Höhere Mathematik für Informatiker Begleittext zur Vorlesung Wintersemester 2001/2002 Professor Jürgen Richter-Gebert Stand 10.01.2002 1 T EIL 1: A LGEBRA 1 Zahlen und Operatoren Um im Folgenden ein wenig Material zum Arbeiten zur Hand zu haben, setzen wir ein naives Verständnis von Zahlenbereichen sowie elementaren Rechenoperationen voraus. Wir werden dieses naive Verständnis im Verlauf der Vorlesung immer mehr präzisieren. Im ersten Teil der Vorlesung dienen uns bestimmte Zahlenbereiche als Material, um konkrete Beispiele für Gruppen, Ringe und Körper anzugeben. Die folgenden Zahlenbereiche werden wir benötigen: • Die natürlichen Zahlen N: 0, 1, 2, 3, . . . • Die positiven natürlichen Zahlen N+ : 1, 2, 3, . . . • Die ganzen Zahlen Z: . . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . . • Die rationalen Zahlen Q: alle Zahlen der Form ab mit a aus Z und b aus N+ . Man kann diese Zahlen auch als abbrechende oder periodische Dezimalbrüche (d.h. Kommazahlen) 5 schreiben; z.B. 13 8 = 1.625 oder 7 = 0, 714286714285 . . . = 0, 714285, wobei der Strich über den Nachkommastellen bedeuten soll, dass sich die Zahlenfolge immer wieder wiederholt. • Die positiven rationalen Zahlen Q+ : Zahlen der Form Die “0” ist also insbesondere nicht in Q+ enthalten. a b mit a aus N+ und b aus N+ . • Die reellen Zahlen R: alle Zahlen auf dem Zahlenstrahl. Dies ist eine extrem unpräzise Definition. Wir werden aber mit einer Präzisierung dieses Begriffes bis zur Behandlung der Analysis warten müssen. Wer fürs Erste schon mal eine etwas griffigere Vorstellung haben möchte, kann sich die reellen Zahlen vorstellen als eine Zahlenmenge, die neben den abbrechenden und periodischen auch die nicht-periodischen Zahlen umfasst, also z.B. die Zahl π = 3.1415926 . . .. • Die komplexen Zahlen C: Alle Zahlen der Form a + i · b mit a und b aus R, wobei i ein neues formales Symbol mit der Eigenschaft i2 = −1 ist. Auch dies wird später ausführlich behandelt. Zusätzlich benötigen wir Rechenoperationen, um diese Zahlen zu verknüpfen. Je nachdem, wie viele Zahlen hierbei verknüpft werden, reden wir von ein-stelligen, zwei-stelligen, dreistelligen, usw. Operatoren. Zu den zweistelligen Operatoren zählen z.B. +, −, ·, /. Einstellige √ Operatoren sind z.B. . . ., sin(. . .) und das monadische − (z.B. wie bei der Zahl −5 angewandt). Nicht jede Verknüpfung zweier Zahlen aus einem Grundbereich führt zwangsläufig wieder in den gleichen Grundbereich. So hat z.B. die Operation 5 − 8 kein Ergebnis in N. Man sagt auch: N ist nicht abgeschlossen bezüglich Subtraktion. Hingegen ist z.B. Z abgeschlossen bezüglich Subtraktion: jede Differenz zweier ganzer Zahlen ist wieder eine ganze Zahl, z.B. sind auch die positiven (!) reellen Zahlen abgeschlossen bezüglich Wurzelziehen. 2 In den folgenden Kapiteln werden wir eine Art abstrakte Theorie des Rechnens aufbauen (die Theorie der Gruppen, Ringe und Körper). Hierzu werden wir bestimmte Eigenschaften und Regeln, wie wir sie von den oben genannten Zahlenbereichen her kennen, als Grundlage unserer Definitionen verwenden, hierbei werden die folgenden Eigenschaften der Addition ganzer Zahlen von entscheidender Bedeutung sein: (i) Es gibt eine Zahl n ∈ Z, so dass für alle a ∈ Z die Bedingung a + n = a gilt. (ii) Für alle a ∈ Z, gibt es ein a0 ∈ Z mit a + a0 = n gilt. (iii) Für alle a, b, c ∈ Z gilt (a + b) + c = a + (b + c). Die Zahl n, von der in Eigenschaft (i) die Rede ist, ist natürlich die Null. Man nennt sie auch das neutrale Element der Addition, weil die Addition von Null zu einer beliebigen anderen Zahl diese nicht verändert. Die Zahl a0 aus Bedingung (ii) ist “−a”. Man nennt das auch das additive Inverse von a. Addiert man zu irgend einer Zahl die Zahl a und anschließend −a, so erhält man wieder die ursprüngliche Zahl. Insofern ist das Addieren von a invers zum Addieren von −a. Die Klammerungsregel (iii) nennt man Assoziativgesetz. Genau die selben Strukturen finden wir bei der Multiplikation auf positiven rationalen Zahlen Q+ : (i) Es gibt eine Zahl n ∈ Q+ , so dass für alle a ∈ Q+ die Bedingung a · n = a gilt. (ii) Für alle a ∈ Q+ , gibt es ein a0 ∈ Q+ mit a · a0 = n gilt. (iii) Für alle a, b, c ∈ Q+ gilt (a · b) · c = a · (b · c). Die Rolle des neutralen Elementes n wird hierbei von der Eins gespielt. Das Inverse a 0 zu a ist in diesem Falle a1 . 2 Gruppen Gruppen sind mathematische Strukturen, die eine formale Abstraktion der Rechenregeln von Addition (bzw. Multiplikation) darstellen. Hierbei ist es wichtig, dass eine Gruppe lediglich durch Angabe formaler Rechengesetze (Axiome) beschrieben wird. Gruppen treten in der Mathematik in den verschiedensten Zusammenhängen auf – nicht nur bei der Modellierung von Rechenregeln, sondern auch bei der Beschreibung von geometrischen Transformationen, von Symmetrieeigenschaften, von Vertauschungen von Objekten und vielem anderem mehr. Alles, was wir unter alleiniger Benutzung der Gruppenaxiome zeigen können, gilt automatisch für alle Gruppen. Zur Definition einer Gruppe benötigen wir eine Menge G und einen Verknüpfungsoperator ◦. Dieser Operator ordnet jeweils zwei Elementen a, b ∈ G ein neues Element a ◦ b ∈ G zu1 . 1 Der Ausdruck ”a ∈ G” bedeutet hierbei, dass das Element a in der Menge G liegt. Wir werden die Bezeichnungs- und Schreibweisen für Mengen und Funktionen in Abschnitt 2.2.1 noch präzisieren. In dieser Sprache können wir den Operator ◦ auch als Funktion ◦ : G × G → G beschreiben. 3 Definition 2.1 Ein Paar (G, ◦) einer Menge G und einer Verknüpfung ◦ heißt Gruppe, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: (o) Für alle a, b ∈ G gilt a ◦ b ∈ G. (i) Es gibt ein e ∈ G, so dass für alle g ∈ G die Bedingung g ◦ e = g gilt. (ii) Für alle g ∈ G, gibt es ein g−1 ∈ G, so dass g ◦ g−1 = e gilt. (iii) Für alle a, b, c ∈ G gilt (a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c). Bemerkung 2.1 Einige Bemerkungen zu den einzelnen Teilen dieser Definition: (o) Diese Bedingung ist bereits in unserer Grundannahme über den Operator ◦ enthalten. Man nennt einen Operator, der diese Eigenschaft hat, abgeschlossen auf G. (i) Wichtig ist, dass es hier ein e gibt, dass gleichzeitig für alle g ∈ G diese Bedingung erfüllt. Man nennt e ein (rechts-)neutrales Element. (ii) Für jedes Element g ∈ G gibt es ein spezielles Element g−1 mit g ◦ g−1 = e. Das e ist hierbei das rechtsneutrale Element aus Eigenschaft (i). Das Element g−1 wird das (rechts-) inverse Element zu g genannt. Die Schreibweise g−1 ist reine Notation zur Kennzeichnung des zu g inversen Elementes. Nur im Spezialfall der Multiplikation kennzeichnet der Exponent −1 tatsächlich den Kehrwert 1g von g. (iii) Diese Regel heißt Assoziativgesetz. Definition 2.2 Ist (G, ◦) eine Gruppe, und gilt zusätzlich für alle a, b ∈ G, dass a ◦ b = b ◦ a ist, so nennt man (G, ◦) eine kommutative Gruppe. 2.1 Beispiele für Gruppen In 1.1 haben wir bereits gesehen, dass es sich bei (Z, +) um eine Gruppe handelt. Z spielt hierbei die Rolle von G und + tritt an die Stelle des Operators ◦. Das neutrale Element ist die Null, und das Inverse zu a ist −a. Die Paare (Q, +), (R, +) und (C, +) sind ebenfalls Gruppen. Das Paar (N, +) ist keine Gruppe, da nur die Null ein additives Inverses in N besitzt. Betrachten wir (Q − {0}, ·), so bildet auch dieses Paar von Menge und Operator eine Gruppe. (“Q − {0}” ist hierbei die Menge aller Brüche ohne die Null). Da die Multiplikation zweier Brüche wieder ein Bruch ist, ist die Multiplikation von Brüchen abgeschlossen. Das neutrale Element bzgl. der Multiplikation ist die 1. Das multiplikative Inverse zu einer Zahl a ∈ Q ist 1 + a ∈ Q. Entsprechend sind auch (R − {0}, ·) und (C − {0}, ·) Gruppen. Es sind weiterhin (Q , ·) und (R+ , ·) Gruppen, wobei Q+ und R+ die positiven Brüche, bzw. die positiven reellen Zahlen sind (ohen die Null). Das Paar (N+ , ·) ist keine Gruppe, da alle natürlichen Zahlen außer der 1 kein multiplikatives Inverses in N haben. Es sei 5Z die Menge, die aus allen Vielfachen von 5 besteht, also aus den Zahlen . . . , −20, −15, −10, −5, 0, 5, 10, 15, 20, . . . 4 Das Paar (5Z, +) ist eine Gruppe. Die Abgeschlossenheit folgt aus der Tatsache, dass die Summe zweier Vielfachen von 5 wieder ein solches Vielfaches ergibt (denn für a, b ∈ Z gilt 5a + 5b = 5(a + b)). Das neutrale Element ist die 0 und das Inverse zu a ist−a. Bezeichnet man mit pZ alle ganzzahligen Vielfachen von p, so ist allgemein auch (pZ, +), eine Gruppe. Für unser nächstes Beispiel benötigen wir die Rechnenoperation Modulo: Sind a und b natürliche Zahlen, so gibt es eindeutig bestimmte natürliche Zahlen n und r mit bn + r = a und r < b. Wir setzen (a mod b) = r. Die Zahl r ist der Rest, den man beim ganzzahligen Teilen von a durch b erhält, z.B. gilt (17 mod 5) = 2, (4 mod 5) = 4, (7 mod 7) = 0 und (1111 mod 10) = 1. Für p ∈ N definieren wir zwei Operationen “⊕ p ” und “ p ” durch a ⊕ p b := (a + b) mod p und a p b := (a · b) mod p. Insbesondere prüft man leicht nach, dass • (a + b) mod p = ((a mod p) + (b mod p)) mod p, • (a · b) mod p = ((a mod p) · (b mod p)) mod p und • (a mod p) mod p = a mod p. Wir definieren Z p := {0, 1, 2, . . . , p − 1} als die Menge aller natürlichen Zahlen, die kleiner als p sind. Wir erhalten Satz 2.1 Für alle p ∈ N+ ist (Z p , ⊕ p ) eine Gruppe. B EWEIS . Wir können die vier notwendigen Eigenschaften leicht nachprüfen. (o) Per Definition liegen die Ergebnisse der Operation ⊕ p in Z p . Also ist Z p abgeschlossen bzgl. ⊕ p . (i) Das neutrale Element ist 0 ∈ Z p , denn a ⊕ p 0 = (a + 0) mod p = a mod p = a. Die letzte Gleichung gilt wegen a < p. (ii) Das inverse Element zu a ∈ Z p ist (p − a) mod p, denn a ⊕ p ((p − a) mod p) = a + ((p − a) mod p) mod p = (a + p − a) mod p = 0. (iii) Das Assoziativgesetz gilt wegen (a ⊕ p b) ⊕ p c = = = = = (((a + b) mod p) + c) mod p ((a + b) + c) mod p (a + (b + c)) mod p (a + ((b + c) mod p)) mod p a ⊕ p (b ⊕ p c). Die Modulo Addition ist keine allzu ungewöhnliche Operation. Z.B rechnen wir Stunden in aller Regel modulo 24. Ist es 12 Stunden später als 18 Uhr, so haben wir (18 ⊕ 24 12) = 6 Uhr. Die folgende Abbildung zeigt Additionstafeln für ⊕4 und ⊕5 : 5 ⊕4 0 1 2 3 0 0 1 2 3 1 1 2 3 0 2 2 3 0 1 ⊕5 0 1 2 3 4 3 3 0 1 2 0 0 1 2 3 4 1 1 2 3 4 0 2 2 3 4 0 1 3 3 4 0 1 2 4 4 0 1 2 3 Von besonderer Bedeutung in der Mathematik und in der Informatik sind die VerknüpfungsStrukturen, die sich aus den Operationen p ergeben. Insbesondere sind auch diese Operationen abgeschlossen auf Z p . Sie definieren im Gegensatz zur modulo-Addition keine GruppenOperationen. Die Verknüpfungstafeln für 4 und 5 sehen folgendermaßen aus: 4 0 1 2 3 0 0 0 0 0 1 0 1 2 3 2 0 2 0 2 5 0 1 2 3 4 3 0 3 2 1 0 0 0 0 0 0 1 0 1 2 3 4 2 0 2 4 1 3 3 0 3 1 4 2 4 0 4 3 2 1 Erstaunlicherweise bildet (Z p − {0}, ⊕ p ) in manchen Fällen eine Gruppe. Dies ist nämlich genau dann der Fall, wenn p eine Primzahl ist (also p nur durch sich selbst und 1 teilbar ist). Wir werden dies später (in Abschnitt 3) beweisen. Für jetzt wollen wir dies lediglich im Falle p = 5 anhand der Verknüpfungs-Tabelle erklären. Beschränkt auf Z 5 − {0} ergibt diese 5 1 2 3 4 1 1 2 3 4 2 2 4 1 3 3 3 1 4 2 4 4 3 2 1 Die Operation ist abgeschlossen. Die 1 ist das neutrale Element. Die Inversen sind 1 −1 = 1, = 3, 3−1 = 2 und 4−1 = 4. Die Assoziativität wird von der gewöhnliche Multiplikation “vererbt”, wie man leicht nachrechnet. 