Das Journal Nr. 09 // September, Oktober, November 2013 Die Staatstheater Stuttgart // September, Oktober, November 2013 // Nr. 09 Das Journal Inhalt Das Journal September/Oktober/November 2013 Nach drei Jahren Umbau und mehreren Anläufen ist es nun endlich soweit: Der Zuschauerraum des Schauspielhauses strahlt mit mehr als 17 000 LED-Leuchten und neuer Bestuhlung zu seiner Wiedereröffnung mit Beginn der Spielzeit 2013/14. (Foto: Matthias Dreher) 01. Hubschrauber und Vogelzwitschern // SEITE 5 Die Tonabteilungen der Staatstheater Stuttgart 02. Stuttgarter Ballett on tour // SEITE 8 Sadler’s Wells Theatre London 03. Albert Dohmen // SEITE 10 Der Bassbariton über das Geheimnis von Berlusconi und Falstaff 04. Shakespeare vertanzt // SEITE 12 John Crankos Der Widerspenstigen Zähmung und John Neumeiers Othello 05. Raum und Religion // SEITE 14 Zwei Schwerpunkte im Opern- und Konzertprogramm 2013/14 06. Wegbereiter des Tanzes // SEITE 16 Ballettabend FORT //SCHRITT //MACHER 07. Helden-Geschichten // SEITE 18 Der Opern-Herbst mit vier Inszenierungen von Andrea Moses 08. Eine Reise wegwohin // SEITE 20 Schauspiel Stuttgart: Das Erscheinungsbild Plus 10 Fragen an … // SEITE 26 Cornelius Feil, verantwortlich für die Übertitel an der Oper Stuttgart Karten und Informationen 0711.20 20 90 // www.staatstheater-stuttgart.de 01. Hubschrauber und Vogelzwitschern Vorwort Die Tonabteilungen der Staatstheater Stuttgart Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebes Publikum der Staatstheater Stuttgart! rarischen Vorlage von William Shakespeare wieder auf dem sanierte Schauspielhaus bereits jetzt ist. Und wir werden selbstSpielplan. Außerdem zwei spannende Ballettabende verständlich auf dem feiern gewohnten künstlerischen Niveau fürPreSie miere: Made Germany spielen. Dazuinfühlen wir und uns FORT//SCHRITT//MACHER. Ihnen und uns verpflichtet. Wir Vor dem großen desneuen Schauspiel Stutthoffen, dass auchEröffnungswochenende Sie neugierig sind auf die Schauspielgart Ballettaufführungen mit sechs Premieren im an neu einem Wochenende (25. – 27. Okund gestalteten Schauspielhaus. tober) lernen Sie an demSie Begrüßungsabend Hello! LookAbende at me! Und natürlich erwarten auch weiterhin spannende amOpernhaus, 29. September die neuen Ensemblemitglieder kennen: jede im Kammertheater und NORD. Schauspielerin, jeden Schauspieler – Staatstheater einzeln, nacheinander für Wir freuen uns auf Sie! Die Stuttgart jeweils fünf Minuten. Alle bringen Ihnen in Form einer kleinen Performance etwas ganz Besonderes mit. Erlaubt ist, was gefällt! Der Eintritt ist frei. Wir freuen uns auf Sie! Die Staatstheater Stuttgart Tontechniker Christoph Rensch-Kirschfink in der Tonregie im Parkett des Opernhauses. Im Hintergrund das Bühnenbild des Balletts Krabat. Der Boden bebt TON IST UNSICHTBAR: eine profane Aussage, die im Theater jedoch eine vielschichtige Foto: Martin Sigmund Offene TürenZeiten und volles heißt es vor wieder SeptemAufregende liegenProgramm hinter, spannende uns.ab Das Schauber. diesjährigen Saisonauftakt erwartet Sie vor spielZum ist aus der Interimsspielstätte Türlenstraße an bereits den Eckenden ersten Premieren einanderthalb vielfältiger Jahren Spielplan: see zurückgekehrt. Nach Sanierung wird sich Der und das Staatsorchester Stuttgart laden MitteStaatsopernchor Februar erstmalig wieder der Vorhang im Schauspielhaus Sie zum (15. September) insMängeln, Opernhaus heben. EsChor&OrchesterTag wird allerdings auf Grund von baulichen die ein, um verlängerten neben zahlreichen anderen behoben Programmpunkten und in einer Sommerpause werden sollen, Aktionen mit Ihnen gemeinsam in einemsein. Publikumskonzert zu vorerst der Rückzug in ein Provisorium Gleichwohl wermusizieren (www.oper-stuttgart.de/auftakt2013). Die Opernden Sie bei Ihrem Theaterbesuch erleben, wie fantastisch das saison startet schon wenig später mit drei großen Produktionen: La Cenerentola, Don Giovanni und Der Schaum der Tage. Für ein tolles Wiedersehen zum Spielzeitbeginn sorgt das Stuttgarter Ballett: ab 25. September steht John Crankos legendäre Ballettkomödie Der Widerspenstigen Zähmung nach der lite- Bedeutung hat. »Immer wieder passiert es mir«, so sagt Dieter Fenchel, Leiter der Tonabteilung Oper und Ballett, »dass ich Erstaunen ernte, wenn ich meinen Beruf nenne: ›Wozu braucht man in der Oper eine Tonabteilung? Da spielt doch das Orchester‹, ist oft die Reaktion.« Und zählt sein Kollege im Schauspielhaus, Frank Bürger, Tonchef in Stuttgart seit 2005, die Zuständigkeiten auf, schlägt das Erstaunen um in Bewunderung ob der weitreichenden Aufgaben. Einige davon sind essenziell für das Funktionieren von Theater überhaupt. Zwei Tonmeister stellen sich vor: Frank Bürger leitet seit 2005 die Tonabteilung im Schauspielhaus, nachdem er die gleiche Position zuvor in Heilbronn bekleidete. Dieter Fenchel arbeitet nach einigen Jahren in Hamburg seit 1992 in Stuttgart im Opernhaus, seit 2000 als Abteilungsleiter. Beide Häuser haben eine je eigene Tonabteilung, zu der seit 2008 auch die Videotechnik gehört. Im Schauspiel betreuen acht, dazu drei in der Studiobühne Nord, in Oper und Ballett dreizehn Mitarbeiter den Proben- und Vorstellungsbetrieb, zwei im Kammertheater kommen hinzu. Alle sind Experten für originelle technische Lösungen, ob es sich um tönende Objekte, psychedelische Klänge aus dem Untergrund, Naturkatastrophen oder Höhenchöre handelt. Szenenwechsel zum Ballett, Krabat – Szene in der Mühle: Um den Zuhörer im Opernhaus herum knirscht und scheppert, rappelt und dröhnt es, mal erscheint das Mahlen hier, mal das Rasseln dort näher, als würde man in einem Mühlenraum umhergehen. Dieter Fenchel gewährt den Blick in die (Ton-)Werkstatt: »Wir haben die Mäulesmühle, eine Getreidemühle mit Wasserantrieb, wie ein Orchester aufgenommen, als Surroundaufnahme eines Klangkörpers in einem eindeu- Das Journal September /Oktober /November 2013 tigen Raum. In mehreren Mahlgängen wird die Wasserkraft über Stahlwelle, Antriebsräder und Lederbänder auf eine Vielzahl von mechanischen Werken übertragen. Diese sind die Instrumente, aus denen sich das Mühlen-Orchester formt. Es gab ein Surroundmikrofon für Gesamtklang und räumliche Abbildung. Elf Stützmikrofone wurden nahe an einem ›Instrument‹ platziert, um es besonders herauszuheben. In der Beschallung konnten wir dann die Perspektive ändern oder in den Klang hineinzoomen.« Experten für originelle Lösungen, ob es sich um tönende Objekte, psychedelische Klänge, Naturkatastrophen oder Höhenchöre handelt Gewitter, Kriegsszenerie, Gewehrschüsse, Autolärm, Regen oder Vogelzwitschern: Geräuscheffekte sind die deutlich wahrnehmbaren Resultate der Arbeit der Tonleute auf der Bühne. Was in früheren Zeiten mit Donnerblechen und allerlei Instrumentarium erzeugt wurde, wird heute mit den schier unendlich scheinenden Möglichkeiten der digitalen Audiotechnik gestaltet. Die akustische Seite einer Inszenierung wird von den Tonleuten nach den Anforderungen des jeweiligen Produktionsteams oder gemäß der Szenenangaben des Komponisten mit gestaltet, dabei ist die Arbeit in den drei Sparten naturgemäß verschieden. Im Schauspiel gibt es keine fertige musikalische Partitur, eine Audiogestaltung wird im Lauf der Produktion entwickelt. Frank Bürger: »Es gibt ganz unterschiedliche Ansätze, eine Musik zu einem Schauspiel zu schreiben. Einige Komponisten arbeiten eher in der psychoakustischen Ebene und gestalten ganz subtile Klangwelten. Diese untermalen manchmal fast einen ganzen Abend, sind aber oft kaum wahrnehmbar. Dann gibt es den Einsatz von festen musikalischen Formen wie Songs oder Liedern, etwa im Kinderstück. Andere Komponisten machen sehr konkrete Musik oder schaffen massive Klangwelten, zum Beispiel für einen Umbau oder Szenenwechsel. So gibt es bei Sebastian Baumgarten die Kombination aus geräuschhaften Flächen im Hintergrund und ganz konkreten Musiken, dies gekoppelt mit sehr viel Video und großen visuellen Eindrücken. Mittlerweile wirken in fast jeder Produktion Komponisten mit, oft auch selbst live an Instrumenten oder am Computer. Wir setzen diese Klangvorstellung für den großen Raum um, bringen sie vom Studio auf die Bühne, machen Aufnahmen von Playbacks, verstärken Instrumente auf der Bühne und vieles mehr. Das Spektrum ist enorm und in jeder Produktion verschieden. Wenn etwa eine Kapelle auf der Drehbühne spielt, muss dies anders klingen, als wenn sie am Bühnenrand steht. Sehr häufig gibt es Mikroportverstärkung. Stefan Kimmigs Stallerhof war das Beispiel einer intimen Sprechweise, die auch im Saal trägt; ein sehr starkes stilistisches Mittel.« 5 01. 1 2 3 4 01. 5 Wenn Dieter Fenchel die Arbeit im Opernhaus erläutert, geht es zunächst jedoch um eine andere, ganz grundlegende Funktion. Die Tonabteilung ist sozusagen die Schaltzentrale für die interne Kommunikation, und dies sowohl auf der Bühne für Proben oder Aufführungen, als auch im ganzen Haus. Mit Inspiziententechnik, Hausrufanlage und dem Monitoring in einer Bühnenproduktion müssen die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Informationen zeitgleich weitergegeben werden. Wer einmal die Arbeit eines Inspizienten gesehen hat, der wie ein Pilot die Vorstellung steuert und Signale an alle Beteiligten gibt, kann sich vorstellen, dass die Technik das absolut fehlerfrei gewährleisten muss. Hinzu kommt in jeder Aufführung die Verständigung auf der Bühne. »Es geht darum,« so Dieter Fenchel ganz lapidar, »dass jeder den anderen gut hört und jeder den Dirigenten sieht. Das ist es, was alles zusammenhält, und die Grundbedingung für jede Aufführung, jenseits von allem künstlerischen Gestalten. Musizieren wäre nicht möglich ohne diese Gleichzeitigkeit.« Wenn Tänzer in der Tiefe der Bühne agieren, der Chor hinter der Szene oder auch nur ein Sänger mit Blickrichtung zur Seite singt, müssen Dirigentenbild und Orchesterklang ohne Verzögerung zu den Akteuren gebracht werden. Jedes Bühnenbild ist bestückt mit Videomonitoren und Mithörlautsprechern, die zeitgleich auf der Bühne übertragen, was im Orchestergraben geschieht. In Anna Viebrocks Bühnenbild für Die Nachtwandlerin ist jeder der großen Schränke der tiefen, hallenartigen Gastwirtschaft an der Rückseite oder innen mit Monitoren ausgestattet, so dass Chor und Solisten den Dirigenten sehen können, zudem wird das Orchester übertragen. Ton ist unsichtbar: Hier bedeutet dies, in jedem Bühnenbild die Monitore oder auch Lautsprecher so zu verstecken, dass diese Gleichzeitigkeit des Musizierens möglich ist. Das Bereitstellen dieser absolut krisensicheren Kommunikationstechnik ist eine Verantwortung, die den Chefs der Abteilungen gute Nerven und weitreichende Planung abfordert. Wenn die Kommunikation versagt, gibt es keinen »Plan B«, dann wird die Aufführung zum Blindflug und kann in die Katastrophe führen. »Im Schauspielhaus,« so Frank Bürger, »hat die Planung und Inbetriebnahme der modernen Inspizientenanlage am Ende der Sanierung sehr viel Zeit und Energie in Anspruch genommen«. Dies führt zur nächsten, ebenfalls essenziellen Aufgabe. Planung, Fortentwicklung, Modernisierung sind tägliches Brot, denn die technischen Systeme entwickeln sich ständig weiter, Anforderungen verändern sich. Dies ist im Bereich des Videos besonders sinnfällig. War vor einigen Jahren der Einsatz des Mediums noch Einzelfall, so »spielt« es in den meisten neuen Inszenierungen mit. Video ist eine virtuelle Ebene, die zum Bühnengeschehen hinzukommt, mit der man Ideenräume schaffen kann. Frank Bürger: »Die Entwicklung ist kaum abzusehen. So gibt es den Einfluss aus Computerspielen, 3D-Projektionen, interaktives Video ... Einige dieser Elemente finden sich aktuell in der Produktion Qualitätskontrolle von Rimini Protokoll.« Doch kann dies hier nur am Rande gestreift werden: Die Arbeit im Video mit ihren vielfältigen und andersartigen Aufgaben würde einen eigenen Artikel erfordern. verbaut, ebenso kann aus der Kuppel oben beschallt werden. Dieter Fenchel: »Wenn etwa Kriegslärm, Gewitter, Erdbeben eingespielt wird, so reicht es nicht, dass die Geräusche dich horizontal umgeben – dann bliebe der Krieg da draußen. Vielmehr muss es so sein, dass du mittendrin bist. Das funktioniert nur, wenn Lautsprecher auch oberhalb und unterhalb von dir positioniert sind.« „Wenn sich wie beim Puzzle die Teile zusammensetzen, dann können diese magischen Momente entstehen, wo alles passt.“ „Wichtig ist, dass wir den Ereignissen einen Ort geben, nicht nur einen Raum.