1 Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf Ertrag und Qualität von Getreide Hans-J. Weigel, R. Manderscheid und M. Schaller , Braunschweig 1. Einführung Langfristige Beobachtungen von Veränderungen des Klimas und die in den letzten Jahren aufgetretenen Wettervariationen einerseits sowie die immer konkreter werdenden ModellProjektionen in die Zukunft des Klimas andererseits haben die Aufmerksamkeit auch im Bereich Klimawandel und Landwirtschaft in jüngster Zeit deutlich auf den Aspekt der möglichen Folgen des Klimawandels für den Agrarsektor hin verschoben. Der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC 2007) hat die zukünftige Entwicklung des globalen Klimas in drastischer Weise beschrieben. Auch für Deutschland liegen nun konkretere Szenarien zur regionalen Entwicklung des zukünftigen Klimas vor. Immer deutlicher wird, dass der für die nächsten Jahrzehnte vorhergesagte Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist. Die überragende Bedeutung von Getreidearten für menschliche Ernährung bzw. als sonstiger Rohstoff auf globaler, regionaler und lokaler Ebene macht es insbesondere erforderlich, mögliche Folgen des Klimawandels für diese Kulturpflanzenarten zu bewerten. Im vorliegenden Beitrag werden dazu einige Aspekte angesprochen und exemplarisch mit konkreten, eigenen Untersuchungsergebnissen unterlegt. 2. Elemente und Szenarien des Klimawandels Der vorausgesagte Klimawandel betrifft Veränderungen mittlerer Klimawerte und der Klimavariabilität sowie die Änderungen in Häufigkeit, Dauer und Stärke von Klimaextremen. Die jüngsten Klimaszenarien (IPCC 2007) sagen - unter zu Grunde Legung verschiedener EmissionsSzenarien - bis zum Jahr 2100 eine Temperaturzunahme von durchschnittlich 1,80C bis 4,00C voraus. Dies soll aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Niederschlagszunahme in den höheren Breitengraden verbunden sein, während eine Abnahme der Niederschläge eher in den meisten subtropischen Landregionen erfolgen wird. In Mitteleuropa nehmen die Niederschläge in den Wintermonaten zu, in den Sommermonaten dagegen z.T. deutlich ab. Sehr wahrscheinlich ist eine Zunahme des Auftretens von Hitzeperioden und schweren Niederschlagsereignissen. Als wahrscheinlich wird u.a. eine Zunahme in der Intensität tropischer Wirbelstürme angesehen. Daneben wird ein weiterer Anstieg des Meeresspiegels stattfinden. Neben Veränderungen der Temperatur und Verschiebungen von Niederschlagsverhältnissen (physikalische Klimaparameter) verändert sich die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre (chemische Klimaparameter). Die Konzentrationen zahlreicher Spurengase (Kohlenstoffdioxid, CO2; Ozon, O3 in der Troposphäre; Distickstoffmonoxid bzw. Lachgas, N2O; Stickstoffmonoxid und -dioxid, NO bzw. NO2; Methan, CH4) haben in den letzten 100 Jahren deutlich zugenommen. Neben ihrer Rolle als „Treibhausgase“, sind Gase wie CO2, O3 und NO/NO2 jedoch auch in die biogeochemischen Kreisläufe eingebunden und interagieren unmittelbar mit Pflanzen und Böden. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Diese Zunahme gehört zu den am sichersten vorhersagbaren und unausweichlichen Entwicklungen der vorausgesagten Klimaänderungen. Während die globale CO2-Konzentration der Atmosphäre über > 400 000 Jahre hinweg bis etwa zum Ende des 19. Jahrhunderts bei ca. 280 ppm lag, steigt sie seitdem rasch an und beträgt gegenwärtig bereits über 380 ppm. Dieser Trend wird sich mit noch größerer Intensität als bisher fortsetzen. In nur 50 Jahren soll die CO2-Konzentration bereits bei ca. 500–550 ppm liegen. Als Substrat der Photosynthese ist CO2 aus der Atmosphäre für Wachstum und Entwicklung aller Pflanzen von fundamentaler Bedeutung. 