2−1 Bemerkung 2.2 Es ist eine interessante Beobachtung, dass bei Gruppentabellen in jeder Zeile und Spalte jedes Element der Gruppe genau einmal auftritt. Wir werden darin sehr bald noch (bei den betrachtungen über symmetrische Gruppen in Abschnitt 2.5) eine allgemeine Tatsache von weitreichender Bedeutung erkennen. Abschließend sei noch erwähnt, dass alle betrachteten Beispielgruppen bisher kommutativ waren. Beispiele für nicht-kommutative Gruppen werden wir in Abschnitt 2.5 kennen lernen. 6 2.2 Mengen, Relationen, Funktionen Um im Folgenden beim Aufschreiben von Mathematik uns einer präzisen Ausdrucksweise bedienen zu können, führen wir nun einige grundlegende Konzepte und Schreibweisen ein. 2.2.1 Mengen Das wohl wichtigste Hilfsmittel beim Aufschreiben von Mathematik sind Mengen 2 . Wir werden uns hier auf eine relativ “naive” Mengendefinition beschränken 3 : Eine Menge ist eine Zusammenfassung mehrerer unterscheidbarer Dinge zu einem Ganzen. Wichtig an dieser Begriffsbildung sind zwei Punkte. Die einzelnen Elemente (=Bestandteile) einer Menge müssen unterscheidbar sein. Das heißt, es dürfen keine Elemente doppelt vorkommen. Zweitens werden die Elemente zu einem Ganzen zusammengefasst. Hierbei kommt es auf die Reihenfolge überhaupt nicht an. Das heißt, man kann nicht etwa sagen, dass ein Element an “dritter Stelle” in einer Menge auftritt. Die Elemente einer Menge stehen zunächst in keiner Beziehung zu einander. Mengen können sowohl endlich viele als auch unendlich viele Elemente enthalten (wie z.B. die Menge der natürlichen Zahlen). Über die art der Elemente einer Menge ist in dieser Definition bewusst nichts ausgesagt. Dies können vollkommen beliebige Objekte sein. Mengen können somit sogar selbst wieder Mengen als Elemente enthalten. Ist e ein Element einer Menge M, so schreibt man e ∈ M. Ist e kein Element einer Menge M, so schreibt man e 6∈ M. Wollen wir eine Menge spezifizieren, so haben wir dazu mehrere Möglichkeiten. Wir können z.B. eine endliche Menge immer durch Aufzählung ihrer Elemente angeben. Wir schreiben diese Aufzählung der Elemente dann in geschweifte Klammern. Z.B. Z 5 = {0, 1, 2, 3, 4}. Unendliche Mengen können durch eine mit “. . .” angedeutete unendliche Aufzählung niedergeschrieben werden allerdings nur, so lange klar ist, wie die Aufzählung weitergehen soll. Z.B. N Z 5Z Prim = = = = {0, 1, 2, 3, . . .}, {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .}, {. . . , −15, −10, −5, 0, 5, 10, 15, . . .}, {2, 3, 5, 7, 11, . . .}. Nicht erlaubt wäre etwa M = {5, 17, 47, 267, . . .}, denn es ist nicht ersichtlich, welches Element als nächstes kommen soll. 2 Der berühmte Mathematiker Pavel Alexandroff (1896–1982) bezeichnete Mengen, Zahlen, Funktionen und Gruppen als die vier Eckpfeiler der Mathematik, auf die sich alle weiteren mathematischen Konzepte zurückführen lassen. 3 Unsere Mengendefinition ist zwar unter bestimmten Gesichtspunkten mathematisch ein wenig problematisch, wie wir später in diesem Abschnitt sehen werden, sie reicht allerdings für die meisten praktischen Zwecke unserer Vorlesung vollkommen aus. 7 Oftmals ist es notwendig, eine Menge durch Beschreibung der Eigenschaften der Elemente zu charakterisieren. So kann man z. B. die Menge aller Brüche, die größer als 5 und kleiner als 10 sind schreiben als M = {x | x ∈ Q und x > 5 und x < 10}. Der senkrechte Strich “|” kann gelesen werden als “so dass”. Oftmals schreibt man die Angabe der Grundmenge auch vor den senkrechten Strich M = {x ∈ Q | x > 5 und x < 10}. Die Menge der Quadratzahlen können wir z.B. schreiben als Q = {x2 | x ∈ N}. Von besonderer Bedeutung ist auch noch die so genannte leere Menge, die überhaupt keine / Grundlegende MengenoperaElemente enthält. Wir schreiben für die leere Menge {} oder 0. tionen sind: Schnittbildung: A ∩ B := {m | m ∈ A und m ∈ B} Vereinigung: A ∪ B := {m | m ∈ A oder m ∈ B} Differenz: A \ B := {m | m ∈ A und m 6∈ B} Produkt: A × B := {(a, b) | a ∈ A und b ∈ B} Mächtigkeit: |M| := Anzahl der Elemente in M Der Schnitt enthält alle Elemente, die in A und B gleichzeitig enthalten sind. Die Vereinigung umfasst alle Elemente, die in A oder B oder beiden Mengen auftauchen. Die Differenz umfasst alle Elemente von A, die nicht in B vorkommen. Kommen alle Elemente von B auch in A vor, schreibt man für die Differenz auch manchmal A − B. Das Produkt A × B zweier Mengen A und B besteht aus allen Paaren, die sich aus Elementen von A und B bilden lassen. Wichtig hierbei ist, dass die Elemente des Produktes Paare sind und nicht Elemente der Mengen A und B. So ist z.B: {1, 2, 3} × {4, 5} = {(1, 4), (2, 4), (3, 4), (1, 5), (2, 5), (3, 5)}. Produktbildung von Mengen ist insbesondere von Bedeutung, wenn man in der Geometrie Punkte in der Ebene oder im Raum beschreiben will. So gibt man Punkte in der Ebene im Allgemeinen durch Angabe zweier Koordinatenwerte aus den reellen Zahlen an 4 . Die Koordinaten eines Punktes in der Ebene fasst man dann zu einem Objekt einem Paar von reellen Zahlen zusammen. Somit identifiziert man die Punkte der Ebene mit Elementen aus R × R == R2 {(x, y) | x ∈ R und y ∈ R}. Für Punkte im Raum benötigt man entsprechend drei Koordinaten und identifiziert diese mit Elementen aus R × R × R = R3 . Oft schreibt man für M × M auch M 2 und für M × M × M auch M 3 . Kommen alle Elemente einer Menge A auch in B vor, so nennt man A eine Obermenge von B bzw. B Teilmenge von A. Man schreibt dann A ⊇ B oder gleichwertig B ⊆ A. Insbesondere ist die leere Menge Teilmenge jeder anderen Menge. Als abschließende und vielleicht komplizierteste Mengenkonstruktion sei hier noch die Potenzmenge erwähnt. Die Potenzmenge P (M) ist die Menge aller Teilmengen einer Menge oder in Formeln: P (M) = {A | A ⊆ M}. 4 Hierzu muss man allerdings zuerst ein Bezugssystem, ein so genanntes Koordinatensystem, festlegen. 8 Insbesondere sind die Elemente von P (M) selbst wieder Mengen. Wir haben z.B. P ({1, 2, 3}) := {{}, {1}, {2}, {3}, {1, 2}, {1, 3}, {2, 3}, {1, 2, 3}} Für P (M) schreibt man manchmal auch 2M . Ist M endlich so gilt |2M | = 2|M| . Wenngleich das von uns vorgestellt Mengenkonzept in der Praxis zumeist verwendet wird, birgt es dennoch einige prinzipielle konzeptionelle Schwierigkeiten. Diese kommen daher, dass wir zugelassen haben, dass eine Menge beliebige Objekte und Mengen wieder als Elemente enthalten darf. Es ist sogar durch nichts ausgeschlossen, dass eine Menge sich selbst als Element enthält. Derartige Konstrukte können allerdings leicht zu inneren Widersprüchen führen. Betrachten wir z.B. die folgende Menge: M sei die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten. Enthält diese Menge nun sich selbst oder nicht? Nehmen wir einmal an, M ∈ M würde gelten. Nach Definition wäre dann aber M 6∈ M – ein Widerspruch. Nehmen wir aber umgekehrt an, M 6∈ M, so enthält M sich nicht selbst und ist somit (nach obiger Definition) in M enthalten, also M ∈ M – auch ein Widerspruch. Keine der beiden Annahmen M ∈ M oder M 6∈ M ist also haltbar und die Definition ist in sich paradox5 . Man kann solche Probleme der “naiven” Mengenauffassung durch Aufbau einer so genannten Stufentheorie zu Leibe rücken. Dabei legt man fest, dass Mengen einer bestimmten Stufe höchstens Mengen einer niedrigeren Stufe enthalten dürfen. Mengen, die sich selbst enthalten, sind dabei von vorne herein ausgeschlossen. Ein weiterer Weg zu einer widerspruchsfreien Mengenlehre kann über eine Axiomatisierung des Mengenbegriffs in ähnlicher Weise geschehen, wie wir es beim Gruppenbegriff gemacht haben. Das derzeit am weitesten unter Mathematikern verbreitete Konzept ist der axiomatische Aufbau nach Zermelo Frankl. 2.2.2 Relationen Wir kommen nun zu einem weiteren wichtigen Konzept: den Relationen. Relationen sind Eigenschaften die entweder wahr oder falsch sein können. Relationen setzen insbesondere auch verschiedene Objekte zueinander in Beziehung. Die Anzahl der Objekte, die an einer Relation beteiligt sind, bezeichnet man auch als die Stelligkeit einer Relation. Eine typische zweistellige Relation ist z.B. “x < y”. Mathematisch sauber baut man den Relationsbegriff am besten aus dem Mengenbegriff auf. Eine zweistellige Relation ∼, die Objekte der Mengen A und B zueinander in Beziehung setzt, lässt sich als Teilmenge R∼ von A × B auffassen. Es gelte x ∼ y genau dann wenn (x, y) ∈ R∼ ist. Wir setzen also: R∼ := {(x, y) ∈ A × B | x ∼ y}. Die Relation x < y auf den natürliche Zahlen entspricht also der Menge von Paaren R< := {(x, y) ∈ N2 |x < y} = {(0, 1), (0, 2), (1, 2), (0, 3), (1, 3), (2, 3), . . .}, 5 Das Ganze ist ganz analog zu dem berühmten griechischen Barbier, der alle Leute im Dorf rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert dieser Barbier sich selbst oder nicht? 9 für die diese Relation gilt. Einstellige Relationen entsprechen übrigens Eigenschaften, die ein Objekt haben kann oder nicht. So entspricht z.B. die einstellige Relation “p ist Primzahl” der Menge Prim = {p ∈ N | p hat als Teiler nur 0 und p}. 