informationsethik

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Vorlesung
INFORMATIONSETHIK
Rafael Capurro
Hochschule der Medien
Wintersemester 2003/2004
1
Lernziele
• Grundkenntnisse ethischer Theorien und
Begriffe
• Selbständige Problematisierung ethischer
Konflikte im Informationsbereich (->
Studienarbeit)
• Übung im interkulturellen Dialog
• Sensibilisierung für informationsethische
Fragen
2
Übersicht
-> Warm up
1. Ethik
2. Informationsethik
2.1 Historische Aspekte
2.2 Systematische Aspekte
3. World Summit on the Information Society
4. Fallbeispiele aus “telepolis”
3
Warm up
•
•
•
•
•
•
•
Aus dem Leben gemailt
Nobel statt Nabel?
ICIE
telepolis
Chaos Computer Club: Hackerethik
Infoethik an der Uni Saarbrücken
WSIS
4
Warm up: Aus dem Leben
gemailt
Aus dem Leben gemailt
von Christoph Drösser, DIE ZEIT 31.7.03
Jochem Müller geht nicht ins Internet. Jochen Müller ist im
Internet - fast immer.
Aus Angst, nicht erreichbar zu sein, verliert die Info-Elite den
Anschluss an die Wirklichkeit (information overkill).
Die Sucht nach der nächsten Mail zerstückelt den Tag: Leben
im “Multitasking”-Modus.
Für Stunden der Ruhe wird die Verbindung gekappt.
5
Warm up: Nobel statt Nabel
DER SPIEGEL 7.7.03
6
Warm up: Nobel statt Nabel
• In den Zeiten der Krise, des Pisa-Schocks
und um sich greifender Verlotterung ist eine
neue Bürgerlichkeit gefragt.
• Das Einhalten von Regeln, das Leben in
althergebrachten Tugenden und Ritualen
wird wichtiger: Sauberkeit, Disziplin,
Etikette, Stil, Rituale
7
Warm up: ICIE
icie/zkm.de
- gegründet 1999 von Rafael Capurro.
- Internationales und interkuturelles Forum mit ca. 150
Mitgliedern weltweit.
- Kooperation mit dem ZKM Karlsruhe seit 2001.
- Kooperation mit der Universität Augsburg seit 2002
(Buchreihe beim Fink Verlag München), regelmäßige
Symposien.
- Internationales Symposium 2004 “Localizing the Internet.
Ethical Issues in Intercultural Perspective”.
- Website: Bibliografie, Meetings, Virtual Library, Teaching,
Institutionen.
8
Warm up: telepolis
www.heise.de/tp/
9
Warm up: Hackerethik
Chaos Computer Club
www.ccc.de/hackerethics
10
Warm up: Infoethik
Universität Saarbrücken:
Virtuelles Handbuch
Informationswissenschaft
Informationsethik
11
Warm up: WSIS
World Summit on the Information Society
Genf, 10-12 Dezember 2003
12
1. Einführung in die Ethik
• Menschliches Handeln ist
“begründungsbedürftig”: Natur und Freiheit
• Kants Fragen: “Was können wir wissen? Was
sollen wir tun? Was dürfen wir hoffen? Was ist der
Mensch?”