2 Die für Deutschland vorausgesagten Klimaänderungen folgen dem globalen Trend. Vorausgesagt werden folgende wesentlichen Änderungen, die sich zum Teil je nach verwandtem Regionalmodell (REMO vom Max Plank Institut für Meteorologie in Hamburg bzw. WETTREG der Firma CEC in Potsdam) regional deutlich unterscheiden: • • • • • ein genereller Temperaturanstieg von ca. 2,50C und mehr bis 2070-2100, der nach den WETTREG-Simulationen besonders deutlich im Norden, Nordosten und in Teilen Westdeutschlands, nach REMO-Daten jedoch besonders im Süden, hier v.a. dem Alpenraum ausgeprägt sein wird; ein regional differenzierter, z.T. erheblicher Rückgang der Sommerniederschläge nach WETTREG insbesondere für den Nordosten (ca. 30% bis 2070-2100), nach REMO auch für den Südwesten; eine ebenso regional (orographisch) stark differenzierte Zunahme der Winterniederschläge, insbesondere (+ 30%-80% bis 2070-2100) in den Mittelgebirgen aber auch in Süddeutschland; eine Zunahme der Klimavariabilität verbunden mit häufigerem Auftreten von Hitzeperioden, Starkregenereignissen und Stürmen; sowie ein dem globalen Trend folgender Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Die Vorhersage der Veränderungen der Konzentrationen sonstiger Luftinhaltsstoffe ist schwieriger. Bodennahe Ozonkonzentrationen werden bei einem wärmer werdenden Klima eher zunehmen. 3. Auswirkungen der Änderungen einzelner Klimaelemente auf die Pflanzenproduktion Vorhersagen zu den Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Landwirtschaft beginnen mit der Bewertung der unmittelbaren biophysikalischen Wirkungen sich ändernder Klimaelemente auf die pflanzlichen Leistungen (Menge und Qualität) und auf die strukturellen und funktionellen Eigenschaften von Agrarökosystemen (z.B. Bodeneigenschaften, Pflanzenkrankheiten). Aus diesen Primärwirkungen des Klimawandels resultieren Folgewirkungen auf die regionale und nationale Agrarproduktion bis hin zu Effekten auf die globale Agrarproduktion und die globalen Handelsströme. Hier sollen die Primärwirkungen der für die Pflanzenproduktion wichtigen Faktoren Temperatur, Niederschlag und atmosphärische CO2-Konzentration im Vordergrund stehen. 3.1 Temperaturveränderungen Stoffwechsel und Wachstum von Kulturpflanzen sind durch Kardinaltemperaturen (Minimum, Optimum, Maximum) gekennzeichnet, die je nach Pflanzenart (oder –Sorte) bzw. je nach Standort und Herkunft sehr unterschiedlich ausgeprägt sind (Abb. 1). Eine Temperaturerhöhung unterhalb des Optimums führt in der Regel zu einer Leistungssteigerung, oberhalb des Optimums dagegen zu einer negativen Wirkung. Der zukünftige Temperaturanstieg kann daher je nach Voraussetzung zu Vor- oder Nachteilen für die Landwirtschaft führen. Die Länge einzelner pflanzlicher Entwicklungsphasen wird von der Temperatur und gelegentlich auch von der Photoperiode gesteuert. Veränderungen der mittleren Temperaturwerte stehen nachfolgend im Vordergrund. Wärmere Winter- und Frühjahrsmonate werden daher zu einer Wachstumsbeschleunigung führen. Erste Hinweise für den beginnenden Klimawandel liefert die Beobachtung, dass das 1Knotenstadium bei Roggen heute ca. 8 Tage früher eintritt als vor 40 Jahren. Bei gleich bleibender Temperaturvariabilität führt die Erwärmung zu einer Abschwächung der Winterfröste und somit einer Reduktion der Auswinterungsschäden bei Wintergetreide. Ein wesentlicher Faktor für den Kornertrag ist die Zeitdauer von der Blüte bis zur Kornreife. Die Länge dieser Phase wird durch die Temperatur bestimmt, d. h. die Pflanze benötigt eine genetisch fixierte Temperatursumme (°C x Tag). Beträgt die Temperatursumme z.B. 840 °C x Tag (vgl. Tab. 1) so entspricht dies unter den Witterungsbedingungen in Braunschweig im Jahr 2005 einer Zeitspanne von 46 Tagen. Eine Temperaturzunahme um 2,6°C, die etwa in 50 Jahren erwartet wird, verkürzt die Phase auf 40 3 Tage. Bei der Annahme einer linearen Beziehung zwischen Kornfüllungsdauer und Kornertrag, hätte