2.2.3 Funktionen Abschließend in unserem Reigen mathematischer Notationen benötigen wir noch Funktionen. Eine Funktion f ordnet Elementen einer Menge (dem Definitionsbereich D) Elemente einer anderen Menge (dem Wertebereich W ) zu. Um diesen Sachverhalt auszudrücken, schreiben wir f : D → W . Zur vollständigen Beschreibung der Funktion muss man noch explizit die Zuordnungsvorschrift angeben. Man schreibt dies zumeist unter die Angabe von Definitions- und Wertebereich. So kann man z.B. die Quadratfunktion auf den natürlichen Zahlen angeben durch: f: N → N x 7→ x2 Nach der Angabe dieser Funktion können wir z.B. f (5) = 25 schreiben. Im Gegensatz zu der viel ungenaueren Angabe f (x) = x2 gibt die obige Notationsweise noch genaue Information über Definitions und Wertebereich. Wichtig bei der Angabe der Zuordnungsvorschrift ist, dass für jedes Element des Definitionsbereichs das zugehörige Bildelement angegeben wird. Es ist dabei in keiner Weise notwendig, dass jedes Element des Wertebereichs tatsächlich Bild f (x) eines Elementes x ∈ D des Definitionsbereiches ist. Im Beispiel der Quadratfunktion über den natürlichen Zahlen gibt es z.B. kein x mit f (x) = 17, da ja als Definitionsbereich lediglich die natürlichen Zahlen zugelassen sind. Die folgende Definition charakterisiert einige wichtige Eigenschaften, die Funktionen haben können. Definition 2.3 Es sei f : D → W eine Funktion. • f heißt injektiv, wenn für alle x, y ∈ D mit x 6= y auch f (x) 6= f (y) gilt. • f heißt surjektiv, wenn für alle y ∈ W ein x ∈ D existiert mit f (x) = y. • f heißt bijektiv, wenn es sowohl injektiv als auch bijektiv ist. injektiv aber nicht surjektiv surjektiv aber nicht injektiv bijektiv Ist eine Funktion injektiv, so kann es nicht vorkommen, dass zwei Elemente des Definitionsbereiches auf das selbe Bildelement abgebildet werden. Somit muss für eine injektive Funktion 10 insbesondere |D| ≤ |W | gelten. Ist eine Funktion surjektiv, so gibt es für jedes Element des Wertebereichs auch mindestens ein Element dass darauf abgebildet wird. Somit müssen im Definitionsbereich mindestens so viele Elemente liegen, wie im Wertebereich und es gilt |D| ≥ |W |. Ist eine Funktion bijektiv (also gleichzeitig injektiv und surjektiv), so muss also zwangsläufig |D| = |W | gelten. Da es bei einer surjektiven Funktion zu jedem Element des Wertebereichs ein Element des Definitionsbereiches geben muss, dass darauf abgebildet wird, wird bei einer bijektiven Funktion (wegen |D| = |W |) jedes Element von D auf genau ein Element aus W abgebildet. Man bezeichnet deshalb bijektive Funktionen auch als “eins-zu-eins” Abbildungen. Ist f : D → W eine bijektive Abbildung, so bezeichnet man mit f −1 die Umkehrabbildung, f −1 :W → D, die jedem Element y ∈ D ihr Urbild x ∈ D mit f (x) = y zuordnet. 2.3 Rechnen in Gruppen Kommen wir zurück zu unserem Hauptziel dieses Abschnittes: den Gruppen. Wir wollen in diesem Kapitel einige grundlegende Eigenschaften und Gesetze für das Rechnen mit Gruppen untersuchen und beweisen. Erinnern wir uns nochmals an die grundlegenden Eigenschaften, die die Verknüpfungsoperation einer Gruppe (G, ◦) erfüllen muss: (0) Abgeschlossenheit, (i) Existenz eines rechtsneutralen Elementes, (ii) Existenz der rechtinversen Elemente und (iii) Assoziativität. Bisher haben wir in keiner Weise gezeigt, dass das neutrale und die inversen Elemente eindeutig sind. Wir können auch nicht voraussetzen, dass die Gruppe kommutativ ist (also a ◦ b = b ◦ a gilt). Somit ist mit der Existenz von Rechtsneutralen und Rechtsinversen auch noch nicht einmal die Existenz von Linksneutralen und Linksinversen gezeigt. Wir werden im Folgenden zeigen, dass das Rechtsneutrale auch gleichzeitig Linksneutrales ist und dass diese Elemente eindeutig sind. Ebenso werden wir für ein gegebenes g ∈ G zeigen, das s das Rechtsinverse g−1 auch Linksinverses ist und darüberhinaus eindeutig bestimmt ist. Satz 2.2 Sei (G, ◦) eine Gruppe, g ∈ G und g−1 ∈ G ein rechtsinverses Element zu g (also g ◦ g−1 = e). Dann gilt auch g−1 ◦ g = e. B EWEIS . Sei also (G, ◦) eine Gruppe mit rechtsneutralem Element e, sei g ∈ G und sei ferner g−1 ∈ G mit g ◦ g−1 = e. Wir berechnen g−1 ◦ g unter schrittweiser Ausnutzung der Eigenschaften, die durch die Gruppenaxiome gegeben sind. 11 g−1 ◦ g (i) = (ii) = (iii) = (iii) = (vor) = (i) = (ii) = (g−1 ◦ g) ◦ e (g−1 ◦ g) ◦ (g−1 ◦ (g−1 )−1 ) g−1 ◦ (g ◦ (g−1 ◦ (g−1 )−1 )) g−1 ◦ ((g ◦ g−1) ◦ (g−1 )−1 ) g−1 ◦ (e ◦ (g−1 )−1 ) g−1 ◦ (g−1 )−1 e Über den Gleichheitszeichen ist die Nummer des Axioms angegeben, aufgrund dessen die Umformung zulässig ist. Das Element (g−1 )−1 ist das Rechtsinverse zu g−1 , von dem wir nach Axiom (ii) wissen, dass es existiert. (Achtung: Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob (g−1 )−1 = g gilt.) Die fünfte Umformung ist zulässig wegen unserer Voraussetzung g ◦ g −1 = e. Insgesamt erhalten wir also g−1 ◦ g = e, was beweist, dass g−1 Linksinverses ist. Wichtig bei diesem Beweis ist, dass wir dabei ausschließlich auf die axiomatischen Eigenschaften von Gruppen zurückgegriffen haben. Für jeden Umformungsschritt können wir den Finger auf ein Axiom legen und sagen “dieser Schritt ist zulässig, weil dieses Axiom für Gruppen gültig ist”. Da der bewiesene Satz ausschließlich auf Gruppenaxiome zurückgreift, gilt er automatisch für allen Gruppen, insbesondere für alle Beispiele aus Abschnitt 1.2.1 und für alle Strukturen, von denen wir später noch zeigen werden, dass sie Gruppen sind. Wir zeigen nun: Satz 2.3 Für das rechtneutrale Element e einer Gruppe gilt, e ◦ g = g für alle g ∈ G. B EWEIS . Es sei g ∈ G ein beliebiges Element. Wir geben wieder eine Umformungskette an, um e ◦ g zu berechnen e◦g (ii) (g ◦ g−1 ) ◦ g = (iii) = Satz1.1 = (i) g ◦ (g−1 ◦ g) g◦e g = Bei der dritten Umformung haben wir unseren vorher bewiesenen Satz über das Linksinverse verwendet. Wir zeigen nun, dass man in Gruppen einfache Gleichungen lösen kann. Dies ist wohl die Eigenschaft, die den Gruppen ihre zentrale Stellung in der Mathematik gibt. Die Struktur der Gruppen ist im Prinzip die einfachste allgemeine Struktur, in der das eindeutige Auflösen von Gleichungen möglich ist. 12 Satz 2.4 Es sei (G, ◦) eine Gruppe und a, b ∈ G. Dann gibt es genau ein x ∈ G mit der Eigenschaft a ◦ x = b. B EWEIS . Zunächst zeigen wir die Existenz eines solchen Elementes. Wir setzen dafür einfach x = a−1 ◦ b in die Gleichung ein und erhalten a ◦ x = a ◦ (a−1 ◦ b) = (a ◦ a−1 ) ◦ b = e ◦ b = b. Es bleibt zu zeigen, dass, wenn ein solches x existiert, es auch eindeutig ist. Wir zeigen dies durch eine Kette von Folgerungen aus der Gleichung a ◦ x = b. =⇒ =⇒ =⇒ a◦x = b a−1 ◦ (a ◦ x) = a−1 ◦ b (a−1 ◦ a) ◦ x = a−1 ◦ b =⇒ e ◦ x = a−1 ◦ b x = a−1 ◦ b. Somit muss jedes x von der angegebenen Form sein. In vollkommen gleicher Weise erhält man: Satz 2.5 Es sei (G, ◦) eine Gruppe und a, b ∈ G. Dann gibt es genau ein x ∈ G mit der Eigenschaft x ◦ a = b. Die letzten beiden Sätze haben einige interessante Konsequenzen Folgerung 2.6 Es sei (G, ◦) eine Gruppe, dann gilt: (i) Das neutrale Element ist eindeutig. (ii) Das inverse Element zu g ∈ G ist eindeutig. (iii) Das neutrale Element ist das einzige Element, welches die Gleichung x ◦ x = x erf üllt. B EWEIS . Sei g ∈ G. Für das neutrale Element e gilt g ◦ e = g. Nach Satz 1.3 ist diese Gleichung nach e eindeutig auflösbar. Das beweist (i). Die Aussage (iii) folgt mit dem selben Argument für g = e. Aussage (ii) folgt daraus, dass a ◦ a−1 = e nach Satz 1.3 eindeutig nach a−1 auflösbar ist. Eine weitere Konsequenz von Satz 1.3 ist, dass bei endlichen Gruppen in der Verknüpfungstabelle in jeder Zeile und in jeder Spalte jedes Gruppenelement genau einmal auftreten muss – eine Beobachtung, die wir im Abschnitt 1.3.1 an einigen Beispielen machen konnten. 13 2.4 Untergruppen In der Mathematik ist man oft daran interessiert, eine große Struktur in kleinere Bestandteile zu zerlegen, bzw. in einer großen Struktur nach sinnvollen Teilstrukturen zu suchen. Im Falle der Gruppentheorie ist man konkret am Studium von Untergruppen interessiert. Man definiert Untergruppen folgendermaßen Definition 2.4 Es sei (G, ◦) eine Gruppe. Das Paar (G0 , ◦) heißt Untergruppe von (G, ◦), genau dann wenn (i) (G0 , ◦) selbst eine Gruppe ist und (ii) G0 ⊆ G gilt. Eine Untergruppe muss selbst also bezüglich ◦ wieder abgeschlossen sein, ein neutrales Element besitzen und zu jedem Element ein Inverses haben. Die Assoziativität ergibt sich von selbst, da ja G0 Teilmenge von G ist und ◦ eine assoziative Verknüpfung auf G ist. In der Tat kann man auf die Existenz des neutralen Elementes sogar verzichten, da dies aus der Existenz der Inversen automatisch folgt, wie der folgende Satz zeigt: Satz 2.7 (G0 , ◦) ist Untergruppe von (G, ◦), genau dann wenn: (i) die Operation ◦ auf G0 abgeschlossen ist, (ii) aus a ∈ G0 auch a−1 ∈ G0 folgt und (iii) {} 6= G0 ⊆ G gilt. B EWEIS . Die Abgeschlossenheit und die Existenz der Inversen ist direkt gefordert. Die Assoziativität folgt direkt aus der Untermengeneigenschaft. Somit ist nur die Existenz eines neutralen Elementes zu zeigen. Da G0 6= {} gilt, gibt es mindestens ein Element g ∈ G0 . Mit diesem Element g liegt nach Eigenschaft (ii) auch g−1 ∈ G0 . Somit ist wegen der Abgeschlossenheit (i) auch g ◦ g−1 = e ∈ G0 . Bemerkung 2.3 Der letzte Beweis zeigt uns im Besonderen, dass das neutrale Element der Gruppe (G, ◦) auch automatisch das neutrale Element jeder Untergruppe von G ist. 14 2.5 Symmetrische Gruppen Wir wollen uns nun einer speziellen und äußerst wichtigen Klasse von endlichen Gruppen widmen: den so genannten Permutationsgruppen oder symmetrischen Gruppen. 