die deutsche kammer- philharmonie bremen

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DIE DEUTSCHE
KAMMERPHILHARMONIE
BREMEN
7. N O V E M B E R 2 0 16
L AEISZHALLE GROSSER SA AL
DIRIGENT.
DER NEUE BMW 7er MIT GESTIKSTEUERUNG.
DER ANSPRUCH VON MORGEN.
Montag, 7. November 2016 | 20 Uhr | Laeiszhalle Großer Saal
19 Uhr | Einführung im Kleinen Saal mit Wendelin Bitzan
DIE DEUTSCHE
KAMMERPHILHARMONIE BREMEN
CHRISTIAN TETZLAFF V I O L I N E U N D L E I T U N G
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Konzert für Violine und Orchester G-Dur KV 216 (1775)
Allegro
Adagio
Rondeau. Allegro
ca. 25 Min.
Arnold Schönberg (1874–1951)
Verklärte Nacht op. 4 (1899)
Fassung für Streichorchester (1943)
ca. 30 Min.
Pause
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 (1806)
Allegro ma non troppo
Larghetto
Rondo. Allegro
Kadenzen: Christian Tetzlaff
ca. 40 Min.
Principal Sponsor der Elbphilharmonie
BMW Hamburg
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Abbildung zeigt Sonderausstattungen.
BMW
Niederlassung
Hamburg
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Freude am Fahren
DAS KONZERT
DIE MUSIK
ÜBER BANDE GESPIELT
Bei Violinkonzerten sind die Rollen normalerweise
klar verteilt: Der Solist brilliert, demütig begleitet
vom Orchester. Nicht so am heutigen Abend. Denn
Christian Tetzlaff, der den Solopart und die Leitung übernimmt, ist zwar einer der grandiosesten
Geiger unserer Zeit, versteht sich selbst aber als
primus inter pares im Dienste der Musik. Und so
spielt er von der ersten Note an mit dem Orchester zusammen. Ohnehin pflegt er zur Deutschen
Kammerphilharmonie Bremen eine im Wortsinne
familiäre Beziehung: Seine Schwester Tanja führt
die Cello-Gruppe an. Beste Voraussetzungen also
für einen gelungenen Abend, mit dem der gebürtige Hamburger gleichzeitig seinen 50. Geburtstag
nachfeiert. Gratulation!
Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzert G-Dur
Besetzung
2 Flöten, 2 Oboen, 2 Hörner,
Violine I, Violine II, Viola,
Violoncello, Kontrabass
Mozart-Haus am Hannibalplatz,
dem heutigen Makartplatz
Ein Leben im dauerhaften Ausnahmezustand zwischen unerschöpflicher Energie und nagenden Selbstzweifeln – die 1770er
Jahre, aus denen auch das Violinkonzert in G-Dur stammt, sind
für die Musikerfamilie Mozart ein Schwebezustand, ein ständiges
Auf und Ab. Man wohnt in einer Acht-Zimmer-Wohnung am
Hannibalplatz in Salzburg. Vater Leopold ist nach wie vor als
Vizekapellmeister angestellt, wird plötzlich entlassen und dann
doch wieder eingestellt. Sein Sohn Wolfgang hat für einige Jahre
eine feste Konzertmeisterstelle inne, ist aber teils beurlaubt,
teils unentschuldigt abwesend, teils parallel als Hoforganist
angestellt. Er ist abhängig von den Launen und Anordnungen
des strengen Fürst-Erzbischofs Hieronymus Graf Colloredo – für
Mozart oft ein Frondienst. Seine geistlichen Werke liefert er wie
vorgeschrieben ab und beschäftigt sich nebenher mit anderen
Gattungen. Dabei wagt er oft die Quadratur des Kreises: Er will
die Normen der höfischen Gesellschaft erfüllen und gleichzeitig
seinem genialen Einfallsreichtum freien Lauf lassen.
DIE MUSIK
Wolfgang Amadeus Mozart
Mit unvermindertem Enthusiasmus komponiert Mozart also
Streichquartette, Klavierstücke und sinfonische Werke. Außerdem
entstehen in dieser Zeit fünf Violinkonzerte, davon vier im Sommer und Herbst 1775 – im ICE-Tempo, wie so oft bei Mozart. Wer
diese Werke heute hört, fragt sich unwillkürlich: Ist das wirklich
ein Lernender, der sich solch eine Musik ausgedacht hat? Ein
19-jähriger Praktikant mit höheren Weihen, ein Frühvollendeter?