• “Wollensethik” und “Sollensethik” (H. Krämer)
• Das “anstößige” der Moral und der “An-Stoß” der
Ethik
• Allgemeine Ethik und angewandte Ethik
13
1. Einführung in die Ethik
Ethik zur Einführung:
- O. Höffe: Lexikon der Ethik. München 1997
- H. Hastedt, E. Martens Hrsg.: Ethik. Ein
Grundkurs. Reinbek b. Hamburg 1994
- Bernard Williams: Ethik und die Grenzen
der Philosophie. Hamburg 1999
- Thomas Gil: Ethik. Stuttgart 1993
14
1. 1 Historische Aspekte
• Herkunft und Bedeutung der Worte ‘Ethik’
und ‘Moral’ (oder ‘ethos’)
• Plato und die Idee des Guten: Ethik als
‘Ideo-logie’
• Sokrates und die Sophisten: Selbstdenken
• Aristoteles als Begründer der Ethik:
“Ethik”, “Ökonomie” und “Politik”
(Praktische Philosophie): das ‘gute Leben’
15
1. 1 Historische Aspekte
• Hellenismus: Die Kultur der “Selbstsorge”
und ihrer Aktualität (Michel Foucault)
• Christliche Ethik: Thomas von Aquin:
“bonum”, “lex aeterna” und
Gottesebenbildlichkeit (theologische Ethik)
• Neuzeitliche Ethik: Descartes, Kant,
Bentham, Mill: Utilitarismus und
Pflichtethik (Kant)
16
1. 1 Historische Aspekte
• Ethik im 19. und 20. Jahrhundert
– Hegel: Moralität und Sittlichkeit oder die
Vernünftigkeit des Realen
– Marx: Protest gegen Geistmystifikationen; die
Macht des historischen Subjekts
– Kierkegaard: das Ästhetische, das Ethische und
das Religiöse als Dimensionen der
menschlichen Existenz
17
1. 1 Historische Aspekte
•
•
•
•
•
•
•
•
Nietzsche: Kritik der Moral
Max Scheler: die materiale Wertethik
Analytische Ethik: Moore und Hare
Existentialistische Ethik: Camus, Sartre, Beauvoir, Levinas
Liberale/libertäre Ethik: von Hayek, Rawls, Nozick
Kommunitaristische Ethik: Etzioni, Taylor, Walzer
Diskursethik: Apel und Habermas
Postmoderne: Foucault
18
1. 1 Historische Aspekte
www.capurro.de/raffael.htm
19
1.2 Systematische Aspekte
•
•
•
•
Die Rolle der Moral in der Alltagserfahrung
Gruppenmoral und Universalmoral
Berufs- und Standesethos
Normenpluralismus, “goldene Regel” und
Verallgemeinerungsprinzip
• Freiheit, Autonomie und Menschenwürde
(Moralität)
20
1.2 Systematische Aspekte
• Moral, Ethik und Recht:
– Moral = gelebte Sitten und Traditionen
– Ethik = kritischer Diskurs über Moral und
Recht
– Recht = staatlich sanktionierte Normen
Strafandrohungen: Geldstrafe , Freiheitsentzug
(Todesstrafe) (BGB, StGB)
21
1.2 Systematische Aspekte
• Vorrang der Moral über Ethik und Recht
(Fundamentalismus)
• Vorrang des Rechts über Ethik und Moral
(Legalismus)
• Vorrang der Ethik über Moral und Recht
(Ethischer Rigorismus)
– > Abwägungsprozesse
22
1.2 Systematische Aspekte
• Code-orientierte vs. Ethik-orientierte
Moralen (M. Foucault): Vorrang eines
bestimmten Codes gegenüber der
bleibenden Aufgabe der Lebensgestaltung
• Ethik als “Ästhetik der Existenz” (M.
Foucault): Technologien der Produktion, der
Zeichen, der Macht und des Selbst
23
1.2 Systematische Aspekte
• Handlungen = von Personen wissentlich
und willentlich hervorgerufene Ereignisse
(Subjekt, Vollzug, Absicht, Ziel)
• Herstellende (‘poiesis’) und
selbstzweckhafte Handlungen (‘praxis’)
(Ziel außerhalb des H.vollzugs oder nicht)
• Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Max
Weber): Handlung und Verantwortung
24
1.2 Systematische Aspekte
Einige Topthemen der Ethik:
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Glück
Lebenshaltungen (Tugenden) und Lebensformen
Natur und Technik
Pflicht und Verantwortung
Krieg und Frieden
Freiheit und Existenz
Liebe und Freundschaft
Lebenssinn
Selbst sein und ‘Niemand sein’
Wohlstand und Gerechtigkeit
Werte und Orientierung
25
1.2 Systematische Aspekte
Die Güter und das Gute:
– Güter sind äußere Strebensziele
– das Gute verweist auf die Art des
Lebensvollzugs (der Person) (Tugendethik)
– > rationale Güterabwägung und vernünftige
Entscheidung bei Zielkonflikten (Gemeinwohl,
Gerechtigkeit): sittliche Urteilskraft
26
1.2 Systematische Aspekte
• Die “Goldene Regel” (Konfuzius, Sieben Weisen,
Indien, NT...) negativ und positiv formuliert:
– Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’
auch keinem andern zu
– Behandle andere so, wie du auch von ihnen
behandelt sein willst.
