Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Musterlösung zur 3. Hausaufgabe - Unterrichtsanalyse 1) Vorkenntnisse: Im Rahmen der aktuellen Einheit wurden die folgenden Themen im Unterricht behandelt. Grundkonstruktionen mit Zirkel und Lineal; Konstruktion und Eigenschaften der Achsenspiegelung (Achsensymmetrie); Konstruktion und Eigenschaften der Drehung und Drehsymmetrie; Punktspiegelung und Punktsymmetrie; Winkel: Bezeichnungen und Messung; Konstruktion und Eigenschaften der Verschiebung und Verschiebungssymmetrie; Dabei wurde besonderer Wert auf die Eigenschaften der Kongruenzabbildungen (Längen und Winkel bleiben erhalten) gelegt. Das Verfahren der Beweisentwicklung wurde erst in den letzten Unterrichtsstunden anhand von einfachen Beispielen (Stufen- / Wechselwinkelsatz; Basiswinkel im gleichschenkligen Dreieck) eingeführt. 2) Einordnung Lehrplan: Geometrie, Erfassen und Messen sowie Anwenden (genaue Beschreibung s. Lehrplan) Für die Jahrgangsstufen 7/8 sieht der Rahmenplan die Behandlung von Winkeln in geometrischen Figuren vor. Zu diesem Bereich gehört insbesondere der wichtige Satz über die Winkelsumme im Dreieck. Der Winkelsummensatz für Dreiecke ist von grundlegender Bedeutung für den Aufbau der Geometrie. Seine Aussage ist gleichwertig mit dem Parallelenaxiom2 der euklidischen Geometrie. Er bildet die Grundlage für den Beweis der Winkelsummensätze für Vielecke. Bei der Behandlung der Kongruenzsätze wird er immer wieder angewandt um die fehlenden Winkelmaße zu bestimmen. Die Anwendungen des Winkelsummensatzes sind vielfältig. Seine Stärken werden immer dann deutlich, wenn es darum geht, fehlende, einer Messung unzugänglichen 1 Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Winkel zu bestimmen. Dies wird vor allem in der Architektur oder bei der Land- / Gebäudevermessung oft benötigt. 3) Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Lehrplan angegeben werden: Im Rahmenplan wird gefordert, dass Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten im Mathematikunterricht durch entdeckendes, anschauungsgebundenes und handlungsorientiertes Lernen erworben werden sollen. Dies lässt sich im besonderen Maße im Geometrieunterricht verwirklichen: Das aktive Umgehen mit Material und Objekten, wie das Zeichnen, Messen, Falten, Zerschneiden oder Zusammensetzen, steht im Vordergrund der handlungsbezogenen Aktivitäten. Hierzu erhalten die Schülerinnen und Schüler gleich zu Beginn der Stunde Gelegenheit, indem sie jeweils ein beliebiges Dreieck zeichnen und die Winkel in ihrem Dreieck messen. Im weiteren Verlauf der Stunde werden sie ihre Dreiecke ausund zerschneiden, um durch geschicktes Zusammenlegen der Ecken (Winkel) eine Idee für den Beweis zu finden. 4) Begründungen? (Vgl. alternative Begründungen aus der Vorlesung.) 2 Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Bei fehlendem Lösungsansatz sollte der Lehrer zunächst nachfragen, was dem Schüler klar ist bzw. welche Ideen er hat. An diese Ideen sollte er mit der entsprechenden Begründung ansetzen. Die Schwierigkeit besteht für die Schüler darin, die Idee in eine logisch aufgebaute Argumentationskette einzubauen. Hierbei können die folgenden Fragen helfen: Wovon bist du ausgegangen? Wie bist du bei deiner Begründung vorgegangen? Welche mathematischen Operationen (Abbildungen) hast du verwendet? 