“ 7 6 6 1 2 3 4 5 6 7 Im Tonmagazin werden zahlreiche Kabel und Geräte gelagert Das mobile Tonmischpult wird für alle Proben im Opernhaus genutzt Mischpult mit Partitur in der Tonregie In der Tonwerkstatt: Gabriele Ferro dirigiert Die Nachtwandlerin Die Audiozentrale ist das Herz der Tontechnik im Opernhaus Tonschrank im Ballettsaal Requisit und Schallplattenspieler im Lager des Schauspielhauses Die Umbau-, Neubau- und Sanierungsaktivitäten für alle Aufführungs- und Probenstätten sind ein eigener Bereich. Die permanent zu planende Logistik und die Umbauten »mit unendlich vielen Besprechungen und parallel die Vorbereitung und Betreuung der aktuellen Produktionen mit der Gratwanderung, was kann ich ermöglichen, was kann ich verantworten«, sind euphemistisch bezeichnet eine Herausforderung. Besonders präsent ist natürlich die Generalsanierung des Schauspielhauses, dessen beeindruckende Anlage Frank Bürger gerne zeigt. »Ein zentraler, für mich unabdingbarer Punkt beim Umbau war, dass die Tonregie permanent im Saal positioniert ist, während sie zuvor oben in einer Kabine war. In der Vorstellung kann nun der Kollege das Klangbild realistisch kontrollieren. Jeder Abend ist anders und neu, dem muss man mit Lautstärken und Toneinspielungen folgen. Der Ton reagiert auf die Schauspieler, das ist wie live Musik machen und kann nun im Saal mit hoher Konzentration stattfinden. Zudem haben wir die Beschallungssituation verändert. Surroundlautsprecher, auch in Decke und Boden, ermöglichen eine gleichmäßige Klangverteilung im Raum. Hinzu gekommen sind Rechner für Bewegungen einer Schallquelle, etwa eines Hubschraubergeräuschs, im Raum. Auch die zentralen Videobeamer sind nun fest in einer Projektionskabine verbaut, und es gibt eine eigene Videoregie.« Auch in der Oper sind – unsichtbar – rund um die Zuschauer in der historischen Wandverkleidung Lautsprecher verteilt. Selbst der Boden bebt: Unter dem Parkett sind Lautsprecher Das Journal September /Oktober /November 2013 einen oder zwei Donner, die jedes Mal eingespielt werden, sondern sie werden jedes Mal aufwändig hergestellt.« Und doch ist das Ziel, diese Beiträge der Audiotechnik »unsichtbar« zu gestalten, sie sollen als integrales Element in der Inszenierung aufgehen. »Wenn wir alle erst einmal unseren Part gut machen, wenn sich wie beim Puzzle die Teile zusammensetzen, dann können diese magischen Momente entstehen, wo alles passt.« Das Medium, die Tontechnik, soll sich selber nicht abbilden: »Wenn aber der Chor, etwa in Parsifal oder Fausts Verdammnis, sich von der Bühne ablöst und in der Höhe schwebt, und das Medium nur dadurch da ist, dass der Zuhörer ihn über sich, aber keine Lautsprecher als solche wahrnimmt, dann tragen wir unseren Part zum Kunstwerk bei.« oben Dieter Fenchel (r.) und sein Mitarbeiter Gerd Puchelt im Fenster der Tonregie im Opernhaus unten Frank Bürger am Tonpult im Zuschauerraum des Schauspielhauses (alle Fotos: Jaroslawa Razmowa) Hinter dieser Kunst der Beschallung steckt eine ganze Philosophie: »Wichtig ist, dass wir den Ereignissen einen Ort geben, nicht nur einen Raum«, so Dieter Fenchel. Singt der Chor nicht auf der Szene, sondern aus Seitenbühne oder Chorsaal, und wird von dort in den Zuschauerraum übertragen, so geht es darum, »einen akustischen Fingerabdruck vom Ort der Handlung zu erzeugen, also etwa einer Kirche. Der Zuschauer soll einordnen können, wo gesungen wird, wir bilden diese Architektur akustisch ab. Zum anderen muss ein Klang immer drei-, gar vierdimensional sein, denn er hat auch eine zeitliche Entwicklung. Ich möchte sozusagen ›um das Geräusch herumlaufen können‹, es muss plastisch sein. Ein Donner ist nicht statisch, er hat einen zeitlichen Verlauf, eine Bewegung und ändert sich in der Verortung. Hinzu kommt die musikalische Platzierung: Das Geräusch muss in Länge, Intensität und Lautstärkeverlauf zu Partitur und Inszenierung passen: Ein Sommergewitter ist anders als ein Novembersturm. Man hat nicht Jede Inszenierung ist ein Prototyp, für jede werden Mittel »erfunden« und gebaut, auch wenn die Stücke schon Jahrhunderte existieren. Die Glockenklänge in Parsifal sind seit jeher eine Herausforderung: Wagner beschreibt in der Partitur einen »gläsernen« Klang, verbunden mit einer sehr tiefen Frequenz. In Bayreuth wurde diese irreale Klangfarbe einst mit Gongs und Tamtam, dann mit Stahlplatten und später mit dem sechssaitigen Parsifal-Klavier erzeugt, in diesem Jahrhundert kamen Trautonium, Synthesizer, Sampler zum Einsatz – jede Zeit nutzt ihre eigenen Mittel. Dieter Fenchel »baute« die Glocke der Stuttgarter Produktion am Rechner: Er digitalisierte den Klang der Pretiosa des Kölner Doms, zerlegte ihn in Sinusschwingungen, stimmte sie exakt zur Stimmung des Orchesters und baute aus ihnen vier neue, irreale Glocken. »Die originale Pretiosa klingt minutenlang nach, das ist im musikalischen Zusammenhang nicht zu verwenden. Unsere Glocke klingt in zwei Sekunden ab und wirkt dennoch wie ein Abbild des Originals.« Das Ballett spielt in beiden Häusern und hat ganz eigene Aufgaben. Eine wesentliche betrifft zunächst den Probenprozess, für den die Musik aus Aufnahmen aufbereitet wird. Spielt in den Vorstellungen meist das Orchester, so werden für die zahlreichen Gastspiele Aufnahmen verwendet – ein nicht unaufwändiger Vorgang, denn jeder Tänzer hat sein eigenes Tempo, so dass die Musiken angepasst werden. »Ballett ist Interaktion zwischen Dirigent und Tänzer, bei Tonbandaufführungen fällt das weg. Jeder Tänzer muss ein individuelles Tempo tanzen, da jeder seinen eigenen Körperbau, seine Persönlichkeit hat. Vladimir Malakhov hat das einmal prägnant formuliert: Das Tempo des einen kann den anderen ›wie Micky Maus‹ aussehen lassen,« so Dieter Fenchel. Hinter der Arbeit im Ballett steht ein gigantisches Archiv, denn die Inszenierungen werden teilweise jahrzehntelang gespielt. Im Ballett wird zudem viel zeitgenössische Musik verwendet, die häufig den Einsatz von Beschallungstechnik und Live-Elektronik erfordert. Übrigens sind Archiv und Dokumentation eine weitere wichtige Aufgabe für alle Sparten, denn jede Premiere wird in Ton und Video mitgeschnitten, um später Material für Einstudierungen zu haben. Und dann sind da noch all die einzelnen, nicht eben kleinen Spezialaufgaben: etwa das seit einigen Jahren im Schlossgarten veranstaltete Public Viewing des Balletts, wo es darum geht, nicht nur den Orchesterklang, sondern auch die Saalakustik in einer Surround-Übertragung außen abzubilden. Oder die Gastspiele, etwa des Schauspiels mit Harald Schmidt und Band, wo eine Spezialtruppe aus Frank Bürgers Team in zahlreichen Städten unterwegs war. Oder die Tourneen des Balletts. Oder die DVD-Produktionen: Zur Zeit wird in der Oper Die Nachtwandlerin vorbereitet. Die Tonleute arbeiten hier ganz klassisch als Aufnahme-Tonmeister und -Ingenieure, in der Abteilung gibt es dafür Spezialisten. Überhaupt sind beide Teams aus Mitarbeitern mit den verschiedensten Begabungen und Hintergründen zusammengesetzt. »Die Kollegen bringen ihre Erfahrung, aber auch ihre Anregungen und ihren Experimentiergeist in die Arbeit ein, das ist ein ganz wichtiger Impuls«, so Frank Bürger. Wie für alle im Theater ist das tägliche Multitasking von Proben, Vorbereitung und Logistik die eigentliche Herausforderung, ergänzt Dieter Fenchel, und doch es ist bei aller Technik »für uns das LiveErlebnis auf der Bühne, für das wir arbeiten.« Julia Besser 7 02. Stuttgarter Ballett on tour 02. Sadler’s Wells Theatre London Ballettabend: Made in Germany – zuerst in Stuttgart, dann in London »Wir waren privilegiert, Stuttgart diesen Frühling zu sehen; je früher sie wieder kommen, desto besser«, schrieb der Sunday Express nach dem letzten Londoner Gastspiel des Stuttgarter Balletts im März 2008. formt durch einen kreativen Umgang mit der Kunst des Pas de deux immer wieder Bilder von skulpturartiger Schönheit. Außerdem können sich die Zuschauer auf ein Wiedersehen mit Katarzyna Kozielskas Symph und Roman Novitzkys Are you as big as me?, den Publikumslieblingen der letzten Ausgabe der Jungen Choreographen der NoverreGesellschaft, freuen. Neben der Förderung der Talente aus den Reihen des Stuttgarter Balletts ist es Ballettintendant Reid Anderson ein Anliegen, regelmäßig spannende Choreographen aus aller Welt einzuladen, um das Repertoire immer wieder zu erweitern, zu modernisieren und sowohl dem Publikum als auch seinen Tänzern einen möglichst großen Facettenreichtum an unterschiedlichen Stilen zu bieten. In jüngster Zeit kam zum Beispiel Edward Clug als Gast nach Stuttgart. Sein Ssss ... schuf er hier im Jahr 2012, eine erfindungsreiche, von der klassischen Bewegungssprache inspirierte Choreographie, die einfühlsam die ihr zu Grunde liegenden Nocturnen von Frédéric Chopin in Tanz umsetzt. Itzik Galili schuf für das Stuttgarter Ballett mit Mono Lisa eine Verbindung von atemberaubender Akrobatik und zeitgemäßer Coolness, Mauro Bigonzetti spielt im zentralen Pas de deux von Kazimir’s Colours mit den Kräften von Anziehung und Abstoßung, mit dem Spannungsverhältnis zwischen Harmonie und Divergenz. Das Finale von das siebte blau bildet dann schließlich auch das Finale des Ballettabends. Natürlich stammt auch dieses Stück von einem dem Stuttgarter Ballett eng verbundenen Künstler: Christian Spuck, ehemaliger Hauschoreograph der Compagnie und amtierender Direktor des Ballett Zürich. Diesem Wunsch kommt die Compagnie nur zu gerne nach und folgt im November einer Einladung in die britische Metropole, wo sie am Sadler’s Wells Theatre gastieren wird. Mit auf die Reise geht neben John Crankos Der Widerspenstigen Zähmung der ganz neu zusammen gestellte Ballettabend Made in Germany. Ein besonderes Ziel London ist für das Stuttgarter Ballett stets ein ganz besonderes Ziel, war doch sein Begründer John Cranko, dessen Geist und Schöpferkraft noch heute die Compagnie prägen, der Stadt eng verbunden. Hier hatte er am Sadler’s Wells Ballet, dem heutigen Royal Ballet, seine Karriere begonnen, seine ersten Schritte als Choreograph getan und war danach viele Jahre lang als Hauschoreograph tätig gewesen. »Wenn man 5 Minuten lang in London gewesen ist, will man es nie wieder verlassen«, sagte Cranko einmal. Zum Glück für Stuttgart tat er dies letztendlich doch, um hier Ballettdirektor zu werden, doch London blieb Crankos zweite Heimat in Europa. Und deshalb erfüllt das Stuttgarter Ballett nur zu gern den Wunsch der Gastgeber vom Sadler’s Wells Theatre, die Compagnie mit einem Stück John Crankos erleben zu können: Der Widerspenstigen Zähmung. Dass die literarische Vorlage zu dieser Ballettkomödie von William Shakespeare stammt, macht die Aufführung in England natürlich umso passender! Neben der Reihe der großen Handlungsballette nach literarischen Vorlagen begründete Cranko am Stuttgarter Ballett eine weitere Tradition: die konsequente Förderung des choreographischen Nachwuchses und somit die intensive Pflege des zeitgenössischen Repertoires. Diesen Schwerpunkt setzt Ballettintendant Reid Anderson mit viel Herzblut fort und hat nun einen Abend konzipiert, der eindrücklich zeigt, welch großes choreographisches Talent seit Jahren aus den eigenen Reihen hervorgeht und welch spannende Uraufführungen am Stuttgarter Ballett immer wieder kreiert werden. Unter dem Titel Made in Germany – ebenso treffend wäre Made in Stuttgart – zeigt das Stuttgarter Ballett ausschließlich Stücke, die für das Stuttgarter Ballett geschaffen wurden, von Choreographen, deren Verbindung zur Compagnie besonders eng ist. Und da es dem Stuttgarter Ballett trotz aller Reisen und Gastauftritte am wichtigsten ist, das heimische Publikum zu erfreuen, wird dieser Ballettabend in leicht veränderter Form auch in Stuttgart zu sehen sein, im frisch renovierten Schauspielhaus. Garant für Qualität Mit Made in Germany bringt das Stuttgarter Ballett also einen spannenden Abend nach England – genau in das Land also, in dem dieses Etikett einst geprägt wurde. Übrigens geschah dies im 19. Jahrhundert zunächst nicht als positive Kennzeichnung von Produkten, sondern um vor billiger Importware zu warnen. Doch längst haben sich die Zeiten geändert und Made in Germany ist zu einem Garanten für Qualität geworden und genau das richtige Label, um darunter Tanz aus Stuttgart und somit auch die Stadt Stuttgart zu präsentieren. Kristina Scharmacher Ballettabend: Made in Germany Fancy Goods Choreographie Marco Goecke Musik Sarah Vaughan Ssss ... (Solo) Choreographie Edward Clug Musik Frédéric Chopin Fanfare LX Choreographie Douglas Lee Musik Michael Nyman Little Monsters Choreographie Demis Volpi Musik Elvis Presley Le Grand Pas de deux Choreographie Christian Spuck Musik Gioachino Rossini Symph Choreographie Katarzyna Kozielska Musik Ludwig van Beethoven, Antonio Vivaldi u.a. Allure Choreographie Demis Volpi Are you as big as me? Choreographie Roman Novitzky Musik Hazmat Modine Äffi Choreographie Marco Goecke Musik Johnny Cash Kazimir’s Colours (Pas de deux) Choreographie Mauro Bigonzetti Musik Dmitri Schostakowitsch Mono Lisa Choreographie Itzik Galili Musik Thomas Höfs mit Itzik Galili das siebte blau (Finale) Choreographie Christian Spuck Musik Franz Schubert Von Bigonzetti bis Volpi Werke von Marco Goecke dürfen an einem solchen Abend natürlich nicht fehlen, der Hauschoreograph des Stuttgarter Balletts ist mit zwei seiner Choreographien vertreten. Fancy Goods, sein für Friedemann Vogel kreiertes, jazzig melancholisches Solo, sowie Äffi, dieses Kult-Stück zu Songs von Johnny Cash, zeigen eindrücklich Goeckes Meisterschaft im Sezieren des klassischen Tanzvokabulars, seine auf Rücken und Arme konzentrierte Bewegungssprache, seine progressive Interpretation von Virtuosität. Ebenfalls als Hauschoreograph beim Stuttgarter Ballett ist seit Beginn der Spielzeit 2013/14 Demis Volpi tätig. Sein Little Monsters, ein Pas de deux zu Songs von Elvis Presley, geschaffen für Stuttgarter Tänzer, feierte schon beim letzten Gastspiel am legendären Moskauer Bolschoi-Theater einen fulminanten Erfolg bei Publikum und Presse. Der junge Choreograph hat bereits u.a. am American Ballett Theatre gearbeitet und für das Stuttgarter Ballett sein erstes großes Handlungsballett Krabat kreiert. Der ehemalige Erste Solist Douglas Lee erweitert das zeitgenössische Repertoire des Stuttgarter Balletts seit einigen Jahren mit seinen hoch ästhetischen Choreographien. Er fordert mit seinem Fanfare LX zur temporeichen Filmmusik Michael Nymans die Beweglichkeit der Protagonisten bis aufs Äußerste und Premiere: 27. September 2013 // 19:00 Uhr // Schauspielhaus Weitere Vorstellungen: 03.10. // 10.10. // 12.10. // 04.12. 