Kennzeichnung gentechnisch veränderter

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DIE ZEITSCHRIFT DES SENATS DER BUNDESFORSCHUNGSANSTALTEN
Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten
2/1998
FORSCHUNGS
Report
ERNÄHRUNG · LANDWIRTSCHAFT · FORSTEN
Schwerpunkt:
Biotechnologie
rund um’s Tier
Kennzeichnung
gentechnisch veränderter
Lebensmittel
Zustand der deutschen
Waldböden
Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten
D E R
F O R S C H U N G S B E R E I C H
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
(BML) unterhält einen Forschungsbereich, um wissenschaftliche Entscheidungshilfen für
die Ernährungs-, Land- und Forstwirtschaftspolitik der Bundesregierung zu erarbeiten und
damit zugleich die Erkenntnisse auf diesen Gebieten zum Nutzen des Gemeinwohls zu
erweitern (Rochusstr. 1, 53123 Bonn, Tel.: 0228/529-0, Fax: 0228/529-4262).
Dieser Forschungsbereich wird von 10 Bundesforschungsanstalten und der Zentralstelle für Agrardokumentation und -information (ZADI) gebildet und hat folgende Aufgaben:
■ Bundesforschungsanstalt für
Landwirtschaft (FAL):
Erhaltung und Pflege natürlicher Ressourcen agrarischer Ökosysteme und
Weiterentwicklung der Nahrungs- und
Rohstoffproduktion unter verstärkter Einbeziehung neuer Wissensgebiete und Forschungsmethoden. Dabei stellen die Analyse, Folgenabschätzung und Bewertung
von zukünftigen Entwicklungen für die
Landwirtschaft und die ländlichen Räume
einen besonderen Schwerpunkt dar (Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, Tel.:
0531/596-1, Fax: 0531/596-814).
■ Biologische Bundesanstalt
für Land- und Forstwirtschaft
(BBA):
Eine selbständige Bundesoberbehörde
und Bundesforschungsanstalt mit im Pflanzenschutz-, Gentechnik- und Bundesseuchengesetz festgelegten Aufgaben. Forschung auf dem Gesamtgebiet des Pflanzen- und Vorratsschutzes; Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln; Eintragung und Prüfung von Pflanzenschutzgeräten; Beteiligung bei der Bewertung
von Umweltchemikalien nach dem Chemikaliengesetz; Mitwirkung bei der Genehmigung zur Freisetzung und zum Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen (Messeweg 11/12, 38104
Braunschweig, Tel.: 0531/299-5, Fax:
0531/299-3000).
■ Bundesanstalt für
Milchforschung (BAfM):
Erarbeitung der Grundlagen für die Erzeugung von Milch, die Herstellung von
Milchprodukten und anderen Lebensmitteln und die ökonomische Bewertung der
Verarbeitungsprozesse sowie den Verzehr
von Lebensmitteln mit dem Ziel einer gesunden Ernährung (Hermann-WeigmannStr. 1, 24103 Kiel, Tel.: 0431/609-1,
Fax: 0431/609-2222).
■ Bundesforschungsanstalt für
Fischerei (BFAFi):
Bearbeitung der Probleme der
Fischwirtschaft von der Produktion bis zur
Verarbeitung unter Berücksichtigung aller
Zweige der Küsten- und Hochseefischerei
und zum Teil auch der Binnenfischerei
(Palmaille 9, 22767 Hamburg, Tel.:
040/38905-0; Fax: 040/38905-200).
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
■ Bundesforschungsanstalt für
Forst- und Holzwirtschaft
(BFH):
Wissenschaftliche Untersuchungen zur
Erhaltung des Waldes und zur Steigerung
seiner Leistung sowie zur Verbesserung
der Nutzung des Rohstoffes Holz und zur
Steigerung der Produktivität in der
Holzwirtschaft (Leuschnerstr. 91, 21031
Hamburg, Tel.: 040/73962-0, Fax:
040/73962-480).
■ Bundesanstalt für Getreide-,
Kartoffel- und Fettforschung
(BAGKF):
Forschungsarbeiten mit der Zielsetzung einer Qualitätsverbesserung von Getreide, Mehl, Brot und anderen Getreideerzeugnissen, von Kartoffeln und deren
Veredlungsprodukten sowie der Lösung
wissenschaftlicher und technologischer
Fragen im Zusammenhang mit Ölsaaten
und -früchten und daraus gewonnenen
Nahrungsfetten
und
-ölen
sowie
Eiweißstoffen (Schützenberg 12, 32756
Detmold, Tel.: 05231/741-0, Fax:
05231/741-1 00).
■ Bundesforschungsanstalt für
Viruskrankheiten der Tiere
(BFAV):
Eine selbständige Bundesoberbehörde
mit im Tierseuchengesetz und Gentechnikgesetz festgelegten Aufgaben. Erforschung und Erarbeitung von Grundlagen
für die Bekämpfung viraler Tierseuchen
(Boddenblick 5a, 17498 Insel Riems,
Tel.: 038351/7-0, Fax: 038351/
7-151).
■ Bundesanstalt für Fleischforschung (BAFF):
Erforschung der Voraussetzungen, unter denen die Versorgung mit qualitativ
hochwertigem Fleisch sowie einwandfreien Fleischerzeugnissen einschließlich
Schlachtfetten und Geflügelerzeugnissen
sichergestellt ist (E.-C.-Baumann-Str. 20,
95326 Kulmbach, Tel.: 09221/803-1,
Fax: 09221/803-244).
■ Bundesforschungsanstalt für
Ernährung (BFE):
Horizontale, das gesamte Gebiet der
Ernährungs-, Lebensmittel- und Haushaltswissenschaften übergreifende Aufgabenstellung (Haid-und-Neu-Str. 9, 76131
Karlsruhe, Tel.: 0721/6625-0, Fax:
0721/ 6625-111).
2
■ Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen
(BAZ):
Erhöhung der biotischen Resistenz und
der Verbesserung der abiotischen Toleranz der Kulturpflanzen sowie Entwicklung
von Zuchtmethoden und Verbesserung der
Produktqualität (Neuer Weg 22/23,
06484 Quedlinburg, Tel.: 03946/47-0,
Fax: 03946/47-255).
■ Zentralstelle für Agrardokumentation
und -information (ZADI):
Aufbau des Deutschen Agrarinformationsnetzes (DAlNet), Online-Angebot nationaler und internationaler Datenbanken,
Forschung und Entwicklung auf den Gebieten Agrardokumentation und Informatik
sowie Koordinierung der Dokumentation
im Fachinformationssystem Ernährung,
Land- und Forstwirtschaft (FIS-ELF) (Villichgasse 17,53177 Bonn, Tel.: 0228/
9548-0, Fax: 0228/9548-149).
● Forschungseinrichtungen der
Blauen Liste:
Darüber hinaus sind sechs Forschungseinrichtungen der Blauen Liste dem Geschäftsbereich des BML zugeordnet: Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) (Lichtenbergstr. 4, 85748
Garching, Tel.: 089/28914170, Fax:
089/28914183); Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung
e. V. (ZALF) (Eberswalder Str. 84, 15374
Müncheberg, Tel.: 033432/82-0, Fax:
033432/82-212); Institut für Agrartechnik Bornim e. V. (ATB) (Max-Eyth-Allee
100, 14469 Potsdam-Bornim, Tel.:
0331/5699-0, Fax: 0331/5699849); Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau Großbeeren/Erfurt e. V. (IGZ)
(Theodor-Echtermeyer-Weg 1, 14979
Großbeeren, Tel.: 033701/78-0, Fax:
033701/55391); Forschungsinstitut für
die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere
(FBN) (Wilhelm-Stahl-Allee 2, 18196
Dummerstorf, Tel.: 038208/68-5, Fax:
038208/686-02); Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO)
(Magdeburger Str. 1, 06112 Halle/S.,
Tel.: 0345/5008-111, Fax: 0345/
5126599).
Die wissenschaftlichen Aktivitäten des
Forschungsbereiches werden durch den
Senat der Bundesforschungsanstalten
koordiniert, dem die Leiter der Bundesforschungsanstalten, der Leiter der ZADI und
sieben zusätzlich aus dem Forschungsbereich
gewählte Wissenschaftler angehören.
Der Senat wird von einem auf zwei Jahre
gewählten Präsidium geleitet, das die Geschäfte des Senats führt und den Forschungsbereich gegenüber anderen wissenschaftlichen Institutionen und dem BML vertritt
(Präsidium des Senats der Bundesforschungsanstalten, c/o BBA, Messeweg 11/12,
38104 Braunschweig, Tel.: 0531/299-5,
Fax: 0531/299-3001).
E D I T O R I A L
I N H A LT
Guten Tag,
2
DER FORSCHUNGSBEREICH
als ich mir neulich abends bei einem Gläschen Wein Gedanken
zum Editorial für diesen ‘biotechnologischen’ ForschungsReport
machte, wurde mir klar, daß ich eigentlich schon mitten im
Thema war. Denn was ist Wein anderes als ein Produkt
biotechnologischer Erzeugung, bei dem die Stoffwechselleistung
von Mikroorganismen, konkret die Vergärung von Zucker durch
Hefen, gezielt ausgenutzt wird? Biotechnologie begleitet uns in
vielen Bereichen unseres Lebens – in ihren Urformen schon seit
Jahrtausenden.
BERICHTE AUS DER FORSCHUNG
Die Möglichkeiten der
Biotechnologie haben sich
allerdings durch die
Fortschritte in der
Molekularbiologie, aber
auch der Verfahrens- und
Computertechnik,
immens erhöht. Nach
Meinung vieler Experten
sehen wir einem
„Jahrhundert der
Biologie” entgegen. Da
neue Technologien auf
gesellschaftliche Akzeptanz
angewiesen sind, kommen sie nicht ohne öffentliche Diskussion
aus. Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein guter Kenntnisstand
über das aktuell Machbare und seine möglichen Auswirkungen.
Wer über den Stand der Forschung und ihre Umsetzung in die
Praxis informiert ist, wird neue Entwicklungen besser beurteilen
können und weniger den Statements und Prognosen
selbsternannter Experten glauben müssen.
Hier ist die Ressortforschung gefragt. Zu ihren wichtigsten
Aufgaben zählt die Unterrichtung und Beratung der politischen
Entscheidungsträger. Daher muß sie gerade auch in heiß
diskutierten Forschungsfeldern präsent sein. Ressortforschung ist
überwiegend angewandte Forschung mit direktem Bezug auf
praktische Erfordernisse und verantwortbare Entscheidungen.
Das läßt keinen Platz für Elfenbeintürme.
Der ForschungsReport greift in seinem Schwerpunkt
„Biotechnologie rund um’s Tier” einige topaktuelle Themen auf,
die im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Dabei geht
es um innovative Verfahren im Bereich der Lebensmittelproduktion ebenso wie um neue Impfstoffe und um
landwirtschaftliche Nutztiere, die in der Biomedizin eine Rolle
spielen können. Biotechnologie – und mit ihr die Gentechnik als
Teilbereich – hat hier viele Türen geöffnet. Was sich hinter den
Türen verbirgt und welche Perspektiven sich auftun, erfahren Sie
auf den folgenden Seiten.
Ihr
Prof. Dr. F. Klingauf
Präsident des Senats der Bundesforschungsanstalten
3
Neue Impfstoffe gegen
Viruskrankheiten bei Tieren
Entwicklungssprung durch die Gentechnologie
4
Tiere als Arzneimittel- und
Organlieferanten
Neue Perspektiven in der Biomedizin
9
In-vitro-Erzeugung von
Rinderembryonen
Ultraschallgeleitete Entnahme von Eizellen
beschleunigt den Zuchterfolg
14
Gesündere Tiere durch
besseres Futter
18
Biotechnologie in
der Käseherstellung
22
Biokonservierung von
Fleischerzeugnissen
Bacteriocinogene Milchsäurebakterien
können Pathogene hemmen
26
Kennzeichnung von gentechnisch
veränderten Lebensmitteln
30
Neuentwicklungen
auf dem Prüfstand
Über die Verzahnung von wissenschaftlichen
Arbeiten und behördlichen Entscheidungen
34
Zustand der
deutschen Waldböden
Auswirkungen anthropogener Einflüsse
38
IMPRESSUM
43
PORTRAIT
Institut für Tierzucht und
Tierverhalten Mariensee
44
Institut für landwirtschaftliche
Kulturen, Groß Lüsewitz
46
NACHRICHTEN
48
TAGUNGEN
50
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
Neue Impfstoffe
gegen
Viruskrankheiten
bei Tieren
Entwicklungssprung durch die
Gentechnologie
V. Kaden, G. M. Keil, N. Osterrieder, H. Schirrmeier
und T. C. Mettenleiter (Insel Riems)
G
egen Infektionskrankheiten, die durch Viren verursacht werden, gibt es keine oder
nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten. Daher ist die Entwicklung von Impfstoffen, die vorbeugend eingesetzt werden, eine der Hauptaufgaben virologischer
Forschung. Die aktive Immunisierung von Tier und Mensch erfolgt entweder mit Impfstoffen aus vermehrungsfähigen Erregern (sog. „Lebendvakzinen”) oder inaktivierten
Erregern („Totvakzinen”). Seit einigen Jahren werden sowohl Lebend- als auch Totvakzinen unter Einsatz gentechnologischer Verfahren hergestellt.
Die gezielte Inaktivierung von Genen, die für die krankmachenden Eigenschaften der Erreger verantwortlich sind, führt zu biologisch sicheren
Lebendvakzinen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Gene anderer
Abb. 1:
Blutungen in
verschiedenen
Organen, hier in
der Lunge und
der Luftröhre,
sind typische
Symptome der
Hämorrhagischen Kaninchenkrankheit.
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
Erreger in das genetische Material
eines Virus einzubauen und so
gleichzeitig gegen mehrere Infektionen zu schützen („Vektorvakzinen”).
Immunogene Proteine von viralen Erregern können auch biotechnologisch in Bakterien oder in Zellkulturen
hergestellt und nach der Reinigung
für eine Impfung verwendet werden
(„Subunit-Vakzinen”). Die neueste Entwicklung beruht auf der Immunisierung mit „nackter” DNA (DNA-Vakzinen).
Gentechnologisch
produzierte
Vakzinen bieten gegenüber konventionell hergestellten Impfstoffen mehrere Vorteile. Durch die gezielte Manipulation ist eine hohe biologische
Sicherheit von Lebendvakzinen gegeben. Zweitens kann ein hoher
gleichbleibender Reinheitsgrad der
Impfstoffe gewährleistet werden. Drittens erlaubt die Gentechnologie die
Schaffung sogenannter „Markerimpf-
4
stoffe” und damit die Möglichkeit,
zwischen geimpften und infizierten
Tieren zu unterscheiden.
Im folgenden wird anhand von
Beispielen auf die Möglichkeiten der
Bekämpfung von viralen Infektionskrankheiten bei Tieren durch gentechnologisch produzierte Impfstoffe
eingegangen.
HÄMORRHAGISCHE
KANINCHENKRANKHEIT
Im Jahr 1984 trat in China bei
Angorakaninchen, die zwei Monate
zuvor aus Deutschland importiert
worden waren, eine hochansteckende Viruserkrankung auf, an der nahezu alle betroffenen Tiere in kurzer
Zeit verendeten. Die Kaninchen hatten massive Leberschäden und Blutungen (= Hämorrhagien) in verschiedenen Organen (Abb.1). Dieses
Krankheitsbild führte zu dem Namen
‘Hämorrhagische Kaninchenkrankheit’ (engl. Rabbit Hemorrhagic Disease, RHD). Die Seuche breitete
sich in der Folgezeit sehr rasch aus
und wurde ein Jahr später auch in
Korea festgestellt.
B I O T E C H N O L O G I E
Beginnend mit dem Jahr 1986
wurde bis 1990 nahezu der gesamte europäische Kontinent erfaßt. Seuchenausbrüche wurden auch aus
Mexiko, Nordafrika und dem Nahen
Osten gemeldet. Der größte Seuchenherd existiert gegenwärtig in
Australien, wo der Erreger im Rahmen eines wissenschaftlich und
ethisch umstrittenen Programms zur
Bekämpfung der Wildkaninchenplage freigesetzt wurde.
In Deutschland wurden erste RHDFälle im 2. Halbjahr 1988 festgestellt. Trotz des Einsatzes von Impfstoffen sind seit 1989 jährlich zwischen 1000 und 2000 Seuchenausbrüche zu verzeichnen.
Die RHD ist ein Beispiel dafür, daß
ständig mit dem plötzlichen Auftreten
neuer Erkrankungen gerechnet werden muß. In diesen Fällen ist es von
besonderer Wichtigkeit, sehr schnell
alle notwendigen Werkzeuge für
Diagnose und Bekämpfung verfügbar zu machen.
Der Erreger der Hämorrhagischen
Kaninchenkrankheit wird den Caliciviren zugeordnet. Die gesamte genetische Information ist in einem einzigen RNA-Strang lokalisiert, der circa
7.500 Nukleotide (Einzelbausteine
der RNA) umfaßt. Die Viruspartikel
bestehen im wesentlichen aus einem
einzigen Protein, dem VP60. Dieses
Protein löst im Tier die Bildung von virusneutralisierenden, das heißt vor einer Erkrankung schützenden Antikörpern aus. Alle Anstrengungen zur Entwicklung eines Impfstoffes zielen also
letztlich darauf ab, im geimpften Tier
Antikörper gegen dieses Protein zu
erzeugen.
Bis heute läßt sich der Erreger
nicht in Zellkultur züchten, so daß alle
eingesetzten Impfstoffe gegen die
Kaninchenseuche aus der Leber experimentell infizierter Tiere gewonnen werden müssen. Dies ist nicht nur
sehr aufwendig, sondern auch aus
Gründen des Tierschutzes längerfristig nicht tolerierbar. Unsere Arbeiten
haben daher das Ziel, auf gentechnischem Wege einen Impfstoff zu entwickeln, der Kaninchen einen wirksamen Schutz verleiht.
Dazu wurde die genetische Information für das VP60 in ein anderes
Virus verbracht, das Kaninchen nicht
befallen kann. Solche Erreger sind
zum Beispiel Insektenviren wie die
Baculoviren. Dieser Virentyp kann
sich in Warmblütern nicht vermehren und erfüllt so bereits
wesentliche Forderungen an die
Biosicherheit. Typisch für diese Viren ist, daß im
Überschuß ein
Protein (Polyhedrin)
gebildet
wird, in das die
reifen Viruspartikel eingeschlossen
werden, wodurch sie mit einer besseren Überlebensfähigkeit in der freien Natur ausgestattet sind. Diese
Überschußproduktion macht man
sich zunutze, indem man DNA-Abschnitte, die für das Polyhedrin kodieren, gegen die des gewünschten
Proteins austauscht. Auf diese Weise
wird anstelle des Polyhedrins zum
Beispiel VP60 produziert.
Zu diesem Zweck haben wir den
für das VP60 kodierenden Genabschnitt in Baculoviren eingefügt. Diese Viren produzieren nun im Rahmen
Abb. 2: Prinzip der Herstellung von Subunit-Vakzinen mit Hilfe von Baculoviren. Die genetische Information für ein schutzerzeugendes Protein wird in
das Erbgut der Baculoviren integriert und das Fremdgen nach Infektion von
Insektenzellen exprimiert. Nach Aufreinigung wird das Protein zur Immunisierung verwandt.
VP 60-Gen
Baculovirus-DNA
rekombinante
Baculovirus-DNA
RHD-Virus
Einschleusen der rekombinanten DNA
in Insektenzellen
Insektenzellen
(Spodoptera frugiperda Sf9)
rekombinantes
Baculovirus
Aufreinigung des
RHD-Virus VP60-Proteins
IMMUNISIERUNG
5
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
In Fermenten
können
neuartige
Impfstoffe mit
Hilfe von
Bakterien
hergestellt
werden
B I O T E C H N O L O G I E
ihres eigenen Vermehrungszyklusses
in kultivierten Insektenzellen das
VP60 in großer Menge (Abb. 2 und
3). Dieses Material wurde dann zur
Impfung von Kaninchen verwendet.
Nach einmaliger Impfung bildeten
die Tiere Antikörper, die sie vor einer
ansonsten tödlich verlaufenden RHDVirus-Infektion schützten. Der Schutz
trat innerhalb von 6-10 Tagen ein
und war mit dem durch herkömmliche Impfstoffe vermittelten vergleichbar (Abb. 4).
Auf diesem Wege ist es gelungen,
eine neuartige Vakzine zu entwickeln, die in Zukunft die Verwendung von Tieren zur Herstellung von
Impfstoffen gegen RHD überflüssig
machen sollte.
SCHWEINEPEST
Die Klassische oder Europäische
Schweinepest (KSP) verursacht hohe
wirtschaftliche Verluste in der Landwirtschaft.
Durch
verschiedene
Bekämpfungsmaßnahmen konnte die
KSP-Verseuchung beim Hausschwein
im europäischen Raum zurückgedrängt werden, wobei lange Zeit ein
höchst wirksamer Lebendimpfstoff
eingesetzt wurde. Mit der Internationalisierung des Marktes war es notwendig, die Schweinepestimpfung
einzustellen, damit lebende Schweine und Fleischprodukte in und aus
der Europäischen Union uneingeschränkt gehandelt werden können
(Hintergrund: Um eine Verbreitung
der Krankheit zu verhindern, dürfen
nur KSP-negative Schweine gehandelt werden, was durch das Fehlen
von Antikörpern gegen KSP definiert
ist. Geimpfte Tiere bilden aber ebenso wie latent infizierte Schweine Antikörper, so daß eine Unterscheidung
nicht möglich ist).
Die Bekämpfung der Schweinepest erfolgt daher zur Zeit durch
Tötung infizierter und ansteckungsverdächtiger Tierbestände einschließlich Quarantäne- und Hygienemaßnahmen sowie intensiver diagnostisch-epidemiologischer Untersuchungen. Die auf der Richtlinie
80/217/EWG
basierende Schweinepest-Verordnung vom
24.10.1994 erlaubt jedoch unter
besonderen Seuchenbedingungen
die Impfung. Impfungen mit einem
konventionellen und daher unmar-
Abb. 4: Antikörperentwicklung nach Verabreichung eines kommerziellen Impfstoffes (Gruppe 2), von VP60 exprimierendem Baculovirus (Gruppe 3) und von mit
Immunstimulantien versetztem Baculovirus (Gruppe 4) an Kaninchen. Gruppe 1:
nicht vakzinierte Kontrolltiere. Die Antikörper wurden in einem ELISA gegen gereinigtes RHD-Virus getestet. Die Menge der gebildeten Antikörper (ablesbar an
der Höhe der optischen Dichte) korreliert mit dem Impfschutz.
Gruppe 1
1,2
Gruppe 2
Gruppe 3
Gruppe 4
Optische Dichte (490 nm)
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
0
4
7
FORSCHUNGSREPORT
13 21 28 35
55
69
Tage nach Vakzinierung
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126
6
Abb. 3: Expression von VP60 des RHDVirus in Insekten-Zellkulturen, die mit
gentechnisch veränderten Baculoviren
infiziert worden sind. Nachweis des
Proteins mittels eines VP60-spezifischen
Antikörpers in der Immunfluoreszenz.
kierten Impfstoff führen allerdings zu
umfangreichen Handelsrestriktionen,
die ebenfalls große wirtschaftliche
Verluste nach sich ziehen.
Schweinepestausbrüche haben in
Deutschland, Belgien und den Niederlanden enorme wirtschaftliche
Schäden verursacht. So kam es
1997 allein in Deutschland zu
44
Ausbrüchen,
bei
denen
39.000 Schweine gekeult werden
mußten; darüber hinaus wurden in
351 Kontaktbetrieben 36.700 Tiere
vorbeugend gekeult. Um hier Abhilfe
zu schaffen wird intensiv an der Entwicklung eines Markerimpfstoffes gegen die Schweinepest gearbeitet. An
einen solchen markierten Impfstoff
sind hinsichtlich seiner Unschädlichkeit und Wirksamkeit hohe Anforderungen zu stellen, wie
1. Schutz gegenüber einer natürlichen Kontaktinfektion;
2. keine Übertragung von Feldvirus
durch geimpfte Schweine auf Kontakttiere;
3. keine Übertragung des Schweinepestvirus von geimpften Sauen
auf die Nachkommen;
4. effektiver Langzeitschutz möglichst
nach einmaliger Impfung;
5. eindeutige Unterscheidung von infizierten und geimpften Tieren;
6. keine Handelsbarrieren für die
geimpften Schweine.
Bei der Entwicklung von Schweinepest-Markervakzinen wurden mehrere Wege beschritten. Schweine bil-
B I O T E C H N O L O G I E
den nach natürlicher Infektion Antikörper gegen verschiedene Virusproteine, vor allem gegen die Strukturproteine Erns und E2 sowie das Protein NS3 (Abb. 5). Besonders die
gegen E2 gerichteten Antikörper
führen zu einem Immunschutz, so
daß dieses Protein in einem Impfstoff
enthalten sein muß. Bisher wurde vor
allem an der Entwicklung von Subunit-Vakzinen sowie rekombinanten
Vektorvakzinen mit Erfolg gearbeitet.
Während der Schweinepest-Markerimpfstoff der ersten Generation, die
Subunit-Vakzine, vor der Zulassung
steht, dürften zur Einführung rekombinanter vermehrungsfähiger Vektorvakzinen noch umfangreiche Untersuchungen erforderlich sein.
Subunit-Vakzine
Bei der Subunit-Vakzine wird das
Gen für das E2-Protein in das Genom eines genetisch veränderten Baculovirus integriert (Abb. 5; in Zusammenarbeit mit der Universität
Gießen). Gereinigtes E2 dient dann
als Totimpfstoff, wobei Antikörper nur
gegen dieses Virusprotein gebildet
werden. Werden zusätzlich Antikörper gegen weitere Proteine des
Schweinepest-Virus gefunden, so
liegt eine Infektion mit Feldvirus vor.
Das Tier muß dann geschlachtet und
unschädlich beseitigt werden. Eine
solche Unterscheidung läßt sich
durch Blutuntersuchungen durchführen. Laboruntersuchungen haben
gezeigt, daß ein derartiger Impfstoff
geeignet ist, nach zweimaliger Impfung eine Schweinepest-Infektion bei
Läuferschweinen und Sauen sowie
eine Feldvirusausscheidung wirksam
zu verhindern. Da es sich bei der
Subunit-Vakzine um einen Totimpfstoff
handelt, der zudem nur auf einem
einzelnen Protein – dem E2 – basiert,
wird der Schutz im Vergleich zur konventionellen Lebendvakzine, bei der
ja sämtliche Proteine des Schweinepestvirus vorliegen, später ausgebildet. Wichtige zellvermittelte Immunmechanismen werden ebenfalls
nicht genügend in Gang gesetzt. Daher dürfte dieser Impfstoff, dessen
Abb. 5: Genom-Organisation des KSP-Virus. Das schutzvermittelnde E2-Glykoprotein wird mittels gentechnisch veränderter Baculoviren exprimiert und
zur Immunisierung der Schweine verwandt. Nach Immunisierung mit E2 werden nur Antikörper gegen dieses Protein gebildet (rot dargestellte Antikörper). Die Immunantwort von infizierten Tieren ist gegen alle Proteine gerichtet, vor allem gegen Erns, E2 und NS2/3 (blau dargestellte Antikörper). Wenn
in Schweinen nur Antikörper gegen E2 nachzuweisen sind, handelt es sich um
geimpfte Tiere, bei Nachweis von Antikörpern sowohl gegen E2 als auch gegen Erns und/oder NS2/3 um infizierte Tiere.