Zumal Mozart als Komponist dem Genre Violinkonzert bislang
fremd gegenüber gestanden hatte. Doch welche Ausgelassenheit
herrscht in diesen Werken, welche Ideen wechseln einander hier
so mühelos ab, welche zarte und zugleich tiefe Melancholie
breitet sich in den wunderbaren langsamen Sätzen aus!
Während der Erzbischof mit der Stoppuhr in der Hand herumnörgelt, eine Messvertonung dürfe laut Order aus Wien nur
45 Minuten dauern, feiert Mozart an seinem Komponiertischchen
wahre Feste. In diesen Violinkonzerten dokumentiert er die
bis heute spürbare Unbeschwertheit, die ihn als Komponisten
auszeichnet. Wo sich bei Beethoven die Welt als Synthese aus
Wille und Arbeit darstellt, herrscht bei Mozart eine verblüffende
Leichtigkeit des Denkens: die Welt als Wille und Vergnügen. Er schreibt Töne
wie klackernde Billardkugeln, er spielt über Bande und trifft doch mit jedem
Stoß elegant ins Ziel.
Auch im ersten Satz des G-Dur-Konzerts, das Sie am heutigen Abend hören,
fackelt er nicht lange. Es gibt keine Orchester-Einleitung, aus der sich die SoloGeige herausschält. Sie setzt vielmehr ganz unvermittelt mit dem Orchestertutti
ein. Der erste Gedanke ist sofort präsent. Die Wechselrede zwischen Orchester
und Solostimme ist bereits voll ausgeprägt, und stets scheint sich in Mozarts
Hinterkopf eine Art dramatische Szene abgespielt zu haben.
Ein weiteres Beispiel: der Schlusssatz, ein Rondo. Er kommt zunächst wie
harmlose Tanzmusik im Walzertakt daher. Doch in der Mitte folgt ein plötzlicher
Szenenwechsel, und etwas völlig Neuartiges stellt sich ein. Auf einmal – woher
denn bloß? – betritt eine Tänzerin auf Zehenspitzen den Raum. Die Streicher
weben ihr einen Pizzicato-Teppich, über den sie vorsichtig hinwegschreitet. Spielt
man diese Andante-Passage eher rasch, klingt sie wie ein unbekümmerter Tanz;
nimmt man sie zurückgenommen, entwickelt sie unverhofft eine Traurigkeit.
Zwölf Takte, auf die, als sei nichts gewesen, ein derber Kontretanz folgt. Kurze
Zeit später ist das Rondo-Thema wieder zur Stelle und man fragt sich, ob man
sich die ganze Szene nur eingebildet hat.
Mit diesem Violinkonzert, seinem dritten, gelingt dem jungen Komponisten
ein Quantensprung. Die Holzbläser bekommen eine ganz neue Rolle zugewiesen, Mozart geht mit dem Überraschungsmoment viel freier um. Auch als
Solist zeigt er sich von jetzt an häufiger in der Öffentlichkeit, auch außerhalb
Salzburgs. 1777 berichtet er dem Vater: »Auf die Nacht beim Soupée spielte ich
das Strasbourger-Concert. Es ging wie Öl. Alles lobte den schönen, reinen Ton.«
Sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um das G-Dur-Konzert, denn die
Bezeichnung »Strasbourger« deutet nach Ansicht einiger Mozart-Biografen auf
die Herkunft des Tanzes im Rondo hin. Der sonst so gestrenge Leopold entgegnet
unerwartet offen: »Du weißt selbst nicht, wie gut Du Violine spielst. Wenn Du nur
Dir Ehre geben und mit Figur, Herzhaftigkeit und Geist spielen willst, so wärst
Du der erste Violinspieler in Europa.«
Ein biografisches Kuriosum bleibt, dass Mozart später, in seinen Wiener
Jahren, kein einziges Violinkonzert mehr geschrieben hat. Offenbar konnten ihn
die ermunternden Worte des Vaters nicht dazu bewegen, sich der Geige ernsthaft
zu nähern. Violinsonaten komponierte er zwar weiterhin, aber eben nicht für die
Konzertbühne, sondern für den Hausgebrauch. Vielleicht war ihm das Klavier
für konzertante Zwecke einfach das vertrautere Instrument.