19.12.2013 Gastspielreise des Stuttgarter Balletts nach London 18. & 19. November 2013: Ballettabend: Made in Germany Sadler’s Wells Theatre 22. & 23. November 2013 John Crankos Der Widerspenstigen Zähmung Sadler’s Wells Theatre Weitere Informationen zu Der Widerspenstigen Zähmung siehe Seite 12. oben Magdalena Dziegielewska, Pablo von Sternenfels in Katarzyna Kozielskas Symph Mitte Daniel Camargo in Demis Volpis Little Monsters unten Anna Osadcenko, Evan McKie in Douglas Lees Fanfare LX Friedemann Vogel in Marco Goeckes Fancy Goods (Fotos: Stuttgarter Ballett) 8 Das Journal September /Oktober /November 2013 9 03. Albert Dohmen 03. Der Bassbariton über das Geheimnis von Berlusconi und Falstaff Er gilt als deutscher Sänger schlechthin und ist einer der führenden Wotane seiner Generation. In Herz und Seele aber ist der aus Krefeld stammende Bassbariton ALBERT DOHMEN fast ein Italiener: Mit seiner sizilianischen Frau und seinen zwei Kindern hat der 57jährige bis vor kurzem in Rom gelebt, in Stuttgart wird er im Oktober als Falstaff in Andrea Moses’ neuer Inszenierung von Giuseppe Verdis letzter Oper debütieren. Auf Italienisch – natürlich! g u n e g e t t a „Ich h , immer einen davon zu halten!“ r e e p S Bassbaritone haben einen entscheidenden Vorteil im Leben: Stets ist man verleitet, ob ihres wohlklingenden, raumgreifenden Timbres nicht ihren Worten zuzuhören, sondern schlicht dem verführerischen Klang ihrer Stimme zu lauschen. »Ja, eine tiefe, ruhige Stimme ist im Umgang mit den Mitmenschen in der Tat bisweilen von Vorteil«, lacht Albert Dohmen. »Und auch bei der Kindererziehung kann sie hilfreich sein. Bei meinem Nachwuchs heißt es manchmal: ›Oh, Papa hat ins Wotan-Register gewechselt‹ – was bedeutet, Widerspruch ist nicht mehr anzuraten. Dieser Effekt nutzt sich mit der Zeit aber leider ein wenig ab!« Es ist Juli und Albert Dohmen ist für erste Falstaff-Proben in Stuttgart. Am 20. Oktober wird er in Andrea Moses’ neuer Inszenierung von Giuseppe Verdis letzter Oper in der Titelrolle debütieren: »Sie wissen gar nicht, wie sehr ich mich auf Verdi freue. Endlich wieder ein Ausflug in meine geliebte italienische Kulturwelt! Ich spreche fließend Italienisch, habe 20 Jahre lang in Italien gelebt, liebe die Italianitá. Doch das wissen viele nicht. Die denken nur: Dohmen – Wagner, Strauss. Ich gelte als deutscher Sänger schlechthin.« In der Tat: Dohmen ist einer der führenden Wotane seiner Generation, und auch seine zweite Paraderolle, der Hans Sachs in Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg, könnte deutscher gar nicht sein: »Dass mir Stuttgart die Möglichkeit gibt, als Falstaff endlich mal den Speer abgeben zu können, dafür bin ich diesem Haus unendlich dankbar!« Umso mehr, als er sich nicht nur auf die musikalische Zusammenarbeit mit GMD Sylvain Cambreling freue, sondern auch auf die Regie von Andrea Moses: »Sie ist eine dieser Regisseurinnen, die die Sänger mit Respekt und Können zu Schauspielern macht. Das ist es, was ich suche!« Foto: Martin Sigmund Eine Sizilianerin und einer vom Niederrhein 10 Albert Dohmen ist ein wahrer Wagner-Hüne: großgewachsen, resolut, dabei besonnen, temperamentvoll und mit unverkennbar niederrheinischem Humor. Seine ganz eigene Italianitá steckt im Detail – und seine bloßen Füße in blauen Wildleder-Slippern. Wagner und Verdi, Deutschland und Italien: in Körperbau und Modestil perfekt vereint. Wie hat es den Mann, der als mittlerer von acht Geschwistern – »ich habe die Jüngeren verteidigt und nach oben vermittelt« – in Krefeld aufgewachsen ist, nach Italien verschlagen? »Ich habe eine Frau vom Ätna geheiratet! Eine Sizilianerin und einer vom Niederrhein, das heißt zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei Temperamente. Eine explosive Mischung, die sich bestens auf unsere beiden Kinder verteilt hat.« Zwei Kinder – wie alt denn? Dohmens Antwort ist ein waidwunder Blick aus blauen Augen und ein leises Wort, bedrohlich und bedeutungsschwanger: »Pubertät!« Wie war er selbst als Kind? Für sein Leben gern gesungen habe er schon immer, erzählt Dohmen: »Ich hatte wohl eine sehr schöne Knabenstimme, habe Bach-Kantaten gesungen und auch in Theaterchören. Aber für meine Eltern war klar: Der Junge wird Anwalt.« Also hat Dohmen Jura studiert – aber nie Gesang: »Ich hatte immer nur privaten Gesangsunterricht. Zu Beginn war ich einer amerikanischen, hochdramatischen Lehrerin ausgeliefert, für die es nur Forte und Fortissimo gab, weil sie selbst nicht viel anderes als Isolden, Brünnhilden und Turandots an der Met gesungen hat. Sie wusste mit meiner jungen Bassstimme nichts anzufangen. Gerettet hat mich Das Journal September /Oktober /November 2013 eine Pianistin, deren Ehemann ein rumänischer Bassist war. Sie hat zu mir gesagt: ›Alberto, du klingst wie mein Mann vor 40 Jahren. Du hast eine hohe Bassstimme, die es eventuell ins ›Killerfach‹ des Heldenbaritons schaffen könnte.‹« Aber dieses Fach erreiche man nicht mit 25 Jahren, sagt Dohmen: »Man muss sich Zeit lassen. Man schafft den Wotan nur, wenn man ihn aufbaut. Ich habe schon als junger Sänger mit großen Dirigenten wie Claudio Abbado, Sir Georg Solti, Kurt Masur, Zubin Mehta und James Levine zusammengearbeitet. Sie alle haben mir beigebracht, dass am Anfang eines Sängerlebens das Studium steht, und die Disziplin. Daran habe ich mich immer gehalten.« Debüt mit 57 Jahren Zehn Jahre lang hat er den Wotan in Die Walküre und den Wanderer in Siegfried studiert, bevor er diese Partien im Alter von 40 Jahren erstmals öffentlich gesungen hat. Seinen ersten Hans Sachs habe er sich zum 50. Geburtstag geschenkt, erzählt Dohmen: »Erst in diesem Alter hat man ausreichend Erfahrungen für diese schwierigen Partien gesammelt. Und ich meine nicht nur das stimmliche Können und die Fähigkeit, sich auf Kommando tausendprozentig zu konzentrieren: Wir Sänger müssen leben! Nur das, was man gefühlsmäßig auch erlebt hat, kann man glaubhaft auf der Bühne darstellen. Denn die menschliche Stimme ist der Spiegel der Seele. Das will heute keiner mehr hören – aber es ist so!« Mit 57 Jahren wird Albert Dohmen hier in Stuttgart als Falstaff debütieren – ein nicht nur angesichts der Schnelllebigkeit der heutigen Opernwelt und ihren immer jünger werdenden Shooting Stars ein eher ungewöhnliches Ereignis: Selten, dass sich ein Sänger heute selbst ausreichend Zeit für seine persönliche Entwicklung lässt – und sich diese »Freiheit« auch gegenüber ehrgeizigen Plattenfirmen und Agenten herausnimmt. Albert Dohmen hat sich da nie beirren lassen: »Man muss sich seine Karriere selbst einteilen. Man darf sich nicht hetzen, aber auch nicht verführen lassen. Ich habe meine Agenten mit meiner beharrlichen Weigerung, den Sachs zu singen, jahrelang in den Wahnsinn getrieben«, sagt Dohmen mit dem diebischen Grinsen desjenigen, der am Ende Recht behalten hat. »Unwiderstehliche Angebote, große Plattenverträge, berühmte Opernhäuser: Und dann? Das kann alles so schnell vorbei sein. Ist die Stimme einmal im Eimer, kann es gut sein, dass man früher vor dem Nichts steht, als einem lieb ist. Und überhaupt – was soll denn dieser Straffheitswahn? Warum müssen alle jung sein? Jede Falte ist Beweis für erlebtes und gelebtes Leben: Wir sollten uns freuen über sie! Bei allem Respekt für den Jugendkult: Es liegt eine unglaubliche Kraft in der Ruhe, die man nur durch die Erfahrung bekommt.« Fare bella figura! Auf sehr viel gelebtes Leben konnte auch Giuseppe Verdi zurückblicken, als er mit knapp 80 Jahren seine letzte Oper Falstaff komponierte – vielleicht auch das ein Grund, warum dieses Werk gespickt ist mit Zitaten, seien sie nun musikalischer oder literarischer Art. Verdis 1893 uraufgeführte Komödie rund um den dicken Ritter Falstaff, der mit einer ob seines Alters und seiner Körperfülle erstaunlich selbstbewussten Dreistigkeit die Bürgerwelt von Windsor durcheinanderbringt, ist neben Verdis Frühwerk Un giorno di regno das einzige Lustspiel des Komponisten und gilt als einer der Höhepunkte seines Schaffens. Die Frage nach Falstaffs robustem Charakter bringt uns auf Silvio Berlusconi – und damit auch darauf, warum Familie Dohmen nach knapp zwei Jahrzehnten das Land, wo die Zitronen – und die Korruptionen – blühn’, verlässt. Ja, Berlusconi sei einer der Gründe für diesen Umzug, das gebe er offen zu, sagt Dohmen: »Wir hatten es satt, uns andauernd unermesslich zu ärgern. Also haben wir beschlossen, wieder nach Deutschland zu ziehen.« Was aber hat Shakespeares Figur des Falstaff nun tatsächlich mit dem vermeintlichen Parade-Italiener Berlusconi gemeinsam? »Beiden gemeinsam ist ein Talent, das die Italiener fare bella figura nennen: Das ganze Leben spielt sich ja draußen ab, auf der Piazza. Und wer sich dieser Öffentlichkeit zu präsentieren und zu verkaufen weiß, wer ›einen guten Eindruck‹ macht, die Menschen für sich einnimmt und gleichzeitig stets Mittel findet, das Leben so zu drehen, dass ihm die süßen Früchte vor die Füße fallen, der kann in Italien gerne Als Wotan in Die Walküre (Regie: Tankred Dorst) bei den Bayreuther Festspielen 2007 © Bayreuther Festspiele GmbH / Jörg Schulze Als Hans Sachs in Die Meistersinger von Nürnberg (Regie: Pierre Strosser), Grand Théâtre de Genève © Archives GTG / Mario del Curto auch ein Gauner sein: Er macht ›eine gute Figur‹ und jemandem, der das beherrscht, scheinen viele Italiener tatsächlich alles zu verzeihen. Das Phänomen Berlusconi funktioniert nur in Italien: In Deutschland hätte so einer keine Chance«, sagt Dohmen kopfschüttelnd, resigniert. Was ist das Geheimnis Berlusconis – und Falstaffs? »Ihre Unverschämtheit! Beide verkaufen eine Idee, beide bedienen die Leute, indem sie sie betrügen. Und sie sind Stehaufmännchen: Niederlagen prallen an ihnen einfach ab. Zwar gehen sie hin und wieder zu Boden, aber das spielt keine Rolle. Sie richten sich auf, klopfen den Staub ab, blicken sich um – und siehe da: Die Leute sind noch immer fasziniert!