OGH zur Bemessung der Invalidität bei teilgeschädigten Augen 1.7.2016 – A. hatte einen Unfall, bei dem beide Augen zum Teil geschädigt wurden. Es folgte ein Rechtsstreit mit der Versicherung hinsichtlich der Berechnung des daraus resultierenden Invaliditätsgrad. Dazu hielt der OGH fest: Führt ein Unfall zu einer (bloßen) Teilschädigung beider Augen, sind diese grundsätzlich getrennt zu bewerten. Die Mitschädigung des jeweils anderen Auges sei nur bei einem Auge zu berücksichtigen. Für die Berechnung des Invaliditätsgrades sei dann als Basis nicht bei jeweils beiden Augen vom halben Satz für den gänzlichen Verlust beider Augen, aber auch nicht für beide Augen jeweils vom einfachen Satz für den Totalverlust des Sehvermögens für nur ein Auge (35 Prozent) auszugehen. Es werden der anteilige Normalsatz (35 Prozent) nur für das geringer geschädigte Auge und der anteilig (unter Berücksichtigung der Vorschädigung dieses Auges) erhöhte Satz für das andere Auge (65 Prozent) zugrunde gelegt und die daraus resultierenden Prozentwerte addiert. Der Oberste Gerichtshof (OGH) beschäftigte sich einem Fall, in dem es um einen Unfall, eine Teilschädigung beider Augen und die Berechnung der Invaliditätsleistung für die Gebrauchsminderung ging. Der Sachverhalt laut OGH: A. hatte eine Unfallversicherung. Bei einem Verkehrsunfall wurde er schwer verletzt. Es liegt unter anderem eine dauernde Gebrauchsminderung des rechten Auges von zehn Prozent und des linken Auges von fünf Prozent vor. Weiters erlitt er später unfallkausal nach Kopfverletzungen innerhalb eines Zeitraums von etwa einem Jahr epileptische Anfälle. A. klagte die Versicherung A. klagte die Versicherung. Er wollte auf Basis einer Gesamtinvalidität von 37,5 Prozent nach (Teil-)Zahlung eine näher bezifferte Invaliditätsleistung und eine (teilweise kapitalisierte) Rente. Es ging, so der OGH, unter anderem um die Berechnung des Invaliditätsgrades seiner Augen. A. habe unter anderem argumentiert, dass, zumal beide Augen dauernd beeinträchtigt seien, die Invaliditätsleistung von jeweils 50 Prozent (der Sehkraft beider Augen (100 Prozent)) zu berechnen sei. Damit ergebe sich für das rechte Auge (zehn Prozent von 50 Prozent) eine Invalidität im Ausmaß von fünf Prozent und für das linke Auge (fünf Prozent von 50 Prozent) eine solche von 2,5 Prozent. Der Invaliditätsgrad für die Funktionsbeeinträchtigung beider Augen betrage daher zusammen 7,5 Prozent. Andere Bemessungsgrundlage Die Versicherung wandte laut OGH unter anderem ein, dass, komme es bei beiden Augen zu einer Funktionsbeeinträchtigung, jedoch zu keinem völligen Funktionsverlust, hinsichtlich eines Auges die Bemessungsgrundlage um die Differenz zwischen 65 Prozent und 35 Prozent multipliziert mit dem Invaliditätsgrad des anderen Auges zu erhöhen sei. Somit betrage die Gesamtinvalidität (hinsichtlich der Augen) 5,4 Prozent. Die daraus resultierende Invaliditätsleistung habe sie bereits bezahlt. Fall ging zum OGH Der OGH beschäftigte sich zunächst mit der teilweisen Funktionsunfähigkeit beider Augen und dem daraus resultierenden Invaliditätsgrad. In tatsächlicher Hinsicht sei unstrittig, dass A. unfallbedingt eine Funktionsminderung seines rechten Auges von zehn Prozent und seines linken Auges von fünf Prozent erlitten habe. Art. 7.2.2. U700 sehe bei völligem Verlust der Sehkraft beider Augen einen Invaliditätsgrad von 100 Prozent vor. Bei völligem Verlust der Sehkraft eines Auges betrage der Invaliditätsgrad 35 beziehungsweise 65 Prozent, sofern die Sehkraft des anderen Auges vor Eintritt des Versicherungsfalls bereits verloren war. Nach Art 7.2.3. U700 gelte bei „Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung (...) der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes“. A. will, so der OGH, die Funktionsminderung beider Augen gesondert und jeweils ausgehend von 50 Prozent der Gesamtinvalidität berechnen (insgesamt 7,5 Prozent). Seiner Ansicht nach trage die Zugrundelegung nur des Maximalwerts für ein Auge (35 Prozent) nicht (ausreichend) der Tatsache Rechnung, dass beide Augen betroffen seien. Keine konkrete Anordnung Der Versicherer und das Erstgericht seien einer in einem Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) angestellten Berechnung gefolgt – mit dem Ergebnis, dass für das erste Auge ein Invaliditätsgrad von 3,65 Prozent anzunehmen und dazu die Schädigung des anderen Auges mit 1,75 Prozent zu addieren sei, was einen Invaliditätsgrad von insgesamt 5,4 Prozent ergebe. Für den Fall des teilweisen Verlusts der Sehkraft sehe Art. 7.2.3. U700 nur vor, dass „der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes“ maßgeblich sei, so der OGH. Für die Berechnung des Invaliditätsgrades bei einem teilweisen Verlust der Sehkraft beider Augen enthalten die U700 keine konkrete Anordnung, insbesondere lässt auch Art. 7.2.3. U700 offen, welche Berechnungsbasis in einem solchen Fall zu wählen sei, so der OGH. Kein systemgerechtes Auslegungsergebnis Der BGH habe sich bereits mit der Berechnung des Invaliditätsgrades bei paarigen Sinnesorganen befasst und darauf hingewiesen, dass bei systemgerechter Auslegung auch dieser Fall nicht als Total-, sondern insgesamt nur als Teilverlust gewertet werden könne. Aus der Regelung über den völligen Verlust der Sehkraft eines Auges bei Vorschädigung des anderen Auges vor Eintritt des Versicherungsfalls ergebe sich, dass in solchen Konstellationen unfallbedingter „bloßer“ Teilschädigungen beider Augen für das zweite geschädigte Auge nie der Invaliditätsgrad von 65 Prozent überschritten werden könne. Daraus folge wiederum, dass die von A. insgesamt herangezogene Gesamtinvalidität (100 Prozent) als Berechnungsbasis für den Invaliditätsgrad auf keinem systemgerechten Auslegungsergebnis beruhe. Ausgleichsfunktion Bei einem bloßen Teilverlust der Sehkraft beider Augen sei eine Berechnungsbasis zu wählen, die am ehesten jener Zielsetzung entspreche, die den in Art. 7.2.2. U700 vereinbarten Invaliditätsgraden zugrundeliege. Diese tragen erkennbar dem Umstand Rechnung, dass die Betroffenheit entscheidend davon abhängt, ob das zweite der paarigen Sinnesorgane eine Ausgleichsfunktion ungeschmälert wahrnehmen kann oder ob es ebenfalls geschädigt oder gar schon ausgefallen ist, so der OGH. Grundsätzlich getrennt zu bewerten Führe ein Unfall zu einer (bloßen) Teilschädigung beider Augen seien diese grundsätzlich getrennt zu bewerten, wobei die Mitschädigung des jeweils anderen Auges nur bei einem Auge zu berücksichtigen sei. Für die Berechnung des Invaliditätsgrades sei dann als Basis nicht bei jeweils beiden Augen vom halben Satz für den gänzlichen Verlust beider Augen, aber auch nicht für beide Augen jeweils vom einfachen Satz für den Totalverlust des Sehvermögens für nur ein Auge (35 Prozent) auszugehen. Vielmehr würden der anteilige Normalsatz (35 Prozent) nur für das geringer geschädigte Auge und der anteilig (unter Berücksichtigung der Vorschädigung dieses Auges) erhöhte Satz für das andere Auge (65 Prozent) zugrundegelegt und die daraus resultierenden Prozentwerte addiert. Daraus ergebe sich – entsprechend der Berechnung des Erstgerichts und der Versicherung – ein Invaliditätsgrad von 5,40 Prozent, so der OGH in seinem Erkenntnis 7Ob191/15m vom 15. Juni 2016. Quelle: Versicherungsjournal