Herstellung auch relativ teuer ist, nur
bedingt für einen Einsatz geeignet
sein. Dennoch stellt er ein wichtiges
Instrument bei der künftigen Beherrschung der Schweinepest dar.
Rekombinante
Vektorvakzinen
Arbeiten zur Entwicklung von Markervakzinen auf der Grundlage von
vermehrungsfähigen Viren als Träger
(Vektoren) KSP-Virus-spezifischer Antigene wurden bisher sowohl in
Deutschland
(BFAV,
Universität
Gießen) als auch im Ausland durchgeführt. Grundlagen hierfür bildeten
genetisch veränderte Viren, wie beispielsweise das Virus der Aujeszky’schen Krankheit, in dessen genetisches Material das Gen für E2 integriert wurde. Vakzinen auf der Basis
vermehrungsfähiger Vektoren haben
entscheidende Vorteile gegenüber
7
Subunit-Vakzinen: Neben der Antikörper-Immunität wird auch die zellvermittelte Immunität stimuliert, was zu einer höheren und früheren Schutzwirkung führt. Gerade letzteres ist zum
Beispiel für Schweinebestände von
Bedeutung, die unmittelbar Kontakt
zum Seuchenbetrieb hatten. Ein weiterer Vorteil einer solchen Vakzine ergibt sich aus der Tatsache, daß nicht
nur effizient gegen Schweinepest immunisiert werden kann, sondern auch
gegen den Erreger, der als Vektor genutzt wird (z. B. Schweinepest und
Aujeszky’sche Krankheit).
ANIMALE HERPESVIREN
ALS MARKER- UND
VEKTORIMPFSTOFFE
Herpesviren sind bedeutende
Krankheitserreger bei Mensch und
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FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
Abb. 6: Prinzip der
DNA-Immunisierung: Das virale
Gen, welches für
ein schutzerzeugendes Protein kodiert, wird
in ein Plasmid
unter Kontrolle
starker Promotoren eingefügt
und in Bakterien
vermehrt. Die
Plasmid-DNA wird
nach Aufreinigung
in Schweine injiziert. Nach der
Impfung kommt es
zu einer Immunreaktion im Tier
gegen das entsprechende Protein.
Tier und verursachen erhebliche ökonomische Verluste in der Nutztierhaltung. Die zur Zeit verfügbaren Impfstoffe für Rinder, Schweine und Geflügel müssen meist mehrmals angewendet werden, um einen sicheren
Schutz vor den jeweiligen Erkrankungen zu gewährleisten. Ein weiterer
Nachteil klassischer Impfstoffe ist,
daß diese im allgemeinen keine Unterscheidung zwischen geimpften
und infizierten Tieren erlauben. Deshalb sind auch hier Markerimpfstoffe
wünschenswert, um Bekämpfungsprogramme effizient durchführen zu
können. Weiterhin werden Herpesvirus-Vektoren entwickelt, die zur Immunisierung gegen mehrere Krankheitserreger verwendet werden können.
In den Labors der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten
der Tiere (BFAV) ist bereits ein solcher
Impfstoff auf der Basis eines Herpesvirus hergestellt worden, der Rinder
gegen zwei verschiedene Viruskrankheiten gleichzeitig schützt. Darüber
hinaus sollen die immunisierenden Eigenschaften der Impfstoffe so erhöht
werden, daß nach einmaliger
Anwendung bereits ausreichender
Schutz vorhanden ist.
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
Derartige kostengünstige Impfstoffe könnten vor allem in Staaten der
Dritten Welt die Durchführung von
Impfprogrammen wesentlich erleichtern.
Die Genome von Herpesviren enthalten eine Vielzahl von Genen (zwischen 60 und 200), von denen fast
die Hälfte für die Virusvermehrung
nicht benötigt wird. Einige von diesen können durch andere Gene ersetzt werden, ohne daß die Virusvermehrung in der Zellkultur und die
schutzvermittelnden Eigenschaften im
Tier wesentlich beeinträchtigt werden
– beides eine Voraussetzung für die
Entwicklung effizienter Vektorimpfstoffe der nächsten Generation.
die zum Teil aufwendige Reinigung
des Antigens. Darüber hinaus werden durch die DNA-Immunisierung
beide Seiten des Immunsystems, die
Antikörper- und die zellvermittelte Immunität, gleichermaßen stimuliert.
Für die DNA-Immunisierung wird
das virale Gen in ein Plasmid (ringförmiges Stück Bakterien-DNA) eingefügt und unter die Kontrolle eines
starken Promotors gebracht, also eines genetischen Elements, das später
für eine hohe Synthese des Proteins in
den Säugetierzellen sorgt. Das Plasmid wird in Bakterienkultur vermehrt.
Wir haben diese Möglichkeit bei der
Immunisierung gegen die Aujeszky’sche Krankheit der Schweine untersucht. Das Prinzip ist in Abbildung 6
dargestellt. Wurde den Versuchstieren die entsprechende Plasmid-DNA
in die Haut injiziert, konnte ein belastbarer Impfschutz gegen eine Infektion mit dem Aujeszky-Virus hervorgerufen werden. Die Wirksamkeit
lag zwischen der einer Tot- und einer
Lebendvakzine.
NEUE CHANCEN
DNA-VAKZINIERUNG
GEGEN DIE AUJESZKY’SCHE
KRANKHEIT
Die dargestellten Beispiele zeigen, wie mit gentechnischen Methoden effektive und sichere Impfstoffe
entwickelt werden können. Den Nutzen haben nicht nur Landwirte, auch
unter dem Blickwinkel des Tierschutzes ergeben sich Vorteile: Spektakuläre Tötungsaktionen wie im Falle der Schweinepest wären vermeidbar, darüber hinaus eröffnen sich
Möglichkeiten, Impfstoffe (z. B. gegen die Hämorrhagische Kaninchenkrankheit) vermehrt in Zellkulturen zu
produzieren, wodurch sich die Verwendung von Labortieren deutlich reduzieren läßt.
■
Bei konventionellen Lebend- und
Totvakzinen wird mit Protein (=Antigen) geimpft. Es ist allerdings auch
möglich, durch direkte Verabreichung eines Gens, das für ein immunogenes Protein kodiert, einen Impfschutz zu erzeugen. Hierbei entfällt
Dr. habil. Volker Kaden, Dr. Günter
M. Keil, PD Dr. Nikolaus Osterrieder,
Dr. Horst Schirrmeier, Prof. Dr. Thomas C. Mettenleiter, Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten
der
Tiere,
Friedrich-LoefflerInstitute, 17498 Insel Riems
8
Tiere als Arzneimittel- und
Organlieferanten
Neue Perspektiven in der Biomedizin
Heiner Niemann (Neustadt-Mariensee)
I
m Jahr 1985 wurde erstmals über die Geburt transgener Nutztiere berichtet. Seitdem hat es auf diesem Gebiet erhebliche
Fortschritte gegeben. Transgene Nutztiere haben allerdings bislang weniger in der Landwirtschaft, als vielmehr in einem
anderen Bereich Bedeutung erlangt: in der Biomedizin. Dies liegt unter anderem daran, daß bisher kaum Gene bekannt
sind, die im engeren Sinne landwirtschaftlich relevante Merkmale ausprägen. Zudem werden tierzüchterisch interessante
Merkmale häufig durch das Zusammenspiel mehrerer Gene beeinflußt. Im folgenden werden die gegenwärtigen methodischen Ansätze zur Erstellung transgener Tiere kurz skizziert und der Entwicklungsstand in zwei biomedizinisch relevanten
Bereichen – der Produktion rekombinanter Proteine durch transgene Nutztiere und der Transplantation von Tierorganen auf
den Menschen – näher erläutert.
ERSTELLUNG
TRANSGENER
TIERE
Aufgrund des langen Generationsintervalls (Tabelle 1) ist die Erstellung transgener Linien bei Nutztieren
ein sehr langwieriges Unternehmen.
Mit dem Gentransfer soll erreicht
werden, ein Genkonstrukt in allen
Körperzellen eines Tieres einschließlich der Keimzellen zu integrieren
und zu exprimieren. Deshalb sind für
den Gentransfer bisher fast ausschließlich frühe embryonale Entwicklungsstadien verwendet worden. Voraussetzung für einen erfolgreichen Gentransfer ist ein funktionsfähiges Genkonstrukt. Dafür muß ein
Strukturgen, also das Gen, das für
ein bestimmtes Protein kodiert, mit
einem geeigneten Regulationselement (Promotor) zusammengebracht
werden. Man ist dabei nicht an Promotor-Elemente der gleichen Tierart
gebunden.
Die Genkonstrukte sind bisher
überwiegend in frisch befruchtete Eizellen (Zygoten) übertragen worden, und zwar zu einem Zeitpunkt,
bei dem die Kerne des Spermiums
und der Eizelle noch nicht miteinander verschmolzen sind, sondern sich
als Vorkerne getrennt in der Zygote
befinden. Das genetische Material
wurde durch Mikroinjektion in einen
der beiden Vorkerne eingebracht.
Die Eizelle hat einen Durchmesser
von rund 150 µm; der männliche
und weibliche Vorkern ist jeweils
etwa 8-10 µm groß. Für die Gen-
9
übertragung wird eine geeignete Injektionsnadel unter mikroskopischer
Kontrolle in einen Vorkern vorgeschoben und die DNA-Lösung mit
Tab. 1: Auswirkungen des Generationsintervalls auf die
Erstellung transgener Tiere
Zeitpunkt nach Mikroinjektion
(in Monaten)
Maus
Schaf
Schwein
Rind
Geschlechtsreife
<2
10
6
14
Geburt Foundertiere
<1
5
4
9
Geburt Nachkommen
Foundertiere
3
20
10
32
Geburt von Homozygoten
5
35
20
55
Nachkommen
von Homozygoten
7,5
50
30
78
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
etwa 3.000 bis 5.000 Kopien des
jeweiligen Genkonstruktes mikroinjiziert (Abb. 1). In der nachfolgenden
Verschmelzung der beiden Vorkerne
wird das mütterliche und väterliche
Erbgut neu kombiniert, so daß auch
das Fremdgen in das Genom des
Wirtes mit eingebaut werden kann.
Die Zygoten befinden sich zu
dem Zeitpunkt, an dem sie für die
Mikroinjektion benötigt werden,
noch im Eileiter und können über einen operativen Eingriff durch Spülung der Eileiter gewonnen werden.
Beim Rind ist dies sehr aufwendig,
deshalb werden dort überwiegend
in vitro erzeugte Embryonalstadien
verwendet. Die mikroinjizierten Eizellen werden dann nach einer kurzzeitigen in-vitro-Kultivierung, bei der
injektionsbedingte Schädigungen
Abb. 2: Schematische Darstellung des Kerntransfers mit
embryonalen Zellen (Oozyte = weibl. Keimzelle)
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
DIE MILCHDRÜSE
ALS BIOREAKTOR
Metaphase II - Oozyte
Metaphase II - Oozyte nach Entfernung der Chromosomen
Spenderembryo mit 16 Blastomeren
Entkernte Empfängeroozyte vor Transfer der Blastomere
Oozyte und Blastomere nach Transfer
Aufnahme der Blastomere im Ooplasma nach Elektrofusion und
Kernschwellung als Zeichen der Reprogrammierung
erkannt werden können, in die Eileiter synchronisierter, das heißt zyklusgleicher Empfängertiere übertragen.
Das gesamte Verfahren ist sehr
aufwendig und nur wenig effizient,
da durchschnittlich nur 1–4 % der
geborenen Nachkommen das
Fremdgen integriert haben und damit als ‘transgen’ bezeichnet werden können. Zudem erfolgt die Integration zufällig in das Wirtsgenom,
FORSCHUNGSREPORT
und die Expression des fremden
Gens kann durch das umgebende
Genom beeinflußt werden. Deshalb
wird intensiv nach effizienteren Alternativen gesucht. Dazu müssen geeignete, in der in-vitro-Kultur handhabbare Zellen oder Zellinien verfügbar sein. Diese scheinen inzwischen bei landwirtschaftlichen Nutztieren in Form von fetalen Fibroblasten (Bindegewebszellen), möglicherweise auch Keimzell-Vorläuferzellen, vorhanden zu sein.
Erste Studien haben ergeben,
daß sich diese Zellen relativ leicht
genetisch verändern lassen und zudem die Integration und Funktionsfähigkeit des Transgens in vitro geprüft werden kann. Der Kern einer
solchen transgenen Zelle wird in
eine Empfänger-Eizelle, deren Chromosomen zuvor entfernt wurden,
eingesetzt (Abb. 2). Auf diese Weise sind kürzlich erstmals transgene
Schafe und Rinder geboren worden.
2/1998
Für zahlreiche pharmazeutisch
wirksame Proteine, insbesondere
Blutgerinnungsfaktoren und andere
Blutproteine, überschreitet der Bedarf bei weitem die heutigen Produktionsmöglichkeiten. Diese Stoffe
werden überwiegend noch durch
Fraktionierung menschlichen Blutes
gewonnen. Trotz sorgfältigster Kontrollen besteht dabei das Risiko der
Übertragung viraler Krankheitserreger, wie Hepatitis B oder HIV. Aufgrund der aufwendigen und teuren
Reinigungsverfahren sind die benötigten Proteine zudem extrem teuer.
Durch den Mangel an diesen Proteinen können Patienten statt der erforderlichen prophylaktischen Behandlung häufig nur sporadisch und therapeutisch behandelt werden, was
erhebliche Beschwerden und Einbußen in der Lebensqualität verursacht.
Mit Hilfe der Gentechnologie
wird weltweit nach alternativen Pro-
10
duktionswegen gesucht. Die Produktion biologisch aktiver pharmazeutischer Proteine mit Hilfe gentechnisch
veränderter Bakterien oder Hefen ist
jedoch meist nicht möglich, da diese Mikroorganismen nicht die Fähigkeit besitzen, die primären Genkonstrukte innerhalb der Zelle korrekt
weiterzuverarbeiten. Proteine sind
nämlich mehr als die bloße Aneinanderreihung von Aminosäuren, die
durch das Gen kodiert werden. Für
die biologische Wirksamkeit komplexer Proteine sind auch bestimmte
Modifikationen, wie Glykosylierung, ß-Hydroxilierungen oder Karboxilierungen, notwendig. Die hierfür
benötigen Enzyme fehlen den Bakterienzellen oder Hefen häufig.
Transgene Nutztiere wie Rind,
Schaf, Ziege, aber auch Schwein
produzieren große Mengen Milchproteine, die leicht durch Melken zu
gewinnen sind. Beispielsweise beträgt die Syntheserate der Milchdrüse für endogene Proteine zum Laktationshöhepunkt etwa 0,1 kg Protein/Tag beim Schaf und 1 kg/Tag
beim Rind. Da diese enorme Syntheseleistung auch eine hohe Fremdgenexpression erwarten läßt, liegt
die Idee nahe, die Milchdrüse als
Bioreaktor zu verwenden. Die Milchdrüsenzellen transgener Nutztiere
sind in der Lage, die erforderlichen
Modifikationen an den Fremdproteinen durchzuführen, die für eine biologische Aktivität erforderlich sind.
B I O T E C H N O L O G I E
Abb. 1: Mikroinjektion in den Vorkern
einer Schafzygote bei 320facher mikroskopischer Vergrößerung.
Allerdings ist der finanzielle Aufwand, um ein exprimierendes Tier zu
erstellen, aufgrund der geringen Effizienz des Gentransfers über Mikroinjektion noch sehr hoch. Da die Genkonstrukte aber nach den Mendel’schen Regeln weitervererbt werden,
stehen nach einem entsprechenden
Zeitraum homozygote, also reinerbige Individuen zur Verfügung. Nachdem eine solche transgene Linie erst
einmal etabliert ist, sind die Haltungskosten für die Tiere gering, auch
im Verhältnis zu anderen Produktionssystemen. Die Proteine müssen aus
der Milch gewonnen, aufgereinigt
und als pharmazeutisch wirksame
Substanzen aufbereitet werden.
Inzwischen sind mehrere Proteine
in der Milchdrüse transgener Tiere
teilweise in beachtlichen Konzentrationen produziert worden (Tabelle 2).
Prominentestes Beispiel ist sicherlich
die Produktion von -Anti-Trypsin in
der Milchdrüse des transgenen Schafes „Tracy” (Abb. 3). -Anti-Trypsin ist
der Hauptgegenspieler des Enzyms
Elastase, das den Abbau während
des kontinuierlichen Ab- und Neuaufbaus des Gewebes steuert. Ein genetisch bedingter Mangel oder vollständiges Fehlen von -Anti-Trypsin
führt zu gesteigertem Gewebeabbau, der besonders in der Lunge manifest wird. Von diesem genetischen
Defekt sind in Europa und Amerika
etwa 100.000 Menschen betroffen.
Die benötigten Mengen an -AntiTrypsin können durch Isolierung aus
menschlichem Blutplasma nicht gewonnen werden.
Bei dem Schaf „Tracy” lag die Expressionshöhe in der Milch bis zu
63 g pro Liter, bei durchschnittlich
35 g pro Liter während der gesamten Laktation. Das aus der Milch aufgereinigte Protein war vollständig
und korrekt glykosiliert und besaß
eine nahezu identische biologische
Aktivität wie das humane -AntiTrypsin-Präparat.
Inzwischen sind neben dem Anti-Trypsin auch der Tissue Plasminogen Activator (TPA), eine Substanz, die hochwirksam Blutgerinnsel aufzulösen vermag, und Antithrombin III, eine gerinnungshem-
mende Substanz, in der Milchdrüse
transgener Schafe und Ziegen produziert und aufgereinigt worden.
Diese drei Substanzen befinden sich
bereits im fortgeschrittenen Stadium
der klinischen Prüfung. Bei deren positiven Ausgang wird damit gerechnet, daß sie im Jahre 2001 bis
2002 auf den Markt kommen. Dies
sind dann die ersten pharmazeutischen Proteine, die aus der Milchdrüse transgener Tiere für therapeutische Zwecke bereitgestellt werden
Tab. 2: Transgene landwirtschaftliche Nutztiere mit milchdrüsenspezifischer Expression pharmazeutischer Proteine
Mikroinjizierte
übertragene Eizellen
Nachkommen
Anzahl/(%)*
Transgene Nachkommen/Exp.*
Expressionshöhe
(pro ml)
Autoren
25 ng
Simons et. al. (1988); Clark et al. (1989)
Tierart
Genkonstrukt
Schaf
-lac-hFIX
Schaf
-lac-hαAT
439
113
(25,7)
5/4
35 mg (bis 63 mg) Wright et al. (1991)
Schaf
-lac-hFVIII-MT-I
277
103
(37,2)
6/3
5 – 10 ng
Niemann et al. (1996, 1997)
Schaf
MAR -lac-hFVIII-MT-I
255
94
(36,9)
4/1
mRNA
Niemann et al. (1996)
Ziege
mWAP-LA-tPA
203
29
(14,3)
2/1
2 – 3 mg
Ebert et al. (1991)
Schwein
mWAP-hPrC
320
26
( 8,2)
7
1 mg
Velander et al. (1992)
Rind
-cas-hLF
129
19
(14,7)
2/1
30 mg
Lee and de Boer (1994);
Krimpenfort et al. (1991)
Rind
-cas-hERY
859
1
( 0,1)
1/0
–
Hyttinen et al. (1994)
307
57
(18,6)
4/2
FIX
= humaner Blutgerinnungsfaktor IX
hPrC
= humanes Protein C
-lac
= ß-Lactoglobulin
hAT
= humanes -Anti-Trypsin
hLF
= humanes Laktoferrin
MAR
= Matrix Attachment Regions
hFVIII
= humaner Blutgerinnungsfaktor VIII
hERY
= humanes Erythropoetin
-cas
= boviner Caseinpromotor
LA-tPA
= Gewebe Plasminogen-Aktivator
MT-I
= Murines Metallothionein I
mWAP
= muriner saurer Molkenproteinpromotor
* Die Angaben sind folgendermaßen zu verstehen: Aus 307 übertragenen Eizellen (im Fall der transgenen Schafe mit β-lac-hFIX-Genkonstrukt) sind 57 Nachkommen (= 18,6 %) hervorgegangen, davon
waren 4 Tiere transgen, von diesen exprimierten 2 das entsprechende Protein.
11
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Die Milchdrüse
als Bioreaktor:
Aus der Milch
transgener
Kühe, Schafe
und Ziegen
sollen pharmazeutisch
wirksame
Proteine
gewonnen
werden.
B I O T E C H N O L O G I E
können. Angesichts dieser äußerst
komplexen und schwierigen Technologie ist die kurze Entwicklungszeit
von annähernd 20 Jahren besonders bemerkenswert. Diese Arbeiten
sind im wesentlichen durch zwei
Biotechnologie-Firmen, Genzyme
Transgenics in den USA und Pharmaceutical Proteins Ltd. (PPL) in
Schottland, durchgeführt worden.
In eigenen Forschungsarbeiten
am FAL-Institut für Tierzucht und Tierverhalten ist in engster Kooperation
mit der Arbeitsgruppe Zellbiologie
des Fraunhofer Instituts in Hannover
der menschliche Blutgerinnungsfaktor VIII in der Milchdrüse transgener
Schafe exprimiert worden. Genetisch bedingter Mangel oder vollständiges Fehlen von Faktor VIII hat
das klinische Bild der Hämophilie A
zur Folge. Dabei handelt es sich um
die am weitesten verbreitete genetisch
bedingte
Blutgerinnungsstörung beim Menschen („Bluterkrankheit”). Zur Behandlung werden
überwiegend Plasmapräparate eingesetzt, die vielfach mit pathogenen
Viren kontaminiert und zudem mengenmäßig völlig unzureichend verfügbar sind.
Das Faktor VIII-Gen ist ein besonders großes und extrem komplex reguliertes Gen, was eine effiziente
Expression in der Milchdrüse transgener Tiere besonders schwierig
macht. In den bisherigen Untersuchungen ist gezeigt worden, daß
Faktor VIII-Foundertiere lebensfähig
sind und die Genkonstrukte von
transgenen Tieren weitervererbt werden, daß das Genkonstrukt in der
Milchdrüse korrekt prozessiert wird
und biologische Wirksamkeit entfaltet. In zukünftigen Forschungsarbeiten soll die Expressionshöhe durch
neuartige Genkonstrukte erhöht werden. Berechnungen haben ergeben, daß bereits 20–25 Schafe den
gesamten Jahresbedarf der USA an
Faktor VIII (ca. 120 g) decken könnten, und zwar unter der Voraussetzung einer Expressionshöhe von
0,01 g/ltr. und einer Ausbeute von
nur 10 % des Proteins.
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
XENOTRANSPLANTATION
Viele Menschen verdanken ihr Leben der Übertragung eines geeigneten Organs. In solchen Fällen existierte keine alternative Behandlungsmöglichkeit, und der Empfänger wäre ohne die Organtransplantation gestorben. Die großen medizinisch-technischen Fortschritte bei
der Organtransplantation, die heute
das Überleben vieler Kranker gewährleisten, haben jedoch weltweit
zu einem akuten Mangel an Spenderorganen geführt. Während die
Nachfrage nach transplantierbaren
Organen jährlich um circa 15 %
steigt, ist die Bereitschaft zur Organspende in etwa gleich geblieben oder sogar gesunken. Schätzungen in den USA haben ergeben,
daß für 45.000 Menschen, jünger
als 65 Jahre, eine Herztransplantation notwendig ist, aber nur
2.000 menschliche Herzen pro Jahr
zur Verfügung stehen. Deshalb sterben heute in jedem Jahr viele tausend Patienten, die bei Verfügbarkeit geeigneter Organe überleben
könnten.
Um diese immer größer werdende Lücke zwischen Nachfrage und
Verfügbarkeit geeigneter Organe
schließen zu können, wird heute die
Xenotransplantation – das heißt
Übertragung von Organen zwischen nichtverwandten Arten, zum
Beispiel von Tieren auf den Menschen – als beste Lösung angesehen. Dabei ist das Schwein offenbar
besonders geeignet, da dessen Organe in etwa die gleiche Größe
und eine ähnliche Physiologie und
Anatomie wie die des Menschen
besitzen. Charakteristisch für das
Schwein sind außerdem kurze Reproduktionszyklen und große Nachkommenzahlen sowie schnelles
Wachstum. Darüber hinaus sind die
Haltungskosten auch unter hygienisch hohem Standard relativ niedrig.
Die wesentliche immunologische
Hürde, die überwunden werden
muß, ist die hyperakute Abstoßung,
12
Abb. 3: Das transgene Schaf „Tracy” mit
Nachkommen im schottischen RoslinInstitut
(Foto: Ges. für Biotechnische Forschung)
die innerhalb von Sekunden bis Minuten nach Übertragung eines Xenotransplantats eintritt. Im Falle der
Übertragung von Organen des
Schweins auf den Menschen reagieren die menschlichen Antikörper
auf Antigene auf der Oberfläche
des Fremdorgans. Diese Antikörper
aktivieren das Komplementsystem,
eines der Hauptabwehrsysteme im
Blut des Empfängers, und die Antikörper-Komplementkomplexe zerstören die Gefäßinnenauskleidung
des Fremdorgans und damit letztlich
das Organ selbst.
Dementsprechend zielt die Strategie, Schweine genetisch zu verändern, im wesentlichen darauf ab,
diese hyperakute Abstoßungsreaktion zu überwinden. Dies kann durch
Synthese humaner Komplementregulatoren im Schwein offenbar erreicht
werden. Nach Transplantation in
den Empfänger würde das Schweineorgan diese Regulatoren produzieren und damit die Komplementattacke des Empfängers ausschalten. Inzwischen sind transgene
Schweine erstellt worden, die humane Komplementregulatoren exprimieren und deren Herzen in Primaten übertragen worden sind. Die
durchschnittliche Überlebensrate betrug 30–60 Tage, während die
B I O T E C H N O L O G I E
nichttransgenen Kontrollen bereits innerhalb weniger Minuten zerstört
wurden. Empfängerprimaten mußten
allerdings
mit
immunsuppressiven Medikamenten behandelt werden, um die akute
Abstoßungsreaktion, die auch bei
der Transplantation menschlicher
Organe auftritt, zu beherrschen.
Eine andere Strategie für eine erfolgreiche Xenotransplantation könnte die Ausschaltung der auf der
Oberfläche der Schweineorgane
befindlichen antigenen Strukturen
betreffen. Diese sind als 1,3ß-GalEpitope bekannt. Da jedoch bei
Nutztieren – anders als bei der
Maus – noch keine effektiven Verfahren zum Knock-out (= Ausschaltung) von Genen bekannt sind, wird
versucht, die Enzyme, die für die Bildung dieser Epitope verantwortlich
sind, kompetetiv durch Überproduktion eines anderen Enzyms zu unterdrücken.
