DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN 7. N O V E M B E R 2 0 16 L AEISZHALLE GROSSER SA AL DIRIGENT. DER NEUE BMW 7er MIT GESTIKSTEUERUNG. DER ANSPRUCH VON MORGEN. Montag, 7. November 2016 | 20 Uhr | Laeiszhalle Großer Saal 19 Uhr | Einführung im Kleinen Saal mit Wendelin Bitzan DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN CHRISTIAN TETZLAFF V I O L I N E U N D L E I T U N G Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Konzert für Violine und Orchester G-Dur KV 216 (1775) Allegro Adagio Rondeau. Allegro ca. 25 Min. Arnold Schönberg (1874–1951) Verklärte Nacht op. 4 (1899) Fassung für Streichorchester (1943) ca. 30 Min. Pause Ludwig van Beethoven (1770–1827) Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 (1806) Allegro ma non troppo Larghetto Rondo. Allegro Kadenzen: Christian Tetzlaff ca. 40 Min. Principal Sponsor der Elbphilharmonie BMW Hamburg www.bmw-hamburg.de Abbildung zeigt Sonderausstattungen. BMW Niederlassung Hamburg www.bmwhamburg.de Freude am Fahren DAS KONZERT DIE MUSIK ÜBER BANDE GESPIELT Bei Violinkonzerten sind die Rollen normalerweise klar verteilt: Der Solist brilliert, demütig begleitet vom Orchester. Nicht so am heutigen Abend. Denn Christian Tetzlaff, der den Solopart und die Leitung übernimmt, ist zwar einer der grandiosesten Geiger unserer Zeit, versteht sich selbst aber als primus inter pares im Dienste der Musik. Und so spielt er von der ersten Note an mit dem Orchester zusammen. Ohnehin pflegt er zur Deutschen Kammerphilharmonie Bremen eine im Wortsinne familiäre Beziehung: Seine Schwester Tanja führt die Cello-Gruppe an. Beste Voraussetzungen also für einen gelungenen Abend, mit dem der gebürtige Hamburger gleichzeitig seinen 50. Geburtstag nachfeiert. Gratulation! Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzert G-Dur Besetzung 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Hörner, Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass Mozart-Haus am Hannibalplatz, dem heutigen Makartplatz Ein Leben im dauerhaften Ausnahmezustand zwischen unerschöpflicher Energie und nagenden Selbstzweifeln – die 1770er Jahre, aus denen auch das Violinkonzert in G-Dur stammt, sind für die Musikerfamilie Mozart ein Schwebezustand, ein ständiges Auf und Ab. Man wohnt in einer Acht-Zimmer-Wohnung am Hannibalplatz in Salzburg. Vater Leopold ist nach wie vor als Vizekapellmeister angestellt, wird plötzlich entlassen und dann doch wieder eingestellt. Sein Sohn Wolfgang hat für einige Jahre eine feste Konzertmeisterstelle inne, ist aber teils beurlaubt, teils unentschuldigt abwesend, teils parallel als Hoforganist angestellt. Er ist abhängig von den Launen und Anordnungen des strengen Fürst-Erzbischofs Hieronymus Graf Colloredo – für Mozart oft ein Frondienst. Seine geistlichen Werke liefert er wie vorgeschrieben ab und beschäftigt sich nebenher mit anderen Gattungen. Dabei wagt er oft die Quadratur des Kreises: Er will die Normen der höfischen Gesellschaft erfüllen und gleichzeitig seinem genialen Einfallsreichtum freien Lauf lassen. DIE MUSIK Wolfgang Amadeus Mozart Mit unvermindertem Enthusiasmus komponiert Mozart also Streichquartette, Klavierstücke und sinfonische Werke. Außerdem entstehen in dieser Zeit fünf Violinkonzerte, davon vier im Sommer und Herbst 1775 – im ICE-Tempo, wie so oft bei Mozart. Wer diese Werke heute hört, fragt sich unwillkürlich: Ist das wirklich ein Lernender, der sich solch eine Musik ausgedacht hat? Ein 19-jähriger Praktikant mit höheren Weihen, ein Frühvollendeter? Zumal Mozart als Komponist dem Genre Violinkonzert bislang fremd gegenüber gestanden hatte. Doch welche Ausgelassenheit