Christoph Vratz
DIE MUSIK
DIE MUSIK DES NEUEN
JAHRHUNDERTS
Arnold Schönberg: Verklärte Nacht
Arnold Schönberg
Besetzung
Violine I + II,
Viola I + II,
Violoncello I + II,
Kontrabass
Als Schönbergs Verklärte Nacht entsteht, scheint im traditionellen Handwerk der Musik kein Stein mehr auf dem anderen zu
bleiben. In den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts zerfällt
die Tonalität. Akkorde und Harmonien sind nicht länger selbstverständliches musikalisches Prinzip, sondern treten zugunsten
freier, oft dissonanter Zusammenklänge und motivischer Arbeit
zurück. Die Vorboten dieser Tendenz erstrecken sich bis weit
ins 19. Jahrhundert hinein: Brahms’ Motivik, Wagners Chromatik, Debussys fließende Klangbilder und die Kühnheiten des
späten Liszt. Mit Arnold Schönberg betritt ein Komponist die
Bühne, der über die nötigen Fähigkeiten verfügt, diese Aspekte
plausibel in einen neuen, modernen Stil zu überführen. Zu den
Werken, mit denen er diesen Prozess vorantreibt, zählt auch
Verklärte Nacht, das er 1899 als Streichsextett komponiert, 1917
für Streichorchester arrangiert und 1943 nochmals überarbeitet.
Verklärte Nacht fußt zwar noch auf den Regeln der alten
Harmonik, stellt sie aber gleichzeitig in Frage. Entsprechend
gereizt reagierten konservative Zeitgenossen, die im Wiener
Tonkünstlerverein organisiert waren. Brahms selbst hatte dem
Verein als Präsident vorgesessen, und Schönberg kam allein
aus gesellschaftlichen Gründen nicht umhin, Mitglied zu werden.
Als sein Lehrer Alexander Zemlinsky dem Tonkünstlerverein
aber das Streichsextett zur Aufführung vorschlug, höhnte die
zuständige Jury, diese Musik klinge, als habe man »über die
noch nasse Tristan-Partitur gewischt«. Erst drei Jahre später
konnte die Uraufführung stattfinden.
Die Anekdote verrät viel über den künstlerischen Zwiespalt,
in dem sich Schönberg und Zemlinsky an der Schwelle des
Jahrhunderts befanden. Brahms galt den beiden insofern als
Vorbild, als er einerseits jener Traditionalist war, als der sich
auch Schönberg zeit seines Lebens verstand, andererseits aber
Folgerungen aus der Tradition gezogen hatte, die Schönbergs
neuer Kunst den Weg ebnen sollten. Die Rede ist insbesondere
von Brahms’ kleinteiliger Arbeit mit motivischen
Zellen wie etwa einzelnen Intervallen, die als wichtige Voraussetzung für die Zwölftontechnik gilt.
Gleichzeitig bewunderten Zemlinsky und Schönberg
Wagners Harmonik: Dass durch chromatische
Melodieführung dissonante Akkorde entstehen,
die nicht aufgelöst werden, sondern in neue dissonante Akkorde münden.
Der Titel Verklärte Nacht stammt vom gleichnamigen Gedicht Richard Dehmels, das den Mondschein-Spaziergang eines Paares beschreibt. Doch
die Liebe ist nicht unbelastet: Die Frau gesteht,
dass sie aus der Zeit vor ihrer offenbar noch jungen
Beziehung ein Kind erwartet. Zum Glück zeigt sich
der Mann verständnisvoll und nimmt das ungeborene Kind als sein eigenes an. Die Atmosphäre
dieser Episode, das Schwanken zwischen Bangen
und Erleichterung, malt Dehmel mit Worten, Schönberg mit Tönen. Schönberg hat Dehmels Lyrik eine
katalytische Wirkung auf seine Musik bescheinigt,
als er ihm 1912 schrieb: »Ihre Gedichte haben auf
meine musikalische Entwicklung entscheidenden
Einfluss ausgeübt. Durch sie war ich genötigt, einen
neuen Ton zu suchen. Das heißt, ich fand ihn ungesucht, indem ich musikalisch widerspiegelte, was
Ihre Verse in mir aufwühlten.«
Allerdings hat Schönberg nicht einfach die fünfteilige Form des Gedichtes musikalisch kopiert,
sondern sich von ihr inspirieren lassen. Sein Werk
besteht aus zwei annähernd gleich großen formalen Blöcken, die um eine kurze Mittelachse angeordnet sind. In Analogie zum Gehalt des Gedichts
ist der erste Teil dramatisch bewegt, der zweite
von statischer Ruhe. Als eine Art Fazit steht am
Ende eine Reprise, die die Hauptthemen der beiden
Teile noch einmal aufgreift.