UMSETZUNG
IN DIE PRAXIS
Am weitesten ist die Entwicklung
der Xenotransplantation bisher bei
der Firma Imutran, einer Tochter der
schweizer Firma Novartis, gediehen. Sie besitzt bereits umfangreiche Erfahrungen mit der Übertragung von Herzen aus transgenen
Schweinen in Primaten. Allerdings
sind die beantragten klinischen Tests
zunächst zurückgestellt worden, um
weitere Erkenntnisse zur potentiellen
Übertragung von Krankheitserregern
zu gewinnen.
In den USA werden zur Zeit Experimente durchgeführt, in denen
das Blut von leberkranken Patienten
durch eine außerhalb des Körpers
befindliche Schweineleber geführt
wird. Dies stellt eine Überbrückungsmaßnahme dar, bis ein geeignetes
humanes Organ beschafft werden
kann.
Wesentlich für eine erfolgreiche
Anwendung der Xenotransplantation wird die Klärung der Frage sein,
inwieweit endogene Retroviren vom
Xenotransplantat auf den Menschen
übergehen können. Es wird heute
davon ausgegangen, daß durch
entsprechend hohe hygienische
Standards und prophylaktische Behandlungen das Risiko einer Übertragung anderer Erreger weitgehend ausgeschaltet werden kann.
Daneben wird auch bedeutsam
sein, inwieweit die Fremdorgane im
Empfänger ihre Aufgaben hinreichend erfüllen. In einem größeren
Kooperationsprojekt mit mehreren
Arbeitsgruppen, unter anderem
auch an der Medizinischen Hochschule Hannover, werden in eigenen Forschungsarbeiten transgene
Schweine erstellt, die für Xenotransplantations-Forschungsarbeiten verwendet werden können (Abb. 4). Erste Ergebnisse zeigen, daß die eingesetzten Transgene an die Nachkommen weitergegeben und auch
exprimiert werden.
Prognosen besagen, daß die Xenotransplantation im Verlaufe der
nächsten 8–10 Jahre klinisch einsetzbar sein wird, wobei vor allem
Herz, Lunge und auch Niere verwendet werden können. Bei der Leber erscheint dies hingegen – wesentlich bedingt durch die umfangreiche Syntheseleistung biologisch
wirksamer Substanzen – fraglich.
Mit der Verfügbarkeit geeigneter Xenotransplantate könnten viele der
bedrückenden Probleme, die durch
den Mangel an geeigneten Organen auftreten, gemildert werden.
Dies ist auch angesichts der Tatsache bedeutsam, daß alternative Verfahren, wie künstliche Organe und
Zellinien, offenbar in absehbarer
Zeit nicht zur Verfügung stehen werden.
auf dem landwirtschaftlichen Anwendungssektor für transgene Nutztiere. Es ist davon auszugehen, daß
Produkte bzw. Organe transgener
Tiere innerhalb der nächsten
10 Jahre einen wichtigen Bestandteil neuzeitlicher Therapieformen
ausmachen werden und zu beträchtlichen Verbesserungen in der medizinischen Versorgung bei zahlreichen Patientengruppen beitragen
werden.
Jüngste Forschungsergebnisse, in
denen erstmals transgene Tiere über
die Verwendung transfizierter Zellen
und Kerntransfer erstellt wurden, lassen vermuten, daß die Effizienz des
SCHLUßFOLGERUNGEN
Gentransfers sowohl qualitativ als
auch quantitativ in absehbarer Zukunft erheblich verbessert werden
wird. Dies wird auch die Entwicklung von Anwendungsmodellen für
transgene Nutztiere mit Merkmalen
im engeren landwirtschaftlichen Sinne möglich machen, zumal die
Kenntnisse über Gene und deren
Funktionen auch in diesem Bereich
stark im Zunehmen begriffen sind.
Aufgrund dieser vielversprechenden Perspektiven sollte diese Technologie deshalb intensiv weiterverfolgt und verbessert werden.
■
Transgene Nutztiere bieten beachtliche Perspektiven zur Lösung
dringender Fragen in der Humanmedizin. Die Entwicklung auf diesem Sektor ist erheblich weiter als
Prof. Dr. Dr. habil. Heiner Niemann,
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Institut für Tierzucht
und
Tierverhalten
Mariensee,
31535 Neustadt a. Rbg.
13
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Abb. 4:
Transgene
Schweine im
FAL-Institut in
Mariensee.
Mit den Tieren
werden
Möglichkeiten
der Xenotransplantation
erforscht.
B I O T E C H N O L O G I E
In-vitro-Erzeugung von
Rinderembryonen
Ultraschallgeleitete Entnahme von Eizellen beschleunigt den
Zuchterfolg
Thomas Greising (Dummerstorf)
B
ei Kulturpflanzen sorgen leistungsfähige und angepaßte Sorten für einen hohen Ertrag.
Der Züchtung kommt hier eine Schlüsselstellung zu. Für die Nutztierhaltung liegen die
Dinge ähnlich. Doch während in der Pflanzenzüchtung mit kurzlebigen, in der Regel
einjährigen Arten gearbeitet wird, hat die Züchtung bei Nutztieren mit wesentlich längeren
Generationsintervallen zu kämpfen. Da zudem – gerade bei größeren Nutztieren wie Rindern – die Zahl der Nachkommen relativ gering ist, dauert es lange, bis sich ein Züchtungsziel in der Population stabil ausprägt. Mit biotechnologischen Methoden ist es möglich, sowohl die Generationsintervalle zu verkürzen als auch die Nachkommensrate zu erhöhen.
In der Nutztierzucht hängt die
Zeit, die für eine meßbare Veränderung von Merkmalen in Richtung des
Zuchtzieles benötigt wird, von verschiedenen Faktoren ab. Wichtige
Fragen sind zum Beispiel: Wie stark
unterscheiden sich die Individuen einer Population in Bezug auf das Selektionsmerkmal, in welchem Maße
wird das Merkmal in der nächsten
Generation ausgeprägt und wie lange brauchen die neugeborenen
Merkmalsträger, um selbst wieder
zur Zucht herangezogen zu werden.
Bei langer Tragezeit und geringer
Anzahl von Nachkommen pro Muttertier dauert es entsprechend lange, bis züchterisch auf veränderte
Umweltbedingungen oder neue Ansprüche der Konsumenten reagiert
werden kann.
Leistungsmerkmale innerhalb einer Tierpopulation werden über die
Keimzellen (Spermien und Eizellen)
an die folgende Generation weitergegeben. Sind einzelne Individuen
der Population aufgrund herausragender Leistungen in besonderem
Maße zur Zucht geeignet, führt eine
frühzeitige und verstärkte Nutzung
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
ihres Keimzellpotentials zu einer erhöhten Anzahl von Nachkommen,
die Träger der Erbanlagen für dieses
Leistungsmerkmal sind.
In den letzten Jahren wurden moderne biotechnische Verfahren zur
Kontrolle und Steuerung der Fortpflanzung entwickelt, die den Tierzüchter bei der Zucht gesunder,
fruchtbarer Tiere unterstützen können
und zu einem schnelleren Zuchterfolg verhelfen.
DIE VATERTIERE
In der Rinderzucht ist es durch die
Entwicklung der künstlichen Besamung möglich geworden, die
züchterischen Ressourcen ausgewählter männlicher Tiere besser zu
nutzen. Kontinuierliche Samengewinnung und Tiefgefrierkonservierung verdünnter Ejakulatportionen
erlauben es, das genetische Potential leistungsstarker Bullen in einem
weitaus stärkeren Maße zur Zucht
zu nutzen, als das zuvor durch den
natürlichen Deckakt möglich gewesen ist.
14
SCHWIERIGKEITEN BEI
DER NUTZUNG WEIBLICHER KEIMZELLEN
Problematischer gestaltete sich
die verstärkte Nutzung des Keimzellpotentials weiblicher Hochleistungsrinder. Säugetiere verfügen bei ihrer
Geburt auf den Ovarien (Eierstöcken) über etwa 400.000 Follikel und in diesen Follikeln über je
eine Eizelle. Trotz dieser enorm
großen Zahl ist die Entwicklungsrate
zur befruchtungsfähigen Eizelle
äußerst gering. Bis auf wenige Ausnahmen reift in jedem ovariellen Zyklus beim Rind nur eine einzige Eizelle soweit heran, daß sie befruch-
B I O T E C H N O L O G I E
DER EMBRYOTRANSFER
Umsetzen von tiefgefrierkonservierten
Embryonen aus der Gefriermaschine in
den Container
tet werden kann. Die Anzahl erzeugter Nachkommen pro Kuh ist
daher relativ gering. Oft sind es
nicht mehr als fünf Kälber, die von einem Muttertier geboren werden.
Damit ist die Möglichkeit, die Erbanlagen
weiblicher
Hochleistungsrinder auf konventionelle Weise in der Zucht zu nutzen, sehr beschränkt.
Anfang der 70er Jahre wurde das
Verfahren des Embryotransfers beim
Rind entwickelt.
Die sogenannte Superovulationsbehandlung – ein Teilschritt dieses
Verfahrens – stellt einen wichtigen
Meilenstein bei der verstärkten Nutzung des weiblichen Keimzellpotentials dar. Unter Superovulation versteht man die gezielte Behandlung
von Kühen und Färsen mit Hormonen, die dazu führt, daß auf den
Ovarien dieser Tiere vermehrt Follikel und damit befruchtungsfähige Eizellen heranreifen. Nach der Ovulation (Eisprung) werden durch künstliche Besamung statt einem gleich
mehrere Embryonen erzeugt, die
durch Spülung von Eileiter und Uterus aus dem Spendertier gewonnen
werden können.
Die Embryonen werden in Empfängertiere transferiert und von ihnen
ausgetragen. Pro Behandlung und
Spendertier liegt die Erfolgsrate derzeit bei etwa 5-7 transfertauglichen
Embryonen, von denen sich in der
Regel 2-3 zu Kälbern entwickeln.
Bei wiederholter Nutzung dieses
Verfahrens sind bis zu 100 Nachkommen pro Kuh möglich.
Superovulation und Embryotransfer tragen als Komplex dazu bei, die
Erbanlagen weiblicher Hochleistungstiere in wesentlich stärkerem
Maße in die Gesamtpopulation einzubringen, als es durch ‘klassische’
künstliche Besamung der Tiere möglich wäre.
Abb. 1:
Die ultraschallgeleitete
Follikelaspiration
beim Rind.
A) Die Ultraschallsonde
wird durch den Tierarzt
fixiert und die
Aspirationskanüle
durch einen Helfer
eingeführt.
B) Ultraschallbild
eines Rinder-Ovars.
15
DIE FORSCHUNG
Obwohl Superovulation und Embryotransfer beim Rind mittlerweile
feste Bestandteile der Arbeit von
Zuchtverbänden sind, wird weiter
an ihrer Optimierung gearbeitet.
Beiden Verfahren liegen äußerst
komplexe biologische Mechanismen zugrunde, deren
Charakterisierung ein breites Methodenspektrum erfordert. Die Untersuchungen an lebenden Tieren dienen
dabei als Grundlage für die Erarbeitung von Modellen
zur Simulation physiologischer Vorgänge. Ziel ist es, zelluläre und systemische Regulationsmechanismen genauer
zu untersuchen und
zu entschlüsseln. Die komplexe Nutzung zellphysiologischer, biochemischer und klinischer Methoden trägt
neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auch zur Entwicklung von innovativen biotechnischen
Verfahren bei. Ein Beispiel hierfür ist
die ultraschallkontrollierte Entnahme
von Eizellen aus den Follikeln (Follikelaspiration), die als Grundlage für
die In-vitro-Produktion von Embryonen dient.
DIE TRANSVAGINALE
ULTRASCHALLGELEITETE
FOLLIKELASPIRATION
Superovulation und Embryotransfer waren zunächst die einzigen
Möglichkeiten, das Eizellpotential
weiblicher Hochleistungsrinder in
verstärktem Maße zu Zucht zu nutzen. Nach wie vor war man aber
darauf angewiesen, die Kühe künstlich zu besamen und die Embryonen
durch Spülung von Eileiter und Uterus zu gewinnen. Mit der Entwicklung von In-vitro-Techniken zur Eizell-
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Laden des
Transfergerätes
mit einem
aufgetauten
TG-Embryo
vor der
Übertragung
B I O T E C H N O L O G I E
reifung, Befruchtung und Embryokultur eröffnete sich die Möglichkeit,
Embryonen auch außerhalb des Organismus zu erzeugen.
Das Problem bei der praktischen
Anwendung bestand allerdings darin, daß zur Eizellgewinnung anfangs nur die Ovarien geschlachteter Rinder genutzt werden konnten.
Von lebenden Tieren ließen sich keine frischen unbefruchteten Eizellen
gewinnen. Die sogenannte ultraschallgeleitete Follikelaspiration hat
hier zu einem Durchbruch geführt.
Abb. 2:
Zwei Rinderembryonen im
Stadium der
Blastozyste,
8 Tage nach der
Befruchtung
der Eizellen.
Bei diesem Verfahren werden die
Ovarien des Eizellspenders und
eine transvaginal eingeführte Kanüle
mittels Ultraschallsonde auf einem
Monitor sichtbar gemacht (Abb. 1).
Dadurch kann der Tierarzt das Absaugen von Follikelflüssigkeit und Eizellen auf dem Bildschirm genau
verfolgen. Für die Spendertiere stellt
dieser Eingriff keine starke Belastung
dar, er kann daher in regelmäßigen
Abständen wiederholt werden.
ren auf die Effizienz der Technik. Im
Vordergrund stehen dabei das Alter,
der Zyklusstand und die hormonelle
Behandlung der Tiere. Die gewonnenen Daten geben Auskunft über
die Auswirkungen biologischer Einflußgrößen auf die Anzahl und Qualität der Eizellen. Die Optimierung
technischer Details wie Aspirationsdruck, Ultraschallsonde und Aspirationssystem soll dazu beitragen, die
Methode als neue Biotechnik in
größerem Rahmen als bisher für die
Praxis nutzbar zu machen. Gegenwärtig können in Dummerstorf im
Mittel sechs reifungstaugliche Eizellen pro Spendertier und Aspiration
gewonnen und für die Embryonenproduktion in vitro genutzt werden.
Im Labor werden die gewonnenen Eizellen in Abhängigkeit von
der hormonellen Vorbehandlung der
Tiere, vom Gewinnungszeitpunkt
und vom morphologischen Zustand
der Eizellen gereift. Bei ihrer Befruchtung konnte ein Einfluß des Bullen auf die Befruchtungsrate nachgewiesen werden. Durch verschiedene
Medienzusätze soll die Effizienz der
Embryoproduktion optimiert werden. Derzeit ist es möglich, aus den
gewonnen Eizellen im Durchschnitt
20 % Morulae und Blastozysten – erste Entwicklungsstadien auf dem
Weg zum Embryo – zu erzeugen
(Abb. 2). Nachdem die ultraschall-
UNTERSUCHUNGEN
AM FBN
Seit mehreren Jahren werden im
Forschungsbereich Fortpflanzungsbiologie des Forschungsinstituts für
die Biologie landwirtschaftlicher
Nutztiere (FBN) in Dummerstorf
grundlagenorientierte Forschungsarbeiten zur ultraschallgeleiteten Follikelaspiration durchgeführt. Ein Team
von Wissenschaftlern untersucht derzeit den Einfluß verschiedener Fakto-
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2/1998
16
geleitete Follikelaspiration anfänglich nur bei „Problemtieren” angewandt worden ist, also bei Kühen,
die auf die Superovulationsbehandlung nicht angesprochen haben
oder von denen aus anderen Gründen keine Embryonen gewonnen
werden konnten, stehen mittlerweile
vor allem tragende Tiere bis zum
vierten Trächtigkeitsmonat sowie
Kälber und Jungtiere im Mittelpunkt
des Interesses der Forscher.
NUTZEN FÜR
DIE TIERZUCHT
Besonders vielversprechend im
Hinblick auf eine Beschleunigung
des Zuchtfortschrittes ist die Nutzung
von Tieren noch vor der Geschlechtsreife. Durch die beschriebenen Techniken wird es möglich,
Nachkommen auch von Tieren zu
erzeugen, die aufgrund ihres geringen Alters noch nicht in der konventionellen Zucht verwendet werden
können. Eine frühere Nutzung der
Jungtiere, das heißt eine Verkürzung
des Generationsintervalls, bedeutet
eine erhöhte Anzahl von Nachkommen pro Muttertier und damit eine
größere Einflußnahme ihrerseits auf
den Zuchtfortschritt.
Diese Tatsache gewinnt besondere Bedeutung im Zusammenhang mit
B I O T E C H N O L O G I E
sogenannten MOET-Zuchtprogrammen. Diese Programme sind dadurch gekennzeichnet, daß die
Zucht ausschließlich innerhalb bestimmter kleiner Kernpopulationen
stattfindet. Charakteristisch für diese
Programme ist die Tatsache, daß die
Prüfung des Zuchtfortschrittes nicht
anhand umfangreicher Nachkommengruppen durchgeführt wird, sondern stattdessen Prüfungsergebnisse
von Ahnen, Voll- und Halbgeschwistern herangezogen werden. Ausschlaggebend für die Zuverlässigkeit einer so gefällten Selektionsentscheidung ist die Anzahl und Aussagekraft der Informationen über Eltern
und Geschwistertiere. Zwangsläufig
ergibt sich damit die Forderung
nach einer hohen Anzahl an Nachkommen pro Elternpaar. Die Kombination von ultraschallgeleiteter Follikelaspiration und In-vitro-Techniken
zur Embryoproduktion stellt eine
Möglichkeit dar, dieser Forderung
gerecht zu werden.
RESÜMEE
Wissenschaftliche Erkenntnisse
haben mehr und mehr Eingang in
die moderne Tierzucht gefunden.
Damit ein rascher Wissens- und
Technologietransfer in die Praxis sichergestellt wird, sollten Grundla-
Rinderembryo
30 Tage nach
Befruchtung
(links: Größe
etwa 10 mm)
und 10 Tage
später (unten:
Größe 20 mm)
genforschung und praktische Anwendung nicht voneinander getrennt werden.
Einzelne Methoden und Modelle
fortpflanzungsbiologischer Grundlagenforschung bieten die Möglichkeit, die Prozesse von Keimzellentwicklung und Befruchtung bis hin zur
Wechselwirkung von Embryo und
Muttertier genauer zu durchdringen.
Für die praktische Nutzung dieses
Wissens ist es oft notwendig, verschiedene Techniken innerhalb eines biotechnischen Verfahrens zusammenzufügen.
Die Möglichkeit, durch ultraschallgeleitete Follikelaspiration in regelmäßiger Folge Eizellen vom lebenden Tier zu gewinnen, eröffnet dem
Tierzüchter in Kombination mit den
In-vitro-Techniken der Reifung, Befruchtung und Embryokultur sowie
dem Embryonentransfer neue Perspektiven. Mit Hilfe dieses Methodenkomplexes wird er in die Lage
versetzt, das Generationsintervall zu
verkürzen und das genetische Potential weiblicher Hochleistungstiere
verstärkt für die Zucht zu nutzen.
Alle genannten biotechnischen
Verfahren haben derzeit einen
Stand erreicht, der ihre praktische
Nutzung möglich macht.
Nun kommt es darauf an, den aus
der Praxis erfolgenden Informationsrücklauf in die fortlaufenden Forschungsarbeiten zu integrieren, um
die Systeme weiter zu verbessern.
Wissenschaft und Praxis im Komplex schaffen so die Möglichkeit,
den ökonomischen Anforderungen
in der Landwirtschaft weiter gerecht
zu werden.
■
Dr. Thomas Greising, Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere, Forschungsbereich
Fortpflanzungsbiologie,
WilhelmStahl-Allee 2, 18196 Dummerstorf
17
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
Gesündere Tiere
durch besseres Futter
Christine Idler, Christian Fürll, Thomas Ziegler
und Reiner Brunsch (Potsdam-Bornim)
I
n der modernen Tierhaltung besteht ein großer Teil der eingesetzten Futtermittel aus
Konservaten. Dies trifft nicht nur auf Getreide in der Schweine- und Geflügelproduktion zu, auch in der Rinderhaltung werden überwiegend Konservate – meist in Form
von Silagen und wirtschaftseigenem Getreide – verfüttert. Die Qualität dieses Futters
hängt einerseits von den Nährstoffen, Spurenelementen und Vitaminen ab, andererseits
aber auch von unerwünschten Stoffen wie Verschmutzungen oder Toxinen. Pilzbefall
und damit verbundene Mykotoxine (Gifte von Schimmelpilzen) stellen eine schleichende Gefahr für die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Nutztiere dar. So wurde festgestellt, daß Milchkühe weniger Futter aufnehmen, wenn die Silage Mykotoxine enthält.
In der Schweinezucht sind erhöhte Totgeburtenraten, schlechte Fruchtbarkeit und gestiegene Ferkelverluste als Folge von Mykotoxinen im Mischfutter beobachtet worden.
Um derartiges zu vermeiden, muß die Verfahrenstechnik Voraussetzungen schaffen, die
eine Bildung unerwünschter Pilze in Futterkonservaten verhindern.
KONSERVIERUNG VON
WIRTSCHAFTSGETREIDE
In der Bundesrepublik Deutschland werden regelmäßig 50-85 %
des Getreides in nicht lagerfähigem
Zustand mit Feuchten über 14 % gedroschen. Um dem Verderb vorzubeugen, müssen geeignete Konservierungsmaßnahmen durchgeführt
werden. Solche Verfahren sollten an
die Feuchte des Ernteguts, den Verwendungszweck und die vorhande-
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2/1998
Chemische Konservierung
durch Milchsäure
Zur chemischen Konservierung
werden am häufigsten Propionsäure
oder Mischungen anderer Säuren
eingesetzt. Die Wirkungsweise dieser Konservierungsmittel beruht auf
der Abtötung und/oder Inaktivierung der am Korn anhaftenden Mikroorganismen.
Der Umgang mit Propionsäure ist
aus Gründen des Umwelt- und Arbeitsschutzes nicht ganz unproblematisch. Eine Alternative kann hier
Milchsäure sein. Sie ist als organische Säure weniger aggressiv, besitzt aber vergleichbare konservierende Eigenschaften. Milchsäure
läßt sich nicht nur auf chemischem
18
Wege herstellen, sondern auch biotechnologisch auf der Basis nachwachsender Rohstoffe.
Die Eignung von Milchsäure als
Konservierungsmittel konnte am ATB
in verschiedenen Modellversuchen
an erntefeuchter beziehungsweise
Abb. 1: Einfluß von unterschiedlichen Säuren auf d
melpilzwachstum während der Lagerung von Gerst
nem Feuchtegehalt von 22 %
106
log Zellzahl in KbE/g FM1
ne technische Ausstattung angepaßt
sein, um die Kosten zu senken. Im Institut für Agrartechnik Bornim (ATB)
werden verschiedene Verfahren zur
Konservierung von Futtergetreide untersucht und bewertet. Im folgenden
werden drei unterschiedliche Ansätze für neue Konservierungsverfahren
für Futtergetreide vorgestellt.
105
Schwellenwert
104
103
102
10
0
0
1
1
3
6
Lagerzeit in Monaten
90 % Propionsäure
90 % Mil
ohne Zusatz
KbE/g FM Koloniebildende Einheiten/Gramm Frischmasse
B I O T E C H N O L O G I E
hafte L(+) - Milchsäure zu produzieren.
Es wird vermutet, daß diese Form
der Milchsäure in konserviertem Futter probiotische Wirkungen entfaltet
und sich positiv auf die Gesundheit
der Tiere auswirkt. Dies soll in weiterführenden Arbeiten näher untersucht werden.
as Schimte mit ei-
9
chsäure
wiederbefeuchteter Gerste nachgewiesen werden (vgl. Abb. 1). Aus
der Abbildung wird deutlich, daß
90 %ige Milchsäure in gleicher Aufwandmenge wie Propionsäure die
Zahl der Schimmelpilze unterhalb eines Schwellenwertes von 20.000
koloniebildenden Einheiten pro
Gramm Frischmasse reduzieren
kann. Aufwandmenge und Konzentration müssen allerdings für eine
qualitätserhaltende einjährige Lagerung noch optimiert werden. Mit der
Überprüfung der Ergebnisse in der
Praxis wird in diesem Jahr begonnen. Sollten sich diese günstigen Resultate in der Praxis bestätigen, stünde damit dem Landwirt ein preiswertes Verfahren (ca. 3 DM/dt) zur
Konservierung von Futtergetreide zur
Verfügung.
Bei der biotechnologischen Erzeugung von Milchsäure mit Hilfe
von Bakterien ist es möglich, überwiegend die physiologisch vorteil-
Lagerung unter
Luftabschluß
Eine weitere Möglichkeit ist die
Lagerung von geschrotetem Getreide bis 20 % Feuchtegehalt unter Luftabschluß. Dieses Verfahren erscheint wegen der niedrigen Kosten
(2 DM/dt) und der geringen lagerbedingten Verluste attraktiv. Seit 5
Jahren untersuchen wir diese Form
der Konservierung in verschiedenen
brandenburgischen Praxisbetrieben
bei erntefeuchter Gerste, Tritikale
und bei Roggen.
Die Verfahrensgestaltung gliedert
sich in folgende Prozesse: Annahme
des Getreides, Zerkleinern, Einlagern in Fahrsilos, Verdichten des
Schrotes im Silo und Abdecken des
Silos mit Folie. Die Verfahrensabschnitte „Zerkleinern” und „Verdichten” wurden besonders intensiv bearbeitet.
Auf Grund der Verdauungsphysiologie muß das Getreide für die
Schweinefütterung stärker zerkleinert
werden als für die Rinderfütterung.
Beim Schweinefutter sollten 50 %
der Getreidepartikel kleiner/gleich
1 mm sein, während beim Rinderfutter 4 mm ausreichend sind. Für die
Rinder sollte das Korn also lediglich
gequetscht sein, damit das Korninnere zugänglich wird.
Die Zerkleinerung des Getreides
erfolgt am zweckmäßigsten mit einem Doppelwalzenstuhl (Abb. 2,
S. 20).
Dieses Verfahren ist energetisch
wesentlich günstiger zu bewerten
als das sonst übliche Zerkleinern mit
Hilfe von Hammermühlen. Hohe Lagerungsdichten sind nach der Zerkleinerung eine Grundvoraussetzung für das Gelingen der Konser-
19
vierung. Während bei fein zerkleinertem Getreide durch Überfahren
mit schwerem Gerät Lagerungsdichten bis ca. 1.000 kg/m3 erzielt
werden können, liegen die Dichten
bei grob zerkleinertem Futter zwischen 700 kg/m3 und 850 kg/m3.
Die Untersuchungen am ATB haben
ergeben, daß auch grob zerkleinertes Getreide durch eine anaerobe
Lagerung konserviert wird. Bei allen
Versuchsansätzen konnte qualitätsgerechtes Futter erzeugt werden.
Die Nährstoffverluste waren gering,
ebenso der Besatz an Verderbniserregern. Der Gehalt an Ochratoxin A
– einem verbreiteten Mykotoxin, das
hauptsächlich von Schimmelpilzen
der Gattungen Penicillium und
Aspergillus gebildet wird – lag bei
allen Varianten unterhalb von
3 µg/kg. Dieser Wert wird zur Zeit
als EU-einheitlicher Grenzwert für
Ochratoxin A diskutiert. Der Energiebedarf konnte um 65 % und die
Kosten um 15 DM/t gesenkt werden.