dies eine Ertragsminderung von 13% zur Folge. In Wirklichkeit wird jedoch die Verkürzung der Kornfüllungsdauer über eine Zunahme der Kornfüllungsrate teilweise kompensiert, sodass ein Temperaturanstieg um 1°C eine Reduktion des Kornertrags von 3-4% mit sich bringt. Andererseits ermöglicht eine Temperaturerhöhung eine Verschiebung in den Anbaugebieten zu nördlicheren Breitengraden (pro Grad Temperaturerhöhung ca. 100-150 km nordwärts) und zu größeren Höhenlagen (pro Grad Temperaturerhöhung ca. 100 m). Dies bedeutet z.B. für Europa eine Nordwärtsverschiebung der Anbaumöglichkeiten für Sommergetreide und Körnermais. Die Photosynthese und viele pflanzliche Wachstumsprozesse, wie z. B. Blatt-, Halm- und Kornwachstum, tolerieren einen großen Temperaturbereich und überstehen kurzfristige Temperaturschwankungen von ca. 0-40°C ohne schwerwiegende Beeinträchtigung. Dem gegenüber sind Zellen aus dem Gewebe der Fortpflanzungsorgane während ihrer Ausdifferenzierungsphase sehr temperatursensitiv. Dies entspricht beim Getreide der Ausdifferenzierung der männlichen Pollen und der weiblichen Eizellen. Man hat beobachtet, dass während der Blüte kurzfristige Temperaturanstiege auf über 30°C, wie sie z.B. in den Nachmittagsstunden eines Sommertages auftreten können, zu einem rapiden Abfall der Kornzahl führen können (Abb. 2). Derart hohe Temperaturen wurden bereits im Hitzesommer 2003 kurz vor der Anthese erreicht (Abb. 3). Der Schwellenwert von 30°C für die Abnahme der Kornzahl gilt jedoch nur wenige Tage. Während der anschließenden Kornfüllung bewirken solche Hitzeereignisse vor allem eine Entwicklungsbeschleunigung und können sich u.U. negativ auf die Kornqualität auswirken, indem z.B. das Gliadin zu Glutenin-Verhältnis ansteigt. Treten Extremereignisse während der Vegetationsperiode vermehrt auf, muss mit relativ größeren Schäden gegenüber heutigen Verhältnissen gerechnet werden. Hitze als Stressfaktor für Kulturpflanzen würde damit an Bedeutung gewinnen. 3.2 Niederschlagsveränderungen Wasser ist neben der Temperatur der entscheidende Wachstums- und Ertragsfaktor. Unter Wassermangel kommen Stoffwechselprozesse und damit auch das Wachstum zum Erliegen. Da eine knappe Wasserversorgung bereits heute in einigen Regionen Ostdeutschlands ertragslimitierend wirkt, werden zunehmende Durchschnittstemperaturen und die Abnahme der Niederschläge hier zu einer weiteren Anspannung des Wasserhaushaltes führen. Generell ist in Zukunft bei zunehmender Sommertrockenheit insbesondere auf flachgründigen, sandigen Böden mit häufiger auftretendem Trockenstress zu rechnen, der sich bei Pflanzen zudem in Problemen bei der Nährstoffaufnahme äußert. Da trockene und heiße Witterungsperioden häufig gleichzeitig auftreten, werden ungünstige Wachstumsperioden zunehmen. Positiv kann sich das veränderte Feuchteregime auf die Bearbeitung ehemals vernässter Flächen auswirken. Ebenfalls positiv zu werten ist der reduzierte Krankheitsdruck, insbesondere von Pilzerkrankungen, da bei abnehmenden Niederschlägen bzw. abnehmender Befeuchtung der Pflanzen während der Hauptwachstumsperiode die Infektionen bzw. die Populationsentwicklungen der Pathogene abnehmen dürften. Dagegen sind die Auswirkungen zunehmender Starkniederschläge, wie sie für den Sommer prognostiziert werden, überwiegend negativ einzuschätzen. Neben Schäden an den Ackerkulturen sind hier Erosionsschäden gravierend. Die Konsequenzen der zukünftigen Entwicklung der Niederschläge in Deutschland für die Landwirtschaft sind wahrscheinlich nur regional zu bewerten, da die zu erwartenden Niederschlagsänderungen vor allem kleinräumig unterschiedlich sein werden. Besonders kritisch wird die Situation für den Nordosten eingeschätzt, da hier die zunehmende Sommertrockenheit durch leichte Böden mit geringer Wasserspeicherkapazität und weit verbreitete Drainagesysteme