Christoph Becher
Verklärte Nacht
Richard Dehmel (1863 –1920)
Zwei Menschen geh’n durch kahlen Hain;
der Mond läuft mit, sie schau’n hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen,
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
in das die schwarzen Zacken reichen.
Die Stimme eines Weibes spricht:
»Ich trag ein Kind, und nit von dir,
ich geh in Sünde neben dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen;
ich glaubte nicht mehr an ein Glück
und hatte doch ein schwer Verlangen
nach Lebensfrucht, nach Mutterglück
und Pflicht – da hab ich mich erfrecht,
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
von einem fremden Mann umfangen
und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt,
nun bin ich dir, o dir begegnet.«
Sie geht mit ungelenkem Schritt,
sie schaut empor, der Mond läuft mit;
ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:
»Das Kind, das du empfangen hast,
sei deiner Seele keine Last,
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!
Es ist ein Glanz um Alles her,
du treibst mit mir auf kaltem Meer,
doch eine eigne Wärme flimmert
von dir in mich, von mir in dich;
die wird das fremde Kind verklären,
du wirst es mir, von mir gebären,
du hast den Glanz in mich gebracht,
du hast mich selbst zum Kind gemacht.«
Er fasst sie um die starken Hüften,
ihr Atem mischt sich in den Lüften,
zwei Menschen geh’n durch
hohe, helle Nacht.
Ludwig van Beethoven
KOMPONIEREN
MIT ZIEGELSTEINEN
Ludwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur
»Er hätte sich mit schierer Vir tuosität über
Wasser halten können, die ist verblüf fend genug.
Aber, und das zeichnet ihn vor einigen anderen guten
Technikern aus, er spielt mit einer Leidenschaft
und einem Furor, der sofor t mitreißt.«
Süddeutsche Zeitung
T O U R D A T E N : 25 . / 2 6 . / 3 0 . 10 . M ü n s te r · 15 . 12. B e r l i n · 18 . 12. M ü n c h e n
A l s C D, D o w n l o a d u n d S t r e a m. J e t z t ü b e r a l l. w w w.n e m a n j a- r a d u l ov i c.d e
Besetzung
Flöte, 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Fagotte,
2 Hörner, 2 Trompeten, Pauke
Violine I, Violine II, Viola,
Violoncello, Kontrabass
Vier Paukenschläge. Vier gleichmäßige Viertel auf ein und demselben Ton. Einfacher, simpler kann eine Musik gar nicht gestrickt
sein. Ludwig van Beethoven beginnt sein großes Violinkonzert
wie ein Drummer, der den Takt vorzählt, bevor die Band einsetzt.
Was soll das?
Nun, Beethoven ist kein Komponist der großen Melodien – im
Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Mozart, der in seinen
Werken einen Ohrwurm an den anderen reiht. Bei Beethoven
herrschen strenge Logik und eine geradezu architektonische
Struktur vor. Besonders gut beobachten lässt sich das in den
Kompositionen des Jahrzehnts ab 1800: in den Sinfonien 3–6,
den Klavierkonzerten 3–5 und eben dem Violinkonzert. Beethoven entwickelt seine Musik hier aus ganz basalen Ideen und
Bausteinen. Und nicht selten stellt er sie dem Hörer zu Beginn
einmal im Rohzustand vor, als wollte er sagen, schau her, so
DIE MUSIK
4
2
1
3
Beethovens Manuskript des
1. Satzes, Ende der SoloEingangskadenz. In der Mitte
sind die vier Paukenschläge zu
erkennen (1), davor eine verworfene (2) und die endgültige (3)
Fassung des Violinsolos. Oben
der Einsatz der Holzbläser (4).
sieht ein Ziegelstein aus, daraus baue ich jetzt ein Haus. Im
Falle der Dritten Sinfonie ist es ein Dreiklang, bei der Fünften
das bekannte Tatatataaa-Motiv – und beim Violinkonzert eben
der einfachste denkbare Rhythmus.