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Gerste 25 %
Feuchtigkeitsgehalt,
4 Wochen nach
Versuchsbeginn:
Mit
Propionsäure
behandelt
(oben),
unbehandelt
(unten)
B I O T E C H N O L O G I E
Solarunterstützte Trocknung
Speziell in der Landwirtschaft bietet sich die solare Lufterwärmung für
Trocknungszwecke an, da Ernteperiode und Hauptenergieangebot der
Sonne im Jahresverlauf zeitlich zusammenfallen. Bei der möglichst
kontinuierlich
durchzuführenden
Satztrocknung von Getreide mit solar erwärmter Luft muß jedoch auch
bei ungünstigen solaren Einstrahlungsverhältnissen – also bei bedecktem Himmel – ein rechtzeitiger
Trocknungsabschluß sichergestellt
sein, um Qualitätseinbußen durch
einsetzende Verderbnisprozesse zu
vermeiden. Im Institut für Agrartechnik Bornim wird daher an einem
Sorptionsspeicher von solarem
Trocknungspotential gearbeitet, der
durch die Nutzung von Getreide als
Speichermedium neue Realisierungsmöglichkeiten für die solar unterstützte Trocknung eröffnet (vgl.
Abb. 3).
Das Prinzip der Sorptionsspeicherung nutzt die latente Wärmeenergie des in der Außenluft enthaltenen
Wasserdampfes. Bei der Entfeuchtung des Speichers – tagsüber mit
solar erwärmter Luft – kühlt sich die
durchströmende Luft infolge der aufzubringenden Desorptionswärme
ab. Bei der Befeuchtung des Speichers hingegen – nachts durch
Außenluft – erwärmt sich die durchströmende Luft durch die freigesetzte
Abb. 3: Mehrfachnutzung von Solardach und Sorptionsspeicher für nachgeschaltete Trocknungsprozesse (schematisch): A = Solardach, B = Sorptionsspeicher, C = Mischkammer, D = Ventilator, E = Getreidetrocknung; F = Heutrocknung, G = Holzhackschnitzeltrocknung, = relative Luftfeuchte
Adsorptionswärme. Im Ergebnis
liegt die relative Feuchte der Speicheraustrittsluft normalerweise immer unterhalb der relativen Feuchte
der (nicht erwärmten) Außenluft.
Simulationsrechnungen zeigen,
daß trocknungsfähige Luft mit einer
relativen Feuchte von 65 % auch bei
extrem ungünstigen Witterungsbedingungen über mehrere Wochen
hinweg Tag und Nacht ohne zusätzliche Lufterwärmung bereitgestellt
werden kann. Getreide als Spei-
Abb. 2: Doppelwalzenstuhl
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
20
chermedium steht im landwirtschaftlichen Betrieb konkurrenzlos preiswert zur Verfügung und besitzt gegenüber technischen Sorbentien,
wie zum Beispiel Silika-Gel, entscheidende
verfahrenstechnische
Vorteile. So verschlechtert Staub die
Sorptionseigenschaften von SilikaGel – aber nicht die von Getreide.
Mykotoxinbildung
infolge
von
Schimmelpilzwachstum im Inneren
des Speichers kann ausgeschlossen
werden, da schädigungsrelevante
Luftzustände praktisch nicht erreicht
werden; das Speichergetreide
bleibt „trocken”, das heißt unterhalb
des bezüglich der Verderbgefährdung kritischen Wassergehaltes.
Diese Art der Trocknung ist nicht
nur für frisch geerntetes Getreide,
sondern auch für Saatgut, Heu oder
Holzhackschnitzel geeignet. Die
Wirtschaftlichkeit des Verfahrens
wird entscheidend von der Mehrfachnutzung der Kollektor-SpeicherEinheit für die nachgeschalteten
Trocknungsprozesse abhängen. Die
vergleichsweise kleine Menge an
Speichergetreide kann nach Abschluß der Trocknungsperiode als
Viehfutter verwendet werden.
keit der Rohnährstoffe. Seit zwei Jahren wird diese Bakterienkombination erfolgreich zur Gras-Silierung unter Praxisbedingungen eingesetzt. In
diesem Jahr sind auf diese Weise
15.000 Tonnen Welsches Weidelgras (Lolium multiflorum) in der
Agrargenossenschaft in Niederschöna einsiliert worden. Zur Zeit
wird an einem Verfahren gearbeitet,
mit dem der Landwirt auf seinem Hof
diese Stämme selbst vermehren und
somit erhebliche Siliermittelkosten
Abb. 4: Einfluß unterschiedlicher Bakteriengemische auf das Gärsäurespektrum von Gras-Silagen nach 90tägiger Fermentation
80
Gehalt in g/kg TS
pH-Werte
■ 4,14
■ 3,57
■ 3,64
70
60
50
KONSERVIERUNG
VON HALMFUTTER
Grünfutter kann auf verschiedenem Wege haltbar gemacht werden: Neben der Bereitung von Heu
ist die Silierung das wichtigste Konservierungsverfahren. Bei der Silierung von Grünfutter treten insbesondere bei schwer vergärbaren Futterstoffen wie Gräsern und Leguminosen sowie bei ungünstigen Witterungsbedingungen immer wieder
Fehlgärungen auf. Diese können zu
erheblichen Qualitätsverlusten und
zur Beeinträchtigung der Tiergesundheit führen. Viele Faktoren, die
die Silierung beeinflussen, zum Beispiel die Anzahl der Milchsäurebakterien im Gärgut oder die Konzentration an fermentierbaren Kohlenhydraten, sind zu Beginn des Prozesses meist nicht optimal vorhanden.
Durch Zusatz von Siliermitteln kann
der Silierprozeß sichergestellt werden.
Neben chemischen Siliermitteln
werden aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Verträglichkeit in
der Tierernährung verstärkt Milchsäurebakterien als Silage-Impfkulturen verwendet. Eine Vielzahl solcher
Impfpräparate ist bereits auf dem
40
30
20
10
0
Ammoniak
Alkohol
Milchsäure
Essigsäure
Buttersäure
■ ohne Zusatz
■ Bakteriengemisch: Lactobacillus casei, Lactobacillus rhamnosus
■ Bakteriengemisch: Lactobacillus casei, Lactobacillus delbrückii, Enterococcus faecium
Markt. Doch auch bei ihrer Verwendung bleibt der Siliererfolg zuweilen
aus. Ursache für die Unwirksamkeit
einiger Präparate sind häufig ungeeignete Milchsäurebakterienstämme. Die Suche nach wirksamen
Impfkulturen bleibt daher trotz der
Vielfalt der angebotenen Präparate
eine wichtige Aufgabe.
Im Institut für Agrartechnik wurden
über viele Jahre Milchsäurebakterien
isoliert und auf ihre Siliereignung zur
Konservierung von Gras untersucht.
Aus einem Pool von 250 Stämmen
hat sich ein Gemisch aus den Stämmen Lactobacillus casei und Lactobacillus rhamnosus ausgezeichnet.
Es beeinflußt das Gärsäurespektrum
positiv (hoher Gehalt an Milchsäure
und geringe Mengen an Buttersäure
und Ammoniak, vgl. Abb. 4) und
führt zu einer besseren Verdaulich-
21
einsparen kann. Die gegenwärtigen
Kosten von ca. 4 DM pro Tonne Siliergut könnten sich auf 1-2 DM reduzieren. Im nächsten Jahr wird eine
Pilotanlage dazu in der Agrargenossenschaft in Niederschöna errichtet
werden.
Alle dargestellten Verfahren zielen auf die Erzeugung von lagerfähigen, qualitativ hochwertigen Futtermitteln. Nährstoffreiches, mykotoxinfreies Futter ist die Voraussetzung für
eine optimale Ernährung der Nutztiere und die Erhaltung ihrer Gesundheit sowie für die Erzeugung unbelasteter Lebensmittel.
■
Dr. Christine Idler, Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Fürll, Dipl.-Ing. Thomas
Ziegler, Dr. Reiner Brunsch, Institut für
Agrartechnik Bornim e.V., Max-EythAllee 100, 14469 Potsdam-Bornim
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FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
Biotechnologie in
der Käseherstellung
Klaus Pabst, Arnold Geis und Wilhelm Bockelmann (Kiel)
M
ilch ist nicht gleich Milch: Über den Weg der Tierzucht lassen sich Kühe selektieren, deren Milch bestimmte Ansprüche hinsichtlich der Inhaltsstoffe erfüllt. Beispielsweise ist es möglich, die Zusammensetzung des Eiweißes zu beeinflussen,
was die Ausbeute in der Käserei verbessern kann und zu mehr Milchgeld für die Landwirte führt. In die Verarbeitungsprozesse der Milch haben moderne biotechnologische
Verfahren Einzug gehalten. So dürfen Käsereien gentechnisch hergestelltes Lab-Enzym
zum Dicklegen der Milch einsetzen. Sie müssen dies nicht deklarieren, weil es identisch
ist mit dem traditionell verwendeten Kälber-Lab. Ein wichtiger Prozeß der Käseherstellung ist die Reifung, die dem Käse seinen typischen Charakter gibt. Die dabei ablaufenden komplexen Vorgänge beginnt man zu verstehen. Im Rahmen von EU-Forschungsprogrammen werden erste Versuche unternommen, den Reifungsvorgang mit Hilfe bestimmter Starterkulturen zu optimieren.
BEDEUTUNG VON
MILCHPROTEINVARIANTEN
Milcheiweiß ist kein einheitlicher
Stoff, sondern aus verschiedenen
Casein- und Molkenproteinfraktionen zusammengesetzt. In der Milch
liegen die Caseine in Micellen
(Abb. 1) vor, die durch -Casein stabilisiert werden. Die Molkenproteine sind in Lösung.
Jedes Protein wird nach der Vorgabe von 2 Allelen gebildet (gleichsinnige Gene auf homologen Chromosomen), die entsprechend des
väterlichen und mütterlichen Erbguts
verschieden sein können. Das kann
zu unterschiedlichen Aminosäuremustern führen (Milchproteinvarianten). Zwischen den einzelnen Rinderrassen gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit bestimmter Formen. Positiv wirksame
Allele sind relativ selten. Durch die
Auswahl der Zuchttiere kann ihre
Zahl jedoch angehoben werden.
Im Zusammenhang mit der Herstellung von Käse ist das -Casein
von großem Interesse, weil es auf
die Gerinnungseigenschaften der
FORSCHUNGSREPORT
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Abb. 1: Modell für den Aufbau einer
Casein-Micelle in der Milch.
Milch wirkt. Kühe mit dem Genotyp
BB haben kleinere und gleichmäßiger verteilte Micellen als solche mit
dem Genotyp AA. Mischerbige (heterozygote) Tiere mit dem Genotyp
AB stehen zwischen den Extremen.
Fügt man den verschiedenen Milchtypen das Gerinnungsenzym Lab
(Chymosin) zu, so gerinnt BB-Milch
schneller, weil die Gesamtoberfläche der Micellen und damit die
Reaktionsfläche größer ist. Dadurch
entsteht relativ rasch ein dichtes
Netzwerk (Gallerte), in dem mehr
Casein gebunden werden kann.
DER PRAKTISCHE BEZUG
Versuche der Bundesanstalt für
Milchforschung (BAfM) – zunächst
im kleinen Maßstab mit Milch von
Kühen aus der Versuchsstation
Schaedtbek durchgeführt – deuteten
auf eine höhere Käseausbeute bei
der BB-Milch hin. Erkenntnisse dieser Art können für die Käsereipraxis
von großer Bedeutung sein. Daher
wurden Versuche im Praxismaßstab
geplant, für die die Unterstützung
22
von Landwirten und Molkereien notwendig war.
Zunächst wurde von 2.868
Kühen aus 50 landwirtschaftlichen
Betrieben der Genotyp festgestellt.
153 Kühe mit dem -Caseingenotyp BB wurden extra gemolken (BBMilch). Die Milch von 542 Kühen
diente als Kontrolle. Die Abend- und
Morgengemelke wurden getrennt
mit einem Tanksammelwagen eingesammelt. Die Adelbyer Nordfrieslandmilch eG unterstützte diesen
Teil. Eine Feinkäserei in Sarzbüttel
B I O T E C H N O L O G I E
Natürlich hat man sich gefragt,
ob die Tatsache, daß BB-Milch gebende Tiere relativ selten vorkommen, durch Mängel bei anderen
Merkmalen begründet ist, insbesondere bei der Gesundheit. Jedoch haben alle bisherigen Untersuchungen
ergeben, daß negative Zusammenhänge nicht vorliegen. Solche Untersuchungen sind nicht nur auf das eigene, der BAfM zur Verfügung stehende Material beschränkt, dieser
Frage ist auch international nachgegangen worden. Nach dieser wichtigen Antwort besteht die Möglichkeit, Tiere mit geeignetem Genotyp
gezielt anzupaaren.
EFFEKTIVERE ZÜCHTUNG
DURCH BIOTECHNOLOGIE
(Dithmarschen) verarbeitete die
Milch zu Tilsiter Käse.
Die Milch wurde von Angler
Kühen (Abb. 2) in Schleswig-Holstein gesammelt, weil etwa 12 %
der Kühe den erwünschten Genotyp
BB für das -Casein haben, wohingegen bei Schwarzbunten nur 2 %
vorkommen.
Aus der BB-Milch ließ sich 4,6 %
mehr Käse gewinnen als aus der
Kontrollmilch; die Rohstoffkosten wa-
ren um 0,01 DM/kg Milch niedriger. Bei gleichen Produktionskosten
und gegebenem Käsepreis standen
damit rund 0,04 DM/kg Milch für
eine höhere Milchgeldauszahlung
und zur Begleichung möglicher
Züchtungskosten zur Verfügung.
Es zeigte sich auch, daß BB-Milch
eine höhere Hitzestabilität hat. Dies
könnte sich positiv auf die Qualität
erhitzter Produkte wie Milchpulver
und H-Milch auswirken.
23
Die Genotypisierung der Rinder
kann anhand von Milchproben erfolgen, deren Proteine durch isoelektrische Fokussierung aufgetrennt und
nach Anfärbung ausgewertet werden. In einer Probe können alle Caseine und Molkenproteine gleichzeitig bestimmt werden. Mit molekularbiologischen Techniken kann altersund geschlechtsunabhängig auch
an Haar-, Sperma- oder Blutproben
eine direkte Analyse der DNA vorgenommen und so genotypisiert
werden. Die Untersuchungskosten
liegen deutlich unter 100 DM pro
Tier. Natürlich können Tiere mit günstigem Genotyp nur für den Einsatz
empfohlen werden, wenn die Zuchtwerte für Leistung, Fruchtbarkeit und
Gesundheit möglichst positiv sind.
Gerade in Fällen, wo Rinder mit
erwünschten Proteinvarianten in der
Milch selten sind, greifen moderne
Methoden der Fortpflanzungsbiologie: Bekannte Merkmalsträger aus
verschiedenen Gegenden der Welt
können unabhängig vom Standort
durch tiefgefrorenes Sperma angepaart werden. Mit Hilfe der Superovulation (vgl. Beitrag auf Seite 14)
läßt sich die Anzahl der Embryonen
und damit die Nachkommenzahl
steigern.
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
Was ist für die Zukunft denkbar?
Entscheidend wird sein, in welchem
Maße Genwirkungen aufgeklärt
und genutzt werden können. Zum
Beispiel könnte die Menge eines bestimmten Proteins in der Milch durch
das Einbringen von Mehrfachkopien des zugehörigen Gens gesteigert
werden. Eine solche Steigerung
ließe sich auch mit Hilfe eines geeigneten Promotors erreichen, also
einer DNA-Sequenz, die die Aktivität eines Gens erhöhen kann.
In den letzten Jahrzehnten führten
weltweit steigende Käseproduktion
und rückläufige Kälberschlachtungen zu einem Chymosinmangel.
Dieser Mangel konnte zum Teil
durch den Einsatz mikrobieller milchgerinnender Enzyme ausgeglichen
werden, deren Eignung zur Käseherstellung hinsichtlich Ausbeute und
Geschmack jedoch deutlich hinter
der von Kälberlab zurückblieb.
Anfang der 80er Jahre wurde das
Gen für Chymosin sequenziert, also
Abb. 2: Bei Angler Kühen finden sich relativ häufig Tiere, deren Milch kleine Casein-Micellen und gute Gerinnungseigenschaften aufweist (Foto: I. Rossen)
CHYMOSINPRODUKTION
DURCH
MIKROORGANISMEN
Die für die Käseherstellung
benötigten Enzyme zur Milchgerinnung (Lab-Enzym) wurden seit Menschengedenken aus Mägen von säugenden Kälbern gewonnen. Der
wässrige Extrakt aus diesen Mägen
enthält im wesentlichen Chymosin,
ein proteolytisches (eiweißspaltendes) Enzym, welches das -Casein
der Milch in spezifischer Weise hydrolysiert, was zur Dicklegung der
Milch führt. Neben dieser Hauptkomponente enthält Kälberlab weitere eiweißspaltende Enzyme (z. B. Pepsine) in geringeren Konzentrationen.
FORSCHUNGSREPORT
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die für die Bildung des Enzyms zugrundeliegende genetische Information entschlüsselt. Mit Methoden der
modernen Gentechnologie gelang
es mehreren Arbeitsgruppen, dieses
Gen in Mikroorganismen einzuführen und diese zur Bildung des Enzyms zu veranlassen.
Das Verfahren ist folgendermaßen
(Abb. 3): Die chromosomale DNASequenz des Gens wird in eine Boten-(messenger) RNA (mRNA) übersetzt und diese Nukleinsäure anschließend mit Hilfe des Enzyms ‘Reverse Transcriptase’ in die komplementäre DNA (cDNA) umgeschrieben. Diese DNA enthält die genetische Information für eine Vorform
des Chymosins, das sogenannte
24
Pro-Chymosin. Die cDNA wird im
nächsten Schritt enzymatisch mit einem speziellen Träger-DNA-Molekül
(Plasmidvektor) verbunden (kloniert).
Für diesen Zweck sind eine Vielzahl
von Vektoren verfügbar. Um eine effiziente Synthese von Pro-Chymosin
zu gewährleisten, muß das Gen mit
geeigneten genetischen Kontrollsequenzen (Promotoren) versehen werden. Spezielle – induzierbare – Promotoren erlauben sogar ein gezieltes Ein- und Ausschalten der Enzymsynthese.
Die bei der Klonierung erhaltenen
DNA-Moleküle werden in einen geeigneten Mikroorganismus eingeführt. Für die Produktion von Chymosin werden heute Bakterien (E. coli),
Hefen (Klyveromyces lactis) und
Schimmelpilze (Aspergillus niger)
verwendet.
Je nach Mikroorganismus und Art
des Genkonstruktes wird das gebildete Pro-Chymosin entweder aus
den Mikroorganismenzellen oder
aus dem Fermentationsmedium isoliert und anschließend mit herkömmlichen biochemischen Methoden
gereinigt. In E. coli werden circa
300.000 Moleküle des Enzyms pro
Zelle gebildet, die sich zu unlöslichen Partikeln (inclusion bodies) zusammenlagern. Diese lassen sich
nach Aufbrechen der Bakterienzellen leicht isolieren. Um aktives Enzym zu erhalten, müssen diese Partikel aufgelöst und das freigesetzte
Enzym renaturiert werden. Anschließend läßt sich das Pro-Chymosin bei niedrigem pH-Wert in aktives
Chymosin überführen.
Das durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen produzierte (rekombinante) Chymosin wurde vor
seiner Zulassung intensiven biochemischen, immunologischen und
toxikologischen Prüfungen unterzogen.
Dabei ergaben sich folgende Befunde: Chymosin aus Kälberlab und
rekombinantes Chymosin sind identisch bezüglich der molekularen
Masse der Proteine und deren physikochemischen und immunologi-
B I O T E C H N O L O G I E
Abb. 3: Biosynthese des Milchgerinnungsenzyms Chymosin. Links der natürliche Weg im Kälbermagen, rechts in Mikroorganismen, in die die Erbsubstanz
für die Enzymbildung überführt wurde
schen Eigenschaften sowie der enzymatischen Spezifität. Mikrobiell
erzeugte Chymosinpräparate wiesen keine enzymatischen Fremdaktivitäten auf, enthielten keine Produktionskeime oder rekombinante DNA.
In Tierversuchen konnten keinerlei toxische Substanzen nachgewiesen
werden. Bei Käsereiversuchen traten bei der Herstellung verschiedener Käsetypen keine relevanten Unterschiede bezüglich Ausbeute, Textur, Geruch, Geschmack und Reifung der Käse auf.
Rekombinantes Chymosin ist daher seit einigen Jahren in vielen Ländern für den Einsatz in der Käseherstellung zugelassen.
Aufgrund der zahlreichen Vorteile
dieser Produktionsweise, wie Unabhängigkeit von Rohstoffmärkten,
hohe hygienische und technologische Produkt- und Herstellungssicherheit, umweltschonende Herstellungsweise sowie die für einige wichtige
Märkte bedeutende Koscher- und
Vegetarierakzeptanz, ist es nicht verwunderlich, daß in den USA etwa
90 % und in Großbritannien mehr
als 80 % der Käse bereits mit mikrobiell gewonnenem Chymosin hergestellt werden.
GENTECHNIK IN DER
KÄSEHERSTELLUNG
Bei der Produktion der meisten
Käse ist die Reifung ein kostenintensiver, arbeits- und zeitaufwendiger
Vorgang. Die Optimierung dieses
Prozesses, insbesondere seine Beschleunigung, ist daher seit Jahren
Ziel vielfacher Forschungsbemühungen. Neben physikalischen und
chemischen Reaktionen ist besonders die partielle Spaltung von
Milchproteinen ein wesentlicher Vorgang bei der Reifung. Die Proteolyse durch milcheigene Enzyme und
durch die Enzymsysteme der Startermikroorganismen ist ein hochkomplexer Vorgang, der erst in den letzten Jahren, insbesondere durch multinationale Forschungsarbeiten im
Rahmen mehrerer EU-Forschungsprogramme, besser verstanden
wird.
Zur Aufklärung der grundlegenden Mechanismen wurden verschiedene proteolytische Enzyme aus
Starterbakterien identifiziert, gereinigt und charakterisiert. Mit Hilfe
moderner
molekularbiologischer
Techniken konnten die entsprechenden Gene gefunden und entschlüs-
25
selt werden. Mit diesen Kenntnissen
wurden Starterbakterien, insbesondere solche der Gattung Lactococcus, gezielt in ihren proteolytischen
Aktivitäten verändert. Einige dieser
Mutanten, die die niederländische
Universität Groningen zur Verfügung
stellte, wurden an der Bundesanstalt
für Milchforschung für die Herstellung von Versuchskäsen eingesetzt.
In einem ersten Schritt, der die
Grundlagen für eine Optimierung
der Käsereifung liefern soll, wurde
versucht, Aromaeigenschaften sensorisch und biochemisch nachzuweisen und mit der An- bzw. Abwesenheit spezifischer Enzyme (Peptidasen) zu korrelieren.
Da es sich bei den eingesetzten
Mutanten der Starterbakterien um
gentechnisch veränderte Mikroorganismen handelt, mußten gemäß
Gentechnikgesetz bestimmte räumliche Voraussetzungen geschaffen
werden. Mit dem Bau eines S1-Labors, in dem Käsereiversuche durchgeführt werden können, wurden diese gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Die
Ergebnisse aus den ersten beiden
Versuchskäseproduktionen mit fünf
verschiedenen, in ihren PeptidaseAktivitäten veränderten LactococcusMutanten werden Ende 1998 vorgestellt.
■
Dr. K. Pabst, Institut für Chemie und
Physik; PD Dr. A. Geis, Dr. W.
Bockelmann, Institut für Mikrobiologie; Bundesanstalt für Milchforschung, Postfach 6069, 24121 Kiel
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
B I O T E C H N O L O G I E
Biokonservierung von
Fleischerzeugnissen
Bacteriocinogene Milchsäurebakterien können
Pathogene hemmen
Lothar Kröckel (Kulmbach)
F
leisch verdirbt schnell. Wenn keine spezifischen Maßnahmen zur Verlängerung der
Haltbarkeit und zur Kontrolle pathogener Mikroorganismen ergriffen werden, kann
es rasch zu einem Gesundheitsrisiko für den Verbraucher werden. Eine verbesserte
Lagerstabilität von Fleischerzeugnissen erreicht man häufig durch eine Kombination unterschiedlicher Konservierungsverfahren. Produkte, die ausreichend durch Trocknung,
Salz und Säure stabilisiert sind, etwa langgereifte Rohwürste, können auch ohne Kühlung oder Erhitzung längere Zeit aufbewahrt werden. Erhitzte Fleischerzeugnisse verderben während der Kühllagerung weniger schnell, wenn sie zusätzlich durch Salze oder
Genußsäuren stabilisiert sind. Die gezielte Kombination solcher Verfahren in der Produktentwicklung ist als „Hürdentechnologie” bekannt geworden.
Typische „Hürden” oder „Barrieren” sind niedrige pH- und aw-Werte
(erhöhter Säuregrad und weniger mikrobiell verfügbares Wasser). Unter
diesen Bedingungen können viele
Verderbniserreger nicht wachsen. Mikrobiologisch gefährdet sind vor allem Erzeugnisse, die nur wenige Barrieren
enthalten.
So
können
zum Beispiel Kochschinken- und
Brühwurstaufschnitt in Vakuumverpackung (Abb. 1) trotz Pasteurisierung und Kühlung leicht verderben,
da ihre pH- und aw-Hürden mit pH
6,2 und aw 0,98 nur wenig ausgeprägt sind. Obwohl sich fast alle
Nahrungsmittel heute leicht durch chemische Zusatzstoffe oder eine ausreichende physikalische Behandlung mikrobiologisch stabilisieren lassen,
steigt die Nachfrage nach „gesünderen”, das heißt naturbelassenen, chemiefreien, salz- und fettarmen Nahrungsmitteln mit geringer Verarbeitungstiefe. Solche Erzeugnisse sind jedoch mikrobiologisch hochgradig instabil. Sie müssen entweder relativ
schnell zum Verzehr gelangen oder
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
geeignete „natürliche” Barrieren gegen unerwünschte Mikroorganismen
(Krankheits- und Verderbniserreger)
enthalten. Am Institut für Mikrobiologie und Toxikologie der Bundesanstalt
für Fleischforschung in Kulmbach erforschen wir solche „natürlichen” Barrieren für die Biokonservierung von
Fleisch und Fleischerzeugnissen.
26
STARTER- UND
SCHUTZKULTUREN
Speziell selektierte Milchsäurebakterien werden seit Jahrzehnten als
Starterkulturen zur Herstellung der unterschiedlichsten fermentierten Lebensmittel eingesetzt. Bei der Herstellung langgereifter Rohwürste (Salami; Abb. 2) liefern diese Bakterien
aber nicht nur einen wesentlichen
technologischen Beitrag im Sinne einer erwünschten Veränderung des
Rohmaterials, sondern sie verhindern
als „Schutzkulturen” gleichzeitig die
Vermehrung von unerwünschten Mikroorganismen und bewirken so eine
natürliche Konservierung.