herrscht in diesen Werken, welche Ideen wechseln einander hier so mühelos ab, welche zarte und zugleich tiefe Melancholie breitet sich in den wunderbaren langsamen Sätzen aus! Während der Erzbischof mit der Stoppuhr in der Hand herumnörgelt, eine Messvertonung dürfe laut Order aus Wien nur 45 Minuten dauern, feiert Mozart an seinem Komponiertischchen wahre Feste. In diesen Violinkonzerten dokumentiert er die bis heute spürbare Unbeschwertheit, die ihn als Komponisten auszeichnet. Wo sich bei Beethoven die Welt als Synthese aus Wille und Arbeit darstellt, herrscht bei Mozart eine verblüffende Leichtigkeit des Denkens: die Welt als Wille und Vergnügen. Er schreibt Töne wie klackernde Billardkugeln, er spielt über Bande und trifft doch mit jedem Stoß elegant ins Ziel. Auch im ersten Satz des G-Dur-Konzerts, das Sie am heutigen Abend hören, fackelt er nicht lange. Es gibt keine Orchester-Einleitung, aus der sich die SoloGeige herausschält. Sie setzt vielmehr ganz unvermittelt mit dem Orchestertutti ein. Der erste Gedanke ist sofort präsent. Die Wechselrede zwischen Orchester und Solostimme ist bereits voll ausgeprägt, und stets scheint sich in Mozarts Hinterkopf eine Art dramatische Szene abgespielt zu haben. Ein weiteres Beispiel: der Schlusssatz, ein Rondo. Er kommt zunächst wie harmlose Tanzmusik im Walzertakt daher. Doch in der Mitte folgt ein plötzlicher Szenenwechsel, und etwas völlig Neuartiges stellt sich ein. Auf einmal – woher denn bloß? – betritt eine Tänzerin auf Zehenspitzen den Raum. Die Streicher weben ihr einen Pizzicato-Teppich, über den sie vorsichtig hinwegschreitet. Spielt man diese Andante-Passage eher rasch, klingt sie wie ein unbekümmerter Tanz; nimmt man sie zurückgenommen, entwickelt sie unverhofft eine Traurigkeit. Zwölf Takte, auf die, als sei nichts gewesen, ein derber Kontretanz folgt. Kurze Zeit später ist das Rondo-Thema wieder zur Stelle und man fragt sich, ob man sich die ganze Szene nur eingebildet hat. Mit diesem Violinkonzert, seinem dritten, gelingt dem jungen Komponisten ein Quantensprung. Die Holzbläser bekommen eine ganz neue Rolle zugewiesen, Mozart geht mit dem Überraschungsmoment viel freier um. Auch als Solist zeigt er sich von jetzt an häufiger in der Öffentlichkeit, auch außerhalb Salzburgs. 1777 berichtet er dem Vater: »Auf die Nacht beim Soupée spielte ich das Strasbourger-Concert. Es ging wie Öl. Alles lobte den schönen, reinen Ton.« Sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um das G-Dur-Konzert, denn die Bezeichnung »Strasbourger« deutet nach Ansicht einiger Mozart-Biografen auf die Herkunft des Tanzes im Rondo hin. Der sonst so gestrenge Leopold entgegnet unerwartet offen: »Du weißt selbst nicht, wie gut Du Violine spielst. Wenn Du nur Dir Ehre geben und mit Figur, Herzhaftigkeit und Geist spielen willst, so wärst Du der erste Violinspieler in Europa.« Ein biografisches Kuriosum bleibt, dass Mozart später, in seinen Wiener Jahren, kein einziges Violinkonzert mehr geschrieben hat. Offenbar konnten ihn die ermunternden Worte des Vaters nicht dazu bewegen, sich der Geige ernsthaft zu nähern. Violinsonaten komponierte er zwar weiterhin, aber eben nicht für die Konzertbühne, sondern für den Hausgebrauch. Vielleicht war ihm das Klavier für konzertante Zwecke einfach das vertrautere Instrument. Christoph Vratz DIE MUSIK DIE MUSIK DES NEUEN JAHRHUNDERTS Arnold Schönberg: Verklärte Nacht Arnold Schönberg Besetzung Violine I + II, Viola I + II, Violoncello I + II, Kontrabass Als Schönbergs Verklärte Nacht entsteht, scheint im traditionellen Handwerk der Musik kein Stein mehr auf dem anderen zu bleiben. In