1 WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DER BUNDESREGIERUNG GLOBALE UMWELTVERÄNDERUNGEN Globale Umweltveränderungen: Herausforderungen im 21. Jahrhundert Dr. Carsten Loose Geschäftsstelle WBGU 6.5.2009 2 Aufbau Nachhaltige Entwicklung: Ansatz des WBGU (Beispiel: Meere und Klimawandel) Wechselwirkungen und Komplexität globaler Umweltveränderungen (Beispiel: Sicherheitsrisiko Klimawandel) 3 WBGU: wissenschaftliche Politikberatung zum Globalen Wandel Der Beirat Brückenschlag Wissenschaft – Politik Globaler Wandel: globale Umwelt- UND Entwicklungsprobleme interdisziplinär: gesellschafts- UND naturwissenschaftliche Experten unabhängig Gutachten wissenschaftlichen Sachstand erarbeiten auf neue Problemfelder hinweisen (Frühwarnung) nationale und internationale Politik beobachten und bewerten, Handlungs- und Forschungsempfehlungen für die Bundesregierung 4 1. Nachhaltige Entwicklung: Der Ansatz des WBGU Umwelt & Entwicklung gemeinsam erreichen (breiter, integrativer Ansatz) Nachhaltige Entwicklung als gesellschaftlicher Suchprozess Leitplanken: Abstecken der Grenzen der nachhaltigen Entwicklung (Vermeidung intolerierbarer Pfade) Eröffnen gesellschaftlicher Spielräume (aber: Kollisionskurs mit Leitplanken vermeiden!) 5 Leitplanke: Analogie zum Verkehrszeichen Indikator Vermittelbar, einfach, aussagekräftig Sicherheit / Risiko 28 km/h bedeutet keine Sicherheit 32 km/h löst nicht immer Unfall aus Leitplanken Normative Setzung, die Orientierung bietet Wissenschaft kann vorschlagen Politik muss entscheiden und umsetzen Leitplanken können sich verändern: Stand der Forschung Notwendige Bedingung, aber nicht hinreichend 6 Beispiel: Meeresgutachten (2006) Globale Erwärmung der Ozeane Meeresspiegelanstieg Versauerung der Ozeane ... Folgen für Gesellschaft und Ökosysteme 7 Leitplanke Klimaschutz Absoluter Anstieg: unter +2°C gegenüber dem vorindustriellen Wert (heute bereits +0,8°C, und >0,4°C „in der Pipeline“) Geschwindigkeit: höchstens 0,2°C pro Jahrzehnt (heute bereits fast erreicht!) WBGU-Vorschlag 1995: bereits Ziel in Deutschland und der EU noch KEIN Ziel der internationalen Gemeinschaft! Schnelle und drastische Reduktion der THG-Emissionen! – in wenigen Jahren: Trendwende bei den globalen THG-Emissionen – bis 2050: ca. 80% Reduktion der globalen THG-Emissionen (vs. 1990) – langfristig: Ende der fossilen Energieträger (Dekarbonisierung) 8 Zu warm – Temperatur der Meere steigt Quelle: IPCC, 2007 9 Meere: WBGU-Leitplanken im Überblick Zu warm – globale Mitteltemperatur: absolut: < 2°C (bis jetzt 0,8°C) Rate: < 0,2°C pro Jahrzehnt (fast erreicht) Zu hoch – Meeresspiegelanstieg: absolut: < 1 m (bis jetzt 20 cm) Rate: < 5 cm pro Jahrzehnt (heute >3 cm) 10 Zu hoch: Leitplanke Meeresspiegelanstieg Quelle: Rahmstorf, PIK 11 Meere: WBGU-Leitplanken im Überblick Zu warm – globale Mitteltemperatur: absolut: < 2°C (bis jetzt 0,8°C) Rate: < 0,2°C pro Jahrzehnt (fast erreicht) Zu hoch – Meeresspiegelanstieg: absolut: < 1 m (bis jetzt 20 cm) Rate: < 5 cm pro Jahrzehnt (heute >3 cm) Zu sauer – Versauerung: < 0,2 pH Absenkung (bis jetzt 0,1 pH) 12 Zu sauer – Leitplanke Versauerung Quelle: nach IMBER, 2005 13 Zu warm, zu hoch UND zu sauer! – Tropische Korallenriffe in der Klemme Riffe sind durch anthropogene Faktoren ohnehin in der Krise: 19% bereits zerstört, 35% gefähdet (Wilkinson, 2008) 1. 2. 3. 