Milchsäurebakterien können aber
auch zur hygienischen Stabilisierung,
zum Beispiel von vakuumverpacktem
Brühwurst- und Kochschinkenauf-
Abb. 1:
Vakuumverpackter
Brühwurstund Kochschinkenaufschnitt
B I O T E C H N O L O G I E
Abb. 2:
Aufschnittplatte mit
Rohwurst
schnitt eingesetzt werden. Die mikrobiologische Sicherheit und Stabilität
dieser Erzeugnisse hängt wesentlich
von der Art und Menge der bakteriellen Kontamination der Produkte
während des Aufschneidens und Verpackens und von der Bevorratungstemperatur der verkaufsfertigen Erzeugnisse ab. In Abwesenheit einer
mikrobiellen Konkurrenzflora, zum
Beispiel aus Milchsäurebakterien,
kann bei 7 °C die humanpathogene
Bakterienart Listeria monocytogenes
noch gut wachsen und gesundheitlich bedenkliche Keimzahlen von
103–105 Mikroorganismen pro
Gramm Produkt erreichen.
Listeria monocytogenes ist in der
Umwelt weit verbreitet und wurde in
der Vergangenheit von vielen Lebensmitteln – auch von Fleisch und
Fleischerzeugnissen – isoliert. In
Frischfleisch wird dieses GRAM-positive, psychrotrophe (zum Wachstum
bei Kühltemperaturen befähigte) Bakterium regelmäßig nachgewiesen.
Der Keim wurde aber auch in fermentierten Rohwürsten gefunden.
In fleischverarbeitenden Betrieben
kann L. monocytogenes in Aufschneideräumen zur Herstellung von
Aufschnittware vorkommen und
pasteurisierte
Fleischerzeugnisse
während des Aufschneidens und Verpackens rekontaminieren. Erkrankungen des Menschen als Folge einer Infektion durch Listerien kommen vergleichsweise selten vor, sie dürfen
aber aufgrund der häufig schweren
Krankheitsverläufe (u. a. Hirnhautentzündung) nicht unterschätzt werden.
Zu den von Milchsäurebakterien pro-
duzierten antagonistischen, das
heißt andere Mikroorganismen hemmenden Substanzen gehören Milchund Essigsäure, Kohlendioxid, Wasserstoffperoxid, Diacetyl und Bacteriocine. Für Fleisch und Fleischerzeugnisse ist die Milchsäure in dieser Beziehung am bedeutendsten,
da sie mengenmäßig dominiert und
die Vermehrung der meisten unerwünschten
Mikroorganismen
hemmt. Leider bleiben aber einige
pathogene Bakterien, etwa Listerien,
auch in Gegenwart von Milchsäure
lange Zeit lebensfähig.
BACTERIOCINE
Bei der Suche nach weiteren nutzbaren antagonistischen Substanzen
konzentrierten wir uns daher auf die
sensorisch neutralen Bacteriocine.
Dabei handelt es sich um eiweißartige Substanzen mit mehr oder weniger breiter Hemmwirkung gegen andere GRAM-positive Bakterien, die
von manchen Milchsäurebakterien in
das Außenmedium abgegeben werden. Einige dieser gesundheitlich unbedenklichen Bacteriocine sind hoch
wirksam gegen Listerien.
Von den bei Fleisch und Fleischerzeugnissen „erwünschten” Milchsäurebakterien sind die psychrotrophen Bakterien Lactobacillus sakei
und Lactobacillus curvatus am besten
an das Substrat Fleisch angepaßt
(Abb. 3). Bestimmte Stämme dieser
Arten produzieren Bacteriocine, die
in der Lage sind, Listerien abzutöten
bzw. deren Vermehrung zu hemmen.
Einige dieser anti-listeriellen Bacteriocine, insbesondere Sakacin A und
Sakacin P von Lactobacillus sakei
Stamm Lb706 und Stamm Lb674
und Curvacin 1071 von Lactobacillus curvatus Stamm Lb1071, wurden
von uns charakterisiert und in Fleischerzeugnissen getestet (Abb. 4).
Es handelt sich bei diesen Bacteriocinen um kleine, hitzestabile, ribosomal synthetisierte Peptide (= aus
nur wenigen Aminosäuren bestehende „Mini-Eiweiße”), die nach Ab-
27
spaltung einer Präsequenz aus der
Bakterienzelle ausgeschleust werden. Das Bacteriocin Sakacin P
bleibt in Fleischsaft, Hackfleisch und
Brühwurst biologisch aktiv und eignet
sich daher auch als Zusatzstoff.
Das Gencluster für die Produktion
des Sakacin P in L. sakei Lb674 wurde kloniert und sequenziert. Ein
7.600 Basenpaare großes chromosomales DNA-Fragment enthielt alle
für die Expression von Sakacin P in
Bacteriocin-negativen Stämmen von
L. sakei erforderlichen Gene (Abb.
5). Das Gencluster umfaßt sechs aufeinanderfolgende Gene: sppK,
sppR, sppA, spiA, sppT und sppE.
Die beiden ersten Gene, sppK und
sppR, sind für die Regulation der Bacteriocinproduktion von Bedeutung.
Die Gene sppA und spiA kodieren
ein Sakacin P Präprotein und ein Protein, das Immunität gegen Sakacin P
verleiht. SppT und SppE zeigen starke Ähnlichkeiten mit den Transportproteinen anderer Bacteriocinsyste-
me. Diese Proteine dürften dafür zuständig sein, das Sakacin P aus der
Zelle in das Außenmedium zu transportieren. Die Bacteriocinproduktion
ist somit ein sehr komplexer Vorgang,
der aufwendigen Regulations-, Prozessierungs- und Exportmechanismen
unterliegt.
EINSATZPOTENTIALE
Für die Biokonservierung von
Fleischerzeugnissen ist die Einführung
einer konkurrenzstarken Milchsäure-
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Abb. 3:
Laktobazillen
(MilchsäureStäbchen) in
Salami unter
dem Elektronenmikroskop
B I O T E C H N O L O G I E
Abb. 4: Primärsequenz (Abfolge der Aminosäuren) von Sakacin A und P
1
10
20
30
40
1 . A R SY GN GV YC NN KK CW VN RG EA TQ S I I G G M I S G W A S G L A G M
2.
K Y Y GN GV HC GK HS CT VD WG TA IG N I G N N A A A N W A T G G N A G W N K
(identische Aminosäurereste sind durch vertikale Striche gekennzeichnet)
Bacteriocin
1. Sakacin A
2. Sakacin P
bakterien-Mikroflora aus L. sakei oder
L. curvatus – vorzugsweise mit der
Fähigkeit zur Bacteriocinbildung –
oder der direkte Einsatz von gereinigtem anti-listeriellen Bacteriocin als Lebensmittelzusatzstoff für kühlgelagerte, verzehrsfertige Fleischerzeugnisse
denkbar.
Neben den „nützlichen” Lactobazillen können auch andere Milchsäurebakterien vorverpackten Kochschinken- und Brühwurstaufschnitt besiedeln. Sie sind meist unerwünscht, da
sie zu einem vorzeitigen Verderb der
Ware etwa durch Schleimbildung, einer zu starken Säuerung oder anderen Geschmacksabweichungen
führen können.
Da eine keimfreie Aufschneidetechnik in der Praxis nicht möglich ist,
gelangen regelmäßig verschiedene
Mikroorganismen – harmlose, pathogene und verderbniserregende – auf
die pasteurisierten Erzeugnisse. Bei
7 °C und in Abwesenheit von Sauerstoff vermehren sich dann vor allem
psychrotrophe Milchsäurebakterien
und Listerien. Eine „gezielte” Rekontamination mit sensorisch akzeptablen
Milchsäurebakterien-Stämmen, die
sowohl Listerien als auch unerwünschte Milchsäurebakterien in
Schach halten, würde daher zu einer
besseren mikrobiologischen Sicherheit und sensorischen Stabilität der
Produkte beitragen und möglicherweise auch die Herstellung salz- und
nitritreduzierter Ware erlauben. Bei
der Herstellung von Rohwurst können
Bacteriocinbildner gleichzeitig als
Starter- und Schutzkultur von Nutzen
sein.
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
Produzent
Lactobacillus sakei Lb706
Lactobacillus sakei Lb674
VAKUUMVERPACKTER
BRÜHWURSTAUFSCHNITT
Während der Kühllagerung von
vakuumverpacktem
Brühwurstaufschnitt produzierte L. sakei Lb674
(Sakacin P) ab einer Einsaatdichte
von 105-106 Bakterien/g Wurst ausreichende Konzentrationen von
Bacteriocin. Das Wachstum von Listeria monocytogenes wurde verzögert und in einigen Fällen vollständig
gehemmt (Abb. 6). Ähnliche Ergebnisse wurden mit L. sakei Lb706 (Sakacin A) erhalten. Bacteriocin-negative Varianten dieser Stämme oder andere aus Fleisch isolierte, Bacteriocin-negative
Milchsäurebakterien
verhinderten das Wachstum der Listerien nicht. Die Inokulation von Schutzkulturen in Anfangskeimzahlen von
105-106 /g führte erwartungsgemäß nach wenigen Tagen zu einer Keimzahl von circa 108
Milchsäurebakterien/g. Die damit
einhergehende Milchsäureprodukti-
on und relativ geringe pH-Abnahme
zeigten keine sensorisch nachteiligen
Auswirkungen auf das Produkt.
Als Zusatzstoff zeigte gereinigtes
Bacteriocin (Sakacin P) in Abwesenheit einer Schutzkultur einen deutlichen Anfangseffekt auf L. monocytogenes und reduzierte das Wachstum
während der Lagerung (Abb. 7). Allerdings wurden die zu Beginn des
Versuchs eingebrachten Listerien
nicht völlig abgetötet. Nach einer
vollständigen Wachstumshemmung
in den ersten 3 Tagen konnten sich
überlebende Listerien auch in Anwesenheit des Bacteriocins vermehren,
aber mit deutlich geringerer Rate als
in bacteriocinfreier Wurst. Wurden
Sakacin P-haltige Produkte zusätzlich
mit L. sakei Lb674 als Schutzkultur in
niedrigen Anfangskeimzahlen (102
Bakterien/g) beimpft, so wurde die
Vermehrung der Listerien noch stärker
gehemmt (Abb. 7). Innerhalb weniger Tage erreichten die Milchsäurebakterien genügend hohe Zellzahlen, um den Bacteriocin-Effekt zu unterstützen. Im weiteren Verlauf hemmten sie die Listerien, die in Anwesenheit des Bacteriocins überlebten und
vermehrungsfähig blieben.
Bacteriocinbildende Milchsäurebakterien können also das Wachstum von Listeria monocytogenes auf
„sensiblen” Fleischerzeugnissen verhindern, wenn sie als Schutzkulturen
während des Aufschneidens in ausreichend hohen Keimzahlen zugegeben werden.
Abb. 5: Genkarte des Sakacin P Clusters
Organisation des Sakacin P Gen-Clusters in Lactobacillus sakei Lb 674
Regulation der
Bacteriocin-Produktion
Immunität gegen
Sakacin P
1 kb
sppK
sppI
(Auto-) Induktor
28
sppR
spiA
sppA
(Prä-) Sakacin P
Strukturgen
sppT
Bacteriocin-Export
und Prozessierung
sppE
B I O T E C H N O L O G I E
In der industriellen Praxis könnten
zum Beispiel die Aufschneidemaschinen (Slicer) mit einer automatischen
Sprühvorrichtung für Schutzkulturen
nachgerüstet werden.
Bacteriocin-negative Milchsäurebakterien sind unter gleichen Bedingungen deutlich weniger wirksam.
Als Zusatzstoff zeigt Sakacin P zwar
Wirkung, kann aber das Wachstum
von Listeria monocytogenes nicht im
erwünschten Umfang verhindern.
ROHWURST
Die Stämme L. sakei Lb674 und L.
curvatus Lb1071 eignen sich auch
als Starterkulturen für Salami. Beide
Stämme führten bei 23 °C und den
üblichen Einimpfmengen (106 Bakterien/g) zu einer schnellen Umrötung
und Säuerung der Produkte. Farbe
und Bindung der Erzeugnisse waren
ausgezeichnet. Geschmacklich waren die Würste gut und leicht säurebetont. Die Bacteriocinbildner blieben im gesamten Reifeverlauf dominant und zeigten auch sonst keine für
die Rohwurstherstellung ungünstigen
Eigenschaften.
Auch eine wesentlich geringere
Einsaatdichte von 103/g L. sakei
Lb674 oder L. curvatus Lb1071 führte im Laufe der Reifung schon zu ähnlich positiven Ergebnissen. Die niedrigere Anfangskeimzahl der zugesetzten Milchsäurebakterien hatte
eine langsamere Abnahme des pHWertes zur Folge. Dadurch wurde
eine mildere Säuerung der Würste
erreicht, die sensorisch häufig bevorzugt wird.
L. sakei Lb674 produzierte kaum
Bacteriocin in Rohwurst, obwohl dieser Stamm sonst alle wichtigen Selektionskriterien für eine Starterkultur erfüllt. L. curvatus Lb1071 war dagegen in Rohwurst ein hervorragender
Bacteriocinproduzent. Listeria monocytogenes konnte sich unter den gewählten Versuchsbedingungen in der
Rohwurst nicht vermehren und nahm
im Laufe der Reifung in allen
Versuchschargen ab. Im Vergleich zu
einem kommerziellen L. curvatus-Starter bewirkte L. curvatus Lb1071 eine
deutlich größere Reduktion der Listerien. (Abb. 8).
Abb. 6: Vakuumverpackter Brühwurstaufschnitt (1)
7
5
4
Milchsäurebakterien spielen bei
der Herstellung von Rohwürsten eine
große Rolle. Starterkulturen werden
daher regelmäßig neu bewertet und
neuen Anforderungen angepaßt. Die
zunehmende Nachfrage nach schonend verarbeiteten, verzehrsfertigen
Convenience-Produkten, die durch
Kühlung alleine nicht ausreichend hygienisch stabilisiert werden können,
eröffnet zusätzliche Einsatzmöglichkeiten für diese Bakterien als Schutzkulturen. Ziel unserer Arbeiten ist es,
unter den vielen natürlich vorkommenden Milchsäurebakterien diejenigen zu finden, die über eine möglichst optimale Kombination erwünschter Eigenschaften verfügen,
diese Bakterien möglichst genau zu
charakterisieren und die Eignung dieser Kulturen für traditionelle und neue
Anwendungsfelder zu demonstrieren.
Schutzkulturen mit der Fähigkeit
zur Bacteriocinbildung bieten neue
Möglichkeiten zur Verbesserung der
Sicherheit und Haltbarkeit konventioneller Fleischerzeugnisse. Mit ihrer
Hilfe könnten neue Produkte entwickelt werden, die milder und aufgrund einer effektiven Unterdrückung
der Begleitflora „reiner” im Geschmack sind.
Die meisten anti-listeriellen Bacteriocine weisen in ihrem N-terminalen
Bereich die Aminosäure-Sequenz
‘YGNGV’ auf (vgl. Abb. 1). Die Rolle weiterer Sequenzelemente ist noch
nicht ausreichend bekannt, so daß
die Suche nach weiteren natürlichen
– möglicherweise besseren –Varianten interessant bleibt.
■
7,0
zugesetzte
Milchsäurebakterien:
5
– 106 Zellen/g
10
6,5
Bac-
6
AUSBLICK
pH-Wert
log10 L. monocytogenes/g
Lagertemperatur:
7 °C
ph-Verlauf
6,0
3
2
Bac+
1
5,5
0
5,0
0
7
14
Tage
21
28
Verhalten von Listeria monocytogenes auf vakuumverpacktem Brühwurstaufschnitt in
Gegenwart bacteriocinogener (Bac+) und nicht-bacteriocinogener (Bac–) Milchsäurebakterien (MSB)
Abb. 7: Vakuumverpackter Brühwurstaufschnitt (2)
8
log10 L. monocytogenes/g
zugesetzte
Milchsäurebakterien:
102 Zellen/g
(Stamm Lb674)
7
6
– MSB
5
pH-Werte nach
28 Tagen:
pH 5,5 – 5,7
4
3
zugesetzte
Bacteriocinmenge:
500 – 1500 AU/g
+ MSB
2
1
(AU = Aktivitätseinheiten)
0
0
7
14
Tage
21
28
Verhalten von Listeria monocytogenes auf vakuumverpacktem Brühwurstaufschnitt mit
Sakacin P-Zusatz bei 7 °C, mit und ohne bacteriocinogene Milchsäurebakterien (MSB)
Abb. 8: Reifung von Salami
6
log10 L. monocytogenes/g
zugesetzte
Milchsäurebakterien:
106 Zellen/g
5
4
Lactobacillus curvatus
Stamm Lc3 (Bac-)
3
Lactobacillus curvatus
Stamm Lb1071 (Bac+)
2
1
0
Dr. Lothar Kröckel, Bundesanstalt für
Fleischforschung, Institut für Mikrobiologie und Toxikologie, E.-C.-Baumann-Str. 20, 95326 Kulmbach
29
0
7
14
21
28
35
Tage
Verhalten von Listeria monocytogenes in Salami in Gegenwart bacteriocinogener Milchsäurebakterien (Lb1071) und einer nicht-bacteriocinogenen Starterkultur (Lc3)
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
L E B E N S M I T T E L
Kennzeichnung von
gentechnisch veränderten
Lebensmitteln
Klaus-Dieter Jany und Ralf Greiner (Karlsruhe)
F
ür neuartige Lebensmittel ist in der Europäischen Union am 15. Mai 1997 nach
langjährigen Verhandlungen die Novel Food-Verordnung in Kraft getreten. Diese Verordnung regelt das Inverkehrbringen und die Etikettierung von neuartigen Lebensmitteln in allen EU-Mitgliedstaaten nach einheitlichen Kriterien. Da die Handhabung in der
Praxis auf Probleme gestoßen ist, sind von der EU ergänzende Verordnungen erlassen
worden. Die Anlaufschwierigkeiten und Unsicherheiten und die gefundenen Lösungsansätze schildert der folgende Beitrag.
In Deutschland werden unter „Novel Food” fast ausschließlich gentechnisch modifizierte Lebensmittel verstanden.
Die Novel Food-Verordnung (Verordnung EG Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates
über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten) faßt allerdings eine
breite Palette unterschiedlichster Produkte zusammen. Dabei handelt es
sich um Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die bislang im gemeinsamen
EU-Markt noch nicht verzehrt wurden
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
(z. B. Produkte aus Algen oder Mikroorganismen) und sich sechs genau definierten Kategorien zuordnen lassen.
Lediglich zwei betreffen die Gentechnik:
■ Lebensmittel, die selbst den gentechnisch veränderten Organismus
(GVO) darstellen (z. B. Flavr-SavrTomate) oder GVO enthalten (Joghurt mit Lebendkulturen) und
■ Produkte, die aus GVO gewonnen
werden, aber den lebenden GVO
nicht mehr enthalten (z. B. Öl aus
herbizidtoleranten Sojabohnen).
30
In Artikel 8 der Novel Food-Verordnung sind die Etikettierungsanforderungen zur Unterrichtung der Verbraucher festgelegt. Sie gelten für alle
neuartigen Lebensmittel und sind nicht
speziell auf gentechnisch modifizierte
Erzeugnisse ausgerichtet. In Tabelle 1
sind die Kennzeichnungskriterien aufgelistet.
Informiert werden die Verbraucher
über die jeweilige Veränderung und
das Verfahren. Die Etikettierung gilt
sowohl für verpackte als auch für offene Ware sowie für Lebensmittel aus
der Gemeinschaftsverpflegung.
L E B E N S M I T T E L
Grundsätzlich müssen alle Lebensmittel und Lebensmittelzutaten gekennzeichnet werden, die lebende GVO
sind oder enthalten. Ebenso müssen
Verbraucher durch eine entsprechende Kennzeichnung informiert werden,
wenn das neuartige Erzeugnis im Vergleich zum traditionellen Lebensmittel
Stoffe enthält, die die Gesundheit bestimmter Menschen beeinflussen können (z. B. neues oder erhöhtes allergenes Potential), oder wenn gegen
Stoffe in dem neuen Lebensmittel ethische oder religiöse Bedenken oder
aufgrund bestimmter Ernährungsformen Vorbehalte bestehen. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn ein
tierisches Gen (Protein) in traditionell
vegetarischen Produkten oder ein
„Schweine-Gen” in Lebensmitteln für
Moslems vorhanden ist. Ebenso müssen Erzeugnisse gekennzeichnet werden, die sich von vergleichbaren traditionellen Lebensmitteln unterscheiden, das heißt, wenn sie nicht gleichwertig sind (Artikel 8, Absatz 1a).
WAS BEDEUTET
„GLEICHWERTIG”?
Im Sinne der Novel Food-Verordnung werden neuartige Lebensmittel
als nicht gleichwertig angesehen,
wenn sie gegenüber vergleichbaren
traditionellen Erzeugnissen Unterschiede aufweisen, die sich analytisch und auf der Basis einer wissenschaftlichen Beurteilung feststellen lassen. Offen blieb dabei allerdings die
Frage nach den Kriterien für die
Gleichwertigkeit und den Analysenmethoden. Sehr leicht läßt sich eine
gezielte Veränderung anhand der
stofflichen Zusammensetzung nachweisen. So müssen Öle mit einer veränderten Fettsäurezusammensetzung
(z. B. höherer Gehalt an mehrfach
ungesättigten Fettsäuren) oder Stärken
mit verändertem Ver-zweigungsgrad
(z. B. vorwiegend Amylose oder Amylopektin) stets gekennzeichnet werden, denn sie unterscheiden sich von
den entsprechenden konventionellen
Erzeugnissen. Eine Kennzeichnung
wird auch erforderlich, wenn in dem
Erzeugnis noch die neueingeführte
genetische Information (DNA) oder
das (die) neueingeführte(n) Protein(e)
nachweisbar enthalten sind. In diesen
Fällen ist das neuartige Erzeugnis in
seiner Zusammensetzung zu dem vergleichbaren traditionellen nicht mehr
gleichwertig (der Begriff ‘nicht gleichwertig’ impliziert keine Wertung in
Richtung ‘schlechter’, sondern ist im
Sinne von ‘anders’ zu verstehen).
Eine Kennzeichnung ist nicht erforderlich, wenn die Erzeugnisse keine
stofflichen oder ernährungsphysiologischen Unterschiede zu konventionel-
Tab. 1: Kriterien für die Kennzeichnung von Lebensmitteln nach der
Novel Food-Verordnung
Gekennzeichnet werden Erzeugnisse
■ die lebende GVO darstellen oder enthalten,
■ die die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen beeinflussen können,
■ gegen die ethische Vorbehalte bestehen,
■ die keine Gleichwertigkeit zu vergleichbaren traditionellen Produkten
– in der Zusammensetzung,
– im Nährwert, in der nutritiven Wirkung,
– im Gebrauch, usw.
aufweisen.
31
len Produkten aufweisen. So enthalten
zum Beispiel raffinierte Öle aus transgenem Raps, Mais und transgenen
Sojabohnen keine DNA und keine
Proteine mehr. Infolgedessen werden
sie sowohl in der Sicherheitsbeurteilung als auch in der stofflichen Zusammensetzung als gleichwertig zu
den konventionellen Ölen bewertet.
Gerade in dem Kriterium der
Gleichwertigkeit von Produkten sehen
viele Verbraucher und Kritiker der
Gentechnik einen Mangel der Novel
Food-Verordnung. Sie sind der Ansicht, daß hierdurch viele Lebensmittel
von der Kennzeichnungsregelung ausgenommen und die Verbraucher nicht
hinreichend über den Einsatz der
Gentechnik informiert werden. Hierbei ist allerdings zu bedenken, daß
eine Kennzeichnung nur verläßlich
praktiziert werden kann, wenn sie
auch überprüfbar ist. Wenn aber in
einem hochaufbereiteten und gereinigten Produkt wie raffiniertem Öl
oder raffiniertem Zucker die gentechnische Veränderung nicht nachweisbar ist, weil die in Frage kommenden Stoffe (DNA oder Proteine)
gar nicht mehr vorhanden sind, ist
auch eine Kennzeichnung nicht mehr
sinnvoll.
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
L E B E N S M I T T E L
SOJABOHNEN UND MAIS
Im Frühjahr 1997, kurz vor Inkrafttreten der Novel Food-Verordnung, erhielten herbizidtolerante Roundup
Ready Sojabohnen und insektenresistenter Bt-Mais in der EU die Genehmigung zum Inverkehrbringen nach
der Freisetzungsrichtline. In den
entsprechenden
Entscheidungen
96/281/EG
(Soja)
und
97/98/EG (Mais) wurde keine spezielle Kenntlichmachung der Produkte
vorgeschrieben. Wären sie nach der
Novel Food- Verordnung zugelassen
Abb. 1:
Schokoriegel mit
Cornflakes und
Stärke aus
transgenem
Mais. Die
Zutatenliste auf
der Rückseite
der Verpackung
enthält die
Deklaration
„aus genetisch
verändertem
Mais hergestellt”
(Fotos:
M. Welling)
worden, so hätte zum Beispiel Sojaprotein aus den herbizidtoleranten Sojabohnen gekennzeichnet werden
müssen.
Da Soja- und Maisverarbeitungsprodukte in sehr vielen Lebensmitteln
vorhanden sind, Verbraucher ein Anrecht auf Information haben und auch
um Wettbewerbsverzerrungen für
möglicherweise folgende transgene
Soja- und Maisvarietäten abzubauen,
hat die EU-Kommission die Etikettierungsrichtlinie ergänzt: Die bereits zugelassenen Soja- und Maisprodukte
müssen ab 1. November 1997 ebenfalls entsprechend Artikel 8 der Novel
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
Food-Verordnung
gekennzeichnet
werden (Ergänzungsverordnung EG
1813/97).
Obwohl derartige Mais- und Sojaprodukte auf dem Markt sind und die
Verordnung in Kraft getreten ist, lassen
sich kaum gekennzeichnete Lebensmittel im Regal finden. Dies liegt daran, daß weder bestimmt wurde, wie
die Etikettierung konkret vorzunehmen
sei, noch welche Nachweisverfahren
zum Tragen kommen sollen. Die Novel Food-Verordnung ließ sich somit
nicht direkt anwenden. Weder Lebensmittelhersteller noch Überwachungsbehörden hatten klare Handlungsanweisungen. Um hier Abhilfe
zu schaffen, legte die Kommission im
Dezember 1997 einen ergänzenden
Vorschlag zur Etikettierung für Sojaund Maisprodukte vor. Richtungsweisend für die wissenschaftliche Beurteilung der Nichtgleichwertigkeit zwischen neuartigen und konventionellen
Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten
waren die Ausführungen zum DNAund Proteinnachweis. Hiernach soll
bereits das Vorhandensein der neueingeführten DNA das Kriterium der
Nichtgleichwertigkeit erfüllen. Dadurch werden ganz im Sinne der Verbraucherinformation eine größere Anzahl von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten erfaßt. Erst wenn die Identifikation der neueingeführten DNA versagt, soll das Proteinkriterium zum Tragen kommen. Da DNA in Verarbeitungsprozessen relativ häufig in ihre
Einzelbausteine zerlegt wird, erweitert die Proteinanalytik den Etikettierungsumfang.
Diese Bestimmungen wurden in
eine sogenannte Ablöseverordnung
(EG Nr. 1139/98) hineingeschrieben. Sie ist am 1. September 1998 in
Kraft getreten und löst die vorhergehende Ergänzungsverordnung ab. Die
Ablöseverordnung gilt ausschließlich
für die beiden genannten Soja- und
Maisvarietäten „Roundup Ready Sojabohnen” und „Novartis Bt-Mais 176”.