verschärft wird. Im Herbst bzw. Winter können dagegen höhere Niederschläge und wärmere Temperaturen auf feuchten Standorten die Bodenbearbeitung erschweren sowie insgesamt zu 4 einem höheren Befallsdruck durch Pilze und Schädlinge führen. So korrelieren z.B. die Erträge für Roggen und Wintergerste negativ mit den Winterniederschlägen. Mögliche Folgen des Klimawandels für die Qualität von Getreide und anderen Kulturpflanzen sind bisher generell noch wenig untersucht worden. Erste Hinweise gab der heiße Juli 2006, der zu einer Veränderung der Korn- und damit auch Verarbeitungsqualität bei Winterweizen führte: zum ersten Mal wurden in Deutschland klassische, aus dem mediterranen Raum bekannte Hitzestressmerkmale beobachtet, wie höhere Protein- und Klebergehalte, weichere Kleber und geringere Wasseraufnahmen der Teige. Mehrtägige Temperaturen über 35°C können überdies zu einer Verschlechterung der Eiweißzusammensetzung führen. 3.3 Atmosphärische CO2-Konzentration Die heutige CO2-Konzentration der Atmosphäre ist für alle C3-Pflanzen suboptimal. Eine Erhöhung der CO2-Konzentration in der Umgebung dieser Pflanzen führt daher zu einer Stimulation der Photosynthese und damit verbunden häufig zu einer Wachstumsstimulation. Dabei wird in der Regel gleichzeitig die Blatttranspiration reduziert (Abb. 4) und durch den „Kohlenstoff-Überfluss“ an löslichen Kohlehydraten aus der CO2-Assimilation ändert sich die Gewebezusammensetzung. Diese Primärwirkungen des CO2 werfen die Frage auf, welche direkten Auswirkungen der weitere Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre für alle Landökosysteme haben könnte und wie dies im Kontext des sonstigen Klimawandels zu bewerten ist. Von landwirtschaftlicher Bedeutung ist vor allem, welche direkte Wachstums- bzw. Ertragsbeeinflussung bei Kulturpflanzen durch erhöhte CO2-Konzentrationen zukünftig zu erwarten sein könnte. Vorstellungen dazu liegen vor allem aus zahlreichen Experimenten vor, bei denen Pflanzen unter mehr oder weniger naturfernen Bedingungen (z.B. in Versuchen in verschiedenen Arten von Klimakammern unter optimaler Wasser- und Nährstoffversorgung) zukünftigen CO2Konzentrationen ausgesetzt wurden. Die aus solchen Versuchen und aus Modellrechnungen abgeleiteten potentiellen Biomasse- und Ertragszuwächse bei Kulturpflanzen - insbesondere auch bei Weizen – liegen für eine CO2-Konzentration des Jahres 2050 bei ca. 20% (Tab. 2). Andere Schätzungen gehen von mittleren Ertragssteigerungen bei verschiedenen (C3-) Kulturpflanzen von + 33% bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration gegenüber dem vorindustriellen Wert (ca. 280 ppm) aus. Eigene Untersuchungen im Rahmen des Braunschweiger FACE-Versuches ergaben niedrigere Ertragszuwächse. In diesem für Europa einzigartigen Experiment wurden die Reaktionen von Wintergerste (Sorte Theresa) und Winterweizen (Sorte Batis) auf eine CO2-Erhöhung auf 550 ppm im Feld unter Verwendung einer kammerlosen Freilandbegasungsanlage (Free Air Carbon Dioxoide Enrichment = FACE; Abbildung 5) im Verlauf einer 6-jährigen Fruchtfolge (2000-2005) untersucht. Die in jeweils zwei Vegetationsperioden ermittelten mittleren Ertragszuwächse lagen bei ortsüblicher Stickstoffdüngung bei Wintergerste zwischen 7,5% - 16,5% und bei Winterweizen bei jeweils knapp 16% im Vergleich zur Kontrolle, die die heutige CO2-Atmosphäre repräsentierte. Die Ertragszuwächse basierten primär auf einer Zunahme der Kornzahl, während Änderungen im Tausendkorngewicht eine untergeordnete Rolle spielten. Der Ernteindex war unabhängig von der atmosphärischen CO2-Konzentration, d. h. der Strohertrag nahm im gleichen Umfang zu wie der Kornertrag. Auch die wenigen anderen weltweit bisher durchgeführten FACE-Versuche mit Getreidearten (Japan: Reis; USA: Weizen; China: Weizen) haben relativ niedrige Ertragszuwächse