Biologische Vierfalt des Meers Einführung Das Konzept der biologischen Vielfalt wurde zum ersten Mal 1992 auf der Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro innerhalb des Übereinkommens über die biologische Vielfalt definiert. In diesem bedeutenden Dokument wurde die biologische Vielfalt definiert als “Variabilität lebender Organismen, darunter Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören”. Eingeschlossen ist somit auch die Vielfalt innerhalb der verschiedenen Arten, zwischen diesen und den verschiedenen Ökosystemen. Die biologische Vielfalt umfasst drei Ebenen: • die genetische Vielfalt innerhalb der verschiedenen Arten; • die Artenvielfalt in einem Ökosystem; • die Vielfalt der bestehenden Ökosysteme (Wälder, Grasland, Küsten…) In Bezug auf das Meeresambiente der oberen Adria sind die verschiedenen in ihm lebenden Tier- und Pflanzenarten zu untersuchen und zu erfassen. Um das Meer der oberen Adria zu schützen, muss man sich also entsprechend mit den aktuellsten Informationen versorgen. Von den Tegnùe zu den Algen, von den Meeresschildkröten zu den Kleintieren an der Strandlinie, jeder dieser kleinen oder großen Organismen ist von grundlegender Bedeutung für den anderen und für das Gleichgewicht des Lebensraums Meer. Das Jahr 2010 erklärten die Vereinten Nationen zum “Internationalen Jahr der Artenvielfalt”: Eine einzigartige Chance der Reflexion und des Engagements zu Gunsten neuer nachhaltiger und ökologischer Lebensweisen. MIT DEM SCHUTZ DES MEERES UND SEINER BIOLOGISCHEN VIELFALT ZU BEGINNEN, IST EIN SEHR GUTER ANFANG! Biologische Vielfalt des Meers - Tegnùe - Einführung Es gibt verschiedene Klischees zur Oberen Adria, die überholt sind: Angeblich ist die Adria ein geschlossenes Meer, verschmutzt, ohne Leben und daher weniger interessant als das restliche Mittelmeer. Unser Meer hält dagegen wahre “Oasen der Biodiversität“ für Entdeckungsfreudige bereit: Ein enormer biologischer Reichtum, der den bekannteren Meeresgebieten in exotischen Weltregionen in nichts nachsteht. Der Meeresboden der Adria ist im allgemeinen nicht sehr tief und besitzt sandigschlammige Untergründe, aus denen bizarre Felsformationen aufragen, denen der Volksmund liebevoll-kuriose Namen gegeben hat. Die venetischen Fischer bezeichneten sie mit dem Dialektwort “tegnùe”, abgeleitet vom Verb „tenere“, zu deutsch „halten“, da sich ihre Schleppnetze in diesen Felsen verfingen und sie häufig zerrissen. In den Volkslegenden sind diese Felsen die Überreste versunkener Städte. Im Venedig des 18. /19. Jahrhunderts wurden das Vorhandensein “…einiger kahler und sehr harter Kalkfelsen…” zum ersten Mal von dem aus Chioggia stammenden Abt und Naturkundler Giuseppe Olivi in seinem Hauptwerk “Zoologia Adriatica” beschrieben, das unter den Wissenschaftlern seiner Zeit großen Wiederhall fand. Viele Wissenschaftler und Gelehrte aus Venetien und anderen Regionen haben die Forschung des Abtes Olivi seither weitergeführt, vielleicht verleitet durch die geheimnisvolle Aura dieser Unterwasserfelsen. Die tegnùe haben eine von ihrer unmittelbaren Umgebung stark abweichende Struktur und Morphologie. Sie begünstigen die Artenvielfalt der auf dem Meeresboden lebenden Meerestiere und pflanzen und ziehen begehrte Fischarten an. Formen und Ntstehungsgeschichte Die tegnùe besitzen sehr unterschiedliche Ausdehnungen (von einigen wenigen bis zu tausenden Quadratmetern) und haben