den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts zerfällt die Tonalität. Akkorde und Harmonien sind nicht länger selbstverständliches musikalisches Prinzip, sondern treten zugunsten freier, oft dissonanter Zusammenklänge und motivischer Arbeit zurück. Die Vorboten dieser Tendenz erstrecken sich bis weit ins 19. Jahrhundert hinein: Brahms’ Motivik, Wagners Chromatik, Debussys fließende Klangbilder und die Kühnheiten des späten Liszt. Mit Arnold Schönberg betritt ein Komponist die Bühne, der über die nötigen Fähigkeiten verfügt, diese Aspekte plausibel in einen neuen, modernen Stil zu überführen. Zu den Werken, mit denen er diesen Prozess vorantreibt, zählt auch Verklärte Nacht, das er 1899 als Streichsextett komponiert, 1917 für Streichorchester arrangiert und 1943 nochmals überarbeitet. Verklärte Nacht fußt zwar noch auf den Regeln der alten Harmonik, stellt sie aber gleichzeitig in Frage. Entsprechend gereizt reagierten konservative Zeitgenossen, die im Wiener Tonkünstlerverein organisiert waren. Brahms selbst hatte dem Verein als Präsident vorgesessen, und Schönberg kam allein aus gesellschaftlichen Gründen nicht umhin, Mitglied zu werden. Als sein Lehrer Alexander Zemlinsky dem Tonkünstlerverein aber das Streichsextett zur Aufführung vorschlug, höhnte die zuständige Jury, diese Musik klinge, als habe man »über die noch nasse Tristan-Partitur gewischt«. Erst drei Jahre später konnte die Uraufführung stattfinden. Die Anekdote verrät viel über den künstlerischen Zwiespalt, in dem sich Schönberg und Zemlinsky an der Schwelle des Jahrhunderts befanden. Brahms galt den beiden insofern als Vorbild, als er einerseits jener Traditionalist war, als der sich auch Schönberg zeit seines Lebens verstand, andererseits aber Folgerungen aus der Tradition gezogen hatte, die Schönbergs neuer Kunst den Weg ebnen sollten. Die Rede ist insbesondere von Brahms’ kleinteiliger Arbeit mit motivischen Zellen wie etwa einzelnen Intervallen, die als wichtige Voraussetzung für die Zwölftontechnik gilt. Gleichzeitig bewunderten Zemlinsky und Schönberg Wagners Harmonik: Dass durch chromatische Melodieführung dissonante Akkorde entstehen, die nicht aufgelöst werden, sondern in neue dissonante Akkorde münden. Der Titel Verklärte Nacht stammt vom gleichnamigen Gedicht Richard Dehmels, das den Mondschein-Spaziergang eines Paares beschreibt. Doch die Liebe ist nicht unbelastet: Die Frau gesteht, dass sie aus der Zeit vor ihrer offenbar noch jungen Beziehung ein Kind erwartet. Zum Glück zeigt sich der Mann verständnisvoll und nimmt das ungeborene Kind als sein eigenes an. Die Atmosphäre dieser Episode, das Schwanken zwischen Bangen und Erleichterung, malt Dehmel mit Worten, Schönberg mit Tönen. Schönberg hat Dehmels Lyrik eine katalytische Wirkung auf seine Musik bescheinigt, als er ihm 1912 schrieb: »Ihre Gedichte haben auf meine musikalische Entwicklung entscheidenden Einfluss ausgeübt. Durch sie war ich genötigt, einen neuen Ton zu suchen. Das heißt, ich fand ihn ungesucht, indem ich musikalisch widerspiegelte, was Ihre Verse in mir aufwühlten.« Allerdings hat Schönberg nicht einfach die fünfteilige Form des Gedichtes musikalisch kopiert, sondern sich von ihr inspirieren lassen. Sein Werk besteht aus zwei annähernd gleich großen formalen Blöcken, die um eine kurze Mittelachse angeordnet sind. In Analogie zum Gehalt des Gedichts ist der erste Teil dramatisch bewegt, der zweite von statischer Ruhe. Als eine Art Fazit steht am Ende eine Reprise, die die Hauptthemen der beiden Teile noch einmal aufgreift. Christoph Becher Verklärte Nacht Richard Dehmel (1863 –1920) Zwei Menschen geh’n durch kahlen Hain; der Mond