Handout Vortrag vom 14.01.2010, Geomatikum – Hörsaal 4, 18.00 Uhr Prof. Dr. Hans von Storch Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten an der Nordseeküste Als eine der großen Gefahren des Klimawandels gilt der weltweite Meeresspiegelanstieg. Mit dem Spiegel-Titel von 1986, der zeigte, wie der Kölner Dom aus einem bis zum Horizont reichenden Meer herausragt, begann die öffentliche Diskussion um den Klimawandel in Deutschland. Die „Klimakatastrophe“, das war seitdem vor allem die Bedrohung der Küsten durch den steigenden Meeresspiegel. Große küstennahe Metropolen wie London, New York oder Hamburg wurden in den Medien vom Untergang bedroht gesehen. Was ist dran an diesem Untergangsszenario? Wie hoch wird der Meeresspiegel tatsächlich ansteigen? Und wie gefährdet sind Küsten, die wie die deutsche Nordseeküste zusätzlich noch durch Sturmfluten bedroht sind? Tatsächlich hat der Mensch mit der Erhöhung der Konzentration der Treibhausgase die Temperaturen in der Atmosphäre erhöht. Dadurch erwärmt sich auch das Meerwasser – und dehnt sich aus. Hinzu kommt das Abschmelzen von Eis auf dem Land, wodurch die Wassermasse in den Ozeanen vergrößert wird. Wie wirken sich solche Prozesse und eventuell noch stärkere Stürme auf unsere Nordseeküsten aus? Prof. von Storch wird in seinem Vortrag auf den Meeresspiegelanstieg in der Nordsee eingehen. Er wird auch die Frage behandeln, inwieweit sich dadurch das Ausgangsniveau von Sturmfluten in Zukunft erhöht und ob zusätzlich mit stärkeren Stürmen zu rechnen sein wird. Vorankündigung Weitere Vorträge renommierter Wissenschaftler aus der LI-Klimaschutzreihe: n Prof. Dr. J. Marotzke, Mittwoch, 03. März 2010 Eiszeit oder Heißzeit? Meeresströmungen und globale Erwärmung 18–20 Uhr, Heinrich Hertz-Schule, Grasweg 72–76 n Dr. A. Daschkeit, Donnerstag, 15. April 2010 Anpassung an den Klimawandel n Podiumsdiskussion, Juni 2010 Wie umgehen mit dem Klimawandel? Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung n www.li-hamburg.de Prof. von Storch ist Leiter des Instituts für Küstenforschung am GKSS Großforschungszentrum in Geesthacht und Professor für Meteorologie an der Universität Hamburg. Hans von Storch war an wichtigen wissenschaftlichen Entwicklun­gen der Klimaforschung betei­ligt, so an dem Nachweis, dass der Mensch den aktuellen Klimawandel verursacht hat, und an der Regionalisierung von Klimamodellen. Er ist Autor zahl­­reicher Bücher, in denen er sich auch mit dem sozialen und medialen Bild des Klimawandels auseinandersetzt. Hans von Storch ist aber nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen bekannt, sondern durch zahlreiche Stellungnahmen, Interviews und Vorträge auch eine Person des öffentlichen Lebens. Dabei hat er stets die kritische Aufgabe der Wissenschaft betont und auch in der Öffentlichkeit auf Unsicherheiten und Zweifel hingewiesen. Hamburg Globaler und regionaler Meeresspiegelanstieg Wie hoch das Wasser durch den vom Menschen gemachten Klimawandel künftig an den Deichen der deutschen Nordseeküste stehen wird, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: von der Höhe des Meeresspiegels und von den Windverhältnissen in der Deutschen Bucht. Der Meeresspiegel reagiert auf Klimaänderungen sehr deutlich. Der Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten hat die kontinentalen Eisschilde wachsen und wieder abschmelzen lassen, mit gravierenden Folgen für den Meeresspiegel. Während des Höhepunktes der letzten Kaltzeit vor rund 20.000 Jahren, als die