Psychologie - Soziologie – Pädagogik - content

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Ethik
matik, Physik und Metaphysik) und praktischer Philosophie (Politik,
Ökonomie und Ethik). Während sich die theoretische Disziplin der Philosophie mit Fragen des Erkennens und Seins beschäftigt, geht es in der
praktischen Philosophie um menschliche Handlungsweisen (vgl. Pieper 62007, S. 24).
Mit êthikês theôrias bezeichnete er die wissenschaftliche Beschäftigung mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen (êthos). Aristoteles vertrat die Überzeugung, dass der Mensch die Fähigkeit besitze, sein sittliches Handeln kritisch zu hinterfragen und zu begründen (vgl.
Düwell/Hübenthal/Werner 22006, S. 1). Sein Anliegen bestand darin,
die vorherrschenden Sitten und Gebräuche auf ihren vernünftigen Sinn
hin zu überprüfen. Dafür entwickelte er eine Theorie über ein gutes
und gelingendes Leben. Seine zentrale Frage „Wie kann ich ein gutes
Leben führen?“ zielte nicht auf theoretischen Erkenntnisgewinn ab,
sondern reflektierte die bestehende Moral der Polis. Sein wohl bedeutendstes Werk der Ethik ist die „Nikomachische Ethik“. Diese beinhaltet eine umfassende Theorie des Handelns, die für den Schüler der
Ethik eine Hilfestellung zu einem guten und glücklichen Leben darstellen soll.
Gegenstand der Ethik ist für Aristoteles der gesamte Bereich menschlichen Handelns samt dessen personalen Bedingungen. Dieser Gegenstand soll mit philosophischen Mitteln einer normativen Beurteilung
unterzogen werden und zur Anleitung für moralisches Verhalten dienen. Der Begriff „Ethik“, wie wir ihn heute gebrauchen, wird daher
auch als „Moralphilosophie“ bezeichnet (vgl. ebd., S. 1).
Gegenstand der Ethik ist die Moral als Gesamtheit zugrunde liegender Werte und Normen. Moral ohne eine fortlaufende systematische Reflexion der Ethik wird auf die Dauer blind für Veränderungen und damit möglicherweise zu einem ungerechtfertigten Zwang (vgl. Steinkamp/
Gordijn 2005, S. 49).
Demgegenüber unternimmt die Ethik aus einer gewissen Distanz eine
methodisch-kritische Reflexion auf das menschliche Handeln, um zu
argumentativ begründeten Aussagen zu gelangen. Durch die Reflexion
der Moral versucht sie, das moralisch Gute und Richtige zu ermitteln,
zu begründen, sowie bestehende Normen auf ihre Gültigkeit kritisch
zu hinterfragen. Dabei erhebt sie nicht den Anspruch zu bestimmen,
wie in der konkreten Situation zu handeln ist. Jedoch kann sie zur Klärung der Situation beitragen, indem sie hilft, ethische Konflikte und
Probleme aufzudecken, d.h. explizit zu machen. Welche Werte sind im
Spiel und gefährdet? Meist kollidieren mindestens zwei fundamentale
Werte miteinander.
Gemäß dieses Aufgabenbereiches definiert Pieper (62007, S. 17) Ethik
als „Wissenschaft vom moralischen Handeln“.
Aristoteles (384–322 v. Chr.)
einflussreichster Philosoph
der Antike.
In seinem bekanntesten
Werk „Nikomachische Ethik“
begründet er seine Tugendlehre auf vernunftgeleiteter
Freiwilligkeit.
Polis
antiker griechischer Stadtstaat
systematisch
planmäßig, einer Ordnung
unterworfen, geordnet
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Kernaussage
Allgemeine Ethik
Ethik als eine praktische Wissenschaft beschäftigt sich mit Werten
und Normen, mit dem Sein-Sollenden des moralischen Handelns.
Sie ist universal gültig und widerspruchsfrei.
1.3.1 Ziele und Aufgaben der Ethik
Häufig wird Ethik nur als etwas Theoretisches, Praxisfernes gesehen.