« Babette Karner Falstaff von Giuseppe Verdi Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling; Regie: Andrea Moses Premiere: 20. Oktober 2013 // 18:00 Uhr // Opernhaus Weitere Vorstellungen: 26.10. // 03.11. // 13.11. // 19.11. // 22.11. // 27.11. // 27.12. // 31.12.2013 // 02.01.2014 11 04. Shakespeare vertanzt 04. John Crankos Der Widerspenstigen Zähmung und John Neumeiers Othello Die Tragödie: Othello Neben der Komödie für die ganze Familie zeigt das Stuttgarter Ballett im Herbst 2013 auch die andere Seite Shakespeares, eine herzzerreißende Tragödie, die dem Zuschauer schlichtweg den Atem raubt. In seiner Interpretation des Shakespeare’schen Eifersuchtsdramas Othello schuf John Neumeier eine psychologische Studie, die die Vielschichtigkeit der Charaktere in den Vordergrund stellt. Er kreierte eine anrührende Skizze über menschliche Abgründe, umgesetzt in fesselnden Tanz. Mit der Senatorentochter Desdemona und dem stolzen General Othello treffen zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und dennoch lieben sie sich. Der Fähnrich Jago jedoch, von Othello bei einer Beförderung übergangen, schmiedet aus Rache einen perfiden Plan, der diese Liebe in einer Tragödie enden lässt. Es gelingt Jago, Othello von Desdemonas angeblicher Untreue zu überzeugen, ihn glauben zu machen, dass Desdemona eine Affäre mit einem anderen habe. Othello steigert sich so sehr in seine Eifersucht, in seine unendliche Verzweiflung hinein, dass er letztendlich den Verstand verliert und seine geliebte Desde- mona tötet. Bald darauf ist er von ihrer Unschuld überzeugt und nimmt sich selbst das Leben. Eine Handlung, die nicht nur Generationen von Zuschauern bewegt hat, sondern auch immer wieder Fragen aufwirft. Wie kann es dazu kommen, dass der selbstbewusste Othello zu der Überzeugung gelangt, dass seine geliebte Frau ihn betrügt? Warum ist dieser angebliche Betrug für ihn eine solch existentielle Katastrophe? Nun, Othello ist nicht so stark, wie es zunächst scheinen mag, und Jagos Verhalten ist so teuflisch, dass er auch stärkere Charaktere als Othello vernichten könnte – diese und mehr Antworten gibt John Neumeier mit seinem dramaturgisch vielschichtigen Ballettdrama. Kreiert für das Hamburg Ballett im Jahr 1985 tanzt das Stuttgarter Ballett John Neumeiers Othello seit dem Jahr 2008. Kristina Scharmacher links Sue Jin Kang, Filip Barankiewicz in John Crankos Der Widerspenstigen Zähmung. Foto: Stuttgarter Ballett unten Alicia Amatrain, Jason Reilly in John Neumeiers Othello. Foto: Stuttgarter Ballett Heitere Ballettkomödie und erschütterndes Tanzdrama – die Shakespeare-Ballette im Herbst Vor beinahe 450 Jahren, anno 1564, wurde im englischen Stratford-upon-Avon WILLIAM SHAKESPEARE geboren – er sollte zu einem der größten Dramatiker der Literaturgeschichte werden. Seine einzigartige Bedeutung liegt nicht zuletzt in der unvergleichlichen Bandbreite seines Schaffens begründet, das von derben Komödien über hochdramatische Liebestragödien und Historiendramen bis hin zu Versdichtungen und Sonetten reicht. Geprägt von einem schier unerschöpflichen Sprachreichtum unterschiedlichster Stile, vielschichtigen Figurenkomplexen und tiefgründiger Psychologie, inspirierten Shakespeares Werke zahlreiche Künstler. Auch auf die Welt des Tanzes übt der Dichter seit Jahrhunderten eine immense Anziehungskraft aus. Die ersten auf seinen Stücken basierenden Ballette werden Jean-Jacques Noverre zugeschrieben, diesem großen Tanzreformer, der im 18. Jahrhundert auch einige Jahre in Stuttgart wirkte. Seither sind die Shakespeare’schen Stoffe immer wieder für die Ballettbühne umgesetzt worden. Und so 12 befinden sich auch im Repertoire des Stuttgarter Balletts zahlreiche Spuren des großen englischen Genies und viele unterschiedliche Generationen von Stuttgarter Tänzern haben sich bereits mit seinen Figuren befasst, seien es Romeo und Julia, Titania oder Hamlet. Zu Beginn der Spielzeit 2013/14 kann das Stuttgarter Publikum zwei sehr unterschiedliche Shakespeare-Ballette im Opernhaus erleben, eines von ihnen basiert auf einer seiner amüsantesten Geschichten, das andere auf einer der tragischsten: John Crankos Ballettkomödie Der Widerspenstigen Zähmung und John Neumeiers psychologisches Drama Othello. Die Komödie: Der Widerspenstigen Zähmung John Cranko, Begründer des Stuttgarter Balletts und Vater des Stuttgarter Ballettwunders, war durchdrungen von einer tiefen Liebe zu Shakespeare. Zwei der drei abendfüllenden Handlungsballette, denen Cranko seinen großen Ruhm verdankt, basieren auf seinen Werken: das tragische Romeo und Julia aus dem Jahr 1962 sowie die Komödie Der Widerspenstigen Zähmung von 1969. Nachdem Shakespeares frühes Lustspiel Der Widerspenstigen Zähmung es bereits auf die Opern- und Musicalbühnen der Welt geschafft hatte, zum Beispiel als Cole Porters Kiss me, Kate, war John Cranko der erste, der den Stoff auch auf die Ballettbühne brachte – und das mit sicherem Gespür für Shakespeares Komik, Ironie und Charakterzeichnung. Klug gestaltete Cranko das klassische Tanzvokabular gemäß der heiteren literarischen Vorlage, übersetzte den Wortwitz des Dichters, die Bilder und Feinheiten seiner Sprache in Bewegung und Pantomime. Shakespeares Kalauer und feiner Humor sowie die farbenreichen und größtenteils kontrastierenden Figuren boten ihm genau die richtige Grundlage für eine herzhafte Ballettkomödie. Doch auch Momente der Besinnung spielen eine Rolle, womit Cranko den mehrschichtigen Charakter von Shakespeares Komödie bewahrt. Mitreißend und detailreich erzählt er die pfiffige Geschichte der kratzbürstigen Katharina, die verheiratet werden soll, damit auch ihre jüngere Schwester Bianca Hochzeit feiern kann. Schnell entwickeln die Verehrer Biancas einen Plan: Sie überreden den mittellosen Petrucchio, sich gegen Bezahlung mit Katharina zu vermählen. Katharina willigt ein und Petrucchio gibt ihrem kecken Kampfgeist willensstark und raffiniert Paroli. Letztendlich fördert Petrucchio Katharinas eigentlich sensibles Wesen zu Tage, so dass die beiden sich wirklich ineinander verlieben und ihr gemeinsames Glück als gleichberechtigte Partner finden können. Crankos Der Widerspenstigen Zähmung ist bis heute eine der erfolgreichsten Ballettkomödien überhaupt und gehört noch immer zu den tragenden Säulen des Repertoires des Stuttgarter Balletts. Der Widerspenstigen Zähmung Ballett von John Cranko nach William Shakespeare Choreographie und Inszenierung: John Cranko; Musik: Kurt-Heinz Stolze nach Domenico Scarlatti; Bühnenbild und Kostüme: Elisabeth Dalton; Uraufführung: 16. März 1969, Stuttgarter Ballett; Musikalische Leitung: James Tuggle Vorstellungen im Opernhaus: 25.09. // 28.09. // 30.09. // 01.10. // 21.12. // 26.12. (nm/abd) // 28.12. // 30.12.2013 // 04.01. // 10.01.2014 Othello Ballett von John Neumeier nach William Shakespeare Choreographie, Inszenierung, Ausstattung: John Neumeier; Musik: Arvo Pärt, Alfred Schnittke, Naná Vasconcelos, u.a.; Uraufführung: 27. Januar 1985, Kampnagelfabrik, Hamburg Ballett; Erstaufführung beim Stuttgarter Ballett: 24. April 2008; Musikalische Leitung: James Tuggle Vorstellungen im Opernhaus: 05.10. // 06.10. // 13.10. (nm/abd) // 19.10. // 21.10. // 01.11.2013 05. Raum und Religion 05. Zwei Schwerpunkte im Opern- und Konzertprogramm 2013/14 – h c s i t n a m o r h c o k n i s s u ö i g M i l r e e r d r n e i d n e We h c i l t s i e G m Vo »Im Prinzip sind alle meine Werke mehr oder weniger geistlich inspiriert, ohne daß es der zugrundeliegende Text notwendigerweise wäre«, bekundete der Komponist Edison Denisov gegenüber einem Gesprächspartner. »Man muss den Begriff weiter fassen. [...] Der Schaum der Tage ist vielleicht noch geistlicher als mein Requiem, das ich zur gleichen Zeit komponiert habe.« Denisovs Schaum der Tage, eine Oper, die auf einem Jazz-Song beruht, in der Jesus leibhaftig auftritt, um sich die Hände in Unschuld zu waschen, in der junge Menschen an Seerosen zugrunde gehen, in der die Feuerwehr als Brandstifter agiert und unschuldige blinde Waisenmädchen einer Katze auf den Schwanz treten, woraufhin sie einer lebensmüden Maus den Kopf abbeißt, sollte geistlicher sein als ein Werk, das sich explizit auf einen liturgischen Text bezieht? Dieser Gedanke fordert vom Leser in der Tat eine kleine geistige Lockerungsübung. Sieht man sich – solcherart in seiner gedanklichen Beweglichkeit gedehnt – in der Musikgeschichte um, zeigt sich auch bei anderen vermeintlich »weltlichen« Werken ein »geistlicher« Gehalt. Mündet nicht auch Mozarts Oper über den »größten Verführer aller Zeiten«, Don Giovanni, in eine Höllenfahrt, die jede bildliche Darstellung einer »göttlichen Strafe« übersteigt? In der Versuchung durch seinen mephistophelischen Widerpart tritt die Thematik selbstverständlich auch in Fausts Verdammnis zutage. Doch die Inbrunst, ja, die Übersüße, mit der Hector Berlioz den Osterspaziergang seines Helden oder auch die Schlussapotheose in den schillerndsten Farben ausmalt, unterstreicht, dass es diesem revolutionären Geist, der auch vor den Abgründen des Opiumrauschs nicht halt machte, in den Momenten, in denen eine religiöse Aussage im Zentrum steht, ums Ganze geht. Die übermenschliche, metaphysische Dimension der Konflikte in Verdis Nabucco zu erwähnen, erübrigt sich, kreist doch die ganze Handlung um das Verhältnis von Individuum und Glaubensgemeinschaft, von Anbetung und Freiheit. Zwischenräume der Transzendenz In den drei zuletzt genannten Opern – sämtlich auf dem Spielplan dieses Herbstes – scheint die religiöse Dimension der Werke durch die Handlung motiviert, mithin durch die Dichtung. Doch auch ihre rein instrumentalen Werke weisen große Komponisten immer wieder als spirituell inspiriert aus – und so bilden Anton Bruckners Neunte Sinfonie und Joseph Haydns Sieben letzte Worte des Erlösers am Kreuz den Rahmen für eine Konzertsaison, in der die Frage nach dem geistlichen Gehalt der Musik immer wieder aufscheint. Eine Aufforderung, diesen Fragen nachzugehen, stellt die bevorstehende Uraufführung des Musiktheaters wunderzaichen von Mark Andre dar. Der aus Frankreich stammende Komponist, der bei seinem Meisterstudium in Stuttgart durch seinen Lehrer Helmut Lachenmann entscheidende Impulse empfangen hat, sucht in allen seinen Werken nach existenziellen Klangsituationen, die durch die Alltagserfahrung hindurch und über sie hinaus etwas von den Zwischenräumen mystischer Erfahrungen berichten. Sein Musiktheater, in dem Johannes Reuchlin, dem in Stuttgart begrabenen ersten deutschen Humanisten, eine wichtige Rolle zukommt, hat er immer wieder als »metaphysischen Roadtrip« bezeichnet. Wer der Musik von Mark Andre erstmals begegnet, wird von dieser Selbstaussage des Komponisten vielleicht zunächst überrascht. Denn sie hat nichts von der unerschütterlichen Selbstgewissheit blechgepanzerter Choräle und schon gleich gar nichts von der harmlosen Betulichkeit frommer Lieder. Ganz im Gegenteil scheint sie in ihrem unerschöpflichen Reichtum der Nuancen und Schattierungen eine Enzyklopädie feinster sensorischer Daten zu entfalten, aus deren Verbindung eine Ahnung von den Welten entsteht, die jenseits unserer Wirklichkeit liegen könnten. Unterscheidet sich Mark Andre in dieser Hinsicht tatsächlich so sehr von einem Johann Sebastian Bach, dessen Werke ja unbestritten in geistlichen Zusammenhängen stehen – und dabei keine Kompromisse der Satztechnik und der musikalischen Gestaltung eingehen? Ist eine »weltliche Kantate« Bachs – wie die Hochzeitskantate, die im 5. Liedkonzert mit Claudia Barainsky erklingt – tatsächlich weniger »geistlich« als seine h-moll-Messe ? (Die sich bekanntlich zudem auch aus »weltlichen« Werken des Komponisten speist.) Sind die »Pfingstrosen« von Hespos – auf französisch Pivoines und dargeboten von Karl-Friedrich Dürr im 2. Liedkonzert – schon pfingstliche Zungenrede, Glossolalie? Beraubt György Kurtág die Sprüche des Peter Bornemisza (5. Liedkonzert) einer Dimension, wenn er diese in Form eines »Konzertes« für Sopran und Klavier vertont, oder wird umgekehrt die Virtuosität der Interpreten zu einem Moment der Hingabe, der über die Welt hinausweisen soll? »Musik ist höhere Potenz der Poesie; die Engel müssen in Tönen reden, Geister in Worten der Poesie«, schreibt Robert Schumann. Der Gedanke, dass die Musik etwas sei, daß auf ein »Schatten-« oder »Geisterreich« hinter den Dingen verweise, ist tief romantisch. »Musikliebende Klosterbrüder« wie Wackenroder und Tieck formulierten sie in ihrer Idee einer Kunstreligion immer wieder aus, niemand so prägnant wie E.T.A. Hoffmann, der anlässlich von Beethovens Fünfter schrieb: »Wie führt diese wundervolle Komposition in einem fort und fortsteigenden Climax den Zuhörer unwiderstehlich fort in das Geisterreich des Unendlichen«. Was hätte er geschrieben, hätte er die Klangentäußerungen eines Anton Bruckner oder eines Giacinto Scelsi gekannt? Anton Bruckner bezog seinen Auftrag für das Komponieren unmittelbar vom »lieben Gott«, dem er seine Fragment gebliebene Neunte Sinfonie widmete: »Die wollen, dass ich anders schreibe«, berichtete er. »Ich könnt’s ja auch, aber ich darf nicht. Unter Tausenden hat mich Gott begnadet und dieses Talent mir, gerade mir gegeben. Ihm muß ich einmal Rechenschaft ablegen. Wie stünde ich vor unserem Herrgott da, wenn ich den anderen folgte und nicht ihm.