globalen Temperaturen um 4 – 6 °C unter den heutigen lagen, war der Meeresspiegel um ca. 120 m niedriger als heute. Ein erheblicher Teil des Wassers auf der Erde (84 Mio. km3 gegenüber 32 Mio. km3 heute) war damals in den großen Landeismassen gebunden. Nach der letzten Kaltzeit, im Holozän, war das Klima ungewöhnlich stabil und auch der Meeresspiegel hat sich im globalen Mittel wenig verändert. Erst der ungewöhnliche Temperaturanstieg in den letzten 100 Jahren um 0,8° C hat auch den Meeresspiegel wieder in Bewegung gebracht. Bis Anfang der 1990er Jahre konnte man den Anstieg allerdings nur durch unregelmäßig über die Weltmeere verteilte Pegel messen. Sie ergaben einen Anstieg von 1 – 2 cm pro Jahrzehnt. Seit 1992 zeigen verlässliche Satellitendaten einen deutlich stärkeren Anstieg von 3,2 cm pro Jahrzehnt. Wahrscheinlich hat sich der Anstieg im 20. Jahrhundert deutlich beschleunigt. Insgesamt wird er auf ca. 20 cm geschätzt. Meeresspiegelanstieg in cm 5 5 Globaler Meeresspiegelanstieg 1993-2005 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Abb. 1: Der Anstieg des globalen Meeresspiegels (rot = linearer Trend) (Quelle: www.klimawissen.de) Der Meeresspiegelanstieg ist nicht gleichmäßig über den Globus verteilt, sondern zeigt sichtbare regionale Unterschiede. Ursachen dafür können eine stärkere oder schwächere Erwärmung des Meerwassers sein oder Änderungen in den Meeresströmungen, die das Meerwasser regional unterschiedlich verteilen. Zum regionalen Anstieg in der Nordsee gibt es bisher keine verlässlichen Untersuchungen. Nur für die Niederländische Küste wurde ein Meeresspiegelanstieg von 20 cm festgestellt. Seite 2 Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie unter: n www.klimawissen.de Meeresspiegelanstieg nwww.klimawiki.org Klimawandel-Portal: Meeresspiegelanstieg n www.wbgu.de/wbgu_sn2006. pdf Die Zukunft der Meere (WBGU) Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie unter: Diese Größenordnung, die dem globalen Meeresspiegelanstieg entspricht, gilt wahrscheinlich auch für die deutsche Nordseeküste. Das bedeutet, dass für Sturmfluten heute ein um ca. 20 cm höheres Ausgangsniveau vorliegt als noch vor 100 Jahren. nwww.klimawiki.org Klimawandel-Portal: Meeresspiegel der Zukunft Wie wird sich jedoch der Meeresspiegel aufgrund der globalen Erwärmung in Zukunft verändern? Der letzte Bericht des Weltklimarates IPCC hat einen globalen Meeresspiegelanstieg zwischen 20 und 60 cm bis 2100 angegeben. Dieser Wert ist jedoch umstritten, da möglicherweise Prozesse auf Grönland und der Antarktis zu wenig berücksichtigt sind. Wahrscheinlich wird es in Zukunft auch stärkere regionale Unterschiede geben als bisher. So werden auch für die Nordsee, bei großen Unsicherheiten, um 20 cm höhere Werte gegenüber dem globalen Mittel erwartet. Die Delta-Kommission der Niederlande hat bis zum Ende des 21. Jahrhunderts für die niederländische Nordseeküste einen Anstieg von 65 – 130 cm errechnet (und bis 2200 sogar einen Anstieg um 2 – 4 m). Das könnte auch für die deutsche Nordseeküste gelten, für die es entsprechende Abschätzungen noch nicht gibt. nwww.krim.uni-bremen.de Klimaänderung und Küste www.edoc.hu-berlin.de/ docviews/abstract.php? lang=ger&id=28158 Klimasimulationen nwww.iczm.de/geom rab.pdf Fallstudie Sylt Stürme und Sturmfluten Die Sturmtätigkeit hat sich entgegen manchen Meldungen in den Medien in den letzten Jahrzehnten nicht erhöht. Manche Messreihen zeigen zwar plötzliche Anstiege der Windgeschwindigkeiten. Der