extrem ungleichmäßige Formen und Größen, die von einigen Dezimetern bis zu mehreren Metern reichen. Solche besonders großen Felsformationen befinden sich in größerer Tiefe. Die Vielfalt an Formen und Größen hängt häufig mit der Entstehungsgeschichte der Felsen zusammen: · klastisches Sedimentgestein, auch als “beachrocks” bezeichnet, das sich durch die Karbonatzementation der Sedimente (Sand) oder organogene Ablagerungen aus Epochen bildete, in denen der Meerespegel niedriger war als heute. Sie haben häufig das Aussehen schräger Platten, die im Volksmund “lastrure” genannt werden · Sedimentgestein aus Ablagerungen chemischen Ursprungs, das sich durch aus dem Meeresboden austretendes Methan bildete. Dieses Gas setzt durch die Reaktion mit Meerwasser einen Ausfällungsprozess der Karbonate in Gang, der die Zementation der Sedimente begünstigt. · organogene Felsen, die durch tierische und pflanzliche Organismen entstanden sind, deren Kalkgerüst durch Schichtbildung Strukturen verschiedener Dicke aufbaut. Die organogenen Formationen können sich auch auf Strukturen sedimentären Ursprungs bilden. Im letzteren Fall unterscheidet sich der Formationsprozess nicht sehr von dem, der zur Bildung der berühmten Korallenriffe in den warmen Meeren rund um den Globus geführt hat…bei uns sind lediglich andere Baumeister am Werk. Die hierfür verantwortlichen Organismen sind hauptsächlich Kalkalgen, insbesondere Kalk-Rotalgen, wie die Arten Peyssonnelia, Lithothamnium und Lithophyllum, Bryozoen, Nesseltiere und Polychaeten (in Röhren lebende Würmer), die sich in den nachfolgenden Schichten überlappen. Das Überwiegen der tierischen Schichten gegenüber den pflanzlichen hängt in erster Linie von der Helligkeit und somit der Wassertiefe und -trübung ab. Die durch organogenen Fels gekennzeichneten tegnùe sind unter biologischen Gesichtspunkten im allgemeinen die interessantesten. Die tierischen Baumeister, die ihre Arbeit in verschiedenster Weise und unterschiedlich schnell vorantreiben, schaffen bizarre, poröse und zerklüftete Formen, die Fischen und Krustentieren ideale Zufluchtsmöglichkeiten bieten. Einige Beispiele (Kalk-Rotalgen) Peyssonnelia rosa-marina Lithophyllum stictaeforme Workommen Die Unterwasserfelsen kommen hauptsächlich in dem Gebiet vor dem Golf von Venedig zwischen Caorle und Chioggia vor. Ihre breit gestreute, unregelmäßige Verteilung auch in unterschiedlichen Tiefen (zwischen 8 und 40 Metern) von der Küste bis in die hohe See hat zu einer starken Differenzierung der pflanzlichen und tierischen Lebensgemeinschaften geführt, aus denen die tegnùe bestehen, da sie unterschiedlichen Einflüssen durch Materialeinträge, Strömungsund Sedimentationsphänomenen ausgesetzt sind. Das Observatorium für die Obere Adria der ARPAV führte im Rahmen des INTERREG IIIProjektes Italien-Slowenien 2000-2006 geologische Studien zur Lokalisierung einiger Aufschlüsse und biologisch-ökologische Untersuchungen zur Flora und Fauna der tegnùe durch. Zur Vorbereitungsphase gehörte das Sammeln von Informationen bei „Meeresfachleuten“ (Fischern und Tauchern). Mit großem Engagement und viel Geduld konnten die Aufschlüsse kartiert werden, wobei so manches Fischernetz geopfert wurde. Die Informationssammlung wurde durch Daten aus älteren, von verschiedenen Universitäten und Forschungsinstituten durchgeführte Studien ergänzt. Das Ergebnis ist eine detaillierte Kartierung der Aufschlüsse, die