Tatsächlich aber verfügt nach Kant jeder Mensch immer schon über Moralität, nur sind ihm deren Grundbegriffe oft nicht bewusst, da er nicht
gewohnt ist über sie zu reflektieren. Ethische Reflexion wird notwendig, wenn in der Alltagspraxis Konflikte und Probleme auftreten und
sich das bisher Selbstverständliche in Frage stellt (vgl. Rabe 2009, S. 85).
Im Zentrum steht die Frage „Wie soll ich handeln?“ bzw. „Was soll
ich tun?“
Ziel und Aufgabe der Ethik besteht nun darin, den Menschen argumentative Unterstützung und Begleitung in der Klärung moralischer
Fragen anzubieten. Sie versucht zu klären, was moralisch gut oder
schlecht, richtig oder falsch, geboten oder verboten bzw. gerecht oder
ungerecht ist. Weiters versucht die Ethik, diese Urteile stichhaltig zu begründen: Warum ist eine bestimmte Handlung moralisch geboten? Warum soll ich in dieser oder jener Weise handeln? Die Ethik versucht, allgemeine Kriterien für moralisch richtig, gut oder gerecht aufzustellen
und insbesondere dort Orientierung zu bieten, wo unsere moralischen
Alltagsüberzeugungen unsicher oder widersprüchlich sind (vgl. Wiesing 22004, S. 21).
Reinhard Lay (2004, S. 31 ff.) beschreibt sieben Einzelaufgaben der
Ethik:
Ω Aufklären, Transparenz herstellen: Historisch gewachsene Normen
und Werte einer Kultur oder Gesellschaft werden von den zugehörigen Menschen meist unbewusst im Laufe des Lebens verinnerlicht. Der Mensch ist aber in der Lage, sich diese bewusst zu machen, zu reflektieren und gegebenenfalls zu modifizieren.
Ω Moral legitimieren: Ethik versucht die Moral, auf die das Handeln
gründet, zu begründen und zu rechtfertigen.
Ω Bestehende Normen überprüfen: Eine weitere Aufgabe der Ethik
besteht in der kritisch-distanzierten Reflexion bestehender Normen
und Werte.
Ω Prinzipien und Normen zur Verfügung stellen: Die Aufgabe der
Ethik besteht darin, Grundprinzipien für menschliches Handeln
bereitzustellen und zu begründen. Sie dienen als Maßstab zur Beurteilung formaler Normen (z. B. stets die Wahrheit zu sagen). Die
kritische Beurteilung in konkreten Situationen bleibt die immerwährende Aufgabe des Einzelnen.
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Ethik
Ω Handlungen auf ihre Sittlichkeit überprüfen: Die Ethik fungiert
auch als Instrument, welches eine Orientierung für menschliches
Handeln bereitstellt, ohne konkrete Handlungsanweisungen vorzugeben.
Ω Korrektiv für die Praxis sein: Die Ethik als wissenschaftliche Disziplin dient der Überprüfung und Korrektur moralischer Praxis. Sie
verfolgt das Ziel:
• Sensibilisierung des Handelnden, damit er moralische Konflikte
und Probleme in der Praxis klar erkennen kann;
• Lösungsvorschläge zu entwickeln und zu begründen, unter Berücksichtigung moralischer Konsequenzen;
• Selbstständige und überlegte Entscheidungen für das moralisch
richtige Handeln zu treffen.
Ω Zur moralischen Kompetenz anleiten: Der Handelnde soll die Fähigkeit erwerben, nicht bloß Konventionen zu folgen, sondern durch
selbstständiges Urteilsvermögen und Einsicht zu moralischer Kompetenz zu gelangen.
In der Pflege ergeben sich fortwährend Situationen, die ethische Kompetenz erfordern, wobei die beschriebenen Ziele und Aufgaben zum
Tragen kommen.