– > Abstand vom Selbstinteresse und Vergeltung
– > Aufforderung zum wechselseitigen Respekt
27
1. 2 Systematische Aspekte
Kants Moralgesetz: “Handle so, daß die Maxime
deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer
allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.”
–
–
–
–
Prinzip der Willensautonomie
kategorischer Imperativ
Kausalität durch Freiheit
theoretische Deduktion des m.G. nicht möglich:
“Faktum der reinen Vernunft”
28
1.2 Systematische Aspekte
Interkulturelle Aspekte und die Frage nach einem
“Weltethos” (H. Küng)
– Ethnozentrismus und Eurozentrismus
– Islamische Ethik: Glaubensbekenntnis, Gebet,
Abgaben, Fasten, Pilgerfahrt
– Jüdische Ethik: Gotteswille, Gesetz (Dekalog),
Gerechtigkeit
– Hinduistische Ethik (Veden)
– Chinesische Ethik (Konfuzius, Daoismus)
– Buddhistische Ethik (Siddharta, Meditation)
29
1. 2 Systematische Aspekte
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Universal Declaration of Human Rights (UDHR)
– Achtung vor der Menschenwürde (Art. 1)
– Vertraulichkeit (Art. 1, 2, 3, 6)
– (Chancen-)Gleichheit (Art. 2, 7)
– Recht auf Privatheit (Art. 3, 12)
– Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 19)
– Recht auf Beteiligung am kulturellen Leben (Art. 27)
– Schutz der materiellen und geistigen Arbeit (Art. 27)
30
1.2 Systematische Aspekte
Ziele der Ethik:
– Reflexive Aufklärung von Praxis
– Einübung in die kritische Beurteilung von
Praxis und Geltungseinsprüchen
– Reflexive Aufklärung des Handelnden
bezüglich seines Handelns
31
1.2 Systematische Aspekte
Grenzen der Ethik:
–
–
–
–
Die Ethik ist nicht die Praxis, aber ihr Ziel ist die Praxis
Die Ethik macht uns nicht moralisch(er)
Die Ethik ist keine Supermoral
Die Ethik ist keine Fallsammlung (Kasuistik): Rolle des
Fallbeispiels: die Vermittlung von Norm und Situation
veranschaulichen
– Die Ethik gibt uns keine konkreten
Handlungsanweisungen, sondern fordert uns auf, zu
problematisieren und selbst zu entscheiden
32
1.2 Systematische Aspekte
Grundformen ethischer Argumentation oder was
sind “gute Gründe”?
• Moralische Begründungen: Bezugnahme auf ein Faktum,
auf Gefühle, auf mögliche Folgen, auf einen Moralkodex,
auf moralische Kompetenz, auf das Gewissen
• Ethische Begründungen: logische Methode (deontische
Logik), diskursive Methode (Konsensustheorie),
dialektische Methode (Platon), Analogische Methode
(Klugheit, Lebensformen: Aristoteles), transzendentale
Methode (Maximen: Kant), analytische Methode
(begrifliche Zerlegung), hermeneutische Methode
(Auslegung)
33
1.2 Systematische Aspekte
Grundtypen ethischer Theorie:
– Deskriptive Ethik: beschreibt menschliche Praxis als
ein empirisches, geschichtliches Geschehen.
– Normative Ethik: systematische Begründung
moralischer Geltungsansprüche und Normen in bezug
auf ein höchstes Gebot (Moralprinzip) (Theologische
E., utilitaristische E., teleologische E., deontologische
E.).
– Emanzipatorische Ethik (marxistische E.,
feministische Ethik, Philosophie der Befreiung...):
gegen Bevormundung und Diskriminierung.
34
1.2 Systematische Aspekte
– Metaethik: ob und wie sich moralische Urteile
(sprachanalytisch) rechtfertigen lassen:
• Non-Kognitivismus (Hume): der Bereich des Sittlichen ist
keiner wissenschaftlichen Erkenntnis fähig
• Kognitivismus: Prinzipielle Erkennbarkeit des Sittlichen.