als Grundlage für die weitere Forschungsarbeit diente. Organismen und Ökologie Dem Taucher bietet sich bei einem Tauchgang in der Nähe der tegnùe ein einzigartiges und häufig unerwartetes Schauspiel: Die Formen und Farben erinnern an ganz andere Meereslandschaften und verzaubern jeden Besucher. Die Ansammlung von Aufschlüssen in den natürlich nährstoffreichen und nicht extrem tiefen Gewässern der nördlichen Adria begünstigt die Zunahme der Biomasse. Der felsige, poröse Untergrund bietet vielen am Meeresboden „sesshaften“ Organismen Schutz und führt zu einer Zunahme der Artenvielfalt. Es wimmelt von Schwämmen, Aszidien und Seeanemonen, die Fauna und Flora ist durchaus mit der Schönheit exotischerer Meeresböden vergleichbar. Seeigel und Meeressterne kreuzen die Wege kleiner Einsiedlerkrebse und ab und an zeigen sich in den Spalten der tiefer gelegenen Felsen prächtige Hummer, die es nur in unserem Meer gibt. Das vielfältige, reiche Nahrungsangebot und das Vorhandensein schützender Höhlen zieht Meerestiere an, die überwiegend oder auch ausschließlich an Felssubstrate gebunden sind. Zahlreiche Fische bevölkern die tegnùe, der Artenreichtum ist wirklich kaum vorstellbar: Meerdrosseln, Schleimfische, Mönchfische, Barsche, aber auch so Fischarten wie hochgeschätzte Meerraben, Seebarsche und verschiedene Brassenarten (Geißbrasse, Ringelbrasse und Zweibindenbrasse). Häufig sind große Dorsch-Schwärme zwischen den Felsformationen zu sehen, die dort nach Nahrung und Schutz suchen. Die Bioreservate (ZTB) Die tegnùe sind ebenso wertvolle wie empfindliche Ökosysteme, deren Entwicklung bis zur heutigen biologischen Vielfalt extrem langsam verlief. Deshalb ist das Engagement für ihren Schutz und ihre Erhaltung etwas, das uns alle angeht. Die italienische Gesetzgebung sieht verschiedene Formen für den Schutz der Biodiversität vor, wie beispielsweise Bioreservate (ZTB), Staatskonzessionen, Meeresschutzgebiete und Meeresparks. Auf die Form der Bioreservate (ZTB) haben einige Küstengemeinde der Region Venetien zurückgegriffen, um einen ersten Schritt zum Schutz der in ihrem Territorium vorhandenen tegnùe zu machen. Die Einrichtung von Bioreservaten wird auf nationaler Ebene durch das Gesetz 963 von 1965 in geltender Fassung zur „Regelung der Hochseefischerei“ und insbesondere den Art. 98 des Präsidialdekretes 1639 von 1968 in geltender Fassung reglementiert, das die Durchführungsverordnung darstellt. Die durch einen Erlass des Landwirtschafts- und Forstministeriums eingerichteten Bioreservate dienen zum Schutz der für die Erhaltung der biologischen Ressourcen und der Fischbestände wichtiger Meeresgebiete, d.h. hier besteht ein Fischfangverbot oder eine zeitliche und örtliche Einschränkung des Fischfangs, unabhängig von den hierzu benutzten Mitteln. Um zu einem Bioreservat zu werden, müssen in diesen Gebieten auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien Reproduktions- bzw. Zuwachszonen für Arten eingerichtet werden, die von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sind oder überfischt wurden. Durch das Zutrittsverbot für alle Fischfangboote einschließlich derjenigen mit ökologisch am stärksten belastenden Ausrüstungen wird auch ein Mindestmaß an Schutz für andere Arten gewährleistet. Die empfindlichen Ökosysteme der tegnùe benötigen jedoch “aktive” Unterstützung, d.h. Ausbaumaßnahmen und nicht nur ein Fischfangverbot. Die Gemeindeverwaltungen