interessen zu einer handlungsfähigen politischen Größe zu bündeln. Fraenkel: „Neopluralismus“ als Modifikation der Konkurrenzdemokratie Schumpeters Fraenkel übernahm von Schumpeter das Konkurrenzprinzip, Anerkennung des Eigennutzes, Konzept des „fabrizierten Gemeinwohls“ (als Ergebnis der Politik). Im Modell des Neopluralsmus gibt es zwei gesellschaftliche Sektoren: Nichtkontroverser Sektor: Genereller Konsens darüber, dass bei allem Zusammen- und Widerspiel der organisierten Partikualrinteressen dieakzeptierten und normierten Verfahrensvorschriften und die Regeln des fair-play eingehalten werden. Kontroverser Sektor: Innerhalb diesem ringen kollektiv organisierten Interessen der Parteien und Verbände um die Verteilung des disponiblen Anteils des Bruttosozialproduktes. Bürger und Staat stehen sich nicht mehr direkt Gegenüber, der Bürger organisiert sich zur Durchsetzung seiner Interessen in Parteien, Verbänden usw. Im Parlament entstehe daher ein Kompromiss auf mittlerer Linie, das den Kern der in Gesetzesform gegossenen politischen Entscheidungen als das „Gemeinwohl aposterori“ darstellt. (Parlament als clearing-Stelle kontroverser Interessen). 15 Die Demokratie der frühen Bundesrepublik und der technische Staat Gemeinsamkeiten mit Schumpeter: Destruktion des Bildes vom „mündigen Bürger“ bzw. „Citoyen“ der alten Demokratie. Sachstandsbeschreibung: Bürger ist den modernen Manipulationsmitteln hilflos ausgeliefert. Komplexität der zu treffenden Entscheidungen überfordert intellektuelle Kapazität des Bürgers Helut Schelsky: Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation“, 1961 These: Politik als Vollzug technischer Sachzwänge Herrschaft ist nicht mehr als Herrschaft über den Menschen zu begreifen, sondern Herrschaft ist die „Verwaltung von Sachen“ nach dem Kriterium Effizienz Technisch-wissenschaftliche Entscheidungen können daher keinem demokratischen Willensbildungsprozess unterliegen. Regierung wird so zum Organ der Verwaltung von Sachnotwendigkeiten Parlament ein Kontrollorgan für sachliche Richtigkeit Volk zum Objekt der Staatstechniken Formeln wie „technischer Staat“ wurden bereits in den 60er Jahren äußerst kritisch bewertet, da diese die Vorstellung von Demokratie als einem Gemeinwesen, dessen Politik vom Willen des Volkes abhängt, stark konterkarierten. Im Letzten Kapitel werden die demokratietheoretischen Alternativen zur Konkurrenzdemokratie und dem technischen Staat untersucht. „Neues“ Demokratieverständnis im Zeichen der APO und der Studentenbewegung USA 60er Jahre: Kontrast zwischen Reformversprechen (Grand Society) und imperialistischer Außenpolitik (Vietnamkrieg) Deutschland: Notstandsgesetze der Großen Koalition trugen wesentlich zur Entstehung der APO bei Jürgen Habermas „Student und Politk“ 1961 Hob den Bedeutungsgehalt der alten Demokratie wieder hervor und operationalisierte den Sinn in dem er handlungsorientierte Perspektiven unter den Bedingung der modernen Industriegesellschaft benannte: 1. Entwicklung von der liberalen zur sozialen Demokratie 2. egalitäre Verteilung des produzierten gesellschaftlichen Reichtums in einer freien Gesellschaft 3. Überwindung der Trennung von politischer Herrschaft und scheinbar privater Reproduktion des Lebens. Fritz W.Scharpf „Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung“, 1972 Scharpf thematisiert das Defizit, dass es in pluralistischen Systemen zwar Arenen zur Austragung begrenzter Konflikte gäbe, aber keine zur Austragung fundamentaler (Kapital vs. Arbeit). Weiterhin unterstreicht er die Wichtigkeit der Beibehaltung des Anspruchs des Individuums auf Selbstbestimmung. Er erkennt an, dass sich politische Apathe insbesondere bei den nicht-Eliten konzentriert. 16 Dem stellt er ein Drei-Stufen-Modell der Partizipation entgegen: Erhöhung des Gewichts von Wahlentscheidungen Chancen der politischen Partizipation für alle, die dazu Willens sind weitestmögliche Ausnutzung dieser Chancen, wenn sie vorhanden sind. Diese erneute Fokussierung auf den partizipatorischen Aspekt der Demokratietheorie wurde von folgenden Autoren als „Vorstufe für den Marsch in das Gesellschaftliche Chaos und einen neuen Totalitarismus“ kritisiert. Der Verlauf der Ereignisse gab ihnen bisher jedoch nicht Recht (dt. Wiedervereinigung usw.). Ende! Reicht auch, oder? Herausforderungen an die Demokratie im 21.Jahrundert: 1. Erosion der Bereitschaft zum Engagement 2. Kulturelle Fragmentierung und fundamentalistische Ideologien 3. Kurzfristige Politk – langfristige Problemstellungen 4. Individualisierung und Zerfall des Basiskonsens 5. Krise der Wohlfahrtsstaaten 6. Globalisierung 7. Islamischer Fundamentalismus Zusammenfassung im zeitlichen Ablauf