Grund liegt aber in der Verlagerung der Messstationen oder in Veränderungen der Umgebung (z.B. einer Beseitigung von Wald im Luv einer Station). Ansonsten sind zwar Dekadenschwankungen zu erkennen, aber kein Trend über die letzten 100 Jahre. Zwar hat es zwischen 1960 und 1995 einen Anstieg der Sturmaktivität im nordostatlantischen Raum gegeben. Seit Mitte der 1990er Jahre ist jedoch wieder ein Rückgang zu verzeichnen. Der Grund für diese Schwankung liegt primär in der Nordatlantischen Oszillation, einer Schwankung des Luftdrucks zwischen Island-Tief und Azoren-Hoch, die im wesentlichen das Winterklima auch der Nordsee bestimmt. Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist in der Sturmaktivität noch nicht zu erkennen. oC 13,5 0,6 Windgeschwindigkeit in m/sec 13,0 0,4 12,5 12,0 0,2 11,5 0,0 11,0 -0,2 10,5 10,0 9,5 9,0 1879 1889 1899 1909 1919 Jahresmittel Wind -0,4 10-Jahresmittel Wind 10-Jahresmittel Temperatur -0,6 1929 1939 1949 Jahr 1959 1969 1979 1989 Temperaturveränderung zu 1961-1990 n 1999 Abb. 2: Veränderung der Windgeschwindigkeit in der deutschen Bucht in m/sec und die globale Temperaturentwicklung (Quelle: www.klimawissen.de) Seite 3 Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie unter: n www.klimawiki.org Klimawandel-Portal: Wetterextreme: Außertropische Stürme nwww.regionaler-klimabericht. de Norddeutsches Klimabüro: Klimabericht Metropolregion Hamburg n www.coast.gkss.de/staff/ storch Homepage Hans von Storch mit zahlreichen Artikeln zum Thema Meeresspiegelanstieg und Windgeschwindigkeit sind die bestimmenden Faktoren auch für die Entwicklung von Sturmfluten im 21. Jahrhundert. Auch wenn gegenwärtig kein Anstieg der Windgeschwindigkeit zu erkennen ist, zeigen Modellberechnungen für die nächsten 100 Jahre, dass die Nordseestürme im Winter wahrscheinlich um ca. 10 Prozent stärker werden. Als Folge werden die Sturmfluten nur durch den Windstress um 10-30 cm höher auflaufen. Hinzu kommt dann noch die höhere Ausgangssituation durch den Meeresspiegelanstieg. Insgesamt könnten dann die Nordseesturmfluten ca. 30 – 110 cm höher auflaufen als heute. Weitere Faktoren können hinzukommen. So kann sich auch der Seegang durch stärkere Winde erhöhen, möglicherweise um 20 – 50 cm. Auch die astronomisch bedingten Gezeiten unterliegen Schwankungen, deren Ursachen aber noch nicht verstanden sind. Hinzu kommen noch die Veränderungen des Untergrundes, z.B. durch wasserbauliche Maßnahmen. Veränderungen des Meeresspiegels treffen vor allem Regionen wie z.B. Bangladesh, die Malediven oder das Nildelta. Für die Nordseeregion in Deutschland werden voraussichtlich ab dem Jahr 2030 weitere Küstenschutzmaßnahmen notwendig werden. Dieser Vortrag ist ein weiterer Baustein einer Reihe im Rahmen des neuen behördenübergreifenden Projektes „Klimaschutz an Schulen“. Projektleitung: Cordula Vieth Kontakt: Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) Christine Stecker Öffentlichkeitsarbeit „Klimaschutz an Schulen“ Felix-Dahn-Str. 3 20357 Hamburg Tel. 0 40/42 88 42 - 344 Fax 0 40/42 88 42 - 609 [email protected] Text: Dr. Dieter Kasang Abb. 3: Erwartete Zunahme der windbedingten Sturmfluthöhen in m am Ende des 21. Jahrhunderts (Quelle: www.klimawissen.de) Unser aktiver Beitrag zum Schutz von Klima und Umwelt: Dieses Handout wurde auf Impact Climate Paper (komplett klimaneutral hergestellt aus 100% Altpapier) im Trockenoffsetverfahren (zertifiziert) ohne Wasser, Chemikalien und Isopropylalkohol im Herstellungsprozess gedruckt.