Es ist aber davon auszugehen, daß
diese Ausführungen demnächst auf
alle gentechnisch modifizierten Erzeugnisse angewendet werden.
32
DIE KENNZEICHNUNG
Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten aus gentechnisch verändertem
Soja oder Mais müssen immer dann
gekennzeichnet werden, wenn sich
die neueingeführte DNA oder das
neueingeführte Protein im Endprodukt
– also dem Produkt, das für den Verbraucher zum Verzehr bestimmt ist –
nachweisen läßt. In diesen Fällen
muß eine Kennzeichnung mit „aus genetisch veränderten Sojabohnen hergestellt” bzw. „aus genetisch verändertem Mais hergestellt” erfolgen
(Abb. 1). Es müssen nicht beide neuen Komponenten nachgewiesen werden. Aber falls sich die neueingeführte DNA nicht nachweisen läßt, muß
überprüft werden, ob in dem Produkt
noch das neue Protein enthalten ist.
Erst wenn die Nachweise für beide
Komponenten negativ ausfallen, ergibt sich keine Kennzeichnungspflicht. Gegenwärtig beschränkt sich
der Nachweis ausschließlich auf die
Detektion der neueingeführten DNA.
Für Soja und Mais stehen in Ringversuchen überprüfte Verfahren zur Verfügung, allerdings wurden die Nachweise in weiterverarbeiteten Produkten bislang noch nicht so intensiv bearbeitet. Am Molekularbiologischen
Zentrum der Bundesforschungsanstalt
für Ernährung (BFE) ist für gentechnisch modifiziertes Soja auch ein Proteinnachweis entwickelt worden, der
zur Zeit weiter optimiert wird.
Zum Auffinden der veränderten
DNA ist die „Polymerase Chain Reaction” (PCR) Methode der Wahl. Mit
ihr lassen sich einzelne DNA-Fragmente exponentiell vervielfältigen und
im weiteren Verlauf identifizieren
(Abb. 2). Die PCR läßt sich mit einem
Kopiergerät im Büro vergleichen, das
von einer Vorlage beliebig viele identische Kopien produzieren kann.
Die PCR ist ein hochempfindliches
Nachweisverfahren. Um zu verhindern, daß jede kleine Verunreinigung
des Endprodukts mit neuer DNA zu
einer Kennzeichnung führt, soll ein
Schwellenwert eingeführt werden,
oberhalb dessen erst gekennzeichnet
L E B E N S M I T T E L
werden muß. Gegenwärtig ist ein solcher Schwellenwert noch nicht festgelegt. In der Diskussion stehen relative
Werte zwischen 1–3 % der neueingeführten DNA in Bezug auf den Gesamt-DNA-Gehalt. In der Ablöseverordnung ist auch eine Negativliste für
Produkte, die nicht gekennzeichnet zu
werden brauchen, aufgenommen
worden. Klassische Beispiele hierfür
sind raffinierte Öle aus Soja oder
Mais.
Zusatzstoffe (zum Beispiel Sojalecithin), Aromen und Extraktionsmittel
werden von der Novel Food Verordnung und auch von der Ablöseverordnung nicht erfaßt. Sie unterliegen somit auch keiner Kennzeichnung.
Nicht eindeutig ist die Stellung von
Enzymen, die als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden. In der EUKommission wird aber bereits eine Regelung für Enzyme diskutiert.
„GENTECHNIKFREI”
In der Präambel zur Novel FoodVerordnung wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß auch eine Kennzeichnung derart erfolgen kann, daß
das Lebensmittel kein neuartiges Erzeugnis im Sinne der Verordnung darstellt. Eine Kennzeichnung „gentechnikfrei” ist möglich. Auf europäischer
Ebene sind allerdings bis heute die
Begriffe „gentechnikfrei” oder „Ohne
Gentechnik” noch nicht definiert.
Österreich hat im nationalen Rahmen
schon eine entsprechende Regelung
eingeführt, und für Deutschland ist im
Juli 1998 vom Bundesrat eine Gesetzesvorlage für die Etikettierung „Ohne
Gentechnik” verabschiedet worden.
Diese Regelung steht zur Notifizierung durch die EU an. Gegenwärtig
werden die Begriffe sehr restriktiv verstanden. Der Produzent/Vertreiber
muß lückenlos nachweisen können,
daß in keinem Herstellungsschritt –
vom Rohstoff bis zum Endprodukt –
die Gentechnik in irgendeiner Weise
bei dem Lebensmittel eine Rolle gespielt hat. Nach der deutschen Regelung dürfen Lebensmittel, die nachweislich auf keiner Stufe der Herstellung mit der Gentechnik in Berührung
gekommen sind, mit dem Begriff
„Ohne Gentechnik” gekennzeichnet
werden. Eine Auslobung mit „gentechnikfrei” ist nicht erlaubt. „Ohne
Gentechnik” bedeutet hier, daß weder Rohstoffe aus transgenen Pflanzen, noch Enzyme oder Zusatzstoffe
und Aromen aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen für die Lebensmittelherstellung verwendet werden.
In der Tierhaltung dürfen keine Futtermittel oder Futtermittelzutaten aus
transgenen Organismen eingesetzt
werden. Eine Überprüfung ist hier
schwierig. So liefert eine Kuh, die mit
transgenem Soja- oder Rapsschrot
oder Mais gefüttert wurde, keine gentechnisch veränderte Milch; diese ist
substantiell gleichwertig der Milch
von Kühen, die mit traditionellem Futter gefüttert worden sind.
Ein analytischer Nachweis des Einsatzes von transgenem Futter ist im tierischen Endprodukt nicht möglich.
Hier muß man sich auf die Aufzeichnungspflicht des Landwirts und die Erklärungen der Futtermittellieferanten
verlassen.
Der Landwirt ist nicht verpflichtet,
DNA-Nachweise für die Futtermittel
durchführen zu lassen. Solange ein
Landwirt seinen Nutztieren Futter aus
nicht transgenen Pflanzen gibt und
das Futter mit Enzymen, Vitaminen,
Aminosäuren aus nicht transgenen Mikroorganismen versetzt, kann er die
Erzeugnisse mit „Ohne Gentechnik”
33
ausloben. Nicht geklärt ist, wie der
Landwirt mit der Kennzeichnung umgehen muß, falls er – zum Beispiel in
den Wintermonaten – transgenes
Material zufüttert und dann später
wieder auf nicht transgenes Futter umstellt. Die Verwendung von Arzneioder Impfmitteln aus transgenen Organismen haben keinen Einfluß auf
die Kennzeichnung.
Neu eingeführte DNA darf aber
auch in Lebensmitteln „Ohne Gentechnik” vorhanden sein, solange
nachgewiesen werden kann, daß
diese DNA unbeabsichtigt oder aufgrund unvermeidbarer Gegebenheiten in das Produkt gelangt ist. Letztes
wäre zum Beispiel beim Sammeln
und Transport von konventionellem
Soja in Silos und Schiffen, die zuvor
transgene Sojabohnen enthielten. Es
ist unmöglich, unter wirtschaftlichen
Bedingungen eine Reinigung zu er-
zielen, die eine absolute „Gentechnikfreiheit” der Anlagen garantieren
würde.
Verbraucher haben einen Anspruch
auf Information über Inhaltsstoffe und
Herstellungsverfahren ihrer Lebensmittel. Die Etikettierung muß nicht nur
sachgerecht, sondern auch überprüfbar sein. Kennzeichnung und Überprüfbarkeit, das heißt die Nachweisbarkeit der gentechnischen Modifikationen und die richtige Etikettierung,
sind eng miteinander verbunden. ■
Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Dr. Ralf
Greiner, Bundesforschungsanstalt für
Ernährung, Haid-und-Neu-Straße 9,
76131Karlsruhe
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Abb. 2:
Mit Hilfe der
PCR lassen sich
bestimmte –
also auch gentechnisch eingefügte – DNAFragmente
vervielfältigen
und auf einem
Gel als Banden
sichtbar
machen.
Die Abbildung
zeigt eine PCRUntersuchung
von transgenem
Raps.
F O R S C H U N G
&
A D M I N I S T R AT I O N
Neuentwicklungen auf
dem Prüfstand
Über die Verzahnung von wissenschaftlichen Arbeiten
und behördlichen Entscheidungen
Wohlert Wohlers und Michael Welling (Braunschweig)
U
nter den Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) befinden sich Einrichtungen, die
gleichzeitig auch als selbständige Bundesoberbehörden tätig sind. Diese Doppelkonstruktion spiegelt die Notwendigkeit wider, administrative Regelungen und Entscheidungen auch in äußerst komplexen naturwissenschaftlich-technischen Bereichen treffen
zu müssen – und das gelingt oft nur, wenn auf wissenschaftlichen Sachverstand aus erster Hand zurückgegriffen werden kann. Pflanzenschutzmittel zum Beispiel werden in
Deutschland von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) zugelassen. Die Entscheidung, ob und gegebenenfalls mit welchen Auflagen solche Zulassungen erteilt werden – eine Aufgabe der BBA als Behörde – wäre ohne das wissenschaftliche Fundament der BBA als Forschungsanstalt kaum tragfähig.
Abb. 1: Aufgabenstruktur des wissenschaftlichen Personals an der Biologischen Bundesanstalt
8,7 %
25,0 %
26,0 %
3,6 %
2,6 %
2,6 %
10,7 %
20,9 %
Hoheitsaufgaben und unmittelbar
damit zusammenhängende
Forschung
65,3 %
Forschung, die mittelbar zu
Hoheitsaufgaben führt
■ Prüfung und Zulassung von
■ Forschung zur Phytopathologie und
■
■
■
■
■
Pflanzenschutzmitteln
Geräteliste, Anwendungstechnik
Gentechnikgesetz
Chemikaliengesetz
Resistenzprüfung
Erstellung von Richtlinien und Grundsätzen
■
34,7 %
zum Pflanzenschutz
Forschungsmanagement, Bibliotheken,
sonstige
Die Aufgaben der Biologischen
Bundesanstalt sind im wesentlichen
im Pflanzenschutzgesetz festgelegt.
Dazu kommen Tätigkeiten, die sich
aus dem Gentechnikgesetz sowie
aus dem Chemikalien- und dem Bundesseuchengesetz ergeben. Wie
stark die wissenschaftlichen und ad-
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
ministrativen Arbeitsfelder ineinandergreifen, zeigen die folgenden
Beispiele. An der BBA sind fast zwei
Drittel des wissenschaftlichen Personals mit hoheitlichen Pflichten betraut
(Abb. 1). Dabei ermöglicht die Verzahnung von Forschung und Hoheitsaufgaben ein für eine Behörde
schnelles Reagieren auf neue Entwicklungen im Bereich der Wissenschaft.
PFLANZENSCHUTZMITTELPRÜFUNG
Pflanzenschutzmittel dürfen in
Deutschland nur in Verkehr gebracht
werden, wenn sie durch die Biologische Bundesanstalt geprüft und zugelassen wurden. Die Einrichtungen
zweier anderer Ministerien – das
Umweltbundesamt (UBA) und das
Bundesinstitut für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) – wirken dabei als Einvernehmensbehörden mit.
34
Für inländische wie für importierte
Pflanzenschutzmittel gelten heute
hohe Anforderungen an den Schutz
von Mensch, Tier und Umwelt. Geprüft wird nicht nur der Wirkstoff,
sondern auch das Pflanzenschutzmittel als Ganzes mit all seinen Bestandteilen einschließlich der Formulierungsstoffe sowie seine Abbauprodukte. Dabei beschränkt sich
eine Prüfung nicht nur auf das sorgfältige Studium der von den Herstellern gelieferten Unterlagen: Die
BBA-Wissenschaftler führen in einzelnen Bereichen auch eigene Laborversuche oder chemische Analysen durch. Aufgrund der umfangreichen Prüfvorschriften gehören Pflanzenschutzmittel zu den am besten
untersuchten Chemikalien überhaupt. Die Prüfung umfaßt fünf wichtige Bereiche:
Wirksamkeit
Pflanzenschutzmittel müssen hinreichend wirksam sein, sonst dürfen
F O R S C H U N G
&
A D M I N I S T R AT I O N
Die Widerstandsfähigkeit von Zierpflanzen gegen Krankheiten wird erforscht (hier:
Mehltau an Begonien)
sie von der Biologischen Bundesanstalt nicht zugelassen werden. Dadurch soll unter anderem eine unnötige Umweltbelastung durch schlecht
wirksame Mittel verhindert werden.
Mit berücksichtigt wird bei der Prüfung auch, daß die Pflanzenschutzmittel zwar die Schaderreger verläßlich bekämpfen, die behandelten
Kulturpflanzen aber nicht schädigen
sollen.
Da immer wieder Schadorganismen mit Resistenzen auftreten, ist die
Wirksamkeitsprüfung ein dynamischer Prozeß mit permanentem Forschungsbedarf.
Anwenderschutz
Es muß gewährleistet sein, daß
der Anwender – also der Landwirt,
Gärtner oder Förster – bei einer
sachgerechten und bestimmungsgemäßen Anwendung nicht gefährdet ist. Auch eine mögliche Langzeitgefährdung, wie zum Beispiel
die Erkrankung an Krebs nach 20
oder 30 Jahren, muß nach jeweiligem Stand der Forschung ausgeschlossen sein.
Verbraucherschutz
Es muß sichergestellt sein, daß
die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Erntegut beziehungsweise
ihre Abbauprodukte so niedrig sind,
daß die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht gefährdet wird. Die Lebensmitteluntersuchungsämter der Länder nehmen
auf den Märkten und in Geschäften
regelmäßig Proben und kontrollieren
sie auf Rückstände. In der BBA werden diese Verfahren vor allem auf
ihre Praktikabilität hin geprüft, so
daß die Untersuchungsämter einheitliche Methoden verwenden können.
Die Qualität heutiger Lebensmittel
ist, wie die Kontrollen zeigen, sehr
gut: Nur bei ca. 1 % der Untersuchungen werden noch – meist geringfügige – Überschreitungen der
Rückstands-Höchstmengen festgestellt (Abb. 2).
Boden, Wasser, Luft
Das Verhalten der Pflanzenschutzmittel im Boden, im Wasser und in
der Luft wird eingehend untersucht.
Die Bodenfruchtbarkeit darf durch
Pflanzenschutzmittel nicht beeinträchtigt werden. Beim Trinkwasser
besteht ein so hohes Reinheitsgebot,
daß von einem Quasi-Nullwert gesprochen werden kann: Die erlaubte
Rückstands-Höchstmenge
eines
Pflanzenschutzmittelwirkstoffs
im
Trinkwasser beträgt 0,1 µg pro Liter
(entspricht 1 Teil auf 10 Milliarden)
und bewegt sich damit nahe an der
derzeitigen Nachweisgrenze.
35
Abtrift von Pflanzenschutzmitteln
ist seit langem ein Forschungsgebiet
in der Biologischen Bundesanstalt.
In welchem Ausmaß Pflanzenschutzmittel verdunsten können, wurde hingegen erst vor einigen Jahren durch
umfangreiche und schwierige Versuche festgestellt.
Zeitgemäße
Analyseverfahren
sind der Schlüssel für Untersuchungen zum Verbleib der Präparate. Am
BBA-Institut für ökologische Chemie
wurde zum Beispiel eine Methode
entwickelt, mit der 180 Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in einem einzigen Arbeitsgang nachgewiesen
werden können.
Belebte Umwelt
Die Eigenschaften der Pflanzenschutzmittel auf die belebte Umwelt
Abb. 2: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Obst
und Gemüse bzw. in Getreide (Untersuchungsergebnisse
für das Jahr 1996)
Obst und Gemüse
inländische Erzeugung
1%
Obst und Gemüse
ausländische Erzeugung
4%
31 %
34 %
68 %
62 %
Getreide
inländische Erzeugung
10 %
Getreide
ausländische Erzeugung
5%
0,33 %
45 %
50 %
90 %
Proben ohne Rückstände (nicht bestimmbar)
Proben mit Rückständen bis einschl. der Höchstmenge
Proben mit Rückständen über der Höchstmenge
sind ein wichtiges und entscheidendes Prüfgebiet, da beim ‘Spritzen’
meist nicht nur die Schaderreger getroffen werden, sondern auch sogenannte Nicht-Zielorganismen. Um
die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln in dieser Hinsicht abschätzen zu können, muß jedes
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
F O R S C H U N G
Präparat eine Reihe von Tests durchlaufen. Dabei werden bestimmte Organismen stellvertretend für die Vielzahl der in Frage kommenden Arten
als Prüfobjekte ausgewählt. Richtlinien für diese Tests werden von BBAWissenschaftlern – teils in internationaler Zusammenarbeit – entwickelt
und erprobt. Bestehende Richtlinien
werden nach dem jeweils neuesten
Wissensstand überarbeitet. In diesen Regelwerken sind zum Beispiel
die Versuchstiere, die Versuchsdurchführung und die Auswertung der
Tests beschrieben, so daß standardisierte Prüfungen möglich sind.
&
A D M I N I S T R AT I O N
Bedenkliche Mittel werden entweder nicht zugelassen oder sind so
gekennzeichnet, daß ein Anwender
erkennt, ob beispielsweise Bienen
oder Marienkäfer und andere Nützlinge geschädigt werden können.
Auflagen und Anwendungsbestimmungen sollen gewährleisten, daß
bestimmte Gefährdungen, zum Beispiel ein Eintrag in Gewässer, nicht
eintreten können. Ihre Übertretung
kann mit Bußgeld bis 100.000 DM
geahndet werden.
VERFAHREN IM
UMBRUCH
Zum 1. Juli 1998 ist eine Neufassung des Pflanzenschutzgesetzes in
Kraft getreten, die die Richtlinie
91/414/EWG der Europäischen
Union zur Harmonisierung der
Pflanzenschutzmittelzulassung in deutsches Recht umsetzt. Zwar ist eine einheitliche EU-Zulassung unter anderem
wegen der großen klimatischen Unterschiede in Europa nicht vorgesehen,
jedoch müssen die Mitgliedstaaten
Zulassungen aus anderen Staaten
übernehmen, wenn keine gravierenden Gründe dagegen stehen. Es können künftig nur Mittel zugelassen werden, deren Wirkstoffe EU-weit geprüft
und akzeptiert sind.
Gentechnik:
Mit einer
„Genkanone”
lassen sich
fremde Gene in
die Zellen von
einkeimblättrigen Pflanzen
(z. B. Mais)
hineinschießen
Die Tests erfolgen in einem Stufensystem: Am Beginn stehen Laborversuche, in denen die direkte Giftigkeit (Toxizität) oder stark schwächende Effekte ermittelt werden.
Langjährige Erfahrungen haben gezeigt, daß diese Versuche in der Regel den „worst case”, also den härtesten Test darstellen. Werden hier
keine Gefährdungen festgestellt, so
kann davon ausgegangen werden,
daß die Mittel unter natürlichen Freilandbedingungen erst recht keine
gravierenden Auswirkungen auf die
getestete Art haben. Ist eine eindeutige Bewertung aufgrund dieser Labortests nicht möglich, so können
aufwendigere Versuche unter praxisnahen Bedingungen folgen (z. B. im
Freilandkäfig oder auf dem Feld).
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
PRÜFUNG VON
PFLANZENSCHUTZGERÄTEN
Pflanzenschutzgeräte
müssen
gleichmäßig arbeiten und sicher für
den Landwirt, Winzer oder Gärtner
sein. Die BBA prüft die schriftlich eingereichten Erklärungen und Unterlagen für neue Geräte. Die Gerätetypen werden in die Pflanzenschutzgeräteliste eingetragen und im
Bundesanzeiger bekanntgegeben.
Nur die in dieser Liste verzeichneten
Typen dürfen in Deutschland verkauft
werden. Die Sicherheitsanforderungen für Pflanzenschutzgeräte sollen
EU-weit harmonisiert werden. Auch
36
Der Kompostwurm Eisenia foetida ist
Prüfobjekt, um die Auswirkungen von
Pflanzenschutzmitteln auf Bodenorganismen zu beurteilen
(Foto: H. Kula)
hier trägt die BBA mit eigenen Forschungen dazu bei, einheitliche Regelungen zu erarbeiten.
GENTECHNISCHE
SICHERHEIT
Die Regelungen zum Schutz der
menschlichen Gesundheit und der
Umwelt bei der Freisetzung und dem
Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen sind EU-weit
harmonisiert.
Die Biologische Bundesanstalt
muß – ebenso wie das Umweltbundesamt und in bestimmten Fällen
auch die Bundesforschungsanstalt
für Viruskrankheiten der Tiere – vor
jeder Freisetzung in Deutschland ihr
Einvernehmen geben, bevor ein entsprechender Antrag vom Berliner
Robert-Koch-Institut genehmigt wird.
Auch auf diesem Gebiet ist eine umfassende Begleitforschung unerläß-
F O R S C H U N G
&
A D M I N I S T R AT I O N
logie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit in Braunschweig für
jeden Freisetzungsantrag eine umfassende Sicherheitsbewertung vorgenommen. Die Züchter müssen genaue Angaben machen über die
verwendeten gentechnischen Methoden und über die Herkunft der
neuen Gene. Die Gesamteigenschaften der transgenen Organismen sowie mögliche Auswirkungen
auf den Naturhaushalt werden aufgrund der gelieferten Informationen
und des durch eigene Arbeiten gewonnenen Fachwissens abgeschätzt. Beim Inverkehrbringen von
gentechnisch veränderten Organismen durch Mitgliedstaaten der EU
wirkt die BBA ebenfalls mit. In Europa wurden bisher für sechs verschiedene Kulturarten Genehmigungen
erteilt, unter anderem für die viel diskutierte herbizidtolerante Sojabohne
und für insektenresistenten Mais (Btlich, um gentechnische Sicherheitsfragen kompetent beurteilen zu können. Innerhalb der BBA wird federführend vom Institut für PflanzenviroPestizide oder Pflanzenschutzmittel?
Statt „Pflanzenschutzmittel” wird
häufig das Wort „Pestizid”
verwendet. Es leitet sich aus
dem Englischen ab und umfaßt
dort auch Mittel gegen Hygieneschädlinge und Lästlinge,
z. B. Flöhe und Stechmücken
(englisch: pests). Im Englischen
gibt es unseren Begriff Pflanzenschutzmittel nicht, obwohl EUweit neuerdings der Ausdruck
„plant protection products”
verwendet wird. „Pestizid” stellt
einen ungenauen Begriff dar
und sollte deshalb vermieden
werden. Im Gegensatz dazu
sind die Begriffe „Herbizid”
(gegen Unkräuter/Ungräser,
engl. herbs), „Fungizid”
(gegen Pilze) und „Insektizid”
(gegen Insekten) unstrittig.
tegrierten Pflanzenschutz in Kleinmachnow betreut beispielsweise einen mehrjährigen Feldversuch mit
transgenem Raps und Mais, bei
dem verschiedene Pflanzenschutzaspekte im Mittelpunkt stehen. Durch
solche praxisnahen Untersuchungen
läßt sich abschätzen, wie sich gentechnisch veränderte Kulturpflanzen
in moderne Pflanzenschutzkonzepte
einbinden lassen.
FORSCHUNG
FÜR VERBRAUCHER
UND UMWELT
Viele wissenschaftliche Arbeiten
an der BBA fließen unmittelbar in die
ihr gesetzlich übertragenen hoheitlichen Aufgaben ein. Die Anforderungen an die Zulassung von
Pflanzenschutzmitteln werden ständig optimiert und an den Stand der
Auch
Pflanzenschutzgeräte
wie dieses
Recyclinggerät für
den Weinbau müssen
gesetzliche
Anforderungen
erfüllen
Mais). International liegen inzwischen umfangreiche Erfahrungen mit
gentechnisch veränderten Kulturpflanzen vor. 1998 wurden sie weltweit bereits auf rund 28 Mio. ha
kommerziell angebaut, wobei die
USA mit etwa 20 Mio. ha Anbaufläche führend sind.
Die in Deutschland durchgeführten Freilandversuche mit transgenen
Pflanzen werden von Forschungsprojekten begleitet, die auch ökologische Fragestellungen mit einbeziehen und wertvolle Daten für die Beurteilung eventueller Langzeitauswirkungen liefern. Das BBA-Institut für in-
37
Forschung angepaßt. Molekularbiologische Arbeiten erlauben es,
Entwicklungen im Bereich der Gentechnik beurteilen und bewerten zu
können. Praktische Feldversuche geben Auskunft über den Erfolg neuer
Ansätze im Pflanzenschutz.
Die Forschungen bilden damit die
Grundlage für Entscheidungen zum
Wohl der Verbraucher und des Naturhaushalts.
■
Dr. W. Wohlers, Dr. M. Welling,
Biologische Bundesanstalt für Landund Forstwirtschaft, Messeweg 1112, 38104 Braunschweig
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
WA L D Ö K O L O G I E
Zustand der
deutschen Waldböden
Auswirkungen anthropogener Einflüsse
Barbara Wolff, Winfried Riek und Petra Hennig (Eberswalde)
D
ie Böden der deutschen Wälder haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Vor allem durch hohe Fremdstoffeinträge aus der Atmosphäre ist die Funktionsfähigkeit der Waldböden – regional in unterschiedlichem Ausmaß – beeinträchtigt. Um die Rolle des Bodens im Zusammenhang mit den Immissionsbelastungen
der Waldökosysteme regional differenziert beurteilen zu können, wurde im Zeitraum
von 1987-1993 eine bundesweite Bodenzustandserhebung im Wald (BZE) durchgeführt. Durch die anschließende Zusammenführung ausgewählter Inventurdaten konnte
an der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH) erstmalig eine nach
einheitlichen Kriterien erhobene nationale Datenbasis über den Waldbodenzustand und
die Ernährungssituation der Waldbäume aufgebaut werden.
WALDBÖDEN
SIND LEBENDIG
Etwa 4.000 bis 5.000 gut sichtbare Bodentiere (> 2 mm) wurden in
Waldbodenfallen je Quadratmeter
pro Jahr gefangen (vgl. Abb. 1).
Rechnet man noch die mit bloßem
Auge unsichtbaren Lebewesen hinzu, ergeben sich sogar Individuenzahlen in Größenordnungen von Billionen (1012). Für diese Lebewesen
stellt der Waldboden den notwendigen Lebensraum dar.
Gleichzeitig sind die Waldbodenlebewesen aber auch für das
Zustandekommen der Böden und
den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit
eine unabdingbare Voraussetzung.
Sie ernähren sich von der alljährlich
anfallenden Blattstreu und wandeln
dabei (manchmal erst nach mehreren „Fraß-Hierarchien”) die in den
pflanzlichen Resten gespeicherten
Nährstoffe in pflanzenverfügbare
Stoffe (Mineralien) um.
Abhängig von den Standortbedingungen geschieht dieser Abbau
unterschiedlich schnell. Etwa fünf
Jahre dauert es zum Beispiel, bis in
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
einem typischen Buchenwald die
Blattstrukturen in der Bodenstreu
weitgehend zerstört sind, und erst
nach weiteren fünf Jahren entstehen
mineralische Substanzen und lösliche Humusstoffe, welche die
Abb. 1: Anzahl von Waldbodentieren pro Quadratmeter und Jahr. Durchschnittliche Fangsummen aus 24 in vier Waldgebieten aufgestellten Bodenfallen (Photoeklektoren) (Graphik: U. Schulz)
38
WA L D Ö K O L O G I E
schwarze Färbung der obersten Mineralbodenschicht verursachen (vgl.
