Mathematik Das Fünfzehn-Puzzle Matthias Richter 27. Februar 2011 1 Das Rätsel Das Fünfzehn-Puzzle ist ein Schiebepuzzle auf dem in vier Reihen und vier Spalten sich 15 gleichgroße Quadrate mit 1 bis 15 durchnummeriert befinden. Dabei sind die Quadrate mit den Aufschriften 14 und 15 vertauscht. (a) Ausgangsstellung (b) Endstellung Abbildung 1: Das Fünfzehn-Puzzle Rätsel – Bilder aus http://de.wikipedia.org/wiki/15-Puzzle Ziel des Spiel ist es die Quadrate durch verschieben in die korrekte Reihenfolge zu bringen. 2 Geschichte Das Spiel tauchte erstmals in den 1870er Jahren in den USA auf und erlangte sehr rasch große Popularität, welche allerdings auch gesellschaftliche Auswirkungen hatte: Die Angestellten von Büros und Geschäften wurden zum großen Ärger ihrer Vorgesetzten während ” der Arbeits- und Öffnungszeiten vollständig von dem Spiel gefangen genommen“[San10, S. 10] Im Jahre 1880 wurde sogar ein Preisgeld von 1.000 Dollar für die erste korrekte Lösung des Rätsels ausgeschrieben. Damit wurde eine regelrechte Fünfzehn-Puzzle-Manie ausgelöst: 1 Man erzählte sich lustige Geschichten von Ladenbesitzern, die über dem Spiel vergaßen, ihr ” Geschäft zu öffnen, von pflichtbewussten Beamten, die die Nacht über unter einer Straßenlaterne standen und das Problem zu lösen versuchten. [...] Es hieß, dass Seeleute ihre Schiffe auf Grund laufen ließen, Lokführer ihre Züge an Bahnhöfen nicht anhielten und Landwirte das Pflügen vernachlässigten.“ [San10, S. 11] 3 Unlösbarkeit Auch so sehr sich nicht nur Ladenbesitzer, Beamte, Seeleute, Lokführer und Landwirte bemühten konnte niemand das Preisgeld gewinnen. 3.1 Anzahl der Anordnungen Es gibt 15 beschriftete und ein leeres Quadrat. Für das erste Quadrat gibt es 16 verschiedene Möglichkeiten, dann bleiben 15 verschiedene für das zweite Quadrat, 14 verschiedene für das dritte, usf. Daher gibt es insgesamt 16! = 16 · 15 · 14 · ... · 2 · 1 = 20.922.789.888.000 Fast 21 Billion Anordnungen. 3.2 Permutation In der Mathematik nennt man eine Anordnung von Elementen einer Menge (hier die Zahlen 1 bis 16, wenn man das leere Quadrat mit 16 bezeichnet) als Permutation. Genauer Definition 1 Eine bijektive Abbildung einer endlichen Menge X in sich, wird eine Permutation von X genannt. Wir werden voraussetzen, dass X mindestens zwei Elemente hat. Üblicherweise schreibt man Permutation in Matritzenschreibweise. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Ausgangpermutation: S = 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 15 14 16 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Endpermutation: E = 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 15 15 16 In diesem Beispiel ist die obere Zeile die 16 Felder des Puzzles (beginnend von links nach rechts und von oben nach unten) 1 5 9 13 2 6 10 14 3 7 11 15 4 8 12 16 und in der unteren Zeile steht welches Quadrat sich in dem jeweiligen Feld befindet. Definition 2 1 2 ... i ... k ... m ∈ σm . Dann heißt jedes Paar (i, k) mit π(1) π(2) . . . π(i) . . . π(k) . . . π(m) i < k aber π(i) > π(k) ein sogenannter Fehlstand von π. Die Anzahl der Fehlstände F (π) von π heißt Fehlstandszahl von π. Es sei π = Beispiel : 1 4 2 2 3 1 4 3 hat die Fehlstände (1, 2), (1, 3), (1, 4), (2, 3), also F (π) = 4. 