Fortschritte in der Diagnostik angeborener Herzfehler Magnetresonanz- und Computertomographie Dr. med. Gerald F. Greil, Prof. Dr. med. Michael Hofbeck, Prof. Dr. med. Ludger Sieverding, Abteilung Kinderheilkunde II, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen Als bildgebendes Verfahren ist die Magnetresonanztomographie (MRT) für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit angeborenen und erworbenen Herzfehlern eine Methode mit großen Vorteilen. Im Gegensatz zur Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) ist die Bildgebung nicht durch Schallfenster eingeschränkt, d. h. das Herz und die großen Gefäße können auch im Bereich der mit Luft gefüllten Lungen dargestellt werden. Ein Gesundheitsrisiko durch Röntgenstrahlen wie bei der Herzkatheteruntersuchung entfällt. Auch ein Einstich in die großen Gefäße zum Einführen von Herzkathetern ist nicht notwendig. Während der Untersuchung muss der Patient ruhig liegen. Erwachsene Patienten sind über einen Kopfhörer und eine Gegensprechanlage mit dem Untersucher verbunden und können während der Untersuchung Musik hören. Säuglinge und Kleinkinder schlafen während der Untersuchung. In der Regel werden ihnen Beruhigungsmittel gegeben (Abb. 1). Was ist zu beachten? Die Magnetresonanztomographie (auch: Kernspintomographie) wird in einem Magnetfeld durchgeführt, das mehr als 30 000-mal stärker ist als das Magnetfeld der Erde. Wichtig ist die Beachtung von Ausschlusskriterien, bei denen die Durchführung der Kernspintomographie nicht möglich ist. Vor jeder Untersuchung wird Sie Ihr betreuender Arzt ausführlich darüber informieren. So kann z. B. bei Patienten, denen ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde, zur Zeit keine Kernspintomographie durchgeführt werden. Bevor der Raum mit dem Kernspintomographen betreten werden kann, müssen alle metallischen 2 Gegenstände wie Uhren, Brillen, Ohrringe und anderer Schmuck (inkl. Piercing-Schmuck) sowie Haarnadeln oder Haarspangen entfernt werden. Auch Brieftasche bzw. Portemonnaie inklusive Kreditkarten (die Magnetstreifen werden durch die MRT gelöscht) müssen abgelegt werden. Metallteile an der Kleidung, Kleidungsstücke mit einem Reißverschluss, Metallknöpfe oder Ähnliches sollten nicht getragen werden. Bitte informieren Sie Ihren Arzt vor der Untersuchung, falls Ihr Kind eine fest fixierte Zahnspange trägt. Möglichkeiten Moderne Verfahren der Kernspintomographie erlauben neben einer Darstellung der Struktur des Herzens und der großen Gefäße auch die Erfassung der Herzfunktion durch bewegte Bilder und die Messung von Flussvolumina über Gefäßen. Im folgenden soll ein kurzer Überblick über einige Möglichkeiten der MRT gegeben werden: I Bestimmung der Herzfunktion, I Darstellung des Herzens und der großen Gefäße zur Beurteilung angeborener und erworbener Herzfehler, I Darstellung der Herzkranzgefäße, I Stoffwechseluntersuchung des Herzmuskels mit Hilfe der Spektroskopie, I Durchblutungsmessungen. Führende Rolle in der Funktionsdiagnostik Die MRT hat in den letzten Jahren die führende Rolle in der Funktionsdiagnostik des Herzens übernommen. Entscheidende Fortschritte für die MRT haben sich durch die Einführung der EKG-gesteuerten Bildaufnahme und die deutliche Kürzung der Abb. 1: Ein sechs Monate altes Kleinkind ist zur Untersuchung im Kernspintomographen in die Kopfspule gelagert, um optimale Bildqualität zu erreichen. Während der Untersuchung schläft das Kleinkind nach venöser Gabe von Beruhigungsmitteln. Aufnahmezeiten ergeben. Während in der Anfangszeit der MRT die Aufnahmezeiten noch im Minutenbereich lagen, sind jetzt Aufnahmen von mehreren Schichten zu unterschiedlichen Zeitpunkten während eines Herzschlags möglich. Die zeitliche Auflösung von Funktionsuntersuchungen ist derzeit mit einer Auflösung von minimal 20 ms begrenzt, die in kurzen Filmschleifen (Cine) abgespielt werden können. Damit kann in aufeinanderfolgenden Schnitten eine vollständige Darstellung des Herzens zu