Moral als empirische Wiss. Problem: naturalistischer
Fehlschluß oder Sein-Sollen-Fehlschluß (Moore)
• Logizismus (deontische Logik): Analyse der moralischen
Argumentationsmethodik
• Realismus/Antirealismus: Gibt es moralische Tatsachen
unabhängig von unseren moralischen Urteilen?
35
1.2 Systematische Aspekte
Drei Arten sozialkritischer Moralphilosophie
nach Michael Walzer:
– “Pfad der Entdeckung”: Rückgriff auf göttliche
Offenbarung
– “Pfad der Erfindung”: Rückgriff auf die
menschliche Vernunft (Habermas, Rawls)
– “Pfad der Interpetation”: Rückgriff auf die reale
moralische Praxis (Walzer)
Vgl. M. Walzer: Kritik und Gemeinsinn, Berlin 1990
36
1.2 Systematische Aspekte
Ethische Theorien in der aktuellen Diskussion:
Kommunitarismus: betont das Gewicht (kleinere)
Gemeinschaften (engl. communities) mit ihren kulturellen
Besonderheiten (vs. anonyme und pluralistische
Gesellschaften. Autoren: Kommunitarismus: Amitai
Etzioni, Alasdair MacIntyre, Michael Walzer, Charles
Taylor. Herkunft: Aristoteles, Locke, J.S. Mill, Rousseau,
Hegel.
Liberale/libertäre Positionen: Vorrang der Freiheit und
Autonomie der Person gegenüber dem Staat. Autoren:
Friedrich A. von Hayek, John Rawls, Robert Nozick.
37
Herkunft: Locke, Kant, J.S. Mill.
1.2 Systematische Aspekte
Utilitarismus (lat. utilis=nützlich): Das Kriterium
der Sittlichkeit ist die Optimierung des Glückes
(oder...) aller Betroffenen aufgrund einzelner
Handlungen (Handlungs-U.) , von
Handlungsregeln (Regel-U.) oder von Präferenzen
(Präferenz-U.) (-> Konsequentialismus) (vs.
deontologische E.)
Autoren: J.J.C. Smart, J.O. Urmson. Herkunft: J.
Bentham, Th. Hobbes, J.S.Mill
38
1.2 Systematische Aspekte
Deontologische Ethik (gr. to deon=das
Erforderliche): Eine Handlung gilt als sittlich
richtig, wenn sie Maximen folgt, die an sich gut
sind (vs. empirisch-pragmatische oder
utilitaristische Überlegungen) (kategorischer
Imperativ) (vs. utilitarische E.)
Autoren: O. Höffe, R. Wimmer, D. Mieth. Herkunft:
christliche Ethik, Kant
39
1.2 Systematische Aspekte
Diskursethik: strittige soziale und politische
Fragen sollten nach dem Prinzip einer
gewaltfreien, rationalen und allgemein
zustimmungsfähigen Lösung aufgrund eines auf
Konsens hin geführten Diskurses gelöst werden.
Autoren: Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas.
Herkunft: Kant, Ch. S. Peirce
40
1.2 Systematische Aspekte
Angewandte Ethik (Bereichsethiken):
–
–
–
–
–
–
–
Politische Ethik
Rechtsethik
Wirtschaftsethik
Bioethik (Ökologische Ethik, Genethik, Medizinethik)
Technikethik
Wissen(schafts)ethik,
Informationsethik (Medienethik, Netzethik)
Vgl.: J. Nida-Rümelin Hrsg.: Angewande Ethik, Stuttgart 1996
41
2 Informationsethik: Einführung
Informationsethik im weiteren Sinne umfaßt
ethische Fragen:
– in der Informatik (Computerethik)
– in den Massenmedien (Medienethik,
journalistische Ethik)
Informationsethik im engeren Sinne umfaßt
ethische Fragen:
– im Internet (Netzethik, Cyberethik)
42
2 Informationsethik: Einführung
• Informationsethik als deskriptive Theorie:
beschreibt die verschiedenen Strukturen und
Machtverhältnisse, die das Informationsverhalten
in verschiedenen Kulturen und Epochen
bestimmen
• Informationsethik als normative und
emanzipatorische Theorie: befaßt sich mit der
Kritik der Entwicklung moralischen Verhaltens im
Informationsbereich. Sie umfaßt individuelle,
kollektive und menschheitliche Aspekte.