2.5.1 Die symmetrische Gruppe auf drei Elementen Bevor wir uns dem allgemeinen Fall zuwenden, betrachten wir eine spezielle Permutationsgruppe, die uns ein erstes (und kleinst-mögliches) Beispiel einer nicht-kommutativen Gruppe liefert: die Permutationsgruppe auf 3 Elementen. Hierzu sei E3 = {1, 2, 3} eine Menge mit genau 3 Elementen, und es sei S3 := {π | π : E3 → E3 ist bijektiv } die Menge aller bijektiven Abbildungen von E3 nach E3 . Jede der Abbildungen aus S3 bildet E3 bijektiv auf sich selbst ab. Somit sind die Elemente der S3 Abbildungen, die die Elemente von E3 umsortieren. (Eine solche bijektive Abbildung auf einer endlichen Menge nennt man eine Permutation.) Für die dreielementige Menge E3 gibt es insgesamt genau 6 derartige Permutationen. Wertetabellen dieser Permutationen (die zusammen die S3 bilden) sind im Folgenden aufgeführt: 1 2 3 x π0 (x) 1 2 3 x 1 2 3 π1 (x) 1 3 2 x 1 2 3 π2 (x) 3 2 1 x 1 2 3 π3 (x) 2 1 3 x 1 2 3 π4 (x) 3 1 2 x 1 2 3 π5 (x) 2 3 1 Führt man zwei dieser Abbildungen hintereinander aus, so erhält man wieder eine Permutation aus S3 . Man prüft leicht nach, dass die Menge S3 , zusammen mit der Hintereinanderausführung als Verknüpfungsoperation, eine Gruppe bildet. Wir definieren hierzu für zwei Permutationen πi , π j ∈ S3 deren Verknüpfung πi ◦ π j durch die Wirkung auf den Elementen von E3 gemäß (πi ◦ π j )(x) := πi (π j (x)). Man achte darauf, dass bei dem Ausdruck (πi ◦ π j )(x) zuerst die Permutation π j auf x angewendet wird und danach auf das Ergebnis die Permutation πi angewendet wird. Wir erhalten folgende Verknüpfungstafel: ◦ π0 π1 π2 π3 π4 π5 π0 π0 π1 π2 π3 π4 π5 π1 π1 π0 π4 π5 π2 π3 π2 π2 π5 π0 π4 π3 π1 15 π3 π3 π4 π5 π0 π1 π2 π4 π4 π3 π1 π2 π5 π0 π5 π5 π2 π3 π1 π0 π4 Das neutrale Element der Gruppe (S3 , ◦) ist die identische Abbildung π0 . Die Elemente π0 , π1 , π2 und π3 sind ihre eigenen Inversen und π4 , π5 sind zueinander invers. Die Assoziativität der Verknüpfung prüft man leicht nach. Insbesondere beobachten wir, dass es sich bei der Gruppe (S 3 , ◦) um eine nicht-kommutative Gruppe handelt, denn wir haben zum Beispiel π1 ◦ π2 = π5 , aber π2 ◦ π1 = π4 . Man kann die Elemente von S3 auch auf eine schöne Art geometrisch interpretieren: die Gruppe (S3 , ◦) stellt die Menge aller Symmetrietransformationen eines gleichseitigen Dreiecks dar. Stellen wir uns dazu ein gleichseitiges Dreieck vor und nummerieren dessen Ecken mit den Zahlen 1, 2 und 3 gegen den Uhrzeigersinn durch. Wir betrachten alle möglichen Bewegungen, die das Dreieck mit sich selbst zur Deckung bringen. Jede dieser Decktransformationen bildet die durchnummerierte Eckenmenge wieder auf sich selbst ab, und wir können eine solche Transformation allein durch die Wirkung auf den Ecken (eine Permutation) beschreiben. Unsere sechs Permutationen in S3 erhalten die folgenden geometrischen Interpretationen: π0 : die neutrale Transformation, die das Dreieck einfach nur liegen lässt, π1 : die Spiegelung an der Mittelsenkrechten zur Seite 23, π2 : die Spiegelung an der Mittelsenkrechten zur Seite 13, π3 : die Spiegelung an der Mittelsenkrechten zur Seite 12, π4 : die Drehung um 120◦ im Uhrzeigersinn , π5 : die Drehung um 120◦ gegen den Uhrzeigersinn . 3 1 2 Die Symmetriegruppe eines Dreiecks ist die S 3 . Führt man zwei verschiedene Spiegelungen hintereinander aus, so erhält man eine der beiden Drehungen. Die Reihenfolge der Durchführung entscheidet dabei darüber, welche Drehung man erhält6 . 6 Tip: Dreieck aus Papier ausschneiden und ausprobieren 16 Der Übung halber wollen wir am Beispiel der Gruppe (S3 , ◦) alle möglichen Untergruppen auflisten. Die zu diesen Untergruppen zugehörigen Teilmengen der S 3 sind {π0 }, {π0 , π1 }, {π0 , π2 }, {π0 , π3 }, {π0 , π4 , π5 }, {π0 , π1 , π2 , π3 , π4 , π5 }. Wir sehen, dass insbesondere G selbst und die Menge, die nur aus dem neutralen Element besteht, auftauchen (das ist bei jeder Gruppe so). Die Drehungen zusammen mit π 0 bilden eine Untergruppe; dies sind genau die Transformationen, bei denen man das Dreieck nicht spiegeln (bzw ein ausgeschnittenes Dreieck nicht umklappen) muss. Wir stellen an diesem Beispiel noch etwas fest, was wir später allgemein beweisen werden. Die Anzahl der Elemente in einer Untergruppe ist immer ein Teiler der Anzahl der Elemente in der (Ober-)Gruppe. In unserem Fall hat S3 sechs Elemente. Die Untergruppen haben 1, 2, 3 oder 6 Elemente. 2.5.2 Die allgemeinen symmetrische Gruppen Wir wollen nun von den speziellen Betrachtungen der S3 zu allgemeinen Permutationsgruppen übergehen. Die Definitionen erfolgen absolut analog, nur dass als Grundmenge nicht E 3 , sondern allgemein eine n-elementige Menge En = {1, 2, 3, . . . , n} genommen wird. Wir definieren Sn := {π | π : En → En ist bijektiv }. Sn zusammen mit der Hintereinanderausführung als Verknüpfung ist wieder eine Gruppe. Für die Anzahl der Elemente in den Gruppen Sn gilt |S3 | = 6, |S4 | = 24, |S5 | = 120 und allgemein |Sn | = 1 · 2 · 3 · . . . · n = n! Dies sieht man leicht folgendermaßen ein: Die 1 kann auf n verschiedene Elemente abgebildet werden. Liegt das Bild der 1 fest, so verbleiben für die 2 noch n − 1 mögliche Bilder. Liegt auch dieses Bild fest, so verbleiben für die 3 noch n − 2 mögliche Bilder, . . . bis schließlich für das Bild des Elementes n nur noch eine Möglichkeit übrig bleibt. Damit wir nicht jedesmal, wenn wir über Permutationen reden, eine volle Wertetabelle angeben müssen, führen wir nun einige abkürzende Schreibweisen für Elemente der S n ein. Die erste Schreibweise ist eine einfache Abkürzung der Wertetabelle. Für eine Permutation π ∈ S n schreibt man 1 2 3 ... n . π(1) π(2) π(3) . . . π(n) In dieser Notation schreiben sich die sechs Permutationen der S3 als π0 = 1 2 3 1 2 3 π3 = 1 2 3 2 1 3 π1 = 1 2 3 1 3 2 π4 = 1 2 3 3 1 2 π2 = 1 2 3 3 2 1 π5 = 1 2 3 2 3 1 Direkt unter jedem Element steht, wohin es abgebildet wird. Wir nennen diese Darstellung die Werteschreibweise. Wir betrachten nun eine zweite, damit sehr eng verwandte und ähnlich 17 aussehende Darstellung für Permutationen, die sich aber in einigen Fällen als praktischer erweisen wird: die Stellenschreibweise. Hierbei liegt das Augenmerk weniger auf einer Permutation π als auf deren Umkehrfunktion π−1 . Eine Permutation π schreiben wir hierbei als 1 2 3 ... n . π−1 (1) π−1 (2) π−1 (3) . . . π−1 (n) In dieser Schreibweise steht z.B. 1 2 3 4 5 5 3 1 2 4 für die Permutation mit π(1) = 3, π(2) = 4, π(3) = 2, π(4) = 5 und π(5) = 1. Es gibt noch eine viel griffigere und intuitivere Art, diese Schreibweise zu lesen. Man fasst die Zahlen als Platzhalter von Objekten auf. Die Stellen, an denen die Zahlen in der unteren Zeile auftreten, geben an, wohin das Element abgebildet wird. In unserem Beispiel ist die 1 an die 3. Stelle gewandert, also π(1) = 3. Die 2 ist an die 4. Stelle gewandert, also ist π(2) = 4, usw. Die Stellenschreibweise unterscheiden wir von der Werteschreibweise durch Benutzung von eckigen Klammern anstatt runden Klammern7 . Die Stellenschreibweise eignet sich besonders gut, um graphisch abzulesen, was bei der Hintereinanderausführung mehrerer Permutationen herauskommt. Will man i die Hintereinanderausführung π 2 ◦ π1 mit i h beispielsweise h 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 π1 = 5 3 1 2 4 und π2 = 2 1 4 5 3 berechnen (zuerst π1 anwenden, dann π2 ), so kann man die beiden Permutationen einfach untereinander schreiben und verfolgen, wohin die einzelnen Stellen “wandern”: π1 : π2 : 1 2 3 4 5 HHHH@ H H H H @ 5 3 1 2 4 1 2 3 4 5 2 1 4 5 @ @ HH H H 3 Die erste Stelle wird durch π1 (wegen π1 (1) = 3) auf die dritte Stelle transportiert. Danach wird die dritte Stelle durch π2 (wegen π2 (3) = 5) auf die fünfte Stelle transportiert. Also ist (π2 ◦ π1 )(1) = 5. Verfolgt man die Linien, die von der 1 in der ersten Zeile ausgehen, so gelangt man zur fünften Stelle der letzten Zeile. Entsprechend erhalten wir (π2 ◦ π1 )(2) = 3, (π2 ◦ π1 )(3) = 1, (π2 ◦ π1 )(4) = 4 und (π2 ◦ π1 )(5) = 2. 2.5.3 Einschub: Beweistechniken Im folgenden Abschnitt werden wir uns mit einigen Sätzen, deren Beweise etwas fortgeschrittenere Beweistechniken benötigen, beschäftigen. Diese Beweistechniken wollen wir im Folgenden einführen. 7 Vorsicht, diese Konvention wird in der Literatur keineswegs einheitlich durchgehalten. 18 W IDERSPRUCHSBEWEIS Oftmals kann man eine Aussage nur schwer durch eine direkte Folgerungskette zeigen (wie wir es z.B. bei Satz 2.2 gemacht haben). Dann bietet sich manchmal ein Beweis durch Widerspruch an. Man nimmt dazu das logische Gegenteil der zu beweisenden Aussage an. Danach zieht man aus dieser so lange Folgerungen bis man zu einer widersprüchlichen (bzw. absurden) Aussage gelangt. Da eine solche Absurdität nicht sein kann, muss die Ursprungs-Annahme falsch gewesen sein. Also muss die ursprünglich zu beweisende Aussage korrekt sein.√ Wir wollen dies an einem Beispiel näher betrachten. Wir zeigen, dass die Zahl 2 nicht rational ist. Satz 2.8 Es gibt keine natürliche Zahlen a und b mit der Eigenschaft ( ba )2 = 2. B EWEIS . Wir nehmen als logisches Gegenteil des Satzes an, es gäbe solche Zahlen a, b ∈ N. Wir nehmen ferner an, dass die Zahl b kleinstmöglich mit dieser Eigenschaft gewählt ist. Für diese Zahlen gelte also ( ba )2 = 2. Somit haben wir a · a = 2b · b. Somit ist 2 ein Teiler von a. Dann ist aber 4 ein Teiler von a2 = 2b·b. Somit ist 2 aber auch Teiler von b. Also sind a0 = a2 und 0 b0 = 2b ganzzahlig und es gilt ( ba0 )2 = ( ba )2 = 2. Dies ist aber ein Widerspruch zu der Tatsache, dass b so klein wie möglich gewählt wurde. Es gibt noch diverse Varianten dieses Beweisprinzips. Will man z.B. beweisen, dass aus einer Aussage A eine andere Aussage B folgt, so kann man dies dadurch tun, dass man A und das logische Gegenteil von B annimmt und dies zu einem Widerspruch führt. VOLLST ÄNDIGE I NDUKTION Oftmals ist man in der Situation, dass man nicht nur eine Aussage beweisen will, sondern eine ganze Folge von Aussagen A1 , A2 , A3 , . . . , , die alle im Prinzip die gleiche Struktur haben, aber zunehmend komplexer werden. Ein solcher Beweis ist oftmals ausschließlich mit vollständiger Induktion durchführbar. Das Beweisprinzip läuft hierbei auf das Folgende hinaus. Anstatt für jede der Aussagen einen eigenen Beweis zu liefern, beweist man zwei Dinge (i) Man beweist die Aussage A1 . (ii) Man beweist, dass aus der Aussage Ai die Aussage Ai+1 folgt. Den ersten Schritt nennt man die Induktionsverankerung. Der zweite Schritt ist der Induktionsschluss. Warum hat man mit diesen beiden Beweisschritten alle Aussagen A 1 , A2 , A3 , . . . , bewiesen? Man hat zwar keinen expliziten Beweis für jede der Aussagen A i hingeschrieben, man hat aber ein Verfahren angegeben, mit dem man dies im Prinzip für jedes A i tun “könnte”. Möchte z.B. jemand wissen, warum beispielsweise die Aussage A 4 gilt, kann man wie folgt argumentieren: “Ich habe bewiesen, dass A1 gilt, und ich habe bewiesen, dass A1 ⇒ A2 gilt. Also gilt A2 . Ferner habe ich bewiesen, dass A2 ⇒ A3 gilt. Also gilt A3 . Ferner habe ich bewiesen, dass A3 ⇒ A4 gilt. Also gilt A4 .” Möchte jemand wissen, mit welchem Recht ich behaupte, dass A743243961 gilt, kann ich ähnlich argumentieren — die Beweiskette wird bloß dementsprechend länger. Auch die vollständige Induktion soll an einem Beispiel demonstriert werden 8 . 8 Das Ganze gleicht einer Kette von Dominosteinen, bei denen man den ersten umkippt und genau weiß, dass wenn ein Dominostein umfällt, auch der dahinter stehende fallen wird. 19 Satz 2.9 Für die Summe der ganzen Zahlen von 1 bis n gilt 1+2+3+...+n = n2 + n . 2 B EWEIS . Wir bezeichnen die Aussage, dass der Satz für die konkrete Zahl n gilt mit A n . Und zeigen die Gültigkeit aller Aussagen An durch vollständige Induktion. Induktionsverankerung: Für den Beweis von A1 stellen wir einfach die behauptete Gleichung auf und stellen fest, dass sie wahr ist 1= 12 + 1 . 