3 Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Wenn keine eigenen Ideen vorhanden sind, sollte der Lehrer dem Schüler einen Tipp geben. Z.B. lege die Winkel einmal aneinander. Was fällt dir auf? Die aus der Winkelmessung entstehende Vermutung („Die Summe der Winkel in jedem Dreieck beträgt 180°“) wird von den Schülerinnen und Schülern meist sofort für richtig gehalten, ein Beweisbedürfnis besteht nicht. Um die Schülerinnen und Schüler zu motivieren, diese Vermutung kritisch zu überprüfen, versucht der Lehrer sie mit Fragen zu provozieren. Es ist oft schwierig bei den Schülerinnen und Schülern ein Beweisbedürfnis zu erzeugen. Dies wird aber dringend benötigt, wenn die Schülerinnen und Schüler wirklich kritisch über eine Beweisidee nachdenken sollen. Aber in der Jahrgangsstufe 7 findet der Übergang von der Propädeutik der Geometrie zum beweisenden Geometrieunterricht statt. Es soll nun stärker Wert gelegt werden auf das Argumentieren und Begründen von Aussagen. An dieser Stelle haben die Schülerinnen und Schüler oft zum ersten Mal Kontakt mit Beweisen in der Mathematik. Da die Beweise in der Geometrie oft sehr anschaulich geführt werden können, bietet sich dieses Thema an, um dieses neue mathematische Verfahren einzuführen. In der geplanten Stunde sollen die Schülerinnen und Schüler die Aussage des Winkelsummensatzes selbsttätig entdecken und eine Beweisidee entwickeln / nachvollziehen. 5) Welche Lernziele sollen durch die Unterrichtsstunde erreicht werden? Die Schülerinnen und Schüler sollen: die Vermutung: „Die Winkelsumme in jedem Dreieck beträgt 180°“ formulieren; eine Beweisidee, die u.a. geeignete Verschiebungen verwendet, unter Zuhilfenahme der abgeschnittenen Ecken entwickeln; einen Beweis für die Aussage des Winkelsummensatzes mündlich führen und formulieren. Durch einen handlungsorientierten Einstieg sollen die Schülerinnen und Schüler motiviert werden die Aussage des Winkelsummensatzes selbsttätig zu entdecken. 4 Rinkens/Eilerts 6) Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Wie kann der Unterricht nach dieser Stunde weitergehen? Weitere Unterrichtsthemen: - Außenwinkel - Kongruenzsätze - Flächenberechnung von Dreiecken 7) Thematik im Schulbuch: In den meisten Schulbüchern7 findet man den „Parallenbeweis“. Das Problem bei diesem Beweis liegt in der Entdeckung der Hilfslinie (der Parallele zur Grundseite durch den gegenüberliegenden Eckpunkt). Es gibt verschiedene Ansätze, damit diese Hilfslinie nicht „vom Himmel fällt“. Eine Möglichkeit besteht darin, eine Fläche mit kongruenten Dreiecken zu parkettieren und dann in dem entstehenden Muster jeweils gleiche Winkel (farbig) zu markieren. 8) Vergleiche das Vorgehen der oben aufgeführten Unterrichtsstunde mit dem Vorgehen in dem von dir ausgewählten Buch. Aufgrund der gewählten Abfolge der aktuellen Unterrichtseinheit hat der Lehrer sich für eine andere Beweisidee entschieden. Da bisher die Abbildungen Spiegeln, Drehen, Verschieben und ihre Kongruenzeigenschaften behandelt wurden, bietet die „Abreißmethode“ eine Möglichkeit um die erworbenen Kenntnisse für den Beweis einzusetzen. Hierbei werden die Ecken eines beliebigen Dreiecks abgeschnitten und zu einem gestreckten Winkel zusammengelegt. Dies ist sicher ein beeindruckendes Ergebnis, aber noch kein Beweis. Diesen erhält man, wenn man die abgeschnittenen Winkeln α und β entlang einer Dreieckseite parallel verschiebt. Mit C als gemeinsamen Scheitelpunkt bilden sie zusammen mit dem Scheitelwinkel von γ einen gestreckten Winkel. Die für den mathematischen Beweis erforderliche Hilfslinie ergibt sich dann als Verlängerung der beiden Schenkel der Winkel α und β parallel zur Grundseite. 5