von Chioggia und Caorle haben sich stark für die Einrichtung solcher Bioreservate in den Meeresgebieten der vor dem Gemeindeterritorium befindlichen tegnùe eingesetzt, die dann auch durch den Erlass des Landwirtschaftsministeriums vom 5. August 2002 bzw. 16. Dezember 2004 Realität wurden. Zusammen mit verschiedenen örtlichen Verbänden (besonders aktiv sind dabei die Verbände “Tegnùe di Chioggia” und “Gruppo Sommozzatori Caorle” haben die Gemeindeverwaltungen Initiativen zum Schutz der Ökosysteme und zur Einbeziehung der Bevölkerung gefördert. Weitere Gemeinden der Region Venetien folgen dem Beispiel ihrer vorbildlichen Nachbarn. Besuch Wenn Sie unsere Ausführungen zu den tegnùe gelesen haben, brauchen Sie sicherlich keine weiteren Anreize, um sich diese interessanten Felsformationen während Ihres nächsten Aufenthaltes in unserer Region anzusehen. Ihre Neugierde kann gestillt werden - wenden Sie sich an eines der zahlreichen Diving Center an der nordadriatischen Küste und lassen Sie sich von einem Experten zu den für Naturliebhaber interessantesten tegnùe führen. So erfahren Sie mehr über die Obere Adria - ein Meer mit beachtlichen Qualitäten. Aber verhalten Sie sich umsichtig - ein Tauchgang auch bei geringer Wassertiefe sollte nicht unterschätzt werden. Auch ein Tauchausflug zu den tegnùe muss die für das Tauchen vorgesehenen Sicherheitsstandards erfüllen. Beurteilen Sie Ihre Fähigkeiten objektiv und achten Sie auf die Wettervorhersagen, die Sie auch in www.arpa.veneto.it Website finden können. Schauen Sie sich die spezielle Seite für Tauchsportler an. Hier finden Sie wichtige Informationen, die Ihren Ausflug in die Tiefe interessanter und sicherer machen. Vergessen Sie eines nicht: Auch wenn Sie ein erfahrener Taucher sind, kann die Unterstützung durch einen der hiesigen Führer zur wertvollen Hilfe für einen gelungenen Tauchgang werden!Diejenigen, die sich nicht für den Tauchsport begeistern können, finden im Naturkundemuseum in Venedig das 5m lange und ca. 5000 Liter fassende tegnùe-Aquarium (www.msn.ve.it) wo dieses Ökosystem naturgetreu nachgebildet ist und von den dort heimischen Arten bevölkert wird. Die Museumsmitarbeiter führen Sie durch die faszinierende Welt der tegnùe und für Kinder werden didaktische Spiele angeboten. Biologische Vielfalt des Meers - Meeresschildkröten - Einführung Aktuell gibt es nur noch sieben Arten von Meeresschildkröten, zwei davon leben im Mittelmeer: • die unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, (Linnaeus, 1758); • die Suppenschildkröte, mydas, (Vandelli, 1761). Chelonia Eine weitere Spezies, die Dermochelys coriacea, die Lederschildkröte, wurde vereinzelt gesichtet; man vermutet, dass sie nur zur Suche nach Nahrung ins Mittelmeer kommt. in bildern Chelonia mydas Die Sichtungen dieser Meeresbewohner in der oberen Adria sind selten, in den südlicheren Regionen Italiens kommen sie häufiger vor. Meeresschildkröten werden jedoch durch die Veränderung der geomorphologischen Merkmale der Küstenregionen und die Veränderung der chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers sowie durch Wasserverschmutzung und die invasive Aktivität des Menschen immer stärker bedroht. Caretta Caretta Die unechte Karettschildkröte, mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Caretta caretta, ist die am weitesten im Mittelmeer verbreitete Spezies und die einzige, die an der italienischen Küste