2 Induktiosschluss: Wir nehmen nun an, die Aussage An sei bereits bewiesen, und wir beweisen die Aussage An+1 . Wir erhalten 1 + 2 + 3 + . . . + n + (n + 1) = (n2 + 2n + 1) + (n + 1) (n + 1)2 + (n + 1) n2 + n + (n + 1) = = . 2 2 2 Die Gleichheit des ersten und des letzten Ausdrucks ist genau unsere zu beweisende Aussage An+1 . Das erste Gleichheitszeichen dieser Kette gilt genau wegen unserer als wahr angenommenen Induktionsvoraussetzung. Auch von der vollständigen Induktion gibt es diverse Varianten. So kann es auch durchaus der Fall sein, dass man im Induktionsschluss zeigt, dass An+1 aus An−1 und An folgt. Oder gar, dass man beweist dass An+1 aus A1 und A2 und . . . und An−1 und An folgt. Wichtig ist nur, dass alle zum Beweis von An+1 herangezogenen Aussagen einen kleineren Index haben. 2.5.4 Zyklen und Transpositionen Wir wollen nun noch eine weitere Schreibweise für Permutationen einführen, die Zyklenschreibweise. Ein Zyklus π = (a1 , a2 , a3 , . . . , am ) ∈ Sn mit m ≤ n ist definiert als eine Permutation mit der Eigenschaft π(a1 ) = a2 , π(a2 ) = a3 , . . ., π(am−1 ) = am und π(am ) = a1 . Alle anderen Elemente von En werden von π fest gelassen. Die hZahlen des Zyklus i werden praktisch reih1 2 3 4 5 um zyklisch verschoben. Die Permutationen π1 = 5 3 1 2 4 aus dem letzten Beispiel ist ein Zyklus π1 = (1, 3, 2, 4, 5). Nicht jede Permutation ist ein Zyklus, aber jede Permutation lässt sich als h Verknüpfungi von disjunkten (=elementfremden) Zyklen schreiben. So lässt sich z.B. π2 = 12 21 34 45 53 in einen zweistelligen Zyklus (1, 2) und einen dreistelligen Zyklus (3, 5, 4) zerlegen. Es gilt π2 = (1, 2) ◦ (3, 5, 4). Eine solche Darstellung ist keinesfalls eindeutig. Einerseits können die Zykel untereinander vertauscht werden (dies ist möglich, da die Elemente eines Zyklus nicht in den anderen Zyklen auftreten). Andererseits können innerhalb eines Zyklus die Elemente zyklisch vertauscht werden, ohne die durch den Zyklus beschriebene Permutation zu verändern. So ist z.B. π1 = (1, 3, 2, 4, 5) = (3, 2, 4, 5, 1) = (2, 4, 5, 1, 3) = (4, 5, 1, 3, 2) = (5, 1, 3, 2, 4). 20 Der kleinstmögliche Zyklus, den man sich vorstellen kann, vertauscht lediglich zwei Elemente miteinander. Sind das die Elemente i und j, so haben wir 1 ... i ... j ... n 1 ... i ... j ... n . = (i, j) = 1 ... j ... i ... n 1 ... j ... i ... n Eine derartige Permutation, die lediglich zwei Elemente vertauscht, nennt man eine Transposition. Ziel der folgenden Ausführung ist es, zu verstehen, wie Permutationen durch Hintereinanderausführungen von Transpositionen erzeugt werden können. Wir werden beweisen, dass jede Permutation als Hintereinanderausführung von Transpositionen der Form (i, i + 1) dargestellt werden kann. Bevor wir uns an den formalen Beweis dieser Aussage machen, wollen wir uns diesen Satz zunächst einmal anschaulich verdeutlichen. Man kann sich diese Aussage nämlich sehr gut anhand eines Diagramms einer Permutation direkt geometrisch vorstellen. Betrachteni h 1 2 wir hierzu eine beliebige Permutation der Sn und das zugehörige Symbol a1 a2 a33 .. .. .. ann in der Stellenschreibweise. Verbinden wir die Zahlen der oberen Reihe mit den entsprechenden Zahlen der unteren Reihe durch Linien, so können wir jeden Kreuzungspunkt der Linien als eine Transposition der Form (i, i + 1) (= Vertauschung zweier benachbarter Stellen) auffassen. Hintereinanderausführung dieser Transpositionen ergibthdie gewünschtei Zerlegung der Permutation. Wir wollen dies am Beispiel der Permutation π = 15 23 31 42 54 durchführen. 1 2 @ @ @ 4 5 (2, 3) @ @ @ @ @ (4, 5) (3, 4) (1, 2) @ @ @ 5 3 3 (2, 3) @ (1, 2) 1 2 4 Ein Bild, wie wir es oben angegeben haben, nennen wir das Diagramm einer Permutation. Hierbei ist es wichtig, dass sich in jedem horizontalen Schnitt des Diagramms nur höchstens ein Schnittpunkt der Linien befinden soll. Verketten von Permutationen entspricht einfach dem Aneinanderhängen der entsprechenden Diagramme. Natürlich kann die gleiche Permutation durch viele verschiedene Diagramme dargestellt werden. Die (in Zyklenschreibweise angegebenen) Transpositionen hinter jeder Vertauschungsoperation zweier Stellen geben dabei an, welche beiden Stellen jeweils vertauscht werden müssen. Aus den in der richtigen Reihenfolge angewandten Vertauschungen ergibt sich direkt eine Darstellung der Permutation. Wir erhalten: 1 2 3 4 5 = (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (4, 5) ◦ (2, 3) 5 3 1 2 4 Man achte hierbei auf die Reihenfolge der Transpositionen. Dem Leser ist wärmstens empfohlen, genau nachzuvollziehen, wie sich die Elemente von E 5 bei Hintereinanderausführung (von rechts nach links !) der Transpositionen verhalten. Exemplarisch wollen wir den Weg der 21 1 verfolgen. Da die 1 von der ersten auf die dritte Stelle wandert, muss gelten π(1) = 3. Schrittweise erhalten wir dies so: (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (4, 5) ◦ (2, 3) (1) = (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (4, 5) (1) = (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) (1) = (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) (1) = (1, 2) ◦ (2, 3) (2) = (1, 2) (3) = 3 Ebenso wenig wie das Diagramm einer Permutation eindeutig bestimmt ist, ist auch die Zerlegung in Transpositionen eindeutig bestimmt. Dennoch gibt es einige beachtenswerte Strukturen, die bei derartigen Darstellungen auftreten. Diese wollen wir im Weiteren untersuchen. Wir beweisen zunächst den folgenden Satz: i h Satz 2.10 Sei π = a11 a22 a33 .. .. .. ann eine Permutation, welche nicht die Identität ist. Dann gibt es in der unteren Zeile der Stellenschreibweise immer zwei benachbarte Eintr äge ai , ai+1 mit ai > ai+1 . B EWEIS . Wir nehmen an, π sei nicht die Identität, aber es gelte a1 < a2 < . . . < an . Wir führen diese Annahmn zu einem Widerspruch. Ist nämlich a1 < a2 < . . . < an , so muss gelten ai = i für alle i = 1, . . . , n, da ja alle Zahlen von 1 bis n unter den ai auftreten müssen. Dann kann aber π nur noch die Identität sein. Widerspruch. Eng verknüpft mit dem Begriff der Transpositionen sind die so genannten Fehlst ände einer Permutation. Diese definieren wir folgendermaßen: Definition 2.5 Sei π ∈ Sn eine Permutation. Ein Paar (i, j) ∈ En × En heißt Fehlstand, wenn gilt i < j und π(i) > π( j). Wir können Fehlstände in der Werteschreibweise recht ein und in der Stellenschreibweise 1 2 3 ... n fach ablesen. Ist π ∈ Sn eine Permutation und π = w1 w2 w3 . . . wn in Werteschreibweise, so ist (i, j) mit i < j Fehlstand genau dann wenn in der unteren Zeile die beiden Zahlen unter i und j genau in der falschen Reihenfolge i vor der kleineren), also w i > w j h stehen (die größere gilt. Gilt in der Stellenschreibweise π = ist (a j , ai ) ein Fehlstand. h 1 a1 2 a2 3 a3 i ... ... n an für i < j die Relation ai > a j , so aus dem letzten Beispiel erhalten wir die Bei unserer Permutation π = Fehlstände (1, 3), (1, 5), (2, 3), (2, 5), (3, 5), (4, 5). Fehlstände der Form (a i+1 , ai ), deren Existenz in Satz 2.10 prognostiziert wurde, nennen wir benachbarte Fehlst ände in π. In unserem Beispiel sind (3, 5) und (1, 3) benachbart. Schauen wir nochmals auf die durch das Diagram 1 5 2 3 3 1 4 2 5 4 22 auf der letzen Seite induzierte Zerlegung von π in Transpositionen benachbarter Stellen, so stellen wir fest, dass diese so gewählt ist, dass die beiden Linien, die in jedem Schritt vertauscht werden, immer genau einem Fehlstand entsprechen: 1 2 3 4 5 @ (2, 3) 2 und 3 wird vertauscht @ @ @ @ @ @ @ @ 5 3 @ @ @ 1 2 (4, 5) 4 und 5 wird vertauscht (3, 4) 2 und 5 wird vertauscht (1, 2) 1 und 3 wird vertauscht (2, 3) 1 und 5 wird vertauscht (1, 2) 3 und 5 wird vertauscht 4 Wir zeigen nun, dass sich dahinter ein allgemeiner Zusammenhang verbirgt. Satz 2.11 Jede Permutation π kann durch Hintereinanderausf ührung von Transpositionen der Form (i, i + 1) geschrieben werden. Hat π genau r Fehlstände, so kommt man mit insgesamt r Transpositionen aus. B EWEIS . Wir beweisen dies mit vollständiger Induktion über die Anzahl r der Fehlstände in π. Induktionsverankerung: Hat π keinen Fehlstand, so ist π die Identität, und es ist r = 0. Durchführung keiner einzigen Transposition ergibt natürlich die Identität. Induktionsschluss: Wir nehmen nun h an, die Aussagei sei bereits für alle Permutationen mit r Fehlständen bewiesen. Sei nun π = a11 a22 a33 .. .. .. ann eine Permutation mit r +1 Fehlständen. Nach Satz 2.10. gibt es einen benachbarten Fehlstand der Form (a i+1 , ai ). Die Permutation π0 = (i, i + 1) ◦ π hat genau einen Fehlstand weniger als π (es wurden ja genau zwei benachbarte Elemente vertauscht, welche einen Fehlstand darstellten. Diese Vertauschung kann keinen Einfluss auf die anderen Fehlstände haben). Nach Induktionsvoraussetzung hat π 0 eine Darstellung der Form π0 = (i1 , i1 + 1) ◦ . . .◦ (ir , ir + 1). Wegen π = (i, i + 1) ◦ (i, i + 1) ◦ π = (i, i + 1) ◦ π0 hat π die Darstellung π = (i, i + 1) ◦ (i1, i1 + 1) ◦ . . . ◦ (ir , ir + 1).9 Natürlich ist eine Zerlegung in Produkte von Transpositionen nicht eindeutig. Solange sich Transpositionen z.B. nicht gegenseitig beeinflussen, kann deren Reihenfolge vertauscht werden. So ist es in unserem Beispiel egal, ob wir zu Beginn zuerst die Transposition (2, 3) und dann (4, 5) ausführen, oder umgekehrt. Es gilt also (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (4, 5) ◦ (2, 3) = (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (2, 3) ◦ (4, 5). Es ist nicht einmal der Fall, das zwei verschiedene Zerlegungen in Transpositionen die gleiche Länge haben müssen. So kann man z.B. sofort einsehen, dass (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (4, 5) ◦ (2, 3) = (1, 2) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (3, 4) ◦ (4, 5) ◦ (2, 3) ◦ (1, 2) ◦ (1, 2). 9 Es ist übrigens ein ganz typisches mathematisches Vorgehen, dass man sich Sachverhalte zunächst an Diagrammen verdeutlicht, und danach die dort gewonnenen Erkenntnisse in einen formalen Beweis überführt. Oftmals findet man in Büchern allerdings nur noch die “wasserdichten” formalen Beweise und nicht die Bilder, Diagramme und Ideen, die zu den endgültigen Formulierung geführt haben. 23 Das Voranstellen von (1, 2)◦(1, 2) bedeutet lediglich das Voranstellen des neutralen Elementes. Obwohl die Darstellung als Produkt von Transpositionen keineswegs eindeutig ist, gibt es dennoch ein Charakteristikum einer Permutation, dass sich in dieser Darstellung widerspiegelt, wie der folgende Satz zeigt. 