2 Definition 3 Eine Permutation heißt gerade, wenn die Anzahl der ihrer Fehlstände gerade ist, und sie heißt ungerade, wenn die Anzahl ihrer Fehlstände ungerade ist. Die Ausgangspermutation hat genau einen Fehlstand (nämlich die Vertauschung der Quadrate 14 und 15), ist also ungerade. Die Endpermutation dagegen hat keinen Fehlstand, d. h. die Endpermutation ist gerade. Beispiel : Permutation 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 3 2 1 2 3 2 1 3 1 2 3 2 3 1 1 2 3 3 1 2 1 2 3 3 2 1 Anzahl der Fehlstände Klassifizierung 0 gerade 1 ungerade 1 ungerade 2 gerade 2 gerade 3 ungerade Wird ein Quadrat vertauscht, so ändern sich die Position von zwei Quadrate. Man nennt so eine Vertauschung eine Transposition. Satz 1 Durch eine einzelne Transposition ändert sich die Fehlstandszahl immer um eine ungerade Zahl, d. h. aus einer geraden (ungeraden) Permutation wird eine ungerade (gerade). Beweis : Sei π eine Permutation. Tausche π(i) und π(k), wobei i < k. Dann ändert sich die Stellung von π(i) und π(k) • gegeneinander ⇒ 1 Fehlstand wird hergestellt oder aufgehoben • weiter nur gegen solche Zahlen π(r) die zwischen ihnen stehen ⇒ Für jede solche Zahl werden: ∗ wenn vorher π(i) > π(r) > π(k) genau zwei Fehlstände aufgehoben ∗ wenn vorher π(i) < π(r) < π(k) genau zwei Fehlstände werden hergestellt Also wird durch die Vertauschung im ganzen eine ungerade Anzahl von Fehlständen hergestellt oder aufgehoben. Damit folgt unmittelbar: Lemma 1 1. Durch eine ungerade (gerade) Anzahl von Transpositionen ändert sich die Fehlstandszahl immer um eine ungerade (gerade) Zahl. 2. Da die identische Permutation eine gerade Permutation ist, lassen sich alle geraden (ungeraden) Permutationen durch eine gerade (ungerade) Anzahl von Transpositionen aus ihr erzeugen. 3 3.3 Beweis Sowohl im Anfangs- als auch in der Endstellung steht das leere Quadrat rechts unten, d. h. im Feld 16. Lemma 2 Um die Permutation von der Anfangs- in die Endstellung zu überführen ist eine gerade Anzahl an Transpositionen notwendig. Beweis : Damit das leere Quadrat am Ende wieder an der Anfangsposition befindet muss es genauso oft nach oben, wie nach unten bewegt werden. Angenommen es wurde m mal nach links bewegt, dann muss es auch m mal nach rechts verschoben werden, also insgesamt 2m mal, also eine gerade Anzahl. Analoges gilt für Verschiebung in vertikaler Richtung, d. h. n-mal nach oben und n-mal nach unten, somit 2n Verschiebungen. Also insgesamt 2m + 2n = 2 · (n + m) Verschiebungen, d. h. eine gerade Anzahl. Satz 2 Das Fünfzehn-Puzzle ist unlösbar. Beweis : Das Puzzle benötigt nach Lemma 2 eine gerade Anzahl an Verschiebungen (Transpositionen). Allerdings ändert sich bei einer geraden Anzahl von Transpositionen die Fehlstandszahl nicht. Da die Ausgangspermutation ungerade ist, bleibt die Permutation nach einer geraden Anzahl von Transposition ungerade und damit kann nach Lemma 1 niemals die Endpermutation erreicht werden. Literatur [Bor05] Borneleit, Peter: Grundbegriffe der Mathematik/Lineare Algebra. Vorlesung an der Universität Leipzig. WS 2005/06 [San10] Sangalli, Arturo: Pythagoras’ Rache. Ein mathematischer Thriller. Spektrum Akademischer Verlag. 2010 4