« Der geheimnisvolle römische Graf Giacinto Scelsi empfing seinen Auftrag während einer Reise nach Indien und schuf eine nicht minder eigenwillige Musik als Anton Bruckner, die in Anlehnung an fernöstliches Gedankengut immer tiefer in das Innere des Einzeltones vorgedrungen ist – und so den Makrokosmos im Mikrokosmos erschlossen hat. Scelsis Hymnos für Orgel und zwei Orchester sowie Bruckners Neunte umschließen im 7. Sinfoniekonzert eines der außergewöhnlichsten Werke der Musikgeschichte: Spem in alium von Thomas Tallis, geschrieben um 1573 für vierzig Stimmen, oder genauer, für acht fünfstimmige Chöre a cappella. Die Stimmen erschließen nicht nur den Raum eines Konzertsaales – oder eines Kircheninneren, für den das Werk komponiert wurde – sondern auch den göttlichen Kosmos. Tallis lässt die Klänge spiralförmig rotieren und versetzt den Hörer selbst in das Zentrum des klingenden Universums. Solche Raummusik wurde im 16. Jahrhundert vor allem in Venedig praktiziert, wo man im Dom von San Marco Frage und Antwort aus unterschiedlichen Ecken und Enden durch den Raum klingen ließ. Erst die Komponisten des 20. Jahrhunderts haben diese Idee von einer Musik, die nicht nur den ganzen Raum erfüllt, sondern ihn auch von allen Seiten durchdringt, wieder intensiver aufgegriffen und haben sich hierfür nicht nur der akustischen Instrumente, sondern auch elektronischer Mittel bedient. Auch die Oper wunderzaichen von Mark Andre wird sich am Ende in den ganzen Opernraum hinein öffnen, den Raum verwandeln und ein einzigartiges Hörerlebnis in der Oper Stuttgart ermöglichen. Ohren zum Hören Auch die Stuttgarter Liederhalle, Heimstatt der Sinfoniekonzertreihe des Staatsorchesters Stuttgart, wird in dieser Spielzeit auf ihre raummusikalischen Möglichkeiten befragt. Nicht nur durch den Staatsopernchor Stuttgart im 7. Sinfoniekonzert, sondern auch im 1. Sinfoniekonzert in einer Bearbeitung von Haydns ursprünglich als Streichseptett verfassten Meditationen über Sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuz, die Generalmusikdirektor Sylvain Cambreling selbst angefertigt hat. Vier Streichergruppen und ein Solocellist werden an ungewohnten Orten im Konzertraum zu finden sein, während die Bühne von einem Bläser- und Schlagzeugensemble okkupiert wird, mit dessen Hilfe Olivier Messiaen über das Geheimnis der Auferstehung sinniert. Vermutlich liegt die Affinität der Musik zur Welt des Transzendenten in ihrem Wesen begründet: Ihre Substanz ist so wenig greifbar wie jene, die Menschen göttlich zu nennen pflegen. Musik offenbart sich dem Hörenden und entzieht sich zugleich. Um an ihren geistvollen Spielen teilzuhaben muss man weder religiös, noch romantisch sein. Nur Ohren zu hören, die wär’n gut. Patrick Hahn Ausführliche Informationen zu allen im Text genannten Konzerten und Opern finden Sie unter www.oper-stuttgart.de Auf dem »metaphysischen Roadtrip«: Aufnahmen in der israelischen Wüste während der Recherche zum Musiktheater wunderzaichen von Mark Andre (Uraufführung: 2. März 2014) 14 Das Journal September /Oktober /November 2013 15 06. Ballettabend FORT// SCHRITT// MACHER Choreographien von Marco Goecke, William Forsythe und Hans van Manen Wegbereiter des Tanzes Mit den Choreographen Marco Goecke, Hans van Manen und William Forsythe bringt FORT//SCHRITT//MACHER drei Wegbereiter, Neuerer und Pioniere des Tanzes zusammen. Zugleich vereint dieser Ballettabend zwei Höhepunkte der Spielzeit 2013/14: Hauschoreograph Marco Goecke kreiert seine erste Uraufführung am Opernhaus seit dem Jahr 2010, außerdem steht nach längerer Zeit wieder eine Stuttgarter Erstaufführung von William Forsythe auf dem Programm. Bewegungsanalytiker: Marco Goecke »Im Tanz habe ich die Freiheit, die Welt auf den Kopf zu stellen«, sagt der Choreograph Marco Goecke. Und auf den Kopf stellt er auch immer wieder den Tanz selbst. Der Hauschoreograph des Stuttgarter Balletts ist mittlerweile weltbekannt für seinen ganz eigenen kompromisslosen Stil, der niemals künstlerischen Vorbildern nacheifert und gerade deshalb so unvergleichlich ist. Mit seiner fiebrigen, vibrierenden und energiegeladenen Bewegungssprache sprengt er die Grenzen des klassischen Tanzvokabulars, verändert die Sicht auf den Körper. Hoch virtuos erforscht er das menschliche Bewegungsspektrum, zerlegt jede Geste in ihre Einzelteile. Dabei sind seine Werke voll von nachdenklichen Momenten, aber auch stark emotional. Meist sind sie schwarz und düster, und trotzdem zeigt Goecke immer wieder seinen speziellen Humor. Neben dem mikroskopischen Blick auf den Körper gewährt er psychologische Blicke in das Innere des Menschen – auch in sein eigenes. Häufig hat er schon gestanden, dass er seine Werke nicht zuletzt entwickelt, um sich selbst kennen zu lernen, dass sie seine persönliche Gefühlswelt und Erfahrungen widerspiegeln. Nun kreiert Marco Goecke seine erste Uraufführung seit 2010 im Stuttgarter Opernhaus. Seine enge Beziehung zu Stuttgart begann im Jahr 2001, als er erstmals eines seiner Werke im Rahmen der Junge Choreographen-Abende der hiesigen Noverre-Gesellschaft zeigte. Seine erste Auftragsarbeit für das Stuttgarter Ballett, zu dessen Hauschoreograph er im September 2005 ernannt wurde, folgte mit Sweet Sweet Sweet, weitere Werke waren u.a. die beiden Handlungsballette Der Nussknacker und Orlando sowie zuletzt Black Breath, das er 2012 für den Ballettabend Körpersprache 3 im Schauspielhaus kreierte. Der mehrfach preisgekrönte Choreograph hat in den vergangenen Jahren außerdem bei namhaften internationalen Compagnien eine beachtliche Anzahl außergewöhnlicher Uraufführungen geschaffen. Besonders dem Scapino Ballett in Rotterdam war er eng verbunden, hier war er von 2005 bis 2013 zusätzlich zu seiner Position in Stuttgart als Hauschoreograph engagiert. Ab der Spielzeit 2013/14 wird Marco Goecke für drei Jahre als »Associate Choreographer« beim renommierten Nederlands Dans Theater (NDT) in Den Haag wirken. Neuerer des Tanzes: Hans van Manen Als Gründungsmitglied und späterer künstlerischer Leiter von ebendiesem Nederlands Dans Theater war Hans van Manen zu Beginn der 1960er Jahre Initiator und prägende Kraft einer der innovativsten Compagnien unserer Zeit. Von ihm stammt die zweite Choreographie des Ballettabends FORT//SCHRITT// MACHER: Frank Bridge Variations. Hans van Manen, der im Juli 2012 seinen 80. Geburtstag feierte, gilt als einer der bedeutendsten Choreographen des 20. Jahrhunderts. Bereits seit über 50 Jahren beeinflusst er die europäische Ballettszene wie wenige andere. Weltweit befinden sich seine Werke im Repertoire der renommiertesten Compagnien. Auch am Stuttgarter Ballett ist van Manen ein gern und häufig gesehener Gast. Die Compagnie tanzte bisher über 20 Stücke des Choreographen und kann damit auf das umfangreichste van Manen-Repertoire außerhalb der Niederlande blicken. Van Manens Stücke sind von bestechender Klarheit und trotzdem raffiniert, stellen Beziehungen und Emotionen allein durch die Körper der Tänzer dar. Die große Musikalität, die van Manens Choreographien zutiefst zu eigen ist, zeigt sich in seinen 2005 uraufgeführten Frank Bridge Variations ganz deutlich. Die höchst unterschiedlichen Stimmungen der gleichnamigen Komposition Benjamin Brittens greift van Manen kunstvoll in seiner Choreographie auf, die sich umkreisenden Paare, intensiv und spannungsvoll, schwanken zwischen Zurückhaltung und explosionsartigen Ausbrüchen. Vermessung des klassischen Balletts: William Forsythe Mit William Forsythe reiht sich ein weiterer Tanztüftler in die Reihe der FORT//SCHRITT//MACHER ein. Sein workwithinwork wird im Rahmen dieses Ballettabends erstmals in Stuttgart aufgeführt und ergänzt das breite Forsythe-Repertoire der Compagnie. Wie so viele Choreographen hat William Forsythe eine ganz besondere Beziehung zum Stuttgarter Ballett. Er war einer der letzten Tänzer, die Ballettdirektor John Cranko kurz vor seinem Tod im Jahr 1973 engagiert hatte. Einige Jahre später – mittlerweile war Marcia Haydée Direktorin des Stuttgarter Balletts geworden – machte er dann erste Schritte als Choreograph. Seither lotet er die Grenzen des Tanzes immer wieder aus, setzt die Formen des klassischen Balletts ganz neu zusammen. Zu Beginn noch durchaus neoklassisch, ganz seinem großen Vorbild George Balanchine verpflichtet, wurde sein Stil schnell immer eigenwilliger. Selbst seine eigene Tanztechnik hat Forsythe entwickelt – unter dem Titel »Improvisation Technologies« verlangt sie von den Tänzern aktive Teilnahme am künstlerischen Prozess anstelle von stummer Nachahmung der vom Choreographen vorgegebenen Schritte. Forsythe befreit das Ballett völlig unerschrocken von sämtlichen Zwängen, dehnt, kippt, erweitert und beschleunigt das Bewegungsvokabular. Uraufgeführt im Jahr 1998 beim Frankfurt Ballett, gilt workwithinwork als letztes Werk aus Forsythes Reihe von Balletten über das Ballett. Während fast alle Werke Forsythes auf unterschiedliche Art und Weise den Tanz selbst zum Gegenstand machen, steht die Reflexion dieser Kunstform in diesen »Ballet-Ballets« besonders im Mittelpunkt. Auch mit workwithinwork vermisst Forsythe die Möglichkeiten des Balletts, lässt 21 Tänzer mit den Bewegungen des klassischen Tanzes spielen und experimentieren. Dabei wandelt er einfühlsam Luciano Berios Duetti per due violini, live musiziert auf der Bühne, in Tanz um. FORT // SCHRITT // MACHER So unterschiedlich die Stile dieser drei Choreographen auch sein mögen, eines haben sie mindestens gemeinsam: Marco Goecke, William Forsythe und Hans van Manen haben der europäischen Ballettwelt der vergangenen Jahre und Jahrzehnte maßgebliche Neuerungen gebracht und die Entwicklung des Bühnentanzes kreativ und kühn vorangetrieben. Sie machen dem Namen dieses Ballettabends, FORT//SCHRITT//MACHER, alle Ehre. Kristina Scharmacher Ballettabend: FORT // SCHRITT // MACHER Choreographien von Marco Goecke, Hans van Manen und William Forsythe Uraufführung Choreographie: Marco Goecke; Musik: Johannes Maria Staud, Edward Elgar; Bühne und Kostüme: Michaela Springer; Licht: Udo Haberland Frank Bridge Variations Choreographie: Hans van Manen; Musik: Benjamin Britten; Bühne und Kostüme: Keso Dekker; Licht: Bert Dalhuysen; Uraufführung: 18. März 2005, Het Nationale Ballet, Amsterdam; Erstaufführung beim Stuttgarter Ballett: 14. Januar 2011 workwithinwork (Erstaufführung beim Stuttgarter Ballett) Choreographie, Bühne und Licht: William Forsythe; Musik: Luciano Berio; Kostüme: Stephen Galloway; Uraufführung: 16. Oktober 1998, Ballett Frankfurt, Frankfurt am Main Musikalische Leitung: James Tuggle Premiere: 8. November 2013 // 19:00 Uhr // Opernhaus Weitere Vorstellungen im Opernhaus: 12.11. // 14.11. // 01.12. // 07.12. // 08.12. // 10.12. // 15.12. (nm/abd) // 18.12.2013 Maria Eichwald und Marijn Rademaker in Frank Bridge Variations Fotos: Stuttgarter Ballett 16 Das Journal September /Oktober /November 2013 17 07. Helden-Geschichten 07. Der Opern-Herbst mit vier Inszenierungen von Andrea Moses E i n at i o n a l e s intern eni l i m Fa n e m h e n r e t un ANDREA MOSES gehört zum Leitungsteam des Opernintendanten JOSSI WIELER . Nach ihren vielbeachteten Inszenierungen in Meiningen und Dessau hat sie seit 2011 bereits fünf Opern in Stuttgart auf die Bühne gebracht, darunter so unterschiedliche Werke wie Alban Bergs Wozzeck, Glucks Iphigenie in Aulis oder Mozarts Don Giovanni. In dieser Spielzeit kommen zwei weitere Neuinszenierungen dazu. Heimat-Oper In den ersten Monaten der Spielzeit 2013/14 stehen u.a. vier Inszenierungen der Leitenden Regisseurin Andrea Moses auf dem Programm der Oper Stuttgart: La Cenerentola (Aschenputtel) von Gioachino Rossini, Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart, Fausts Verdammnis von Hector Berlioz und die Premiere von Giuseppe Verdis Falstaff. »Natürlich freue ich mich, dass hier mehrere Stücke von mir ›nebeneinander‹ auf der Bühne der Oper Stuttgart zu sehen sind«, sagt Andrea Moses. »Das ist einer der großen Vorteile des Weges, den wir in Stuttgart eingeschlagen haben: Nicht das kurzfristige Engagement von Sängern und Regieteams für einzelne Produktionen, sondern die kontinuierliche und längerfristige Arbeit von Künstlern an einem Haus, an einem Ort. Auch für mich ist es beeindruckend, wie die Vorteile dieses für die heutige Opernlandschaft eher untypischen Weges jetzt greifbar werden. Es geht dabei weniger nur um Regiehandschriften, als vielmehr auch um die Handschriften des ganzen Ensembles auf der Bühne. Gerade wenn man verschiedene Inszenierungen, die vom selben Ensemble und Produktionsteam erarbeitet wurden, innerhalb weniger Tage an einem Haus erleben kann, wird besonders deutlich, welche großartige Qualität das Stuttgarter Ensemble, der Chor und das Orchester haben.« v.l. Diana Haller (Cenerentola), Enzo Capuano (Don Magnifico), Tisbe (Maria Theresa Ullrich) und Catriona Smith (Clorinda) in La Cenerentola Fotos: A.T. Schaefer 18 Sich einer solchen besonderen Nähe und Kontinuität der Zusammenarbeit auszusetzen, ist aber auch nicht immer ganz leicht: »Es ist wie in jeder großen Familie: Manchmal kann man eine bestimmte Nähe nicht aushalten, muss es aber, weil man ja zusammen wohnt. Oder es gibt diese Anspannungen vor großen Ereignissen, wie man sie von Geburtstagen oder Sonntagsausflügen kennt, wo oft die Zeit fehlt, um Wünsche oder Ängste eines jeden einzelnen zu berücksichtigen. Kunst und Kompromiss – das ist nicht ganz einfach. Es ist deshalb wichtig, auch den Blick von und nach außen nicht zu verlieren. Vieles relativiert sich so, kann manchmal aber auch gerade dadurch entscheidend bereichert und verändert werden.