verschiedenen Zeitpunkten des Herzzyklus erreicht werden: Die Herzmuskelmasse sowie das Volumen der Herzhöhlen werden ermittelt. So kann die Leistungsfähigkeit des Herzens sehr genau bestimmt werden. Das haben Untersuchungen am Tiermodell sowie bei Testpersonen und Patienten nachgewiesen. Eine genauere Analyse der Wandbewegung ist mit der MRT durch Markierung (Tagging) einzelner Herzmuskelregionen möglich. Bei dieser TaggingTechnik wird mit Hochfrequenz-Pulsen ein Linien- oder Gittermuster auf das Herz geprägt. Anschließend können das Verziehen und die Bewegung der Linien- und Gittermuster verfolgt und quantitativ erfasst werden. Diese Technik ist aufgrund der aufwendigen Nachverarbeitung in den Kliniken jedoch noch nicht als Routine etabliert. Die MRT kann auch erfassen, wieviel Blut durch ein Gefäß, z. B. die große Körperschlagader, fließt (Flussvolumen). Das Flussvolumen kann zu verschiedenen Zeitpunkten während eines Herzschlags gemessen werden und erlaubt so die Bestimmung des Auswurfvolumens des Herzens, z. B. über die große Körperschlagader. Da mit dieser Methode auch die Richtung des Blutstroms erfasst wird, kann auch der Grad der Undichtigkeit einer Klappe genau gemessen werden. 3 Abb. 2: Darstellung eines voroperierten Aortenbogens einer 17 Jahre alten Patientin nach Kontrastmittelgabe. Die Verengung des Aortenbogens (CoA) ist deutlich zu erkennen. A = vorne, I = unten, P = hinten, S = oben Abb. 3: Volumenorientierte Darstellung einer hochgradigen Aortenisthmusstenose (CoA) eines fünf Wochen alten Säuglings. Die hochgradige CoA ist nach dem Abgang der großen Gefäße im Bereich der absteigenden Aorta zu erkennen. Rechnergestützt lässt sich die Aorta mit den großen Gefäßen interaktiv in jeder beliebigen Raumrichtung betrachten. Diese Aufnahme wurde ohne Kontrastmittel durchgeführt, während das Kind schlief. S = oben, I = unten, A = vorne, P = hinten Ziel der Forschung ist es, die Genauigkeit und Geschwindigkeit der Funktionsbestimmung des Herzens, insbesondere bei schlafenden, frei atmenden Kindern mit komplexen angeborenen Herzfehlern, zu verbessern. Darstellung der großen Gefäße und des Herzens Die MRT ermöglicht eine hervorragende Darstellung des gesamten Herzens und der großen Gefäße in allen Altersstufen (Abb. 2 und 3). Derzeit stehen verschiedene Methoden zur Verfügung: I Über eine Vene wird Kontrastmittel verabreicht. Sobald das Kontrastmittel in das darzustellende Gefäß gelangt, wird die Aufnahme unter Anhalten des Atems gestartet. In etwa zehn Sekunden 4 Abb. 4: Das gesamte Herz mit den großen Gefäßen wurde mit einer Auflösung von 1,5 mm 3 bei einem 21-jährigen Patienten mit Pulmonalatresie, Ventrikelseptumdefekt (Fallot-Typ) und multiplen aorto-pulmonalen Kollateralen aufgenommen (Abb. A, Ansicht des Patienten von der Seite). wird z. B. die Aorta bei einer Verengung der großen Körperschlagader mit einer Auflösung im Millimeterbereich dargestellt (Abb. 2). Das Anhalten des Atems erfordert einen wachen, zur Mitarbeit fähigen Patienten und die Verwendung von Kontrastmittel. I Neuere Methoden erlauben die Aufnahmen hochaufgelöster dreidimensionaler (3D) Datensätze in freier Atmung ohne Verwendung von Kontrastmittel (Abb. 3). So können z. B. Verengungen der großen Körperschlagader sehr genau vor der Operation bei Patienten aller Altersstufen dargestellt werden. Diese Technik erlaubt ferner die Darstellung des gesamten Herzens. Komplizierte Fehlbildungen des Herzens können nach der Aufnahme in jeder beliebigen Raumrichtung dargestellt werden. So kann ein Kammerscheidewanddefekt bei einer Fallot’schen Tetralogie aus verschiedenen Perspektiven gezeigt werden (Abb. 4). Moderne dreidimensionale Rekonstruktionstechniken erlauben die virtuelle (Abb. 5 A) und reale dreidimensionale R L R Ein Vierkammerblick wurde nach der Datenakquisition virtuell rekonstruiert (Abb. B). Ao = Aorta, RA = rechter Vorhof, RV = rechter Ventrikel, LV = linker Ventrikel, VSD = Ventrikelseptumdefekt Darstellung im