läuft mit, sie schau’n hinein. Der Mond läuft über hohe Eichen, kein Wölkchen trübt das Himmelslicht, in das die schwarzen Zacken reichen. Die Stimme eines Weibes spricht: »Ich trag ein Kind, und nit von dir, ich geh in Sünde neben dir. Ich hab mich schwer an mir vergangen; ich glaubte nicht mehr an ein Glück und hatte doch ein schwer Verlangen nach Lebensfrucht, nach Mutterglück und Pflicht – da hab ich mich erfrecht, da ließ ich schaudernd mein Geschlecht von einem fremden Mann umfangen und hab mich noch dafür gesegnet. Nun hat das Leben sich gerächt, nun bin ich dir, o dir begegnet.« Sie geht mit ungelenkem Schritt, sie schaut empor, der Mond läuft mit; ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht. Die Stimme eines Mannes spricht: »Das Kind, das du empfangen hast, sei deiner Seele keine Last, o sieh, wie klar das Weltall schimmert! Es ist ein Glanz um Alles her, du treibst mit mir auf kaltem Meer, doch eine eigne Wärme flimmert von dir in mich, von mir in dich; die wird das fremde Kind verklären, du wirst es mir, von mir gebären, du hast den Glanz in mich gebracht, du hast mich selbst zum Kind gemacht.« Er fasst sie um die starken Hüften, ihr Atem mischt sich in den Lüften, zwei Menschen geh’n durch hohe, helle Nacht. Ludwig van Beethoven KOMPONIEREN MIT ZIEGELSTEINEN Ludwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur »Er hätte sich mit schierer Vir tuosität über Wasser halten können, die ist verblüf fend genug. Aber, und das zeichnet ihn vor einigen anderen guten Technikern aus, er spielt mit einer Leidenschaft und einem Furor, der sofor t mitreißt.« Süddeutsche Zeitung T O U R D A T E N : 25 . / 2 6 . / 3 0 . 10 . M ü n s te r · 15 . 12. B e r l i n · 18 . 12. M ü n c h e n A l s C D, D o w n l o a d u n d S t r e a m. J e t z t ü b e r a l l. w w w.n e m a n j a- r a d u l ov i c.d e Besetzung Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauke Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass Vier Paukenschläge. Vier gleichmäßige Viertel auf ein und demselben Ton. Einfacher, simpler kann eine Musik gar nicht gestrickt sein. Ludwig van Beethoven beginnt sein großes Violinkonzert wie ein Drummer, der den Takt vorzählt, bevor die Band einsetzt. Was soll das? Nun, Beethoven ist kein Komponist der großen Melodien – im Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Mozart, der in seinen Werken einen Ohrwurm an den anderen reiht. Bei Beethoven herrschen strenge Logik und eine geradezu architektonische Struktur vor. Besonders gut beobachten lässt sich das in den Kompositionen des Jahrzehnts ab 1800: in den Sinfonien 3–6, den Klavierkonzerten 3–5 und eben dem Violinkonzert. Beethoven entwickelt seine Musik hier aus ganz basalen Ideen und Bausteinen. Und nicht selten stellt er sie dem Hörer zu Beginn einmal im Rohzustand vor, als wollte er sagen, schau her, so DIE MUSIK 4 2 1 3 Beethovens Manuskript des 1. Satzes, Ende der SoloEingangskadenz. In der Mitte sind die vier Paukenschläge zu erkennen (1), davor eine verworfene (2) und die endgültige (3) Fassung des Violinsolos. Oben der Einsatz der Holzbläser (4). sieht ein Ziegelstein aus, daraus baue ich jetzt ein Haus. Im Falle der Dritten Sinfonie ist es ein Dreiklang, bei der Fünften das bekannte Tatatataaa-Motiv – und beim Violinkonzert eben der einfachste denkbare Rhythmus. Wie zentral er für diesen Satz ist, lässt sich nicht nur daran ablesen, dass Beethoven ihn »roh« an den Anfang setzt, sondern dass er ihn in der Folge über 70 Mal (!) aufgreift. Zwar wartet der Satz mit gleich fünf Themen auf, doch sie basieren allesamt bloß auf der D-Dur-Tonleiter oder dem D-Dur-Dreiklang. Verknüpft