Konvention
Regeln des Umgangs und
des sozialen Verhaltens, die
für die Gesellschaft als Verhaltensnorm gelten
1.3.2 Ebenen der Ethik
Entsprechend der Grundfrage und der Methodik sind unterschiedliche
Grundtypen ethischer Theorie zu unterscheiden: deskriptive Ethik, normative Ethik und Metaethik.
Deskriptive Ethik
Die deskriptive oder empirische Ethik beschreibt bestehende Werteund Normensysteme einer bestimmten Kultur, Gruppe oder Institution. Sie wird von diversen Einzelwissenschaften wie der Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Geschichte, Politologie etc. geleistet. Man versucht
das menschliche Miteinander in Beziehung zu anderen Fakten und Erscheinungen (historische, politische, soziologische, religiöse, kulturelle, geografische etc.) zu klären und ermittelt den darin innewohnenden
Moralkodex. Die deskriptive Ethik fällt keine moralischen Urteile.
Die deskriptive Ethik beschäftigt sich mit Fragen wie: „Welche Moralvorstellungen hat dieser oder jener Mensch? Welche Werte und Normen bilden die Basis der Pflegeausbildung?“
Für die Entwicklung einer Pflegeethik sind die Erkenntnisse der deskriptiven Ethik bedeutsam.
lat. describere = beschreiben,
schildern
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Kernaussage
Allgemeine Ethik
Deskriptive Ethik ist rein beschreibend und wertfrei. Sie befasst
sich mit der Frage, wie Werte, Normen und Prinzipien von Individuen, Gruppen oder der Gesellschaft umgesetzt werden.
Normative Ethik
„Die Normative Ethik begibt sich auf die Suche nach der richtigen Moral.“
(Düwell/Hübenthal/Werner 22006, S. 25)
normativ
wertend; normbegründende
Ethik
Kernaussage
Die normative oder präskriptive (vorschreibende) Ethik, gelegentlich
auch als Sollensethik bezeichnet, untersucht nicht, wie jemand tatsächlich handelt, sondern wie jemand handeln soll. Sie wird nicht aus
dem bestehenden Verhalten abgeleitet, sondern aus einer kritisch wertenden Sicht geltender Normen und Werte, die in der Geschichte der jeweiligen Kultur mit all ihren Widersprüchen tradiert und bewahrt worden sind. Dabei werden Werthaltungen aufgegriffen, die sich als
gesellschaftliche Kritik und als Weisungen für das menschliche Leben
äußern (vgl. Amelung 1991, S. 57).
Die zentrale Aufgabe der normativen Ethik besteht in der Prüfung,
ob die Normen und Werte, die dem Handeln zugrunde liegen, zu rechtfertigen sind. Sie versucht Kriterien zu entwickeln, die moralische Beurteilungen von Handlungen ermöglichen, ohne sie bereits vorwegzunehmen, d. h. sie bietet keine direkten Handlungsanweisungen wie: „In
Situation X musst du Y tun!“. Vielmehr will sie eine Orientierung sein.
Sie versucht Lebensregeln allgemein zu formulieren und auch rational
zu begründen (argumentative Begründungen für eine Diskussion).
Normative Ethik beschäftigt sich mit der Grundfrage: „Was soll ich
tun?“ Wie sollen wir uns unseren Mitmenschen gegenüber verhalten?
Nach welchen Zielen und Werten soll ich mein Handeln ausrichten?
Die normative Ethik besinnt sich auf die ethische Qualität menschlichen Handelns unter dem Aspekt von gut und schlecht in Form von
allgemeinen Geboten und Verboten.
Die Ethik als normative Wissenschaft ist für die Pflege, in deren Mittelpunkt der zu pflegende Mensch mit seinem persönlichen Wertebewusstsein steht, von zentraler Bedeutung. Dennoch sollen nicht allein
ethische Normen unser Handeln leiten.
Normative Ethik formuliert Werturteile und Prinzipien über
menschliches Handeln. Sie befasst sich mit der Begründung moralischer Urteile.