erbracht, die unter den Werten aus CO2-Anreicherungsexperimenten in Klimakammern oder Gewächshäusern liegen. Die Ursachen für diese Diskrepanz sind noch unklar. Eine der favorisierten Hypothesen besagt, dass das genetisch fixierte Wachstumspotential nicht „mithalten“ kann mit der Zunahme der Photosynthese bei erhöhter atmosphärischer CO2-Konzentration. Eine Verminderung der Transpiration auf der Ebene einzelner Blätter durch erhöhte CO2Konzentrationen sollte auch die Bestandeswasserabgabe bzw. die Evapotranspiration von Kulturpflanzen vermindern und letztlich zu einer positiven Wirkung auf die 5 Wasserausnutzungseffizienz und den Bestandeswasserhaushalt führen. Auf der Bestandesebene ergeben sich jedoch weitere Aspekte, die bei der Wasserabgabe pro Grundfläche eine Rolle spielen. Hierzu gehören z. B. Änderungen in der Bestandesstruktur (gesamte Blattfläche, räumliche Anordnung der Blätter) und das langfristige Wechselspiel zwischen Bodenfeuchte und Wasserabgabe durch den Bestand. Die vorliegenden Informationen zur Wirkung erhöhter CO2Konzentrationen auf den Wasserhaushalt von Getreidearten weisen auf einen, wenn auch geringen, positiven (d.h. Wasserersparnis) Effekt. Im o.g. FACE-Experiment wurde die Wasserabgabe bzw. Evapotranspiration von ca. 1 m2 Bodenfläche eines Weizenbestandes mittels einer speziellen Bestandesmesskammer erfasst (Abbildung 6). Wie beispielhaft über fünf Tage kurz vor der Blüte dargestellt, führte die erhöhte CO2-Konzentration zu einer verringerten Wasserabgabe des Bestandes. Der daraus resultierende Effekt einer „Wasserersparnis“ im Boden ist in Abbildung 7 als Verlauf der nutzbaren Feldkapazität dargestellt. Anhand des Endwertes ließ sich eine Wasserersparnis durch erhöhtes CO2 von ca. 5% für die ganze Vegetationsperiode abschätzen. Diese CO2-Wirkung auf den pflanzlichen Bestandeswasserhaushalt deutet darauf hin, dass positive Wachstumseffekte des CO2 auch indirekt über eine verbesserte Wasserversorgung möglich sind. Ob dieser Effekt in einem zukünftig wärmeren Klima Probleme mit Bodentrockenheit bzw. Trockenstress abmildert, ist noch zu prüfen. Es konnte in einzelnen Experimenten gezeigt werden, dass die relative Empfindlichkeit gegenüber Trockenstress unter erhöhten CO2-Konzentrationen abnimmt. Der direkten Wirkung steigender CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre kommt daher auch unter dem Aspekt sich ändernder Wasserversorgung eine entscheidende Bedeutung bei der Bewertung der Folgen des Klimawandels zu. Eine in fast allen Studien zum „CO2-Düngeeffekt“ beobachtete Reaktion ist die Veränderung der chemischen Zusammensetzung des pflanzlichen Gewebes. Diese CO2-Wirkung wird auch bei Getreidearten beobachtet. Betroffen sind sowohl der Gehalt an Makro- und Mikroelementen (Tab 3) als auch die Konzentrationen sonstiger Inhaltsstoffe (z.B. Zucker, Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe). Herausragendes Beispiel ist die Reduktion des Stickstoffgehaltes sowohl in vegetativen Organen (Blatt, Stängel) als auch in Früchten und Samen bzw. Körnern. Eigene CO2Anreicherungsuntersuchungen (550 – 650 ppm) an Weizen und Gerste, die über mehrere Jahre unter unterschiedlichen Wachstumsbedingungen (z.B. unterschiedliche Stickstoffversorgung; Vergleich alter unter neuer Sorten) sowie unterschiedlichen CO2-Expositionsbedingungen (Laborbedingungen: Klimakammer; Feldbedingungen: Open-Top Kammer, FACE) durchgeführt wurden, ergaben im Mittel über alle Versuchsbedingungen eine Reduktion des Stickstoffgehaltes in den Getreidekörnern in der Größenordnung zwischen 10% - 15% im Vergleich zur heutigen CO2-Konzentration (Tab. 4). Im Braunschweiger FACE-Versuch lagen der Rückgang der Kornstickstoffgehalte bei Weizen zwischen 3%-14% und bei Gerste zwischen 11%-16%. Untersuchungen zur Proteinzusammensetzung ergaben, dass erhöhte