Abb. 2). In einem Auwald wird dagegen die Streu bereits in einem
Jahr abgebaut.
Im Verlauf der Evolution haben
sich unterschiedliche Waldökosystemtypen an die verschiedensten
Standortverhältnisse angepaßt, immer jedoch ist der Boden die Schaltstelle für den Stoffkreislauf in Wäldern. Hier findet das ökologische
Zusammenspiel von biologischen
(Tiere, Pflanzen), chemischen (z. B.
Nährelementvorräte, Schadstoffkon-
Abb. 2: Der Bohrkern zeigt die obersten
Bodenschichten mit Blattstreu, zunehmender Zersetzung des organischen Materials und schwarzer Humusschicht
zentrationen) und physikalischen
(z. B. Wasser, Luft) Faktoren statt,
dessen Ergebnis in der Bodenfruchtbarkeit zum Ausdruck kommt. Obwohl die im Boden wirksamen Regelmechanismen längst noch nicht
alle erforscht sind, haben die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt,
daß massive oder langanhaltende
Eingriffe in dieses biologische Regelsystem gravierende Auswirkungen
auch auf das Waldwachstum haben.
39
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
WA L D Ö K O L O G I E
WALDBÖDEN SIND SAUER
Unter natürlichen Bedingungen
wird Säure bei mikrobiellen Stoffumwandlungsprozessen, bei der Atmung der Wurzeln und der Festlegung von Nährelementen in der Biomasse gebildet. Auch periodische
Störungen, wie etwa das Zusam-
sind in der Lage, die Säure abzupuffern.
WALDBÖDEN
WERDEN BEOBACHTET
Untersuchungen aus den letzten
20 Jahren in verschiedenen Waldökosystemen zeigen ernsthafte und
außergewöhnlich schnell ablaufende Veränderungen des chemischen
Waldbodenzustandes – verursacht
durch Fremdstoffeinträge aus der Atmosphäre.
Überdies kamen viele interdisziplinäre Forschungsprogramme zu
dem Ergebnis, daß auch die seit
Mitte der 70er Jahre in Deutschland
großflächig auftretenden Waldschäden (Kronenverlichtungen) vielerorts
auf Luftschadstoffe, die in den Boden eingetragen wurden, zurückzuführen sind. Von dem Filter-, Pufferund
Stoffumwandlungsvermögen
der Waldböden hängt es nämlich
letztlich ab, ob die im Laufe der Jahre angesammelten Fremdstoffe zu
ernsthaften Störungen der Lebensgemeinschaft Wald führen.
BUNDESWEITE BODENZUSTANDSERHEBUNG
IM WALD (BZE)
Abb. 3: Bodenprofil in einem Buchenmischwald: Der Bodentyp ist ein SandbraunPodsol; die vertikale Störung rührt von
einem alten Wurzelkanal her
menbrechen alter Waldbestände,
können aufgrund der dann beschleunigt ablaufenden Mineralisierung der Humusschicht eine Erhöhung der Bodenacidität bewirken. Waldböden sind daher von
Natur aus stets saurer als Ackerböden. Allerdings stellt diese natürliche
Säurelast kein Problem für die Wälder dar: Die Waldböden können im
Normalfall darauf mit chemischen
Reaktionen reagieren, das heißt, sie
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
Um die Rolle des Bodens im Zusammenhang mit den Immissionsbelastungen der Waldökosysteme
regional differenziert beurteilen zu
können, wurde von 1987 bis 1993
eine bundesweite Bodenzustandserhebung im Wald (BZE) durchgeführt. Dies geschah in Ergänzung
zur jährlichen Waldzustandserhebung.
Über ganz Deutschland wurde
dafür ein regelmäßiges Gitternetz
mit einer Maschenweite von 8x8 km
gelegt. Jeder Gitternetzschnittpunkt
stellt heute einen BZE-Stichprobenpunkt dar: Genau dort bzw. in der
nahen Umgebung dieses Punktes
wurde ein Bodenprofil gegraben
(Abb. 3), Bodenproben und Humus-
40
proben entnommen sowie der
Waldzustand eingeschätzt. Überdies wurden Nadel-/Blattproben
gewonnen,
um
auch
die
Ernährungssituation der Waldbäume untersuchen zu können.
Die BZE war Teil des bundesweiten Umweltmonitorings im Wald.
Sie erfolgte in Regie der jeweiligen
Bundesländer. Ausgewählte Inventurdaten wurden am BFH-Institut für
Forstökologie und Walderfassung in
Eberswalde zusammengeführt und
ausgewertet. Dadurch war es erstmalig möglich, eine nach einheitlichen Kriterien erhobene und nach
vergleichbaren Methoden analysierte nationale Datenbasis über den
Waldbodenzustand
und
die
Ernährungssituation der Waldbäume aufzubauen.
Die vorliegenden Kennwerte erlauben regional differenzierte Aussagen über:
■ das Ausmaß von Bodenversauerung und Basenverarmung,
■ die Akkumulation von Schadstoffen,
■ Risiken für Grund- und Quellwasser,
■ Ungleichgewichte in der Baumernährung.
Abb. 4: Zusammenhang zwischen pH-Wert und
Basensättigung. In einem relativ engen Bereich
um pH 4 kommt es zu einem starken Umschwung
in der Basensättigung
100
Basensättigung (%)
karbonathaltige
neutrale Böden
90
80
70
Bereich hoher
Versauerungsdynamik
60
50
40
30 extrem
saure
20 Böden
10
0
2,5
3
3,5 4 4,5 5 5,5 6
pH-Wert in 0-10 cm Tiefe
6,5
7
WA L D Ö K O L O G I E
Entnahme einer Bodenprobe
Neben der Dokumentation des
aktuellen
Waldbodenund
Ernährungszustandes liefert die BZE
– vor allem im Zusammenhang mit
künftigen Folge-Inventuren – Aussagen über Ausmaß, Dynamik und
räumliche Verbreitung von Bodenveränderungen.
WALDBÖDEN
WERDEN SAURER
Fallstudien haben zu dem Schluß
geführt, daß anthropogene, säurebildende Stoffeinträge („Saurer Regen”) die bodeninternen Puffersysteme überfordern können.
Ein Indiz für den Säurezustand
des Bodens ist der pH-Wert. Er beschreibt die im Boden vorhandene
Säurestärke. Absinkende pH-Werte
weisen darauf hin, daß die Säurebelastung die Pufferrate der Böden
übersteigt. Ab einem pH unter 4,2
(Aluminium-Pufferbereich) gelangen
zunehmend für Lebewesen schädliche Aluminium- (Al3+), Eisen- (Fe3+)
und Wasserstoff-Ionen (H+) in die
Bodenlösung. Weil Säureeinträge
auch zu stofflichen Umwandlungen
im Boden führen können, ohne daß
sich der pH-Wert merklich ändert, ist
der pH-Wert allein noch kein aussagefähiger Kennwert zur Beschreibung von Versauerungserscheinun-
gen. Die Basensättigung – das heißt
der Anteil der austauschbar gebundenen basischen Nährelemente – ist
dagegen ein guter Weiser für die
Säureneutralisationskapazität der
Böden. Mit ihr läßt sich bei Berücksichtigung des Ausgangsgesteins
die Elastizität gegenüber weiteren
Säureeinträgen beurteilen (vgl. Abb.
4).
Entsprechend der geochemischen, klimatischen und nutzungsgeschichtlichen Vielfalt der deutschen
Waldböden war für den Säure-/Basenzustand eine hohe Variabilität zu
erwarten. Gemessen an den erheblichen Unterschieden im Mineralbestand der einzelnen Gesteine
(= Substrate) sind die aktuellen substratspezifischen Unterschiede im
Oberboden (bis in 30 cm Tiefe)
aber ausgesprochen gering. Lediglich die Kalkstandorte sowie Böden
auf Basalt bzw. Diabas zeichnen
sich durch eine bessere Ausstattung
mit Nährelementen sowie höhere
pH-Werte aus.
Mehr als 80 % der untersuchten
carbonatfreien Standorte befinden
sich bis in die Tiefe von 30 cm in
dem für viele Bodenlebewesen
ungünstigen Aluminium- oder Eisenpufferbereich (pH < 4.2), mehr als
60 % weisen geringe bis sehr
geringe
Basensättigungen
auf
(BS < 15 %). Tendenziell höhere
pH-Werte, die nicht auf das Substrat
zurückgeführt werden können, kennzeichnen das Nordostdeutsche Tiefland (vgl. Abb. 5). Dies wird auf die
hier in der Vergangenheit vergleichsweise geringeren Säuredepositionen in Verbindung mit hohen Einträgen basischer Flugaschen zurückgeführt.
Generell nimmt der Basenanteil
mit zunehmender Tiefe zu. Im Unterboden (bis 140 cm Tiefe) weisen
noch etwa ein Drittel der BZE-Standorte hohe Pufferreserven auf; insgesamt überwiegen aber geringe
bis mäßige Basensättigungsgrade
(BS 5–30 %).
Die BZE-Stichprobe belegt, daß
mit Ausnahme der Kalkstandorte von
41
einer flächendeckenden, weitgehend substratunabhängigen Versauerung und Basenverarmung im
Oberboden ausgegangen werden
muß.
DIE BODENFRUCHTBARKEIT
LEIDET
Nimmt der pH-Wert ab, können
wichtige Bodenlebewesen nicht
mehr an der Zersetzung der Bodenstreu teilhaben. Die Streu sammelt
sich, und die darin enthaltenen
Nährstoffe werden (zumindest vorübergehend) dem Stoffkreislauf entzogen. Die BZE-Auswertung hat gezeigt, daß sich vor allem bei denjenigen Standorten, die schon von
Natur aus nährstoffarm sind, derzeit
der überwiegende Anteil der kurzbis mittelfristig verfügbaren Nährele-
mente in der Humusauflage und
nicht mehr im Mineralboden befindet. Durch die gleichzeitig zu beobachtende Basenauswaschung aus
dem Mineralboden geraten die
Waldökosysteme in eine zunehmend instabile Versorgungssituation.
Insbesondere für Magnesium stellen
sich bereits heute – schwerpunktmäßig in den Mittelgebirgslagen –
Mangelsituationen ein.
Bei der Bewertung der Ernährungssituation der Waldbäume anhand der Nadel-/Blattanalysedaten
deutet sich überdies vor allem im
nördlichen Teil Deutschlands eine
Überernährung mit Stickstoff an. Zu-
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Bodenproben
werden im
Labor für die
chemische
Analyse
vorbereitet
WA L D Ö K O L O G I E
Abb. 5: Räumliche Verteilung der pH-Werte (in 10-30 cm Bodentiefe) im deutschen Bundesgebiet
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
42
WA L D Ö K O L O G I E
dem weisen alle beprobten Kiefern
und Buchen sowie 59 % der Fichten
erhöhte Schwefelgehalte auf, so
daß von einer flächendeckenden,
wenn auch regional unterschiedlich
hohen, Schwefel-Immissionseinwirkung auszugehen ist.
Die großräumige Immissionsbelastung der Waldböden zeigt sich
auch bei der Betrachtung der
Schwermetallgehalte in der Humusauflage. Auf 25 % bzw. 38 % der
BZE-Standorte wurden Blei- und
Kupfergehalte gemessen, die für
wichtige Bodenorganismen im Stoffkreislauf der Wälder giftig sind.
DIE WASSERQUALITÄT
LEIDET
Waldböden speichern das Niederschlagswasser und geben es nur
langsam wieder ab. Im Verlauf der
Versickerung durch den Waldboden
wird das Niederschlagswasser von
Schadstoffen gereinigt. Diese Filterwirkung von Waldstandorten ist für
die Trinkwassergewinnung von essentieller Bedeutung.
Heute ist jedoch festzustellen,
daß die mit der Bodenversauerung
einhergehende Mobilisierung von
Aluminium, Eisen und Mangan zu
erhöhten Konzentrationen dieser Elemente im abfließenden Sicker- und
Oberflächenwasser der Wälder
führt.
Überdies stellt die Verlagerung
von versauerungsbedingt mobilisierten Schwermetallen ein Gefahrenpotential für die Hydrosphäre dar.
Die BZE-Auswertungen legen den
Schluß nahe, daß in Belastungsgebieten mit hohen Schwermetalleinträgen aus der Atmosphäre davon auszugehen ist, daß bei den beobachteten niedrigen pH-Werten im
Oberboden bereits größere Mengen Zink und Cadmium ausgewaschen worden sind.
Angesichts der bedeutenden luftverfrachteten Stickstoffeinträge in
Wälder und der Ansammlung von
Stickstoff in den Humusauflagen der
sauren Waldböden muß außerdem
bei einem beschleunigtem Humusvorratsabbau mit erhöhten Nitratausträgen aus den betroffenen Waldökosystemen gerechnet werden.
DIE WALDÖKOSYSTEME
SIND GESTÖRT
Wie die bundesweite Bodenzustandserhebung im Wald (BZE) gezeigt hat, sind die Filter-, Puffer- und
Stoffumwandlungseigenschaften der
Waldböden in vielen Regionen gestört. Erste integrierende Auswertungen von bodenchemischen und
ernährungskundlichen Daten sowie
den Ergebnissen der terrestrischen
Waldzustandserhebung haben zudem Zusammenhänge zwischen
dem Bodenzustand, dem Ernährungszustand und der Vitalität der
Waldbäume deutlich werden lassen.
Natürlich sind längst noch nicht
alle Wirkungsmechanismen in
Waldökosystemen bekannt. Durch
die BZE konnte aber bereits jetzt sicher festgestellt werden, daß viele
Waldböden ihre Aufgabe in einem
funktionierenden Waldökosystem
nur noch eingeschränkt wahrnehmen können. Die Selbstregulationsfähigkeit der Wälder ist überschritten, Vitalitätseinbußen der Waldbäume sind die Folge. Nur durch
ein konsequentes, aber behutsames,
umweltbewußtes Handeln wird es
möglich sein, die eingetretenen
Schäden teilweise zu beheben.
Für die Forstwirtschaft bedeutet
dies, aus standortangepaßten,
IMPRESSUM
FORSCHUNGSREPORT
Ernährung – Landwirtschaft –
Forsten
2/1998 (Heft 18)
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten
im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
43
Schriftleitung & Redaktion:
Dr. M. Welling
Geschäftsstelle des Senats
der Bundesforschungsanstalten
c/o Biologische Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft,
Messeweg 11/12,
38104 Braunschweig
Tel.: 0531 / 299-3396
Fax: 0531 / 299-3001
E-mail: [email protected]
Redaktionsbeirat:
Dr. P.W. Wohlers, BBA Braunschweig
Dr. H. Brüning, BAZ Grünbach
möglichst tiefwurzelnden Baumarten
stabile und – soweit standörtlich
möglich – artenreiche Mischbestände herauszupflegen. Humusschonende Bewirtschaftungsweisen, die
Vermeidung von Kahlschlägen sowie die Verringerung überhöhter
Wildbestände sind dabei unbedingt zu berücksichtigen.
Allerdings können Waldbewirtschaftungsverfahren – ebenso wie
Bodenschutzkalkungen und Ergänzungsdüngungen – die Probleme
nur begrenzt entschärfen. Eine weitere Reduzierung von Luftschadstof-
fen und eine konsequente Luftreinhaltepolitik sind daher für die Erhaltung der Waldökosysteme zwingend erforderlich.
■
Dr. B. Wolff, Dr. W. Riek und P. Hennig, Bundesforschungsanstalt für
Forst- und Holzwirtschaft, Institut für
Forstökologie und Walderfassung,
Postfach 10 01 47, 16201 Eberswalde
Online-Redaktion:
TAKO
Auf dem Äckerchen 11
53343 Wachtberg
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Konzeption, Satz und
Druck:
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M. Welling, Braunschweig
Erscheinungsweise:
Der ForschungsReport erscheint
zweimal jährlich
Nachdruck, auch auszugsweise,
mit Quellenangabe zulässig
(Belegexemplar erbeten)
ISSN 0931-2277
Druck auf chlorfrei gebleichtem
Papier
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Die Bodenversauerung
kann
Oberflächengewässer in
Wäldern
beeinträchtigen
P O RT R A I T
BUNDESFORSCHUNGSANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT (FAL)
Institut für Tierzucht und Tierverhalten
Mariensee
R
und 63 % der Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft (ca. 38 Mrd. DM) stammen aus der tierischen Produktion. Die Hauptzielsetzung ist eine international
wettbewerbsfähige Erzeugung hochwertiger Produkte für den menschlichen Konsum unter Berücksichtigung von Verbraucherwünschen, Gesundheit und Schutz der Tiere, Erhaltung der genetischen Vielfalt sowie Umweltverträglichkeit. Dabei ist die Tierproduktion auf eine ebenso wettbewerbsfähige wie innovative Forschung angewiesen. Das
Institut für Tierzucht und Tierverhalten Mariensee erarbeitet als Ressortforschungsinstitut
auf den genannten Gebieten wissenschaftliche Grundlagen als Entscheidungshilfe für
das BML und erweitert den wissenschaftlichen Erkenntnisstand.
Das Institut für
Tierzucht und
Tierverhalten
ist ein
ehemaliges
Klostergut,
eingebettet in
den dörflichen
Charakter ca.
20 km
nordwestlich
von Hannover
UMSTRUKTURIERUNG
Seit dem 1. Januar 1998 werden
das Institut für Tierzucht und Tierverhalten Mariensee und das Institut für
Kleintierforschung Celle/Merbitz als
Institut für Tierzucht und Tierverhalten
Mariensee mit vier Außenstandorten
(Trenthorst/Wulmenau, Celle, Höfer,
Merbitz) weitergeführt. Die Außenstandorte werden in Folge des Rahmenkonzeptes des BML nach einem
mehrstufigen Umsetzungskonzept in
den nächsten Jahren geschlossen, wobei die Aufgaben an die FAL-Standorte Mariensee und Braunschweig (Geflügelernährung) verlegt werden.
Auch fachliche Gründe sprechen für
eine Umstrukturierung der Nutztierforschung der FAL mit Konzentration am
Standort Mariensee: Bestehende, hi-
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
storisch begründete Grenzen zwischen Groß- und Kleintierforschung
sind nicht länger aufrecht zu erhalten.
Wissensbasis, Fragen, Problemstellungen und Methodenrepertoire sind
sehr ähnlich; Effizienz, Verbesserung
und Optimierung der Nutzung verfügbarer Ressourcen durch fachliche und
räumliche Zusammenführung von fünf
auf einen Standort lassen eine Verbesserung der wissenschaftlichen Effizienz, der interdisziplinär-fachlichen Interaktion und der Wahrnehmung von
Ressortaufgaben erwarten.
Die künftigen Arbeitsschwerpunkte
sind im „Wissenschaftlichen und organisatorischen Konzept der FAL für
das Institut für Tierzucht und Tierverhalten” aus dem Jahre 1997 niedergelegt und nachfolgend verkürzt wiedergegeben.
44
FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE
Genetik und
Genetische Ressourcen
■ Züchtungs- und Populationsgenetik:
Erarbeitung methodischer und theoretischer Kenntnisse vor allem im
Bereich statistischer Modelle für die
Tierzucht; Anwendung genetischstatistischer Verfahren unter Nutzung neuer biotechnologischer Entwicklungen; Planung und Bewertung von Zuchtprogrammen; Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Grundlagen der Leistungsprüfung; Züchterische Einflüsse auf Verhaltensmerkmale (Verhaltensgenetik).
■ Molekulargenetik und molekulare
Marker: Nutzung molekularbiologischer Verfahren für die Züchtung;
Aufklärung der Zusammenhänge
von Struktur, Organisation und
Funktion von Genen als Voraussetzung für den Gentransfer bei landwirtschaftlichen Nutztieren.
■ Tiergenetische Ressourcen: Nutzung populationsgenetischer und
molekulargenetischer Verfahren zur
Identifizierung von Populationen;
Erarbeitung von Methoden und
Strategien zur Erhaltung nutztiergenetischer Ressourcen.
Nutztierphysiologie
■ Erarbeitung systemphysiologischer
Zusammenhänge der Körperfunktion landwirtschaftlicher Nutztiere:
Regulation des prä- und postnatalen Wachstums, Regulation der Reproduktion, Regulation des Verhaltens.
■ Erforschung molekularer und physiologischer, besonders endokriner
Regelsysteme: von Wachstum, Reproduktion und Adaptation und
von Verhaltensäußerungen.
P O RT R A I T
Produktqualität von landwirtschaftlichen
Nutztieren ist mit Hilfe der Computertomographie bereits am lebenden Tier
feststellbar
■ Leistungsphysiologie der Tierproduktion: zur Erkennung und Bewertung von physiologischen Grenzen.
■ Biologische Folgenabschätzung:
von bio- und gentechnischen Verfahren, von züchtungsbedingten
Veränderungen genomischer Expression.
■ Entwicklung von Methoden in der
Nutztierphysiologie: zur Abschätzung des Bedarfs der Tiere, zum
Schutz der Tiere.
Biotechnologie
■ Entwicklung neuer Verwendungsmöglichkeiten und Nutzung landwirtschaftlicher Nutztiere (transgene Tiermodelle als Produktionsalternativen).
■ Biotechnologie-Folgeabschätzung
zum Schutz von Tier und Konsument (Molekulare und zellbiologische Regulation der frühen Embryonalentwicklung und Differenzierung – Genexpression).
■ Entwicklung von Biotechnologien
zur Erhaltung tiergenetischer Ressourcen (Reifung und Befruchtung
von Oocyten und in vitro Entwicklung von Embryonen).
■ Entwicklung biotechnischer Verfahren als Beitrag zur Sicherung der
Ernährung der Weltbevölkerung.
Haltung und Tierschutz
■ Bewertung,
Weiterentwicklung
und Optimierung von Haltungs-
systemen unter Gesichtspunkten
des biologischen Bedarfs, der Tiergesundheit, der Ökologie und der
Ökonomie.
■ Ermittlung des biologischen Bedarfs unter besonderer Berücksichtigung von Motivation, Furcht, Verhaltensontogenese, -adaptation,
-rhythmizität und -expression bei
Haltung und Transport.
■ Untersuchungen zum Einfluß und
zur Bedeutung natürlicher und technisch bedingter Umweltfaktoren
auf Funktion und Verhalten von
Nutztieren.
■ Methodische Entwicklungen insbesondere zu tierschutzrelevanten
Fragestellungen.
Prozeß- und
Produktqualität
■ Interaktionen zwischen Produktqualität, Umwelt, Haltungsverfahren,
Leistungsfähigkeit, Gesundheit und
Hygiene.
■ Magnet-Resonanz-Analysen von
Körperzusammensetzung und von
Qualitätsmerkmalen während des
Wachstums und bei der Fleischerzeugung.
■ Neue Methoden und Überprüfung
der Qualitätsbewertung, Tiergesundheit und Bestandshygiene.
■ Entwicklung, Erprobung und Einführung molekularbiologischer Methoden für die Diagnostik und Epidemiologie tier-, produkt- und prozeßhygienisch relevanter bakterieller Erreger.
Molekularbiologie bis zur Sicherheitsstufe 2, Hormonanalytik, Zellkultur,
Mikrobiologie, Histologie, Verhaltensforschung einschließlich Bioakustik)
verfügt das Institut über spezielle Versuchseinrichtungen für landwirtschaftliche Nutztiere (Magnet-Resonanz-Tomographie für Tiere, Hochgeschwindigkeitslaufband, Operationsräume,
Klimastall, Brüterei, Schlachtanlagen
u.a.m.).
Die Versuchswirtschaften stehen für
die versuchsmäßige Unterbringung
und Versorgung von Rindern, Schafen, Schweinen, Pferden sowie Geflügel und Kaninchen mit modernen Stallungen, Ausläufen und schlagkräftiger
Außenwirtschaft bereit.
Das Institut nimmt Diplomanden,
Doktoranden und Postdocs auf. Es ist
anerkannte Weiterbildungsstätte für
Tierärzte zum Fachtierarzt für Physiologie und Physiologische Chemie, Mikrobiologie sowie Reproduktionsmedizin. Außerdem ist es Ausbildungsstätte für Biologielaboranten, land-
INFRASTRUKTUR
Das Aufgabenspektrum des Instituts
ist nur über eine Verstärkung des planmäßigen
Wissenschaftlerstammes
durch zahlreiche Gastwissenschaftler
aus dem In- und Ausland sowie durch
Drittmittel zu bewältigen. Darüber hinaus wird eine intensive Zusammenarbeit mit universitären und außeruniversitären Einrichtungen im In- und Ausland gepflegt.
Neben Standardlaboratorien, (Biophysikalische
Meßwerterfassung,
45
wirtschaftlich technische Assistenten/innen (Schwerpunkt Tierproduktion), für Tierwirte (Geflügel), für Handwerker (Feinmechaniker), landwirtschaftliche Gehilfen und Landmaschinenmechaniker.
■
Prof. Dr. sc. agr. Dr. habil. Dr. h.c.
Franz Ellendorff (M.Sc.), Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft
(FAL), Institut für Tierzucht und Tierverhalten, Höltystraße 10, 31535 Neustadt
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Forschungsarbeiten zur
Erhaltung
genetischer
Ressourcen
(hier das
Schwarzbunte
Niederungsrind)
und zur
umweltgerechten
Flächenbewirtschaftung werden
durch größere
Tierbestände
und Flächen
ermöglicht
P O RT R A I T
BUNDESANSTALT FÜR ZÜCHTUNGSFORSCHUNG AN KULTURPFLANZEN
Institut für landwirtschaftliche
Kulturen, Groß Lüsewitz
M
it der Gründung der Bundesanstalt
für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) am 1. Januar 1992
wurden am Standort Groß Lüsewitz bei Rostock drei Institute eingerichtet: Das Institut
für Streßphysiologie und Rohstoffqualität,
das Institut für Züchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und das Institut für
Züchtungsmethodik landwirtschaftlicher
Kulturpflanzen. Die beiden letztgenannten
Institute wurden im Mai 1998 zum Institut
für landwirtschaftliche Kulturen zusammengefaßt.
Dem Institut für landwirtschaftliche
Kulturen (ILK) stehen nach dem Feinkonzept 2005 für die Forschung im
Ressortbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten (BML) 35 Personalstellen
aus Haushaltsmitteln zur Verfügung,
davon zwölf Wissenschaftlerstellen.
Aus Drittmitteln sind zur Zeit weitere
acht wissenschaftliche und technische Mitarbeiter angestellt.
Das ILK unterhält circa 2600 m2
Gewächshausfläche, zum Teil als klimatisierbare Kabinengewächshäuser und S1-Gentechnik-Arbeitsbereiche, sowie rund 900 m2 Molekularbiologie-, Biotechnologie-, Radionuklid-, Resistenzlaborflächen sowie sonstige Arbeitsräume. Gemeinsam mit dem Nachbarinstitut werden
52 ha Versuchsfläche einschließlich
Freisetzungsflächen bewirtschaftet.