4. Zu warm: Temperaturstress (Korallenbleiche!) Zu hoch: Stress durch Wettlauf mit dem Meeresspiegel Zu sauer: Säurestress (Kalkbildung) Stress durch intensivere Hurrikane (direkte Schäden) zusätzlich vierfach vom Globalen Wandel betroffen! 14 Botschaften Leitplanke: Schutz der Meeresökosysteme: mindestens 20–30% für marines Schutzgebietssystem Versauerung Doppelrolle des CO2 berücksichtigen: – Reduktion nicht nur der THG-Emissionen – sondern auch der CO2-Emissionen (Meere kalken geht nicht) – Dann wird bei Einhalten der 2°C-Leitplanke auch die pH-Leitplanke eingehalten Meeresspiegelanstieg kurzfristig: Einhaltung der 2°C-Leitplanke langfristig: Abschmelzen Grönlands verhindern! (evt. zurück zu <2°C) Leitplanke noch zu halten? 15 16 2. Interaktion und Komplexität: „Sicherheitsrisiko Klimawandel“ (2007) Kernbotschaft: Bei ungebremstem Klimawandel drohen – neue Konfliktlinien und Spannungen – zunehmende Verteilungskonflikte – Anpassungsfähigkeit vieler Gesellschaften überfordert – Destabilisierung und Gewalt Entschiedenes Gegensteuern beim Klimawandel notwendig! 17 Auswirkungen des Klimawandels I – – – – – – – Meeresspiegelanstieg mehr Extremwetterereignisse häufigere und längere Dürren häufigere Starkniederschläge extreme Temperaturen stärkere Tropenstürme Kippelemente des Klimasystems (z.B. Monsun, Amazonasregenwald, Meeresströmungen) Auswirkungen sind regional sehr unterschiedlich! 18 Auswirkungen des Klimawandels II Kritische Entwicklungen zu erwarten: Wasserversorgung Nahrungsmittelproduktion Sturm- und Flutkatastrophen als Folge: zunehmende Migration Konfliktkonstellationen Schnittstelle Umwelt und Gesellschaft Dynamik kann zu Destabilisierung und Gewalt führen 19 Klimawandel Konflikt? Kein Automatismus! Lehren aus der Konfliktforschung: verstärkende Faktoren – politische Instabilität verstärkt Konflikte – die ca. 30 schwachen und fragilen Staaten sind besonders gefährdet – Wirtschaftsleistung: arme Länder sind konfliktanfälliger – Bevölkerungswachstum und -dichte steigt die Konfliktgefahr – „Ansteckungsgefahr“ in Konfliktregionen (z.B. durch Migration) 20 Konfliktkonstellation: Klimabedingter Rückgang der Süßwasserressourcen Quelle: 21 Beispiel: Wüstenstadt Lima Gletscherschmelze in den Anden – Ballungszentrum >10 Mio. Menschen – kaum Niederschläge – Wasserversorgung zu 80% durch Gletscherwasser – 80% Stromversorgung aus Wasserkraft – 40% der Landwirtschaft in den Anden – Rückgang des Gletschervolumens um ein Drittel (1970–1997) Ähnlich: La Paz, Quito 22 Ausgewählte Brennpunkte Quelle: 23 Gefährdungen (Beispiele) Zwischenstaatliche “Klimakriege” unwahrscheinlich, ABER: Zunahme der Zahl schwacher und fragiler Staaten Risiken wachsender Verteilungskonflikte (Gerechtigkeitsproblem!) Verursachung und Verstärkung von Migration Risiken für die Weltwirtschaft Bedrohung für die internationale Sicherheit und Stabilität Je stärker der Klimawandel, desto größer die Sicherheitsrisiken 24 Botschaften Die klassische militärische Sicherheitspolitik bietet kaum Antworten. Klimapolitik wird zur präventiven Sicherheitspolitik! Prävention durch Vermeidung des gefährlichen Klimawandels (2°C-Leitplanke: int. Klimapolitik, Energiewende, Wälderschutz, Klimaschutz in der EZ usw.) Prävention durch Anpassung an den Klimawandel (Konfliktkonstellationen: EZ, fragile Staaten, Migration, Frühwarnsysteme usw.) Internationale Governance stärken (UN-System, Finanzierung usw.) 25 Vielen Dank!