43
2 Informationsethik: Einführung
Informationsethik soll:
– Die Entwicklung moralischen Verhaltens im
Informationsbereich beobachten und bewerten.
– Die Strukturen und Machtverhältnisse, die das
Informationsverhalten bestimmen, analysieren
und bewerten.
– Die neuen Informationsmythen aufdecken und
kritisieren.
44
2 Informationsethik: Einführung
– Verdeckte Widesprüche der herrschenden
theoretischen und praktischen
Sprachregulierung offenlegen.
– Die Entwicklung informationsethischer
Fragestellungen beobachten.
45
2. Informationsethik: Einführung
• Die Grundfrage der Informationsethik
lautet: Wie gestalten wir individuell und
als (Welt-)Gesellschaft unsere Freiheit im
Kontext der digitalen Weltvernetzung?
• Diese Frage betrifft einen formalen (den
„code“) und einen inhaltlichen Aspekt
(„knowledge sharing“). Sie zielt auf eine
Kultur des freien Einschlusses zur digitalen
Kommunikation.
46
2 Informationsethik: Einführung
Hauptthemen der Informationsethik:
- Produktion von Information: Eigentumsrecht
(copyright) (vs. freies Gut)
- Selektion von Information: Recht auf freie
Meinungsäußerung (vs. Zensur)
- Verbreitung von Information: Recht auf Privatheit
und auf freie Meinungsäußerung (vs.
Bevormundung)
Vgl. ICIE: http://icie.zkm.de/research
47
2 Informationsethik: Einführung
Leitende moralische und rechtliche Grundsätze:
-> Grundsatz der “informationellen Selbstbestimmung”
(Schutz personenbezogener Daten)
-> Recht auf informationelles Eigentum
-> Grundsatz der “informationellen Grundversorgung”
(Recht des freien Zugangs zum Netz, als “negatives”
und/oder “positives” Recht, d.h. als gesell. Aufgabe zur
Verhinderung des digital divide)
48
2 Informationsethik: Einführung
• Recht auf freie Meinungsäußerung:
– Art. 5 GG: “Jeder hat das Recht, seine Meinung
in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten. Die
Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film
werden gewährleistet. Eine Zenstur findet nicht
statt.”
49
2 Informationsethik: Einführung
• Recht auf Privatheit:
– Art. 13 Abs. 1 GG: “(1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2)
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im
Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen
Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form
durchgeführt werden. (3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im
übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer
Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes
auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot,
zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze
gefährderter Jugendlicher vorgenommen werden.”
50
2 Informationsethik: Einführung
– Allg. Erklärung der Menschenrechte, Art. 12:
“No one shall be subjected to arbitrary
interference with his privacy, family, home or
correspondence, nor to attacks upon his honour
and reputation. Everyone has the right to the
protection of the law against such interference
or attacks.”
51
2 Informationsethik: Einführung
• Recht auf informationelle Privatheit
• Freie Entscheidung, wer in den privaten
informationellen Raum eintreten darf
• Informierter Konsens (informed consent)
• Einschränkung der Verbreitung und/oder des
Zugangs zu bestimmten Inhalten im Netz?
• Filterung oder Überwachung?
• Wer kontrolliert die Kontrolleure? ->
starke/schwache Rolle des Staates?
52
2 Informationsethik: Einführung
Wie lassen sich das Wohl der Individuen und das der
Gesellschaft im Medium der digitalen
Weltvernetzung fördern?
– auf nationaler Ebene: durch Gesetze sowie
durch demokratisch legitimierte Institutionen
– zwischen den Nationen (und ihren Bürgern):
durch Deklarationen und Verträge, die sich aber
nur schwach durchsetzen lassen.
-> Spannung zwischen Gemeinwohl- und
53
Individualwohl orientierten Ethiken
2 Informationsethik: Einführung
• Orientierungsrahmen:
–
–
–
–
–
Herstellung informationeller Gerechtigkeit
Wahrung informationeller Autonomie
Wahrung informationellen Eigentums
Wahrung des freien Zugangs zum Netz
Wahrung kultureller Vielfalt und
informationeller Selbstbestimmung
– Wahrung des Rechts auf Kommunikation
– ...