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Recht
Metaethik
Die Aufgabe der Metaethik besteht darin, die sprachlichen Elemente
und Formen moralischer Aussagen kritisch zu analysieren und Methoden zu ihrer Rechtfertigung und Anwendung zu entwickeln. Die Metaethik kann auch als die Wissenschaftstheorie der Ethik bezeichnet werden und ist Wissenschaftlern vorbehalten. Daher ist die Metaethik in
diesem Kontext nicht von besonderer Bedeutung.
Wie die Ausführungen zeigen, sind für die Pflege die deskriptive und
die normative Ethik von praktischer Relevanz.
Metaethik
sprachanalytische Ethik;
meta = nach, hinter der normativen Ethik, z. B. Frage
nach der Bedeutung von
„gut“
1.4 Recht
Das Recht ist eine normative Wissenschaft, indem sie durch Vorschriften menschliches Handeln anleitet. Rechtsnormen sind schriftlich festgehaltene Bestimmungen, die moralische Ansichten und Überzeugungen einer Gesellschaft fixieren und durch Sanktionen verbindlich
machen. Dennoch ist Moral nicht durch das Recht ersetzbar, da Gesetze Spielräume offen lassen. Die Aussage „Das Recht steht auf meiner
Seite“ sagt noch nicht, dass eine rechtmäßige Handlung auch gut ist.
Dadurch ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Recht, Moral und
Ethik: Die Ethik liefert eine Fundierung für Gesetze, um Ungerechtigkeit zu vermeiden.
In vielen Fällen lassen sich Rechtsnormen und moralische Normen
ähnlich formulieren, wie z. B. „Du sollst nicht töten!“ oder „Du sollst
nicht stehlen!“. Das geltende Recht kann in einer Rechtsgemeinschaft
inhaltlich gesehen als ethisches Minimum ausgedrückt werden (vgl.
Zsifkovits 2004, S. 61). Nicht immer stimmen Gesetze mit dem ethischen Wertesystem überein. Die Ethik erwirkt auch Erweiterungen und
Korrekturen von bestehenden Gesetzen, die den gewandelten moralischen Überzeugungen widersprechen. Im Unterschied zur Moral ist das
Recht einklagbar, unmoralisches Verhalten hingegen wird durch Sanktionen wie Tadel, Zurechtweisungen etc. bestraft (vgl. Waibl 2004, 26 f.).
In der Pflege treten häufig ethische Fragen und Probleme auf, die
sich nicht durch das Gesetz regeln lassen. Pflegerische Interventionen
können durchaus der Rechtsnorm entsprechen, moralisch aber bedenklich erscheinen. Deshalb ist zum einen Rechtswissen notwendig,
um den Berufsrahmen zu bestimmen, und zum anderen ethisches Wissen, um auch jenen Problemen, für die das Recht keine hinreichende
Regulierung bieten kann, angemessen zu begegnen.
Recht(snormen) sind staatlich festgesetzte Normen des Handelns
und haben bei Übertretung rechtliche Konsequenzen, die historisch und national differieren. Sie werden durch die Ethik fundiert
Kernaussage
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Allgemeine Ethik
und korrigiert. Ethik, Recht und Moral stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander.
Beispiel Euthanasie
Aktive Euthanasie ist in den Benelux-Ländern (Niederlande, Belgien
und Luxemburg) unter bestimmten Kriterien legalisiert worden.
Trotzdem kann dieses Vorgehen bei Pflegepersonen oder Ärzten zu
moralischen Konflikten führen
Tabelle 2
Moral (lat. Sitte)
Gesamtheit der in einer Gemeinschaft bzw. Gruppe oder Organisation allgemein akzeptierten moralischen Verhaltensnormen und
Wertvorstellungen, die das Zusammenleben regeln; Bsp.: Du sollst
nicht lügen, Du sollst anderen in der Not helfen u. a.
Moralität (lat.)
Moralität bezeichnet die sittliche Haltung und Überzeugung sich
selbst und anderen gegenüber. Das bedeutet, dass ein Mensch sein
Handeln sich selbst (Gewissen) und anderen gegenüber argumentieren und verantworten kann (personale Moral).
Ethos (griech.)