werden sie jeweils durch das Motto, das an allen Nahtstellen auftaucht und so ganz unauffällig für strukturelle Integration sorgt. Ein genialer Schachzug! Und man könnte durchaus behaupten, dass die Synkope, also der rhythmische Kick des ersten Themas, überhaupt erst vor der Folie der gleichmäßigen Viertel zur Geltung kommt. Entstanden ist das Violinkonzert innerhalb weniger Wochen im November und Dezember 1806. Franz Clement, der Konzertmeister im Theater an der Wien, hatte seinen Freund Beethoven um ein würdiges Solokonzert gebeten. Der Komponist erfüllte den Wunsch gnädig – im wahrsten Sinne des Wortes. Auf dem Titelblatt notierte er das Wortspiel: »Concerto par Clemenza pour Clement« (Konzert aus Barmherzigkeit für Clement). Auch wenn das Werk heute im besten Sinne als »vollendet« gilt, war es doch mit ziemlich heißer Nadel gestrickt. Der Legende nach bekam Clement die Noten erst am Vorabend der Aufführung und spielte quasi vom Blatt. Dass das nicht stimmen kann, bezeugen die zahlreichen Änderungen und Alternativ-Fassungen in der Partitur, die Beethoven – wie bei so vielen Werken – offenbar noch während der Proben oder in Diskussionen mit dem Solisten eintrug. Hier abgedruckt sehen Sie ein Beispiel aus dem ersten Satz; auch die vier Paukenschläge tauchen darin wieder auf. Für Ludwig van Beethoven war es bei aller Freundschaft nicht unbedingt naheliegend, sich mit der Gattung des Violinkonzerts zu beschäftigen. Ein solches Werk zählte damals weniger als eine Sinfonie. Und wenn schon Konzert, dann bitte für Klavier, schließlich war Beethoven selbst Pianist. Bei der Komposition orientierte er sich ergo an aktuellen Vorbildern: an Clement, der erst kurz zuvor ein Violinkonzert für sich selbst geschrieben hatte, und an Giovanni Battista Viotti, den heute außerhalb der Geigen-Szene niemand mehr kennt, der aber damals das Maß aller Dinge war. (Bis 1853 wurden für Wettbewerbsvorspiele am Pariser Konservatorium ausschließlich Viotti-Konzerte angesetzt.) Viotti entwickelte sowohl die Spieltechnik weiter als auch die Konzert-Standardform in drei Sätzen: einen marschähnlichen Kopfsatz im Stile französischer Revolutionsmusik, einen arienhaften Mittelsatz im Romanzenton und ein spritziges Finale mit Jagdcharakter im 6/8-Takt. Und exakt nach diesem Modell baute Beethoven sein Konzert auf. Bei der Uraufführung im Dezember 1806 im Theater an der Wien wurde das Werk nicht gut aufgenommen. Der Autor der einzig erhaltenen Rezension lobte zwar den »vortrefflichen Violinspieler Clement« und seine »Kunst und Anmut«, bemängelte aber den »zerrissenen Zusammenhang« des Violinkonzerts und die »unendlichen Wiederholungen, die leicht ermüden können«. Sicher lief das Stück der damaligen Erwartungshaltung zuwider. Es ist gut doppelt so lang wie zeitgenössische Konzerte und verzichtet ganz auf virtuose Mätzchen – was Franz Clement nicht davon abhielt, im Premierenkonzert noch einige Tricks einzubauen, wie etwa mit nach unten gekehrter Geige zu spielen. Viele seiner Kollegen hielten das Konzert für zu schwer, wenn nicht sogar unspielbar und jedenfalls undankbar. Diese Haltung änderte sich jedoch bald. Heute steht es im Zentrum des Repertoires. Clemens Matuschek DIE KÜNSTLER VIOLINE UND LEITUNG CHRISTIAN TETZLAFF Christian Tetzlaff ist seit Jahren einer der gefragtesten Geiger und spannendsten Musiker der Klassikwelt. »The greatest performance of the work I’ve ever heard«, schrieb der Guardian über seine Interpretation des Beethoven-Violinkonzerts, das er mittlerweile gut 300 Mal aufgeführt hat. Was den 1966 in Hamburg geborenen und inzwischen mit seiner Familie in Berlin lebenden Musiker so einzigartig