Wie zentral er für diesen Satz ist, lässt sich nicht nur daran
ablesen, dass Beethoven ihn »roh« an den Anfang setzt, sondern
dass er ihn in der Folge über 70 Mal (!) aufgreift. Zwar wartet der
Satz mit gleich fünf Themen auf, doch sie basieren allesamt bloß
auf der D-Dur-Tonleiter oder dem D-Dur-Dreiklang. Verknüpft
werden sie jeweils durch das Motto, das an allen Nahtstellen auftaucht und so ganz unauffällig für strukturelle Integration sorgt.
Ein genialer Schachzug! Und man könnte durchaus behaupten,
dass die Synkope, also der rhythmische Kick des ersten Themas, überhaupt erst vor der Folie der gleichmäßigen Viertel zur
Geltung kommt.
Entstanden ist das Violinkonzert innerhalb weniger Wochen
im November und Dezember 1806. Franz Clement, der Konzertmeister im Theater an der Wien, hatte seinen Freund Beethoven
um ein würdiges Solokonzert gebeten. Der Komponist erfüllte
den Wunsch gnädig – im wahrsten Sinne des Wortes. Auf dem
Titelblatt notierte er das Wortspiel: »Concerto par Clemenza pour Clement«
(Konzert aus Barmherzigkeit für Clement). Auch wenn das Werk heute im besten
Sinne als »vollendet« gilt, war es doch mit ziemlich heißer Nadel gestrickt. Der
Legende nach bekam Clement die Noten erst am Vorabend der Aufführung und
spielte quasi vom Blatt. Dass das nicht stimmen kann, bezeugen die zahlreichen
Änderungen und Alternativ-Fassungen in der Partitur, die Beethoven – wie bei
so vielen Werken – offenbar noch während der Proben oder in Diskussionen mit
dem Solisten eintrug. Hier abgedruckt sehen Sie ein Beispiel aus dem ersten
Satz; auch die vier Paukenschläge tauchen darin wieder auf.
Für Ludwig van Beethoven war es bei aller Freundschaft nicht unbedingt
naheliegend, sich mit der Gattung des Violinkonzerts zu beschäftigen. Ein solches
Werk zählte damals weniger als eine Sinfonie. Und wenn schon Konzert, dann
bitte für Klavier, schließlich war Beethoven selbst Pianist. Bei der Komposition
orientierte er sich ergo an aktuellen Vorbildern: an Clement, der erst kurz zuvor
ein Violinkonzert für sich selbst geschrieben hatte, und an Giovanni Battista Viotti,
den heute außerhalb der Geigen-Szene niemand mehr kennt, der aber damals
das Maß aller Dinge war. (Bis 1853 wurden für Wettbewerbsvorspiele am Pariser
Konservatorium ausschließlich Viotti-Konzerte angesetzt.) Viotti entwickelte
sowohl die Spieltechnik weiter als auch die Konzert-Standardform in drei Sätzen:
einen marschähnlichen Kopfsatz im Stile französischer Revolutionsmusik, einen
arienhaften Mittelsatz im Romanzenton und ein spritziges Finale mit Jagdcharakter
im 6/8-Takt. Und exakt nach diesem Modell baute Beethoven sein Konzert auf.
Bei der Uraufführung im Dezember 1806 im Theater an der Wien wurde das
Werk nicht gut aufgenommen. Der Autor der einzig erhaltenen Rezension lobte
zwar den »vortrefflichen Violinspieler Clement« und seine »Kunst und Anmut«,
bemängelte aber den »zerrissenen Zusammenhang« des Violinkonzerts und
die »unendlichen Wiederholungen, die leicht ermüden können«. Sicher lief das
Stück der damaligen Erwartungshaltung zuwider. Es ist gut doppelt so lang
wie zeitgenössische Konzerte und verzichtet ganz auf virtuose Mätzchen – was
Franz Clement nicht davon abhielt, im Premierenkonzert noch einige Tricks
einzubauen, wie etwa mit nach unten gekehrter Geige zu spielen. Viele seiner
Kollegen hielten das Konzert für zu schwer, wenn nicht sogar unspielbar und
jedenfalls undankbar. Diese Haltung änderte sich jedoch bald. Heute steht es
im Zentrum des Repertoires.
Clemens Matuschek
DIE KÜNSTLER
VIOLINE UND LEITUNG CHRISTIAN TETZLAFF
Christian Tetzlaff ist seit Jahren einer der gefragtesten Geiger
und spannendsten Musiker der Klassikwelt. »The greatest performance of the work I’ve ever heard«, schrieb der Guardian
über seine Interpretation des Beethoven-Violinkonzerts, das
er mittlerweile gut 300 Mal aufgeführt hat.