Herzmodell (Abb. 5 B) von komplizierten Herzfehlern. Dies erlaubt bereits vor einer Herzoperation die genaue räumliche Beurteilung dieser Strukturen. Darstellung der Herzkranzgefäße Die Darstellung der Herzkranzgefäße ist insbesondere in der Erwachsenenmedizin zur Erfassung von Engstellen im Rahmen der Diagnostik einer koronaren Herzkrankheit von großer Bedeutung. Gerade in diesem Bereich hat die Kernspintomographie große Fortschritte gemacht. Bei Kindern und Jugendlichen gilt es häufig, Fehlabgänge bei unklarer Bewusstlosigkeit und Aussackungen der Herzkranzgefäße bei Kawasaki-Erkrankung abzuklären (Abb. 6, S. 6). Dies ist mit den heute zur Verfügung stehenden Techniken ohne Kontrastmittel bei ruhig liegenden Patienten in freier Atmung gut möglich. Die Befunde der Herzkatheteruntersuchung L Abb. 5: Ein virtuell dreidimensional dargestelltes Herzmodell eines komplizierten Herzfehlers (A) im Vergleich zu der realen Stereolithographie. Der venöse Blutfluss (blau) vom rechten Vorhof in den rechten Ventrikel kreuzt sich mit dem arteriellen Blutfluss vom linken Vorhof in den linken Ventrikel. Der Stumpf der verschlossenen Pulmonalarterie ist eingekreist. Ao = Aorta, DAo = absteigende Aorta, I = unten, IVC = untere Hohlvene, LA = linker Vorhof, L = links, LV = linker Ventrikel, RA = rechter Vorhof, R = rechts, RV = rechter Ventrikel, S = oben, SVC = obere Hohlvene, * = Ursprung der rechten Koronararterie und der Kernspintomographie stimmen hervorragend überein (Abb. 7, S. 6). Es ist davon auszugehen, dass sich in Zukunft die Zahl der Herzkatheteruntersuchungen bei Patienten mit Kawasaki-Erkrankung deutlich verringern lässt. Seit kurzem erlaubt die Kernspintomographie auch die Darstellung der Gefäßwand (Abb. 7, S. 6). Dies eröffnet neue Möglichkeiten bezüglich Diagnostik und Verlaufskontrolle verschiedener Behandlungsmethoden. Weitere Fortschritte bei der Darstellung der Herzkranzgefäße mit Hilfe der Kernspintomographie sind durch den Einsatz neuartiger Kontrastmittel, Verkürzung der Aufnahmezeiten durch Optimierung der Geräte und Aufnahmeprogramme zu erwarten. Nachweis mangelhafter Durchblutung Die MRT bietet zusätzlich die Möglichkeit, Herzmuskelschädigungen nachzuweisen, die durch mangelhafte Durchblutung oder durch Entzündun5 Abb. 6: Eine volumenorientierte Darstellung der rechten Koronararterie eines 7,8 Jahre alten Jungen mit deutlichen Aussackungen der rechten Koronararterie (*). Ao = Aorta, I = unten, L = links, PA = Lungenschlagader, R = rechts, RA = rechter Vorhof, RCA = rechte Koronararterie, RV = rechter Ventrikel, S = oben gen bedingt sind, bevor diese zu Veränderungen der Wanddicke des Herzmuskels führen. Hierzu wird die begleitende Schwellung des Herzmuskels durch besondere Aufnahmetechniken dargestellt (Aufnahmen mit starker T2-Gewichtung). In jüngerer Zeit hat zusätzlich die Beurteilung des zeitlichen Verlaufs der Signalzunahme (wenig Signal = schwarz; viel Signal = weiß) nach Aufnahme eines MRT-Kontrastmittels (sog. „late enhancement“) große Bedeutung, z. B. für den Nachweis von Narbengewebe, erlangt. Hierzu sind hochauflösende Aufnahmen mit besonderer Gewichtung (Aufnahmen mit starker T1-Gewichtung) erforderlich, die den Herzmuskel sehr signalarm (schwarz) und die abgestorbenen Gewebeanteile mit einer höheren Signaldichte (weiß) aufgrund der Kontrastmittelaufnahme darstellen. Computertomographie Auch wenn die MRT-Untersuchung im Kindes- und Jugendalter aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung grundsätzlich vorzuziehen ist, so hat die Multi6 Abb. 7: Die Angiokardiographie der linken Koronararterie (A) eines 2,5 Jahre alten Jungen mit KawasakiErkrankung im Vergleich zur reformatierten MRTUntersuchung (B). Die beiden Hauptäste der linken Koronararterie (LAD = Vorderwandast; LCx = Circumflexa-Ast) sind durch Pfeile gekennzeichnet. Gefäßquerschnitte (Black-Blood Technik) senkrecht zu der Aussackung der linken Koronararterie zeigen die deutlich verdickte Gefäßwand an drei