macht, ist längst nicht nur sein großes geigerisches Können. Wenn Christian Tetzlaff etwa den Notentext so wörtlich wie möglich zu erfüllen versucht – ohne Rücksicht auf »Aufführungstraditionen« und ohne sich die oft üblichen geigentechnischen Erleichterungen zu gönnen –, dann zeigen sich die altbekannten großen Werke oft in neuer Klarheit und Schärfe. Als Geiger möchte Tetzlaff hinter dem Werk verschwinden, und das macht seine Interpretationen paradoxerweise sehr individuell. Zum zweiten »spricht« Christian Tetzlaff durch seine Geige: Sein Spiel umfasst eine große Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten und ist nicht allein auf Wohlklang und virtuosen Glanz ausgerichtet. Er versteht die Meisterwerke der Musikgeschichte als Geschichten, die von zentralen Erfahrungen handeln: von intensivsten Gefühlen, höchstem Glück und tiefen Krisen. Das dem Publikum zu vermitteln, ist Christian Tetzlaffs Ziel. Voraussetzung für diesen Ansatz sind spieltechnische Souveränität, Mut zum Risiko, Offenheit und eine große Wachheit für das Leben. Daneben lenkt Christian Tetzlaff den Blick immer wieder auf vergessene Stücke wie das Violinkonzert von Joseph Joachim und etabliert gehaltvolle neue Werke wie das von ihm uraufgeführte Violinkonzert von Jörg Widmann im Repertoire. So pflegt er ein ungewöhnlich breites Repertoire und gibt rund 100 Konzerte pro Jahr. Er war Artist in Residence bei den Berliner Philharmonikern, hat eine mehrere Spielzeiten umfassende Konzertserie mit dem Orchester der New Yorker Met unter James Levine bestritten und gastiert regelmäßig bei den Wiener und den New Yorker Philharmonikern, dem Concertgebouworkest und den großen Londoner Orchestern. Bereits 1994 gründete Christian Tetzlaff sein eigenes Streichquartett, in dem auch seine Schwester Tanja mitwirkt und mit dem er Ende nächster Woche, am 18. November, nochmals in die Laeiszhalle zurückkehrt. Christian Tetzlaff spielt nicht etwa eine historische Stradivari oder Amati, sondern ein modernes Instrument des Geigenbauers Peter Greiner. DIE KÜNSTLER DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zählt zu den weltweit führenden Orchestern und begeistert mit ihrem einzigartigen Musizierstil überall ihr Publikum. Auch Bundespräsident Joachim Gauck, der die Musiker 2014 ins Schloss Bellevue einlud, schwärmte: »Ein Orchester, wie es in Deutschland kein zweites gibt.« Künstlerischer Leiter ist seit 2004 der estnische Dirigent Paavo Järvi. Gemeinsam tourte man schon durch ganz Europa, Japan und Nordamerika mit Auftritten beim Schleswig-Holstein Musik Festival, den BBC Proms, beim Mostly Mozart Festival in New York sowie in Tokio. Bisheriger Höhepunkt der Zusammenarbeit war das Beethoven-Projekt, auf das man sich sechs Jahre lang konzentrierte. Die Aufführungen und CD-Aufnahmen sämtlicher Beethoven-Sinfonien wurden weltweit von Publikum und Presse als maßstabsetzend gefeiert. Ein ebenso positives Echo fand die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete TV- und DVD-Dokumentation des Beethoven-Projekts. Im Anschluss setzte sich Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ebenso erfolgreich mit dem sinfonischen Schaffen von Robert Schumann auseinander. Mittlerweile sind alle seine Sinfonien auf CD bzw. DVD erschienen. NDR Kultur lobte: »Sorgfalt, Spielfreude und Fantasie sind die Zutaten zum Erfolgsrezept der Aufnahme. Auch bei Schumann führt kein Weg an der Kammerphilharmonie vorbei.