gewohnheitsmäßig ihre Eier ablegt. Ihre Verbreitung wird stark beeinflusst durch die Temperatur. Sie bestimmt, welche geographischen Regionen sich am besten als Habitat eignen. Deswegen nistet die unechte Karettschildkröte in Italien in Süditalien und auf den süditalienischen Inseln, zum Beispiel auf der Isola dei Conigli vor Lampedusa und am Strand von Pozzolana di Ponente auf Linosa. Die Entwicklung der Caretta caretta unterteilt sich in zwei Phasen: in der ersten Phase, während ihrer ersten Lebensjahre, bewegen sich die kleinen Schildkröten in der Nähe der Küste, in der zweiten Lebensphase, also während der Geschlechtsreife, leben die Schildkröten bis zu 200 Meter von der Küste entfernt. Die erwachsenen Exemplare der Caretta caretta kommen zur Fortpflanzung an Land. Die Weibchen legen in der Zeit von Mai bis August während der Nacht am Strand ihre Eier ab. Das Schildkrötenweibchen gräbt ein Loch in den Sand, legt darin die Eier ab und bedeckt sie mit Sand, um dann wieder im Meer zu verschwinden. Im Jahr der Fortpflanzung (das entspricht etwa 2 oder 3 Lebensjahren) nistet sie ein bis fünf Mal. Dabei legt sie jedes Mal 70-100 Eier mit einem Durchmesser von circa 4 cm ab. Andere Arten Chelonia mydas Die Schildkrötenart Chelonia mydas, auch Suppenschildkröte genannt, ist sehr selten im westlichen Mittelmeer, in den südöstlichen Regionen ist sie jedoch weiter verbreitet. Die Nistgebiete befinden sich an den Küsten der Türkei, Zyperns, Syriens und Israels, aber auch an der libanesischen und ägyptischen Küste. Dermochelys coriacea Die dritte Schildkrötenspezies findet sich nur gelegentlich im Mittelmeer: die Dermochelys coriacea oder Lederschildkröte. Sie nistet an den karibischen Küsten Südamerikas, den Küsten von West- und Südafrika, in Asien (Malaysia, Thailand, Indonesien) und in Neu Guinea. Die im Mittelmeer gesichteten Exemplare kommen auf der Suche nach Nahrung hierher. Im Allgemeinen handelt es sich um erwachsene, mittelgroße Individuen. Notstand 2009 Im Sommer 2009 wurden zwischen Juli und August sehr viele unechte Karettschildkröten an den Stränden und vor der Küste der nördlichen Adria gesichtet; einige waren tot, andere in prekärem Zustand: ein echter Notstand. Die Schildkröten waren alle sehr jung, also zwischen zwei und vier Jahren, und mit zahlreichen Seepocken bedeckt. Seepocken sind kleine Krustentiere, die sich an die Haut und an den Panzer der Schildkröte heften und manchmal eine dichte Schicht bilden, die zum Teil auch die Bewegung der Schildkröte vollständig behindern kann! Zwischen Triest und Ancona fand man 180 Exemplare, die in den entsprechenden Zentren aufgenommen wurden und folgende Merkmale aufwiesen: • Sie waren alle ungewöhnlich jung, denn normalerweise werden in der Region der oberen Adria nur erwachsene Exemplare gesichtet. • Sie waren bedeckt mit zahlreichen Seepocken, die sie körperlich schwächten. Die Ursache für diesen “Angriff” auf die jungen Schildkröten wurde bisher noch nicht vollständig geklärt. • Viele Exemplare litten an Verstopfung, an der Grenze zum Darmverschluss; ihr Darm war voll mit einer für Lagunenregionen typischen Wasserpflanze. • Ihr Krankheitsbild präsentierte sich insgesamt sehr komplex: Schwächung, starke Anämie, mangelnde Verkalkung und Leber in schlechtem Zustand. Das Phänomen trat auch an den Stränden Venetiens auf, und alle Strukturen der Region wurden mobilisiert, um diesen Notfall so gut