Lektion 1 - Kapitel 3 Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer Jörg Ziemer und Kristina Ziemer-Falke Bahnhofstraße 76 26197 Großenkneten Tel: 04487/9207898 Web: ziemer-falke.de Mail: [email protected] Urheberrecht Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die Rechte der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrages, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung, der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder bestimmter Teile davon ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gültigen, gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 1 Inhaltsverzeichnis 1.3. Lernen .................................................................................................................................... 3 1.3.1. Lernen durch Assoziation (Verknüpfung) – die Konditionierung ..................................... 4 1.3.2. Die klassische Konditionierung ....................................................................................... 7 Was Pawlow entdeckte... ...................................................................................................... 7 Pawlows Versuchsablauf ...................................................................................................... 8 Anwendung im Hundetraining ............................................................................................. 10 1.3.3. Lernen durch Assoziation (Verknüpfung/Konditionierung) – Weitere Grundbegriffe! ... 11 Konditionierter Reiz ............................................................................................................. 11 Appetenzverhalten .............................................................................................................. 11 Aversives Verhalten ............................................................................................................ 12 Assoziationsstärke .............................................................................................................. 13 1.3.4. Die instrumentelle Konditionierung................................................................................ 16 Unterscheidung zwischen instrumenteller und operanter Konditionierung ......................... 18 1.3.5. Die Grenzen der instrumentellen Konditionierung ........................................................ 20 1.3.6. Das Wichtigste in aller Kürze ........................................................................................ 21 © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 2 1.3. Lernen Lernen (Lerntheorie) Definition: Aufgrund der Verarbeitung von Signalen oder Reizen wird ein bestimmtes Verhalten verändert, bzw. angepasst. Entwicklungsgeschichtlich gesehen ist das Lernen im Tierreich ein sehr altes Prinzip. Im Laufe der Evolution wurde dieses Prinzip je nach Tierart immer weiter verfeinert. Die Grundprinzipien wurden aber beibehalten. Aus diesem Grund kann ein Regenwurm genauso durch Assoziation (Konditionierung) lernen, wie ein Huhn oder ein Hund. Das Lernen wird immer weiter erforscht. Als gesichert gilt heute, dass sich Lernen im Ansatz auf verschiedene Tierarten übertragen lässt. Die artspezifischen Unterschiede entstehen vor allem durch die Anpassung an verschiedene Lebensräume, das speziestypische Sozialverhalten und die Orientierung im Raum. Lernen dient der Anpassung an veränderte Lebensumstände sowie der Optimierung des eigenen Zustandes. Nur dann, wenn der Lernende persönlich etwas „davon hat“, wird er auch lernen. Somit ist Lernen der zentrale Punkt im Hundetraining, denn genau das soll ja passieren. Der Hund soll etwas lernen und der Mensch soll erfahren, wie er es seinem Teampartner leicht machen kann. Wenn Sie also die Grundprinzipien der zugrundeliegenden „Lerntheorie“ beherrschen, sind Sie bereits ein großes Stück weiter! „Lernen“ noch einmal genauer betrachtet Lernen bedeutet also, dass Informationen gespeichert werden. Je nachdem, wie und wo dies geschieht, sind sie auch auf verschiedene Weise wieder abrufbar. Dadurch muss sich das Gehirn nicht ständig mit allen Reizen auf der gleichen Wichtigkeitsebene beschäftigen. Je stärker der Reiz (und je heftiger die Emotion auf diesen Reiz) und je öfter er wiederholt wird, desto wichtiger wird er für das Gehirn, und desto leichter erfolgt die Reizantwort, das heißt, desto eher wird das erlernte Verhalten auch wieder gezeigt. Diesen Vorgang können wir uns sehr gut bildlich verdeutlichen, indem