Was den 1966 in Hamburg geborenen und inzwischen mit
seiner Familie in Berlin lebenden Musiker so einzigartig macht, ist
längst nicht nur sein großes geigerisches Können. Wenn Christian
Tetzlaff etwa den Notentext so wörtlich wie möglich zu erfüllen
versucht – ohne Rücksicht auf »Aufführungstraditionen« und
ohne sich die oft üblichen geigentechnischen Erleichterungen
zu gönnen –, dann zeigen sich die altbekannten großen Werke oft
in neuer Klarheit und Schärfe. Als Geiger möchte Tetzlaff hinter
dem Werk verschwinden, und das macht seine Interpretationen
paradoxerweise sehr individuell.
Zum zweiten »spricht« Christian Tetzlaff durch seine Geige:
Sein Spiel umfasst eine große Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten und ist nicht allein auf Wohlklang und virtuosen Glanz
ausgerichtet. Er versteht die Meisterwerke der Musikgeschichte
als Geschichten, die von zentralen Erfahrungen handeln: von
intensivsten Gefühlen, höchstem Glück und tiefen Krisen. Das
dem Publikum zu vermitteln, ist Christian Tetzlaffs Ziel. Voraussetzung für diesen Ansatz sind spieltechnische Souveränität, Mut
zum Risiko, Offenheit und eine große Wachheit für das Leben.
Daneben lenkt Christian Tetzlaff den Blick immer wieder auf
vergessene Stücke wie das Violinkonzert von Joseph Joachim und
etabliert gehaltvolle neue Werke wie das von ihm uraufgeführte
Violinkonzert von Jörg Widmann im Repertoire. So pflegt er ein
ungewöhnlich breites Repertoire und gibt rund 100 Konzerte pro
Jahr. Er war Artist in Residence bei den Berliner Philharmonikern,
hat eine mehrere Spielzeiten umfassende Konzertserie mit dem
Orchester der New Yorker Met unter James Levine bestritten
und gastiert regelmäßig bei den Wiener und den New Yorker
Philharmonikern, dem Concertgebouworkest und den großen
Londoner Orchestern.
Bereits 1994 gründete Christian Tetzlaff sein eigenes Streichquartett, in dem auch seine Schwester Tanja mitwirkt und mit
dem er Ende nächster Woche, am 18. November, nochmals in
die Laeiszhalle zurückkehrt.
Christian Tetzlaff spielt nicht
etwa eine historische Stradivari
oder Amati, sondern ein modernes
Instrument des Geigenbauers
Peter Greiner.
DIE KÜNSTLER
DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zählt zu den weltweit führenden Orchestern und begeistert mit ihrem einzigartigen Musizierstil überall ihr Publikum. Auch Bundespräsident
Joachim Gauck, der die Musiker 2014 ins Schloss Bellevue
einlud, schwärmte: »Ein Orchester, wie es in Deutschland kein
zweites gibt.«
Künstlerischer Leiter ist seit 2004 der estnische Dirigent
Paavo Järvi. Gemeinsam tourte man schon durch ganz Europa,
Japan und Nordamerika mit Auftritten beim Schleswig-Holstein
Musik Festival, den BBC Proms, beim Mostly Mozart Festival
in New York sowie in Tokio. Bisheriger Höhepunkt der Zusammenarbeit war das Beethoven-Projekt, auf das man sich sechs
Jahre lang konzentrierte. Die Aufführungen und CD-Aufnahmen
sämtlicher Beethoven-Sinfonien wurden weltweit von Publikum
und Presse als maßstabsetzend gefeiert. Ein ebenso positives
Echo fand die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete TV- und
DVD-Dokumentation des Beethoven-Projekts. Im Anschluss
setzte sich Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ebenso
erfolgreich mit dem sinfonischen Schaffen von Robert Schumann
auseinander. Mittlerweile sind alle seine Sinfonien auf CD bzw.
DVD erschienen. NDR Kultur lobte: »Sorgfalt, Spielfreude und
Fantasie sind die Zutaten zum Erfolgsrezept der Aufnahme.
Auch bei Schumann führt kein Weg an der Kammerphilharmonie
vorbei.« Der jüngste Schwerpunkt der Bremer ist Johannes
Brahms gewidmet.