AUFGABEN
Das ILK hat die Aufgabe, für ausgewählte landwirtschaftliche Kulturarten genetisch definiertes Basismaterial zu erstellen und effiziente Züchtungsmethoden zu erarbeiten. Hierbei stehen Aspekte der gesunden
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
Merkmalsgene für die markergestützte Selektion werden isoliert und charakterisiert
Pflanze, der Produktqualität sowie
der nachwachsenden Rohstoffe im
Vordergrund.
Die Auswahl der bearbeiteten
landwirtschaftlichen Kulturpflanzen
orientiert sich am langfristigen Forschungsbedarf sowie an den regionalen ökologischen und pflanzenbaulich-züchterisch relevanten Gegebenheiten. Die gegenwärtig bearbeiteten ca. 30 Forschungsprojekte
befassen sich mit Raps und anderen
Brassicaceen, Kartoffel, Gerste, Roggen, Hafer, Triticale und Weidelgräsern.
ERSTELLUNG VON
BASISMATERIAL
Das ILK erstellt Ausgangsmaterial
für die Pflanzenzüchtung mit genetisch definierten Merkmalen. Dafür
werden sowohl klassische als auch
biotechnologische und gentechnische Methoden angewendet.
Arbeitsschwerpunkte bei der Kartoffel sind dauerhafte Resistenzen gegenüber dem Pilz Phytophthora infestans und Erregern der Knollenfäulen,
Kaltlagerungseignung im Hinblick
auf die Kartoffelverarbeitung und in
46
begrenztem Maße die Züchtung auf
diploider Valenzstufe. Die Resistenzzüchtung bedient sich zum einen
langfristig angelegter Kreuzungs- und
Selektionsprogramme, um aus verwandten, kreuzbaren Wildarten der
Kartoffel wertvolle Resistenzgene in
das Genom der Kulturkartoffel einzulagern. Zum anderen werden auch
nicht kreuzbare Solanum-Arten als
Resistenzquelle genutzt, indem durch
die Fusion zellwandloser Pflanzenzellen (Protoplastenfusion) die Genome verschiedener Partner miteinander kombiniert werden.
Die züchterischen Aktivitäten bei
Raps konzentrieren sich gegenwärtig
auf die Bearbeitung der Ölqualität
und die Nutzung der Selbstinkompatibilität als System der Befruchtungskontrolle. Für die Verwendung als
nachwachsender Rohstoff können
Rapsformen erzeugt werden, die besonders hohe Gehalte an bestimmten
Fettsäuren im Samenöl aufweisen.
Hierzu werden am ILK neben klassisch-züchterischen auch gentechnische Methoden angewandt, um
durch die Übertragung von Genen
aus ölreichen Wildpflanzen oder anderen Organismen das hohe natürliche Öl-Ertragspotential von Raps mit
P O RT R A I T
zur gentechnischen Bearbeitung von
Kulturpflanzen optimiert.
der Fähigkeit zur Synthese spezifischer Fettsäuren zu kombinieren.
Die Aktivitäten bei Getreide und
Gräsern konzentrieren sich auf die
Erzeugung krankheitsresistenten Materials unter Berücksichtigung der
agronomischen Leistungsmerkmale.
Schwerpunkte sind das Screening
von Genbankmaterial und dessen
Nutzung als genetische Ressource für
Resistenzgene gegenüber Blattkrankheiten bei Roggen und Weidelgras,
Virusresistenz bei Hafer sowie gegenüber Ähren- und Blattkrankheiten
bei Triticale.
ERARBEITUNG VON
ZÜCHTUNGSMETHODEN
Eine Reihe züchtungsmethodisch
ausgerichteter Arbeiten befaßt sich
mit der Entwicklung molekularer Marker für die markergestützte Selektion
auf Resistenz- und Qualitätsmerkmale. Möglichkeiten zum Einsatz der
Selbstinkompatibilität oder gentechnisch erzeugter männlicher Sterilität
für die Züchtung bei Raps sind Gegenstand weiterer Projekte.
Züchtungsmethodisch
orientiert
sind auch Arbeiten, die sich mit der
ARBEITSGRUPPEN
Sich aus Mikrosporen entwickelnde RapsEmbryonen in Flüssigmedium
Entwicklung molekularer Nachweismethoden zur Identifizierung transgener Pflanzen im Züchtungsprozeß
oder mit der Isolierung von Genen für
die Befruchtungskontrolle bei Gräsern befassen. Im Bereich der biotechnologischen Verfahren wird nach
Möglichkeiten gesucht, die züchterisch nutzbare genetische Variabilität
bei Solanaceen und Brassicaceen
durch Fusion von Protoplasten (zellwandlose Zellen) zu verbreitern. In
weiteren Arbeiten werden Methoden
Test auf Braunfäuleresistenz von Kartoffelknollen. Äußere Reihen: anfällige Genotypen
mit gering bzw. stark ausgeprägter Verbräunung; mittlere Reihe: BAZ-Zuchtstamm mit
hoher Resistenz
Drei Arbeitsgruppen widmen sich
den unterschiedlichen methodischen
Aspekten der Forschungsprojekte.
Die einzelnen Projekte werden integriert – das heißt möglichst unter Beteiligung jeder Arbeitsgruppe – bearbeitet. Am Beispiel der Forschungsarbeiten am Raps soll dies illustriert
werden.
In der AG „Biotechnologie” wird
Raps mit Genkonstrukten unterschiedlicher Art transformiert, um die Ölqualität entsprechend den jeweiligen
Zuchtzielen modifizieren zu können.
Die transformierten Gewebe werden
in vitro zu vollständigen Pflanzen regeneriert und den beteiligten externen Partnern für züchterische Arbeiten zur Verfügung gestellt.
Die AG „Molekulare Züchtungsmethoden” charakterisiert transgene
Rapslinien hinsichtlich der Anzahl
eingefügter Genkopien. Für spezifische Transgene werden PCR-Assays
entwickelt und optimiert, so daß mit
ihnen Typisierungen mit hohem Probendurchsatz möglich sind.
Die AG „Züchtung/Basismaterial”
führt mehrjährige Freisetzungsversuche mit dem Ziel durch, die Merkmalsausprägung der eingeführten
Gene unter Freilandbedingungen zu
testen. Hierzu werden größere Mengen an Rapssamen im Feld produziert und zum einen im eigenen Labor
in ihrer Fettsäurezusammensetzung
charakterisiert. Zum anderen werden
Samenpartien im Pilotmaßstab an Ölmühlen weitergegeben, welche die
technologischen Parameter des transgenen Materials im Hinblick auf dessen industrielle Nutzung als nachwachsender Rohstoff testen.
■
Priv.-Doz. Dr. Peter Wehling, Bundesanstalt für Züchtungsforschung an
Kulturpflanzen, Institut für landwirtschaftliche Kulturen, Rudolf-SchickPlatz 1, 18190 Groß Lüsewitz
47
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
N A C H R I C H T E N
Bundesanstalt für
Fleischforschung und
Bundesforschungsanstalt für
Viruskrankheiten der Tiere
Immunologische
Ohrmarke für
Rinder
Biomarkierung als Alternative für die
Herkunftssicherung?
Wissenschaftler der Bundesanstalt für Fleischforschung und der
Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere arbeiten zusammen an einem neuen, immunologischen Verfahren, mit dem sich
Biotechnologische
Verfahren
könnten in
Zukunft
die Tierkennzeichnung
durch
Ohrmarken
ergänzen
die Herkunft von Rindern und Rindfleischprodukten überprüfen und
zweifelsfrei nachweisen lassen soll.
Hintergrund ist der „Rinderwahnsinn” BSE. Die Geschehnisse rund
um diese Seuche haben das Vertrauen der Verbraucher in die Unbedenklichkeit von Lebensmitteln tierischer Herkunft, speziell Rindfleisch,
stark beeinträchtigt.
Der Herkunftssicherung und Kennzeichnung von Nutztieren kommt in
diesem Zusammenhang eine steigende Bedeutung zu. Seit Anfang
1998 gelten EU-weit einheitliche
Vorschriften für die Kennzeichnung
und Registrierung von Rindern. So
müssen Kälber jetzt mit zwei Ohrmarken markiert werden, außerdem
gibt es Tierpässe sowie neue Meldeund Registrierverfahren. Begleitet
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
werden diese Maßnahmen von der
Rindfleischetikettierung.
Ein Problem solcher konventioneller Dokumentationssysteme könnte –
neben dem vergleichsweise hohen
bürokratischen Aufwand – in einer
fehlenden Fälschungssicherheit liegen (falsche Bescheinigungen, Daten etc.). Darüber hinaus kann die
Herkunft von Produkten wie Milch
und Fleisch nicht zweifelsfrei überprüft werden.
Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung von anderen Markierungsverfahren interessant, mit denen
Nutztiere wie auch Lebensmittel auf
natürliche Weise gekennzeichnet
und ihre Herkunft zurückverfolgt werden können.
Die Wissenschaftler aus Kulmbach und Tübingen setzen hier auf
eine gezielte Biomarkierung. Das
Verfahren basiert auf der Antikörperreaktion von Tieren nach Applikation von definierten Immunogenen
und ist vergleichbar mit den Vorgängen bei einer aktiven Schutzimpfung. Würden Kälber mit Immunogenen behandelt, die eine gute Antikörperbildung hervorrufen und denen die Tiere natürlicherweise nie
ausgesetzt sind, dann wäre über einen einfachen Nachweis der Antikörper im Blut jederzeit ein Rückschluß auf das verwendete Immunogen möglich.
Auf dieser Basis wäre eine immunologische Kennzeichnung von Tieren in Erzeugerringen, Qualitätsprogrammen, einzelnen Bundesländern
oder Staaten denkbar, wobei als
Biomarker bestimmte Peptid-Immunogene einzeln oder in Kombination
in Frage kommen. Da sich Anti-Peptid-Antikörper auch in Milch und
Tropfsaft von Fleisch nachweisen lassen, wäre auf diese Weise nicht nur
eine Kennzeichnung der Tiere
selbst, sondern auch der von ihnen
stammenden Lebensmittel möglich.
Das neu entwickelte Verfahren ist
den Wissenschaftlern mittlerweile
patentiert worden.
(M. Gareis, BAFF und M. Groschup, BFAV)
48
Bundesforschungsanstalt für
Landwirtschaft (FAL)
Molekularbiologe
der FAL erhielt zwei
Förderpreise
Neue Methode zur Diagnostik von Salmonellen entwickelt
Dr. Stefan Schwarz vom FAL-Institut für Tierzucht und Tierverhalten ist
im vergangenen Jahr für seine Forschung auf dem Gebiet der Tiergesundheit gleich doppelt ausgezeichnet worden. Für seine Arbeiten zur
molekularen Typisierung von Salmonellen sowie zur Struktur, Regulation
und Übertragbarkeit von Resistenzen bei Bakterien wurde ihm der
Förderpreis der Akademie für Tiergesundheit verliehen. Zusätzlich hat
ihn die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft mit dem Preis zur
Förderung von Nachwuchswissenschaftlern geehrt. Sie würdigte damit seine Untersuchungen über Mechanismen der Rekombination von
Resistenzplasmiden sowie seine Arbeiten auf dem Gebiet der molekularen Epidemiologie. Der habilitierte
Tierarzt ist seit Oktober 1992 am Institutsstandort Celle tätig, wo er den
Forschungsbereich ‘Molekulare Diagnostik’ aufgebaut und inzwischen
zu internationaler Anerkennung geführt hat.
(FAL)
Zentralstelle für
Agrardokumentation und
-information
Neuer
Informationsservice
der ZADI eröffnet
Mit FIZ-AGRAR auf online-Recherche
Ab sofort bietet die ZADI mit der
Einstiegsseite FIZ-AGRAR (Fachinformationszentrum Ernährung, Landund Forstwirtschaft) das gesamte
Spektrum der Agrardatenbanken,
die auf ihrem Datenbankserver lie-
N A C H R I C H T E N
gen, zur online-Recherche an. Unter
http://www.fiz-agrar.de ist der Service zu erreichen.
Die Menüstruktur von FIZ-AGRAR
unterscheidet die Datenbanken einerseits nach Fachgebieten wie
Pflanzenproduktion, Tierproduktion,
Ökonomie, andererseits nach Inhaltstypen wie Literatur, Fakten und Projekten. Zur Zeit werden 147 Datenbanken auf dem Server der ZADI
betrieben. Zu jeder Datenbank liegt
auf FIZ-AGRAR eine Kurzbeschreibung der Inhalte mit Angaben zu
Umfang, Datenproduzent, UpdateIntervall und Zugangsbedingungen
vor. Mit FIZ-AGRAR verfügt der
Agrarbereich der Bundesrepublik
über eine strukturierte Sammlung
wissenschaftlich fundierter Datenbanken mit einfach zu bedienenden
Benutzeroberflächen.
(ZADI)
wohl die mikroklimatischen Bedingungen als auch die Wasser- und
Nährstoffversorgung in den Kabinen
unabhängig untereinander regelbar.
Das IGZ hat die Aufgabe, wissenschaftliche Grundlagen für die
Produktion von Gemüse und Zierpflanzen im Spannungsfeld zwischen Ertrag, Umwelt und Qualität
zu schaffen. Die Kabinengewächshausanlage bietet den Forschern
dazu viele neue Möglichkeiten nach
neuestem Stand der Technik. (BML)
Institut für Gemüse- und
Zierpflanzenbau e.V.
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes”
Die aktuellen Förderungsgrundsätze des Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) sind mit weiteren Informationen zur GAK in das Deutsche Agrarinformationsnetz (DAINet)
eingespeist worden. Die InternetAdresse
lautet:
http://www.
dainet.de/bml/gak. Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” handelt es sich um das
wichtigste Instrument der nationalen
Förderung der Agrarstruktur. Die
GAK umfaßt eine Anzahl von Förderungsrichtlinien, die jährlich vom
Bund und den Ländern gemeinsam in
Kabinengewächshaus eingeweiht
Am 3. Juli 1998 wurde im Institut
für Gemüse- und Zierpflanzenbau
e.V. (IGZ) am Standort Großbeeren
bei Berlin eine neue Klimagewächshausanlage in Betrieb genommen.
Das Gewächshaus ist mit 16 Klimakammern à 64 m2 ausgestattet. Die
Wissenschaftler planen unter anderem, dort die Reaktionen von Pflanzen auf verschiedene Bedingungen
Das
in der Umgebung des Sprosses, teilneue
Gewächs- weise in Kombination mit den Bedingungen in der Wurzelumgehaus in
Großbeeren bung, zu untersuchen. Dazu sind so-
einem Rahmenplan verabschiedet
werden. Gefördert werden unter anderem benachteiligte Gebiete, extensive Produktionsmaßnahmen, die
Dorferneuerung sowie Flurbereinigung und Flurneuordnung.
Die Durchführung der Förderungsmaßnahmen ist Aufgabe der Länder.
Finanziert werden die Maßnahmen
zu 60 % vom Bund und zu 40 % von
den Ländern; beim Küstenschutz ist
der Bund zu 70 % beteiligt. 1973,
also vor genau 25 Jahren, wurde der
erste Rahmenplan umgesetzt. (BML)
Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten
Bundesforschungsanstalt für
Fischerei
Förderungsgrundsätze jetzt im
Internet
Deutsches
Forschungsschiff
auf der
EXPO 98
49
Eine Forschungsexpedition in das Gebiet
der Iberischen Tiefsee
hat die Bundesforschungsanstalt für Fischerei (BFAFi) in der
Zeit vom 14.08.24.09.1998 durchgeführt. Am Ende dieser Reise lief das
Fischereiforschungsschiff
„Walther
Herwig III” Lissabon an, wo es die
deutsche Fischereiforschung als Beitrag auf der EXPO 98 vorstellte. Die
Präsentation war ein großer Erfolg. In
drei Tagen konnten mehr als 13.000
Besucher das Forschungsschiff besichtigen. Die Schiffsbrücke, der Maschinenraum, die Laboratorien, das Forschungsgerät und eine Posterausstellung begeisterten das multinationale
Publikum.
Daneben gab es einen kleinen
Empfang, zu dem portugiesische
Meeresforscher, Vertreter der Deutschen Botschaft und Wissenschaftler
des Marine Habitat Committee des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES), der zur gleichen Zeit in
Cascais nahe Lissabon tagte, geladen waren.
(H.-S. Jenke, BFAFi)
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Mehrere
Tausend
Besucher
informierten
sich an Bord der
„Walther
Herwig III”
in Lissabon über
die deutsche
Fischereiforschung
TA G U N G E N
Biologische Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft
Biologische
Sicherheit bei
transgenen
Organismen
Der Amerikaner
Clive James
informierte in
seinem
Eröffnungsvortrag über
globale
Aspekte der
Vermarktung
transgener
Kulturpflanzen
(Foto: G. Freyer)
stimmung. Auf der Tagung wurde
deutlich gemacht, daß sich das Risikopotential für Mensch, Tier und Umwelt aufgrund der bisherigen Erfahrungen als wesentlich geringer herausgestellt hat als anfänglich angenommen. Die umfangreichen Freilandstudien mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Mikroorganismen und der weltweite kommerzielle Anbau transgener Pflanzen haben
bisher zu keinen negativen Auswirkungen geführt. Es wurde bestätigt,
daß die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft keine neuen Risiken gegenüber anderen Techniken birgt, die in der modernen Lebensmittelproduktion und -verarbeitung eingesetzt werden.
Eine Bewertung der transgenen
Pflanzen sollte aus wissenschaftlicher Sicht produktspezifisch in einer
Fall-für-Fall Betrachtung erfolgen. Bedingt durch die schnelle Entwicklung
und Nutzung neuer Eigenschaften
(z. B. Salzresistenz, Trockentoleranz, Herstellung von Pharmaka in
Pflanzen) muß auch die Sicherheitsbewertung ständig erweitert werden.
Daher sind entsprechende Forschungsarbeiten und der Informations- und Erfahrungsaustausch außerordentlich wichtig. Es wurde beschlossen, sich weiterhin in regelmäßigen Abständen zu treffen: Das
6. Symposium soll im Jahr 2000 in
Kanada, das 7. Symposium 2002
in China stattfinden.
(BML, BBA)
Internationales Symposium in Braunschweig
„The Biosafety Results of Field
Tests of Genetically Modified Plants
and Microorganisms”: Unter diesem
Titel haben sich
zum fünften Mal
Wissenschaftler
aus zahlreichen
Nationen zu einem Erfahrungsaustausch über
die
Sicherheit
bei
gentechnisch veränderten Pflanzen und
Mikroorganismen zusammengefunden. Das
Symposium, das
vom 6.-10. September 1998 in
Braunschweig
stattfand, war
von der Biologischen Bundesanstalt
für Land- und Forstwirtschaft (BBA)
unter Beteiligung des United States
Department of Agriculture (USDA)
und der Europäischen Kommission
organisiert worden.
Transgene Kulturpflanzen 1996 – 98
Vor dem Hintergrund
der rasanten EntwickMillionen Hektar
30
lung der Gentechnik –
27,8
25
1998 wurden weltweit
auf rund 28 Mio. ha
20
gentechnisch veränder15
te Pflanzen angebaut –
10
bot das Symposium
11
den etwa 250 Exper5
1,7
ten ein Forum zur Dis0
kussion von Fragen der
1996
1997
1998
biologischen
SicherAnbaufläche von transgenen Kulturpflanzen weltweit
(ohne China) in Mio. ha (Quelle: Clive James, ISAAA).
heitsforschung, der SiZum Vergleich:
Gesamte Ackerbaufläche Deutschlands: 12 Mio. ha
cherheitsbewer tung
und der Standortbe-
FORSCHUNGSREPORT
2/1998
50
Bundesanstalt für
Fleischforschung
Gentechnik und
Ernährung
BAFF bot ein Forum für die Diskussion
von Zweifeln und Erwartungen
„Novel Food – Gentechnik –
Ernährung” war der Titel einer Podiumsdiskussion, mit der die Bundesanstalt für Fleischforschung ihre diesjährige „Kulmbacher Woche” – eine
Veranstaltung rund um das Lebensmittel Fleisch – begann. Acht Vertreter
aus Wissenschaft, Rechtsbereich,
Verwaltung und Politik legten hier
ihre Ansichten dar. Gleichsam als
Motto stand dem Streitgespräch der
Satz voran, mit dem Professor Hans
Steinhart von der Universität Hamburg die Situation kennzeichnete:
Mögen viele für oder gegen die Gentechnik sein, aufzuhalten ist sie nicht.
Vor diesem Hintergrund war geradezu zwangsläufig der Begriff „gentechnikfrei” auf dem Tisch. Eine solche Deklaration läßt die EU für Lebensmittel zu, die kein neuartiges Erzeugnis im Sinne der Novel Food
Verordnung sind. Die Wissenschaftler waren sich allerdings einig, daß
sich das Nichtvorhandensein einer
Eigenschaft der wissenschaftlichen
Untersuchung entzieht. Die Deklaration „gentechnikfrei” kann daher nur
als politischer Ansatz begründet werden. Dieses Problem hat seine Ursachen unter anderem in den Nachweismethoden. Diese können nur
greifen, wenn bekannt ist, wonach
gesucht werden soll. Das sei aber
gerade nur bei Lebensmitteln mit gentechnischen Veränderungen gegeben, erklärte Professor Knuth Heller
von der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel. Solche Veränderungen erfolgen immer in eng definierten Bereichen der Erbmasse und
drücken sich folgerichtig auch nur in
einem engen Spektrum von Merkmalen aus. Sie können daher relativ
leicht analytisch nachgewiesen und
kontrolliert werden. Dr. Ralf Greiner
TA G U N G E N
von der Bundesforschungsanstalt für
Ernährung in Karlsruhe relativierte
diese Sicherheit jedoch im Hinblick
darauf, daß in hochverarbeiteten
Produkten ein Nachweis selbst bei
Kenntnis der Veränderung häufig
nicht mehr möglich sei. Aus dieser
Sicht werde beispielsweise die Aussage des „gentechnikfreien Tomatenmarks” schwer nachzuprüfen sein.
Die Ausführungen verdeutlichten,
daß sich zwar eine Übertretung der
Deklaration „gentechnikfrei” unter
günstigen Bedingungen nachweisen
ließe, nicht aber ihre Einhaltung. In
einem Punkt wird es aber doch
größere Sicherheit geben: Gentechnisch veränderte Produkte bedürfen
einer Zulassung. In diesem Rahmen
werden sie auf Herz und Nieren mit
modernen Analysemethoden geprüft.
Dabei geht es vor allem auch um
das, was die Verbraucher besonders
bewegt: um Allergien. Nach einhelliger Aussage der Wissenschaftler
sind gerade gentechnisch veränderte
Lebensmittel in positivem Sinne „Novel Food”, also neuartig. Denn erst
diese Lebensmittel werden konsequent auf ihre allergieauslösende
Wirkung geprüft. Sie sind damit in
dieser Hinsicht sicherer als manches,
was sonst auf den Tisch kommt. Trotzdem wurde von Dr. Wilbert Himmighofen vom Bundesernährungsministerium (BML) bekräftigt, daß keine
Technologie – auch nicht die Gentechnik – ohne Risiken sei. Nicht alles
zu machen, was machbar ist, ethische Grenzen einzuhalten und eben
Risiken zu erkennen und zu kontrollieren, das mache diese für die Welternährung künftig so wichtige Wissenschaft auch sozial verträglich.
Allerdings sehen die Kulmbacher
Fleischforscher für das von ihnen betreute Lebensmittel die Situation ohnedies nicht so aufgeregt. „Was wir
an Qualitätsmerkmalen von Fleisch
auch auf lange Sicht erwarten können”, so schloß der Leiter der BAFF,
Professor Klaus Troeger, die Diskussion, „das erreichen wir wie bisher mit
ganz normaler Tierzucht und Tierhaltung”.
(BAFF)
Biologische Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft
Pflanzenschutz im
Ökolandbau
Wissenschaftler diskutierten mit Verbandsvertretern und Praktikern
Am 18. Juni 1998 führte die Biologische Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft (BBA) ein Fachgespräch zu dem Themenkreis „Pflanzenschutz im ökologischen Landbau
– Probleme und Lösungsansätze” in
Kleinmachnow durch. Im ersten Teil
der Veranstaltung wurden vor dem
Hintergrund der ab 1. Juli 1998 geltenden neuen Regelungen im Pflanzenschutzgesetz der Stand und die
Probleme der Registrierung und Anwendung von Pflanzenstärkungsmitteln im ökologischen Landbau diskutiert. Im zweiten Teil wurde die Behandlung von Getreidesaatgut mit
niederenergetischen Elektronen als
Möglichkeit der Beseitigung von
Schadorganismen, die am Saatgut
anhaften, erörtert. Dabei zeigte
sich, daß weiterer Forschungsbedarf vorhanden ist, insbesondere zur
Klärung mittel- und langfristiger Auswirkungen dieser Behandlung auf
die Saatgutqualität.
(BML)
Senatsarbeitsgruppe
„Qualitätsgerechte und
umweltverträgliche
Agrarproduktion”
Workshop über
„Nachhaltige
Landwirtschaft”
Vom 20.–22. April 1999 lädt
die Arbeitsgruppe „Qualitätsgerechte und umweltverträgliche Agrarproduktion” des Senats der Bundesforschungsanstalten zu einem Workshop über nachhaltige Landwirtschaft nach Braunschweig ein.
Tagungsort wird das Forum der FAL
in Braunschweig-Völkenrode sein.
51
Auf dem Workshop sollen der Stand
der Forschung zur Nachhaltigkeit in
der Landwirtschaft aufgezeigt sowie
neue Methoden und Trends vorgestellt werden. Dabei wird der Bogen
gespannt von integrierten Verfahren
der Tier- und Pflanzenproduktion
über Ressourcenschonung und Stoffkreisläufe bis hin zu sozioökonomischen Aspekten. Ein großzügiger
Zeitrahmen soll genügend Platz für
Diskussionen lassen. Ziel ist es, sich
durch die Erarbeitung von Bewertungskriterien dem unscharfen, aber
vielgebrauchten Begriff „Nachhaltigkeit” zu nähern. Darüber hinaus
soll der Workshop als Informationsdrehscheibe und Projektbörse dienen und damit zur Zusammenarbeit
anregen.
(Senat)
Institut für Agrartechnik
Bornim e. V.
ComputerBildanalyse in der
Landwirtschaft
Zum fünften Mal in Folge findet
am Institut für Agrartechnik Bornim
e. V. (ATB) ein Workshop zur Anwendung der Computer-Bildanalyse
in der Landwirtschaft statt. Die zusammen mit der Senatsarbeitsgruppe „Qualitätsgerechte und umweltverträgliche Agrarproduktion”
organisierte Arbeitstagung ist für
den 04. Mai 1999 in Potsdam
geplant. Ziel des Workshops, der
sich vorwiegend an Wissenschaftler
und Ingenieure aus Forschungseinrichtungen richtet, ist der Austausch
von Informationen und Erfahrungen
zu spezifischen Anwendungen der
Computer-Bildanalyse. Schwerpunkte sind die Erkennung von Pflanzen
und Pflanzenbeständen, die Klassifikation biologischer Objekte und die
Auswertung von Bildinformationen.
Interessenten können sich an
Dr. Bernd Herold vom ATB in Potsdam-Bornim
wenden
(e-mail:
[email protected]) . (ATB)
2/1998
FORSCHUNGSREPORT
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
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