wie möglich zu handhaben. Einige naturwissenschaftliche und tierärztliche Behörden (zum Beispiel die Universität Padua und die Museen für Naturgeschichte in Jesolo und Venedig) retteten Dutzende von Schildkröten; dabei kooperierten sie mit den Kollegen der Emilia Romagna, des Salento und dem italienischen WWF. P.A.T.M.A. PATMA ist die Abkürzung für “Piano d’Azione per la conservazione delle Tartarughe Marine” (Aktionsplan zum Schutz der Meeresschildkröten). Das Projekt befindet sich momentan in der Anlaufphase. Ziel ist die Erarbeitung einer national abgestimmten Strategie aller involvierten Administrationen zum Schutz der Meeresschildkröten und zur Verringerung der Risikofaktoren. Der Aktionsplan bildet in Zukunft den Referenzrahmen für die Verwaltung der folgenden Aspekte: •Archivierung der themenspezifischen Kenntnisse; •Erweiterung der Forschung in diesem Bereich; •Erfassung der kritischen Bereiche für den Schutz der Spezies und entsprechende Kartierung; •Koordinierung der Schutzzentren; •Ausbildung der Akteure; •Kommunikationsinitiativen; •Netzwerkbildung zwischen Initiativen und bestehenden oder geplanten nationalen Aktionen; •Schaffung spezifischer Eingriffs- und Schutzprojekte; •internationale Beziehungen und Zugang zu Finanzmitteln der EU; •Notsituationen. Dieser Plan soll die bereits bestehenden “Leitlinien für die Rettung, Übergabe und Verwaltung der Seeschildkröten” fortführen und erweitern, die das Umweltministerium Beginn der 1990er Jahre vorgestellt und 2001 aktualisiert hat. Biologische Vierfalt des Meers - Gebeitsfremde Arten - Gebietsfremde Arten Allochthone oder “gebietsfremde” Arten können sowohl auf natürlichem Wege als auch in Folge komplexer Interaktionen zwischen Organismen, Lebensräumen und menschlicher Aktivität in fremde Ökosysteme gelangen. Diese “Invasionen” sind, nach der Reduzierung und dem Verschwinden des Habitats, eine der häufigsten Gründe für den Rückgang der Artenvielfalt innerhalb mariner und küstenspezifischer Ökosysteme. Gebietsfremde Spezies haben negative Auswirkungen auf die ortsansässigen Arten und auf deren Lebensräume; das sowohl direkt, zum Beispiel durch räuberische Aktivität und Konkurrenz, als auch indirekt, da sie das Habitat und andere Komponenten des Ökosystems verändern können. Ihr Einfluss ist so groß, dass es sogar zum Aussterben einiger lokaler Taxa kommen kann. Ein Taxon (Plural Taxa), oder taxonomische Einheit, ist eine Gruppe von Organismen, die sich morphologisch und genetisch von anderen unterscheidet und als die wesentliche Einheit eines Lebensraums erkennbar ist. Die Einführung gebietsfremder Elemente hat eine lange Geschichte, doch die Intensivierung menschlicher Aktivitäten in marinen Zonen sowie die globale Klimaänderung führte in den vergangenen Jahren zu einer Verstärkung des Phänomens. Im Oktober 2002 wurde die Katalogisierung der in den italienischen Meeren, Seen und Flüssen lebenden Arten vorgenommen. Dabei wurden fast 80 wirbellose Spezies und etwas weniger als 20 Fischarten erfasst. Die Hauptursachen für die Einführung gebietsfremder Tierarten sind: • ihr Transport im Ballastwasser von Schiffen oder am Kiel von Booten; • die historische Wanderung nach der Öffnung des Suez-Kanals. Die auf diesem Wege einwandernden Spezies werden “lessepssche” Arten genannt; • die Entwicklung von Aquakultur; • die Verbreitung der Aquaristik. Die allochthonen Arten haben sehr häufig eher negative