Seit vielen Jahren pflegt das Orchester enge musikalische
Freundschaften zu international renommierten Solisten und
Dirigenten wie Christian Tetzlaff, Viktoria Mullova, Hélène Grimaud, Janine Jansen, Hilary Hahn, Heinrich Schiff, David Fray,
Igor Levit, Martin Grubinger und Sir Roger Norrington. Als
erstes Orchester überhaupt wurde Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen 2010 mit der Ehrenurkunde des Preises der
deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Kürzlich wurde
sie von Deutschlandradio Kultur zum »Orchester des Jahres«
2016 gewählt.
Mit großem persönlichem Engagement widmen sich die Orchestermitglieder den gemeinsamen Projekten mit der Gesamtschule Bremen-Ost, in deren
Gebäude sich seit einigen Jahren die Probenräume des Orchesters befinden.
Die Musiker verfolgen hier das Ziel, individuelles Wachstum – gerade auch, aber
nicht nur in bildungsferner Umgebung – durch Musik zu fördern. Die daraus
erwachsene Zusammenarbeit wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht,
darunter 2007 mit dem »Zukunftsaward« als »beste soziale Innovation« und 2012
mit einem Echo Klassik. Inzwischen hat der Staatsminister für Kultur dieses
»Zukunftslabor« zum Modellprojekt ernannt.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gastierte in den vergangenen
Jahren regelmäßig in der Laeiszhalle und gibt auch in dieser Spielzeit drei
Konzerte in Hamburg: neben dem heutigen Abend noch am 3. März (mit Matthias Pintscher und dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard) und am 6. Mai (mit
Peter Ruzicka und der Sängerin Anna Prohaska), jeweils im Großen Saal der
Elbphilharmonie.
Viola
Friederike Latzko
Jürgen Winkler
Anja Manthey
Barbara Linke-Holicka
Kerstin Beavers
Violoncello
Tanja Tetzlaff
Marc Froncoux
Ulrike Rüben
Stephan Schrader
Kontrabass
Matthias Beltinger
Juliane Bruckmann
Klaus Leopold
Flöte
Bettina Wild
Ulrike Höfs
Fagott
Rie Koyama /
Simon van Holen
Horn
Elke Schulze Höckelmann
Markus Künzig
Trompete
Christopher Dicken
Bernhard Ostertag
Pauke
Stefan Rapp
Oboe
Rodrigo Blumenstock /
Ulrich König
* Konzertmeisterin
Klarinette
Matthew Hunt
Maximilian Krome
Foto: Giorgia Bertazzi
Violine
Sarah Christian*
Hozumi Murata
Timofei Bekassov
Hannah Nebelung
Stefan Latzko
Beate Weis
Stephanie Appelhans
Jörg Assmann
Matthias Cordes
Gunther Schwiddessen
Barbara Kummer
Theresa Lier
Johannes Haase
Hannah Zimmer
www.kammermusikfreunde. de
BESETZUNG
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FrEitAg | 18. NovEmBEr 2016 | 20.00 Uhr
LAEiszhALLE | KLEiNEr sAAL
tetzlaff Quartett
W. A. mozart: streichquartett Es-Dur Kv 428 (421b)
Bela Bartók: streichquartett Nr. 4
Jean sibelius: streichquartett d-moll op. 56
»voces intimae«
Karten: E 42 / 32 / 22 / 13 · ermäßigt: E 10 an der Abendkasse
Karten: Elbphilharmonie Kulturcafé, am Mönckebergbrunnen/Barkhof 3, 20095 Hamburg,
Konzertkasse im Brahms Kontor (gegenüber der Laeiszhalle), Johannes-Brahms-Platz 1,
20355 Hamburg, Mo –Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr. Telefonische Bestellungen: 040 - 357 666 66,
Mo-Sa 10 –18 Uhr, sowie bei allen bekannten Konzertkassen und an der Abendkasse.
Online: www.kammermusikfreunde.de · Veranstalter: Hamburgische Vereinigung von Freunden
der Kammermusik e.V., Am Weiher 15, 20255 Hamburg
VORSCHAU
VON DER ROMANTIK BIS HEUTE
DER BARITON GEORG NIGL
Im vergangenen Jahr von der Zeitschrift Opernwelt zum »Sänger
des Jahres« gekürt, beweist Georg Nigl bei seinem Liederabend,
dass er diesem Titel mehr als gerecht wird. Das breitgefächerte
Programm, das er zusammen mit seinem Klavierpartner Alexander Melnikov gestaltet, spannt einen Bogen von den Romantikern
Schubert und Brahms über die frühe Moderne Alban Bergs
bis hin zur unmittelbaren Gegenwart. Denn in der Laeiszhalle
präsentiert Nigl auch Wolfgang Rihms neuen Liederzyklus Dort
wie hier, den er vor knapp einem Monat in Köln uraufgeführt hat.