54
2 Informationsethik: Einführung
“Informationsethik / Informationskultur
Die Frage nach der Ethik im Zusammenhang mit
Information und Informationsarbeit stellt sich
nicht erst seit der Globalisierung der
Computernetze durch das Internet.
Informationsethik und Informationskultur sollen
ein „Informationsklima“ schaffen, in dem ein
freier Zugang zu und Austausch von Information
jederzeit möglich ist.”
Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss. Uni Saabrücken
55
2 Informationsethik: Einführung
“In der (Informations-)Wirtschaft treten ethische
Fragen z.B. im Zusammenhang mit Informationsund Wissensmanagement auf ( z.B. Mobbing
durch Informationsvorenthaltung). Ein Problem
des Wissensmanagements könnte der gläserne
Mensch sein: was ich weiß, gehört (auch) meiner
Firma; meine Firma weiß, was ich (nicht) weiß.
Ganz allgemein formuliert könnte der ethische
Grundsatz für die Informationswirtschaft lauten:
Das Interesse der Nutzer ist auch das Interesse der
Informationswirtschaft.” Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss.
Uni Saabrücken
56
2 Informationsethik: Einführung
“Informationswirtschaft und Informationskultur”
von Heinz-Dirk Luckhardt in Anschluß an Dieter
Schumacher, ONLINE gmbh
- “Das Hauptziel der Informationswirtschaft ist die
Verbreitung qualitativ hochstehender
Informationsprodukte.
- Den Kern der Informationswirtschaft bilden die
klassischen Informationsproduzenten, die
Informationsanbieter und die
Informationsvermittler.
57
2 Informationsethik: Einführung
- Das Interesse der Nutzer ist auch das Interesse der
Informationswirtschaft.
- Die Nutzer sollen informationell autonom sein:
dazu gehört die bedarfsgerechte, ungehinderte
Versorgung mit reichhaltigen, langlebigen, nicht
manipulierbaren Informationsgütern.
- Einmal produziertes Wissen soll auch (im Idealfall
immer) abrufbar bleiben.”
Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss. Uni Saabrücken
58
2 Informationsethik: Einführung
Daraus ergeben sich für Luckhardt/Schumacher
folgende Thesen:
1. Die Informationskultur wird unter der Überschrift
“Globalisierung” zunehmend rein wirtschaftlichen
und branchenfremden Interessen unterworfen.
2. Die Großkonzerne nutzen die
Informationsbranche zur eigenen
Machtvergrößerung, ohne ein wirkliches Interesse
an Produkt “Information” zu haben.
59
2 Informationsethik: Einführung
3. Branchenfremde instrumentalisieren die
Informationsbranche: sie behaupten, dem
Informationswesen dienen zu wollen, stimulieren
aber nur ihr Wachstum, um IT-Tools,
Netzwerkverbinbungen und PR-Gags zu
verkaufen.
4. Einziges Ziel vieler Websites ist es, Traffic auf
ihren Seiten zu erzeugen. In dem Sinne sind gute
Informationsdienste kein Ziel an sich, sondern
bestenfalls Mittel zum Zweck.
60
2. Informationsethik: Einführung
5. Information Retrieval mit Suchmaschinen
bedeutet einen Rückfall in die frühen 80er Jahre
6. Gravierende Nachteile von Webinformationen
sind: Manipulierbarkeit und ungewisse
Lebensdauer von Webseiten.
7. Zu jeglicher Informationskultur gehört, dass
einmal produzierte Informationen auch abrufbar
bleiben.
61
2. Informationsethik: Einführung
8. Die Regierungsprogramme zur Förderung der
Informationskultur (Fachinformationsprogramme,
seit 1974) sind oft den aktuellen Entwicklungen
hinterhergehinkt.”
Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss. Uni Saabrücken
62
2.1 Historische Aspekte
• Freiheit der Rede (‘parrhesia’) als Grundlage der
griechischen Demokratie (Sokrates, Sophisten,
Kyniker): Orale Kulturen (freedom of speech)
• Freiheit des gedruckten Wortes: Buchkultur,
Reformation, Aufklärung, Zensurfreiheit,
Pressefreiheit (freedom of the press)
• Freiheit des Zugangs zum Internet (freedom of
access)
63
2.1 Hackerethik
Hackerethik: 00. 1998 (webmaster)
“Was sind die ethischen Grundsätze des
Hackens - Motivation und Grenzen
- Der Zugang zu Computern und allem, was
einem zeigen kann, wie diese Welt
funktioniert, sollte unbegrenzt und
vollständig sein.
64
2.1 Hackerethik
- Alle Informationen müssen frei sein
- Mißtraue Autoritäten - fördere
Dezentralisierung
- Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut
und nicht nach üblichen Kriterien wie
Aussehen, Alter, Rasse, Geschlecht oder
gesellschaftlicher Stellung
65
2.1 Hackerethik
- Man kann mit einem Computer Kunst und
Schönheit schaffen.
- Computer können dein Leben zum Besseren
verändern.
- Mülle nicht in den Daten anderer Leute
- Öffentliche Daten nützen, private Daten
schützen.”
66
2.2 Systematische Aspekte
gipfelthemen.de
– Digitale Spaltung: nur eine Frage der Technik?
– Medien & Kompetenz: was heißt Medienkompetenz?
– Inhalte & Vorbilder: Was ist ein guter Inhalt?
– Wissen & Besitz: Wem gehört das Wissen?
– Multi & Kulti: Vielfalt der Kulturen im Netz?
– Beteiligung & Spielregeln: Was ist eGovernment?
– Piraten & Terroristen: Wie gefährlich ist
Cyberkriminalität?
– Daten & Schutz: Wie lassen sich individuelle Rechte
ohne digitale Überwachung schützen?
67
2.2 Systematische Aspekte
• “Charta der Bürgerrechte für eine
nachhaltige Wissensgesellschaft” (Heinrich
Böll Stiftung): www.worldsummit2003.de
• “Die Ausgangsthese ist, dass die
Digitalisierung einen erheblichen
Neuordnungsbedarf im Hinblick auf den
Umgang mit Wissen hervorruft” (Olga
Drossou, Heinrich Böll Stiftung)
68
2.2 Systematische Aspekte
Die ethischen Werte der “Charta”:
1. Wissen ist Erbe und Besitz der Menschheit und
damit frei.
2. Der Zugriff auf Wissen muss frei sein.
3. Die Verringerung der digitalen Spaltung muss als
Politikziel hoher Priorität anerkannt werden.
4. Alle Menschen haben das Recht auf Zugang zu
den Dokumenten öffenlticher und öffentlich
kontrollierter Stellen.
69
2.2 Systematische Aspekte
5. Die ArbeitnehmerInnenrechte müssen auch in der
elektronisch vernetzten Arbeitswelt gewährleistet
und weiterentwickelt werden.
6. Kulturelle Vielfalt ist Bedingung für individuelle
und nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung.
7. Mediale Vielfalt und das Angebot von Information
aus unabhängigen Quellen sind unerlässlich für
den Erhalt einer aufgeklärten Öffentlichkeit.
70
2.2 Systematische Aspekte
8. Offene technische Standards und offene Formen
der technischen Produktion garantieren die freie
Entwicklung der Infrastrukturen und somit eine
selbstbestimmte und freie Kommunikation
9. Das Recht auf Achtung der Privatheit ist ein
Menschenrecht und ist unabdingbar für die freie
und selbstbestimmte Entfaltung von Menschen in
der Wissensgesellschaft.
71
3. Globalisierung: WSIS
www.itu.int/wsis/
– Documents
• Draft Declaration of Principles
72
4. Fallbeispiele aus Telepolis
Telepolis
– Googles Sündenfall (Peter Riedlberger)
– Datamining und Gerüchte-Sammeln gegen den Terror
(Janko Röttgers)
– Wanglian (Weigui Fang): Cyber-Liebe in China
– Du gleichst dem Geist, den du begreifst (Peter V.
Brinkemper)
– Zumindest im Internet soll die Freiheit grenzenlos sein
(Florian Rötzer) Das Datengitter (Mario Sixtus)
Siehe links in der Vorlesungswebsite
73
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