Auswirkungen auf die Lebensräume und Ökosysteme, die durch Eingriffe des Menschen geändert und gestört wurden; in diesem Fall befinden sich die vorhandenen Arten bereits auf Grund des ungünstigen Lebensraums in einer schwierigen Situation und können durch die Neuankömmlinge leichter vertrieben oder ausgerottet werden. Allochthone Arten, die in großer Menge in der nördlichen Adria leben, sind der japanische Beerentang, Sargassum muticum, die aus dem indopazifischen Raum stammende Schneckenart Rapana venosa, die Musculista senhousia Muschel und die Pazifische Felsenauster, Crassostrea gigas, beide Arten stammen aus dem Pazifik, sowie der Zehnfußkrebs Dyspoanopeus sayi, der ursprünglich an der nordamerikanischen Atlantikküste siedelte. Beispiel der gebietsfremde arten Rapana venosa Crassostrea gigas Die Auswirkungen dieser Spezies auf die Lebensräume in der Lagune und im Meer sind bis jetzt noch nicht vollständig erforscht. Aus diesem Grund muss das Phänomen überwacht werden, und auch eine entsprechende Forschung und Studium sind notwendig. Die ARPAV hat vor kurzem ein spezifisches Abkommen mit dem Museum für Naturgeschichte in Venedig getroffen, das seit Jahren in der Lagune von Venedig und an der Küste Venedigs forscht und eine Datenbank der vor Ort erfassten gebietsfremden Arten erstellt und sowohl Studierende als auch Bevölkerung entsprechend sensibilisiert. Biologische Vierfalt des Meers - Das Jahr der biologischen Vielfalt Das Jahr der biologischen Vielfalt Die Vereinten Nationen erklärten 2010 zum internationalen Jahr der biologischen Vielfalt. Hauptziel der Initiative ist, wie der Slogan “Biodiversity is life. Biodiversity is your life.” bereits sagt, die Förderung der Erforschung, der Schutz und die Sensibilisierung in allen teilnehmenden Ländern. In Italien erarbeitet das Umweltministerium auf Einladung der UNO, und da vor allem die Abteilung für Natur- und Meeresschutz, eine Nationale Konferenz der biologischen Vielfalt. Die Konferenz fand von 20. bis 22. Mai 2010 in der Universität La Sapienza in Rom statt. Sie bot die Chance zur Erarbeitung einer nationalen Strategie für die biologische Vielfalt. Der strategische Vorschlag sieht dreizehn Arbeitsbereiche vor, zum Beispiel Arten in Wälder und im Meer und deren Gesundheit, Innovation und Infrastrukturen, und wird, sobald bewilligt, im Zeitraum 2011 bis 2020 umgesetzt. Eine wichtige Neuigkeit ist die Beteiligung und das Engagement der größten nationalen Verbände, die gewohntermaßen auf dem Umweltsektor tätig sind, sowie die Gründung eines nationalen Komitees für die biologische Vielfalt. Das sind die drei Hauptziele: • Schutz und Wiederherstellung der Artenvielfalt und der Ökosystemdienstleistungen als Grundlage für das Leben und den Wohlstand auf der Erde; • die Ergreifung angemessener Abschwächungsmaßnahmen für die Anpassung der Arten und der natürlichen und halbnatürlichen Ökosysteme an Klimaveränderungen; • die Förderung einer wirtschaftlichen und spartenspezifischen Politik für die Integration des Erhalts der Artenvielfalt. Auch die Europäische Kommission wurde mobilisiert und erklärte sich bereit, eine konstante Diskussion zur biologischen Vielfalt und zu den Auswirkungen ihres Schutzes innerhalb der europäischen Politik zu garantieren. Jeder von uns muss sich engagieren für ein neues Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung und für den Schutz von Umwelt und Natur.