atmosphärische CO2-Konzentrationen ähnlich wie eine Reduktion der Stickstoffdüngung wirken und vor allem die Fraktion der Kleberproteine verringern, während die Albumine und Globuline weniger stark betroffen sind. Aus derartigen Qualitätsänderungen ergeben sich möglicherweise Folgen für die Nahrungsmittelqualität der Zukunft. Der Eiweißertrag als Produkt aus Eiweißgehalt und Kornertrag änderte sich bei der Wintergerste jedoch nicht unter erhöhten CO2–Konzentrationen. Die Veränderung der pflanzlichen Inhaltstoffe wird sich außerdem auch auf den Krankheits- und Schädlingsbefall auswirken: Pflanzen fressende Insekten werden vermutlich die mit einer höheren Konzentration an löslichen Kohlenhydraten einhergehenden geringeren Eiweiß- und Nährstoffgehalte durch eine höhere Stoffaufnahme ausgleichen; erhöhte Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen könnten die Pflanze dagegen vor verstärktem Befall schützen. 3.4 Interaktionen 6 Der Klimawandel in den nächsten Dekaden ist verbunden mit zunehmenden Durchschnittstemperaturen, häufiger auftretenden Extremereignissen, wie Hitzeperioden und Starkregenniederschlägen, feuchteren Winter- und trockeneren Sommermonaten sowie einer weiteren raschen Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration. Die Auswirkungen dieser Einzelfaktoren und das mögliche Wechselspiel untereinander müssen berücksichtigt werden, wie folgendes Beispiel demonstriert: die Sommertrockenheit infolge der Abnahme der Niederschläge wird durch eine vermehrte Evapotranspiration verschärft, die sich aus den höheren Temperaturen ergibt. Andererseits könnte die Reduktion des Wasserverbrauchs unter erhöhten CO2 Konzentrationen zu einer Entschärfung dieser Effekte führen. Hinzu kommt, dass die relative Stimulation der Photosynthese durch eine erhöhte CO2-Konzentration bei Bodentrockenheit ansteigt, sodass die positiven CO2-Effekte zu einer wesentlichen Abmilderung des Trockenstresseffekts führen könnten. Die Interaktionen zwischen erhöhten Temperaturen und erhöhten CO2-Konzentrationen spielen eine wichtige Rolle bei der Bewertung möglicher Folgen der Klimaerwärmung für die Ernteerträge und damit für die Vorhersage der zukünftigen Versorgung mit Nahrungsmitteln. Je nachdem, ob der physiologische CO2-Effekt in entsprechenden Pflanzenwachstums- bzw. Ertragsmodellen berücksichtigt wird oder nicht, kann sowohl die Richtung als auch das Ausmaß der vorausgesagten Temperatureffekte variieren. So fallen negative Ertragseffekte bei Getreide, die allein aufgrund der Auswirkungen erhöhter Temperaturen (und schlechterer Wasserversorgung) auf die Kornerträge berechnet werden, wesentlich geringer aus bzw. kehren sich in positive Wirkungen um, wenn der CO2-Düngeeffekt in die Bewertung mit einbezogen wird. Da dies wiederum davon abhängt, wie hoch die CO2-bedingten Ertragszunahmen angesetzt werden, ist eine genaue Kenntnis des Effektes notwendig. Modellberechnungen, bei denen die Änderung der o.g. Faktoren berücksichtigt wurde, prognostizieren bis 2050 eine Zunahme der Getreideerträge von bis zu 10%. Die Berechnungen basieren jedoch auf den relativ großen CO2-Effekten, die in Klimakammer- und Gewächshausversuchen erzielt worden sind, und nicht auf den neueren FACEStudien. 4. Fazit und Zusammenfassung Der Klimawandel in Europa wird zu einer Zunahme trockener und sehr warmer Anbaubedingungen führen, wobei die Änderungen im Norden Europas und eventuell auch Deutschlands im Vergleich zum Süden schneller ablaufen werfen und deutlicher ausgeprägt sein werden. Auch geringe Niederschlagsrückgänge und Temperaturzunahmen werden die Erträge in Südeuropa beinträchtigen. Eine ausreichende Wasserversorgung vorausgesetzt, werden die Produktionsbedingungen im Norden insgesamt vielfältiger bzw. „besser“, obwohl je nach Region und Nutzungsart positive und negative Wirkungen