Personale qualitative Identität an den Grenzen des Lebens - Herbstsymposium KölnDurch das wissenschaftliche Programm führen Dr. Utako Barnikol & Ulrich Langenberg Referenten: Heiner Fangerau : Verantwortungs (loses?) Altern, Daniel Schäfer : Tugend im Alter, Dieter Birnbacher: Demenz und Menschenwürde- philosophische Perspektiven Diskussionsrunde :Susanne Beck & Benno Zabel, Ulrich Langenberg, Utako Barnikol Die normative Bedeutung von Lebensqualität verdient in der klinischen Forschung für Demenzpatienten verstärkte Beachtung. Aus ethischer Perspektive ist zu klären, inwieweit die Berücksichtigung von Lebensqualität in die medizinische Versorgung und Forschung moralisch vorauszusetzen ist. Bei Fragen der Lebensqualität sind zwei Ansätze zu unterscheiden: (i) Wie ist das Leben beschaffen? (ii) Wie soll das Leben beschaffen sein? In Hinblick auf Konzeptualisierungen von Lebensqualität werden normative und evaluative Ansätze beleuchtet, um Grenzen von Wünschenswertem, Gebotenem, Tolerierbarem gegeneinander abzuwägen und in eine komplexen sich gegenseitig beeinflussende Schnittmenge zu überführen. Hierbei werden die ethischen Begriffe subjektivistischer Lebensqualitätsmerkmale objektivistischen Merkmalen von Lebensqualität definiert und voneinander differenziert. von Gleichwohl können die Axiome der subjektiven Lebensqualität nur unter Inkaufnahme intraindividueller und interindividueller Variabilität untersucht werden, wobei das Individuum mit seinen physischen und psychischen Kontextfaktoren selbst die variable Bewertungsinstanz verkörpert. Mit dem Anspruch einer normativen Signifikanz kann dabei nur auf aggregierte Daten zurückgegriffen werden, die einen Teil der Individuen aufgrund der intra und intersubjektiven Variabilität nicht abzubilden vermag. Im Gegensatz dazu lassen sich objektivistische Messinstrumente der Lebensqualität zeitstabil untersuchen, unterliegen aber aufgrund der Fokussierung auf des aussenperspektivistischen Beurteilungsansatzes einer integrativ-ethisch-normativen Unschärfe in Bezug auf die Wünsche und Gefühle des Individuums Ziel der Untersuchungen der subjektivistischen Lebensqualität ist es , gesundheitsspezifische von krankheitsspezifische Faktoren voneinander abzugrenzen und in den Kontext zu umfassender allgemeiner Lebensqualität zu übersetzen und diese in den Zusammenhang der Bedeutung relativer Gesundheit und Krankheit zu setzen Gesundheit kann dabei eine Bedingung der Möglichkeit eines gelingenden Lebens voraussetzen. Dennoch kann auch in Krankheit ein gutes eingeschränkten Handlungszielen Leben gelingen, wenn auch mit zum Teil sehr Hierbei stellt sich also die Frage der genauen Differenzierungen (i) (ia)ob Gesundheit ein Teil von Lebensqualität , oder (ib) Gesundheit deckungsgleich mit Lebensqualität , oder (ic) Lebensqualität ein Teil von Gesundheit unter Einbeziehung von Krankheitssymptomen und Lebenslänge sein kann. (ii) Konkret stellt sich die Frage des Zusatznutzens der Daten von Lebensqualität für die personalisierte medizinische Versorgung Ein Zusatznutzen würde auch bei krankheitsbedingt eingeschränkten Handlungsziele in Form einer Verbesserung gesundheitseingeschränkter Lebensqualität aus ethischer Perspektive unter Einbeziehung konsentierter Zufriedenheitsparadoxe durchaus vor dem Anspruch eines guten gelingendes Lebens bestehen. Die ethische Diskussion frühdiagnostischer Optionen für die Alzheimer Erkrankung und deren Vorstufen in Hinblick auf die subjektivistische Lebensqualität steht noch am Anfang. Sie kann nur zum Teil auf die Debatten zur Frühdiagnose anderer Krankheiten wie Chorea Huntington zurückgreifen, da die Patienten in anderen Lebensphasen betroffen sind und zudem die direkte Relevanz für genetisch Verwandte nicht in dem gleichen Maße besteht. Die prognostische Entwicklung der prädiktiven Medizin ist hierbei überwiegend vorteilhaft aber nicht ohne Ambivalenz. Die Möglichkeiten der prädiktiven oder prognostischen Diagnostik neurodegenerativer Erkrankungen haben in den letzten Jahren zwar stark zugenommen. Jedoch kann das Wissen um die eigene – oder die eines Angehörigen – Prognose auch zu einer schwer erträglichen Last werden, besonders wenn die vorhergesagte Erkrankung (wie zum Beispiel bei Huntington’s Chorea) weder verhindert noch geheilt werden kann. Das Wissen