« Ist Andrea Moses inzwischen in Stuttgart angekommen? »Die Stadt bleibt für mich tatsächlich noch immer etwas fremd. Ich bin in Dresden geboren und habe viele Jahre in Berlin gelebt – vielleicht fehlt mir in der Mitte dieser Stadt das Wasser, der Fluss – etwas, was ich als offene Verbindung zur Außenwelt empfinde. Andererseits habe ich hier ein Publikum gefunden, was sich ganz intensiv und interessiert auch mit mir und meinen Arbeiten beschäftigt, es gibt also einen sehr starken Austausch mit den Menschen dieser Stadt, und das ist mir sehr wichtig.« Dieses Interesse des Stuttgarter Publikums erlebt man in den immer sehr gut besuchten Einführungen zu den Vorstellungen, in den Nach(t)gesprächen nach Vorstellungen, in denen das Publikum Fragen an die Künstler richten kann, aber auch in vielen Briefen oder persönlichen Gesprächen. Viele Gäste kommen regelmäßig oder auch mehrmals in die gleichen Aufführungen, und zwar nicht nur, weil diese ihnen besonders gefallen haben – manche kommen gerade deshalb wieder, weil sie eine bestimmte Stelle einer Inszenierung oder der Musik noch nicht ganz verstanden haben, weil bestimmte Themen zunächst zu komplex erschienen. »Das Stuttgarter Opernpublikum ist sehr interessiert an dem, was auf und hinter der Bühne passiert. Ich finde es großartig, dass sich auch das Publikum tatsächlich mit Kunst beschäftigen und Ideen den Raum und die Chance geben will, sich zu entfalten. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man Kunst nur nach Leistungen wie im Sport beurteilt oder als Unterhaltungs- oder Repräsentationsevent betrachtet. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir eine Institution mit einem Bildungsauftrag sind, also müssen wir auch einen Bildungsanspruch haben. Oper, das ist vor allem ein Ort der Phantasie – und es ist toll, ein Publikum zu haben, das das genauso sieht. Und ja, klar, bei diesem Publikum fühle ich mich nicht nur angenommen, sondern auch angekommen.« ren Fixierung auf den »Verführer«, der dadurch vielmehr als Gejagter und Projektionsfläche für die Menschen erscheint, die sich nicht wirklich trauen, ihre geheimen Wünsche und Träume zu leben. Ähnlich gelingt Andrea Moses der Perspektivwechsel bei Cenerentola. Indem sie hervorhebt, dass Cenerentola zunächst nur gebraucht, nicht aber als Mensch respektiert und geliebt wird, bringt sie den Zuschauer dazu, sich genauer mit den Ansprüchen der sich gegenüberstehenden Welten auseinander zu setzen. Und plötzlich kann die Entscheidung von Cenerentola, nicht das vorgeplante Glück zu wählen, sondern das eigene Leben in die eigenen Hände zu nehmen, als glückliche Lösung empfunden werden. Giovanni wird dem Druck, seine Rolle erfüllen zu müssen, nicht standhalten und untergehen. Cenerentola wird sich dem Druck entziehen, indem sie ihren eigenen Weg sucht. Aber nicht nur diese Möglichkeit zur Gegenüberstellung der beiden Opern ist reizvoll. In beiden Opern kann man in den Hauptrollen zwei großartige Ensemblemitglieder erleben: Diana Haller spielt als Cenerentola den Weg des Selbst-Erkennens und Selbst-Findens unglaublich anrührend und immer selbstbewusster werdend, Shigeo Ishino zeigt beeindruckend einen Giovanni, der sowohl verführerischer Charmeur als auch unglücklicher Gejagter ist. Das Journal September /Oktober /November 2013 Ab dem 17. November steht dann auch Moses’ Fausts Verdammnis von Hector Berlioz wieder auf dem Spielplan – eine Inszenierung, die nach ihrer Premiere zum Spielzeitbeginn 2011 auf der Suche nach dem Teuflischen im Menschen noch immer nichts von ihrer politischen Brisanz verloren hat. Die Titelpartie in dieser großen französischen Oper übernimmt in dieser Spielzeit Matthias Klink, der bis 2010 festes Ensemblemitglied an der Oper Stuttgart war und inzwischen weltweit erfolgreich an vielen großen Opernhäusern gastiert. »Nein, das werden ganz sicher keine Moses-Festspiele! Es ist doch immer eine Gesamtleistung aller Musiker, der Dramaturgie, der Bühnen- und Kostümbildner, des ganzen Hauses. Vielleicht kann man die Stuttgarter Oper seit Beginn der Intendanz von Jossi Wieler als ein internationales Familienunternehmen bezeichnen – besser kann man eigentlich nicht in dieses Land passen, oder?« La Cenerentola von Gioachino Rossini Musikalische Leitung: José Luis Gomez; Regie: Andrea Moses Weitere Vorstellungen: 20.09. // 24.09. // 27.09. // 02.10. // 12.10. // 18.10. // 21.11. // 24.11. // 29.11. // 13.12. // 17.12.2013 Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart Helden-Geschichten Ab dem 20. September kann man Rossinis La Cenerentola und ab dem 21. September Mozarts Don Giovanni auf der Bühne der Oper Stuttgart erleben. La Cenerentola ist zunächst ein sehr komischer und unterhaltsamer Abend – aber natürlich nicht nur das: »Es ist gerade die Hauptfigur, die das ganze Stück über sehr ernsthaft wahrnimmt, was da mit ihr und um sie herum passiert. Cenerentola lebt anfangs in einer Familie, die nicht wirklich ihre Familie ist und sich auch nicht wie eine Familie zu ihr verhält. Sie wird ›ihren Prinzen‹ finden, den sie – und der bald auch sich selbst – als ähnlich einsam nach dem Glück suchenden jungen Menschen erkennt. Unser Happy End ist das Glück, das beide gemeinsam finden wollen – und das wird nicht in der hoffnungslos reichen, mächtigen Welt des Prinzen sein. Das Glück dieser beiden jungen Menschen besteht darin, dass sie einander gefunden haben und sich auf eine gemeinsame Reise begeben.« Auch in Mozarts Don Giovanni, der vielen Stuttgartern noch von der Live-Übertragung im Sommer 2012 im Schlossgarten in Erinnerung ist, hat Andrea Moses mit ihren Sängern eine eher leichte und witzige Sprache gefunden, um letztlich gerade deshalb die ernsten Seiten der Oper klarer erkennbar zu machen. Giovanni ist, ähnlich wie Cenerentola, das Zentrum einer Gesellschaft, beide haben etwas, was den Menschen um sie herum fehlt. Im Giovanni lenkt Andrea Moses den Blick auf die Wünsche der Frauen und zeigt so de- beitet. Wir kennen uns schon sehr lange und haben bereits gemeinsam im Schauspiel gearbeitet. Das wird jetzt unsere erste gemeinsame Opernproduktion.« Musikalische Leitung: Andrés Orozco-Estrada / Willem Wentzel; Regie: Andrea Moses Weitere Vorstellungen: 21.09. // 23.09. // 26.09. // 03.10. // 22.10. // 25.10. // 02.11. // 05.11. // 10.11. (nm) // 16.11.2013 Falstaff von Giuseppe Verdi Musikalische Leitung Sylvain Cambreling / Till Drömann; Regie Andrea Moses Premiere: 20. Oktober 2013 // 18:00 Uhr // Opernhaus Andrea Moses, Leitende Regisseurin der Oper Stuttgart Am 20. Oktober folgt mit der ersten Premiere der neuen Spielzeit die nächste Inszenierung von Andrea Moses an der Oper Stuttgart: Giuseppe Verdis Falstaff. Bei dieser Premiere wird sie erstmals mit dem GMD der Oper Stuttgart, Sylvain Cambreling zusammenarbeiten: »Darauf freue ich mich ganz besonders, schon die ersten Gespräche und Planungen haben gezeigt, dass wir uns nicht nur gut verstehen, sondern einen ganz ähnlichen Blick auf die Komik und das Abgründige des Werks und seiner Figuren haben. Außerdem freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Jan Pappelbaum, der seit vielen Jahren vor allem mit Thomas Ostermeier an der Schaubühne in Berlin zusammenar- Weitere Vorstellungen: 26.10. // 03.11. // 13.11. // 19.11. // 22.12. // 27.11. // 27.12. // 31.12.2013 Fausts Verdammnis von Hector Berlioz Musikalische Leitung: Kwamé Ryan; Regie: Andrea Moses Weitere Vorstellungen: 17.11. // 20.11. // 23.11. // 26.11. // 30.11. // 12.12.2013 19 08. Schauspiel Stuttgart Das Erscheinungsbild Eine Reise wegwohin SPECTOR BUREAU aus Leipzig hat das grafische Erscheinungsbild des Schauspiel Linke Seite Fotos: Arthur Zalewski Rechte Seite Quellen: www.gnosticliberationfront.com/german_left_party_leaders_pay_tr.htm; www.asianfanfics.com/story/view/94581/14/was-it-really-fate-or-just-a-plain-mistake-beast-infinite-romance-yoseob); Fotograf unbekannt Stuttgart für die Intendanz von ARMIN PETRAS entwickelt. Ein Erscheinungsbild kann man präsentieren, aber kann man es auch erzählen? Spector Bureau bediente sich dafür eines V-Effekts, erfand drei Personen, die sich fortgesetzt unterhalten und dabei die unterschiedlichsten Ideen und Haltungen ausprobieren. Das grafische Erscheinungsbild als Dialog im ICE – eine Selbstbeobachtung. 20 Situation: ICE-Großraumabteil. Vor dem Fenster das Saaletal zwischen Naumburg und Weißenfels. Um den Tisch drei Personen; eine Gestalterin, zwei Gestalter. Sie lädt Fotos von der Kamera auf ihren Laptop, die beiden schauen aus dem Fenster oder lesen. Flüchtige Aufmerksamkeit. Vier Stunden Zugfahrt liegen bereits hinter ihnen. Lucian: Die Dino-Begeisterung ernährt heute ganze Industrien: Filme werden produziert, Kinderspielzeug, Freizeitparks. Der Dino ist fester Bestandteil der globalen Popkultur. – Komisch, auf der Theaterbühne findet man trotzdem eher Drachen, aber kaum Saurier. Jelka: Vielleicht, weil das Theater einen anderen Zugriff auf die Vergangenheit hat. Die Evolution ist wohl eher film- als bühnentauglich. Wenn im Theater etwas ausgegraben wird, dann sind es immer noch »alte Knochen«. Jelka: [dreht ihren Laptop so, dass auch die beiden anderen auf den Monitor sehen können]: Schaut mal – die Bilder aus dem Naturkundemuseum. Die sind ganz gut geworden, oder? Ole: »Ach, armer Yorick.« [Alle lachen. Ole greift in seine Tasche. Sein Telefon klingelt.] Ole: Das schwarze Farnblatt im hellen Stein ist schön. Wie alt dieses Blatt wohl sein mag? Ole: Hey Paolo ... Wir sind noch im Zug ... Ja, durch Naumburg sind wir schon durch, dauert vielleicht noch eine halbe Stunde ... Ja, bisschen müde von der langen Fahrt. Aber war gut, dass wir uns mal drei Tage Zeit genommen haben. Alles lässt sich doch nicht vom Schreibtisch aus denken. Irgendwie braucht man ein Gefühl für die Stadt, was da so geht. Wir haben alle viel fotografiert. Wir waren gestern auch im Naturkundemuseum, das ist ganz schön in Stuttgart ... Ich habe mir auch die Zeppelinstraße angeschaut. Du weißt, das Haus von Friedrich Wolf. Sieht aber völlig anders aus als auf den Abbildungen aus den zwanziger Jahren ... Ja, der Württembergische Kunstverein hatte eine sehr schöne Ausstellung, ich habe den Katalog für dich dabei ... Gestern hatten wir ein ganz gutes Gespräch. Es gab einen Satz, der für uns gerade so etwas wie ein Kompass wird. Armin sagte, was er in Stuttgart machen will, soll »maximal historisch, maximal modern« sein. ... Ja, wir versuchen gerade herauszufinden, was »maximal historisch« bedeuten könnte. Wo setzt man an, bei der Geschichte einer Landschaft, bei der Geschichte der Gattung, bei der Naturgeschichte? Deshalb waren wir gestern dann auch noch mal im Naturkundemuseum. Leider waren wir etwas spät dran, wir hatten nur eine halbe Stunde, dann wurde geschlossen. Sind durch die Säle gerannt und haben viel fotografiert ... Heute Vormittag haben wir uns das Theater ansehen können. Der Lucian: Vielleicht 500 Millionen Jahre, vielleicht 400 Millio- nen. Unvorstellbar alt auf jeden Fall. Ole: Versteinertes Leben. Lucian: Sieht toll aus. Aber klick mal weiter. Jelka: [klickt weiter] Diese Dioramen fand ich sehr schön. Wie kleine Bühnen – Lucian: – das ist das große Naturtheater. Ole: [Jelka klickt weiter] Ahh, den Mammut hast Du auch fotografiert, toll. Schick mir das Bild für Florian. Jelka: – aber erst von zu Hause aus. Hier im Zug ist das Netz zu schwach. [klickt weiter] Das obere Keuper – den Saal mochte ich am meisten. Ich habe gelesen, dass vor 200 Millionen Jahren ganze Teile von Süddeutschland im Meer lagen. Ole: [klickt weiter] Das hier ist wohl der Rest eines Haifischs. [klickt weiter] Lucian: Nein, das sind Knochenfische. „Alle Zeiten sind gleichzeitig da, nebeneinander. Das ist im Theater möglich.