wir uns einen Wald mit viel Unterholz vorstellen, durch den wir uns nun einen Weg bahnen wollen. © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 3 Der entstehende Pfad ist zu vergleichen mit der Datenautobahn im Nerven-/Gehirn-Gefüge. Gehen wir nur ein einziges Mal hindurch, so werden die Pflanzen nur kurz beiseite gebogen und nehmen recht bald wieder ihren alten Platz ein. Je öfter wir unseren Pfad jedoch gehen, desto stärker wird er dabei ausgetreten, so dass wir allmählich immer leichter vorankommen. Je öfter wir Reaktionen auf bestimmte Reize auslösen (häufige Wiederholung), desto leichter werden diese gezeigt. Wir müssen unter anderem das so genannte „Ultrakurz- oder Kurzzeitgedächtnis“ vom „Langzeitgedächtnis“ unterscheiden. Erst wenn das Gelernte im Langzeitgedächtnis abgespeichert ist, wird es dauerhaft abrufbar sein. Woran lässt sich Lernen messen? Ob und inwiefern etwas erlernt wurde, lässt sich daran messen, inwieweit ein Verhalten sich nach einem (Lern-)Prozess verändert hat. Gut zu wissen: Reize werden in der „Lerntheorie“ auch Stimuli, Signale oder Informationen genannt. Sie werden vom Empfänger-Organismus (z.B. vom Hund) aufgenommen und verarbeitet. Die Aufnahme der Reize geschieht durch Sinnesorgane. Die Weiterleitung und Verarbeitung erfolgt hauptsächlich durch die Nervenbahnen und durch das Gehirn. 1.3.1. Lernen durch Assoziation (Verknüpfung) – die Konditionierung Einer der wichtigsten Wege, über die Hunde lernen, ist die Assoziation. Das bedeutet, dass zwei Ereignisse die gleichzeitig, bzw. sehr kurz nacheinander stattfinden, im Gehirn des Hundes miteinander in Verbindung gebracht werden (Kopplung bzw. Verknüpfung im Gehirn). Entscheidend ist dabei, dass die Assoziationszeit eingehalten wird (später sprechen wir hier auch vom „Timing“). Dies bezeichnet die maximale Zeitspanne, die zwischen zwei Ereignissen liegen darf, damit diese im Gehirn miteinander verknüpft werden können. Wenn eine bestimmte Assoziation (Verknüpfung) nicht nur hin und wieder auftritt, sondern häufig und regelmäßig wiederkehrt und der Hund daraufhin sein Verhalten ändert, sprechen wir von einer Konditionierung. © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 4 Somit ist die Konditionierung ein Vorgang, bei dem die entsprechende Assoziation so fest im Gehirn verankert wird, dass später allein das Signal der gekoppelten Elemente ausreicht, um im Gehirn zuverlässig eine feststehende Reaktion auszulösen. Wenn dies der Fall ist, wird die Handlung mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit gezeigt. Genau diese feste Verankerung wollen wir uns im Hundetraining zunutze machen, und wir müssen sie auch bemerken, falls sie ungewünscht erfolgt, da Hunde auch ohne unsere Hilfe durch Assoziation lernen! Hier zunächst ein paar Beispiele für LERNEN DURCH ASSOZIATION: Beispiel 1: „Hinsetzen“ Wir trainieren also mit dem Hund das Signal „Sitz!“. „Sitz!“ → Hund setzt sich → Belohnung Nach den ersten Übungen hat der Hund „eine leichte Ahnung“, was passiert, wenn wir „Sitz!“ sagen… Er begreift mit jeder Wiederholung mehr: „Wenn der Mensch „Sitz!“ sagt und ich mich hinsetze, bekomme ich etwas Leckeres!“ Deshalb wird er sich in Zukunft wahrscheinlich auf das Hörzeichen „Sitz!“ auch tatsächlich hinsetzen. Beispiel 2: „Betteln am Tisch“ (hier: ungewünschte Verknüpfung) Frau Müller ist seit Kurzem stolze Besitzerin eines Hundes. Sie stellt fest, dass ihr Hund während ihrer Mahlzeiten zunächst entspannt in seinem Körbchen liegt. Direkt nach dem Essen füttert Frau Müller ihn mit den verbliebenen Resten vom Teller. Nach einiger Zeit kommt der Hund immer öfter bereits vor dem Beenden der Mahlzeit zum Tisch und wartet dort. Frau Müller isst → Hund kommt zum Tisch und setzt sich → er bekommt etwas zu fressen Der Hund hat gelernt: „Wenn Frauchen etwas isst, bekomme ich etwas ab… ich gehe schon einmal zu ihr…“ © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 5 Beispiel 3: „Rinder bedeuten Schmerz!“ (hier: „falsche“, bzw. nicht gewünschte Verknüpfung) Auf einem Spaziergang durch Felder und Wiesen läuft unser Hund frei. Plötzlich sieht er auf einer Weide einige Rinder. Er findet sie sehr interessant und möchte herausfinden, was das wohl ist. Also springt er über den Graben und versucht, zu den Tieren zu gelangen. Weil er sich so stark auf die Rinder konzentriert, bemerkt er den stromführenden Weidezaundraht nicht. Als er ihn berührt, erhält er einen schmerzhaften Stromschlag, der ihn aufjaulen lässt. Rinder → Schmerz Er lernt dadurch: „Rinder sind gefährlich und tun weh!