um das Unausweichliche drängt viele direkt oder indirekt Betroffene in tiefe Verzweiflung (Birnbacher D, 2012) Prädiktive Medizin, also das Vorhersagen über die künftige Entwicklung des Gesundheits- bzw. Krankheitszustands bei Frühformen der Alzheimer Erkrankung, setzt zu einem Zeitpunkt an, an dem der Patient noch keine Krankheitssymptome verspürt. Selbst das Wissen um eine mögliche, nicht zwangsläufig zukünftig eintretende Erkrankung in der Zukunft ist nicht unproblematisch. Abhängig von der Lebensplanung und der Umwelt des Patienten kann es zu maßgeblicher Angst und Sorge mit erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Gleichwohl führt die Erweiterung prädiktiver Diagnostik zu Therapieoptionen und medizinischer und nicht-medizinische Prävention, die sonst nicht existieren würden. Auch wenn Prävention im medizinischen Sinne nicht möglich ist, können spätere Krankheitssymptome im Einzelfall wenigstens verhindert, hinausgezögert oder durch Verhaltensanpassung abgeschwächt werden. Andererseits, kann Wissen sowohl eine Entlastung als auch eine Bürde sein; dies trifft insbesondere auf das Wissen um einen selbst zu. Wissen kann befreiend sein, einen aber auch hemmen, Spontanität rauben und die Lebensqualität stark beeinträchtigen In der medizinischen Ethik gilt ein möglichst gutes Verhältnis des Nutzens einer Behandlung zum möglichen Schaden für den Patienten als Ziel. Dies hat für die Frühdiagnostik von neurodegenerativen Erkrankungen zu gelten. Es gilt jene Begleitrisiken und – Belastungen der Frühdiagnostik und Diagnosemitteilung ebenfalls zu bedenken und diese Risiken nach Möglichkeit unter Einbezug geeigneter Kommunikationsformen bei Diagnosemitteilung zu vermeiden. Im Mittelpunkt der medizinethischen und- rechtlichen Betrachtung soll weiterhin der Patient stehen. Die medizinische Behandlung, gerade auch die prädiktive Medizin, ist nicht nur auf sein körperliches Wohlergehen, sondern auch auf die Verwirklichung seiner Selbstbestimmung und Erhalt des subjektiven Wohlbefindens und subjektiver Wahrnehmung hin ausgerichtet. Denn auch der Umgang mit dem Wissen um – mögliche – künftige Erkrankungen kann unter Umständen ein selbstbestimmtes Leben mit angemessener subjektiver Lebensqualität erst ermöglichen. Rechtlich stellt sich die Frage, wie die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Patienten mit Blick auf die anderen Beteiligten, d.h. Arzt, Angehörige, Dritte und die Gesellschaft, geregelt werden kann, oder ob dieser Bereich unberührt bleiben sollte c) Sonderproblem: Einwilligung in die Vorhersage Zudem ist bislang nicht konkret untersucht, welchen Einfluss die Art und Weise der Diagnosemitteilung hat. Eine mit Blick auf den prädiktiven Aspekt wichtige Frage ist deswegen die nach der Einwilligung in die Prädiktion an sich. Zum einen sind Situationen denkbar, in denen das Krankheitsrisiko im Rahmen einer ganz anderen Untersuchung oder Forschung entdeckt wird – in diesen Fällen ist es kaum möglich, den Patienten noch zu befragen, ob er Kenntnis erlangen möchte, da schon die Frage einen Verdacht bei ihm erwecken könnte. Alle Zufallsfunde vorher abzufragen, erscheint ebenfalls nur schwer vorstellbar. Zum anderen ist auch insofern vorstellbar, dass die Einwilligung, ja sogar die vom Patienten gewünschte Untersuchung, nicht wirklich im Bewusstsein aller möglichen Konsequenzen des später erlangten Wissens abgegeben wird. Viele dieser Aspekte werden zumindest im Bereich der Gendiagnostik inzwischen durch Beratungen geklärt und abgefangen, dennoch sind noch viele Fragen rund um das „Recht auf Nicht-wissen“ ungeklärt und werden weiterhin intensiv diskutiert. Quellenangaben: Woopen C 2014. 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Die Achtung vor der Menschenwürde in der Psychiatrie, NeuroMarginal in Neuroaktuell 11 (2015) Maier W & Barnikol UB. Die Indikation für autonomieersetzende Interventionen bei psychisch kranken Menschen. In: Medizinische Indikationen . Ärztliche, ethische und rechtliche Perspektiven. Grundlagen und Praxis Andrea Dörries / Volker Lipp (Hrsg.) Kohlhammer Verlag Stuttgart, 1. Auflage S. 199-211 (2015) Birnbacher D, Klitzsch W, Langenberg U, Barnikol U B. Umgang mit Demenzpatienten: Gemeinsam verantwortete Entscheidungen. DtschArztebl 2015; 112(12): A-514 / B-438 / C-426. (2015)