verschiedenen Stellen (Abb. B1, B2, B3). detektor-Computertomographie (MDCT) in einigen Fällen ihre Berechtigung. Mit der MDCT sind hochaufgelöste Aufnahmen, insbesondere im Bereich der Lungengefäße, im Submillimeterbereich möglich. So lässt sich z. B. die sehr komplexe Lungengefäßversorgung bei Kindern mit vollständigem Verschluss der Pulmonalklappe (Pulmonalatresie) und Kammerscheidewanddefekt (Ventrikelseptumdefekt) und der Versorgung der Lunge durch Umgehungsgefäße bereits im Säuglingsalter ohne Herzkatheteruntersuchung mit Auflösungen von 0,4 mm3 darstellen. Auch hier zeigt sich eine hervorragende Übereinstimmung mit den Befunden der Herzkatheteruntersuchung (Abb. 8). Blick in die Zukunft Die Technik der MRT entwickelt sich derzeit mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Eine ständig voranschreitende Entwicklung der Gerätetechnik mit schnellerer und besserer Hard- und Software führt zu raschen Fortschritten bezüglich der Bildqualität und Verkürzung der Aufnahmezei- Abb. 8: Die Bildaufnahme wurde mit Hilfe eines Multidetektor-Computertomographen (MDCT, 64 Zeilen) nach Gabe von Kontrastmittel bei einem sechs Wochen alten Säugling durchgeführt. Die räumliche Auflösung liegt bei 0,4 mm 3 . Daraus wurde ein oberflächenorientiertes dreidimensionales Modell erstellt (B). Eine aorto-pulmonale Kollateralarterie (APC) entspringt aus der absteigenden Aorta (DAo) zur linken und rechten Lunge. Verbindungen mit der unterentwickelten linken (LPA) und rechten (RPA) Lungenschlagader sind deutlich zu sehen. Die Ergebnisse der MDCT-Untersuchung wurden durch die Angiokardiographie bestätigt (A). I = unten, L = links, R = rechts, S = oben ten. Ferner werden derzeit gut verträgliche Kontrastmittel entwickelt, die weiter die Bildqualität und die Möglichkeiten der Diagnostik verbessern. Für viele Bereiche in der Kinderkardiologie gilt der Herzkatheter auch heute noch als der Gold-Standard. So werden Druckmessungen in den einzelnen Herzkammern und Gefäßen, Ballondilatationen zur Dehnung von verengten Gefäßen oder die Darstellung der sehr kleinen Herzkranzgefäße heute routinemäßig im Herzkatheterlabor durchgeführt. Gegenstand der neuesten Forschung ist die Durchführung dieser Eingriffe unter kernspintomographischer Kontrolle. Dies würde die Strahlenbelastung von Patienten mit angeborenen und erworbenen Herzfehlern deutlich verringern und Diagnostik und Therapie weiter verbessern. Zusammenfassung Die Kernspintomographie erlaubt bereits heute die Darstellung des Herzens, der Herzkranzgefäße und der großen Gefäße in allen Altersgruppen bei Pa- tienten mit angeborenen und erworbenen Herzfehlern. Die Funktionsbestimmung des Herzens mit der MRT gilt derzeit als Gold-Standard. Die Multidetektor-Computertomographie (MDCT) bietet derzeit eine bessere räumliche Auflösung, was insbesondere bei der Darstellung sehr kleiner Lungengefäße von Vorteil ist. In naher Zukunft sind deutliche Verbesserungen bezüglich der Bildqualität, der Aufnahmegeschwindigkeit und bei der Entwicklung sehr spezifischer, gut verträglicher MRT-Kontrastmittel zu erwarten. Danksagung: Wir möchten der „Elterninitiative herzkranker Kinder e.V. Tübingen“ und der „Stiftung zur Förderung der Erforschung von Zivilisationserkrankungen, Baden-Baden, Germany“ für die finanzielle Unterstützung danken. Ferner danken wir allen Kollegen aus der Abteilung für Diagnostische Radiologie (Leiter Prof. Dr. C. D. Claussen) für deren Unterstützung bei der Durchführung der Untersuchungen. Prof. Dr. R. Botnar, Abteilung für Nuklearmedizin der Technischen Universität München, möchten wir für die tatkräftige Unterstützung bei der Koronardarstellung bei Patienten mit Kawasaki-Erkrankung und für die außerordentlich wertvollen Anregungen und Diskussionen bei unseren MRT-Projekten danken. Für die virtuellen und realen Darstellungen gilt unser besonderer Dank Dr. I. Wolf und der gesamten Abteilung für biologische und medizinische Informatik (Leiter Prof. Dr. H.-P. Meinzer). 7