“ Jelka: [klickt weiter, lacht] Und hier: fossiler Kot. [klickt wei- ter] Ole: Die Fotos von den Sauriern brauche ich auch. Die werde ich Florian ausdrucken. Lucian: Gestern Nacht im Hotel habe ich noch eine BBC- Sendung gesehen. Da wurde erzählt, dass Menschen erst seit knapp 200 Jahren überhaupt eine Idee davon haben, dass es irgendwann einmal Saurier auf der Erde gegeben hat. Die Paläontologie als Wissenschaft setzte Anfang des 19. Jahrhunderts ein. Bis dahin wurden all diese urzeitlichen Funde unter der Bezeichung »alte Knochen« subsummiert. Der Saurier als naturwissenschaftliche Vorstellung ist ein Produkt des vorletzten Jahrhunderts. Jelka: Du willst sagen, Shakespeare kannte keine Saurier? Lucian: Ja – wahrscheinlich wusste nicht einmal der »Bergbauminister« Goethe, der sich ja auch in die verschiedensten naturwissenschaftlichen Spekulationen vertiefte, dass diese »alten Knochen« wenn man sie zusammenfügt, die Spur einer fernen Erdepoche freilegen. Jelka: Meinst Du wirklich? – Warte, ich google mal. [dreht ihren Laptop zu sich und tippt etwas ein] – Nein, da kommt Das Journal September /Oktober /November 2013 oben Die Geschwister Konrad und Markus Wolf mit ihrem Vater Friedrich Wolf, aufgewachsen in der Stuttgarter Zeppelin Straße, auf dem Foto bereits im Moskauer Exil. Mitte Carcrash: Berührung zwischen Maschinen. unten Hans Poelzigs Großes Schauspielhaus Berlin, in den Jahren 1918/19 erbaut: eine expressionistische Tropfsteinhöhle. wirklich überhaupt nichts Brauchbares, wenn ich hier »Goethe« und »Saurier« eingebe. Nichts, was einen konkreten Hinweis darauf geben würde, dass Goethe bereits eine präzise Idee von diesen ausgestorbenen Riesenechsen hatte. Ole: Verrückt ... und heute weiß jedes Kind, kaum dass es laufen kann, was ein Saurier ist. Florian kennt die Namen der verschiedenen Saurierarten. Weiß, welche von ihnen Pflanzenfresser sind und welche angriffslustige Fleischfresser. Diese unförmigen Kolosse sind tief in der Phantasie unseres Jungen verankert. Das halbe Kinderzimmer steht voll von Dinos. Bau ist aus den sechziger Jahren, der Zuschauerraum ist gerade völlig umgebaut worden. Die Wände haben so unregelmäßig kristalline Formen. Mich hat es etwas an Hans Poelzigs Großes Schauspielhaus in Berlin von 1918 erinnert. Du weißt, diese expressionistische Tropfsteinhöhle ... Ja, vielleicht lässt sich mit diesem Höhlenmotiv weiterarbeiten. Weißt du, wie in Werner Herzogs Film »Die Höhle der vergessenen Träume« ... Ja, das Theater als Höhle ... In dem Film erzählte einer der Archäologen, dass diese Wandbemalungen eingebunden waren in Tanzrituale. Das heißt doch, dass diese Höhlen die frühesten Spuren für das sind, was wir heute Theater nennen, oder nicht? ... Ja, ein gestalteter Innenraum, in dem die Konflikte einer gefahrvollen und oft unverständlich bleibenden Außenwelt in Gemeinschaft nachgespielt und verarbeitet werden ... Nein, wenn du dich von dieser Fortschrittsidee des 19. Jahrhunderts löst, nicht. Ich würde sagen: Alle Zeiten sind gleichzeitig da, nebeneinander. Das ist im Theater möglich, stelle ich mir zumindest so vor ... Ja, wenn du dir den Spielplan anschaust, dann stehen da ja alle Zeiten nebeneinander. Urgötz, das ist eine Geschichte aus dem späten 15. Jahrhundert aus der Perspektive des 18. Jahrhunderts erzählt; Onkel Wanja 21 08. ist spätes 19. Jahrhundert, Der Reigen frühes 20. Jahrhundert ... Das kalte Herz – 19. Jahrhundert ... Fahrerflucht von Alfred Andersch spielt in den fünfziger Jahren, Wirtschaftswunder, Nachkriegsjahre. ... Dann die sechziger und siebziger Jahre: Vespers Die Reise, Godards Week-End, Bergmans Szenen einer Ehe, Hirnbonbon nach Dieter Roth ... Bei Schulden. Die ersten 5 000 Jahre ist es sogar ein riesiger Zeitraum, fünftausend Jahre, der da bearbeitet wird. Warum sollten wir da nicht noch ein Stück weiter zurückgehen ... Ja, bis zu den Höhlen von Lascaux und Chauvet ... Oder bis zum Faustkeil. Schließlich ist das eines der frühesten Werkzeuge zur Bearbeitung der menschlichen Umwelt ... Und darum geht es doch im Theater fortwährend: die Dinge zerlegen, sie bearbeiten, mit ihnen umgehen lernen ... Ich finde, der Faustkeil ist ein paradoxer Gegenstand ... Irgendwie beides: Rationalität und Aggression ... Ja, das müsste eigentlich heute noch zurück. Aber ich werde zu spät hier ankommen, um das noch selbst zu erledigen. Vielleicht kannst du in der Bibliothek anrufen, meine „Spurensuche meint eine Aufmerksamkeit für einen konkreten Ort, und das, was man an ihm vorfindet.“ Benutzerkarte liegt auf dem Kühlschrank: ja, die Konrad WolfBiografie müsste zurück, außerdem der Penck, die drei BenseBücher, der Baumeister und dann noch der große Rauschenberg und der Soulage. Kannst du das für mich machen? ... Ja, ich muss in den nächsten Tagen in die Bibliothek, will einige Bücher zu Steinzeitkunst und Höhlenmalerei heraussuchen. Außerdem gibt es ein Buch von Ivan Nagel über Dannecker ... Ja, ich bring noch ein Brot mit ... Okay, bis gleich. [Ole legt sein Handy auf den Tisch. Sieht, dass in der Zwischenzeit noch eine SMS gekommen ist, die er schnell beantwortet.] Jelka: Schaut mal, hier ist gerade eine E-Mail von den Dramaturgen gekommen. Sie haben uns den Link zu einem Buch geschickt. Ein schwäbischer Jugendbuchklassiker, schreiben sie. David Friedrich Weinland »Rulaman. Erzählung aus der Zeit des Höhlenmenschen und des Höhlenbären«. – Hier gibt es auch einen Leserkommentar zu dem Buch: »Da ich am Rande der Schwäbischen Alb groß geworden und bei jedem zweiten Schulausflug durch die Rulamanhöhle gekrochen bin, war dieses Buch für mich schon als Kind eine Lieblingslektüre, aber auch jetzt, nachdem ich es über dreißig Jahre später noch einmal hervorgeholt und gelesen habe, hat es nichts von sei- 08. nem damaligen Zauber verloren. Ich halte es immer noch für eines der schönsten Jugendbücher, die ich kenne. Auch meine Kinder, denen ich das Buch aus meiner Heimat wärmstens ans Herz legte, bestätigten, dass es trotz der altmodischen Sprache spannend und absolut lesenswert sei.« – Soll ich versuchen, das mal auf irgendeiner Antiquariatsseite für unseren Handapparat aufzustöbern? Ole: Vielleicht wäre eine Max Bill-Monografie oder ein Buch über die HfG Ulm für unsere Recherche wichtiger als ein Jugendbuch über das Leben in der Steinzeit. Lucian: Gestern, als wir mit den Dramaturgen über »Spurensuche« gesprochen haben, kam mir seltsamerweise sofort die Assoziation »Schatzgräber«. Für mich verbindet sich Spurensuche mit der Vorstellung, verschüttete Dinge auszugraben; oder etwas, das in der Erde verborgen ist, frei zu legen. In Schichten denken, die Zeiten liegen übereinander. Auch die Stoffe. Schulden. Die ersten 5000 Jahre liegt über dem Kalten Herz, Week-End über Fahrerflucht. Ole: Die alten Knochen. Lucian: Ja, man muss sie nur richtig zusammensetzen. Jelka: Du meinst, man müsste ähnlich vorgehen, wie die Geschichtslehrerin Gabi Teichert in Alexander Kluges Film »Die Patriotin«, die mit ihrem Spaten loszieht, um die deutsche Geschichte freizulegen? Der erste Satz des Films lautet: »Gabi Teichert, Geschichtslehrerin, Patriotin, d.h. sie nimmt Anteil an allen Toten des Reiches.« – und dann sieht man, wie sie mit dem Spaten loszieht. Alexander Kluge hat hier ein abstraktes Interesse in eine konkrete Handlung übersetzt. Lucian: Ja, graben könnte man als eine Methode verstehen, als eine Form, sich in die Geschichte hineinzuarbeiten. Ole: (lacht) Dann wäre der Spaten vielleicht sogar geeigneter für die Eröffnungskampagne als der Faustkeil. Ich hatte gestern überhaupt keine Assoziationen in Richtung Archäologie oder Paläontologie. Spurensuche findet für mich absolut in der Gegenwart statt. Es ist eher eine Umgangsweise mit Raum, die Aufmerksamkeit für einen konkreten Ort und das, was man an ihm vorfindet. Suchen heißt: für unterschiedliche Situationen offen sein. Aber nicht in diesem kriminalistischen Sinne, nicht wie Sherlock Holmes, der sich einmal umschaut, und dann die verstreuten Spuren zusammenträgt, die ihm erzählen wie sich ein vergangenes Ereignis zugetragen hat. Spurensuche ist kein Puzzlespiel. Eher eine Aufmerksamkeit dafür, was alles nebeneinander an einem bestimmten Ort da ist. Bei Ezra Pound gibt es diese Idee des Periplus. Die Küste, wie sie Seefahrer sehen. Die Erfahrung verschiedener Zeiten im Jetzt des fahrenden Schiffes. Alle Einzelentdeckungen werden laufend relativiert, erst in der Umkreisung wird der Ort sichtbar, nicht auf der Landkarte. Lucian: (lacht) In der Tat – Ezra Pound war ein Meister darin, »die alten Knochen« aufs Neue zusammenzusetzen. oben Rätselstein von Westerstetten unten Naturkundemuseum Stuttgart 22 Spector Bureau Fotos: Arthur Zalewski Ole: Ja, aber gestern in unserem Gespräch hieß es es ja auch »maximal historisch, maximal modern«. Pounds »Cantos« wären ein gutes Studienobjekt dafür, wie sich eine solche paradoxe Forderung einlösen ließe. »Maximal historisch, maximal modern« ist das Motto einer forcierten Produktivität. Alles wird für Pound zur Ressource, zu einem Teil dessen, was noch zu bearbeiten ist. In den letzten Tagen in Stuttgart hatte ich das Gefühl, dass ein solcher ästhetischer Ansatz sehr gut in diese Stadt passt. Es ist eine der wirtschaftlich produktivsten Regionen Europas. Wenn man durch die Stadt läuft, wird klar, wie hochverdichtet Wirklichkeit hier ist. [kramt in seiner Tasche ein Buch vor, blättert darin und liest] – Hier diese Brinkmann-Passage trifft vielleicht ganz gut, was ich meine: »Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock ’n’ Roll-Sänger machen weiter, die Preise machen weiter, Tag und Nacht machen weiter, der Mond geht auf, die Sonne geht auf, die Augen gehen auf, Türen gehen auf, der Mund geht auf, man spricht, man macht Zeichen, Zeichen an den Häuserwänden, Zeichen auf der Straße, Zeichen in den Maschinen, die bewegt werden, Bewegungen in den Zimmern, durch eine Wohnung, wenn niemand außer einem selbst da ist, Wind weht altes Zeitungspapier über einen leeren grauen Parkplatz, wilde Gebüsche und Gras wachsen in den liegengelassenen Trümmergrundstücken, mitten in der Innenstadt, ein Bauzaun ist blau angestrichen, an den blauen Spector Bureau ist ein Verbund von Gestaltern, Autoren, Künstlern, Fotografen und Programmierern, der sich um den Leipziger Verlag Spector Books gebildet hat. Am grafischen Erscheinungsbild für die Intendanz von Armin Petras am Schauspiel Stuttgart arbeiteten Markus Dreßen, Jakob Kirch, Christoph Knoth, Katharina Köhler, Jan Wenzel und Arthur Zalewski. www.spectorbureau.com www.spectorbooks.com Das Journal September /Oktober /November 2013 23 08. Bauzaun ist ein Schild genagelt, Plakate ankleben Verboten, die Plakate, Bauzäune und Verbote machen weiter, die Fahrstühle machen weiter, die Häuserwände machen weiter, die Innenstädte machen weiter, die Vorstädte machen weiter.« Spurensuche heißt in diesem Zusammenhang, den flüchtigen Moment der Sichtbarkeit und Lesbarkeit nutzen zu lernen. Denn in einem Raum forcierter Produktivität, in einem Raum, in dem fortwährend von allen Seiten aus hineinproduziert wird, ändert sich die Positionierung aller Elemente zueinander permanent. Alles folgt seiner eigenen Dynamik, und macht weiter – die Plakate, die Bauzäune, die Verbote. Der Crash ist der Normalfall; die Karambolage der Zeiten genauso wie der Zusammenprall der Autos. Das Einzige, was unveränderlich erscheint, sind jene dichten Oberflächen, durch die die Dinge gleichzeitig »maximal historisch und maximal modern« erscheinen – voller Referenzen und Verweise und trotzdem neuartig. [Jelkas Handy geht. Der Klingelton, die ersten Takte der Gitarre aus Elvis’ »In the Ghetto« ist nicht sonderlich laut, trotzdem erzeugt die Melodie eine gewisse Dringlichkeit. Ole und Lucian schauen auf Jelka.] Jelka: Na, Hallo. Super, dass Du zurückrufst ... Ich könnte in den nächsten Tagen Deine Hilfe gebrauchen ... Ja, malen ... Nein, für das grafische Erscheinungsbild, das wir für das Schauspiel Stuttgart entwickeln. Wir wollen da sehr stark mit gestischen Elementen arbeiten ... Nein, wir wollen selbst eine große Zahl von Gesten produzieren, aber es wäre gut, noch andere in die Produktion mit einzubeziehen, schließlich ist man irgendwo auch limitiert und wiederholt sich ... Wir wollen, verschiedene Texturen und Materialien ausprobieren, um die Ausdruckskraft der Geste, ihre Rauheit, Beiläufigkeit und Expressivität besser zu verstehen ... Ja, deshalb frage ich ja dich ... Nein, das bekommst du schon hin ... Wir verstehen diese gestischen Elemente als die Spur einer körperlichen Bewegung, oder auch als körperliche Bearbeitung einer Oberfläche ... Ja, das hat sehr stark mit dem Theater zu tun. Ausdruck entsteht im Theater aus verbalen und kinetischen Zeichen, aus Sprache und Gesten ... Klar, diese gestisch-zeichnerischen Elemente passen sehr gut zur Theaterarbeit von Armin Petras ... Ja, wir haben uns einige Aufführungen jetzt angesehen. Im Oktober waren wir auch auf den Proben für Bahnwärter Thiel. Peter Kurth war großartig ... Klar, du weißt doch, wenn ich anrufe, muss es meistens gleich sein ... Ja, wir müssen weiterkommen, Ende nächster Woche ist schon die Präsentation ... Am besten schwarz ... Probiere mal beides: dickflüssig, dünnflüssig. Und auch verschiedene Werkzeuge ... Was weiß ich. Dicke Pinsel, Schwämme, Stofftücher. Was Du hast ... Das, was brauchbar ist, würde ich dann einscannen ... Nein, „Die gestischen Elemente als Spur einer körperlichen Bewegung haben sehr viel mit Theater zu tun.