“ Beispiel 4: „Katzen können sich wehren!“ (hier ggf: „praktische“ Verknüpfung) 1 Auf einem Bauernhof verfolgt ein sehr junger Hund eine Katze. Genetische Reflexe veranlassen ihn, der fliehenden Katze hinterherzujagen. Dieses Erlebnis an sich ist für den Hund ein positives Erlebnis. Er fühlt sich dabei wohl und entwickelt eine „Lust“ daran, etwas zu verfolgen. Nachdem der Hund die Katze bereits mehrmals auf einen Baum oder in den Schuppen gejagt hatte, kam schließlich der Tag, an dem sie keine Fluchtmöglichkeit mehr fand und sich dem Gegner stellte. Selbstsicher fauchte sie den Welpen an und sprang auf ihn zu, um ihn mit ihren Krallen zu attackieren. Dieses einmalige Erlebnis verleidete dem Hund das Jagen von Katzen. Katze verfolgen → Schmerz, Schreck Er lernt dadurch: „Katzen können gefährlich sein. Besser, man jagt sie nicht!“ Fazit: So unterschiedlich die Beispiele auch auf den ersten Blick sein mögen, es handelt sich in allen vier Fallbeispielen um ein Lernen durch Assoziation. Das Grundprinzip des Lernens wurde erfüllt: Das Verhalten wurde zur Optimierung des eigenen Wohlbefindens angepasst. 1 Ein Reflex ist eine unwillkürliche Reizantwort. Das bedeutet: Das Verhalten auf einen Reiz wird nicht geplant, sondern der Körper reagiert „wie selbstgesteuert“. © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 6 1.3.2. Die klassische Konditionierung Die klassische Konditionierung wurde von Ivan Pawlow entdeckt und daher auch nach ihm benannt. Noch heute spricht man deshalb auch von der pawlowschen Konditionierung. Ausschlaggebend für diese Form des Lernens ist die Assoziation von mindestens zwei Reizen, die normalerweise getrennt voneinander vorkommen (Assoziation in der Psychologie: Verknüpfung oder Konditionierung). Bei diesen „Reizen“ handelt es sich meistens um Sinneswahrnehmungen, die der Hund bewusst oder unbewusst über das Gehirn aufnimmt. Inwieweit wir diese Form der Konditionierung für unser Training mit dem Hund nutzen können, werden wir in dieser Lektion genauer betrachten! 2 Die klassische Konditionierung ist eine behavioristische Lerntheorie, die aussagt, dass einem 3 (meist angeborenen) Verhalten, etwa einem unbedingten Reflex, ein bedingter Reflex hinzugefügt werden kann. Was Pawlow entdeckte... Pawlow entdeckte die klassische Konditionierung zunächst durch Zufall, als er mit einem Experiment zur Untersuchung des Speichelflusses von Hunden beschäftigt war. Die Hunde standen in eigens dafür entwickelten Vorrichtungen, und waren mit Apparaten versehen, die den Speichel aus den Drüsenkanälen auffingen. So wurde es möglich, die Menge des Speichels zu messen. Normalerweise wird die Sekretion (Absonderung) von Speichel erst durch einen Nahrungsreiz ausgelöst. Dies geschieht dann, wenn der Hund Futter sieht oder riecht. Pawlow bemerkte jedoch bei seinen Experimenten, dass bereits die „Ankündigung“ des Futters durch das Geräusch des Futterwagens den Speichelfluss auslöste. Durch diese Erkenntnis angeregt, machte er weitere Versuche. 2 (Behaviorismus (abgeleitet vom englischen Wort „behavior“ = „Verhalten“) Die rein wissenschaftliche Erfassung des Verhaltens und der Verhaltensänderung. Erkenntnisse des Behaviorismus sind in die Lerntheorie eingegangen. Die Vorgehensweise der Forscher war dabei z.T. radikal, mitunter sogar inhuman. Heutzutage würden sie deshalb mit dem Tierschutzgesetz in Konflikt geraten. 3 Bedingter Reflex: Der Reflex ist erfahrungsabhängig (wurde konditioniert). © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 7 Eine Glocke hat für den Hund zunächst einmal keine Bedeutung (weder positiv noch negativ), sondern stellt für ihn einen neutralen Reiz dar. Er wird sich vielleicht zur Geräuschquelle hindrehen, aber wenn er noch keine Erfahrung mit Glocken gemacht hat, löst das Klingeln kein weiteres Gefühl in ihm aus. Somit wird zum Beispiel auch der Speichelfluss nicht gefördert. Setzt man die Glocke aber nun als zusätzlichen Reiz ein und lässt sie kurz vor der Fütterung ertönen, so löst der Glockenton bereits nach wenigen Wiederholungen das Speicheln aus, sogar wenn die Hunde das Futter noch gar nicht wahrgenommen haben. Pawlow fand in seinen Versuchen auch heraus, unter welchen Umständen diese Verknüpfung von Glockenton und Speichelfluss gelingt. Pawlows Versuchsablauf © Ziemer & Falke GbR Schulungszentrum für Hundetrainer http://www.ziemer-falke.de/ 8