0 ) so Satz 2.12 Sei π ∈ Sn eine Permutation. Gilt π = (i1 , j1 ) ◦ . . . ◦ (ir , jr ) = (i01 , j10 ) ◦ . . . ◦ (i0m , jm gilt auch (−1)r = (−1)m . Mit anderen Worten: Hat man zwei Darstellungen einer Permutation als Produkt von Transpositionen, so benötigt man entweder für beide Darstellungen eine gerade Anzahl von Transpositionen oder für beide Darstellungen eine ungerade Anzahl von Transpositionen. Man achte darauf, dass wir bei diesem Satz nicht nur über Transpositionen der Form (i, i + 1) reden, sondern über allgemeine Transpositionen. Den Beweis dieses Satzes zerlegen wir in mehrere kleine Abschnitte. Lemma 2.13 Eine Transposition ( j, j + r) mit r ≥ 1 lässt sich durch Hintereinanderausführung von 2r − 1 Transpositionen der Form (i, i + 1) durchführen. B EWEIS . Wir beweisen dies durch vollständige Induktion über r. Induktionsverankerung: Ist r = 1, so ist die fragliche Transposition bereits von der Form (i, i + 1) und es gilt 1 = 2r − 1. Induktionsschluss: Wir nehmen an, r sei fest und die Aussage sei bereits für alle Transpositionen der Form ( j, j + r) bewiesen. Wir zeigen die Aussage für Transpositionen der Form ( j, j + r + 1). Hierzu sei (i1 , i1 + 1) ◦ . . . ◦ (i2r−1 , i2r−1 + 1) eine Zerlegung der Transposition ( j + 1, j + r + 1), die ja nach Induktionsvoraussetzung existiert. ( j, j + 1) ◦ (i1 , i1 + 1) ◦ . . . ◦ (i2r−1 , i2r−1 + 1) ◦ ( j, j + 1) ist dann eine geeignete Zerlegung der Transposition ( j, j + r + 1), wie man durch Zeichnen des Diagramms unschwer einsehen kann. Diese Verkettung besitzt 2(r + 1) − 1 Transpositionen. Lemma 2.14 Es sei π ∈ Sn eine Permutation mit r Fehlständen; 1 ≥ i ≥ n − 1. Dann hat die Permutation (i, i + 1) ◦ π entweder r − 1 oder r + 1 Fehlstände. i h B EWEIS . Es sei π = a11 a22 a33 .. .. .. ann . Der einzige Fehlstand, der durch das Heranmultipliziern von (i, i + 1) hinzukommen oder entfernt werden kann, ist (a i+1 , ai ). War (ai+1 , ai ) ein Fehlstand in π, so ist es kein Fehlstand in (i, i + 1) ◦ π und umgekehrt. Also verringert oder erhöht sich die Anzahl der Fehlstände von (i, i + 1) ◦ π gegenüber π um 1. Lemma 2.15 Es sei π ∈ Sn eine Permutation mit r ≥ 1 Fehlständen, und es gelte π = (i1 , j1 ) ◦ . . . ◦ (im , jm ) mit m ≥ 1, dann gilt (−1)m = (−1)r . 24 B EWEIS . Es seien alle Voraussetzungen wie in Lemma 2.15 gefordert. Zunächst einmal können wir jeden Faktor (ik , jk ) durch eine Kette von Transpositionen der Form (i, i + 1) ersetzen, deren Existenz in Lemma 2.13 bewiesen wurde. Die Länge einer solchen Kette ist nach Lemma 2.13 ungerade. Somit ist nach der Ersetzung die Anzahl der Transpositionen ungerade, genau dann wenn sie vor der Ersetzung ungerade war. Wir können also nun also o.B.d.A. 10 annehmen, dass π = (i1 , i1 + 1) ◦ . . . ◦ (im , im + 1) gilt (also ji = i + 1 für alle i). Den Rest beweisen wir durch vollständige Induktion über m. Induktionsverankerung: Ist m = 1, so gibt es genau einen Fehlstand. Induktionsschluss: Wir nehmen also an, der Satz sei bewiesen für Zerlegungen von Permutationen in das Produkt von m Transpositionen der Form (i, i + 1). Sei nun π = (i 1 , i1 + 1) ◦ . . . ◦ (im+1 , jm+1 +1). Wir zerlegen π zu π = (i1 , i1 +1)◦π0 mit π0 = (i2 , i2 +1)◦. . .◦(im+1 , jm+1 +1). Die Permutation π0 ist dargestellt als Produkt von m Transpositionen, und es gilt aufgrund der 0 Induktionsvoraussetzung (−1)m = (−1)r , wobei r0 die Anzahl der Fehlstände in π0 ist. Da π aus π0 durch Verknüpfung mit (i1 , i1 + 1) hervorgeht, unterscheidet sich nach Lemma 2.14 π 0 von π0 durch genau einen Fehlstand. Also gilt (−1)r = (−1)r · (−1) = (−1)m+1 . 0 ). Ferner B EWEIS VON S ATZ 2.12. Es sei π = (i1 , j1 ) ◦ . . . ◦ (ir , jr ) = (i01 , j10 ) ◦ . . . ◦ (i0m , jm sei k die Anzahl von Fehlständen in π. Nach zweifacher Anwendung von Lemma 2.15. gilt (−1)r = (−1)k = (−1)m . 2.5.5 Vorzeichen einer Permutation Unser nun bewiesener Satz 2.12 gibt uns die Möglichkeit, einer Permutation π ein eindeutiges Vorzeichen +1 oder −1 zuzuordnen, nämlich genau die Zahl (−1) r , wobei die Zahl r die Anzahl der Transpositionen in einer Darstellung von π als Hintereinanderausführung von Transpositionen ist. Definition 2.6 Sei π ∈ Sn eine Permutation und π = (i1 , j1 ) ◦ . . . ◦ (ir , jr ). Die Zahl sign(π) = (−1)r heisst das Vorzeichen von π. Obwohl die Darstellung durch Transpositionen nicht eindeutig ist, ist das Vorzeichen von π wohldefiniert11 . Wir haben derzeit drei verschiedene Verfahren das Vorzeichen von π zu bestimmen: (i) (−1)k mit k = Anzahl der Transpositionenin einer beliebigen Zerlegung von π in Transpositionen. (ii) (−1)k mit k = Anzahl der Fehlstände von π. (iii) (−1)k mit k = Anzahl der Kreuzungspunkte in einem Diagramm von π. 10 o.B.d.A.=“ohne Beschränkung der Allgemeinheit”. Das ist kein politisches Statement, sondern eine mathematische Sprechweise, die man immer dann benutzt, wenn man in eine Aussage Zusatzannahmen hineinstecken darf, ohne die Schärfe der Aussage zu verändern. 11 Man spricht von Wohldefiniertheit immer dann, wenn bei einer Definition einer Größe (hier das Vorzeichen) eine gewisse Willkürlichkeit (hier die Wahl der Transpositionen) beteiligt ist, die aber letztlich doch keinen Einfluss auf die zu bestimmende Größe hat. 25 Bei dem Vorzeichen handelt es sich um eine sehr praktisches Charakteristikum einer Permutation, das man oft verwenden kann, um bestimmte Unmöglickeitsbeweise zu führen. So ist es unmöglich, eine Permutation mit einer ungeraden Anzahl von Fehlständen durch Verknüpfung einer geraden Anzahl von Transpositionen zu erzeugen. Auf diese prinzipielle Unmöglichkeit lassen sich einige andere Unmöglichkeitsbeweise zurückführen. Wir wollen dies am Beispiel der Unlösbarkeit des 1878 von dem berühmten Rätselerfinder Sam Loyd erfundenen “14-15-Puzzles” darstellen: In einem quadratischen Holzrahmen seien passgenau 15 quadratische Holzplättchen eingelassen, wie es die unten stehende Abbildung zeigt: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 15 14 Die Plättchen sind in der angegebenen Weise durchnummeriert. Das eine frei gebliebene Feld ermöglichkeit es, die angrenzenden Plättchen zu verschieben. Ist es möglich, die Position der Plättchen mit den Nummern 14 und 15 zu vertauschen und somit alle Plättchen in die richtige Reihenfolge zu bringen? Diese Puzzle-Aufgabe ist leider unlösbar. Wir können das folgendermaßen einsehen: Wir geben im Geiste dem leeren Feld die Nummer Sechzehn. Jede mögliche Position der Plättchen auf dem Feld können wir als ein Element der S16 auffassen – der Permutation, die durch die Position der Plättchen definiert ist. So entspricht z.B. die Ausgangsstellung des Rätsels der i h 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Permutation π = 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 15 14 16 . Ziel des Spieles ist es nun, durch eine Folge von Transpositionen von dieser Permutation zur Identität (dem sortierten Zustand) zu kommen. Jeder Zug entspricht einer Transposition: Das freie Feld wird mit einem benachbarten Feld vertauscht, wobei immer nur einige wenige Transpositionen erlaubt sind, nämlich genau die, die einer Verschiebung des freien Feldes (Nr. 16) entsprechen. Die Tatsache, dass sich das freie Feld am Ende des Manövers wieder in der rechten unteren Ecke befinden soll hat zur Folge, dass insgesamt eine gerade Anzahl von Zügen notwendig ist. Dies sieht man folgendermaßen ein: Jeder Zug schiebt das freie Feld entweder nach links, nach rechts, nach oben oder nach unten. Wenn das freie Feld am Ende wieder da sein soll, wo es am Anfang war, muss es genau so viele Züge nach rechts gegeben haben, wie es Züge nach links gegeben hat, und es muss genau so viele Züge nach oben gegeben haben, wie es Züge nach unten gegeben hat, also insgesamt eine gerade Anzahl Züge. Wir bemerken, dass die Start-Permutation π nur genau einen Fehlstand hat. Also ist sign(π) = −1. Nun soll aber aus π durch Verknüpfung mit einer geraden Anzahl von Transpositionen (den Zügen) die Identität erzeugt werden. Dies ist nicht möglich, da die Identität das Vorzeichen 1 hat. 26 2.6 Nebenklassen Wir wenden uns nun wieder allgemeinen Gruppen zu. Wir werden in diesem Abschnitt noch weitere Stukturierungsmöglichkeiten für Gruppen kennen lernen. Insbesondere werden wir den in Abschnitt 2.3 bereits angedeuteten Satz beweisen, dass die Anzahl der Elemente einer Untergruppe immer ein Teiler der Anzahl der Elemente einer zugehörigen Obergruppe ist. Hierzu werden wir jedoch zunächst genau untersuchen, wie man durch eine Untergruppe eine Gruppe in mehrere disjunkte Teilmengen zerlegen kann. 2.6.1 Partitionen und Äquivalenzrelationen Bevor wir uns wieder konkreten Untersuchungen von Gruppen zuwenden, müssen wir (wieder einmal) etwas Grundlagenarbeit leisten und einige allgemeine mathematische Konzepte einführen. Dieser Abschnitt beschäftigt sich damit, wie man die Zerlegung einer Menge in in disjunkte Teilmengen formalisiert. Definition 2.7 Es sei M eine Menge, und M1 , . . . , Mn seien Teilmengen von M. (M1 , . . . , Mn ) heißt (endliche) Partition von M wenn gilt (i) Mi ∩ M j = {} für i 6= j. (ii) Mi ∪ . . . ∪ M j = M. Mit anderen Worten: Eine Partition ist eine Zerlegung von M in eine Familie von Teilmengen. Teil (i) der Definition stellt sicher, dass jedes Element von M in höchstens einer der Mengen Mi auftritt. Teil (ii) stellt sicher, dass jedes Element von M in mindestens einer der Mengen M i auftritt. Im Folgenden einige Beispiele für Partitionen: • Sei M die Menge aller Studenten/innen im Hörsaal. Sei M1 die Menge aller rothaarigen Studenten/innen, M2 die Menge aller braunhaarigen Studenten/innen, M3 die Menge aller schwarzhaarigen Studenten/innen, M4 die Menge aller blonden Studenten/innen, und M5 die Menge aller Studenten mit Glatze. Sofern keine weiteren Haarfarben auftreten und kein Student zwei Haarfarben hat, ist (M1 , M2 , M3 , M4 , M5 ) eine Partition von M • Sei M = N die Menge der natürlichen Zahlen, Es sei für i = 0, . . . , 4 die Menge M i := {n ∈ N|n mod 5 = i}. Dann ist (M0 , . . . , M4 ) Partition von M. Wir haben in unserer Definition die Zerlegung von M in eine nur endliche Anzahl von Teilmengen gestattet. Der Grund hierfür ist kein prinzipieller. Eine Zerlegung in unendlich viele Teilmengen ist mit unseren bisherigen “mathematiksprachlichen” Mitteln einfach technisch schwieriger auszudrücken. Darum wollen wir an dieser Stelle eine weitere Struktur einführen, welche mit einer vollkommen anderen Sprache im Prinzip das Gleiche ausdrückt, wie die Definition der Partitionen. Hierzu betrachten wir eine Relation a ∼ b auf M × M, die genau dann wahr sein