“ so gestempelte Sachen sind nicht so interessant, das ist zu mechanisch ... Also ich muss morgen noch eine Sache für die Druckerei fertigmachen, aber mittags muss das raus sein. Wir könnten uns zum Essen verabreden ... wenn du willst, auch im Mono ... Machmal ist es ganz okay, letzte Woche war es aber wieder einmal unterirdisch ... Okay, das ist besser ... Ja, ich bringe deine DVDs mit ... Okay, bis morgen ... Ciao. [Jelka steckt ihr Handy ein. Zu den anderen] Andrzej ist dabei. [Lucian legt die Kopien beiseite, in denen er, während Jelka telefonierte, gelesen hat.] Lucian: Es fällt auf, wie viele Stücke, die in der nächsten Spielzeit geplant sind, sich auf Stoffe beziehen, die direkt mit Stuttgart und der Region zu tun haben. Ur-Götz, Die Reise, Fahrerflucht, Das kalte Herz, Unterm Rad, Am Schwarzen Berg. Eine Spurensuche im Raum, in der Landschaft, im Imaginären dieser Landschaft. So, als sollte das Theater noch einmal in diesem konkreten Imaginären vor Ort verankert werden. Ole: Warum verankert? Ähnelt das Theater nicht vielmehr Ezra Pounds Schiff, von dem aus die Küste anders betrachtet werden kann als vom Land aus? Lucian: Du meinst, nicht »Die Küste, wie sie die Seefahrer sehen« sondern »Stuttgart, wie es die Theatermacher sehen« – Ole: Ja, die Theaterarbeit als ein Umkreisen, eine Bewe- gung, durch die der Ort auf eine spezische Weise erfasst werden kann, seine Schichten und Geschichten, die »alten Knochen«, die zusammengesetzt das Imaginäre eines bestimmten Raums ergeben. Das Journal September /Oktober /November 2013 Der 2010 – 2012 durch den Architekten Klaus Roth umgestaltete Zuschauerraum des Schauspielhauses mit kristalliner Wandstruktur (Foto: Matthias Dreher) Jelka: Wenn es stimmt, dass die steinzeitlichen Höhlen ein erstes Modell eines sozialen Raumes waren, in dem das Imaginäre produziert und bearbeitet werden konnte, dann bedeutet das auch, diese Höhlen existieren nur, wenn wir sie herstellen, wenn wir einen Raum definieren, in dem wir die Dinge von Außen hineintragen, um sie zu bearbeiten. Diese vielen Stuttgart-Stoffe sind im Prinzip ein Akt des Hineintragens. Lucian: Ich mochte diese Idee des Periplus, von der du erzählt hast. Dieses Verständnis von Raum, von Bewegung im Raum. Warum soll eine Landschaft weniger dramatisch sein als ein Ereignis? Ole: Ja, vielleicht müsste unser Erscheinungsbild auch die- ser Logik folgen. Was würde es konkret bedeuteten, die visuelle Identität einer Institution zu verräumlichen? [Über Lautsprecheransage wird die Ankunft in Leipzig angekündigt. Jelka, Ole und Lucian packen ihre Sachen zusammen und gehen in Richtung Waggontür. Am hinteren Ende des Ganges stauen sich bereits die Reisenden. Im Stehen.] Ole: Ein Erscheinungsbild ist keine Geschichte, die man von links nach rechts, von Anfang bis zum Ende anschaut, sondern etwas, was man immer als Ganzes im Blick hat. Die meisten Erscheinungsbilder basieren auf dem Prinzip der Reduktion. Wie wäre es, einmal den entgegengesetzten Weg zu gehen, und ein Erscheinungsbild zu entwickeln, das auf dem Prinzip der Kombination und dem fortgesetzten Durchspielen unterschiedlicher Relationen beruht? So, wie das Festland zwar auch immer dasselbe bleibt, für die Seefahrer sich aber immer wieder neue Perspektiven auf das Festland ergeben, sich das Festland für sie immer wieder unterschiedlich zusammensetzt. Lucian [während der Zug inzwischen gehalten hat, und die Türen öffnen]: Du meinst, eine visuelle Identität als Landschaft? Ole: Ja, ähnlich wie Gertrude Stein in den zwanziger Jahren die Idee des »Landscape Plays« formulierte. Ihre Intention war, Bühnengeschehen als eine Art Landschaft zu denken, als räumliche Beziehung zwischen einzelnen Elementen. Das bedeutete für sie, dass die Figur auf der Bühne – oder das, was als ihre Identität erscheint – nicht als ein fester Punkt zu begreifen war, sondern als etwas, das der Betrachter erst zusammensetzte. Gertrude Stein hoffte, so etwas beschreiben zu können, das durch Fabulieren allein nicht erfassbar ist. Identität ist für sie nicht in der dramatischen Figur beheimatet, sondern im Publikum. Man hat Identität, wenn man das Publikum hat. Jelka: Vielleicht sollten wir Gertrude Steins poetisches Konzept, ihren Umgang mit Wiederholung und Variation einmal vor dem Hintergrund von der Funktionsweise eines Erscheinungsbildes durchspielen. Ole: Du meinst »I am I because my little dog knows me«? – Aber ich muss los. Lucian: Na denn. I hope your little boy knows you. Bis morgen – Los, Teigfaust !!! Spielzeiteröffnung des Schauspiel Stuttgart Hello! Look at me! Das neue Ensemble stellt sich vor So 29. September // 18:00 Uhr // Schauspielhaus Türöffnung 17:00 Uhr // Eintritt frei! Urgötz von Johann Wolfgang von Goethe Fr 25. Oktober // 19:30 Uhr // Schauspielhaus Die Reise nach dem Roman von Bernward Vesper Fr 25. Oktober, 20:00 Uhr & So 27. Oktober, 16:00 Uhr Nord Szenen einer Ehe nach dem Film von Ingmar Bergman Sa 26. Oktober // 18:00 Uhr // Schauspielhaus Autostück von Anne Habermehl Sa 26. Oktober & So. 27. Oktober, jew. 19:00 & 21:00 Uhr Abfahrt Schauspielhaus 5 morgen von Fritz Kater Sa 26. Oktober // 21:00 Uhr // Nord Onkel Wanja von Anton Tschechow So 27. Oktober // 19:30 Uhr // Schauspielhaus Weitere Premieren und Vorstellungen unter: www.schauspiel-stuttgart.de 25 Plus 10 Fragen an ... O R U M A M S C H L O S S PA R K Cornelius Feil, verantwortlich für die Übertitel an der Oper Stuttgart „Die Übertitel und ich – wir sind eine Symbiose!“ SO 13. Oktober 2013 MI 27. | DO 28. November 2013 »Roméo et Juliette« von Thierry Malandain Musik von Hector Berlioz »Woyzeck« von Christian Spuck Musik von Philip Glass, György Kurtág, Alfred Schnittke u. a. Malandain Ballet Biarritz Ballett Zürich Cornelius Feil bei der Arbeit in seinem »Kämmerchen« 01 04 Seit wann arbeiten Sie an den Württembergischen Staatstheatern? Wie viele Leute bedienen denn die Übertitel an der Stuttgarter Oper? Seit 1981, wobei ich hier bis heute freiberuflich tätig bin. 02 Was genau machen Sie und was ist Ihre Berufsbezeichnung? Ich bin verantwortlich für die technische Einrichtung und Umsetzung der Übertitel, die bei jeder Oper mittels Beamer am Portal projiziert werden. Während der Vorstellung sitze ich in meinem Kämmerchen neben der Königsloge und schalte diese Texte live und von Hand weiter. Und die Bezeichnung? »Übertitelmensch« mag ich nicht. Übertitler vielleicht? Im Spielzeitbuch steht nur »Übertitel: Cornelius Feil«. Das trifft es irgendwie: Die Übertitel und ich, wir sind tatsächlich eine Art Symbiose! [lacht] 03 Wie kamen Sie zu den Übertiteln? 1995 hat die Oper Stuttgart einen Prototyp der ersten computerunterstützten Übertitelungsanlage gekauft. Aber dieses System war noch nicht ausgereift: Manchmal kamen gar keine Übertitel, oder die Anlage zeigte plötzlich die Texte eines anderen Stücks. Also bekam ich als Videotechniker die Aufgabe, ein einfacher funktionierendes System aufzubauen. Dieses verwende ich größtenteils auch heute noch. 08 Seit 1996 bin ich allein dafür zuständig. Die Musik, die spannenden Inszenierungen und das sehr angenehme Klima im Haus halten gesund: In den vergangenen 17 Jahren habe ich keine einzige Vorstellung versäumt. 05 Wie und warum kamen Sie ans Theater? Meine Laufbahn hat 1981 als Statist an der Oper Stuttgart begonnen. Ich stand sogar mal mit Plácido Domingo auf der Bühne! Während meines Gesangsstudiums riet mir mein Lehrer, auch einen »richtigen Beruf« zu erlernen, also wurde ich zusätzlich Fernseh- und Videotechniker. 06 Was war bisher Ihre größte Herausforderung? Eine Herausforderung sind alle deutschen Stücke: Hier müssen Übertitel ganz exakt sein, da die Zuschauer unpräzise Texte sofort erkennen. 07 Karten: (0 71 41) 910-39 00 | www.forum.ludwigsburg.de Meine Lieblingsopern…? Eine meiner Lieblingsopern hier ist Fromental Halévys Die Jüdin: Ich kann diese Oper hundert Mal sehen und bin doch jedes Mal wieder gleich ergriffen. Aber auch manche Sätze in Leoš Janáčeks Schicksal haben einen solchen Bezug zu meinem persönlichen Leben, dass mir manchmal die Tränen kommen. 09 Theater ist für mich… ... ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Daher fehlt mir das Sängerdasein nicht, denn als Darsteller konnte ich nie Theater als »großes Ganzes« erleben. Wenn man auf der Bühne steht, ist man Teil des Kunstwerks. Beim Übertiteln hingegen bin ich von A – Z mitten im Geschehen und Erleben. 10 Das wünsche ich mir: Das klingt vielleicht ein wenig seltsam, aber ich liebe meine Arbeit und die Atmosphäre der Opernvorstellungen so sehr, dass ich mir den eigenen Tod dort vorstellen kann, wo ich ihn im Bühnengeschehen oft erlebe: unbemerkt nach dem letzten Akt in meiner Loge. P in der Kulturmeile beim Staatstheater Stuttgart P Landesbibliothek Konrad-Adenauer-Straße 10, 70173 Stuttgart P Staatsgalerie 420 Plätze - Durchgehend geöffnet 1€ Tageshöchstsatz 12 € Abend-Pauschale Mo - Sa 18 - 6 Uhr Sonn- u. Feiertags-Pauschale ab 6 Uhr max. 4€ Abend-Pauschale max. 4€ Sonn- u. Feiertags-Pauschale ab 6 Uhr 70173 Stuttgart / Postfach 10 43 45, 70038 Stuttgart. Mo - Sa 18 - 6 Uhr max. 5€ max. 4€ max. 4€ Dauerparkberechtigung pro Monat inkl. USt. 115,61 €. P Haus der Geschichte 175 Plätze Konrad-Adenauer-Straße 3, 70173 Stuttgart 59 Plätze - Durchgehend geöffnet - Tageshöchstsatz Abend-Pauschale Mo - Sa 18 - 6 Uhr Sonn- u. Feiertags-Pauschale ab 6 Uhr Förderer des Stuttgarter Balletts 1€ jede angefangene ½ Stunde Die Stuttgarter Staatstheater bieten Oper, Ballett und Schauspiel auf höchstem Niveau. Private Förderung trägt dazu bei, dieses herausragende und umfassende Kulturprogramm aufrecht zu erhalten. Das Engagement des Fördervereins der Staatstheater Stuttgart reicht von der Unterstützung von Theaterprojekten an Schulen, der Finanzierung von Stipendien bis hin zur Förderung besonders wichtiger Produktionen. 12 € Tageshöchstsatz 4€ Abend-Pauschale 4€ Sonn- u. Feiertags-Pauschale ab 6 Uhr för derv er ein der sta atsth e ater stu ttga rt e.v. 1€ 12 € Mo - Sa 18 - 6 Uhr 4€ 4€ Partner der Oper Stuttgart Ihr Partner rund ums Parken 26 SPITZENKUNST FÖRDERN – EXKLUSIVE VORTEILE GENIESSEN Als Mitglied oder Stifter sind Sie bei uns in bester Gesellschaft. Erleben Sie Theater hautnah – bei Proben, Sonderveranstaltungen und exklusiven Gesprächen mit den Künstlern der Staatstheater. Wir informieren Sie gerne: jede angefangene ½ Stunde Hauptsponsor des Stuttgarter Balletts 12 € Flanier-Pauschale Mo - Sa 15 - 6 Uhr - Durchgehend geöffnet - Impressum: Herausgeber Die Staatstheater Stuttgart // Geschäftsführender Intendant Marc-Oliver Hendriks // Intendant Oper Stuttgart Jossi Wieler // Intendant Stuttgarter Ballett Reid Anderson // Intendant Schauspiel Stuttgart Armin Petras // Redaktion Oper Stuttgart: Sara Hörr, Claudia Eich-Parkin Stuttgarter Ballett: Vivien Arnold, Kristina Scharmacher Schauspiel Stuttgart: Meike Giebeler, Jan Hein // Gestaltung Anja Haas // Gestaltungskonzept Bureau Johannes Erler // Druck Bechtle Druck&Service // Titelseite Innenansicht Schauspielhaus Stuttgart. Foto: Matthias Dreher // Redaktionsschluss 22. Juli 2013 // Hausanschrift Die Staatstheater Stuttgart, Oberer Schloßgarten 6, 1€ Tageshöchstsatz 5€ Dauerparkberechtigung pro Monat inkl. USt. 115,61 €. Konrad-Adenauer-Straße 3, 70173 Stuttgart Auf dem Monitor, auf dem ich den Dirigenten sehen kann, erkenne ich auch die ersten Reihen des Publikums. Hier muss man den Kopf stark in den Nacken legen, um die Übertitel zu sehen. Das sieht aus wie bei einem Tennismatch – nur vertikal statt horizontal. 123 Plätze jede angefangene ½ Stunde max. P Landtag Das schönste oder vergnüglichste Erlebnis? Konrad-Adenauer-Straße 32, 70173 Stuttgart - Durchgehend geöffnet - jede angefangene ½ Stunde Flanier-Pauschale Mo - Sa 15 - 6 Uhr för de rv e r e i n de r sta atst h e at e r st u t tg a rt e .v. Huberstr. 3 · 70174 Stuttgart · [email protected] Parkraumgesellschaft Baden-Württemberg mbH Tel.: 0711/89255-0 · Fax: -599 · www.pbw.de Am Hauptbahnhof 2, 70173 Stuttgart Telefon 0711.12 43 41 35, Telefax 0711.12 74 60 93 [email protected] www.foerderverein-staatstheater-stgt.de Konto-Nr. 2413004, BLZ 600 501 01 Typisch BW-Bank Kunden: Haben stets auch die Wertbeständigkeit im Auge. Baden-Württembergische Bank Blicken Sie ganz entspannt der Zukunft entgegen. Mit höchster Sorgfalt und professionellem Know-how finden wir gemeinsam mit Ihnen Lösungen, die Sie überzeugen werden. Das beschert uns seit Jahren sehr gute Ergebnisse bei der Zufriedenheit unserer Kunden.* Erleben auch Sie ausgezeichnete Beratung. * 93 % zufriedene Kunden lt. repräsentativer Kundenzufriedenheitsanalyse 2012 bei Privatkunden. www.bw-bank.de