« Der jüngste Schwerpunkt der Bremer ist Johannes Brahms gewidmet. Seit vielen Jahren pflegt das Orchester enge musikalische Freundschaften zu international renommierten Solisten und Dirigenten wie Christian Tetzlaff, Viktoria Mullova, Hélène Grimaud, Janine Jansen, Hilary Hahn, Heinrich Schiff, David Fray, Igor Levit, Martin Grubinger und Sir Roger Norrington. Als erstes Orchester überhaupt wurde Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen 2010 mit der Ehrenurkunde des Preises der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Kürzlich wurde sie von Deutschlandradio Kultur zum »Orchester des Jahres« 2016 gewählt. Mit großem persönlichem Engagement widmen sich die Orchestermitglieder den gemeinsamen Projekten mit der Gesamtschule Bremen-Ost, in deren Gebäude sich seit einigen Jahren die Probenräume des Orchesters befinden. Die Musiker verfolgen hier das Ziel, individuelles Wachstum – gerade auch, aber nicht nur in bildungsferner Umgebung – durch Musik zu fördern. Die daraus erwachsene Zusammenarbeit wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, darunter 2007 mit dem »Zukunftsaward« als »beste soziale Innovation« und 2012 mit einem Echo Klassik. Inzwischen hat der Staatsminister für Kultur dieses »Zukunftslabor« zum Modellprojekt ernannt. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gastierte in den vergangenen Jahren regelmäßig in der Laeiszhalle und gibt auch in dieser Spielzeit drei Konzerte in Hamburg: neben dem heutigen Abend noch am 3. März (mit Matthias Pintscher und dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard) und am 6. Mai (mit Peter Ruzicka und der Sängerin Anna Prohaska), jeweils im Großen Saal der Elbphilharmonie. Viola Friederike Latzko Jürgen Winkler Anja Manthey Barbara Linke-Holicka Kerstin Beavers Violoncello Tanja Tetzlaff Marc Froncoux Ulrike Rüben Stephan Schrader Kontrabass Matthias Beltinger Juliane Bruckmann Klaus Leopold Flöte Bettina Wild Ulrike Höfs Fagott Rie Koyama / Simon van Holen Horn Elke Schulze Höckelmann Markus Künzig Trompete Christopher Dicken Bernhard Ostertag Pauke Stefan Rapp Oboe Rodrigo Blumenstock / Ulrich König * Konzertmeisterin Klarinette Matthew Hunt Maximilian Krome Foto: Giorgia Bertazzi Violine Sarah Christian* Hozumi Murata Timofei Bekassov Hannah Nebelung Stefan Latzko Beate Weis Stephanie Appelhans Jörg Assmann Matthias Cordes Gunther Schwiddessen Barbara Kummer Theresa Lier Johannes Haase Hannah Zimmer www.kammermusikfreunde. de BESETZUNG ig t r a ß o r t! t e t r etzlaff: g t a n u a i t s Q i Chr auch im FrEitAg | 18. NovEmBEr 2016 | 20.00 Uhr LAEiszhALLE | KLEiNEr sAAL tetzlaff Quartett W. A. mozart: streichquartett Es-Dur Kv 428 (421b) Bela Bartók: streichquartett Nr. 4 Jean sibelius: streichquartett d-moll op. 56 »voces intimae« Karten: E 42 / 32 / 22 / 13 · ermäßigt: E 10 an der Abendkasse Karten: Elbphilharmonie Kulturcafé, am Mönckebergbrunnen/Barkhof 3, 20095 Hamburg, Konzertkasse im Brahms Kontor (gegenüber der Laeiszhalle), Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg, Mo –Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr. Telefonische Bestellungen: 040 - 357 666 66, Mo-Sa 10 –18 Uhr, sowie bei allen bekannten Konzertkassen und an der Abendkasse. Online: www.kammermusikfreunde.de · Veranstalter: Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik e.V., Am Weiher 15, 20255 Hamburg VORSCHAU VON DER ROMANTIK BIS HEUTE DER BARITON GEORG NIGL Im vergangenen Jahr von der Zeitschrift Opernwelt zum »Sänger des Jahres« gekürt, beweist Georg Nigl bei seinem Liederabend, dass er diesem Titel mehr als gerecht wird. Das breitgefächerte Programm, das er zusammen mit seinem Klavierpartner Alexander Melnikov gestaltet, spannt einen Bogen von den Romantikern Schubert und Brahms über die frühe Moderne Alban Bergs bis hin zur unmittelbaren Gegenwart. Denn in der