möglich sind. Es wird Verlierer und Gewinner geben, und die Agrarproduktion könnte sich insgesamt „nordwärts“ verlagern. Es bleibt jedoch eine große Unsicherheit bei der Entwicklung kleinräumiger Klima- und Klimawirkungs-Szenarien. Heutige Ungunstregionen insbesondere durch Trockenheit werden besonders stark betroffen sein. Der physiologisch positiv wirkende „CO2-Effekt“ trägt in einem bisher noch nicht eindeutig abzuschätzenden Ausmaß zu positiven Wachstumsreaktionen von Getreidearten bei und könnte z.T. negative Ertragswirkungen kompensieren. Es bestehen jedoch noch erhebliche Kenntnisdefizite im ertragsphysiologischen und pflanzenbaulichen Bereich zu den möglichen Wechselwirkungen verschiedener sich ändernder Klimaelemente (Temperatur, Niederschlag, CO2). Unsicherheiten bestehen weiterhin auch, wie sich die gegenwärtigen Grenzen von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen verschieben und welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Qualität von Getreideprodukten haben wird. „Witterungsschwankungen“ werden insgesamt eher an Bedeutung bei betriebswirtschaftlichen und -organisatorischen Überlegungen gewinnen. Allerdings stellen Klimaveränderungen nur eine Einflussgröße auf die Landwirtschaft dar: entscheidend sind neben technologischen Entwicklungen, wie u.a. in der Züchtung und dem Betriebsmanagement, vor allem auch agrarpolitische Vorgaben. 7 Anschriften der Verfasser: Prof. Dr. H.-J. Weigel, Dr. R. Manderscheid und Dr. M. Schaller Institut für Agrarökologie, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Bundesallee 50, 38116 Braunschweig; [email protected] Tabelle 1: Beispiel für die Temperatursumme (Tsum) für einzelne Entwicklungsphasen beim Winterweizen sowie mittlere Temperatur (T) und Dauer (in Tagen) einzelner Wachstumsperioden am Standort Braunschweig für 2005 und für 2050 (bei einem mittleren Temperaturanstieg von 2,6°C). Entwicklungsphase Aussaat - Kornreife 1-Knotenstadium – Kornreife Anthese - Kornreife Tsum (°C x Tage) 2200 1460 840 Klima 2005 T (°C) Dauer (Tg.) 8,2 267 15,4 95 18,3 46 Klima 2050 T (°C) Dauer (Tg.) 10,8 204 18,0 81 20,9 40 Tabelle 2: Zusammenfassung von Ergebnissen zur Ertragsreaktion (Kornertrag) verschiedener Kulturpflanzenarten auf steigende CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre. Dargestellt sind die aus Experimenten und Modellrechnungen ermittelten prozentualen Ertragssteigerungen, die bei einer CO2-Konzentration von ca. 550 ppm zu erwarten wären. Die Ergebnisse wurden z.T. umgerechnet aus linearen Beziehungen bzw. Sättigungsfunktionen zwischen Ertragsreaktion und zunehmender CO2-Konzentration (nach Long et al., Philos. Trans. R. Soc. Lond. 360 (1463): 2011-2020, 2005). Spezies Kammerexperimente linear* Weizen Reis Mais Hirse Sojabohne MW (C3) 22 16 6 23 17 23 ModellVorhersagen hyperbolisch* 25 18 7 34 19 25 19, 23, 33 26 10 16 19 – 27 8 Tabelle 3: Makro- und Mikronährstoffgehalte im Korn zweier Sommerweizensorten (W1 = Turbo; W2 = Star) nach Anzucht unter heutigen und unter erhöhten atmosphärischen CO2Konzentrationen über die gesamte Vegetationsperiode in Freiland-CO2Expositionskammern sowie das Verhältnis R zwischen 710/375 ppm CO2 (Manderscheid et. al., Agric.Ecosyst.Environ. 54, 175-185. 1995). Nährstoff Kalium [mg g-1] Calcium [µg g-1] Magnesium [mg g-1] Phosphor [mg g-1] Schwefel [mg g-1] Eisen [µg g-1] Mangan [µg g-1] Zink [µg g-1] Mittelwerte Sorte W1 W2 W1 W2 W1 W2 W1 W2 W1 W2 W1 W2 W1 W2 W1 W2 R ppm CO2 375 4,49 4,17 369 326 1,05 1,21 3,61 3,95 1,82 1,82 52,2 49,7 42,2 50,1 44,0 45,4 710 4,61 4,43 265 288 0,96 1,05 3,44 3,60 1,43 1,44 39,0 37,0 39,7 46,2 33,2 35,3 1,03 1,06 0,72 0,88 0,91 0,87 0,95 0,91 0,79 0,79 0,75 0,74 0,94 0,92 0,75 0,78 9 Tabelle 4: Übersicht über Auswirkungen erhöhter atmosphärischer CO2-Konzentrationen auf die Stickstoffkonzentration im Korn verschiedener Weizen- und Gerstensorten. Die Pflanzen wurden in unterschiedlichen Experimenten unter unterschiedlichen Bedingungen normaler Umgebungsluft (UG) und erhöhten CO2-Konzentrationen (EC) ausgesetzt. Dargestellt sind die N-Gehalte (in % der Trockenmasse) sowie das Verhältnis R zwischen EC/UG. HN, GN = ausreichende, reduzierte N-Versorgung; MW = Mittelwert; * statistisch signifikanter Effekt (P < 0.05) der CO2-Behandlung (Einzelheiten vgl.: Weigel and Manderscheid; J. Crop Production, 13, 73-89. 