Ethos ist die tradierte und gelebte (Berufs-)Moral
(z. B. Ärztliches Ethos, Ethos der Pflegenden, …). Sie wird durch die
Ausbildung und Sozialisation übernommen und unterliegt einem historischen Wandel, z. B.„Barmherzige Lüge“ und Autonomieprinzip.
Ethik
Reflexionstheorie der Moral bzw. von menschlichem Handeln.
Ethik: analysiert, kritisiert, argumentiert (Handlungen, Entscheidungen), (re)konstruiert moralische Normen und Prinzipien.
Die Ethik setzt keine Sanktionen.
Recht
Schriftliche Kodifizierung von Regeln, die das menschliche Handeln
anleiten und beeinflussen, weil es eine verbindliche Setzung ist.
Dem Gesetz kann man rein äußerlich aus Angst vor Bestrafung und
ohne innerliche Überzeugung Folge leisten.
Übersicht der
Begrifflichkeiten
Vertiefung des Lernstoffes
Zusammenfassung
•
•
•
•
•
Moral
Ethik
Werte und Normen
Wertekonflikte
Moralität und Gewissen
• Begründungsstrategien moralischen Handelns
• Recht
• Ziele und Aufgaben der Ethik
• Typen der Ethik
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Vertiefung des Lernstoffes
1. Wie unterscheiden sich Moral, Ethik und Recht voneinander
und in welchem Zusammenhang stehen sie zueinander?
2. Warum reicht moralische Erfahrung zur Begründung einer
Ethik in der Pflege nicht aus?
3. Welche Rolle spielen Werte und Normen für das persönliche Leben und für die Pflegepraxis?
4. Welche Bedeutung hat das Gewissen?
5. Welche Ziele und Aufgaben verfolgt die Ethik und wo liegen ihre Grenzen?
Nachstehende Fallgeschichte beschreibt eine moralische Konfliktsituation einer Pflegeschülerin. Diese soll veranschaulichen, dass
ethische Fragen die tägliche Pflegepraxis betreffen und nicht nur
in besonderen Grenzsituationen des Lebens aufbrechen.
Fallbeispiel: Waschen oder nicht waschen?
Die Pflegeschülerin Angelika arbeitet auf der Station eines
Pflegeheims. Sie betritt das Zimmer von Herrn Baumann.
Herr Baumann ist in letzter Zeit ein wenig gebrechlich geworden. Das Laufen fällt schwer, Aufstehen ist auch nicht mehr
ohne fremde Hilfe möglich. Am meisten Sorge bereitet dem
Team auf der Station, dass Herr Baumann zunehmend seine
Initiative verliert. Er fühlt sich niedergeschlagen und verspürt
wenig Lust, sich an den täglichen Aktivitäten zu beteiligen.
Heute Morgen bittet er nun Angelika, sie möge ihn doch bitte waschen, da er dies nicht mehr alleine könne. Bei der Übergabebesprechung zuvor war kurz Thema gewesen, dass Herr Baumann von den Pflegenden Dingen verlangt, die er eigentlich
selbst noch recht gut kann. Laut übereinstimmender Einschätzung von Nachtschwester und Stationsleitung ist es für Herrn
Baumann gut, das Waschen nicht den Pflegenden zu überlassen,
da es für seine eigene Mobilität und für sein Selbstwertgefühl
wichtig ist, dies so lange wie möglich selbst zu tun.
Schülerin Angelika erinnert sich genau an die Überlegungen, denen sie vor einer Stunde mit Zustimmung zugehört hat.
Nun aber tut ihr Herr Baumann Leid. Er scheint sich wirklich
nicht waschen zu können. War es nicht ihre Aufgabe, den Bewohnern zu helfen? Und bringt Herr Baumann nicht deutlich
seinen Willen zum Ausdruck, den sie respektieren muss?
Auf der anderen Seite spürt sie sehr deutlich die Verpflichtung, nicht zu lange nur bei einem Bewohner zu bleiben. Die
Station ist aufgrund eines Krankheitsfalls und der Urlaubszeit
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