Appendix Die Blut-Hirn-Schranke von Edwin H. Bessai - Die Blut-Hirn-Schranke der Gehirnkapillaren. Prodrugs, das Prodrug „Levodopa“ und „Levodopa-Präparate“ Warum die Ernährung bei der Einnahme von Levodopa-Präparaten eine Rolle spielt, wie deshalb die Ernährung gestaltet werden muss und wie Levodopa-Präparate eingenommen werden müssen. 1. Das Gehirn muss ständig mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. Wenn die Sauerstoffversorgung auch nur wenige Minuten ausbleibt sterben die Nervenzellen ab. Die Nährstoffe und der Sauerstoff gelangen im Wesentlichen durch den Blutkreislauf ins Gehirn, wo sie aus einem fein verzweigten Netz von Kapillaren (feinste Blutgefäße) in die Extrazellularflüssigkeit des Gehirns (Flüssigkeit außerhalb der Nervenzellen, die das gesamte Gehirn umspült), austreten. Damit dabei nicht alle im Blut vorhandenen Stoffe (z. B. auch schädliche Stoffe) ins Gehirn gelangen gibt es für den Durchtritt durch die Zellwände („Membranen“) der Gehirnkapillaren „spezielle Transportsysteme“, durch die sichergestellt ist, dass nur Stoffe die für das Gehirn unschädlich sind und vom Gehirn benötigt werden in die Extrazellularflüssigkeit des Gehirns gelangen können. Wegen ihrer selektiven Funktion bezeichnet man die „Transportsysteme der Gehirnkapillaren in ihrer Gesamtheit“ als „Blut-HirnSchranke“. Bei einigen dieser Transportsysteme ermöglichen bestimmte Proteine (Eiweißstoffe), sog. „Transportproteine“ den Durchtritt durch die Zellwände der Gehirnkapillaren. Bei anderen geschieht dies auf andere Weise. 2. Für Stoffe die im Gehirn produziert werden gibt es kein Transportsystem, weil das Gehirn solche Stoffe normalerweise nicht aus der Blutbahn aufnimmt. Sie können deshalb die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren. Wenn dies zu therapeutischen Zwecken doch ermöglicht werden soll, müssen solche Stoffe (vorher) durch chemische Veränderung (z. B. Anhängen eines zusätzlichen Moleküls) an das in Frage kommende Transportsystem angepasst werden. Auf diese Weise veränderte Stoffe bezeichnet man als „Prodrugs“ (Vordrogen). Auch Dopamin wird normalerweise vom Gehirn in ausreichender Menge produziert und gehört deshalb zu den Stoffen die die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren können. Aus diesem Grund muss bei der Behandlung des Parkinson Syndroms statt des Dopamins das Prodrug Levodopa verabreicht werden. 2 Levodopa ist eine Aminosäure. Es ist die Aminosäure L-3,4-Dihydroxyphenylalanin, deren Kürzel L-DOPA ist (= L-3,4-DihydrOxyPhenylAlanin). Das Molekül dieser Aminosäure (das Levodopamolekül) besteht aus einem Dopaminmolekül an das ein CO2-Molekül angehängt ist, das mit einem H-Atom eine Carboxylgruppe (CO2H) bildet. C8 H7 NH2 (OH)2 Dopamin + CO2 Kohlendioxid = C8 H6 NH2 (OH)2 CO2 H Levodopa (L-DOPA) Nach Passieren der Blut-Hirn-Schranke entsteht durch CO2 -Abspaltung (Decarboxylierung) aus Levodopa Dopamin. Die Abspaltung geschieht unter Einwirkung des Enzyms Decarboxylase. (Enzyme sind Proteine die bei organischen Verbindungen Anlagerungsoder Abspaltungsreaktionen bewirken.) Damit die Abspaltung nicht schon vor der Blut-Hirn-Schranke geschieht – denn das Enzym Decarboxylase gibt es nicht nur im Gehirn sondern auch im übrigen Körper – wird dem Prodrug Levodopa ein Hemmstoff, ein Decarboxylase-Hemmer (abgekürzt DC-Hemmer), zugefügt. Davon gibt es zwei, das Benserazid und das Carbidopa. Levodopa wird deshalb stets als Präparat, bestehend aus Levodopa und Benserazid oder Carbidopa, verabreicht. 3. Levodopa wird durch die Blut-Hirn-Schranke mit Hilfe von Transportproteinen geschleust. Weil Levodopa aber eine Aminosäure ist (Aminosäuren sind Bausteine der Eiweiße), die den Aminosäuren aus den Nahrungseiweißen sehr ähnlich ist, konkurrieren diese beim Transport durch die Blut-Hirn-Schranke miteinander. Bei eiweißreichen Mahlzeiten kann es daher vorkommen, dass ein Teil der Transportproteine bereits mit Aminosäuren aus Nahrungseiweißen besetzt ist und so weniger Levodopa ins Gehirn gelangt. Deshalb muss bei der Einnahme von LevodopaPräparaten der Eiweißgehalt der Nahrung reduziert werden und außerdem das Levodopa-Präparat versetzt zu den Mahlzeiten eingenommen werden, eine halbe Stunde vor der Mahlzeit oder eine Stunde nach der Mahlzeit. 3 Bei der Gestaltung der eiweißreduzierten Ernährung muss die Verwendung eiweißreicher Lebensmittel eingeschränkt werden. Dies sind vor allem alle tierischen Lebensmittel (Fleisch, Fisch, Wurst, Eier, Milch) und Milchprodukte (wie Käse, Quark, Joghurt, Buttermilch u.a.) und von den pflanzlichen Lebensmitteln die Hülsenfrüchte (Erbsen, getrocknete Bohnen, Mais, Linsen und alle Sojaprodukte). Bevorzugt müssen dagegen alle pflanzlichen Lebensmittel werden, die relativ wenig Eiweiß enthalten (Gemüse, Salat, Kartoffeln und Vollkornprodukte). Fleisch und Fisch sollten höchstens 2 – 3 mal pro Woche verzehrt werden, Maximum 100 g pro Tag.