2005). . %N WEIZEN UG EC R Nandu GN 3,01 2,29 0, 74* HN 3,23 3,02 0, 93* Minaret GN 2,42 1,92 0, 79* HN 2,71 2,70 0, 99 0, 93* 3,02 3,23 Nandu (1988) 0, 92 2,97 3,20 Turbo (1979) 0, 96 3,30 3,42 Janetzkis (1914) FrüherHeines (1890) 0, 97* 3,33 3,42 Kolben MW alte Sorten MW moderne Sorten Minaret (Topf) Minaret (Feld) Turbo (1992) Turbo (1994) MW aller Weizenexperimente 3,42 3,22 2,42 2,13 2,42 3,20 3,31 3,00 1,92 1,60 1,75 2,97 GERSTE Krona Baronesse Alexis Franken Intensiv Heines Hanna Arena 1992 Alexis 1992 Theresa UG 2,47 2,28 2,21 2,64 2,49 2,95 %N EC 2,31 1,94 1,95 2,25 2,21 2,39 2,73 2,17 1,93 1,65 1, 96 1, 94 2,25 1,65 1,64 1,42 1,76 1,60 (1990) (1989) (1986) (1930) (1914) (1890) HN GN Eckendorfer Mammut HN II GN MW aller Gerstenexperimente 0, 97 0, 93 0, 79* 0, 75* 0, 72* 0, 92 0, 87 R 0, 93 0, 85* 0, 88* 0, 85* 0, 88* 0, 81* 0, 82 0, 76* 0, 85* 0, 86* 0, 90* 0, 82* 0, 85 10 Abbildung 1: Die Temperaturabhängigkeit der Photosyntheseleistung. Anzahl der Körner pro Ähre 50 40 30 20 10 0 20 25 30 35 Maximaltemperatur (°C) 40 45 Abbildung 2: Beziehung zwischen der Kornzahl pro Ähre bei Winterweizen und der maximalen halbstündigen Temperatur in den letzten 5 Tagen vor der Anthese. Die schwarz gefüllten Symbole repräsentieren erhöhte atmosphärische CO2-Konzentationen während des Pflanzenwachstums. (Wheeler et al., J. Agric. Sci. 127, 37-48, 1996). 11 35 30 25 20 15 10 Anthese 5 01. J un 08. J un 15. J un 22. J un 29. J un Abbildung 3: Verlauf der Lufttemperatur in Braunschweig im Juni 2003. Kreise markieren Tage mit Maximaltemperaturen über 30°C. Daten des deutschen Wetterdienstes. Photosynthese heute Transpiration 2050 heute 2050 C3, z.B. Weizen C4, z.B. Mais 200 400 600 800 CO2-Konzentration (ppm) 300 400 500 600 CO2-Konzentration (ppm) Abbildung 4: Schematisierte Darstellung des Effektes steigender CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre auf die pflanzliche Blattphotosynthese und die Blatt-Transpiration. Die BlattTranspiration reagiert bei C3- und C4-Pflanzen in gleicher Weise auf eine CO2-Erhöhung. 12 Evapotranspirationsrate (mmol m-2 s-1 ) Abbildung 5: Aufsicht auf einen CO2-Begasungsring des Braunschweiger FACE-Projektes während der Winterweizenperiode 2002. Innerhalb des Ringes (20 m Durchmesser) ist die CO2Konzentration der bodennahen Luft während der Tageslichtstunden auf 550 ppm erhöht. Beschattungsversuche dienen der Aufklärung von Wechselwirkungen zwischen Strahlung und CO2-Effekt. Mit Hilfe von Bestandesgaswechselkammern werden CO2- und H2O-Flüsse zwischen Bestand und Atmosphäre untersucht. FACE (550 ppm CO2) 12 Normale CO2-Konz. (375 ppm) 10 8 6 4 2 0 3. Jun. 4. Jun. 5. Jun. 6. Jun. 7. Jun. 8. Jun. Abbildung 6: Zeitlicher Verlauf der Evapotranspirationsrate eines Winterweizenbestandes kurz vor Anthese unter heutiger (375 ppm) und unter zukünftiger atmosphärischer CO2-Konzentration (550 ppm). Die Messungen wurden mit einer Bestandesgaswechselkammer durchgeführt (Messergebnisse von Dr. S. Burkart, Institut für Agrarökologie, FAL). 13 120 nutzbare Feldkapazität (%) 100 80 60 40 375 ppm 550 ppm 20 03. Mai 23. Mai 12. Jun 02. Jul 22. Jul Abbildung 7: Verlauf der nutzbaren Feldkapazität eines Winterweizenbestandes unter normaler (375 ppm) und erhöhter atmosphärischer CO2-Konzentration (550 ppm) aus dem Braunschweiger FACE-Experiment.