Mi, 7.12.2016 | 20 Uhr | Laeiszhalle Kleiner Saal
LOCKENHAUS ON TOUR
Lockenhaus – das ist schon seit vielen Jahren ein Synonym für
ein Kammermusikfestival der besonderen Art. Spontan zusammengesetzte Ensembles, ein Repertoire, über das erst kurz vor
dem Konzert entschieden wird, das alles gibt’s nur hier. Zum
35. Jubiläum holt der Cellist Nicolas Altstaedt, der das Kultfestival 2012 von dessen Initiator Gidon Kremer übernahm, den
Geist von Lockenhaus nach Hamburg. Gesetzt sind lediglich seine
Mitmusiker, darunter der Violinist Pekka Kuusisto und Alexander
Lonquich am Klavier, sowie Schuberts Forellenquintett. Man
darf gespannt sein, was sie noch so alles im Gepäck haben.
Do, 8.12.2016 | 20 Uhr | Laeiszhalle Kleiner Saal
DIE PLAZA DER ELBPHILHARMONIE
Endlich ist es soweit! Seit letztem Freitag steht die Plaza der
Elbphilharmonie allen Hamburgern und Besuchern als öffentlicher Raum zur Verfügung. Sie befindet sich an der Nahtstelle des
alten Kaispeichers und des gläsernen Neubaus auf 37 Metern
Höhe und gibt die wohl spektakulärste Aussicht über Hamburg
und den Hafen frei. Aus Kapazitätsgründen wird der Zugang
über die Ausgabe von Tickets geregelt, die entweder vor Ort
kostenlos (nach Verfügbarkeit) für den selben Tag erhätlich sind
oder für eine Gebühr von € 2 pro Ticket online vorreserviert
werden können.
Ab 5.11.2016 | täglich von 9 bis 24 Uhr
Alle Informationen unter www.elbphilharmonie.de/plaza
Die Aufzeichnung des Konzerts in Ton, Bild oder Film ist nicht gestattet.
IMPRESSUM
Herausgeber: HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft
Generalintendanz: Christoph Lieben-Seutter
Geschäftsführung: Jack F. Kurfess
Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta
Gestaltung und Satz: Mehmet Alatur / breeder design
Druck: Flyer-Druck.de
Anzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 (0)40 450 698 03,
[email protected]
BILDNACHWEIS
Mozart-Haus am Hannibalplatz (ORF); Wolfgang Amadeus Mozart: Gemälde von Barbara Krafft,
1819 (Gesellschaft der Musikfreunde Wien); Arnold Schönberg: Fotografie von 1926 (Ullstein
Bilderdienst); Ludwig van Beethoven: Gemälde von Christian Hornemann, 1803 (BeethovenHaus Bonn); Christian Tetzlaff (Giorgia Bertazzi); Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
(Stefan Pielow); Georg Nigl (Bernd Uhlig); Lockenhaus (Balazs Borocz); Elbphilharmonie Plaza
(Oliver Heissner)
BEI UNS
SIND
SIE
IMMER
AN DER
WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN
ALLER-
PRINCIPAL SPONSORS
PRODUCT SPONSORS
FÖRDERSTIFTUNGEN
BMW
Montblanc
Coca-Cola
Hawesko
Lavazza
Meßmer
Ruinart
Störtebeker
Stiftung Elbphilharmonie
Klaus-Michael Kühne Stiftung
Körber-Stiftung
Hans-Otto und Engelke Schümann
Stiftung
K. S. Fischer-Stiftung
Haspa Musik Stiftung
Hubertus Wald Stiftung
Ernst von Siemens Musikstiftung
Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung
Mara & Holger Cassens Stiftung
Rudolf Augstein Stiftung
CLASSIC SPONSORS
Aurubis
Bankhaus Berenberg
Blohm+Voss
Commerzbank AG
DG HYP
Reederei F. Laeisz
Gossler, Gobert & Wolters Gruppe
Hamburger Feuerkasse
Hamburger Sparkasse
Hamburger Volksbank
HanseMerkur Versicherungsgruppe
HSH Nordbank
Jyske Bank A/S
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