soll, wenn die zwei Elemente a und b in der selben Teilmenge einer gegebenen Partition liegen. Wir können die wesentlichen Eigenschaften einer solchen Relation sogar ohne Rückgriff auf eine konkrete Partition definieren. Wir definieren: 27 Definition 2.8 Sei M eine Menge. Eine Relation ∼∈ M × M heißt Äquivalenzrelation, wenn sie für alle x, y, z ∈ M die folgenden drei Bedingungen erfüllt: (i) Reflexivität: x ∼ x. (ii) Symmetrie: x ∼ y ⇒ y ∼ x. (iii) Transitivität: x ∼ y und y ∼ z ⇒ x ∼ z. Wir zeigen nun, dass man aus einer Partition eine zugehörige Äquivalenzrelation ableiten kann12 . Satz 2.16 Sei P = (M1 , . . . , Mn ) eine Partition von M. Es sei eine Relation ∼P ∈ M × M definiert durch x ∼P y genau dann, wenn es ein i ∈ {1, . . . , n} gibt mit x ∈ Mi und y ∈ Mi . Dann ist ∼P eine Äquivalenzrelation. B EWEIS . Wir weisen die drei Eigenschaften aus Definition 2.8 nach. (i): Da M i ∪ . . . ∪ M j = M gibt es für jedes x ein Mi mit x ∈ Mi . Also gilt x ∼P x. (ii): Ist x ∼P y, so gibt es ein Mi mit x ∈ Mi und y ∈ Mi . Also gilt auch y ∼P x. (iii): Ist x ∼P y und y ∼P z, so gibt es eine Menge Mi mit x ∈ Mi und y ∈ Mi und es gibt eine Menge M j mit y ∈ M j und z ∈ M j . Da y ∈ Mi und y ∈ M j muss wegen Eigenschaft (ii) von Definition 2.7 gelten i = j. Somit liegen x und z beide in M i , und es gilt x ∼P z. Betrachten wir den Übergang von Partition zu Äquivalenzrelation am Beispiel der Menge M = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7} mit der Partition M1 = {1, 2, 3}, M2 = {4, 5, 6}, M3 = {7}. Die nachstehende Tabelle zeigt die Wertetabelle einer entsprechenden Äquivalenzrelation. Jeder “×”Eintrag bedeutet, dass x ∼ y für die entsprechende Zeile x und Spalte y wahr ist. ∼ 1 2 3 4 5 6 7 1 × × × 2 × × × 3 4 × × × × × × 5 6 × × × × × × 7 × Umgekehrt können wir jeder Äquivalenzrelation ∼ auf der Menge M auch eine zugehörige Partition von M zuordnen gemäß [a]∼ = {m ∈ M|a ∼ m}. Wegen a ∼ a (Reflexivität) gilt insbesondere a ∈ [a]∼ . Die Mengen [a]∼ mit a ∈ M bilden dann eine Partition von M. Wir erhalten hierbei (in Abhängigkeit von der Äquivalenzrelation ∼) sogar möglicherweise eine Partition in unendlich viele Teilmengen — ein Fall, der in unserer Definition 2.7 gar nicht abgedeckt war. Wir können zeigen: 12 Wir tun dies nur für endliche Partitionen, analoge Überlegungen sind aber auch für eine entsprechende Definition unendlicher Partitionen durchführbar. 28 Satz 2.17 Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf M. Dann gilt (i) Jedes m ∈ M liegt in mindestens einer Teilmenge der Form [a]∼ . (ii) Jedes m ∈ M liegt in höchstens einer Teilmenge der Form [a]∼ . B EWEIS . (i) ist klar wegen m ∈ [m]∼ (also Eigenschaft (i) aus Definition 2.8). Für (ii) zeigen wir zunächst durch Widerspruchsbeweis, dass es nicht sein kann, dass für a, b ∈ M die Menge [a]∼ echte Teilmenge von [b]∼ ist. Sei also [a]∼ ⊂ [b]∼ und m ∈ ([b]∼ − [a]∼ ). Es gilt also m ∼ b und m 6 in[a]∼ . Wegen a ∈ [a]∼ ⊂ [b]∼ gilt auch a ∼ b. Somit, wegen der Symmetrie der Äquivalenzrelation, gilt auch b ∼ a und somit, wegen der Transitivität, m ∼ a. Also m ∈ [a] ∼ . Widerspruch. Nun zeigen wir (ii) auch durch Widerspruchsbeweis. Angenommen es gibt ein m ∈ M mit m ∈ [a]∼ , m ∈ [b]∼ und [a]∼ 6= [b]∼ . Dann gibt es o.B.d.A. ein x ∈ [a]∼ mit x 6∈ [b]∼ , und es gibt, wegen unserer eben bewiesenen Teilmengen-Eigenschaft, ein y ∈ [b] ∼ mit y 6∈ [a]∼ . Also gilt x ∼ m und m ∼ y, und somit x ∼ y. Wegen x ∼ a folgt aus der Transitivität y ∼ a. Also y ∈ [a] ∼ . Widerspruch. Also gilt [a]∼ = [b]∼ . Der folgende Satz ist einfach, aber sehr wichtig. Jede beliebige Funktion f : D → W induziert eine Äquivalenzrelation auf D, wie der folgende Satz zeigt: Satz 2.18 Es sei f : D → W eine Funktion. Für a, b ∈ D definieren wir a ∼ f b, genau dann wenn f (a) = f (b). Die Relation a ∼ f b ist eine Äquivalenzrelation. B EWEIS . Wir führen die drei Eigenschaften von Definition 2.8 auf die entsprechenden Eigenschaften der Gleichheitsrelation zurück. (i) Reflexivität: Wegen f (a) = f (a) gilt natürlich a ∼ f a. (ii) Symmetrie: Es sei a ∼ f b also gilt f (a) = f (b). Wegen der Symmetrie des Gleichheitszeichens gilt f (b) = f (a) und somit b ∼ f a. (iii) Transitivität: Es gelte a ∼ f b und b ∼ f c. Somit gilt f (a) = f (b) = f (c) und wegen der Transitivität der Gleichheitsrelation f (a) = f (c), also a ∼ f c. 2.6.2 Nebenklassen Wir werden nun bestimmte, durch Untergruppen induzierte, Äquivalenzklassen auf den Elementen einer Gruppe G untersuchen: Definition 2.9 Sei (H, ◦) eine Untergruppe von (G, ◦). Und sei weiterhin a ∈ G. Wir definieren13 • a ◦ H := {a ◦ h|h ∈ H} heißt Linksnebenklasse von H. • H ◦ a := {h ◦ a|h ∈ H} heißt Rechtsnebenklasse von H. 13 Achtung, die Literatur ist in der Frage, was hier “Links” und was hier “Rechts” ist alles andere als einig. Es gibt einige Bücher, in denen die Definition genau umgekehrt ist. 29 Am Beispiel der Gruppe (S3 , ◦) wollen wir uns das Konzept verdeutlichen. Zur besseren Übersicht hier nochmals die Verknüpfungstafel: ◦ π0 π1 π2 π3 π4 π5 π0 π0 π1 π2 π3 π4 π5 π1 π1 π0 π4 π5 π2 π3 π2 π2 π5 π0 π4 π3 π1 π3 π3 π4 π5 π0 π1 π2 π4 π4 π3 π1 π2 π5 π0 π5 π5 π2 π3 π1 π0 π4 Es sei H = {π0 , π1 } (das ist, wie man leicht nachrechnet, eine Untergruppe). Die Linksnebenklassen ergeben sich zu: π0 ◦ {π0 , π1 } π1 ◦ {π0 , π1 } π2 ◦ {π0 , π1 } π3 ◦ {π0 , π1 } π4 ◦ {π0 , π1 } π5 ◦ {π0 , π1 } = = = = = = {π0 , π1 } {π1 , π0 } {π2 , π4 } {π3 , π5 } {π4 , π2 } {π5 , π3 } Wir sehen, dass es im Prinzip nur drei verschiedene Linksnebenklassnen gibt: {π 0 , π1 }, {π2 , π4 } und {π3 , π5 }. Entsprechend berechnet man die Rechtsnebenklassen zu: {π0 , π1 } ◦ π0 {π0 , π1 } ◦ π1 {π0 , π1 } ◦ π2 {π0 , π1 } ◦ π3 {π0 , π1 } ◦ π4 {π0 , π1 } ◦ π5 = = = = = = {π0 , π1 } {π1 , π0 } {π2 , π5 } {π3 , π4 } {π4 , π3 } {π5 , π2 } Auch hier gibt es nur drei prinzipiell verschiedene. Wir beobachten auch, dass nicht unbedingt a ◦ H = H ◦ a gelten muss. Wir haben z.B. π2 ◦ {π0 , π1 } = {π2 , π4 } 6= {π2 , π5 } = {π0 , π1 } ◦ π2 . Wir können weiterhin vermuten, dass mit a ∈ b ◦ H wohl auch a ◦ H = b ◦ H gilt. Wir werden im Folgenden zeigen, dass es sich bei den Nebenklassen tatsächlich um eine Partition von G handelt. Ebenso werden wir diverse Charakterisierungen der entsprechenden Äquivalenzrelation angeben. Satz 2.19 Es sei (H, ◦) eine Untergruppe der Gruppe (G, ◦) und a, b ∈ G. Die folgenden Aussagen sind gleichwertig: (i) a ◦ H = b ◦ H, (ii) b ∈ a ◦ H, (iii) a−1 ◦ b ∈ H, (iv) b−1 ◦ a ∈ H, 30 B EWEIS . (i)⇒(ii): Es sei a ◦ H = b ◦ H. Das heißt insbesondere, für jedes Element h a ∈ H gibt es ein Element hb ∈ H mit a ◦ ha = b ◦ hb . Verknüpft man beide Seiten von rechts mit h−1 b , erhält −1 −1 man a ◦ (ha ◦ hb ) = b. Da ha ◦ hb ∈ H, ist somit b ∈ a ◦ H. (ii)⇒(iii): Es sei b ∈ a ◦ H. Es gibt also ein ha ∈ H mit b = a◦ha . Linksverknüpfung mit a−1 ergibt. a−1 ◦b = ha ∈ H. (iii)⇔(iv): Ist klar, wegen (a−1 ◦ b)−1 = b−1 ◦ a. (iii) und (iv)⇒(i): Es sei b−1 ◦ a ∈ H und x ∈ a ◦ H. Es gibt also ein ha ∈ H mit x = a ◦ ha . Mit ha und b−1 ◦ a liegt auch hb := (b−1 ◦ a) ◦ ha in H, und es gilt x = a ◦ ha = b ◦ b−1 ◦ a ◦ ha = b ◦ hb ∈ b ◦ H. Also folgt aus (iv) die Eigenschaft a ◦ H ⊆ b ◦ H. Entsprechend folgt aus (iii) die Eigenschaft b◦H ⊆ a◦H. Beides zusammen impliziert (i). Ein entsprechender Satz gilt natürlich sinngemäß auch für die Rechtsnebenklassen. Wir definieren nun eine Äquivalenzrelation für die Linksnebenklassen gemäß Definition 2.10 Sei (H, ◦) eine Untergruppe der Gruppe (G, ◦). Wir setzen a ∼ LH b, genau dann wenn a ◦ H = b ◦ H. Der obere Index L soll dabei andeuten, dass sich die Relation von den Linksnebenklassen herleitet. Alle folgenden Aussagen gelten analog für die durch Rechtsnebenklassen induzierten Relationen ∼RH . Satz 2.20 Die durch ∼LH definierte Relation ist eine Äquivalenzrelation. B EWEIS . Wir definieren eine Abbildung f H : G → {a ◦ H|a ∈ G}, welche jedes Element gemäß a 7→ a ◦ H auf die zugehörige Linksnebenklasse abbildet. Die oben definierte Relation ∼ LH ist nun genau die zu fH gehörige in Satz 2.18 angegebene Relation ∼ fH und somit nach Satz 2.18. eine Äquivalenzrelation. Die wichtige Eigenschaft ist nun, dass die zu ∼LH gehörigen Äquivalenzklassen genau die Linksnebenklassen von H sind. Satz 2.21 Es sei a ∈ G und (H, ◦) Untergruppe von (G, ◦). Es gilt a ◦ H = {x | a ∼ LH x}. B EWEIS . Nach Definition 2.10 haben wir {x | a ∼LH x} = {x | a ◦ H = x ◦ H}. Die im Satz angegebene Gleichheit ist dann genau die Äquivalenz der Aussagen (i) und (ii) aus Satz 2.19. Das heißt, alle Linksnebenklassen sind untereinander disjunkt und deren Vereinigung ergibt G. Ferner gilt: Satz 2.22 Es sei a ∈ G und (H, ◦) eine endliche Untergruppe von (G, ◦). Dann gilt |a◦H| = |H|. B EWEIS . Die Abbildung τa : G → G definiert durch g 7→ a ◦ g ist wegen Satz 2.4 eine Bijektion. Durch diese wird jedes Element von H auf ein eindeutiges Element von a ◦ H abgebildet. Somit ist die Mächtigkeit von a ◦ H gleich der Mächtigkeit von H. Das heißt, dass im Falle einer endlichen Gruppe (G, ◦) die Linksnebenklassen von H eine disjunkte Zerlegung von G in Mengen der Mächtigkeit von H bilden. Hieraus erhalten wir sofort die Bestätigung unserer Beobachtung aus Abschnitt 2.5.1 über die Teilbarkeitseigenschaften der Elementanzahlen von Gruppen und Untergruppen. Folgerung 2.23 (Satz von Lagrange) Ist (H, ◦) Untergruppe einer endlichen Gruppe (G, ◦), so gilt |H| teilt |G|. 