Laeiszhalle präsentiert Nigl auch Wolfgang Rihms neuen Liederzyklus Dort wie hier, den er vor knapp einem Monat in Köln uraufgeführt hat. Mi, 7.12.2016 | 20 Uhr | Laeiszhalle Kleiner Saal LOCKENHAUS ON TOUR Lockenhaus – das ist schon seit vielen Jahren ein Synonym für ein Kammermusikfestival der besonderen Art. Spontan zusammengesetzte Ensembles, ein Repertoire, über das erst kurz vor dem Konzert entschieden wird, das alles gibt’s nur hier. Zum 35. Jubiläum holt der Cellist Nicolas Altstaedt, der das Kultfestival 2012 von dessen Initiator Gidon Kremer übernahm, den Geist von Lockenhaus nach Hamburg. Gesetzt sind lediglich seine Mitmusiker, darunter der Violinist Pekka Kuusisto und Alexander Lonquich am Klavier, sowie Schuberts Forellenquintett. Man darf gespannt sein, was sie noch so alles im Gepäck haben. Do, 8.12.2016 | 20 Uhr | Laeiszhalle Kleiner Saal DIE PLAZA DER ELBPHILHARMONIE Endlich ist es soweit! Seit letztem Freitag steht die Plaza der Elbphilharmonie allen Hamburgern und Besuchern als öffentlicher Raum zur Verfügung. Sie befindet sich an der Nahtstelle des alten Kaispeichers und des gläsernen Neubaus auf 37 Metern Höhe und gibt die wohl spektakulärste Aussicht über Hamburg und den Hafen frei. Aus Kapazitätsgründen wird der Zugang über die Ausgabe von Tickets geregelt, die entweder vor Ort kostenlos (nach Verfügbarkeit) für den selben Tag erhätlich sind oder für eine Gebühr von € 2 pro Ticket online vorreserviert werden können. Ab 5.11.2016 | täglich von 9 bis 24 Uhr Alle Informationen unter www.elbphilharmonie.de/plaza Die Aufzeichnung des Konzerts in Ton, Bild oder Film ist nicht gestattet. IMPRESSUM Herausgeber: HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft Generalintendanz: Christoph Lieben-Seutter Geschäftsführung: Jack F. Kurfess Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta Gestaltung und Satz: Mehmet Alatur / breeder design Druck: Flyer-Druck.de Anzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 (0)40 450 698 03, [email protected] BILDNACHWEIS Mozart-Haus am Hannibalplatz (ORF); Wolfgang Amadeus Mozart: Gemälde von Barbara Krafft, 1819 (Gesellschaft der Musikfreunde Wien); Arnold Schönberg: Fotografie von 1926 (Ullstein Bilderdienst); Ludwig van Beethoven: Gemälde von Christian Hornemann, 1803 (BeethovenHaus Bonn); Christian Tetzlaff (Giorgia Bertazzi); Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen (Stefan Pielow); Georg Nigl (Bernd Uhlig); Lockenhaus (Balazs Borocz); Elbphilharmonie Plaza (Oliver Heissner) BEI UNS SIND SIE IMMER AN DER WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN ALLER- PRINCIPAL SPONSORS PRODUCT SPONSORS FÖRDERSTIFTUNGEN BMW Montblanc Coca-Cola Hawesko Lavazza Meßmer Ruinart Störtebeker Stiftung Elbphilharmonie Klaus-Michael Kühne Stiftung Körber-Stiftung Hans-Otto und Engelke Schümann Stiftung K. S. Fischer-Stiftung Haspa Musik Stiftung Hubertus Wald Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung Mara & Holger Cassens Stiftung Rudolf Augstein Stiftung CLASSIC SPONSORS Aurubis Bankhaus Berenberg Blohm+Voss Commerzbank AG DG HYP Reederei F. Laeisz Gossler, Gobert & Wolters Gruppe Hamburger Feuerkasse Hamburger Sparkasse Hamburger Volksbank HanseMerkur Versicherungsgruppe HSH Nordbank Jyske Bank A/S KPMG AG KRAVAG-Versicherungen M.M.Warburg & CO Nordakademie sowie die Mitglieder des Elbphilharmonie Circle Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e.V. MEDIENPARTNER ERSTEN ADRESSE FÜR GUTEN WEIN AUS DER GANZEN WELT! NDR Der Spiegel Byte FM NDR Kultur FORDERN SIE JETZT GRATIS UNSEREN NEUEN WEIN-KATALOG AN UNTER TEL. 04122 50 44 33 W W W. E L B P H I L H A R M O N I E . D E