31 2.6.3 Normalteiler und Quotientengruppen Wir haben im letzen Abschnitt gesehen, dass die Rechts- und die Linksnebenklassen einer Untergruppe nicht unbedingt miteinander übereinstimmen müssen. Ist dies doch der Fall, so liegt ein Spezialfall vor, der eine gesonderte Betrachtung Wert ist. Definition 2.11 Es sei (H, ◦) Untergruppe einer Gruppe (G, ◦). (H, ◦) heißt Normalteiler von G wenn g ◦ H = H ◦ g für alle g ∈ G gilt. Insbesondere ist in einer kommutativen Gruppe jede Untergruppe Normalteiler. Das folgende Theorem gibt eine andere Charakterisierung der Normalteilereigenschaft: Satz 2.24 Es sei (H, ◦) Untergruppe einer Gruppe (G, ◦). Die folgenden Aussagen sind gleichwertig. (i) (H, ◦) ist Normalteiler, (ii) g ◦ h ◦ g−1 ∈ H für alle g ∈ G und h ∈ H. B EWEIS . (i)⇐(ii): Es sei (H, ◦) Normalteiler von (G, ◦), g ∈ G und h ∈ H. Wir haben g ◦ h ∈ g ◦ H. Wegen der Normalteilereigenschaft gibt es ein h0 ∈ H mit g ◦ h = h0 ◦ g. Durch Rechtsverknüpfung mit g−1 erhält man g ◦ h ◦ g−1 = h0 ∈ H. (ii)⇐(i): Es gelte die Aussage von (ii) und es sei g ∈ G. Wir zeigen zunächst, dass aus a ∈ g ◦ H auch a ∈ H ◦ g folgt. Sei also a = g ◦ h für ein geeignetes h ∈ H. Somit gilt wegen (ii) h0 := a ◦ g−1 = g ◦ h ◦ g−1 ∈ H. Also a = h0 ◦ g ∈ H ◦ g. Dass aus a ∈ H ◦ g auch a ∈ g ◦ H folgt, zeigt man analog. Ist eine Untergruppe ein Normalteiler, so braucht man insbesondere nicht mehr zwischen Rechts- und Linksnebenklassen zu unterscheiden, da diese ohnehin identisch sind. In der Gruppe (S3 , ◦) ist z.B. die Untergruppe ({π0 , π4 , π5 }, ◦) ein Normalteiler. Sie hat die Nebenklassen {π0 , π4 , π5 } und {π1 , π2 , π3 }, wie man leicht nachrechnet. Ist H ein Normalteiler, so können wir ungeachtet von Links- und Rechtsnebenklassen von der durch (H, ◦) induzierten Äquivalenzrelation sprechen. Definition 2.12 Es sei (H, ◦) ein Normalteiler von (G, ◦) und a, b ∈ G. Die Relation ∼ H sei durch a ∼H b genau dann wenn a ◦ H = b ◦ H definiert. Die zugehörigen Äquivalenzklassen schreiben wir abkürzend [a]H := a ◦ H. Der Hauptgrund, warum man sich mit Normalteilern und Nebenklassen beschäftigt, ist in folgender Tatsache zu sehen, welche uns auf der Menge der Nebenklassen wieder eine Gruppenoperation definiert. Für zwei Teilmengen A und B von G setzen wir hierzu A ◦ B = {a ◦ b|a ∈ A, b ∈ B}. Definition und Satz 2.25 Es sei (H, ◦) ein Normalteiler von (G, ◦) und a, b ∈ G. Wir setzen G/H := {[a]H |a ∈ G}. Die Operation ◦ ist auf G/H abgeschlossen und (G/H, ◦) ist eine Gruppe. G/H heißt die Quotientengruppe von G nach H. 32 B EWEIS . Wir müssen zeigen, dass das Produkt zweier Nebenklassen [a] H ◦ [b]H wieder eine Nebenklasse ist. Unter Ausnutzung der Normalteilereigenschaft erhalten wir [a] H ◦ [b]H = (a ◦ H) ◦ (b ◦ H) = a ◦ (H ◦ b) ◦ H = a ◦ (b ◦ H) ◦ H = (a ◦ b) ◦ (H ◦ H) = (a ◦ b) ◦ H. Wir haben also zusammenfassend [a]H ◦ [b]H = [a ◦ b]H , was zeigt, dass diese Menge wieder eine Nebenklasse ist. Die Gruppeneigenschaften “vererben” sich nun mittels dieser Formel aus den Gruppeneigenschaften von G wie folgt: Das neutrale Element von (G/H, ◦) ist [e]H = e ◦ H = H, wegen [a]H ◦ [e]H = [a ◦ e]H = [a]H . Das Inverse von [a]H ist [a−1 ]H , wegen [a]H ◦ [a−1 ]H = [a ◦ a−1 ]H = [e]H . Die Assoziativität gilt wegen ([a]H ◦ [b]H ) ◦ [c]H = [(a ◦ b) ◦ c]H = [a ◦ (b ◦ c)]H = [a]H ◦ ([b]H ◦ [c]H ). Das Erstaunliche am obigen Satz ist, dass man wegen [a]H ◦ [b]H = [a ◦ b]H praktisch mit Nebenklassen “repräsentantenweise” rechnen kann. Um zwei Nebenklassen A und B aus G/H zu verknüpfen, kann man beliebige Repräsentanten a ∈ A und b ∈ B hernehmen und erhält die Nebenklasse A ◦ B als [a ◦ b]H . An einem konkreten Beispiel soll dieser Sachverhalt verdeutlicht werden. Wir betrachten die Untergruppe (5Z, +) von (Z, +) mit der üblichen Konvention 5Z = {. . ., −15, −10, −5, 0, 5, 10, 15, . . .}. Da (Z, +) kommutativ ist, ist (5Z, +) ein Normalteiler. Wir erhalten insgesamt fünf Nebenklassen: Z: 0 + 5Z : 1 + 5Z : 2 + 5Z : 3 + 5Z : 4 + 5Z : . . . −5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 . . . . . . −5 0 5 10 ... ... −4 1 6 11 ... ... −3 2 7 12 ... ... −2 3 8 13 . . . ... −1 4 9 ... Es gilt 5 + 5Z = 0 + 5Z, und allgemein gilt a + 5Z = b + 5Z, genau dann wenn a mod 5 = b mod 5 ist. Die Summe zweier Nebenklassen ergibt sich nun z.B. als (2 + 5Z) + (1 + 5Z) = (3 + 5Z). Egal welche Elemente wir aus 2 + 5Z und 1 + 5Z hernehmen, wenn wir sie addieren, erhalten wir immer ein Element aus 3 + 5Z (z.B (−3) + 11 = 8 oder 7 + (−4) = 3). Insgesamt verhält sich die Addition auf der fünf-elementigen Gruppe (Z/5Z, ◦) vollkommen analog wie die Addition in unserer Modulo-Gruppe (Z5 , ⊕5 ). Herzuleiten, dass dahinter ein allgemeiner Zusammenhang besteht, ist Ziel der nächsten beiden Abschnitte. 2.7 Homomorphismen Um die Struktur der Gruppen (Z/5Z, ◦) und (Z5 , ⊕5 ) vergleichen zu können, müssen wir uns zunächst einmal mit strukturerhaltenden Abbildungen zwischen Gruppen, so genannten Homomorphismen, befassen. Definition 2.13 Es seien (G, ◦) und (H, •) Gruppen und f : G → H eine Abbildung. f heißt Homomorphismus, falls für alle a, b ∈ G die Beziehung f (a ◦ b) = f (a) • f (b) gilt. Ist f zusätzlich bijektiv, so heißt f ein Isomorphismus. Im letzteren Fall nennt man die beiden Gruppen isomorph. 33 Sind zwei Gruppen isomorph, so sind sie im Prinzip vollkommen strukturgleich und können praktisch durch Umbenennung der Elemente ineinander überführt werden 14 . Elementare Eigenschaften von Homomorphismen sind im folgenden Satz zusammengefasst: Satz 2.26 Es seinen (G, ◦) und (H, •) Gruppen mit neutralen Elementen e G und eH und sei f : G → H ein Homomorphismus. Es gilt (i) f (eG ) = eH , (ii) f (a−1 ) = f (a)−1 . B EWEIS . Sei a ∈ G beliebig. Es gilt f (a) = f (a ◦ eG ) = f (a) • f (eG ). Also muss f (eG ) = eH sein. Weiterhin gilt f (a) • f (a−1 ) = f (a ◦ a−1 ) = f (eG ) = eH . Also gilt f (a)−1 = f (a−1 ). Von besonderem Interesse sind die folgenden beiden Mengen, welche eng mit einem Homomorphismus verbunden sind. Definition 2.14 Es seien (G, ◦) und (H, •) Gruppen, und es sei f : G → H ein Homomorphismus. Wir definieren Bild( f ) = { f (g) | g ∈ G} und Kern( f ) = {g ∈ G | f (g) = e H }. Die Menge Bild( f ) ⊆ H ist also alles, was man durch Abbilden eines Elementes aus G erreichen kann, dies muss bei Weiten nicht ganz H sein. Die Menge Kern( f ) ⊆ G besteht aus allen Elemente, die auf das neutrale Element von H abgebildet werden. Die Zusammenhänge zwischen f , Kern( f ) und Bild( f ) sind im folgenden Bild schematisch dargestellt: f G H Kern( f ) Bild( f ) eG eH Satz 2.27 Es seien (G, ◦) und (H, •) Gruppen und es sei f : G → H ein Homomorphismus. (Bild( f ), •) ist eine Untergruppe von H. (Kern( f ), ◦) ist eine Untergruppe von G. sind die Gruppen (R, +) und (R+ , ·) isomorph. Ein möglicher Isomorphismus ist durch die Bijektion f : R → R+ ; f (x) = 2x gegeben, wie man durch f (a + b) = 2a+b = 2a · 2b = f (a) · f (b) leicht nachrechnet. 14 Beispielsweise 34 B EWEIS . Wegen f (eG ) = eH gilt eG ∈ Kern( f ) und eH ∈ Bild( f ). Somit sind beide Mengen schon einmal nicht leer. Kern( f ) ist bezüglich ◦ abgeschlossen, denn aus f (a) = f (b) = e H folgt f (a ◦ b) = f (a) ◦ f (b) = eH . Bild( f ) ist bezüglich • abgeschlossen, denn f (a) • f (b) = f (a ◦ b). Wegen f (a−1 ) = f (a)−1 , liegt mit a ∈ Kern( f ) auch a−1 ∈ Kern( f ). Ebenso liegt wegen f (a−1 ) = f (a)−1 , mit f (a) ∈ Bild( f ) auch f (a)−1 ∈ Bild( f ). Nach Satz 2.7 sind (Kern( f ), ◦) und (Bild( f ), •) somit Untergruppen. Als kleine “Fingerübung” mit Homomophismen wollen wir zeigen, dass jede endliche Gruppe zu einer geeigneten Untergruppe der Sn (n genügend groß) isomorph ist. Satz 2.28 Es sei (G, •) eine endliche Gruppe mit n Elementen. Dann gibt es eine Untergruppe der (Sn , ◦), welche zu (G, •) isomorph ist. B EWEIS . O.B.d.A. können wir davon ausgehen, dass G = {1, 2, 3, . . . , n} = E n ist. Wir ordnen einem Element g ∈ G die Permutation πg : En → En zu, die durch πg (i) = g • i für i ∈ En definiert ist. Es sei f : G → Sn ; g 7→ πg die Abbildung, welchen jedem Element g die zugehörige Permutation πg zuordnet. Wir zeigen, f ist ein Homomorphismus. Hierzu müssen wir zeigen, dass für a, b ∈ G gilt f (a • b) = f (a) ◦ f (b). Wir tun dies, indem wir zeigen, dass die Wirkung der Permutationen f (a • b) und f (a) ◦ f (b) auf Elemente von En identisch ist. Sei also i ∈ En . Wir haben ( f (a) ◦ f (b))(i) = f (a)( f (b)(i))) = f (a)(b • i) = a • (b • i) = (a • b) • i = f (a • b)(i). Weiterhin ist f injektiv, da keine unterschiedlichen zwei Elemente a, b ∈ G auf die selben Permutationen abgebildet werden. Somit induziert f einen Isomorphismus von G und Bild( f ). (Bild( f ), ◦) ist die gesuchte Untergruppe der Sn . Wir können sogar noch eine viel stärkere Eigenschaft als “nur” die Untergruppeneigenschaft für Kern( f ). Satz 2.29 Es seien (G, ◦) und (H, •) Gruppen, und es sei f : G → H ein Homomorphismus. Dann ist (Kern( f ), ◦) ein Normalteiler von G. B EWEIS . Nach Satz 2.24 reicht es aus, zu zeigen, dass für beliebige g ∈ G und h ∈ Kern( f ) automatisch g ◦ h ◦ g−1 ∈ Kern( f ) gilt. Wir erhalten f (g ◦ h ◦ g−1 ) = f (g) • f (h) • f (g−1) = f (g) • eH • f (g)−1 = eH . Also g ◦ h ◦ g−1 ∈ Kern( f ). 2.8 Der Isomorphiesatz Als abschließendes “theoretisches Highlight” unserer Betrachtungen über Gruppentheorie wollen wir zeigen, dass nach Vorgabe eines Gruppenhomomorphismus f : G → H ein sehr enger Zusammenhang von G, Kern( f ) und Bild( f ) besteht. 35 Satz 2.30 (Isomorphiesatz für Gruppen) Es seien (G, ◦) und (H, •) Gruppen und es sei f : G → H ein Homomorphismus. Dann ist (Bild( f ), •) isomorph zur Quotientengruppe (G/Kern( f ), ◦). B EWEIS . Wir geben den Isomorphismus der beiden Gruppen direkt an. Jedes Element aus (G/Kern( f ), ◦) ist eine Nebenklasse [g] f := g ◦ Kern( f ) mit g ∈ G. Unter f wird jedes Element a = g ◦ h ∈ g ◦ Kern( f ) mit h ∈ [g] f nach f (a) = f (g ◦ h) = f (g) • f (h) = f (g) • eH = f (g) abgebildet. Somit ist die folgende Abbildung wohldefiniert: φ: G/Kern( f ) → Bild( f ) [g] f 7→ f (g) Die Abbildung φ ist der gesuchte Isomorphismus, wie wir nun zeigen: Erstens ist φ bijektiv, da die Elemente von G/Kern( f ) genau den Urbildern f −1 (x) := {g ∈ G| f (g) = x} entsprechen. Zweitens ist φ ein Gruppenhomomorphismus wegen φ([a] f ◦ [b] f ) = = = = φ([a ◦ b] f ) f (a ◦ b) f (a) • f (b) φ([a] f ) • φ([b] f ). Wir wollen uns diesen Satz an zwei Beispielen verdeutlichen. Im ersten Beispiel betrachten wir den Homomorphismus f : Z12 → Z4 ; a 7→ (a mod 4) von (Z12 , ⊕12 ) nach (Z4 , ⊕4 ). f hat die folgende Wertetabelle 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 a f (a) 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 Kern( f ) = {0, 4, 8}, Bild( f ) = Z4 und G/Kern( f ) besteht aus den vier Nebenklassen [0] f = {0, 4, 8}, [1] f = {1, 5, 9}, [2] f = {2, 6, 10}, [3] f = {3, 7, 11}, Der Isomorphismus φ, den wir im Beweis konstruiert haben, bildet diese Nebenklassen gemäß φ([0] f ) = 0, φ([1] f ) = 1, φ([2] f ) = 2, φ([3] f ) = 3 ab. Die Additionsoperation (modulo 12) auf den Nebenklassen ist isomorph zu der Addition in der Gruppe (Z4 , ⊕4 ). Als weiteres Beispiel wollen wir nochmals das am Ende von Abschnitt 2.6 gegebene Beispiel der Gruppe Z/5Z ansehen. Betrachten wir die Abbildung f : Z → Z 5 ; a 7→ (a mod 5). Diese ist ein Gruppenhomomorphismus von (Z, +) nach (Z5 , ⊕5 ) mit Kern( f ) = 5Z und Bild( f ) = Z5 . Nach dem Isomorphiesatz ist Z/5Z isomorph zu (Z5 , ⊕5 ). Dies erklärt unsere Beobachtung von Abschnitt 2.6. Allgemein ist das Rechnen mit Nebenklassen Z/pZ vollkommen gleichwertig zum Rechnen in (Z p , ⊕ p ). 36